.Ich hatte geftern Gelegenheit zu einer längeren Aussprache mit Seiner Majestät dem Kaiser und Könige und bin in der Lage zu sagen, daß Seine Mazestät vollständig den Standpunkt billigt und teilt, den ich vom ersten Toge an eingenommen habe, die Auffassung nämlich, daß für uns weder Veranlassung vorliegt, noch auch
eigung bei uns besteht, das Vorgehen unseres Verbündeten einer Kritik zu unterziehen, wohl aber der feste Wille, in Er⸗ füllung unserer Bündnispflichten an seiner Seite zu stehen und zu bleiben. Auch für den Fall, daß Schwierigkeiten und Komplikattonen entstehen sollten, wird unser Verbündeter auf uns rechnen können. Seine Majestät der Kaiser und König, dessen verehrungsvolle Freund⸗ schaft für den ehrwürdigen Kaiser und König Franz Joseph bekannt
.ist, steht in unerschütterlicher Treue zu seinem erhabenen Ver⸗
bündeten.“) v“ Das also, meine Herren, war der Standpunkt, und das waren
meine Instruktionen von dem ersten Tage an. Danach können Sie
tmessen, was es auf sich hat, wenn man mich als unsicheren
Kantonisten hat verdächtigen wollen. 1
Ebenso wie gegen die grundlose Behauptung, als ob ich unseren
österreichisch⸗ungarischen Verbündeten anfangs nur zögernd und lau
unterstützt hätte, muß ich mich nun auch gegen den entgegengesetzten
Vorwurf wenden, nämlich daß wir uns mit überflüsfigem Eifer an
der Seite von Oesterreich⸗Ungarn gebalten hätten. Es wird darüber
geklagt, daß wir uns dadurch unnötigerweise in Gefahr begeben hätten. kan hat uns vorgeworfen, daß wir uns nur für Interessen ein⸗ gesetzt hätten, die nicht unsere eigenen Interessen wären. Diese Vorwürfe treten auf mit dem Anschein eines gesunden politischen Egojsmus, und sie werden vorgetragen unter Berufung auf die Autorität des Fürsten Bismarck. Es wird als Bismarcksche Ansicht bingestellt, daß wir in der Balkankrisis jede tellungnahme hätten vermeiden sollen. Meine Herren, ich 8 haupte, daß eine solche Laodhäerpolttik vom Fürsten Bis⸗ marck ohne Bedenken verworfen worden wäre. Nicht, Jin Balan, in Drientfragen überhaupt Stellung zu nebmen, hat Fürst Bismar widerraten, sondern vorzeitig Stellung zu nehmen oder.der⸗
ührung an sich zu nehmen. Ich will Sie an ein Wort des
Fürsten Bismarck erinnern, das u seiner Zeit, als es gespeocen
wurde, eine allgemeine, mahnende Betrachtung war, und das 5 8
eine schlagende Rechtfertigung ist. In seiner unsterblichen — 1
6. Februar 1888 sagte Fürst Bismarck — ich habe mir die Ste
ausgeschrieben: Fsen
„Ein Staat wie Oesterreich⸗Ungarn wird dadurch, daß man
ihn i t, entfremdet und wird geneigt werden, dem die ben Eh der üshersels der Gegner eines unzuverlaässiger den nicht in der Aussicht auf einen han felten territorialen oder wirtschaftlichen Gewinn liegt unser eigenes und eigentliches Interesse in der gegenwärtigen Situation. Sehr wahr!) Glauben Sie wirklich, meine Herren, daß wir einen neuen Freund gewonnen, irgend einen Ersatz gefunden hätten für ein durch 30 Jahre bewährtes Bündnis, wenn wir die Probe auf unsere Treue nicht bestanden hätten (Lebhaftes Sehr richtig!), lediglich aus Furcht, den Anschluß an andere Mächte nicht zu finden? (Wiederholtes leb⸗ haftes Sehr richtig!) Wir würden uns, meine Herren, sehr bald, und dann ohne Oesterreich⸗Ungarn, derselben Mächtegruppierung gegenübergesehen haben, der Oesterreich⸗Ungarn hätte weichen müssen. (Sehr richtig! auf allen Seiten des Hauses.)
Gewiß, meine Herren, Deutschland ist stark genug, um sich im Notfalle auch allein zu behaupten. (Vielfaches Bravo!) Das ist aber kein Grund, einen loyalen Bundesgenossen, der überdies ein außer⸗ ordentlich wichtiger Faktor in der europäischen Staatengesellschaft ist, in einer für ihn schwierigen Lage allein zu lassen und auf andere Freundschaften anzuweisen. (Lebhaftes Sehr richtig!) Die Politik des Finassierens ist nicht immer eine kluge Politik, und sie ist jedenfalls verfehlt dem Freunde gegenüber, der Klarheit und Offenheit erwartet. Uns klar und offen an die Seite von Oesterreich⸗Ungarn zu stellen, entsprach auch deshalb unserem Interesse, weil wir durch eine andere Haltung zu gefährlichen Versuchen ermuntert hätten, der Großmachtstellung von Oesterreich⸗Ungarn eine Schädigung luzufügen Eine diplomatische Niederlage unseres Bundesgenossen aber 1t Rückwirkung auf unsere eigene Stellung in
müͦ dig ihre 2 gee;. Sie würde das Schwergewicht verringern, das Deutschland und Oesterreich⸗Ungarn gemeinsam repräsentieren,
und das bei vielen internationalen Fragen gemeinsam in die
Wags eworfen wird.
ich habe irgendwo ein höhnisches Wort gelesen über unsere Vasallenschaft gegenüber Oesterreich⸗Ungarn. Das Wort steinzaene Lehr richig und Heitereit) Es aibt bierkeinen Stret um den Ventrüt wie zwischen den beiden Königinnen im Nibelungenliede; aber die Nibelungentreue wollen wir aus unserem Verhältnis zu Oesterreich⸗Ungarn nicht ausschalten eane ¹), ““
gegenseitig neuter Beifall. eine Herren, hleth E Bilder blutigen eeile ich mich, hinzuzufügen, daß ich gerade in unserem festen Zusammen⸗ steben mit Oesterreich⸗-Un ine eminente Friedenssicherung erblicke. I.“ ssch deutschen ör wahr!) Die Publizierung des österreichisch⸗ungar Bündnifset 1. seinerzeit auf kriegslustige Elemente in Europa be
8 „daß dieses Bündnis auch ggend eingewirkt. Die „ 685318 Rdeses waläben Fölch.
(Sehr richtig!) Den Kritikern aber⸗
8 nichts von seiner Kraft eingebüßt Ferbr Presse und sonstwo den Buchstaben daß hier der Buch⸗
Herren, die mir in der s Vertrages entgegenhalten, sage sch einfach, labe tötet.
Nun, meine Herren,
weiß ich wohl, daß wir Deutsche der 8 jeugung bedürfen, auf seiten einer gerechten Sache zu stehen; w haben dieser Ueberzeugung oft genug Opfer gebracht. Es liegt auch
3 ba deutschen Charakter, eine Sache gern deshalb für die gerechte zu alten, weil sie die schwächere ist.
b Meine Herren, diesmal brauchen wir keine Skrupel zu haben, und sie sind meines Wissens auch nirgends bei uns hervorgetreten.
8. unterliegt für mich nicht dem mindesten Zweifel, daß Oesterreich⸗ ngarn in seinem Konflikt mit Serbien das Recht durchaus auf einer Seite hat. (Lebhaftes Sehr richtig!) Die Annexion der sden Provinzen ist kein zynischer Landraub, sondern der letzte chritt auf der Bahn einer seit 30 Jahren unter Anerkennung der achte betätigten politischen und kulturellen Arbeit. (Lebhaftes Sehr chtig!) Das Reichstadter Abkommen ist ja schon 1877 geschlossen
ti worden Die Besetzung von Bosnien und der Herzegowina erfolate
ursprüngliche Besitzer den Aufstand in zu dämpfen vermochte, 88 . un den Aufruhr weiter Landstrecken dicht an seiner Grenze auf die — unmöglich ruhig mitansehen konnte. Was die österreichisch⸗ ungarische Verwaltung in dieser Zeit für die beiden Provinzen getan hat, das, meine Herren, ist von allen sachverständigen Beurteilern als eine glänzende Kulturleistung anerkannt worden. (Sehr richtig!) Oester⸗ reich⸗Ungarn hat also sein Recht auf die beiden Provinzen in stetiger Arbelt erworben. Der Verstoß gegen das formale Recht, der bei der Annexion begangen wurde, ist durch die Verhandlungen zwischen Oesterreich⸗Ungarn und der Pforte ausgeglichen worden. Bei diesen Verhandlungen ist von beiden Seiten mit staatsmännischer Weisheit den Interessen beider Teile gedient worden, und ich glaube, daß beide Teile Anlaß haben, sich ju dem gelungenen Abschluß Glück zu wünschen. (Sehr richtig!) Nachdem, meine Herren, eine Einigung unter den Naͤchstbeteiligten erzielt worden ist, wird auch die formelle Anerkennung der übrigen Signatarmächte des Berliner Vertrages nicht ausbleiben können. Daß aber auch das Plazet Serbiens erforderlich sein sollte, das, meine Herren, ist eine Zumutung, die Oesterreich⸗Ungarn von Anfang an mit Recht zurückgewiesen hat (Sehr richtig!), mag sie nun in der Form des Anspruchs auf Kompensationen oder in anderer Weise aufgetreten sein. Den Serben steht keinerlei Rechtsanspruch zur Seite. (Sehr richtig! rechts.) Die serbischen Rüstungen sind ein gefährliches Spiel. Wenn es nun auch ein unerträglicher Gedanke ist, daß der europälsche Frieden wegen Serbien gefährdet werden sollte, so folgt daraus doch keineswegs, daß Oesterreich⸗Ungarn oder die Türkei anzuhalten wären, unberechtigten politischen und territorialen Aspirationen der Serben nachzugeben. Vielmehr würde eine starke Verantwortung aus der ganzen Lage der Dinge für diejenigen erwachsen, die dazu beitragen sollten, die serbischen Aspirationen in irgend einer Weise zu ermutigen. Sie sind keinen Krieg, geschweige denn einen Weltbrand wert. Ich habe aber die beste Zuversicht, daß das Friedensbedürfnis Europas stark genug sein wird, um einen solchen Weltbrand zu verhüten. Die Haltung, welche die russische Politik in der Annexionsfrage neuerdings angenommen hat, bestärkt mich in dieser Hoffnung. Durch diese Haltung haben sich die Leiter der russischen Politik und insbesondere Seine Majestät der Kaiser Nikolaus Anspruch auf die Anerkennung und die Dankbarkeit aller Friedensfreunde in Europa erworben. (Bravo!) Unsere Haltung gegenüber der Konferenzfrage hat sich nicht ge⸗ ändert. Wir haben nach wie vor keine grundsätzlichen Bedenken gegen eine solche Konferenz, vorausgesetzt, daß alle europälschen Mächte an ihr teilnehmen, daß die Mächte sich vorher über die streitigen Punkte einigen, und das Konferenzprogramm genau festgesetzt und umgrenzt wird. Denn wir wünschen, meine Herren, daß die Konferenz nicht ein Aufregungsmittel, sondern — ich bediene mich der Worte des eng⸗ lischen Ministers des Aeußern — ein Beruhigungsmittel sein möge. Nun ist weiter gesagt worden, wir hätten uns bemühen sollen, die in Europa bestehenden und gewiß nicht ungefährlichen Gegensätze auszugleichen; es wird uns vorgeworfen, daß wir in dieser Richtung
nicht genug getan hätten. Meine Herren, man
seinerzeit, weil der jenen beiden Provinzen nicht
übersieht dabei, daß wir gar keine Ver⸗ anlassung hatten, eine übertriebene Geschäftigkeit zu entwickeln. Sowelt aber eine Grundlage für eine vermittelnde Tätigkeit vorhanden war, haben wir es natürlich nicht an Bemühungen in ausgleichendem Sinne fehlen lassen. Wir sind in dieser Richtung, und nicht ohne Erfolg, zwischen Wien und Konstantinopel und auch zwischen Wien und St. Petersburg tätig gewesen. Dabei sind wir uns allerdings stets der Grenzen bewußt geblieben, die unser eigenes Interesse und die Loyalität gegenüber Oesterreich⸗ Ungarn einer vermittelnden Tätigkeit setzen. Ich will diese Grenzen genau bezeichnen: Wir haben keinen Schritt getan und werden keinen Schritt tun, der den mindesten Zweifel ließe an unserer festen Entschlossenheit, kein österreichisch⸗ungarisches Lebensinteresse preis⸗ zugeben. (Bravo!) Und ebensowenig sind wir dafür zu haben, daß an Oesterreich⸗Ungarn Zumutungen gestellt werden, die unvereinbar wären mit der Würde der Habsburgischen Monarchie. (Beifall.)
Meine Herren, unsere eigene Geschichte mahnt uns zur Vorsicht auf dem Gebiete auch der ehrlichsten Maklertätigkeit. Wem von uns schwebte nicht als großartiges Beispiel der Berliner Kongreß vor? Diese weltgeschichtliche Handlung wurde geführt durch den größten Staatsmann des vergangenen TJahrhunderts. Sein leitender Gedanke dabei war, zu verhüten, daß zwischen den europäischen
Mächten ein Krieg ausbreche, in den Deutschland hinein⸗ gejogen werden konnte. So machte der gewaltige Fürst sich an die Arbeit, den Frieden zu erhalten, und er
erhielt ihn auch. Aber in mancher Hinsicht trugen wir die Kosten des Verfahrens. (Sehr richtig! rechts.) Der Zank, der Aerger, der Haß der Streitenden richteten sich nach dem Kongresse weniger gegen den bisherigen Gegner als gegen uns. Die Scherben aller enttäuschten Hoffnungen wurden gegen uns geschleudert. Ich habe als junger Mensch an dem Kongresse teilgenommen. Ich stand durch meinen Vater und seine amtlichen und freundschaftlichen Be⸗ ziehungen zum Fürsten Bismarck den Ereignissen nahe. So erfuhr ich, daß Deutschland, das den Frieden für andere erhalten hatte, selbst bald nach dem Kongreß in Kriegsgefahr schwebte. Mit dieser Erfahrung vor Augen haben wir uns die Linien für unsere jetzige Orientpolitik vorgezeichnet. Wir wahren unsere eigenen Interessen und stehen treu zu Oesterreich⸗Ungarn. Das ist — um dies auch in diesem Zusammenhange nochmals zu betonen — identisch. Indem wir fest zu Oesterreich⸗Ungarn stehen, sichern wir am besten unsere Interessen. Und damit, meine Herren, tragen wir auch am meisten bei zur Erhaltung des Friedens, des europäischen Friedens, dessen Wahrung aufrichtig gewünscht wird von diesem hohen Hause und vom deutschen Volke. (Vielfaches lebhaftes Bravo !)
Abg. Freiherr von Hertling (Zentr.): Es hat immer etwas
zwärtigen Politik, der aus Mülices,ach dem fbfüsn eüftgensenanms uns biervein Hüd der
v der ihm allein zugängli g Kennanst, Bemerkungen aus dem
der vomf g⸗ 1 geg,gen hn 895 dabei des Abstandes bewußt, der die au
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. Abhegid Hemertungen, die ich zu machen n 825 wile dee 1 achen; i weiß, daß ich mich auf einem 8 Vorbehal 8 einer 9.n freilich ist es für uns, 8 1 S der der Budgetkommission, leichter Uenas àrgrngen 3 gwärtigen Politik zu sprechen. Die agc, ndie ch undgh⸗ der müher erheben mußten, da man un we d e. üͤber die auswärtigen Verhältnisse ge S kellungen n erast Fug jetzt nicht mehr erhoben werden,
Klage kann
dem uns in der Budgetkommission durch den Staatssekretär des Auswärtigen Amts viele Mitteilungen gemacht worden 5 aller⸗ dings nur in vertraulicher Weise, wie dies in der Natur der Sache gelegen war, und darum zunächst nur zugänglich für die Mitglieder der Kommission. Ich will die gemachten Mitteilungen weder über⸗ schätzen noch unterschätzen. Zunächst ein paar Worte über Marokko. Wenn wir uns früher über Marokko unterhielten, so waren wir, laube ich, alle von einem gewissen unbehaglichen Gefühle er⸗ üllt. Wir wollten, daß die deutsche Regierung die wirtschaft⸗ Se. Interessen Deutschlands in Marokko vertrete, daß uns der Platz dort nicht genommen werden sollte, unsere wirtschaft⸗ lichen Beziehungen zu befestigen. Aber wir hatten zugleich das . fühl, daß wir um Marokko keinen Krieg führen würden. Ich habe selbst 1907 und 1908 geglaubt, von den Schwankungen der deutschen ve in der Maro ge. e7n zu sollen. Der Reichskanzler hat heute für die von Deutschland innegehaltene Politik in der Marokko⸗Frage die Konsequenz; in Anspruch nehmen zu können geglaubt. Ich glaube, daß jetzt, nachdem alles zu einem guten Ende gelangt ist, es nicht mehr nötig ist, eingehend auf diese Frage zurückzukommen. Wir sind alle erfreut, aus dem Akten⸗ stück, das der Reichskanzler uns hier vorzulesen die Güte gehabt hat, das eine Wort herauszuhören, daß das praktische Interesse, das hier in Frage käme, doch nicht im Verhältnis stünde zu den unangenehmen Nebenwirkungen, die es in bezug auf Frankreich bei der Marokko⸗ Frage hervorgerufen habe. Es besteht die Hoffnung, daß die Verständi⸗ gung in diesem einen Punkt dazu führen wird, zwischen den beiden sc⸗ sen Ländern, Deutschland und Frankreich, ein Verhältnis freund⸗ chaftlicher Belehungen zu befestigen und zu erhalten. Wenn dabei etwas unsere Freude stören könnte, so ist es allein der Gedanke, daß vielleicht das, was durch dieses Abkommen erreicht worden ist, schon vor einigen Jahren hätte erreicht werden können, daß wir schon damals nach dem Sturze Delcassés, als die französische Politik in ruhigere Bahnen eingelenkt war, ju einem ähnlichen Abkommen, zu einer ähn⸗ lichen Verst 8eg hätten gelangen können. Wir haben nun gerade, wenn wir von Marokko speeien auch sehr viele Vorwürfe hier hören müssen gegenüber unserer deutschen Diplomatie. Wir haben uns in der Budgetkommission eingehend darüber unterhalten. Ich glaube, daß die erhobenen Vorwürfe zu einem großen Teil nicht be⸗ Feündet waren, daß es zum Teil an einer Substantiierung eehlte; ich möchte darauf hinweisen, daß die Politik heut⸗ zutage doch nicht von den Vertretern der auswärtigen Missionen, sondern von der Zentralstelle aus gemacht wird. Wir können uns freuen, daß offenbar hier bei den Verhandlungen mit Frankreich zweifellos geschickte diplomatische Hände im Spiel gewesen sind. Wir haben in der öv. gesprochen über den diplomatischen Nachwuchs und dessen Ausbildung. Es ist davon gesprochen worden, daß bei der Auswahl des Nachwuchses der Adel sehr bevorzugt würde. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts hat sich bestrebt, diese Vorwürfe zu entkräften, und ich glaube auch, daß kein Grund vorliegt, an eine solche Bevorzugung zu glauben. Darüber war in der Kommission kein Zweifel, daß derjenige, der sich dem diplomatischen Dienst widmen will, über ein gewisses Maß eigenen Vermögens verfügen muß. Nun ist es doch noch nicht so lange her, daß Deutschland ein Industrie⸗ staat geworden ist, daß die reichen, besitzenden Stände der Adel waren. Darum konnte sich eben der Adel der diplomatischen Laufbahn vorzugsweise widmen. Das ist ja nun anders geworden, und wir haben Angehörige industrieller Familien im diplomatischen Dienst, was e künftig noch mehr der Fall sen wird. Man zählte zu dem Adel auch solche Mitglieder, die
päter noch nobilitiert wurden. Wer sich über eine Bevorzugung des Adels in der Diplomatie ausspricht, sollte sich eigentlich gegen diesen Usus des Nobilitierens aussprechen; man würde dabei vielleicht zu seinem Erstaunen die Bundesgenossenschaft des alten histo⸗ rischen Adels finden. Nachdem übrigens der Staatssekretär fest zu⸗ gesagt hat, daß der Adel keine Rolle spielen soll bei der Auswahl des diplomatischen Nachwuchses, sollte man diese Diskussion jetzt schließen. Ueber die Ausbildung der jungen Diplomaten hat der Staatssekretär ein Programm vorgelegt, das im allgemeinen die wustimmung der Kommission gefunden hat. Es kommt vor allen an, geeignete Persönlichkeiten, entschlossene keine blasierten Salonlöwen, die frühzeitig sich davon durchdringen lassen, daß sie bei fremden Staaten den eigenen Staat zu bertreten haben, nicht umgekehrt. Bei der bekannten Neigung der Deutschen, sich allzu leicht in fremde Verhältnisse hineinzufinden und Fremdem den Vorzug zu geben vor dem Eigenen, mag in dieser Beziehung viel gefehlt sein. Freilich muß der Nachwuchs über ein gewisses Maß von Kenntnissen verfügen, worauf der Staatssekretär mit Recht hingewiesen hat. Aber wenn durch die regelmäßige Freb.eheng das Auswärtige Amt, die der Staatssekretär in Aussicht gestellt hat, unsere Diplomaten recht fleißi arbeiten lernen, so ist das ein gewiß begrüßenswerter Vorzug. 18 kehre nun zu den Fragen der auswärtigen Politik selbst zurück. wir im März vorigen Jahres über die auswärtige Politik sprachen, konnte auch das schärfste Auge die dunklen Wolken noch nicht erspähen, die dem⸗ nächst im Orient heraufziehen sollten. Damals war allerdings ein neues, von England ausgehendes Reformprojekt bekannt geworden, und deshalb eine S Gefahr vorhanden, daß aus dem alten Brand⸗ herde möglicherweise wieder Flammen herausschlagen könnten. Aber wir wußten nicht, ob das englische Reformprojekt angenommen sei, oder ob ein anderes, russisches Annahme gefunden hätte. Während wir noch in Unsicherheit darüber waren, wurden wir überrascht durch die Revolution vom Juli 1908. Sie machte innerhalb 60 Jahren den vierten Versuch, die Türkei zu einem modernen Verfassungsstaat
ingen darauf Männer zu finden,
zu machen, und dieser Versuch unterschied sich von den früheren da⸗ durch, die Bewegung nicht vom Sultan oder Großwesir ausging, sondern von den Jungtürken, dabei aber auch keinen
Widerstand bei den Regierungen fand. Alles schwamm in Freu daß die Verfassung von 1876 wieder zur de schwe . Während die Reformprojekte der Mächte dadurch in den Hintergrund traten, während wir alle abwarteten, was aus jener neuen Bewegung in der Türkei wurde, wurden wir abermals überrascht durch die Annexion von Bosnien und der Herzegowina. Wir waren doch schon etwas darauf vorbereitet, daß Oesterreich aus der jahrelangen Zurück⸗ haltung wieder zu einer iven Politik zurückkehren werde, nach⸗ dem Freihrerr von Aehrenthal das Projekt der Sandschakbahn lanciert hatte. Die Annexion Bosniens brachte zwar keine Verschiebung in den realen Machtverhältnissen, beseitigte wohl aber — das Mürzsteger Abkommen und bedeutete einen Verstoß gegen den Wortlaut des Berliner Vertrages. Wie kam es aber, daß Oesterreich diesen Schritt tat, daß der 8” Kaiser Franz Joseph im Jahre seines 60. Regentenjubiläums ihn zu tun Fran war? Er mußte überzeugt sein, daß schwerwiegende Gründe vorlagen. Wenn die Türkei ein Verfassungsstaat geworden war, wenn die verschiedenen Provinzen eingeladen waren, Deputierte zu den parlamentarischen Versammlungen zu schicken, so mußte es sich fragen, wie es mit den politischen Rechten von Bosnien und der stand. Da mußte Oesterreich sich Bosnien und die eerzegowina eingliedern, um ihnen auch diese politischen Rechte zu verschaffen. Zweifellos wirkte hierbei auch der besondere Charakter der jungtürkischen Revolution mit. Der Geist der Neuordnung in der Türkei war doch nur halbmodern. Es war zugleich der alte Geist des Mohammedanismus. Das Bestreben 1” zweifellos ein “ nationalistisches und zentralistisches. Es besteht ausgesprochenermaßen bei den Führern der Bewegung der Wunsch, die verschiedenen Rassen und Sekten zu einer ein⸗ heitlichen Masse ottomanischer Untertanen zusammenzufassen. Auf der anderen Seite hatte dies Bestreben den Erfolg, daß die v“ der Rassen und Sekten wieder hervortrat. Es bestand zweifellos unter diesen Verhältnissen die Gefahr, daß eine Bewegung dieser Art nach Osten hinüberschlagen konnte, und es war durchaus ein Schritt der Selbsterhaltung, wenn sich Oesterreich⸗Ungarn die Früchte jahrzehntelangen Fleißes nicht aus der Hand reißen jassen wollte. Auch der Reichskanzler hat anerkannt, daß Oesterreich⸗Ungarn vollkommen berechtigt war, den Gedanken einer