so den Einst der Situation klar zu machen imstande war, so waren es die billigen Witze des Abg. von Dziembowski. Vielleicht wollte er durch seine satirisch sein sollende Bemerkung zeigen, daß seine Befürchtungen für die Polen gar nicht so ernst gemeint waren. Der Schwerpunkt eines derartigen Gesetzes liegt in der Anwendung. Deshalb haben wir es lebhaft begrüßt, daß mit der Anwendung des Gesetzes sehr schnell der Anfang gemacht werden soll, daß das G setz schon auf die preußische Wahlbewegung angewendet werden soll. Gerade in Preußen und Sachsen ist das Vereins⸗ und Versammlungsrecht sehr oft in einer des Staats un⸗ würdigen Weise angewendet und dadurch Mißtrauen gesät worden. Diese schikanöse Anwendung war um so schlimmer, als sie unter der 3 Voraussetzung erfolgte, daß man der Zustimmung der vorgesetzten Behörde sicher war. In Sachsen ist auf diesem Gebiete von den unteren Behörden früher viel gesündigt worden. Eine entschiedene Wendung zum Besseren ist aber eingetreten, als von den oberen Be⸗ hörden ein Halt geboten wurde. Die Erklärung des Staatssekretärs hat uns mit dem Vertrauen erfüllt, daß dies neue Gesetz völlig rück⸗ haltlos und loyal ausgeführt werden wird. So dürfen wir hoffen, daß das Gesetz dem Reiche zum Segen gereichen und den Einheits⸗ gedanken fördern wird. 1 Abg. Heine (Soz.): Meine Parteigenossen lehnen dieses Ge⸗ setz, wie es sich in zweiter Lesung gestaltet hat, ab. Der Abg. von Payer sagte, es wäre uns nicht Ernst mit unserem Angriffe, wir wären froh, wenn das Gesetz mit dem Block unter Dach und Fach gebracht würde. Das war wenig höflich von dem Abg. Payer. Wenn ich so spräche, wie ich denke, würde wohl der Präsident dazwischen fahren. Der Abg. Payer sagte, es hätte unseren Reden die Kraft gefehlt. Nun, wir befanden uns einer Mauer, einer toten Masse gegenüber, an der die besten Gründe abprallen, weil Sie (nach links und rechts) sie nicht annehmen wollen und dürfen, denn Sie haben ihre besten politischen Grundsätze auf dem Blockaltar geopfert. Wo ist denn mehr Freudigkeit des Kampfes, bei Ihnen oder bei uns? Ihre eigene Presse, Ihre eigenen Parteigenossen haben Sie be⸗ schworen, dieses Gesetz nicht zu machen; der hochverehrte Kollege Schrader hat sich genötigt gesehen, öffentlich um Indemnität zu bitten! Ich nehme Ihnen das nicht übel, ich sehe im Gegenteil darin ein Zeichen Ihres Mutes auch Ihren Wählern gegenüber; aber wie innere Kraft der Blockpolitik klingt das nicht. Der Abg. von Payer bezog sich auf „Sachverständige“, die das Gesetz für besser erklären als das bestehende Recht in Süddeutschland. Ich nehme für uns dieselbe Sachverständigkeit wie der Abg. von Payer in Anspruch, der wohl selbst nicht wird sachverständig sein wollen in nord⸗ deutschen Angelegenheiten. Ich persönlich bin sachverständig; seit 20 Jahren gehört ein großer Teil meiner beruflichen Tätigkeit dem vereinsgesetzlichen Gebiete in Preußen und den anderen deutschen Staaten an. Das Gesetz bedeutet für Süddeutschland unzweifelhaft eine Verschlechterung, für Preußen und Sachsen einige unbedeutende Verbesserungen, eine unzweifelhbafte Verbesserung nur für die beiden Mecklenburg. Das Sprachenverbot für das ganze Reich st ein reaktionäres Novum. Der Abg. Junck meinte, die Verfassung beseitige Polizeiverordnungen nicht. Soll denn viel⸗ beicht die Polizeiverordnung die Verfassung beseitigen? Eine Verfassung steht doch wohl über einer Polizeiverordnung. Für Hessen tritt also unzweifelhaft eine Verschlechterung des Ver⸗ ins, und Versammlungsrechts ein; das hat auch der Freisinnige Gutfleisch in der hessischen Kammer ausdrücklich hervorgehoben. In Preußen haben wir ein kodifiziertes Vereinsrecht und trotzdem die schlimmste Polizeiwillkür. Solche willkürlichen Auslegungen für die Zukunft auszuschließen, haben wir in der Kommission versucht; da aar man aber plötzlich nicht für die Reichseinheit, sondern für die polizeiliche Freiheit. Was die Bestimmungen über die Jugendlichen
betrifft, so bedarf nach unserer Auffassung die Arbeiterschaft gerade in der Zeit zwischen dem Verlassen der Schule und
dem Eintritt in das Heer der Ausbildung, nicht etwa einseitig nach
durch Turnen, Schwimmen, Sport usw. Das Verbot der Jugend⸗ lichen, an Versammlungen und Vereinen teilzunehmen, ruiniert uns die Arbeiterturnvereine, die Arbeitersportvereine und alles Aehnliche. In Preußen und Sachsen werden regelmäßig die Turn⸗ und Sportvereine der Arbeiterklasse als politische Vereine behandelt, aus den lächer⸗ lichsten Gründen, z. B. weil sie ein Kommersbuch besitzen, in dem auch Arbeiterlieder stehen. Ich klage die Freisinnigen, die den § 10 a bewilligt haben, an, daß sie damit die körperliche Ausbildung der Arbeiterijngend untergraben. Sie haben es vorher gewußt, auf Dummheit können sie sich nicht berufen. Der Abg. von Payer hat ins Horn gegen die Polen gestoßen. Ich will meiner⸗ seits, daß unsere deutsche Kultur deutsch sei, aber ich halte es für undeutsch und für unwürdig einer deutschen Kultur, nationale Unter⸗ drückungspolitik gegen unter uns versprengte fremdsprachige Bestand⸗ teile zu üben. Damit will ich nicht etwa alles billigen, was von polnischer Seite in den Ostmarken geschieht; die Auswüchse des nationalen Fanatismus sind widerwärtig, aber nicht wider⸗ wärtiger als die Auswüchse des parteispolitischen Verfolaungswahnes. Die Unfruchtbarkeit der preußischen Polenpolitik, dieser Gewaltpolitik ist durch 100 Jahre erwiesen. Man sollte sich doch an England ein Beispiel nehmen, wo die Buren schon vier Jahre nach der Unter⸗ werfung Loyalitätsreputationen nach England schicken. rechts: Irland! Irland paßt ihm nicht!)
rechnen müßte Neu war uns das nicht; aber wo ist denn der praktische Erfolg, den die Liberalen bei dieser Politik davon⸗ getragen haben? Warum zählt der Abg. Schrader sie in seiner In⸗ demnitätszuschrift nicht auf? Es kann ein Volk auch mit geringeren Rechten auskommen; aber es müssen Rechte sein und nicht Willkür. Es ist ein unerträglicher Zustand, wenn man dem Volke Rechte gibt, aber der Polizei die Befugnis, diese Rechte Augenblick ins Gegenteil zu verkehren. Wir haben Ihnen urkundlich das Material über die Willtür der Polizei in Preußen, Sachsen, Thüringen usw. vorgelegt; durchweg haben die Freisinnigen aber unsere Anträge ab⸗ gelehnt, ja der Polizei für gewisse Gebiete, z. B. die Versammlungen unter freiem Himmel, erst ein neues Willkürrecht gegeben. Der Staats⸗ sekretär hat Versprechungen gegeben, aber er hat gar nichts zu ver⸗ sprechen, denn die Polizeibehörden der Einzelstaaten handhaben das Gesetz, und ihm fehlt jede Macht, auf die loyale Ausführung der Einzelstaaten hinzuwirken. Bei den Freisinnigen scheint sich jetzt eine gewisse Be⸗ sorgnis geltend zu machen, dafür spricht ihr merkwürdiger Antrag im Abgeordnetenhause, den Herr Gröber ja schon genügend charakterisiert hat. Wem ist es nun Ernst mit der Opposition gegen das Gesetz, uns oder den Freisinnigen, die es jetzt da bekämpfen, wo sie nichts auszurichten vermögen? In der Fassung der Kommissionsbeschlüsse erster Lesung hätte ich persönlich das Gesetz wahrscheinlich an⸗ genommen; wir haben die Liberalen also nicht im Stich gelassen, das Umgekehrte war nachher der Fall. Die konservativen Blockfreunde waren sehr wenig rücksichtsvoll. Ich hatte in der ersten Lesung voraus⸗ gesagt, wie es kommen würde, und der Abg. Müller⸗Meiningen meinte in der Kommission, das zu prophezeien, sei nicht schwer gewesen. Die Sache war ja damals schon perfekt; es war ein Spiel mit ver⸗ teilten Rollen schon zur Zeit der Norderneyer Dinergespräche. Die Linke bestreitet ja, daß Vereinsgesetz und Börsengesetz einen Zusammen⸗ hang haben; ist dies richtig, dann gibt es nur eine Erklärung dafür: Sie wissen überhaupt von nichts. Alle Welt weiß, daß die Kon⸗ servativen durch das Börsengesetz einen Druck auf die Freisinnigen haben, und die Konservativen wissen, was sie wollen.
ser Widersinn der konservativ⸗ liberalen Paarung muß solche Folgen haben. Die Konservativen ztehen mit der Regierung nach hinten, die Freisinnigen — ich hätte beinahe gesagt nach vorn — aber nein, sie laufen nur der Regierung nach. Diese Politik kann für die Freisinnigen keine Früchte bringen, sondern nur den Kon⸗ servativen. Die Worte des Abg. von Payer haben nur den
inn: unterwerfen, damit wir nicht hinausgeworfen werden. Bismarck pflegte als Rechtsjünger zu sagen: entweder ich bleibe und sie gehen, oder sie gehen und ich bleibe. Hätten Sie (u den Fieisinnigen) mehr Kraft aufgewendet und gesagt: gut, mag
der politischen Seite, sondern der Unterrichtung über alles, was um sie herum vorgeht, und vor allem auch der körperlichen Ausbildung
(Zurufe Der Abg. von Payer hat uns eine Vorlesung gehalten, daß man in der Politik mit dem Möglichen
das Gesetz scheitern, dann hätten Sie unendlich mehr erreicht.
(Zuruf des Abg. Müller⸗Meiningen: Woher wissen Sie das*) Ich frage Sie vielmehr, Herr Müller: Wie konnten Sie das nicht wissen, was jeder Junge auf der Straße pfeift? Daß der Staatssekretär und der Reichskanzler Ihnen nicht gesagt haben wird: wenn Ihr wollt, könnt ihr auch mehr bekommen, ist doch selbstverständlich. Es ist bei der Gesetzmacherei wie beim Pferdehandel. Wenn man sagt, welchen Preis man geben will, ist das Geschäft bald aus; dann ist es aber auch kein gutes Geschäft. Das Zentrum hat am Sonnabend zum § 11 eine Haltung eingenommen, die für uns nicht überraschend war, aber doch charakteristisch ist. Der Antrag Hanssen, der doch eine erhebliche Verbesserung bedeutet hätte, wäre vielleicht angenommen, wenn das Zentrum mst dafür gestimmt hätte. Damit hätte es dem Block, der einen Rütlischwur geleistet hatte, nichts an diesem Gesetz zu ändern, eine ernste Verlegenheit bereitet. Es wollte näher rücken an den Fürsten Bülow, seine alte Liebe, und vorbereiten, was doch in absehbarer Zeit kommen muß, so⸗ bald die Freisinnigen dem Zentrum die Kastanien aus dem Feuer geholt haben. Ich nehme Ihnen solche Taktik in diesem Moment nicht übel, Sie sind immer klug gewesen wie die Schlangen und falsch wie die Tauben. „Ich sage bloß: Armer Freisinn! Er hat nicht nur seine Grundsätze, sondern auch die Zukunft der liberalen Partei in Deutschland geopfert. Die Kämpfe um Gerechtigkeit, Kultur, Bildung usw. sind nicht beendet, sie werden auch künftig aus⸗ gefochten werden, aber ausschließlich unter der Flagge der Sozial⸗ demokratie. Die Kämpfe gegen das Zentrum werden wir sühren, und Sie, Herr Dr. Müller⸗Meiningen, werden nicht mehr mitzählen.
Abg. Schrader (fr. Vgg.): Der Abg. Heine hat vollkommen darin recht, daß die Kämpfe um die Freiheit nicht aufhören werden.
Aber die Sozialdemokratie führt diese Kämpfe unter einer falschen Fahne, nämlich der des Klassenkampfes. Deswegen wird sie auch nie etwas erreichen, und deshalb ist auf sie auch kein sicherer Verlaß. Die guten Zustände auf dem Gebiete des Vereinsrechts in den füddeutschen Staaten beruhen nicht auf deren Gesetzgebung, sondern folgen aus der vernünftigen Handhabung der Gesetze. Diese werden wir Ihnen nicht nehmen. Lägen die Dinge so, wie es der Abg. Gröber dargestellt hat, so würden die süddeutschen Bundes⸗ vertreter nicht für dieses Gesetz stimmen. Daß es ein ideales Gesetz ist, wird niemand behaupten, und ich behaupte es am allerwenigsten. Aber das Vereins⸗ und Versammlungsrecht steht nunmehr unter dem Schutz des Reiches. Dieses ist verpflichtet, dafür zu sorgen, daß es in allen Einzelstaaten der Erklärung des Staatssekretärs entsprechend liberal gehandhabt wird. Dieses einheitliche Vereinsrecht muß nicht notwendigerweise in den Staaten, die früher eine freiheitlichere Handhabung ihres Gesetzes gehabt haben, eine ungünstige Wirkung ausüben. Es ist doch besser, daß wir die Gesetzgebung in die Hand nehmen, als daß wir sie den einzelnen Ab⸗ geordnetenhäusern, besonders dem preußischen, überlassen. Hätten wir das Gesetz scheitern lassen, so wäre wieder auf längere Jahre hinaus eine Ordnung des Vereinsrechts hinausgeschoben worden. Meint der Abg. Heine, wir hätten die Zustände, über die er selbst so beweglich geklagt hat, weiter fortbestehen lassen sollen? Der Vertreter der verbündeten Regierungen erklärte, es könne nicht die Rede davon sein, dem Gesetze eine der bei uns bestehenden Auffassung widersprechende Auslegung zu geben. Sollte das doch geschehen, so werden wir eben eine Aenderung des Gesetzes vornehmen müssen. Wir haben unsere grundsätzliche Stellung gewahrt und ein Gesetz zustande gebracht, das in sehr vielen Beziehungen große Verbesserungen bietet. Die preußische Polenpolitik hat keine Erfolge aufzuweisen, hat im Gegenteil zu immer neuen Anforderungen geführt. Ich habe immer die Ansicht vertreten, wenn es einem Teile der Bevölkerung gut geht, so ist er viel eher geneigt, sich in das Ganze einzufügen, als wenn er zu leiden hat. Aber der gute Wille zur Verständigung muß auf beiden Seiten vorhanden sein. Dabet ist es nicht immer schön her⸗ gegangen. Ich weiß nicht, wie der Weg der Polenpolitik zu Ende gegangen werden soll.é Darum haben wir aber auch durchaus keinen Anlaß, für das Sprachverbot einzutreten. Auch die Art und Weise, wie der § 7 formuliert ist, scheint für eine klare Handhabung nicht geeignet zu sein. Wir hatten aber keine Möglichkeit, ihn anders zu gestalten. Das Gesetz wäre überhaupt nicht zustande gekommen, hätten wir den § 7, auch in der jetzigen Form abgelehnt, und die weitere Folge wäre die größere Gewißheit gewesen, daß im preußischen Land⸗ tage ein viel schärferes Gesetz gemacht wäre, das den Polen sehr viel weniger gegeben hätte. Wir glauben, erwarten zu dürfen, daß das Gesetz auch liberal angewendet wird.
Abg. Haas (nl.) geht unter sehr großer Unruhe des Hauses auf die in der zweiten Lesung gegen ihn als den Präsidenten der hessischen Kammer und seine persönliche Stellungnahme erhobenen Vorwürfe ein. Dem hessischen Bundesratsbevollmächtigten Dr. von Neidhardt könne er bestätigen, daß der größte Teil der hessischen Bevölkerung ihn hoch scäß⸗ und hoffe, daß der Wunsch des Abg. Köhler auf eine baldige Pensionierung auf Jahre hinaus nicht in Erfüllung gehen möge.
Hierauf wird ein Antrag auf Schluß der Debatte an⸗ genommen.
Persönlich bemerkt der
Abg. von Payer (d. Volksp.): Ich habe allerdings vor Jahren in einer Beschwerde an den Oberverwaltungsgerichtshof in Stuttgart, aus der der Abg. Gröber Stellen verlesen hat, bestritten, daß der Polizei ein Ueberwachungsrecht in Versammlungen zustehe. Der Oberverwaltungsgerichtshof hat aber rechtskräftig in letzter In⸗ stanz entschieden, daß das Gegenteil richtig ist Wenn ich den heutigen Rechtszustand in Württemberg mit dem neu zu schaffenden vergleiche, so muß ich doch natürlich die rechtskräftige Entscheidung des Ober⸗ verwaltungsgerichtshofs zu Grunde legen, nicht meine subjektive Meinung. Daraus erklärt sich sehr einfach der Widerspruch, in den mich der Abg. Gröber zu mir selber bringen wollte.
Abg. Dr. Spahn (Zentr.): Der Abg. Dietrich hat aus dem Aufsatz meines Sohnes eine Respektlosigkeit gegen mich herauslesen wollen. Es liegt kein Erziehungsfehler meinerseits vor. Wenn der zitierte Satz im Zusammenhang mit dem gesamten Artikel betrachtet wird, geht daraus hervor, daß mein Sohn glaubt, durch die Art, wie die preußische Regierung die polnische Bevölkerung behandelt, werde letztere zu einer Gefahr; dagegen habe ich meinerseits nichts zu sagen, ich würde den Satz selbst nur etwas anders gefaßt hahen. In der Sprachenfrage steht mein Sohn ganz auf meinem Standpunkt.
Abg. Dietrich (kons.): Es ist mir nicht beigekommen, den Vorwurf der Respektlosigkeit zu erheben. Dr. Spahn hat aber den Nationali⸗ tätenkampf als eine immer brennender werdende Wunde im Staatskörper bezeichnet; er meinte, vom christlich⸗konserbativen Standpunkt könnte man nichts dagegen haben, wenn die Polen wieder ein selbständiges Reich bilden wollten. Nur die inländischen Polen müßten bei uns bleiben. Das ist die politische Weisheit, die er aus seinen Beobachtungen im Reiche zieht.
Abg. Fürst Radziwil! (Pole): Wenn ich den Ausdruck gebraucht habe, die Polen wären zufällig Reichsangehörige, so habe ich es nur in Anlehnung an den Ausdruck des Abg. von Payer getan, daß die Polen preußische Staatsbürger wären, die nur Polnisch sprechen.
Abg. von Dziembowski (Pole): Ich bitte, mir in meinem Steno⸗ gramm die Stellen zu zeigen, die als Witze aufgefaßt werden können. Ich habe lediglich aus dem Bedürfnis, zum Schlusse noch ein letztes Wort zu dem Gesetz zu sprechen, an die Ueberschrift angeinüpft, weil es mir geschäftsordnungsmäßig nicht anders möglich war, sachliche Unrichtigkeiten aus der Debatte richtig zu stellen. Witze mit der Spitze gegen die deutsche Nationalität habe ich nicht ge⸗ macht, sondern lediglich im Laufe meiner Rede einen kleinen Seitenhieb gegen den Abg. Hieber gerichtet. Aber dieser ist doch nicht das deutsche Volk. Auf ein scharfes Gesetz eine scharfe Sprache.
Abg. Köhler (wirtsch. Vgg.): Ich nehme meine Aeußerungen, die ich in so schroffer Form gegen den hessischen Bundesvertreter ausgesprochen habe, zurück.
Abg. Seyda (Pole) stellt zur Geschäftsordnung fest, daß er durch den Schluß der Debatte verhindert sei, auf die zum Teil höchst eigenartigen Angriffe gegen seine Fraktion zu antworten.
Abg. Dietrich (kons.): Wenn der Abg. von Dziembowski seine Ausführungen ernst gemeint hatte, so hätte er sie auch so vortragen sollen. Mein Eindruck war ein anderer. Ich habe Gewissensbisse, daß ich einen Konflikt zwischen dem Abg. Spahn und seinem Sohn betont habe. 1
Abg. von Dziembowski (Pole): Die Schuld, daß meine Ausführungen falsch aufgefaßt sind, lag nicht an mir, sondern an der Unruhe des Hauses.
In der Spezialdiskussion werden die 88§ 1 bis 3 ohne Debatte angenommen.
Zu § 3a und den dazu vorliegenden Anträgen spricht zunächst der
Abg. Preiß (Els.): Mein Antrag bezweckt nicht, der Ver⸗ abschiedung des Gesetzes irgend welche Schwierigkeiten zu bereiten. Er will nur, daß in das Gesetz hineinkomme, was die Majorität und die Regierung hineinbringen wollten. So, wie das Gesetz nach den Kommisstonsbeschlüssen vorliegt, steht es im Widerspruch mit den Intentionen, die in der Kommission zu Tage getreten sind. Es sollten öffentliche politische Wahlversammlungen zu Reichstagen und den Landtagen einer Anzeige nicht bedürfen. Es heißt in einem Absatz: Einer Anzeige bedarf es ferner nicht für Versammlungen der „Wahl⸗ berechtigten“. Das hat aber die Kommission gemeint. Versammlungen der Wahlberechtigten sind nicht Wahlversammlungen, wie sie die Parteien und die Regierung im Auge hatten. Das sind nicht öffentliche politische Wahlversammlungen, sondern Wähler⸗ versammlungen. Davon sind alle diejenigen ausgeschlossen, die nicht wahlberechtigt sind, die nicht in die Wählerliste aufgenommen worden sind. Leute, die 24 Jahre alt sind, würden unter normalen Verhältnissen außerhalb der Wahlen an öffentlichen politischen Ver⸗ sammlungen teilnehmen können, während sie zur Zeit der Wahlen von öffentlichen Wahlversammlungen ausgeschlossen sind. Das ist ein purer Unsinn und auch so nicht gewollt, weder von der Regierung noch von der Kommission. Eine Kontrolle, ob nur Wahlberechtigte anwesend sind, ist überhaupt kaum auszuüben. Regierungen und Parteien wollten doch, daß auch Nichtwahlberechtigte an solchen Ver⸗ sammlungen teilnehmen. Da eine praktische Kontrolle nicht möglich ist, namentlich in großen Städten, so werden die Veranstalter solcher Versammlungen auf Grund des § 11 zur strafrechtlichen Verantwortung gezogen. Das ist nicht die Absicht der Regierung und der Majorität. Man hat sich nun mit der Tendenz meines Antrages einverstanden erklärt, aber gemeint, es sei nicht nötig, die von mir vorgeschlagene Aenderung vorzunehmen; es genügten Interpretationserklärungen seitens der Regierung und der Parteien, an die sich die Gerichte zu halten hätten. Solche Interpretationserklärungen können aber an dem klaren Wortlaut und Sinn des Gesetzes absolut nichts ändern. Das Gericht wird sich über derartige Interpretationserklärungen hinwegsetzen, als ob sie gar nicht existieren; es muß sich auch darüber hinwegsetzen. Solche Erklärungen könnten zulässig sein, wenn über den Sinn des § 2 Abs. 2 Zweifel bestünden. Solche Zweifel be⸗ stehen aber nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 nicht; Wortlaut und Sinn des Paragraphen bleiben bestehen. Will man die gesetzgeberische Absicht wirklich ausführen, dann muß ein Rechtszustand geschaffen werden, der den Intentionen des Gesetzgebers entspricht, und dann muß mein Antrag angenommen werden.
Abg. Müller⸗Meiningen (fr. Volksp.): Die Frage hat gewiß eine große Bedeutung. Wir haben diese Bestimmungen aus dem bayerischen Gesetz wörtlich übernommen. Der Unterschied, den der Vorredner zwischen Wählerversammlungen und der Wahlversammlung konstruiert hat, lag uns in der Kommission vollkommen fern. Eine Wahl⸗ versammlung soll ihren Charakter nicht durch die Anwesenheit von Nichtwahlberechtigten, Frauen usw. verlieren. Es handelt sich hier nur um die Anzeigepflicht, nicht um das materielle Recht, das Recht der Teilnahme; die Frau hat das Recht, auch Wählerversammlungen beizuwohnen, das gilt auch von Fremden, Nichtreichsangehörigen; eine Bestrafung eines Versammlungsleiters kann unter keinen Um⸗ ständen stattfinden.
Staatssekretär des Innern, Staatsminister Dr. von Beth⸗ mann Hollweg:
Meine Herren! Der Herr Abg. Müller (Meiningen) hat meiner Ansicht nach durchaus zutreffend darauf hingewiesen, daß das materielle Recht über die Teilnahme an Versammlungen in § 1 geregelt ist, während es sich in § 3 a nur um Ausnahmen von der formalen Vor⸗ schrift der Anzeigepflicht handelt.
Der Herr Abg. Müller (Meiningen) hat des weiteren darauf hingewiesen, daß der Wortlaut dieser Vorschrift aus dem bayerischen Recht entnommen ist, und soweit ich informiert bin, sind in Bayern Schlußfolgerungen wegen der Strafbarkeit des Veranstalters einer Versammlung, an der tatsächlich (Zuruf in der Mitte: Auflösung!) — ich werde gleich auf die Auflösung kommen — Nichtwahlberechtigte teilnehmen, nie gezogen worden, und ich würde es auch gegenüber dem Reichsgesetz für unmöglich halten, diese Folgerung rücksichtlich der Strafbarkeit ziehen zu wollen.
Der Herr Abg. Erzberger ruft mir zu: Auflösung! Ja, meine Herren, in § 9 ist genau festgestellt, aus welchen Gründen aufgelöst werden darf. Darunter findet sich die Beteiligung Nichtwahlberechtigter an einer nicht angezeigten Wahlversammlung nicht; also von einer Auflösung aus diesem Grunde kann keine Rede sein. (Sehr richtig! links.)
Abg. Severing (Soz.) befürwortet die Anträge Albrecht zu § 3a. In der zweiten Lesung, wo § 3 und 3a gemeinsam diskutiert wurden, sei den Antragstellern durch die Annahme eines Schlußantrages ver⸗ wehrt worden, die beantragte Erweiterung der Bestimmungen des Absatz 3 des § 3a zu motivieren. Es sei durchaus nötig, auch die Versammlungen von technischen und kaufmännischen Angestellten von der Anzeigepflicht zu dispensieren, ebenso auch Versammlungen, in denen nicht nur um die Erlangung, sondern eventuell auch um die Erhaltung günstiger Lohn⸗ und Arbeitsbedingungen diskutiert werden soll. Der Redner verweist auf die preußische Polizeipraxis, die systematisch gegen gewerkschaftliche Versammlungen jeder Art, sogar gegen Werkstatt⸗
versammlungen oder Zahlstellen von Fachverbänden, wie z. B. des Metallarbeiterverbandes, eingeschritten sei. Seien ekwa dem Kollegen Schack schon Zusicherungen gemacht worden, daß die deutschnationalen Handlungsgehllfen nicht von den Fußangeln dieses Gesetzes getroffen werden sollen? Bezüglich der „Erhaltung“ günstiger Ar⸗ beitsbedingungen kämen vor allem die Versammlungen von Aus⸗ gesperrten in Frage.
Staatssekretär des Innern, Staatsminister Dr. von Beth⸗ mann Hollweg:
Ich will auf die ersten Ausführungen des Herrn Vorredners nicht antworten, sondern nur das eine bemerken: Der Herr Vorredner hat, wie mir scheint, an verschiedenen Stellen seiner Rede die Fragen ver⸗ wechselt, ob es sich um eine Versammlung zur Erörterung öffent⸗ licher Angelegenheiten oder zur Erörterung politischer Angelegen⸗ heiten oder drittens um eine öffentliche Versammlung handelt. (Sehr richtig! links.) Er hat meinen Zwischenruf, den ich ihm vorhin machte, indem ich mir erlaubte, ihn darauf hinzuweisen, daß es sich in Zukunft nicht mehr um die Ueberwachung von bestimmten Ver⸗ sammlungen handeln würde, weil sie nicht öffentlich seien, nachher zu widerlegen versucht durch ein Erkenntnis eines obersten Gerichts⸗ hofs, welches sich lediglich darüber aussprach, wann Angelegenheiten öffentliche und wann sie politische sind. Also das war keine Wider⸗ legung meiner Bemerkung.
Ich will mich aber noch ganz kurz zu den Abänderungsanträgen
3. 6