1909 / 34 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 09 Feb 1909 18:00:01 GMT) scan diff

Abg. Albrecht (Soz.) erklärt dem Abg. Riesebera gegenüber, daß er nicht von nationalen, sondern von gelben Gewerkschaften ge⸗ sprochen habe. Es folgen weitere persönliche Bemerkungen der Abgg. Kulerski (Pole) und Rieseberg (wirtsch. Vgg.). Schluß 6 ¼ Uhr. Nächste Sitzung Dienstag 2 Uhr. (Fortsetzung der Beratung.)

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Haus der Abgeordneten. 25. Sitzung vom 8. Februar 1909, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Auf der Tagesordnung steht die zweite Beratung des Gesetzentwurfs zur Abänderung des Gesetzes, betreffend das Diensteinkommen der Lehrer und Lehrerinnen an den öffentlichen Volksschulen, vom 3. März 1897 auf Grund des Berichts der XI. Kommission.

Die Kommission beantragt außer der Annahme des Gesetzentwurfs in der Kommissionsfassung eine große Reihe von Resolutionen und zwar betreffs a. Maßnahmen, um junge Lehrer zunächst in mehrklassige Schulsysteme zu bringen, b. Besetzung der Stellen der alleinstehenden und ersten Lehrer

an zweiklassigen Schulen nur mit Lehrern, die im Schuldienst bereits sich bewährt haben, c. Gewährung des erhöhten Grundgehalts auch an die Lehrer,

die ein mit der Schulstelle dauernd verbundenes Amt ver⸗ walten, d. allmählicher Abtrennung der niederen Küsterdienste, e. Vermeidung einer ungünstigen Berechnung des Dienstalters durch verspätete Beeidigung oder verspäteten Eintritt der Lehrer und Lehrerinnen in den öffentlichen Schuldienst, f. höherer Amtszulage für Leiter größerer Schulen mit weniger als echs aufsteigenden, aber einer größeren Zahl von Parallel⸗ klassen, g. Erleichterung der Nachzahlungen zur Alterszulage⸗ kasse für Lehrer, die von Privatschulen in den öffentlichen Schuldienst eintreten, durch Gewährung von Etatsmitteln, h. Gewährung einer Familienwohnung für verheiratete Lehrer auf dem Lande oder entsprechender Mietsentschädigung, i. Vorschriften über die Beschaffenheit der Dienstwohnungen und die Rechte und Pflichten der Wohnungsinhaber, k. eines anderen Maßstabes als der Anzahl der Schulstellen

r die Verteilung der Leistungen der Schulverbände an die

Alterszulagekassen, sowie anderweiter Abgrenzung der Kassen⸗ bezirke, 1. Verstärkung des Fonds für die Errichtung neuer Schulstellen im Etat, m. Erhöhung der Staatsmittel für die

ehrerruhegehälter und Reliktenbezüge und für emeritierte Lehrer, n. Erhöhung des Dispositionsfonds für die früher pensionierten Lehrer, o. Vorlegung einer Novelle zum Lehrerpensions⸗ und Reliktengesetz behufs Erhöhung der Staatsbeiträge, p. gesetz⸗ icher Regelung des mittleren Schulwesens, q. Gewährung von Reisekosten und Zeugengebühren für Lehrer durch die Gerichte, r. Beilegung der Amtsbezeichnung „Rektor“ bezw. „Hauptlehrer“ für Schulleiter. .

Die Abgg. Schiffer⸗Magdeburg (nl.) und Für⸗ bringer (nl.) beantragen ferner:

die Regierung zu ersuchen, durch einen Nachtragsetat Mittel zur Unterstützung leistungsschwacher Gemeinden und Schul⸗ verbände bereitzustellen, welche durch die den Besoldungsgesetzen beigelegte rückwirkende Kraft in eine unverschuldete Notlage ge⸗ raten sind.

Nach § 1 der Kommissionsfassung setzt sich das Dienst⸗ einkommen der an einer öffentlichen Volksschule endgültig an⸗ gestellten Lehrer und Lehrerinnen zusammen aus Grundgehalt, Alterszulagen und freier Dienstwohnung oder Mietsentschädigung, wozu noch Orts⸗ und Amtszulagen treten können.

Kommissionsreferent Abg. von Ditfurth (kons.) bebt einleitend kurz hervor, daß es der Kommission als nüͤtzlich und schließlich als unumgänglich erschienen sei, aus der Vorlage, die sich als eine Novelle zum Lebreibesoldungsgesetz von 1897 präsentiere, ein gänzlich neues Lehrerbesoldungsgesetz mit anderer Verteilung des Stoffes zu gestalten. Die Kommission habe zuerst die generelle Frage der Einrichtung von Besoldungskassen erörtert; für diese Idee habe sich eine Mehrheit nicht ergeben. Es seien dann die Fragen der Organisation der Alterszulagen und der Gehaltssätze für die Rektoren und für die Lehrer behandelt worden. Die Vorlage, wie sie 8 an das Haus gelangt sei, stelle den schließlichen einstimmigen Beschluß der Kommission dar. 8 .

Abg. Freiherr von Richthofen (kons.): Der Präsident gestattet gewiß, bei § 1 des Kommissionsentwurfs auch generelle Gesichtspunkte zu erörtern. Ich will nicht auf alle Einzelheiten des umfangreichen, äußerst sorgfältig zusammengestellten Berichts eingehen, aber meine Fraktion hält es für notwendig, einzelne Gesichtspunkte hinsichtlich der Stellungnahme zu den Grundlagen des ganzen Gesetzes zu betonen um Mißverständnisse zu beseitigen, die sowohl im als auch in den mittleren und kleineren Städten entstanden sind. Die Kommission hat sowohl quantitativ als auch qualitativ eine kulturell bedeutsame Aufgabe zu erledigen gehabt, und daß diese Aufgabe erledigt worden, ist dem Entgegenkommen aller Parteien wie der Regierung zu ver⸗ danken. Diese Anerkennung darf ich auch für meine Fraktionsfreunde beanspruchen. „Es ist, wie ich meine, nicht richtig, für eine einzelne Partei oder für einen Parteiführer das Verdienst um das Zustandekommen des Gesetzes in erster Linie in Anspruch zu nehmen.

on allen Seiten, auch von den Freisinnigen, ist ein erhebliches Ent⸗ Fgenkommen bekundet worden; leider hat die freisinnige Presse das

erständnis dafür nicht überall in demselben Maße gezeigt. So stellt die „Vossische Zeitung“ eine Reihe von Beschlüssen zusammen welche die Konservaniven veranlaßt oder verhindert hätten, und fügt hinzu: „So sehen die Konservativen aus, und so ihre Taten zu Gunsten der Lehrer!“ Es ist bedauerlich, wenn derart herausgerissene oder mißverstandene Dinge aus den Kommissionsverhandlungen in die Oeffent⸗

keit kommen und zur Agitation im Parteiinteresse benutzt werden.

Unserseits ist das nicht gesch hen, wir haben bei diesen schwieri 2 7 8 gen erhandlungen ein großes Entgegenkommen bewiesen. J ogar für unsere Kompromißfeeudsgkeit die a Sch bae

nehmen. Wenn auch die

die Besoldungsordnung für die baren Staatsbeamten schon 3 i

n erledigt ist, so ist es doch nicht unbescheiden, wenn hier namens der Leüteresaüdaniht danmiffion erkläre, daß wir zuerst auf diesem Wege gegangen ünd und unser Vorgehen wohltätig, ansteckend auf die verstärkte udgetkommission gewirkt hat. Hätte unser Bericht früher fertiggestellt werden können, so wären wohl jene Mißverständnisse vicht möglich gewesen. Es handelt sich hier auch um ein Gesetz, das für die. ganze preußische Monarchie gelten soll; da wird es vncer einzelne Fälle und Verhältnisse, besonders Grenzfälle geben, in enen ein solches allgemeines Gesetz zu Härten führt; da wird es Sache Ausführung des Gesetzes sein, möglichst mildernd einzuwirken. 89 ich von Mißverständnissen unter der Lehrerschaft bezüglich der 8 ehaltsfestsetzungen und anderer Bestimmungen sprach, so erkenne ich och an, daß in letzter Zeit auch in diesen Kreisen eine wesentlich ruhigere Auffassung Platz gegriffen hat. Die Artikel, die zuerst in ver Lehrerpresse gegen die Vorlage publiziert wurden, waren zum nahezu feindlicher Natur; jetzt ist eine objektivere Würdigung er Keommissionsbeschlüsse wie auch der Vorlage wahrzunehmen. neime Zuschrift des Vorsitzenden des Preußischen Lehrervereins spricht 88 verschiedene Wünsche aus, die bei der zweiten oder dritten eesung berücksichtigt werden s heißt dann: Wir

unmittel⸗

Priorität in Anspruch

haben keineswegs die Absicht, irgendwie gegen das Zustandekommen dieses wichtigen Gesetzes, welches Tausenden von Kollegen erhebliche Verbesserungen bringen wird, anzukämpfen. In der ersten Lesung haben namens unserex Fraktion Herr von Ditfurth und ich dasjenige ausgeführt, was wir grundsätzlich zu der Frage zu betonen hatten: ein aus⸗ kömmliches Gehalt für den Lehrer, um seine Berufsfreudigkeit seinem schweren Amt gegenüber tunlichst zu erhöhen, Prüfung der Frage, ob vielleicht bei der Regelung der Alterszulagen für die Lehrer noch günstigere Bestimmungen getroffen werden können, dann den Wunsch: möglichst gleiches Gehalt für den Lehrer in Stadt und Land. Auch bezüglich unseres Vorschlages der Schaffung von Besoldungskassen, die hauptsächlich der Entlastung leistungsschwacher Schulverbände dienen sollten, haben wir unsere Wünsche zurückgestellt zu Gunsten des Kom⸗ promisses. Die Notwendigkeit, die Lehrergehälter zu erhöhen, baben wir ebenso anerkannt, wie wir die Notwendigkeit einer Erhöhung der unteren Beamtengehälter betont haben. Die Kommission ist weiter gegangen als die Regierungsvorlage, sie hat als Grundgehalt 1400 statt 1350 für Lehrer festgesetzt, für Lehrerinnen 1200 statt 1050 ℳ. Jeder Lehrer wird neben freier Dienstwohnung durch die Alterszulagen mindestens 3300 erreichen, jede Lehrerin 2250 ℳ. Meine Freunde haben es nun keineswegs verhindert, wie es behauptet wurde, die Zulagen günstiger zu regeln. Es ergab sich aber eine Grenze in der Leistungs⸗ fähigkeit namentlich der kleinen und mittleren Kommunen, die mit einem wahren Petitionssturm sich wehrten. Wir wollten keine un⸗ erfüllbaren Versprechungen machen, haben aber in einer Resolution unsere Wünsche dahin ausgesprochen, die Regierung möge Ermitt⸗ lungen anstellen wegen Einführung eines anderen Verteilungsmaßstabes (der Schulverbände), um die Leistungen der Alterszulagekassen neu zu

regeln. Wenn wir anderseits den Kommunen hohe Be⸗ lastungen trotzdem auferlegen mußten, so geschah es mit vollem Bewußisein im Interesse der Lehrerschaft. Wir

hielten ein Normalgehalt für Stadt und Land für notwendig und wollen Ortszulagen nur in Ausnahmefällen Zzugelassen sehen. Die Regierung erklärte die Besoldungskassen für unannehmbar, wir sind von ihren Gründen nicht vollständig überzeugt worden, geben aber zu, daß vor allem der Landflucht der Lehrer in die großen Städte vorgebeugt werden muß. Die Ortszulagen sollten ganz schematisch eingeführt werden. Es muß aber auch bedacht werden, daß in Städten mit 25000 Einwohnern ganz andere Teuerungs⸗ verhältnisse herrschen können als in größeren Städten. Wir haben uns bereit gefunden, an die historischen Verhältnisse anknüpfen zu lassen, so daß jeder Lehrer mindestens 500 mehr gegen den früheren Zustand zu erwarten hat. Im ganzen hat über die Orts⸗ zulagen die Selbstverwaltung zu entscheiden und soll die Auf⸗ sichtsbehörde ihren regulierenden Einfluß nur dahin geltend machen, daß nicht unter gleichartigen Verhältnissen ungleichartige Bezüge eintreten. Besonders den ersten und alleinstehenden Lehrern glaubten meine Freunde eine Amtszulage geben zu müssen. Die Lehrerschaft muß seßhaft gemacht werden, und gerade den alleinstehenden Lehrern liegen wichtigere Aufgaben ob als im allgemeinen den Stadtlehrern. Wir würden es auch sehr bedauern, wenn das Herrenhaus an den Bestimmungen bezüglich der Beitragsleistungen des Staates zu den Schullasten etwas abändern würde. Meine Partei wird den Ver⸗ einbarungen der Kommission folgen und keine Abänderungsanträge stellen. Wir hoffen, daß die vorgeschlagenen Verbesserungen dazu bei⸗ tragen werden, die der Lehrer an ihrem wichtigen Beruf zu vermehren, und der Lehrerschaft neuen Zuwachs zuführen werden, so⸗ daß der Lehrermangel schwindet; wir sehen in dem Kompromiß ein Werk im Interesse der Lehrerschaft, der Schule und des ganzen Vater⸗ landes.

Abg. Kesternich (Zenir.): Durch diese Vorlage verbessert sich die Lehrerstellung im allgemeinen. Bei dem Vergleich der Lehrer mit den Verwaltungsbeamten handelt es sich nicht darum, daß die Lehrer sich mit den Beamten vergleichen, sondern darum, daß ein nach ihrer Ansicht berechtigter Maßstab fixiert wird. Unser Antrag, das Grundgehalt auf mindestens 1500 zu bemessen, ist leider gescheitert, aber ich bezeuge gern, daß die Kommissionsfassung schon einen großen Fortschritt für meine Standesgenossen darstellt. Für den Osten erhöht sich das Endgehalt, das allerdings erst nach 31 Jahren erreicht wird, um 800 bis 1300 ℳ, für den Westen um 600 bis 1200 ℳ. Wir begrüßen auch, daß das Einkommen der Lehrerinnen ihrer Bedeutung entsprechend erhöht ist. Das bisherige Grundgebalt der Lehrerinnen auf dem flachen Lande betrug bei uns im Westen vielfach nur 800 und das Endgehalt nicht über 1700 ℳ. Nach der Kommissionsvorlage beträgt das Grundgehalt der Lehrerinnen 1200 und das Endgehalt 2250 ℳ. Mit Dank erkennt ferner die Lehrerschaft an, daß die Regierung die Alterszulagen nicht unter 200 normiert hat; auch der Wunsch der Lehrer, die Zulagen in der Zeit, wo die Bedürfnisse der Lehrerfamilien am größten sind, zu verstärken, ist erfüllt, insofern die Zulagen für die „dritte und vierte Stufe 250 betragen. Leider konnte nicht an den Alterszulagesätzen der Regierungsvorlage für die Lehrerinnen fest⸗ gehalten werden; ebenso scheiterte die Herabsetzung der Frist für das Auf⸗ steigen bis zum Höchstgehalt von 31 auf 28 Jahre an dem Widerspruch der Regierung. Wir bedauern das um so mehr, als nur ein kleiner Bruchteil der Lehrer und Lehrerinnen das Höchstgehalt erreicht. Das Einkommen aus Kirchenämtern wird nur zum Teil auf das Grund⸗ gehalt angerechnet; auf den alten Wunsch der sogenannten Küster⸗

lehrer nach voller Anrechnung ist keine Rücksicht genommen worden;

aber auf Grund der Resolution der Kommission, die einstimmig gefaßt ist, wird hoffentlich für die Zukunft eine größere Anrechnung erreicht werden. Von ganz besonderer Bedeutung für die Landlehrer ist die Bestimmung, daß bei Bemessung des Ruhegehalts ein Darchschnittssatz der Mietsentschädigung innerhalb der Provinz angerechnet wird, wodurch das hartempfundene Mißverhältnis der Ruhegehaltsbezüge zwischen Stadt⸗ und Landlehrern ausgeglichen wird. Im allgemeinen ist sehr viel für die Landlehrer und Lehrerinnen durch das Wohlwollen der Regierung und aller Parteien erreicht worden, die Landlehrer werden aus ihrer bisherigen traurigen Aus⸗ nahmestellung herausgenommen. Die Verabschiedung des Gesetzes wird Ruhe und Zufriedenheit in die Kreise der Landlehrer bringen, es wird sich auch als wirksames Mittel gegen die Landflucht der Lehrer erweisen; dann werden wir wieder einen seßhaften Lehrerstand auf dem Lande haben. Für diejenigen Lehrer, die schon bisher ein höheres Einkommen beziehen, als die neue Gehaltsordnung vorsieht, wäre eine festnormierte Gehaltserhöhung erwünscht gewesen, aber die Kommission hat wenigstens die Bewegungsfreiheit der Schulverbände in dieser Hinsicht besser gewahrt als die Regierungsvorlage. Ich bin Anhänger der Gleichstellung des Gehalts, und der Orts⸗ zulagenparagraph wird in Lehrerkreisen mit sehr gemischten Ge⸗ fühlen beurteilt. Er wird Nörglern und Hetzern ein willkommenes Mittel sein, die Landlehrer zu beunruhigen, man ist bereits fleißig bei der Arbeit. Die Lehrer werden sich aber hoffentlich nicht stören lassen und den Hetzern und Hetzblättern die Tür weisen. Ich kann als Mitglied der Kommission sagen, daß wir den Finanzminister nicht haben zur Ruhe kommen lassen, bis wir die Höchstgrenze des Erreichbaren erreicht hatten. Man weiß nicht, wann ie Ortszulagen ihren Anfang nehmen, wie hoch sie bemessen und wie sie gestaffelt sind. Nur die Höchstgrenze kennt man. Das ist nicht geeignet, Zufriedenheit in die Lehrerkreise zu bringen. Der Orts⸗ zulagenparagraph wird neue erheblsche Anforderungen an die Ge⸗ meinden stellen, dagegen will man ihnen das Recht auf die Staats⸗ beiträge zu den persönlichen Schullasten entziehen. Ich kann mich der Sorge nicht entschlagen, doß die Städte sich durch niedrige Orts⸗ zulagen schadlos zu halten suchen werden. Die Ortszulagenfrage wird zu erbeblichen Konflikten zwischen den städtischen Verwaltungen und der Staatsregierung führen. Ich habe jedoch das Vertrauen, daß die Regierung die ihr im § 20 gewährte Befugnis so benutzen wird, daß der Ortszulagenparagraph, bei der Ausführung weder Härten noch Ungerechtigkeiten gegen die Lehrer hervorbringen wird. Ein Mehraufwand von 150 bis 200 bedeutet für viele kleine leistungsschwache Landgemeinden, deren Einwohner schwer um das

tägliche Brot zu ringen haben, schon eine erhebliche Steigerung des Prozentsatzes der Gemeindeumlagen. Hoffentlich wird die Regierung

falls man sie für leistungsfähig erklärte, nahezu 400 % Kommunal⸗

Abg. Borgmann (Soz.].)

solchen Gemeinden angemessene Zuwendungen aus dem bereitgestellten Ergänzungsfonds machen. Nach welchem Maßstab soll die Leistungs⸗ fähigkeit der Gemeinden überhaupt bestimmt werden? Wird man eine Gemeinde als leistungsfähig betrachten können, wenn sie keine oder nur geringe Umlagen zu erheben braucht? Das würde ich nicht für richtig halten. In meinem Wahlkreis gibt es mehrere Ge⸗ meinden, die wegen ihres Waldbesitzes die Erhebung von Umlagen überhaupt entbehren können. Während eine Gemeinde zu den persönlichen Schullasten auf Grund des neuen e einen Staatszuschuß von 1172 erhalten würde, würde sie,

gemeindesteuer erheben müssen. Ich wäre dem Minister dankbar, wenn er erklärte, daß der § 40 die von mir angezogenen Fälle nicht trifft. In den Ortszulagen liegt eine große Gefahr für die kommunale Be⸗ lastung der in Betracht kommenden Schulverbände. Es liegen uns nach dieser Richtung verschiedene Petitionen vor. Der Rheinländer ist nun einmal ein geborener Skeptiker, wenn es sich um die Ver⸗ teilung von Staatsmitteln handelt. Es war der Wunsch meiner Partei, daß den Städten und größeren ländlichen Schulverbänden die bisherigen Zuschüsse weitergezahlt werden, weil wir keine Beunruhigung dieser Schulverbände veranlassen wollten und anderseits große Be⸗ denken tragen, der Staatsregierung einen so erheblichen Dispositionsfonds zur Verfügung zu stellen. Da wir dies nicht erreichen konnten, ist es meiner Partei sehr schwer gefallen, dem Kompromiß beizustimmen; wenn sie es trotzdem tut, so geschieht es unter der bestimmten Voraussetzung, daß bei der Ausführung des Gesetzes alle Härten und erhebliche Belastungen der Schulverbände vermieden werden. Sollte das mit den bereitgestellten Mitteln nicht möglich sein, so würden wir sie gern angemessen erhöhen. Wir stehen auch der Frage nicht aleichgültig gegenüber, von welchen Ständen die neu erforderlichen Mittel aufgebracht werden. Den Lehrern würde die Freude an ihrer Aufbesserung wesentlich getrübt werden, wenn die Gemeinden für die Beschaffung der zu gewinnenden Mittel zu große Opfer zu bringen hätten. Das würde auch die be⸗ klagenswerte Folge zeitigen, das Verhältnis zwischen Gemeinden und Lehrerschaft immer mehr litte. Wir wünschen, daß das Gesetz, das in so erfreulicher Uebereinstimmung von Regierung und Parteien zustande gekommen ist, dem Lehrerstande und dem ganzen Lande zum Segen gereicht.

Abg. Dr. von Campe (nl.): Wer die Schwierigkeiten kennt, die bei diesen wie bei allen früheren ähnlichen Gesetzen zu überwinden waren, und die Fülle der Probleme, die dabei zu lösen sind, der wird es nur als erfreulich bezeichnen können, daß wir zu einer Einigung gelangt sind und die Vorlage jetzt in einer Form beraten, die getragen ist von dem einstimmigen Votum aller Parteien. Es liegt hier gewiß ein parlamentarisches Unikum vor auf einem bisher so heiß um⸗ strittenen Gebiete. Nicht allein dem Lehrer, auch der Sache selbst und den Parteien ist ein großer Dienst damit geleistet. Das Gesetz muß sich notwendig auf der mittleren Linie bewegen. Eine Aufwendung von 50 Millionen macht 500 pro Kopf aus. Alle früheren Re⸗ formen auf diesem Gebiete haben nicht entfernt die Summe ver⸗ schlungen, die jetzt auf einmal mehr geopfert wird. Das jetzige Gesetz verlangt also vom Staat allein 34 Millionen. Wenn der Finanzminister sich die entsprechenden Zahlen aus dem früheren Reform⸗ gesetz von 1852 an vergegenwärtigt, wird sich seinem Herzen vielleicht der Stoßseufzer entringen: O, wäre ich doch 50 Jahre früher Minister geworden; o schöne Zeit, o sel'ge Zeit, wo man mit einigen Hundert⸗ tausenden eine Lehrerbesoldungsverbesserung durchführen konnte. Wenn übrigens der Abg. von Richthofen für seine Fraktion und Partei in Anspruch nimmt, daß von dieser Seite unerfüllbare Forderungen nicht erhoben seien, so dürfte ich doch daran erinnern, daß in einer Versammlung in Hannover ein Konservativer es war, der ein Höchst⸗ gehalt von 3900 für den Lehrer verlangte, und zwar nicht in 31, sondern in 28 Dienstjahren zu erreichen; und nach Zeitungs⸗ nachrichten soll ihm auch ein Freikonservativer zugestimmt haben. Solchen Forderungen hätte niemand in der Kommission praktisch Nachdruck geben können. Die Forderung der Gleichstellung der Lehrer in Stadt und Land ist anderseits aus unserer Partei heraus schon vor Jahrzehnten erhoben worden. Wir haben ja auch sonst manches nicht erreicht, was wir erreichen wollten, wir stehen gleichsam mit einem lachenden und einem tränenden Auge dem Gesetze gegen⸗ über, aber ich glaube, wenn wir drei Augen hätten, würden zwei Augen davon lachende sein. Vor allem begrüßen wir, baß das Gesetz endlich einmal den Versuch einer systematischen Regelung der Materie macht, und in dem Sinne halte auch ich es für ein Werk von hoher kultureller Bedeutung, mit dem wir hoffentlich recht bald in den Hafen der Gesetzgebung einlaufen werden. Bei der ersten Lesung wurde dem Sesas eine agrarische Tendenz vorgeworfen; es gebe nur dem Osten, dem Westen werde genommen. Ich akzeptiere den Ausdruck in dem Sinne auch für meine Freunde, daß es die höchste Zeit war, die zurückgebliebene Landlehrerschaft zu heben und ihr Niveau dem⸗ jenigen ihrer Kollegen in den Städten zu nähern. Es ist doch die Aufgabe einer vernünftigen Politik, sozial ausgleichend zu wirken, und ich habe schlechterdings kein Verständnis dafür, wenn hier immer Stadt und Land gegeneinander ausgespielt werden. Selbstverständlich mußte ein allgemeines Besoldungsgesetz den Stadtlehrern vielleicht eine Enttäuschung mancher ihrer Hoffnungen bringen; immerhin bringt es für sie auch manches Erfreuliche. Die Bedenken, die wir gegen die Vorlage haben, liegen auf einem etwas anderen Gebiete. Erstens ist es nicht gelungen, einen objektiven Maßstab für die Verteilung der Staatszuschüsse zu finden; dann spielt die Aufhebung der festen Beiträge und die Erhöhung der Dispositionsfonds 8i einen ver⸗ hältnismäßig recht hohen Betrag eine Rolle, und drittens kommt die Belastung der Kommunen, insbesondere der kleinen, in Betracht. Was den objekliven Maßstab betrifft, so müssen wir doch für uns in Anspruch nehmen, daß unser Freund Schiffer als der einzige einen ausgearbeiteten Antrag in dieser Richtung vorgelegt hat, der an das Einkommensteueraufkommen und das Einkommensteuersoll anknüpfte. Dieser Maßstab hätte noch am ehesten eine Lösung ermöglicht; aber auch dieser Gedanke hat sich in kein bestimmtes Schema fassen lassen, und wir mußten davon leider wieder abgehen. Seit 1885 hat sich sowohl das Haus wie die Regierung vergeblich in dieser Richtung bemüht, und wie unsere parlamentarischen Vorfahren sind auch die amtlichen Ahnen der Herren auf der Ministerbank nicht klüger geworden als wir; fast scheint es, als ob die Quadratur des Zirkels leichter wäre als diese Aufgabe. Jedenfalls aber war es eine der vornehmsten Aufgaben für jede Partei wie für die Kommission,

die Verfassung wahr zu machen, dafür zu sorgen, daß die Gelder

dahin kommen, wo die vorliegt. Wir wollten den reichen Kommunen nehmen, was ihnen nicht zukam, und. den armen geben, was ihnen verfassungsmäßig zusteht. Es hat keinen Zweck, daß Orte wie Lindau und Lehrte mit rein industrieller Bevölkerung nur dasselbe bekommen wie etwa Charlottenburg und Grunewald. Was die Beseitigung der festen Staatsbeiträge anlangt, so werden die Orte, die bisher darauf angewiesen waren, hart betroffen; es ist natürlich immer besser, ein Recht zu haben, als auf Zuschüsse angewiesen zu sein, welche gegeben werden können. Es ist aber eine Ueber⸗ treibung, wenn die jetzt an uns gekommenen Petitionen der kleinen Städte sagen, sie seien jetzt einfach auf die Gnade der Staatsregierung angewiesen. Davon kann gar keine Rede sein. Wäre daz richtig, dann wäre wirklich etwas faul im Staate Dänemark. (Zuruf des

)— Warten wir es ab, Herr Borgmann, ich habe das Vertrauen zur Regierung, daß die Regelung überall be⸗ friedigend erfolgen wird. Die kleinen Städte klagen darüber, daß sie jetzt unter den Landrat kommen. Das ist für viele ein bedrückendes Gefühl. Ich meine aber, daß etwa unter der Fuchtel“ meines Freundes Ecker sehr gut zu leben ist. Sehr bedenklich aber erscheint es uns, daß der Regierung so hohe Dispositionsfonds in die Hand gegeben werden sollen. Draußen herrscht avch vielfach die falsche Auffassung, daß die Fonds gar nicht verteilt zu werden brauchten; aber für ein Parlament ist es von hoher Bedeutung solche Fonds der Verwaltung zur Dieposition zu stellen. Die Gelder müssen nach ganz bestimmten Grundsätzen dahin geleitet werden, wohin sie bestimmungs⸗ und verfassungsmäßig gehören Allerdings verteilen die Selbstverwaltungsbehörden und nicht der