1909 / 36 p. 11 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 11 Feb 1909 18:00:01 GMT) scan diff

Ministerjaldirektor D. Schwartzkopff: Die letzten Redner Jaben übereinstimmend die Besorgnis gehegt, daß den Städten mit 8 bis 25 Schulstellen, aber auch den größeren Städten durch dieses Gesetz ein erheblicher Druck erwachsen koönnte, und haben die Regierung um möglichste Schonung und wohlwollende Prüfung der Verhältniffe dieser Städte ersucht. Daß die Städte von der Bewilligung derjenigen Instanz, die über die Staatsmittel verfügt, abhängen, ist keineswegs der Fall. Schon bisher erfolgte die Bewilligung an die Ge⸗ meinden mit 8 bis 25 Schulstellen lediglich durch den Mi⸗ nifter, und genau dieselbe Sache war es bei den Gemeinden mit über 25 Schulstellen. Das hat im Laufe der ganzen letzten Jahr⸗ zehnte nicht zu Schwierigkeiten geführt, daß die staatliche Fistanz, die die Geldmittel hergibt, auch die Bewilligung verfügt. n ist die Erleichterung eingetreten, daß bei Gemeinden unter 285 Schulstellen nicht mehr allein der Staat die Verfügung in die Hand nimmt, sondern der Kreisausschuß, also ein Selbstverwaltungs⸗ örper, der von unabhängigen, objektiv denkenden Leuten gebildet ist. ist doch eine Verbesserung gegen den früheren Zustand. hoffe mit Zuversicht, daß ein Druck auf die Gemeinden nicht aus⸗ geübt wird, der fühlbar über ihre Kräfte hinausgeht. So weit kann man schon jetzt die Verhältnisst übersehen, daß die Befürchtungen, die gehegt werden, sich nicht erfüllen werden. Den Verteilungsplan des Kreisausschusses werden selbstverständlich die Gemeinden zur Kenntnis bekommen, sie sind ja selbst darin vertreten, jeder Bürger⸗ meister weiß das, und ich habe keinen Zweifel, daß jeder Landrat und jede Regierung den Gemeinden sagen werden, wieviel sie erhalten werden. Eventuell kann sich ja auch die Gemeinde bei der höheren Instanz und beim Minister beschweren. Die Befürchtungen sind also nicht begründet, und in den Ausführungsanweisungen werden formelle Bestimmungen getroffen werden. 1 Ddarauf wird die Debatte geschlossen. 8

Abg. Graf von Spee (Zentr.) bemerkt persönlich, daß er den Kommissionsbericht cTree habe; er könne den Vorwurf des Abg. Schiffer diesem vielleicht zurückgeben, denn Herr Schiffer sei selbst in der Kommission gewesen und scheine ee 5 haben. de ves c. bg. Schiffer (nl.) erwidert, daß die Ansichten über das, zu 8 vercbasafene )ienr notwendig sei, doch sehr verschieden zu einen.

Die §§ 43—50 werden angenommen.

be Der letzte mcrit des Gesetzes, 88 51 59,

ergangsbestimmungen.

288 88 e⸗nemch⸗ Le diesem Schlußabschnitt des Gesetzes

gehe ich namens meiner politischen Freunde der Hoffnung usdruck,

daß die Lehrer davon überzeugt sind, alles erreicht zu haben, was

Leber den gegenwärtigen Verhältnissen erreichbar ist. Mögen die

Fde sett für absehbare Zeit von jedem Kampfe zur Verbesserung rer Besoldungsverhältnisse absehen.

Uehe Darauf werden die 88 51 bis 59 angenommen,

rschrift und Einleitung des Gesetzes.

S Außer den bereits früher mitgeteilten Resolutionen der

Fenmision liegt der Antrag der Abgg. Schiffer und

ürbri 8 . nger (nl.) vor zu ersuchen, durch einen Nach⸗

„die Königliche Staatsregierung gsetat Unterstützung leistungsschwacher Gemeinden

und Schulverbände bereitzustellen, welche durch die den Besoldungs⸗ deseg s helberban rückwirkende Kraft in eine unverschuldete Notlage geraten sind.“

Abg. Fürbringer (nl.) empfiehlt diese Resolution zur Annahme, da die Beamten⸗ und Lehrerbesoldungegesetze msammenwirken, um die Gemeinden sehr zu belasten. Die Stadt Linden bei Hannover B. müsse 261 % an Steuerzuschlägen für Schullasten auf⸗ bringen, fie hätte weitere 100 % mehr zu zahlen, wenn der Staat ihr nicht für die rückwirkende Kraft des Lehrerbesoldungsgesetzes Ent⸗ gegenkommen bewiese.

Finanzminister Freiherr von Rheinbaben: Meine Herren! Der Antrag, den der Herr Abgeordnete eben begründet hat, erweckt bei mir ein lebhaftes psychologisches Interesse; denn als ich hier auftrat und immer all den Anträgen gegenüber auf weitere Erhöhung der Beamten⸗ und Lehrergehälter auf die not⸗ mwendigen Konsequenzen für die Gemeinden hinwles, predigte ich tauben DOhren. Man ging einfach darüber hinweg, und der verehrte Herr Abgeordnete war einer der eifrigsten, der in der Budgetkommission für die Beamten immer die weitestgehenden Anträge stellte. (Heiterkeit und Hört, hört!) Bitte, tragen Sie selber die Konsequenzen üörer Anträge. Ich glaube, man kann nicht dazu übergehen, die Konsequenzen auf eine Instanz fallen zu lassen, nämlich auf den Staat, der an der ganzen Situation unschuldig ist. Die Gemeinden waren ja völlig darauf vorbereitet, daß die Gesetzentwürfe, sowohl für die Lehrer wie für die Beamten, mit rückwirkender Kraft ausgestattet sein würden. Ich habe bereits etwa vor Jahresfrist hier ausgeführt, daß wir im Herbst 1908 die Vorlage wegen der Lehrer und Beamten⸗ gehälter hier einbringen würden, und daß die Vorlage im Interesse der Beamten und Lehrer mit rückwirkender Kraft ausgestattet sein würde. Also die Gemeinden wußten, daß diese Beträge bereits für 1908 zu zahlen sein würden. Nun wäre ich dankbar gewesen, wenn der Herr Vorredner mitgeteilt hätte, woher der Staat die Mittel nehmen solle. Bekanntlich haben wir für 1908 ein Defizit von voraussichtlich 165 oder 195 Millionen, je nachdem der Steuerzuschlag von 20 Millionen für 1908 bewilligt wird oder nicht, und wir würden die Beiträge für die Gemeinden einfach auf Anleihe übernehmen müssen. Das kann man aber doch billigerweise nicht fordern, zumal der Herr Ministerialdirektor Schwartzkopff darauf hingewiesen hat, wie die großen Gemeinden in der Lage sind, sich selber zu helfen, die Ueinen Gemeinden die ganzen Bedürfnisse auch für 1908 nahezu aus Staatsfonds bekommen und den in der Mitte liegenden Gemeinden von 8 bis 25 Schulstellen Ergänzungszuschüsse gewährt werden. Es wird also den bedürftigen Gemeinden geholfen werden, soweit das

mhöalich ist, und endlich hat das Kultusministeri Dispofittonsfonds zur Verfügung. isterium auch noch gewisse

Also, ich glaube, man wird helfen, soweit 1 man helfen kann. Aber hier nun generell die Verpflichtung auf den Staat zu über⸗ nehmen, trotz seiner Finanzlage, und trotzdem die Gemeinden auf die

Situation vorbereitet waren, hier einfach die Beträ berzngeben, das scheint mir zu weit zu gehen. räge seinerseits

Ich nehme an, daß der Antrag geschäftsordnungsma Budgetkommission überwiesen werden wird. Da werden ee darüber unterhalten. Ich muß von vornherein darauf hinweisen veß mir weder ein sachliches Bedürfnis vorzuliegen scheint, noch daß der

Staat finanziell in der Lage ist, hier erhebliche Mit 1 zu stellen. che Mittel zur Verfügung

enthält die

ebenso

Abg. Dr. von Korn (kons.) empfiehlt 1 nach der die mit voller Leitungsbefug, is 1öö nübna, * 8 8 raneslth, die Imbtheichnung Riektor

. lehrer, an Vo ulen me ä

mung Hauptlehrer erhalten sollen. 3 dekrüͤften die Aarto⸗

Die Abgg. D. Hackenberg (nl.) und Ho . ů werzer den Bie Reschacen, verche ein Redenon de becüthubenen

den Bericht nicht ge-

sozialdemokratischen Abgg. Borgmann,

miftl;ren de Fede Redner hoffen, daß diese Regelung n in dieser in geschehe. 3 .

09 15g Lar Tilly cton beantragt, die Resolution Schiffer der Budgetkommission zu überweisen. 29.

Nach einigen weiteren Bemerkungen der Abgg. Cassel (fr. Volksp.), Fürbringer (nl.) und Marx (Zentr.) werden die Resolutionen angenommen, mit Ausnahme derjenigen, welche allgemeine Bestimmungen über die Beschaffenheit 2c. der Dienstwohnungen für Lehrer verlangt, und ferner derjenigen, die einen Dispositionsfonds fordert für solche Lehrer, die vor dem Inkrafttreten des neuen Lehrerbesoldungsgesetzes pensioniert wurden. Diese beiden Resolutionen werden durch Konservative, Freikonservative und einen Teil des Zentrums abgelehnt.

Der Antrag Schiffer⸗Fürbringer wird der Budget⸗ kommission überwiesen, die zur Vorlage eingegangenen Petitionen werden für erledigt erklärt.

Damit ist die zweite Lesung des Lehrerbesoldungsgesetzes beendigt.

Es folgen Berichte der Wahlprüfungskommission.

Die Wahl des Abg. Kölle (b. k. F. Zellerfeld⸗Ilfeld) wird nach dem Kommissionsantrag ohne Debatte für ungültig erklärt.

Die Wahlen der Abgg. Holtschke (kons.) und von Kalck⸗ reuth (kons.) Landsberg⸗Soldin, Dr. Belzer (Zentrz, und Brandhuber (Bentr.) Hechingen⸗Sigmaringen, eters (freikons.) Süderdithmarschen, Felisch (kons.) und Hammer (kons.) Teltow⸗Beeskow, von Brandenstein (kons.), Graf von Bredow⸗Görne (kons.) und Metzenthin (kons.) West⸗ havelland werden ohne Debatte für gültig erklärt.

Es folgt der Honamissionsbericht über die Wahlen der Heimann, Hirsch (Berlin) und Hoffmann im 5., 6., 7. und 12. Wahlbezirk

der Stadt Berlin. *

Gegen die ersten drei Wahlen ist von Stadtv. Iden, Fabrikant Guttfeld und Karl Bickenbach Protest mit der Begründung eingelegt worden, daß die Sozial⸗ demokratie durch geschäftlichen Boykott einen Terror ausgeübt habe und daß nebenbei auch die Bildung der Abteilungen nicht überall ordnungsgemäß erfolgt sei. Gegen die Wahl des Abg. Hoffmann ist von dem Leutnant a. D. Konstantin Pohl Protest mit der Begründung eingelegt worden, daß die Wählerlisten teils nach den Steuersätzen von 1907, teils nach den Steuersätzen von 1908 Füffc kenh seien; der Protesterheber bittet, eventuell aus demselben Grunde auch die Wahlen in sämtlichen Berliner Wahlkreisen für ungültig zu erklären, hat in einem Schreiben vom 23. Januar d. J. aber diese letztere Bitte zurüͤckgezogen und erklärt, daß sich sein Protest nur gegen die Wahl im 12. Wahlbezirke richte.

Die Wahlprüfungskommission, Berichterstatter Abg. Fisch⸗ beck (fr. Volksp.), beantragt, die vier Wahlen zu beanstanden und die Regicrung zu ersuchen, eine amtliche Aeußerung des Magistrats von Berlin darüber herbeizuführen, ob bei den Wahlen im 5., 6., 7. und 12. Wahlbezirke in den Urwählerlisten und für die Bildung der Abteilungen innerhalb derselben Ur⸗ wahlbezirke für dieselben Steuerarten verschiedene Steuerjahre, teils 1908, teils 1907, berücksichtigt worden sind, bejahenden⸗ falls, welche Gründe für die Heranziehung verschiedener Steuer⸗ jahre maßgebend gewesen sind, und ob diese Verschiedenheit gleichmäßig in allen Urwahlbezirken der verschiedenen Wahl⸗ bezirke obgewaltet hat.

Abg. Ströbel (Soz.): Der Bericht der Kommission enthält Momente, die der Nachprüfung durch das Plenum bedürfen. Die Kommission hat die Wahlen beanstandet, weil die Wahllisten nicht ordnungsmäßig aufgestellt seien, und weil von den Solialdemokraten eine Wahlbeeinflussung durch geschäftlichen Boykott ausgeübt sei. Die Kommission hat nach einem möglichst harmlos erscheinenden Grunde für die Beanstandung gesucht; e hat sich lediglich auf den Protest des Leutnants a. D. Pohl gestützt; dieser richtet sich aber nur gegen die Wahl im 12. Wahlbezirk. Gegen die übrigen drei Wahlen ist allerdings von freisinniger Seite ein Protest eingegangen, von den Herren Iden, Guttfeld und Bickenbach, der aber nur mit dem sozialdemokratischen Boykott begründet wird. Ueber diese Protestbehauptung ist nun die Kommission einfach hinweg⸗

segangen, weil sie nur ganz allgemein gehalten und nicht ubstantiiert sei. Wenn die Kommission dennoch die sämtlichen vier Wahlen beanstandet hat, so enthält ihr Vorgehen eine Unklar⸗

heit, denn sie stützt sich auch bei den übrigen drei Wahlen auf die ordnungswidrige Aufstellung der Wählerlisten. Es handelt sich also um eine feige Ueberrumpelungstaktik gegen einen politischen Gegner. Der Abg. von Pappenheim würde sagen, dieser Bengel kann nicht im Kammerherrnton reden. Es soll ja ein Protest von freisinniger Seite gegen sämtliche Berliner Wahlen beabsichtigt gewesen sein, weil überall die Wabllisten nach den Steuerlisten verschiedener Jahre aufgestellt sind; die Abgg. Cassel und Rosenow haben darum gewußt. Habg, Cassel: Unwahr!) Ich kann nur wiederholen, was un⸗ estritten im „Vorwärts“ gestanden hat. Wenn es nicht wahr ist, hätte es bestritten werden sollen. (Abg. Cassel: Wenn ich alles widerlegen sollte, was im „Vorwärts“ falsch steht!) Auch das „Berliner Tageblatt“, das sich in der Blockoresse immerhin durch eine vernünftige und anständige Auffassung auszeichnet, hat erklärt, daß, wenn die Aufstellung der Wählerlisten als Grund der Beanstandung angeführt würde, man dann nicht diese vier Wahlkreise willkürlich hätte berausgreifen dürfen, sondern die Wahlen sämtlicher 12 Berliner Wahlkreise für ungültig hätte er⸗ klären müssen. Ich glaube, daß das Haus angesichts der ganzen un⸗ geheuren Schiebung und angesichts des klaren Wortlauts des Pro⸗ testes des Leutnants Pohl den moralischen Mut besitzen wird, entweder alle 12 Wablen oder keine einzige zu beanstanden. Die Abgg. Aronsohn, Malkewitz und Strosser, die von dem unzwei⸗ deutigen Protest des Leutnants Pohl unterrichtet waren, hatten die Verpflichtung, ihren Fraktionen klaren Wein darüber ein⸗ zuschenken. Hätten sie nicht geschwiegen, dann würde die Kommission gewiß zu einem anderen Ergebnis gekommen sein. Der Bericht der Wahlprüfungskommission sagt, daß die Kommission einig gewesen sei, daß das Verfahren bei der Aufstellung der Wählerlisten nicht dem Sinne des Gesetzes entspreche, und zwar deshalb, weil manche Wähler nach Ansicht der Kommission benachteiligt worden seien, die ein Einkommen über 3000 haben, und bei denen bei Aufstellung der Listen das Jahr 1907 zu Grunde gelegt war. Wenn der Berliner Magistrat durchweg das Jahr 1907 zu Grunde gelegt hätte, so wären eine ungeheure Anzahl Wähler mit einem Einkommen unter 3000 benachteiligt worden, da ja bekanntlich für das Jahr 1908 schon die Deklarationspflicht der Arbeitgeber ihren Einfluß geltend gemacht hat. Wenn man die vier Abgeordneten einfach hinaus⸗ werfen will, dann wäre das ein Attentat gegen das Wahlrecht der breiten Massen. Uebrigens könnten Sie uns gar keinen größeren Ge⸗ fallen tun. Das Parlament hat ebenso wie die Gerichte das objektive Recht zu beachten; wenn Sie diese Gerechtigkeit nicht beachten, dann würde man draußen im Lande endlich einsehen, welch eine schnöde und niederträchtige Klassenjustiz Sie jetzt treiben.

Aba. Fischbeck (frs. Volksp.): Die Rede des Abg. Ströbel war eine Kette von Mißverständnissen und Unkenntnissen des Gesetzes. Er hat den Beschluß der Wahlprüfungskommission gar nicht ver⸗ standen. Die Kommission will über die Frage der Bildung der Abteilungen zunächst verhandeln, über die Frage des Wahl⸗ ferrorismus der Sozialdemokraten erst späteri Von frei⸗

sinniger Seite ist der Protest in erster Linie wegen des Wahlterrors ein⸗

gelegt, denn wir haben ein Interesse daran, daß einmal entschieden wird, ob dieses System der Sozialdemokratie zuläsfig ist oder nicht, weil wir Freisinnigen bei den Landtagswahlen dem ersten Ansturm der Sozial⸗ demokratie ausgesetzt sind. Nach dem Gesetz soll die Steuerleistung maßgebend sein bei der Aufstellung der Wählerlisten. Das wirtschaft⸗ liche Leben unterliegt Schwankungen, und je nachdem wird sich die Grenze zwischen den drei Abteilungen verschieben. Im Frühjahr 190 8 waren bei Aufstellung der Listen die Wähler in Berlin erst zur Steuer veranlagt, deshalb hat der Magistrat die bekannte Differenzie⸗ rung vorgenommen. Die Sozialdemokraten wollen dadurch benach⸗ teiligt sein. Man darf doch derartige Fragen nicht vom Parteistand⸗ punkt aus beurteilen. Die Wahlprüfungskommission hat sich ja auch noch gar nicht festgelegt, sie behält sich die Entscheidung je nach der Antwort des Berliner Magistrats vor. Die Kommission konnte auch sehr wohl der Meinung sein, daß der Protest des Herrn Pohl sich nur gegen die Wahl des Abg. Hoffmann richtete. Die Sozial⸗ demokraten haben gegen die ihl in Rixdorf mit der Begründun Protest erhoben, daß dort die Steuerlisten für 1907 zugrunde gele sind, wodurch das Wahlrecht vieler Arbeiter, die für 1908 höhere Steuern gezahlt haben, geschmälert sei. Berlin ist also in bezug auf die dritte Abteilung so verfahren, wie es gerade im sozialdemokratischen Interesse denkbar günstig gewesen ist. Sie (zu den Sozialdemokraten leben ja nur von dem sozialdemokratischen Interesse. (Abg. Ströbe Soz.): Ist ja Blödsinn! Präsident von Kröcher: Das ist so chlimm, daß ich selbst davon Abstand nehme, Sie zur Ordnung zu rufen.) Der Abg. Ströbel bezog sich auf das „Berliner Tageblatt⸗ Die ernste Presse sollte sich um solche Lobhudeleien der Sozial⸗ demokraten nicht mehr kümmern. Die Frage der Richtigkeit der Wahllisten kann nicht beiseite gestellt werden, denn es könnten ja im rühjabr Neuwahlen in Berlin und seinen Vororten stattfinden. hre (zu den Sozialdemokraten) Angriffe strafe ich mit Verachtung. Abg. Strosser (kons.): Der Abg. Ströbel hat sich auch mit meiner Person beschäftigt, weil ich Korreferent in der Kommission war. Di Abteilungen des Hauses, denen die Wahlakten zugehen, haben lediglich die Pflicht, zu prüfen, für welche Wahlkreise Proteste eingegangen sind, aber nicht die Wahlen selbst zu prüfen. Die Wahlen, gegen die Proteste eingegangen sind, überweisen die Abteilungen an die Wahlprüfungskommission. Da der Protest hier sich nur auf vie Berliner Wahlkreise bezog, konnte die Abteilung auch nur diese d Wahlprüfungskommission überweisen. Daher ist auch der Vorwur gegenstandslos, daß die Wahlprüfungskommission sich nicht mit allen Berliner Wahlen befaßt habe. Der Abg. Ströbel sagt, daß in dem Protest der Freisinnigen nur beiläufig gegen die Wählerliste protestie sei, aber die Kommission hatte doch die Pflicht, wenn darin gesa⸗ war, daß in einzelnen Wahlbezirken die Wählerlisten unrichtig au gestellt seien, zu prüfen, in welchen es der Fall war. Nach einer Be⸗ gründung zu suchen, hatte die Kommission gar nicht nötig, denn die Begründung war klipp und klar ausgesprochen, wir brauchten sie nur aus dem Protest herauszulesen. Der Abg. Fischbeck und ich haben auch keineswegs den Protest in der Kommission nur summarisch vor⸗ getragen, sondern ich rufe alle Herren der Kommission zu Zeugen au sehr eingehend erörtert. Und auf den Punkt der falschen Wählerlisten haben wir uns beschränkt, weil schon aus diesem Grunde die Wahlen hinfällig sind. Daher ist auch im Beschluß der Kom⸗ mission nichts anderes gesagt, als daß der Magistrat Aufschluß geben soll. Der Abg. Ströbel beschwert sich über den Ton. Wenn das der Kammerton ist, den die Sozialdemokraten anschlage dann wissen wir, wie bei ihnen geflötet wird. Der Präside hat ja eben den Ton charakteristert. Der Ton des Ströbel ist ja auch im „Vorwärts“ laut geworden, und dort steht ein Artikel, den kaum ein anderer als der Abg. Ströbel geschrieben haben kann, und da sieht der Kammerton so aus: Es steht darüber geschrieben: „Ein Schurkenstreich!“, und darin wird der ganzen Kommission der Vorwurf des Schurkenstreichs emacht, weil sie nur die vier sozialdemokratischen Wahlen we habe. (wüschernfe bei den Sozialdemokraten.) Die Ueberschrift lautet „Fin Schurkenstreich’, leugnen Sie es doch nicht abl! Es ist dann behauptet worden, ich hätte diesen Artikel ebensoweni gelesen, wie den Protest, das ist sonaaldemokratische Logik. 8 danke für solche verwerfliche Logik! Wenn der Leutnant Poh erklärt, daß er seinen Protest aus nationalen Gründen zurück. iehe, so haben die Herren für nationale Gründe allerdings gar kein erständnis. (Ruf bei den Sozialdemokraten: Die Fabes Sie gepachtet!) Wir haben den nationalen Sinn nicht gepachtet, aber wir haben ihn ererbt von unseren Vätern und Ur⸗ vätern und suchen ihn auch heute noch zu betätigen und be⸗ dauern nur, daß Sie keine Ahnung davon haben. Leutnant Pohl sagt in seinem Protest im Anfang ausdrücklich: „Gegen die Gültigkeit der Wahl im 12. Berliner Wahlkreis erhebt der Unterzeichnete Einspruch; nur im Schlußsatz wird dann noch gesagt, eventuell müßten aus demselben Grunde sämtliche Berliner Wahlen nachgeprüft werden. Ein Protest mit einem solchen Eingang ist doch klar und deutlich genug, zumal dann 2

am Schluß mehrere Herren unterschrieben haben, daß sie den Prote gegen die Wahl im 12. Wahlkreise unterstützten. dahete Pohl war doch autorisiert genug, selbst eine Erklärung abzugeben, was er unter seinem Protest verstanden wissen wollte. Der Abg. Ströbel meint, daß die Wahlpruüfungskommission sich nur dafür interessiere, daß die Wähler über 3000 nicht benachteiligt würden. Die Kommission hat aber ausdrücklich erklärt, daß es sich nicht nur um die Interessen der Wohlhabenden, sondern um die Interessen aller Wähler handle, und daß das Interesse aller Wähler verletzt sei, wenn die Listen nicht richtig aufgeste t seien. Auch der Regierungskommissar hat sich in der Kommission in diesem Sinne ausgesprochen. Daß dieses Haus nur nach Recht und Logik entscheidet, hat es von jeher bewiesen; es bedarf Ihrer (zu den Sozialdemokraten) Aufforderung und Ermahnung nicht. Ihre Logik können wir uns nicht aneignen. Wir haben uns ferner hundertmal dahin ausgesprochen, daß ein Beamter nicht Sozialdemokrat sein darf. Da Sie (zu den Sozialdemokraten) den Staat umstürzen wollen, so wäre es Verrat am Vaterlande, wenn diejenigen Leute, die das Gebäude des Staates niederreißen wollen, noch als Beamte angestellt würden. . . 2.e. von Kröcher: Ich hoffe, daß Sie nur die Sozial⸗ demokraten außerhalb dieses Hauses meinen. Die Sozialdemokraten hier im Hause haben feierlich geschworen, daß sie dem Koͤnig treu und gehorsam sein wollen. Diese Sozialdemokraten wollen den Staat nicht umstürzen. 8 Abg. Strosser (fortfahrend): Es ist ein unveräußerliches Recht des Staates, daß er Beamte hat, die seine Interessen fördern; und daß unsere Beamten nationales Bewußtsein und nationalen Sinn haben, das wünschen und hoffen wir.

Darauf vertagt sich das Haus.

Abg.Cassel (fr. Volksp.) bemerkt persönlich: Der Abg. Ströbel

behauptet, ich hätte gestern das „Berliner Tageblatt“ von mir ab⸗ geschüttelt, weil es mich vorher abgeschüttelt habe; davon ist mir nichts bekannt. Das „Tageblatt“ hat nur Angriffe gegen Ansichten meiner Parteigenossen, die auch meine Ansichten sind, gerichtet. Ich habe nur veeß daß ich das Zirkular des Abg. Hahn nicht im „Tageblatt“, sondern in der „Freisinnigen Zeitung“ gelesen habe. Es wird doch noch erlaubt sein, die „Freisinnige Zeitung“ zu lesen. Das „Tageblatt“ sagt nun heute morgen, ich hätte mich dem Abg. Hahn egenüber als „Held“ gezeigt und mich entschuldigt, weil ich das

irkular nicht im „Tageblatt“, sondern in der „Freisinnigen Zeitung“ gelesen hätte. (Präsident von Kröcher: Eine persönliche Be⸗ merkung gegen das „Berliner Tageblatt“ können Sie nicht machen.) Niemand kann behaupten, daß mich gegenüber dem Abg. Dr. Hahn entschuldigt hätte. Daß ich und der Abg. Rosenow von einem beabsichtigten Protest der Freisinnigen gegen sämtliche Berliner Wahlen sienn t und davon abgeraten hätten, ist vollständig unrichtig. Wenn

aber alle Behauptungen im „Vorwärts“ richtig stellen sollte, hätte ich viel zu tun.

Schluß gegen Uhr. Nächste Sitzung Donnerst (Wahlprufungen, Justizetat.) büng rstag,

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