1908 / 274 p. 11 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 20 Nov 1908 18:00:01 GMT) scan diff

sar und stellte eine große und schwere Aufgabe nach der anderen n das deutsche Volk und die deutsche Regierung. Zindiaum war unsere Stellung in Europa durch Rüstungen und 5 ndnisse gesichert, kaum hatten wir begonnen, unser Wirtschafts⸗ 6 u durch Handelsverträge und Zollpolitik zu stärken, als unsere genen wirtschaftlichen Fortschritte, der Aufschwung von Handel, dustrie und Schiffahrt uns auch schon zwangen, jenseits der eere Kolonien zu suchen, einen jungen Welthandel auch politisch iu sichern, mit den bisherigen Traditionen einer kontinentalen, einer rein europäischen Politik zu brechen und Welt⸗ e zu treiben. Dieser Uebergang stellte uns vor eine neue, tingende und wichtige Aufgabe: Das neue Reich bedurfte 8 Flotte, stark genug, seine Küsten, seine überseeischen wmnterfsen und seinen Handel zu schützen. Wir haben diese Flotte e müssen, und wir haben sie schnell bauen müssen, 8 eine schnelle Entwicklung uns dazu nötigte. So folgten sich oh größten Aufgaben in schneller Reihe. So stellte jede neue 82 einer beispiellos raschen Entwicklung immer neue robleme. Kein unparteiisch Urteilender wird den verbündeten kebierungen, wird diesem hohen Hause den Vorwurf machen Scin daß sie die Sprache der Zeit nicht verstanden und den 8 ritt der Entwicklung nicht gefördert hätten. Gewiß bleibt 8 manches zu tun übrig, aber es ist viel getan. Auch nach 1 Ansicht läßt sich manches Stockwerk noch besser einrichten, 1 das Haus ist bewohnbar auch für ein Volk, das heute vn he Hälfte zahlreicher ist als zu der Zeit, da der Grundriß entworfen 8 Meine Herren, wer diese Entwicklung in ihrer Gesamtheit 1 sschaut, der wird verstehen, daß es sowohl vspchologisch begreiflich, i der inneren Logik der Tatsachen begründet ist, wenn bei diesem

8 Werk eine Seite immer wieder zurückgestellt, vertagt und säfe eichterer Hand behandelt wurde, als wir sie heute behandeln n

Gedanz Ich meine die finanzielle Seite. Wir haben, immer den unken vor Augen, daß das Haus gehaut, rasch und gut gebaut a⸗ mußte, die finanziellen Fragen als Fragen zweiter Ordnung un ndelt. Anfangs schienen die Milliarden der Kriegsentschädigung sasöpflich und machten sorglos. Dann hat der ungeheure wirt⸗ fllche Aufschwung, das Vertrauen in den Elan dieser Entwicklung, Sorglosigkeit vielleicht noch gesteigert. Wir glichen dem Jüng⸗ delon Schillers schönem Gedicht, der von kühnem Mute beflügelt, 5* in seines Traumes Wahn, von keiner Sorge noch gezügelt, bb ürts stürmt und kommende Sorgen frohgemut einer spätern Zu⸗ tüberläßt, sich und seiner Kraft auch für später vertrauend. 8 sind die psychologischen Ursachen. Andere Ursachen liegen in der 8 der Dinge und in der Eigenart unserer Entwicklung. Ihre Not⸗ 8 nüigkeiten folgten sich so schnell, daß niemand, in keinem Zeit⸗ antte dieser Periode die Summe messen konnte, die das Reich in d Jahren benötigen würde. So war eine einmalige, ündliche, dauernde Regelung der Reichsfinanzen nicht möglich. hat reformiert; binnen kurzem erwies sich die Reform unzulänglich. Die Ausgaben wuchsen mit den Aufgaben, id eine schaffende, vorwärts strebende Zeit wälzte die Lasten, sorglos dij vertrauensvoll, auf die Schultern der Zukunft. Meine Herren, 8 Schultern sind unsere Schultern, und heute stehen wir vor der ud erigen Aufgabe, die Sorglosigkeit der Vergangenheit zu verstehen Vertrauen zu rechtfertigen. bolieh eine Herren, Emporkömmlinge sind im allgemeinen nicht 8 8 (Heiterkeit.) Auch das Deutsche Reich, das jüngste Mitglied Re r europäischen Staatengemeinschaft, hat im Auslande mehr apekt und selbst Furcht als Zuneigung genossen. Deutschland nnber, eer bequeme Tummelplatz für fremde Einmischung, ist ein Zet emer Konkurrent gewo den. Die Politik in der Nachbismarckschen Geg ag Fehler begangen haben, sie hat Fehler begangen; aber die el neerschaften gegen das Reich beruhen im letzten Ende doch auf esventären Ursachen. Auch Bismarck hat nicht verhindern können, Rrflcr Revanchegedanke in Frankreich nicht erlöschen wollte, daß in Unund nach dem Türkenkriege eine deutschfeindliche Welle kam. Beds es denn so unnatürlich, daß unsere aus dem Wachstum der 8 ölkerung und unserer produktiven Kräfte hervorgegangene eishefülch. Expansion die einst freundlicheren Gefühle des sschen Volkes wenigstens bei einem Teil des englischen Volkes afüllt in Mißtrauen verwandelt oder doch mit einer gewissen Besorgnis dindli hat? Nun, meine Herren, diese Gegensätze sind nicht unüber⸗ nahe manche wird die Zeit heilen oder mildern. . Ich sehe keine vsügre t egsgefahr. Was wir brauchen, ist Kaltblütigkeit, Furcht⸗ Ra eit, Stetigkeit (Bravol Sehr richtig! rechts, Bewegung links), bnach außen und im Innern. (Bravo! rechts). Mir schwebt immer der essinnige Bild von unserem Albrecht Dürer vor, jener Reiter, dg N. voller Rüstung neben Tod und Teufel ruhig und kaltblütig 8 erich intan reitet. Ich stelle neben dieses Bild ein anderes Bild, 88 äln im vergangenen Frühjahr in einer französischen Zeitung⸗ aölte einen Kürassier dar mit blankem Pallasch und Helm, aber Geste gerissener Uniform, der einem vornehm, mit abwehrender Ein vorübergehenden Fremden bettelnd die Hand entgegenstreckt: fetig n. wie sich unsere Finanzlage und damit unsere Schlag⸗ Vertelt unsere Verteidigungsfähigkeit weiten Kreisen des Auslandes ine f. Hier, meine Herren, liegt eine Gefahr, eine wirkliche und dlej große Gefahr, und diese Gefahr zu überwinden, hängt ganz n von ung ab. 8

deat n handelt sich nicht wie in früheren Jahren darum, ein, anze Se teuern zu finden; wir wollen und müssen diesmal se geanbeit tun. (Sehr richtig! rechte). Ich brauche Ihnen batnwärtige Lage kaum zu schildern, Sie kennen sie alle. Mülaiten 1878 139 Millionen, 1888 884 Millionen und 1908 Rülhardeden 400 Millionen Mark Schulden, und mehr als eine a Aresis steht als neue Last bereits für die nächsten Jahre wieder dus den England, das mit Beginn des vorigen Jahrhunderts e) Miä Napoleonischen Kriegen mit einer Schuldenlast von etwa gcden Mark hervorgegangen war, hat im Laufe des vorigen dus Anlag is nicht weniger als 5 Milliarden abgetragen und erst Nark 859 des Burenkrieges die Staatsschuld um rund 3 Milliarden a nülyderum vermehrt. An der Tilgung auch dieser Neubelastung düster and seitdem unausgesetzt gearbeitet. Der bisherige Finanz⸗ inbringu er jetzige Premierminister Mr. Asquith, konnte deshalb bei Sbolz gung des Etats für 1908 mit Stolz, mit sehr berechtigtem hinweisen, daß die englische Staatsschuld am am 3 9 bereits 10 Millionen Pfund weniger betragen werde nkreich 6rz 1899 vor dem Ausbruch des Burenkrieges. (Hört, hört!)

hat von 1881 bin 1901 jede öffentliche Anleihe vermieden

(Hört, hört!) trotz der enormen Aufwendungen für Armee und Marine. Der französische Finanzminister Caillaux hat bei Be⸗ sprechung der wirtschaftlichen Lage Frankreichs besonders hervorgehoben, daß die Staatsschuld Frankreichs seit 1890 trotz des Ueber⸗ maßes an Ausgaben abgenommen habe. Neben dem Bedarf des Reichs lief bei uns eine beispiellose Beanspruchung des deutschen Geldmarktes durch die Einzelstaaten und Kommunalverwaltungen; durch die Sintflut von Reichs⸗, Staats⸗, Stadt⸗ und Kreisanleihen ist die Aufnahmefähigkeit des deutschen Marktes erschöpft (Sehr richtig!), und der Stand der Anleihen dauernd herabgemindert worden (Sehr richtig!), nur so ist der Stand unserer Werte gegen⸗ über den ausländischen zu verstehen. Während die 4 proz. deutsche Reichsanleihe rund 99 notierte, standen Italiener auf 104,75, Spanier 96,95, Türken 96,65; 2 ½ proz. englische Konsols wurden zu 87,50 gehandelt, 3 proz. französische Rente zu 95,30; 3 proz. deutsche Reichsanleihe stand knapp 83. (Hört, hört!) Die wirtschaft⸗ lichen Folgen dieses Zustandes, die Mehrkosten, welche der steigende Zinsfuß für den Schuldendienst verursacht, die Verluste, die be⸗ klagenswerten Verluste der deutschen Anleger am sinkenden Konsol, die Einwirkung des steigenden Zinsfußes auf den Reichsbankdiskont und die daraus hervorgehenden Nachteile für Landwirtschaft, In⸗ dustrie und Handel, das alles wird in diesem hohen Hause ja noch ein⸗ gehend erörtert werden. Ich erbitte jetzt Ihre Aufmerksamkeit nur noch für einige wenige Zahlen.

Im Jahre 1895/96 erzielte das Reich für seine 3proz. Anleihen in Höhe von 32 ¼ Mill. Mark einen durchschnittlichen Begebungs⸗ preis von 99,30. Seither hat es Anleihen zu 3, 3 ½ und 4 %, im Gesamtbetrage von 1 Milliarde 782 Mill. Mark begeben, für die es einen Erlös von 1 Milliarde 686 Mill. Mark erhalten hat, und deren Zinsendienst jährlich 59 Millionen Mark erfordert. Wäre es dauernd möglich gewesen, den Anleihebedarf durch Begebung von 3 proz. Obligationen zum Kurse des Jahres 1895/96 zu decken, so würde zur Erzielung des gleichen Erlöses ein um 84]⁄ Millionen Mark geringerer Nennbetrag und ein jährlich um 8,1 Millionen Mark geringerer Zinsendienst nötig sein. Ende Oktober 1897 waren an Reichsanleihescheinen zu 3 und 3 ½ % 2 Milliarden 152 Millionen Mark vorhanden, deren Kurs⸗ wert sich auf Grund des Durchschnittskurses vom Oktober 1897 auf 2 Milliarden 159 Millionen Mark stellte. Nach den Kursen vom 31. August 1908 beläuft derselbe sich dagegen nur noch auf 1 Milliarde 906 Millionen Mark, so daß die Gesamtheit der Besitzer dieser einheimischen, mündelsicheren Anleihen, insonderheit das deutsche sparende Publikum, infolge der Verschlechterung der Marktlage eine Verminderung dieses seines Vermögensstandes um 252 Millionen Mark oder 11,71 % zu beklagen hat. Das ist um so bedauerlicher, als es sich hier vielfach handelt um Verluste kleiner Rentner, die auf eine absolut sichere Anlage ihrer Ersparnisse ange⸗ wiesen sind. Für die seit 1896/97 begebenen neuen Reichsanleihen hat das Publikum einen Erwerbspreis von insgesamt 1 Milliarde 697 Mill. Mark zu bezahlen gehabt, während diese Anleihebeträge auf Grund der Kurse vom 31. August 1908 nur noch einen Wert von 1 Milliarde 586 Millionen hatten. Das Publikum hatte mithin an diesem Tage gegenüber dem Emissionspreise einen kursmäßigen Ver⸗ lust von 111 Millionen Mark oder 6,54 % erlitten. Ferner beliefen sich die 1897 vorhandenen 3 proz. und 3 ½ proz. preußischen Konsols auf 6341 Millionen Mark nach dem Nennwert; der Kurswert betrug nach den Durchschnittskursen vom Oktober 1897 6480 Mill. Mark, dagegen nach den Kursen vom 31. August 1908 nur noch 5766 Mill. Mark. Es sieht somit die Ge⸗ samtheit der Konsolsbesitzer wiederum besonders das deutsche sparende Publikum ihren Besitz um 714 Mill. Mark oder 11 % im Werte vermindert. (Hört, hört! rechts.) Die durchschnittliche Realverzinsung der englischen Konsols im Jahre 1907 stellte sich auf 2,98 %, die der französischen Renten auf 3,18 %, die der deutschen 3 proz. Reichsanleihe auf 3,57 %. Zu gleicher Zeit war der durchschnittliche Bankdiskont 4,93 in England, 3,46 in Frankreich, 6,03 in Deutschland. (Hört, hört! rechts.)

Das sind die Ziffern. Ich brauche nicht zu sagen, wie sehr diese Unterschiede des Zinsniveaus auf den Finanzen des Staates, auf unserer gesamten landwirtschaftlichen und industriellen Produktion lasten, wie sehr sie unsere Produktionsbedingungen verteuern, wie sehr sie unsere Konkurrenzfähigkeit beeinträchtigen. Die politisch⸗militärischen Folgen aber springen aus der Karikatur, auf die ich vorhin hinzuweisen mir erlaubte, schon klar genug hervor. Hier muß gründlich Wandel geschaffen werden. (Sehr richtig! rechts.)

Meine Herren, ich überlasse es meinem Herrn Nachbar, dem Herrn Staatssekretär des Reichsschatzamts, den Ihnen vorgeschlagenen Steuerplan im einzelnen und im ganzen darzulegen. Die leitenden Gedanken bei der Auswahl der neuen Steuern waren: negativ: keine Belastung des notwendigen Lebensbedarfs; positiv: höhere Besteuerung allgemeiner Genußmittel, neue Abgaben für die Lieferung von Gas, elektrischem Licht und elektrischer Kraft; endlich: stärkere Heran⸗ ziehung des Besitzes in der Form einer erweiterten Erbschaftssteuer. Die Frage, ob direkte oder indlrekte Steuern, stand für uns nicht in erster Linie, denn sie ist überwiegend theoretischer Natur. Was die Anhänger direkter Steuern erreichen wollen, deckt sich praktisch im wesentlichen mit dem, was ich soeben als „stärkere Heran⸗ ziehung des Besitzes“ bezeichnete. Dazu treten noch erhöhte Matrikularbeiträge.

Meine Herren, daß das deutsche Volk stark genug ist, die neuen Lasten zu tragen, daran zweifelt kein Mensch in der Welt. Wir alle wissen, daß in Deutschland jährlich über 3 Milliarden in Bier, Wein und Branntwein genossen werden, daß wir die billigsten und preiswertesten Zigarren der Welt rauchen. In der Norddeutschen Brausteuergemeinschaft entfallen auf den Kopf der Bebölkerung an Abgaben auf das Bier nur 1,28 ℳ, in Groß⸗ britannien dagegen 6,51 ℳ. (Lebhaftes Hört, hört!) An Brannt⸗ weinsteuer beträgt die durchschnittliche Belastung auf den Kopf bei uns 2,39 ℳ, in Frankreich 6,56 ℳ, in den Verei . und in Großbritannien gar 8,30 ℳ. (Hört, hört! rechts.) Der Tabak endlich ist bei uns mit 1,37 pro Kopf belastet, in Oesterreich dagegen mit 4,73 ℳ, in Großbritannien mit 6,28 und in Frankreich mit 7,56 ℳ. (Hört, hört!) Diesen Zahlen gegenüber wird mir wohl jeder zugeben, daß diese Genußmittel bei uns noch

ertragen können. 3 eine starke Bhasegeche Zuwachs an Nationalvermögen wird auf

Ferner: 8 1 3 ½ —4 Milliarden Mark geschätz. Börsenwerten e“ S.

Vereinigten Staaten 6,47

jährlich in Deutschland etwa 3 Milliarden Mark aufgenommen. Dazu kommen 500 Millionen Mark Sparkassenneueinlagen und 225 Millionen Mark Einlagen bei Genossenschaftsbanken. Dle Gesamtsumme der Einlagen in den Sparkassen beträgt mehr als 14 Milliarden. Der Wert der Privatdepots bei den Banken steigt jährlich um 400 Millionen Mark. Ein solches Land, meine Herren, ist nicht arm, ein solches Land kann noch stärkere Lasten tragen, wenn das Ansehen des Landes, wenn unsere Sicherheit es erfordert. Das deutet auch nicht auf Niedergang hin, das sieht nicht nach Bankrott aus. Aber einen moralischen Bankrott erleiden wir, wenn wir nicht endlich Wandel schaffen und mit der Schuldenwirtschaft brechen. (Zu⸗ stimmung rechts.) 8

Ein ausgeseichneter Gelehrter, der derzeitige Prorektor der Frei⸗ burger Universität, Professor von Schulze⸗Gaevernitz, hat in diesem Sommer geschrieben:

„Die deutsche Finanzmisere beruht nicht auf mangelhafter Steuerfähigkeit, sondern auf mangelnder Steuerwilligkeit!“ (Sehr richtig! rechts. Zurufe links.) Und was ein anderer her⸗ vorragender Gelehrter, mein alter Gönner, der Professor Dr. Adolf Wagner, über unsere „Steuerfilzigkeit“ und „Steuerknickrigkeit“ gesagt hat, will ich lieber gar nicht hier wiederholen. (Heiterkeit.)

Aber, meine Herren, mit der Bewilligung neuer Steuern ist die Finanzreform noch nicht zu Ende. (Sehr richtig! rechts.) An sie schließt sich eine andere, nicht minder ernste und nicht minder wichtige Forderung, die sich an das deutsche Volk, an die Regierung und an dieses hohe Haus richtet. Ich habe eben dargelegt, wie das Deutsche Reich in raschem Aufschwung, von Problem zu Problem gedrängt, über seine Verhältnisse gelebt hat. Ich kann dasselbe von fast allen Bundesstaaten, von fast allen großen und kleinen Kommunen sagen. (Hört, hört!) Sie alle haben im Wettkampf des Fort⸗ schritts eine Anlage nach der anderen errichtet, eine Anleihe nach der anderen aufgenommen. (Sehr richtig!) Gewiß lauter sehr nützliche, aber hier und da doch auch entbehrliche Dinge. (Sehr richtig! rechts. Widerspruch links.) Doch, meine Herren, so wenig wie der Staat haben sich die einzelnen Kommunen klar gemacht, in welchen Zustand die Häufung dieser Anleihen allmählich den deutschen Geldmarkt bringen mußte. Die einzelne Anleihe erschien unbedenklich. Heute sehen wir, daß die Summe aller dieser Anleihen eine Gefahr für die Verfassung des deutschen Geldmarktes bedeutet. Um diese Ge⸗ fahr zu überwinden, genügen nicht allein die neuen Steuern, ge⸗ nügt nicht die größte Sparsamkeit im Reiche; die Gemeinden müssen mithelfen, und deshalb richte ich auch an die Kommunen von dieser Stelle die Mahnung zur Sparsamkeit (Sehr richtig! rechts. Unruhe bei den Sozialdemokraten), die Bitte, bei ihrer Wirtschaft nicht das Ganze zu vergessen.

Die gleiche Mahnung richte ich und nicht minder eindringlich an jeden einzelnen Deutschen. Wir haben zu lange mit unserer Arbeit wenig verdient, zu lange manches entbehrt, was unsere älteren und reicheren Nachbarn seit lange besaßen. Reich geworden, glichen wir in etwas dem jungen Erben, der seine Verhältnisse überschätzt, sich nicht einzurichten versteht und nun wahrnimmt, daß er über sein Budget hinaus gelebt hat. Wir waren zu lange arm, um nicht der Versuchung zu erliegen, es unseren reicheren Nachbarn in Wohlleben und Luxus gleichzutun. (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten. Sehr richtig! rechts.) Ich will es offen aussprechen: es ist bei uns eine Zeit des Luxus (Sehr richtig! rechts), der Ueberschätzung des materiellen Genusses eingerissen (Sehr richtig! rechts; Sehr richtigt. bei den Sozialdemokraten; Zuruf: Wo denn 2), die jeden mit ernster Sorge erfüllen muß, dem das höchste Gut unseres Volkes, seine intellektuelle Kultur, am Herzen liegt. (Sehr richtig!) Es sind das die Fehler einer Uebergangszeit. Wir müssen alle in unserer ganzen Lebenshaltung zurück zu größerer Einfachheit. (Sehr richtig! rechts und links. Zuruf von den Sozialdemokraten.) Ich nehme niemanden aus! Sie ist würdiger, sie ist vornehmer, und gerade den Deutschen, meine Herren, kleidet sie besser.

Die wirtschaftliche Seite dieser Frage ist ebenso wichtig als die kulturelle. Das Wachstum des nationalen Wohlstandes beruht nicht allein auf der Steigerung der Einnahmen, es beruht auch auf der Differenz zwischen diesen Einnahmen und dem Verbrauch. (Sehr richtigl) Neben den Mehrverdienst tritt also ein anderer Faktor, die Sparkraft. Wer weniger verdient, aber spart, ist in dieser Beziehung nützlicher für die Nation, als wer viel verdient und viel verbraucht. (Sehr richtig! rechts. Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.) Ich weiß sehr wohl, daß bei uns jährlich Mil⸗ liarden gespart werden. Aber niemand wird mir widersprechen können, wenn ich sage: es kann bei uns noch viel mehr gespart werden. Wir sind reich geworden; wir müssen aber noch viel reicher werden für unsere ganze wirtschaftliche und politische Stellung in der Welt. (Sehr richtig! rechts.) Von jeher war Reichtum ein Mittel zur Macht. (Sehr richtig! links.) Er wird es mit jedem Jahrzehnte mehr, weil mit jedem Jahrzehnte die wirtschaftlichen und finanziellen Be⸗ ziehungen und Abhängigkeitsverhältnisse wichtiger werden für die internationalen Beziehungen und für die Gruppierung der Völker. (Sehr richtig! rechts und bei den Nationalliberalen.)

Meine Herren, unterschätzen Sie die Bedeutung dieser Sparkraft nicht. Wenn Sie an meinen Worten zweifeln, so werfen Sie einen Blick auf Frankreich. Frankreich ist an Kapitalien und an Liquidität noch immer das reichste Land der Erde. Ich lenne Frankreich und die Franzosen, ich habe viele Jahre in Frankreich zugebracht. Frank⸗ reich verdankt seinen Reichtum seinem gesegneten Boden, mehr noch dem Fleiß und der Geschicklichkeit seiner Bewohner, am meisten aber seiner bewunderungswürdigen Sparkraft (Sehr richtig!) jener force d'épargne des einzelnen Franzosen und der einzelnen Französin Dank dieser force d'épargne ist Frankreich der Bankier der Welt geworden, die Franzosen ein Volk von Rentnern, reich durch die Arbeit des Auslandes, das ihre Kapitalien sucht und ihnen Zinsen zahlt. ö Svaec b Produktion weniger verdlent, das erspa mehr und verdient an den 1 1 Weniger seiner Produktion. Iinsen seiner Ersparnisse das

Ich bin sicher, Fachmänner werden diese meine Ausführungen bestätigen, sie im einzelnen ergänzen und bereichern h.as Ales in

unserem Volk, Regierung, Reichst, sammenwirken, chstag, Gelehrte, Presse, sollten zu⸗

erhalten.

Sie schienen mir, meine Herren, eben nicht alle mit meinen Aus⸗ einverstanden. Ich kann mir denken, was Sie sich sagen. ie sagen sich, es sei ungerecht, vom Volke zu verlangen, daß es seine Lebenshaltung einschränken (Sehr richtig! bei. den Sozial⸗

um solche Gedanken in unserem Volke lebendig zu