Abg. Graf von Spee (Zentr.): Alle Parteien sind sich einig in der Verurteilung der radikalpolnischen Propaganda, aber es liegt darin für die Regierung die ernste Mahnung, dieser Propaganda den Boden durch eine Aenderung des Systems zu entziehen. Wohin der Kampf führt, zeigen die Boykottbestrebungen. Man wirft der polnischen katholischen Geistlichkeit die Schürung des Kampfes vor und sagt: Gebt uns deutsche katholische Geistliche, dann können wir das Problem lösen. Aber das polnische Volk muß die Geistlichen haben, zu denen es Vertrauen haben kann, wenn die Religion erhalten werden soll. Die Zahl der katholischen Ansiedler geht von Jahr zu Jahr zurück; dieses System der Ansiedlungskommission führt direkt zu der Auffassung, daß deutsch gleichbedeutend mit evangelisch sei. Man baut lauter schöne evangelische Kirchen, da kann man sich doch nicht wundern, wenn das katholische Volk Gegner der An⸗ siedlungspolitik ist. Beseitigen Sie also dieses System, um ein besseres an seine Stelle zu setzen. Heben Sie das polnische Volk kulturell, damit es sich als zugehörig zu Preußen fühlt. Wir sollten aus den Erfahrungen Englands mit Irland lernen. Es ist gestern gesagt worden, ein Jahrhundert lang habe man vergeblich das Herz der Polen zu gewinnen versucht, erst da dies vergeblich sei, nehme man das Land. Die preußische Regierung hätte aber den Polen mit mehr Herz entgegenkommen sollen. Das Urteil der Geschichte wird zu Ungunsten der preußischen Regierung ausfallen. Wie Fürst Bismarck dem Kulturkampf ein Ende gemacht hat, so ist auch anzunehmen, daß er mit dieser Polenpolitik Schluß gemacht hätte, anstatt immer wieder weitere Mittel für die Ansiedlung zu fordern. Man wird jetzt auch dazu übergehen müssen, den kleinen Besitz zu expropriieren. Wenn Sie das ganze System nicht ändern, werden Sie Sturm ernten, wo Sie Wind gesät haben.
Abg. Ernst (fr. Vgg): Die Ansiedlungskommission hat ihren Zweck gegen die Polen nicht erreicht und wird ihn nicht erreichen, aber sie hat Kulturmacht nach dem Osten getragen. Ich hege den dringenden Wunsch, daß die Regierung ihre Fürsorge auch den Städten in der Ostmark zuwenden möge. Es ist ebenso wichtig, die Deutschen in der Provinz Posen festzuhalten, wie neue Ansiedler heranzuziehen. “ 8 —
Abg. Dr. Voltz (nl.): Ich spreche lediglich für meine Person. Graf Praschma hat gestern die bisherige Polenpolitik schon deshalb als falsch bezeichnet, weil sie völlig wirkungslos gewesen sei. Es ist schon öfter nachgewiesen worden, daß unbestreitbare Erfolge der Ansiedlungspolitik vorhanden sind. Ich gebe zwar zu, daß im Ver⸗ hältnis zu den gewaltigen Anstrengungen und finanziellen Opfern der Erfolg ein recht geringer ist, aber nicht deshalb, weil diese Politik eine falsche war, sondern weil sie nicht entschieden und konsequent vorging, weil außer der Ansiedlungspolitik auch Maß⸗ nahmen auf dem Gebiete des Presse⸗ und Vereinsrechts nötig sind. Ueber manche Maßnahmen mag man ja in der deutschen Bevölkerung verschiedener Meinung sein, aber mit dem Ziele der ganzen Politik ist die große Mehrheit des deutschen Volkes einverstanden. Graf Praschma behauptete, das Zentrum sei nicht von parteipolitischen Rücksichten bei seiner Haltung beeinflußt. Ich will daran nicht zweifeln, daß bewußt natürlich solche Gründe nicht vorliegen, aber unbewußt wohl; ich denke dabei daran, daß in Oberschlesien manche Mandate des Zentrums verloren gegangen sind. Ich muß immer wieder meinen Standpunkt dahin vertreten, daß weite Kreise in Ober⸗ schlesien der Ueberzeugung sind, daß eine Politik wie in Posen und Westpreußen bei uns in Oberschlesien keinen Erfolg haben würde, wenn man sie durch andere Maßnahmen nicht noch ergänzt. Im Regierungsbezirk Oppeln wurden bei der Reichstagswahl 1898 nur 40 großpolnische Stimmen abgegeben, 1907 dagegen 115 000 Stimmen, d. h. die Hälfte aller Stimmen. Das ist das Werk der groß⸗ polnischen Agitation. Es muß der Gebrauch der polnischen Sprache in öffentlichen Versammlungen verhindert werden, und die Polnische Presse muß bekämpft werden. Es wäre besser gewesen, wenn man den § 7 des Vereinsgesetzes nach der Regierungsvorlage angenommen hätte; er ist sehr verschlechtert worden; aber es ist wenigstens der Anfang damit gemacht worden, und namentlich hat mich gefreut, daß auch die Linksliberalen neue gesetzliche Maßnahmen gegen die hetzerische groß⸗ polnische Agitation für nötig gehalten haben. Das ist ein er⸗ freulicher großer politischer Erfolg, und ich hoffe danach, daß die preußische Regierung bei der Reichsregierung veranlaßt, daß auch bezüglich des Presserechts das Erforderliche geschieht, und daß auch die Linksliberalen dann dafür zu haben sein werden. Es muß im Reiche ein solches Preßgesetz gemacht werden. Wir haben ein vor⸗ treffliches Beispiel dafür in dem in letzter Zeit oft zitierten französischen Gesetze vom 29. Juli 1881, wonach der Vertrieb von Zeitungen, die im Auslande erscheinen, nur mit Genehmigung des Staatsministeriums zulässig ist. Als die italtenische Irredenta sich bemerkbar machte, hat man einfach ein neues Gesetz gemacht, worin lediglich steht, daß jene Bestimmung auch Anwendung findet auf die in fremder Sprache in Frankreich erscheinenden Zeitungen. Die freiheitliebenden Franzosen haben sich nicht einen Augenblick besonnen, eine solche Befugnis, die fremdsprachigen Zeitungen zu ver⸗ bieten, dem Staatsministerium zu geben. Weiter verlangen wir in Oberschlesien auch nichts. Nur dank der großpolnischen Verhetzung haben wir jetzt in Oberschlesien auch eine großpolnische Bewegung. Ich habe mich für verpflichtet gehalten, das hier am Schluß der Session noch einmal zu betonen, daß wir eine solche Pressebeschränkung brauchen. Mit den bisherigen Mitteln allein ist es nicht getan. Mir ist früher ein Vorwurf daraus gemacht, daß ich im vorigen Jahre meinen Wahlkreis als „polnisch verseucht“ bezeichnet habe. So steht auch im stenographischen Bericht, aber das ist nur ein Hörfehler der Stenographen gewesen; der ganze Inhalt meiner damaligen Rede beweist, daß ich nur gesagt habe „großpolnisch verseucht“. Ich habe auch in meiner damaligen Rede, weil ich Vorwürfe von seiten des Korfanty voraussah, ausdrücklich festgestellt, wie ich über die ranziskaner denke. Es sind in dieser Hinsicht ganz unwahre Dinge gegen mich behauptet worden.
Abg. Graf von Praschma(Z nir.): Wenn der Abg. Voltz heute eine gute Meinung von den Franziskanern hatte, so freut mich das; das hat man aber aus seiner damaligen Rede und aus den Artikeln der „Schlesischen Zeitung’ nicht entnehmen können; im Gegenteil, die ganze katholische Bevölkerung war entrüstet über die damalige Rede des Herin Voltz Herr Voltz meint, wir ließen uns wenigstens unbewußt von parteipolitischen Ruücksichten auf die Wahlen leiten. Wie das möglich wäre, wo wir immer nach zwei Seiten zu kämpfen haben, ist mir nicht begreiflich. Wir werden unsere Politik im Interesse des Vaterlandes ohne Parteirücksichten unbeirrt und unbeeinflußt weiter führen. Falsch beeinflußt würden wir nur sein, wenn wir eine Politik treiben, die unserem Vaterlande schaden würde.
Abg. von Oldenburg (kons.): Ich wollte auf die früheren Aus⸗ führungen meines engeren Landsmannes Keruth zurückkommen, da er aber nicht hier ist, will ich es nicht tun. Graf Spee kann auch nicht sagen, was heute Fürst Bismarck tun würde, aber Bismarck hat auf dem Standpunkt gestanden, daß die Katholiken sich versöhnen lassen, und er hat deshalb den Kulturkampf beendigt; gegenüber den Polen hat er aber immer auf dem Standpunkt gestanden, daß die Polen un⸗ versöhnlich wären. Ich halte die Ansiedlung von inländischen Bauern⸗ söhnen für wünschenswert. In Westpreußen und Posen wird das Verfahren der Ansiedlungskommission als unpraktisch angesehen. Es kommen viele Bauernsöhne aus Pommern und anderen Pro⸗ vinzen nach dem Osten, um sich anzusiedeln, das wird ihnen ab⸗ geschlagen, weil die Ansiedlungen wesentlich bestimmt seien für Ansiedler, die aus Rußland kommen. Diese sind aber in der Kultur und der Ackerbestellung noch weit zurück, sie akklimatisieren sich schwer in Deutschland, weil sie mit unzuläng⸗ lichen Mitteln arbeiten. Es sollten deshalb lieber die preußi⸗ schen Bauernsöhne bei der Ansiedlung berücksichtigt werden. Bei der Zusammensetzung der Ansiedlungskommission ist eine Vereinfachung und Veränderung dringend geboten. Der Beamten⸗ apparat ist ein ganz kolossaler, der Minister sprach von 500 Beamten, andere nennen 800 Beamte. Ein solcher Apparat läßt sich von einer Stelle in Berlin gar nicht mehr übersehen. Allerdings muß die Rechnungslegung sehr genau sein, aber Vereinfachungen könnten doch eintreten. Verwaltungsbeamte, Rendanten, Unterbeamte
sitzen jetzt auf einem Gute,
wenn es parzelliert wird, bis die 1 teilung beendigt ist. parz r e Auf
t Ich würde es für genügend halten, wenn eine angekaufte Domäne zunächst verpachtet, dann reguliert wird und der Pächter sich dann die Pachtparzellierung gefallen lassen muß. Die staatliche Verwaltung verschlingt natürlich eine ganze Menge Geld. Man sollte deshalb dem Pächter überlassen, das Gut zunächst in die Höhe zu bringen, und dann nach Bedarf Parzellen davon abnehmen. Bei der Zusammensetzung der Ansiedlungskommission muß mehr die Theorie ausgeschaltet werden und die Praxis an die Stelle treten. Bei aller Achtung vor den Geheimräten sind doch 5 Geheimräte in der Kommission zu viel. Wenn die Herren alle einig sind, erhebt sich gewöhnlich der Vertreter des Finanzministertums und sagt: das kann mein Chef nicht genehmigen, und dann ist die Sache er⸗ ledigt. Die Ansiedlungskommission sollte nur einer Ministerial⸗ instanz unterstehen, am besten dem landwirtschaftlichen Ressort oder dem Staatsministerium. Ein Geheimrat würde genügen, um den Zusammenhang mit dem Ministerium aufrecht zu erhalten. Daneben könnten Sachverständige eintreten. Dem Ober räsidenten muß natürlich ein Einfluß bleiben, denn es handelt sich um eine politische Maßnahme, über welche die Regierung genau unterrichtet bleiben muß. Bei den Ankaufsgeschäften und zur Beschleunigung derselben muß aber der Vorsitzende der Ansiedlungskommission eine freiere Stellung erhalten, um auch, wo es nötig ist, schnell zugreifen zu können. Der Staat darf nicht darauf warten, bis das Gut billiger wird; er muß es machen, wie der Privatmann, er muß sein Gebot machen und daran festhalten. Das System, die Ankäufe jahrelang hinzuziehen, ist ruinös. Wir wollen hoffen, daß es gelingt, ein regeres Zusammenarbeiten des Laienelements mit der Ansiedlungs⸗ kommission herbeizuführen. Die Befürchtung, daß das Laienelement in der Ansiedlungskommission große Schwierigkeiten machen wird, habe ich nicht. Im Kreisausschuß und im Provinzialausschuß sind tüchtige Oberpräsidenten und Landräte mit dem Laienelement immer gut ausgekommen. Das Tempo der Ansiedlung braucht nicht so schnell zu sein, es handelt sich nicht darum, daß so viele Ansiedlerfamilien geschaffen werden, sondern daß die Ansiedler in guten Verhältnissen angesetzt werden. Ferner sollte man mehr Inländer und nicht so viele Ausländer ansiedeln.
Minister für Landwirtschaft ꝛc. von Arnim:
Meine Herren! Herr Abg. von Oldenburg und Herr Abg. Ernst haben die Frage der Ansiedlung der Einheimischen aus den Ansied⸗ lungsprovinzen nochmals zur Sprache gebracht. Ich muß deshalb, obgleich ich mich schon gestern dazu geäußert habe, wiederholt darauf zurückkommen.
Die Ansiedlungskommission will genau dasselbe, was die Herren, die eben gesprochen haben, wollen. Sie will gleichfalls dadurch, daß sie einheimische Bauernsöhne ansiedelt, verhindern, daß sie auswandern. Die Schwierigkeit ist nur, den richtigen Mittelweg zu finden und nicht etwa durch allzustarke Heranziehung der einheimtschen Elemente zu bewirken, daß deutscher Bauerngrundbesitz in polnische Hand über⸗ geht, daß der nötige Nachwuchs auf den deutschen Bauernhöfen fehlt. Wie handelt nun die Ansiedlungskommission? Sie kann natülich, wenn ein Ansiedler sich meldet, nicht wissen, ob Bedenken gegen seine Annahme vorliegen. Sie wendet sich also an die politische Behörde, an den Landrat, dieser wieder an seine Unterorgane, schließlich an die Gemeindevorsteher, und fragt an: liegen Bedenken dagegen vor, diesen Mann anzusiedeln? Kommt die Nachricht, daß Bedenken nicht vor⸗ liegen, dann wird er zweifellos angesiedelt. Kommen aber Nachrichten von dem Gemeindevorsteher, z. B.: er ist der Erbe des Bauernhofs, dann natürlich wird er nicht genommen; oder: der Mann will seinen Bauernhof verkaufen, um bei der Ansiedlungskommission günstiger zu kaufen, dann wird er ebenfalls nicht angenommen. Wenn dabei Miß⸗ griffe vorkommen — und die werden ja natürlich vorkommen —, so liegt das nicht an dem bösen Willen der Ansiedlungskommission, sondern eben daran, daß im unteren Instanzengang vielleicht nicht die richtige Auskunft gegeben wird. Daß aber, wie Herr von Oldenburg meint, Ansiedler abgewiesen würden, weil das Ansiedlungsobjekt für russische Rückwanderer zurückbehalten werden soll, das kann nicht vorkommen. Es kann ja wohl sein, daß ein bestimmtes Ansiedlungsobjekt für russische Rückwanderer reserviert ist, dann sind aber genügend andere Ansiedlungsobjekte vorhanden, auf denen der Bewerber Unterkunft finden könnte. An Land, meine Herren, hat es bisher nie gefehlt. Alle Ansiedler, die ernsthafte An⸗ träge gestellt haben und zu Verträgen mit der Ansiedlungskommission gekommen sind, sind auch angesiedelt worden.
Herr von Oldenburg hat dann gemeint, der Beamtenapparat wäre viel zu groß; die ganze Verwaltung viel zu schwerfällig und zu bureaukratisch; sie müßte vereinfacht werden. Meine Herren, dieser Wunsch ist ja in der ganzen preußischen Verwaltung überall rege, nicht bloß bei den Herren Abgeordneten, sondern auch bei der Staats⸗ regierung selber. Wenn man aber zu seiner Ausführung schreiten will, dann zeigt sich, daß es doch nicht ganz so leicht getan ist, wie es gesagt ist. Sie finden auf Seite 18 der Denkschrift eine Auf⸗ stellung der Beamten. Um Ihnen nur ein Bild zu machen, welche Massen von Beamten gewisser Klassen notwendig sind, möchte ich Ihnen mitteilen, daß wir allein 71 Oberlandmesser, 153 Zeichner, Hilfszeichner, Rechengehilfen usw., also alles Vermessungsbeamte brauchen. Dazu kommen noch die Verwalter und Baubeamten. Nach allem, was mir bekannt ist, ist es nicht möglich, eine Einschränkung der Beamtenschaft vorzunehmen.
Dann hat Herr von Oldenburg die Form der Zwischenverwaltung getadelt und gemeint, es wäre falsch, daß man die Zwischenverwaltung in Administratiou ausführen lasse; man sollte die Zwischenverwaltung durch Pächter ausführen lassen. Ich halte es nicht für möglich, einen Pachtvertrag so abzuschließen, daß die Interessen der Ansiedler dabei gewahrt werden. Ich kann mir nicht denken, daß ein Pächter sich auf einen derartigen Vertrag einläßt. Ich wüßte gar nicht, wie ein der⸗ artiger Vertrag zu formulieren wäre. Wenn man an die Sache herangeht, sie praktisch versucht, wird man gleich finden, daß das eine gar nicht zu lösende Aufgabe ist.
Es ist auch nicht richtig, wenn Herr von Oldenburg meint, daß
von vornherein das ganz: Gut in einzelne Ansiedlungen auf⸗ geteilt und dann jede Ansiedlung sofort nach gesonderter Fruchtfolge bewirtschaftet würde. Das geschieht nicht, sondern
erst wenn das Land ansiedlungsreif ist und vergeben werden soll, die Stellen angelegt sind, dann werden sie so bestellt, daß sie dem An⸗ siedler mit den entsprechenden Früchten übergeben werden können. Daß der Verwalter solange da sitzen bleibt, bis die Ansiedlung des Gutes beendet ist, liegt im Interesse der Ansiedler. Er ist für die Ansiedler eine große Hilfe, er ist ihr Berater, er hilft ihnen bei den Bauten, stellt die nötigen Gespanne zu Baufuhren usw. Gerade diese Hilfe des Restgutes ist für die Ansiedler von großer Wichtigkeit. Ich komme nun auf einige Ausführungen des Grafen Spee. Herr Graf Spee hat wieder behauptet, daß die Verdrängung des Deutsch⸗ tums und der Kampf gegen das Deutschtum erst nach Inaugurierung der Ansiedlungspolitik von 1886 begonnen habe. Während der Debatten
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über das Enteignungsgesetz ist von der Staatsregierung wiederholt darauf hingewiesen, daß der Kampf des Polentums gegen das Deutsch⸗ tum so alt ist, wie die polnischen Provinzen Preußen angegliedert sind. Bei Begründung des Gesetzes von 1886 ist ausdrücklich darauf hingewiesen worden, daß sich ein starker Zusammenschluß des Polentums verbunden mit einer intensiven Boykottierung der Deutschen entwickelt hatte, daß eine starke Verdrängung des Deutschtums sich zeigte, und daß aus diesen Gründen mit der Anstedlung 1886 vor⸗ gegangen wurde.
Graf Spee meinte ferner, daß die großpolnische Bewegung haupt⸗ sächlich von radikalen Elementen getragen würde, und daß, wenn die preußische Regierung das Geschick hätte, die konfervativen Elemente des Polentums, besonders den polnischen Adel, zu gewinnen, der durch den Mund des Fürsten Radziwill seine Bereitwilligkeit zum Ausdruck gebracht hätte, es dann sehr wohl gelingen würde, die Mehrheit des polnischen Volkes mit seiner Zugehörigkeit zum preußischen Staat auszusöhnen. Ich erinnere daran, daß, ehe die radikalen Elemente die Führung in der großpolnischen Bewegung nahmen, die Führung in der Hand des polnischen Adels lag, und daß es nicht Schuld des polnischen Adels ist, wenn er jetzt nicht mehr Führer ist, sondern daß die zunehmende Macht des Radikalismus ihm diese Führung entrissen hat. Mit Herz und Seele steht er ebenso wie die radikalen Elemente auf dem großpolnischen Standpunkt. Herr Graf Spee hat uns vorge⸗ schlagen, wir sollten die Polen wirtschaftlich und kulturell so entwickeln, daß sie durch diese kulturelle Entwicklung fest mit Preußen verbunden wären, derart, daß selbst wenn außerhalb Preußens je ein polnisches Reich entstehen sollte, sie nicht einer Vereinigung mit diesem außer⸗ preußischen polnischen Reich zuneigen würden. Was bezüglich der kulturellen Entwicklung der preußischen Polen hat geschehen können, das, glaube ich, ist geschehen, und wenn Sie den Vergleich ziehen mit der Kulturstufe, auf der die preußischen Polen stehen mit der Kultur⸗ stufe, auf der die außerpreußischen Polen stehen, dann werden Sie aner⸗ kennen müssen, daß der preußische Staat für die kulturelle Entwicklung seiner polnischen Untertanen alles getan hat, was er tun konnte⸗ (Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch: Sehr richtig!) Herr Graf Spee unterschätzt aber viel zu sehr die Macht des nationalen Ge⸗ dankens, der beim polnischen Volke ganz besonders stark entwickelt ist, und der, wie die Geschichte lehrt, weder durch Güte noch durch Strenge zu unterdrücken ist.
Dann hat Herr Graf Spee es bestritten, daß die polnische Geist⸗ lichkeit großpolnisch gesinnt sei. Nun, meine Herren, dann darf ich bloß auf die Stellung aufmerksam machen, die die polnische Geistlich⸗ keit im Schulstreik eingenommen hat. Meine Herren, der Schulstreik wäre nicht möglich gewesen, wenn die polnische Geistlichkeit ihn ernst⸗ lich hätte verhindern wollen. (Sehr richtig! Sehr wahr! rechts). Ich erinnere daran, daß die polnische Geistlichkeit die Führung in der gesamten polnischen wirtschaftlichen Bewegung hat, die von der politischen Bewegung tatsächlich nicht zu trennen ist, daß die polnische Geistlichkeit die Führung in den Strazvereinen hatte, die sie erst auf Veranlassung des Erzbischofs niedergelegt hat.
Schließlich hat Herr Graf Spee die Behauptung aufgestellt, wir würden auch polnischen Kleinbesitz expropriieren müssen. Meine Herren, es gibt mir das die willkommene Gelegenheit, die Erklärung, die ich schon wiederholt abgegeben habe, hier nochmals abzugeben, daß die preußische Regierung gar nicht daran denkt (Abg. Lusensky [Hohensalza): Hört, hört! — Zuruf im Zentrum: Es wird schon dazu kommen!) den polnischen Kleinbesitz zu enteignen, sondern daß sie zur Enteignung nur da schreiten wird, wo die Enteignung lohnt, wo die Enteignung ihr soviel Terrain gibt, daß sie wirklich etwas damit anfangen kann. Allerdings — das habe ich schon gelegentlich der Be⸗ ratung des Enteignungsgesetzes gesagt — werden wir da, wo Ein⸗ brüche von Polen in deutsches Gebiet stattfinden, wo also polnische Bauern deutschen Besitz ankaufen, unter Umständen wohl gezwungen sein, von dem Enteignungsrecht Gebrauch zu machen; denn das müssen wir allerdings verhindern. (Hört, hört! im Zentrum.) Aber ich möchte hier gegenüber der Agitation, die seitens der polnischen Presse mit der Behauptung getrieben wird, die Regierung brabsichtige nunmehr, gegen den polnischen Kleingrund⸗ besitz vorzugehen, die polnischen Bauern von Haus und Hof zu treiben —, konstatieren, daß nach den Erklärungen, die die Regierung abgegeben hat, bewußt unwahr von der polnischen Presse diese Behauptung aufgestellt wird. (Sehr richtig! und bravo! rechts.)
Abg. Dr. Voltz (nl.): Graf Praschma sagte, daß meine Franziskaner⸗Rede im vorigen Jahre den Eindruck gemacht habe, daß ich wenig freundlich zu den Franziskanern stehe. Ich kann demgegen⸗ über nicht anders, als meine damaligen Worte zu zitieren. Ich habe damals gesagt: „Ich will nicht bestreiten, daß die Franziskaner deutsch gesinnt sind und Deutsche sein wollen; aber das schließt nicht aus, daß sie, um leben zu können, polnisch predigen müssen. Ich frage deshalb, ob die Franziskaner bei aller Achtung vor dem, was sie sonst tun gerade in Oberschlesten am Platze sind. Ich sage das nicht, weil ich etwas gegen die katholische Kirche habe, sondern ich habe nichts gegen die katholische Kirche, ich bekenne mich sogar, obwohl ich ein treuer Evangelischer bin, als ein Freund der katholischen Kirche.“ Ich habe damals ferner gesagt, daß die Franziskaner „nicht absichtlich“ für das Großpolentum wirken. Das Zentrum läßt sich unbewußt von der Parteipolitik leiten, wie viele Ehemänner unbewußt unter dem Pan⸗
toffel der Frau stehen.
Abg. Dr. Porsch (Zentr.): Ich will diesen Streit nicht von neuem beginnen. Wenn Herr Voltz im vorigen Jahre lediglich das gesagt hätte, was er jetzt vorgelesen hat, so wäre es gut, aber er hat damals noch viel mehr gesazt, ich kann nur konstatieren, daß meine Freunde, besonders in Schlesien, über seine damaligen Ausführungen lebhaft erregt gewesen sind. Ich habe seine Ausführungen als ungerecht gegen die Franzis kaner empfunden. Ueber die Ansicht, als ob Graf Praschma wegen der bevorstehenden Wahlen dieses Thema an. geschnitten hätte, bin ich geradezu erstaunt. Vielleicht hat Herr Voltz Befürchtungen wegen seiner Wahl, wenn also jemand aus Wahl⸗ rücksichten gesprochen hat, so kann es nur Herr Voltz gewesen sein.
Abg. Dr. Voltz (nl.): Ich meine nur, daß Herr Korfanty seine Vor⸗ würfe erhoben hat aus Wahlrücksichten. Ich hätte diese Dinge schon beim Etat vorgebracht, wenn mir damals nicht das Wort abgeschnitten worden wäre. Ich halte meine Worte über die Franziskaner aufrecht. Was ich sonst gesagt habe, betraf nicht meine Gesinnnng wegen der Franziskaner, ich habe der Regierung Vorwürfe gemacht wegen der Zulassung der Franziskaner. Ich habe heute nur, wie schon früher, meine Ansicht über die Polenpolitik geäußert, mit den Wahlen hat das gar nichts zu tun.
Darauf wird die Debatte geschlossen.
2 Die Denkschrift wird durch Kenntnisnahme für erledigt erklärt.
Präsident von Kröcher teilt darauf mit, daß der Justizminister ihm mitgeteilt habe, daß wegen des bevorstehenden Schlusses der Session morgen das Gesetz über die Haftung des Staates für Ver⸗ sehen der Beamten im Herrenhaus doch nicht mehr beraten werden