1909 / 78 p. 11 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 01 Apr 1909 18:00:01 GMT) scan diff

schwieriger und seltener sein, Personen zu finden, die sich in gleicher Weise zur Lösung der politischen und wirtschaftlichen Probleme eignen.

Der zweite Punkt, gegen welchen sich die Bemängelungen unserer diplomatischen Persönlichkeiten richten, ist die allzu zahlreiche An⸗ nahme von Personen adligen Namens. Auch in dieser Beziehung habe ich mich in der Budgetkommission eingehend ausgesprochen, namentlich über das Verhältnis zwischen Adel und Bürger⸗ tum. Ich kann nur ganz kurz wiederholen, daß, wenn der Adel in der Diplomatie zu überwiegen scheint, nicht zu vergessen ist, daß ungefähr 40 % unseres diplomatischen Personals Familien angehören, welche noch vor wenigen Jahren bürgerlichen Namens waren. Ein Privileg des alten Adels besteht also tatsächlich nicht, wie der Herr Abg- von Putlitz schon sehr richtig gesagt und nach⸗ gewiesen hat.

Aber auch den rein bürgerlichen Namen sind die Pforten zur Diplomatie niemals verschlossen gewesen, und sie sollen ihnen auch ferner offen stehen, weit offen stehen. So lange ich die Ehre habe⸗ an der Spitze des Auswärtigen Amts zu stehen, werde ich zwischen Adel und Bürgertum keinen Unterschied machen. (Bravo! bei den Nationalliberalen.) Ich betrachte es nicht als meines Amtes, diesem oder jenem Stand zuliebe oder zuleide zu han⸗ deln, sondern ich sehe meine Aufgabe darin, Männer zu finden nicht Monokel⸗ oder Salonhelden —, Männer, die nach Persönlichkeit, nach Charakter, nach Begabung und Kennt⸗ nissen eine Gewähr dafür bieten, daß sie dem Vaterlande nützliche Dienste leisten. Wie sie heißen, ob es Prinzen, Grafen, Edelleute oder Bürgerleute sind, das gilt mir gleich. (Bravo!l links.) Melden sich in Zukunft mehr Leute aus dem Bürgerstande, welche die all⸗ gemeinen und die persönlichen Vorbedingungen erfüllen, so sind sie willkommen; die Auswahl im einzelnen muß selbstverständlich dem Herrn Reichskanzler vorbehalten bleiben.

Nun noch ein kurzes Wort über die finanziellen Erfordernisse. Es ist doch ganz selbstverständlich, daß namentlich in den ersten Jahren unsere jungen Diplomaten im Auslande in meist sehr teueren Hauptstädten eines gewissen Zuschusses be⸗ dürfen, wenn sie nicht ganz zur Seite stehen und auf die so notwendigen persönlichen Beziehungen verzichten wollen. Aber auch später in selbständigen Stellungen ist es bei der Bemessung unserer Gehälter kaum oder nur selten möglich, ohne Zuschüsse aus eigenen Mitteln auszukommen. (Sehr richtig! rechts.) Wir stellen in dieser Beziehung das möchte ich besonders betonen in keinem Falle eine Bedingung. Aber es läßt sich häufig nicht umgehen bei der Besetzung mancher Posten, daß wir auf die rein materielle Be⸗ fähigung sonst durchaus geeigneter Persönlichkeiten einige Rücksicht nehmen müssen. Das ist, wie ich durchaus anerkenne, ein durchaus unerwünschter, ja sogar bedenklicher Zustand, und wenn Sie zur Be⸗ seitigung die Hand bieten wollen, so kann ich das nur dankbar an⸗

men. eiterkeit.)

88 Sie werden es natürlich finden, daß die ge⸗ planten Aenderungen namentlich in den höheren Stellen sich mit der Zeit fühlbar machen, schon aus dem Grunde, weil wir auf ein vor⸗ handenes Personal doch Rücksicht nehmen müssen, ein Personal, das gerade in seinen jüngeren, jetzt in leitende Stellungen heranrückenden Elementen ganz besonders tüchtige, talentvolle und zukunftsreiche Kräste besitzt. Dieser Umstand hat uns schon kürzlich bei der Be⸗ setzung der zuletzt frei gewordenen Botschafterposten geleitet und wird uns auch künftighin leiten. Durch ängstliche Anclennitätsrücksichten werden wir unsere Wahl hierbei nicht beengen lassen; aber das vor⸗ handene Personal durch allzu zahlreiche Einschübe von Personen ohne diplomatische Schulung und Erfahrungen und Kenntnisse zu ent⸗ mutigen, hieße es demoralisieren. (Sehr richtig! rechts.) Denn ein jeder, der in treuer Pflichterfüllung eine Reihe von Dienstjahren hinter sich hat und seine Befähigung zu Höherem nachgewiesen hat, muß als moralischen Ansporn die Aussicht auf Weiterkommen haben. Das gilt in Deutschland nicht allein vom auswärtigen Dienst, fondern in allen Beamtenkategorien. Daß da, wo besondere und namentlich wirtschaftliche Interessen wahrzunehmen sind, auch Ausnahmen gemacht werden, zeigt die erst kürzlich erfolgte Besetzung zweier bedeutender diplomatischer Posten in Amerika mit Herren des Konsulardienstes, der überhaupt nicht durch eine unüber⸗ steigbare Scheidewand vom diplomatischen Dienst getrennt werden soll und tatsächlich auch niemals getrennt worden ist.

Ste sehen, meine Herren, es besteht nirgends ein Vorurteil und noch weniger das Bestreben, ein Privileg zu Gunsten irgend einer Gesellschaftsklasse zu schaffen. Ich kann nicht anders, als diese meine Grundsätze offen und erschöpfend darzulegen und die Hoffnung aus⸗ zusprechen, daß Sie das Vertrauen zu mir haben werden, daß ich diese Grundsätze auch fernerhin hochhalten und durchführen werde. (Bravol rechts und bei den Nationalliberalen.)

Aber eine Bitte möchte ich noch aussprechen, meine Herren: nicht jedem in irgend einem Organ der Presse auftauchenden Artikel, nicht jeder Anklage gegen unsere Diplomatie im allgemeinen oder gegen einzelne Vertreter ohne weiteres Glauben zu schenken. Diese Anklagen sind meist so allgemeiner Natur, sie beruhen meist auf so schwacher, auf so schiefer, auf so unrichtiger Unterlage, daß sie bei näherem Zusehen in sich selbst sich auflösen und nicht greifbar werden. Bedenken Sie, bitte, wie oft Unkenntnis der Ver⸗ hältnisse, wie oft persönliche Animosität, persönliche Empfindlichkeit sei es bei Mitgliedern der deutschen Kolonien im Auslande, sei es bei Fremden, mit im Spiele ist. Der Diplomat lebt an exponierter Stelle, und das Wunder, es jedem recht zu tun, kann auch er nicht vollbringen. .

Nun, meine Herren, ein ganz kurzes Wort noch über das Aus⸗ wärtige Amt. Hier ist der Rahmen zu eng geworden darüber kann kein Zweifel mehr bestehen. Vermehrung der Arbeitskräfte, Er⸗ weiterung der Formen ist unumgänglich. Vor allen Dingen muß auf Entlastung der oberen leitenden Stellen durch weitere Arbeitsteilung Bedacht genommen werden. Der Staatssekretär ist durch die Leitung, durch die Vertretung des Ganzen, durch den lebhaften Verkehr mit den Botschaftern und Gesandten, durch vielfache äußere Ver⸗ anlassungen übermäßig in Anspruch genommen, der Unterstaatssekretär durch die Leitung und Ueberwachung des inneren Dienstes in er⸗ drückender Weise belastet. Diese Anforderungen bringen es mit sich, daß gerade dem wichtigsten Teil der Aufgaben, den eigentlichen politischen Geschäften zu viel Zeit und Kraft entzogen wird, und es besteht dann die Gefahr, daß die eine Seite der Tätigkeit auf Kosten der anderen leidet. Wir haben uns bisher durch zeit⸗ weilige Einberufung älterer Gesandten zu helsen gesucht. Aber diese

Ausnahmsmaßregel ist und bleibt ein Notbehelf, der manche Uebelstände mit sich bringt, vor allen Dingen den, daß er an anderen Stellen Lücken erzeugt. Es müssen dauernde und feste Verhältnisse geschaffen werden, und zu diesem Zweck ist es nicht zu umgehen, eine neue Stelle zu schaffen, die Stelle eines Direktors der politischen Abteilung, oder zum mindesten einen der vortragenden Räte mit den Befugnissen eines Direktors auszustatten.

Aber auch in den übrigen Abteilungen des Auswärtigen Amts, namentlich in der Presseabteilung, hat sich das Bedürfnis nach Kräfte⸗ vermehrung längst fühlbar gemacht. Ich habe dem auch vor etwa einem Jahre Ausdruck gegeben. Wenn Sie nicht, wie das in Aussicht genommen war, bereits im diesjährigen Etat eine entsprechende Forderung finden, so erklärt sich das sehr einfach daraus, daß ich, sehr zu meinem Bedauern, schweren Herzens, lediglich mit Rücksicht auf die Finanzlage, zurzeit diese Forderung noch einmal zurückstellen mußte.

Im übrigen sind wir eifrig bestrebt, durch praktischere Einteilung des Geschäftsganges, durch Vereinfachung der Geschäftsformen und des ganzen Betriebes, durch reichliche Heranziehung aller modernen Hilfsmittel der Technik einen Ausgleich zu finden zwischen den vor⸗ handenen Arbeitskräften und der stets wachsenden Arbeitslast. Es liegt auf der Hand, daß die Umformung eines im ganzen bewährten, aber so umfangreichen und damit unübersichtlichen und vielleicht auch in einzelnen Teilen etwas schwerfällig gewordenen Behördenapparats in eine praktischere, einfachere Organisation keine ganz leichte Sache ist. Sie erfordert behutsames Vorgehen, denn mit ungestümem Be⸗ seitigen des Alten läuft man Gefahr, auch manches Gute in die Brüche gehen zu lassen, und vor allen Dingen entsteht die Gefahr, daß es auf Kosten des Grundsatzes der Genauigkeit und der Gründ⸗ lichkeit geschieht, deren Befolgung stets eine Zierde deutscher Behörden gewesen ist und bleiben soll.

Nun weiß ich wohl, meine Herren, ich gebe mir darüber vollständig Rechenschaft —, daß es mit Vermehrung der Arbeitskräfte, mit Erweiterung der Formen im Auswärtigen Amt so wenig getan ist wie mit neuen Vorschriften über Bildungegang und Prüfung der Diplomaten. Nicht mit der Schablone sind Dinge und Menschen zu gestalten und zu bemessen, nicht auf die Zahl der Räder und die Zu⸗ sammensetzung des Mechanismus kommt es an, so wichtig sie ist, sondern auf die lebendige Kraft, auf den schaffenden Geist, der das Getriebe bewegt. Ich bin mir der ernsten und schweren Pflicht, diesen Geist zu erfassen und in ihm zu wirken, wohl bewußt. Ich bin aber auch der verständnisvollen Hilfe meiner Mitarbeiter und Untergebenen gewiß und ich hege die Zuversicht, daß das Auswärtige Amt das kostbare Vermächtnis einer ruhmvollen Zeit und das teure Erbe des größten deutschen Staatsmannes zu wahren wissen wird. (Lebhaftes Bravo! rechts.)

Abg. Stadthagen (Soz.) begründet den Antrag seiner Fraktion⸗ Systematisch werden Tausende und Hunderttausende von Arbeitern durch ministerielle Anordnungen geschädigt, insofern als unter Ver⸗ letzung der vom Reiche geschlossenen Staarsverträge von ausländischen Arbeitern die Beschaffung entgeltlicher Legitimationskarten verlangt und ausländischen Arbeitern die Ausweisung angedroht wird, falls sie solche Legitimationskarten nicht besitzen. Die ursprünglich nur auf die aus dem Osten kommenden Arbeiter angewendete Maßregel

sei inzwischen auf alle ausländischen Arbeiter ausgedehnt worden;

sie müßten 2 bis 5 für eine Legitimationskarte entrichten. Die Androhung mit der Ausweisung sei ein direkter Bruch der ab⸗ geschlossenen Staatsverträge. Eiazelne Staaten seien dagegen vorstellig geworden, z. B. Italien und die Schweiz, die auf ihren Nieder⸗ lassungsvertrag hingewiesen haben. Die ministeriellen Anordnungen dürfen bestehende Staats⸗ oder Handelsverträge nicht ohne weiteres außer Kraft setzen, sie Fniac deln⸗ Dabei sei es erforderlich, daß der Reichskanzler darauf dringe, daß eine solche widerrecht⸗ liche Anordnung beseitigt wird. Den Vorteil davon haben lediglich Private, Menschenhändlerinstitute, die Feldarbeiterzentrale, der die 5 zufallen, im ganzen 2 ½ Millionen jähr⸗ lich, durch diesen widerrechtlichen ederstrich des preußischen Ministers des Innern. Die Erhebung solcher Gebühren stehe im Widerspruch mit dem deutschen Paßgesetz und dem Sinne der Reichs⸗ verfassung, die Gleichheit vor dem Gesetz garantiere für Arbeiter und Arbeitgeber. Wie kommt der preußische Minister dazu, die Fremdenpolizei, die Reichssache sei, sich anzumaßen? Auch die Aus⸗ weisungen widersprechen dem Reichsgesetz, das die Ausweisung von einem gerichtlichen Urteil abhängig macht. Auch die Staatsverträge

verbieten ausdrücklich solche Ausweisungen, die betreffenden Staaten haben das Recht der Meistbegünstigung und das Recht, zu verlangen, daß ihre Angehörigen, wenn sie nicht egen die Reichsgesetze verstoßen, nicht ausgewiesen werden.

aas Jesultengesetz habe ausdrücklich das Recht der Ausweisung für den Geltungsbereich dieses Gesetzes festgestellt, was nicht not⸗ wendig gewesen wäre, wenn das Recht der Ausweisung dem Staate ohne weiteres zugestanden hätte. Die Anordnung des preußischen Ministers sei eine Anreizung zum Kontraktbruch infolge der Verträge, die die Arbeitgeber mit den ausländischen Arbeitern schließen. Diese Rechtsverletzung müsse dahin führen, daß die Deutschen im Auslande ebenfalls schlecht behandelt werden. Der preußische Minister verfolge den Zweck, Streikbrecher und Lohndrücker für Landwirtschaft und Industrie ins Land zu bringen. Der preußische Arbeitsminister habe ausdrücklich angeordnet, daß für öffentliche Bauten in erster Linie ausländische Arbeiter be⸗ nutzt werden. Diese Verdrängung deutscher Arbeiter durch aus⸗ ländische Arbeiter habe auch in Hohenfinow stattgefunden, wo Leute, die 20 Jahre lang gedient haben, durch eine Anzahl Russen ersetzt wurden. Man möge es nicht dahin kommen lassen, daß man an⸗ nehme, daß die Staatsverträge lediglich den Ausbeutern dienen.

Direktor im Auswärtigen Amt, Wirklicher Geheimer Rat Dr. von Frantzius führt aus, daß der Hinweis auf die Handels⸗ verträge in diesem Falle nicht stichhaltig sei, weil in diesen ausdrück⸗ lich hinsichtlich der Fremdenpolizei den vertragschließenden Ländern Selbständigkeit gewährt werde.

Abg. Dr. Arning (nl.): In beꝛug auf den Vergleich unserer Konsularbeamten mit dhee a e. Konsuln hat der Staatssekretär meinen Freund Stresemann mißverstanden. Der Abg. Gans Edler Herr zu Putlitz hat in seiner Erwiderung auf die Bemerkung des Abg. Stresemann bezüglich des Adels in der diplomatischen Karriere die Bemerkung ganz übersehen, daß eine Menge Nobilitierungen er⸗ folgt sind, durch die doch wenigstens der Anschein erweckt wurde, als sei der bürgerliche Name dem weiteren Avancement der Bürgerlichen hinderlich. Der Redner erörtert dann die Frage der Beschränkung der Handelsfreiheit auf dem Congo und mit dem Congostaat durch die Inanspruchnahme der Congomündung seitens Portugals. Auf dem Congo müßte absolute Handels⸗ und Schiffahrtsfreihelt gesichert werden. Bei der Vergebung seiner Monopole habe der Congostaat auch sonst den Grundsatz: „Gleiches Recht für alle“ nicht gewahrt.

Gewissen Landgesellschaften sei ein sehr harter Betriebszwang auf⸗ erlegt worden.

Abg. Graf von Kanitz sgkonch; Es unterliegt leider keinem Zweifel, daß der französische Zolltarif, obwohl er in seinen meisten Positionen schon höher ist als der deutsche, ganz beträchtlich erhöht werden wird, bis zu 150 % der jetzigen Sätze. Die Erhöhung trifft hauptsäch⸗ lich solche Artikel, die für die deutsche Ausfuhr von Bedeutung sind. Ich will nur kurz erwähnen, 1 sich in der Hauptsache um Textilwaren, chemische Fabrikate und Maschinen handelt. Wir sind

über Arbeitgeber

rankreich gegenüber in einer sehr ühlen Lage. Andere⸗ äänder haben bereits Gegenmaßregeln in Aussicht gestellt, so Belgien eine Erhöhung des Weizenzolles; eine ähnliche

Drohung soll von England ausgegangen sein. Wir sind nicht in der Lage, von folchen Maßnahmen Gebrauch zu machen, da wir unsere wichtigsten Zollsätze für eine ganze Reihe von Jahren gebunden haben und nach dem Frankfurter Frieden verpflichtet sind zur Gewährun der Meistbegünstigung an Frankreich. Dies hat schon bis jetzt dadur gute Geschäfte gemacht. Ich will nur an die HeenhGe unserer deutschen Weinzölle erinnern. Die Regierung muß deehalb dahin wirken, daß sich die französischen Zollerhöhungen in mäßigen Grenzen alten; ob man französischerseits darauf eingehen wird, steht allerdings dahin. Ich habe seinerzeit schon darauf aufmerksam gemacht, in eine wie üble Lage wir Frankreich gegenüber durch die Bindung unserer Zölle geraten können. Das Handelsprovisorium mit Pmerika von 1907 ist gewiß eine dankenswerte Errungenschaft unserer Regierung. Es soll die amerikanischen Wertzölle in vernünftigen Grenzen halten. Die Amerikaner sind nach diesem Abkommen verpflichtet, die Taxen der deutschen Handelskammern über den Wert der von Deutschland ausgeführten Waren als taugliches Beweismaterial . zu lassen. Damit sind aber die amerikanischen Industriellen in keiner Weise zu⸗ frieden, sie behaupteten von vornherein, das ganze Handelsprovisorium sei ungültig, weil es ohne Anhörung des Kongresses beschlossen sei. Man verlangte die Aufhebung, und jetzt soll in dem revidierten amerikanischen Zolltarif eine Bestimmung enthalten sein, die das Provisorium nicht dem Wortlaut nach, aber tatsächlich aufhebt. Es sollen nämlich die Vereinigten Staaten für die Abschätzung des Wertes der Waren maßgebend sein. Uebrigens kann das Provisorium auch sonst leicht beseitigt werden, da es mit sechsmonatiger Frist zum 1. Julit oder zum 1. Januar gekündigt werden kann. Daß die Abschaffung dieses Handelsprovisoriums der eigentliche Zweck der Tarifrevision mit ihrer scheinbaren Tarifermäßigung ist, wird auch von der amerika⸗ nischen Presse zugegeben. Nun befinden wir uns leider auch Amerika Penat. in sehr übler Lage, denn wir haben ihm unseren ganzen

ertragstarif eingeraumt dusch das Abkommen von 1907. Wird letzteres von amerikanischer Seite gekündigt, so können wir den Amerikanern auch unserseits die Vergünstigung entziehen, aber welche Fölger das haben wird, brauche ich nicht auseinanderzusetzen. Ich aasse die Sachlage so auf, daß wir den bevorstehenden amerikanischen Zollerhöhungen ziemlich wehrlos gegenüberstehen. Sollte der Staats⸗ sekretär in der Lage sein, über den Weg, den er einzuschlagen gedenkt, sich auszusprechen, so würden wir ihm sehr dankbar sein.

Staatssekretär des Auswärtigen Amts Freiherr von Schoen:

Meine Herren! Ich möchte nur kurz zur Kongofrage einige Worte sagen. Unsere Rechte und Ansprüche gegenüber dem ehemaligen Kongostaat sind auch nach dessen Uebergang an Belgien gegenüber dem neuen Besitzer vollkommen gewahrt. Als uns die belgische Regierung von dem Uebergang der souveränen Gewalt des Kongo⸗ staates an Belgien Mitteilung machte, haben wir mit einer Note geantwortet, mittels derer wir Kenntnis genommen haben von der uns mitgeteilten Tatsache.

Wir haben in der Antwort ferner zum Ausdruck gebracht, daß wir die Zustände im bisherigen Kongostaat nicht in allen Punkten hätten billigen können, daß wir jedoch das Vertrauen zu Belgien hätten, es werde für eine Abstellung dieser Mißstände sorgen.

Im übrigen beruht die Fortdauer unserer Rechte auch auf den allgemeinen völkerrechtlichen Grundsätzen. Es lag kein Grund für uns vor, zu bezweifeln, daß der neue Besitzer, Belgien, die bestehenden Verträge nicht genau innehalten werde. Wir brauchten also nicht Belgien gegenüber Mißtrauen dadurch zu bekunden, daß wir eine ausdrückliche Erklärung von ihm verlangten, es werde die Verträge beobachten. Das hindert natürlich nicht, daß wir der Beobachtung der Verträge durch den neuen Besitzer unsere Aufmerksamkeit zuwenden und daß wir gegebenenfalls gegen eine Ver⸗ letzung derselben Maßregeln ergreifen können. Der Herr Abg. Dr. Arning hat schon daran erinnert, daß ich in der Kommission gesagt habe, es wäre billig, Belgien noch etwas Zeit zu lassen, damit es sich mit den neuen Verhältnissen zunächst einmal vertraut machen und in denselben zurecht finden kann. Ich glaube, daß das auch heute noch richtig ist, und wir noch einige Zeit dahin gehen lassen müssen, um zu sehen, ob Belgien, das zweifellos den guten Willen hat, mit Reformen in seinem neuen Besitz einzusetzen, auch dazu gelangt, die⸗ selben durchzuführen. Sollte das nicht der Fall sein, was an⸗

zunehmen wir aber durchaus keinen Grund haben, so werden wir sehen, was zu machen ist.

Abg. von Oertzen (Rp.) tritt den Ausfübrungen des Abg. Stadt⸗ hagen entgegen. Bhese habe sich, wie auch beztolich der ländlichen Arbeitgeber in Superlativen ergangen. Was die Freiheit der Einwanderung betrifft, so gehe in der Beschränkang derselben das freie Land Amerika viel weiter als Preußen. Der Mangel an Ar⸗ beitern habe die Arbeitgeber gezwungen, ausländische Arbeiter heran⸗ zuziehen, denen das Reisegeld zur Verfügung gestellt würde. Die Leute hätten vielfach das Reisegeld genommen, wären dann aber aus dem Dienst gelaufen und hätten überall anderswo bei dem großen Arbeitermangel leicht Aufnahme gefunden. Es nütze nichts, die dagegen in Anspruch zu nehmen. Da habe ein gewisser v. geschaffen werden müssen. Da inländische Arbeiter nicht zu finden seien (Zurufe links), auch nicht in Berlin, denn von da kämen sie entweder nicht, oder sie seien äußerlich und körperlich nicht imstande, Landarbeit zu ver⸗ richten, litten auch mehr als gut an Durst, nähmen die Arbeitgeber die Vermittlung der Feldarbeiterzentrale in Anspruch. Die Sozial⸗ demokraten hätten ja keine Kenntnis von den wirklichen Zuständen auf dem Lande. So habe neulich der Abg. Zubeil eine Mordsgeschichte von den Gütern des früheren Ministers von Podbielski erzählt, die als durchaus entstellt und unrichtig erwiesen worden sei. Die betreffenden Galizier seien unter Kontraktbruch nach Berlin gegangen. Auf Vorstel⸗ lung des österreichischen Konsuls seien sie nach Dalmin zurückgekehrt. und Podbielskt habe von den 19 Mann 16 wieder angenommen, nur die drei Rädelsführer nicht. Auch der Abg. Stadthagen werde offenbar in den meisten Fällen getäuscht, so ihm solche Geschichten

interbracht würden; er Ult Hetzreden nicht halten, das Verhältnis see 09 algis gebern und Arbeitern werde dadurch nicht gebessert. Das

G der ds elgeben 69 bemüht, ältnis zu stehen, und sei froh, für guten 2. . kommen. (Vizepräͤsident Kae 8 vf heni ohn Hat⸗gachete e rede“ als nicht parlamentarisch.) Ich glaube, die Herren haben mir

mit den Arbeitern in gutem Ver⸗

das Wort nicht übel genommen.

giefiseg Dr. Dahlem (Zentr.) fragt, ob der Wortlaut des portu⸗

andelsvertrages bald publiziert w Ae deutschen Winzer sei das von großer 89. Aühr herden wird; für

Sch b1“ des Auswärtigen Amts Freiherr von

Ich beeile mich, auf die Frage des Herrn Abgeordneten zu ant⸗ worten, daß der Handelsvertrag mit Portugal in der Tat abgeschlossen ist (hört! hört!), daß er zurzeit dem Bundesrat vorliegt, welcher die Absicht hat, ihn so rasch wie möglich zu erledigen. Ich glaube aber kaum, daß es vor den Osterferien noch möglich sein wird (Heiterkeit) nehme jedoch an, daß er, sobald er die Zustimmung des Bundes t6 erhalten, dem Reichstage vorgelegt werden wirrdd. se