Deutscher Reichstag. 39. Sitzung vom 18. Februar 1910, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Nach der namentlichen Abstimmung über den Antrag des Zentrums, betreffend Beseitigung der Beschränkungen der religiösen Freiheit, und die dazu von den Sozialdemokraten be⸗ antragten Zusätze, worüber in der vefrigen Nummer d. Bl. berichtet worden ist, tritt das Haus in die Spezialberatung des Etats des Reichsamts des Innern ein.
Die in den letzten Tagen bei den einzelnen Gesetzen erörterten
sowie in der Reichsversicherungsordnung enthaltenen Stoffe werden in den Verhandlungen nicht berührt werden.
Die Debatte wird eröffnet über den ersten Titel des Ordinariums der Ausgaben „Staatssekretär“. Zu diesem Titel sind nicht weniger als 33 Resolutionen eingebracht.
Abg. Dr. Mayer⸗Kaufbeuren (Zentr.): Die Entwicklung der Stellung Deutschlands auf dem Weltmarkt zeugt von einer erstaun⸗ lichen Produktions⸗ und Konsumkraft des Peangen Reichs. Unsere Gesamthandelsbilanz ist stark und steigend passiv; trotzdem hat unsere Zahlungsbilanz sich in den letzten Jahren weiter gebessert. Auch unsere Landwirtschaft hat 1909 weitere Fortschritte gemacht in dem Bestreben, den Inlandskonsum au durch die Inlandsproduktion zu decken. Sehr bedauerlich bleibt unsere Abhängigkeit vom Aus⸗ lande in bezug auf Baumwolle. Ein ganz gefährliches Kapitel ist auch die Abhängigkeit vom amerikanischen eetroleum; die neuesten Machinationen des Petroleumwelttrusts gehen dahin, auch die letzte freie Petroleumproduktion, nämlich die österreichisch⸗galizische, sich untertänig zu machen. Auch die Eisenproduktion reicht noch nicht aus, uns vom Auslande unabhängig zu machen, im Gegenteil steigert sich mit jedem Jahr der Bezug Beütschlands an Eisenerzen vom Aus⸗ land, und wir werden in zunehmendem Maße von Schweden abhängig. Die schwedische Regierung hat die sogenannten A⸗Erze, also die besten, von der Ausfuhr ausgeschlossen; wie deckt sich diese Maß⸗ nahme mit dem schwedis dn Vondeghertras⸗ Es scheint, als ob man in Schweden auf Ausfuhrzölle hinsteuert. In Sberschlesien wird die Schleuderpolitik der deutschen Rohstoff, und Halbzeugkartelle nach dem Auslande ruhis fortbetrieben, was eine BAachte Nigung der inländischen verbrauchenden Industrien und eine Ver chärfung der ausländischen Konkurrenz zur Folge hat. In Frankreich, wo man jetzt mit der Revision des Zolltarifs beschäftigt ist, geht man damit um, die Länder, die eine solche Schleuder⸗ politik zulassen, durch Zollverschärfungen noch extra zu bestrafen. Deutschland besitzt im Auslande wenig Handelssachverständige, ab⸗ gesehen von den konsuln. Es sollten deren mehr angestellt und ent⸗ sendet werden; jedenfalls muß man auf diesem Wege rascher weiter⸗ gehen. Das Jahr 1910 steht wieder im Zeichen aufsteigender wirt⸗ shefstiicher Entwicklung nach zweijähriger Depression. Im allgemeinen ist der Fortschritt in Deutschland ein langsamer, stetiger und gesunder, mit einziger Ausnahme der Börse, die wieder der überheizte Dampf⸗ kessel geworden ist, als welchen sie Ballin vor drei Jahren bezeichnete. Die Bedenken, die wir gegen das neue Börsengesetz gehabt und ge⸗
äußert haben, sind durch die Erfahrungen nur bestätigt worden. Immerhin konnte die Plazierung der neuen großen Anleihe des Reiches und Preußens zu günstigeren Bedingungen als
früher erfolgen;
f aber dazu war notwendig, daß in den Reichs⸗ finanzen Ordnung
geschaffen wurde. Die Industrie hat sich en in vorsichtiger Reserve vorwärts bewegt, mit Ausnahme berschlesiens, wo die Kohlenproduktion übermäßig ausgedehnt wurde. Wir haben schon vor 2 Jahren eine informatorische Reichsaufsicht über die Kartelle und Trusts verlangt; unser An⸗ trag ist damals angenommen worden und liegt heute in Form einer Resolution wieder vor. In Oesterreich ist ein ganz ähn⸗ licher Antrag 1908 zur Annahme gelangt; der frühere Präsident Roosevelt hat sich etwa auf denselben Standpunkt gestellt, und Taft ist ihm darin nachgefolgt. Manches ist ja seitdem geschehen, was im Geiste unseres damaligen Beschlusses liegt; die preußische Regierung hat im Oktober 1908 die Ausnahmetarife für Kohlen 509 dem Westen aufgehoben, was dem Kohlensyndikat sehr unangenehm war. In dieselbe Kerbe hat die Marineverwaltung gehauen, indem sie das Kohlensyndikat zu einer Ermäßigung der Preise zwang. Dadurch ist dem Reichsfiskus und dem Steuerzahler im Reiche ein hübsches Sümmchen gesvart. Bisher war der Fiskus in seiner Kohlen⸗ politik sehr unglücklich, jetzt hat er endlich eine richtige Kohlenpolitik eingeschlagen, und ich möchte nur wünschen, daß er zukünftig noch fräͤher vorgeht. Es hat im vorigen Jahre eine Konferenz in Düsseldorf stattgefunden, die sich mit den Verhältnissen der Siegener und Sauerländer Eisenindustrie beschäftigte. Vielleicht ist der Staatssekretär in der Lage, uns darüber eine Auskunft zu eeben. Die Standard⸗Oil⸗Company schließt mit den Detaillisten Verträge ab, die auch gegen die gute Sitte verstoßen. Das ist doch im höchsten Grade bederglich. Ich möchte die Aufmerksamkeit der Regierung auch auf das Hefesyndikat hinlenken, das durch seine Preis⸗ bildung in der Lage ist, die Brotpreise zu beeinflussen. Auf die Frage der Schiffahrtsabgaben gehe ich nicht näher ein. Ich will nur sagen, daß der größte Teil meiner Freunde lebhaft wünscht daß der Bundesrat nicht durch Ueberstimmung der übrigen Bundesstaaten, sondern durch eine Einigung möglichst bald eine Lösung dieser Frage herbeiführt. Leider hat die Regierung die von uns vorgeschlagene Mühlenumsatzsteuer abgelehnt. Vielleicht könnte sie durch eine Differenzierung von Mehl und Getreide eine Besserung herbeiführen. Der neue Hansabund hat Statuten aufgestellt, mit denen eigentlich jeder einverstanden sein kann, sie enthalten aber nichts über die Zollpolitit, die Sozialpolitik, den Schutz des Hand⸗ werks usw. Da muß man sich fragen, welche Existenzberechtigung er neben den anderen Verbänden hat. Niemand wird etwas Unbilliges darin finden, wenn Handel und Industrie in unparteiischer
sich zusammenfinden. Aber zwischen dem kaufmännischen Mittel⸗ stand und dem Großhandel bestehen Interessengegensätze. 8
Handwerker und kleine Kaufleute gehören ni E von Großkaufleuten. zahlreiche Vertretungen von Handwerkern und kleinen Kauf⸗ leuten ihre Mitglieder vor dem Beitritt zum Hansabund gewarnt. Unsere Stellung zum Hansabund ist eine zum Teil ablehnende, zum Teil abwartende. Neuerdings hat der hesern ein Flugblatt über
in eine Deshalb haben auch
die wirtschaftlichen Ziele des Zentrums erlassen. Unsere Wirtschafts⸗ politik haben wir zugunsten aller Erwerbsstände getrieben, bevor es einen Hansabund gab. Diese Politik werden wir weiter treiben, neben oder gegen den Hansabund.
Stellvertreter des Reichskanzlers, Staatssekretär des Innern Delbrück: —
Meine Herren! Der verehrte Herr Vorredner hat an mich eine Reihe von einzelnen Fragen gerichtet. Ich habe nicht die Absicht, diese Fragen jetzt zu beantworten; ich hoffe, daß es mir gelingen wird, das im Zusammenhang mit verwandten Materien zu tun, die wahr⸗ scheinlich hier im Laufe der Debatte zum Gegenstand der Erörterung werden gemacht werden. Aber ich werde bei der Beantwortung dieser Detailfragen in diesem Jahre Ihre Nachsicht in gewissen Grenzen in
Anspruch nehmen müssen. Die Zeit meiner Amtsführung ist zu kurz, und das Maß der wichtigen Geschäfte, das mich in den letzten Monaten
in Anspruch genommen hat, ist zu groß gewesen, als daß ich alle Einzelfragen so hätte durcharbeiten können, daß ich sie in diesem Jahre so beantworten könnte, wie ich sie hoffe im nächsten Jahre beantworten zu können. Um so mehr aber, meine Herren, möchte ich Sie bitten, mir einige allgemeine Bemerkungen über die Aufgaben meiner Ressorts und über die Ziele der Politik zu gestatten, die ich hier zu vertreten habe.
Weise
Meine Herren, es liegt nicht in meiner Absicht, ein Programm zu entwickeln, eines solchen bedarf es nicht. Aus einem sehr einfachen Grunde: die Ziele, die das Reichsamt des Innern in jahrzehntelanger Konsequenz verfolgt hat und weiter verfolgen muß, liegen für jeder⸗ mann klar zu Tage, und die Bahnen, auf denen zu diesen Zielen ge⸗ strebt werden muß, sind im allgemeinen so fest abgesteckt, daß kein Staatsmann, er möchte einer Partei angehören, welcher er wolle, von dieser Stelle aus ungestraft den Versuch machen könnte, aus diesen Bahnen auszubrechen.
Aber, meine Herren, trotzdem ist es vielleicht nicht unzweckmäßig, wenn in dem Augenblicke, wo ein neuer Mann an dieser Stelle zum ersten Male seinen Etat zu vertreten hat, kurz die Frage: woher und wohin der Fahrt? mit wenigen Sätzen erörtert wird.
Vielleicht ist es auch zweckmäßig, einige allgemeine Betrachtungen in unsere Debatte einzuknüpfen, weil es in der Natur der Sache liegt, daß bei der Fülle politischer und gesetzgeberischer Details, die uns belastet, in den Kämpfen über diese Einzelheiten leicht der Blick von den allgemeinen Zielen abgelenkt wird, die uns alle, die verbündeten Regierungen und die Mehrzahl dieses hohen Hauses, nicht trennen, sondern verbinden. .
Meine Herren, ich bitte bei der Frage: „woher der Fahrt?“ mit wenigen Worten etwas weiter ausholen zu dürfen. Mit der Er⸗ richtung des Deutschen Reichs hat für Deutschland eine Periode ihren Abschluß gefunden, die ausgefüllt war mit Kämpfen um politische Ideale, und ihr ist eine Periode wirtschaftlicher Kämpfe gefolgt. An die Stelle eines hochgespannten politischen und wirtschaftlichen Individualismus ist ein ausgeprägt sozialistischer Zug, ein Zug zur Konzentration aller wirtschaftlichen Kräfte, ein Streben nach Konzentration der Massen zur gemeinschaftlichen Verfolgung ihrer wirtschaftlichen Ziele getreten. Und der sozialistische Zug unserer Zeit ist so stark gewesen, daß er nicht nur unserer politischen und unserer wirtschaftlichen Ent⸗ wicklung innerhalb der letzten Jahrzehnte, sondern auch unserer wissen⸗ schaftlichen, ethischen und ästhetischen Entwicklung das charakteristische Gepräge gegeben hat.
Meine Herren, man wird, wenn man dem Grunde der Dinge nachgeht, sagen können, daß zwei Momente für die Orientierung unserer inneren Politik innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte be⸗ stimmend gewesen sind: die extensive Entwicklung von Handel und Industrie sowie die völlige Veränderung unserer internationalen und nationalen Verkehrsverhältnisse. Die Umwälzungen, die sich auf diesen Gebieten vollzogen haben und noch vollziehen, sind so tiefgreifend, daß beinahe kein Gebiet unseres Volkslebens, kein Gebiet unseres Wirt⸗ schaftslebens davon unberührt geblieben ist. Und die Wirkungen auf den anderen Gebieten sind so stark gewesen, daß in der Gesetzgebung nicht Handel und Industrie, sondern ganz andere Fragen durch Jahr⸗ zehnte hindurch dominiert haben.
Zuerst meldete sich als Konsequenz unserer zunehmenden industriellen Entwicklung die soziale Frage. Die Kämpfe zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die Sorge für die wirtschaftliche und soziale Selbständigkeit, für die Hebung unseres Arbeiterstandes haben in weitem Umfange durch Jahrzehnte die Gesetzgebung des Reichs beherrscht. Die Erfolge, die wir auf diesem Gebiete zu ver⸗ zeichnen haben, mögen groß sein, abgeschlossen ist diese Entwicklung noch nicht.
Die zunehmende Industrialisierung mit ihren tiefgreifenden Folgen für die Entwicklung des Arbeitsmarktes ist aber auch an anderen Zweigen unseres Volkslebens nicht spurlos vorübergegangen, und sie hat besonders stark in die Verhältnisse unseres zweiten großen Er⸗ werbsstandes, in die Verhältnisse der Landwirte, eingegriffen. Die Dinge, die sich dort vollzogen haben, sind nicht allein veranlaßt durch Arbeits⸗ und Lohnfragen; die Lohn⸗ und Arbeitsschwierigkeiten auf dem Gebiete der Landwirtschaft sind nur ein Inzidenzpunkt unserer landwirtschaftlichen Entwicklung gewesen. Die Schwierig⸗ keiten nahmen dort ihren Anfang in der völligen Veränderung unserer Marktverhältnisse, infolge der Entwicklung unseres einheimischen und auswärtigen Eisenbahnwesens und in der gewaltigen Entwicklung der Schiffahrt, die in der Preisbildung unserer landwirtschaftlichen Produkte eine so starke Verschiebung brachte, daß viele landwirt⸗ schaftliche Existenzen, große und kleine, allein dadurch an den Rand des Verderbens gebracht wurden. (Sehr richtig! rechts.) Diese aus der Weltkonjunktur sich ergebenden Schwierigkeiten wurden noch weiter verschärft dadurch, daß sie einen großen Teil unserer Land⸗
wirtschaft, und zwar unserer östlichen Landwirtschaft, in einem Augenblick trafen, wo dort die Naturalwirtschaft mit der Geldwirtschaft noch im Kampfe lag (sehr richtig! rechts),
und infolgedessen das kaufmännische Rüstzeug, das der Landwirt heute braucht und über das er heute verfügt, den Wenigsten zu Gebote stand. Auch die Sorge für die Landwirtschaft hat reichlich und nach⸗ haltig die Gesetzgebung der letzten Jahrzehnte, und wir können wohl sagen, nicht ohne Erfolg ausgefüllt.
Am verderblichsten und für den Volkswirt und Gesetzgeber am unbequemsten hat aber die Industrialisierung und Entwicklung unseres Handels zum Großen eingewirkt auf diejenigen Schichten, die von rechts und links angegriffen wurden, auf den sogenannten Mittelstand. Ich verstehe darunter den selbständigen, gewerblichen Mittelstand, an dessen Erhaltung jedem Staate und jedem ernsten Politiker viel gelegen sein muß. (Lebhaftes sehr richtig!) Infolgedessen hat die Mittelstandspolitik uns bisher in diesem Hause ebenso wie in den Parlamenten der Einzelstaaten ernsthaft beschäftigt, und sie wird uns noch manche, ich bin mir darüber klar, schwierige und schwer lösbare Aufgaben bieten, weil wir hier nicht in der glücklichen Lage sind,
einer neuen kraftvollen Entwicklung die Bahn frei zu machen, sondern weil wir hier genötigt sind, einem bestehenden Berufsstand, der von rechts und links in seiner Existenz
bedroht ist, den Uebergang in neue Verhältnisse zu ermöglichen. In dieser Sprödigkeit der Materie liegen die Schwierigkeiten, die speziell die Mittelstandspolitik Ihnen und den verbündeten Regierungen ge⸗ boten hat und auch weiterhin bieten wird.
Daneben haben uns naturgemäß unsere wachsende Industrie, die handelspolitischen Bedürfnisse unserer Industrie bestimmte Richtlinien unserer Zoll⸗ und Handelspolitik gegeben, und ich möchte das jetzt schon betonen, wir wollen nicht vergessen, daß für die Handelspolitik, auf deren Höhepunkt wir jetzt stehen, nicht in erster Linie die Interessen der Landwirtschaft, sondern die Interessen der Industrie den Anstoß und die Richtlinien gegeben haben. (Sehr wahr! rechts.)
Nun, meine Herren, 25 Jahre lang beschäftigt sich das deutsche Volk, beschäftigt sich der Reichstag, und beschäftigen sich die ver⸗
bündeten Regierungen mit diesen Fragen. Man wäre wohl berechtigt die Frage aufzuwerfen, sind denn nun auf diesem Gebiete die Auf⸗ gaben nicht abgeschlossen, sind nicht neue, wichtigere und größere Auf⸗ gaben aus den Verhältnissen heraus hervorgewachsen, die uns in nächster Zeit in Anspruch nehmen werden? Gewiß, meine Herren, 25 Jahre sind eine lange Zeit, und in 25 Jahren intensiver und steter Arbeit verschiebt sich vieles in den Aufgaben, die ein großes Volk beschäftigen, aber so wie die Dinge heute liegen, kann man nicht fagen, daß auf irgend einem dieser Gr⸗ biete wir in der Lage wären, die Waffen niederzulegen und zu sagen, wir haben genug getan. Wohl liegen schon in der Entwicklung, welche die Dinge genommen haben, die Ansätze zu neuen Problemen⸗ die uns im Laufe der Jahre mit wachsendem Druck in Anspruch nehmen werden, aber ich habe die Ueberzeugung, die Aufgaben, wie ich sie eben charakterisiert habe, werden jedem Staatsmann, der an meiner Stelle steht, im Laufe der nächsten Zeit mit unwiderstehlicher Gewalt festhalten und nötigen, an ihnen zu arbeiten.
Meine Herren, von all den Problemen, die ich hier eben 9 sprochen habe, hat keines eine so gewaltige Stoßkraft entwickelt a das, was wir gemeinhin in dem Worte „Sozialpolitik“ zusammen⸗ fassen. Das hat seinen Grund nicht allein darin, daß die un⸗ mittelbar beteiligten Klassen, die Arbeiter, es verstanden 8 sich innerhalb und außerhalb dieses Hauses eine entschlossene un wirkungsvolle Vertretung zu schaffen; das liegt nicht allein darin, bct über die Kreise der Arbeiter hinaus große Parteien dieses Hause jenen Fragen ein besonderes und andauerndes Interesse entgegengebun⸗ haben; sondern das liegt darin, daß das deutsche Volk in diese sosia 6 Fragen eigentlich die Summe seines ganzen Idealismus hineingeleg hat. Nicht allein der Gesetzgeber, nicht allein der Politiker be schäftigt sich augenblicklich in Deutschland mit sozialen Fragen; sondern der soziale Zug, von dem ich vorhin gesprochen habe, er ge durch unsere Wissenschaft, er geht durch unsere Literatur, er 9 durch unsere schöne Literatur, und selbst die Werke unserer bildenee Kunst sind nicht frei von einem gewissen sozialen Zug. Dieser son Zug durchdringt unser ganzes bürgerliches Leben, bis zu der nn bizarren Form, in der wir heutzutage gewöhnt sind, unsere Wohl
— — ie tätigkeit zu üben: überall finden wir denselben Drang, sich 8 man es etwas trivial auszudrücken pflegt — sozial zn A tätigen. So lange diese Grundauffassung das deutsche 2
in diesen bewegt, so lange das deutsche Volk seinen Idealismus in diese
Fragen konzentriert, wird niemand daran denken können, unsen Sozialpolitik andere Richtlinien und ein wesentlich anderes Ge zu geben, als sie es heute hat. Allerdings wird man sich 1 müssen: haben die Mittel, die wir aufgewandt haben, denn 85 die Erfolge gezeitigt, die wir uns wünschen konnten? Werdeh nicht im Laufe der Zeit auch diese Fragen von anderen Geste punkten auffassen müssen? 8 Nun, meine Herren, wir haben viel darüber gesprochen und sozialpolitischem Gebiete viel erreicht. Das, was wir allein ge. 1 Gebiete der Arbeiterversicherung geschaffen haben und demnächst n schaffen entschlossen sind, geht weit hinaus über das, was an h Länder zu leisten imstande gewesen sind (sehr richtig! rechts) gejet⸗ leisten imstande gewesen sind nicht bloß in bezug auf ihre gesetz⸗ geberische Technik, sondern zu leisten imstande gewesen sind hen keit sicht auf die Opferwilligkeit des Volkes, auf die Opferwi dünde aller beteiligten produzterenden Stände, und zu leisten 8 8 gewesen sind mit Rücksicht auf den warmen Zug des Idealismu⸗ vollen bei allen diesen Dingen durchdringt. Aber, meine Herren, wir wenis uns über eins nicht täuschen. Alle diese Erfolge — die g. klich namentlich nach einem materiellen Maßstab gemessen, außerorden g groß sind — haben eine Aufgabe nicht gelöst: es ist uns nis g lungen, die tiefe Kluft zu überbrücken, welche die wirtschaf ltsche Kämpfe der letzten Jahrzehnte gerissen haben, und die das dachts Volk zu seinem Schaden in zwei Teile teilt. (Sehr richtig! vvand Wir werden bei allen sozialpolitischen Aufgaben, die wir in die H zn nehmen, bei allen neuen Versuchen, sozialpolitische Probleme un lösen, uns stets bewußt sein müssen, daß unsere Handlungen b unsere Entschlüsse geleitet sein müssen von der Tendenz, zusamg ver⸗ zuführen und nicht zu trennen, zu versöhnen und nicht zu ung, zürnen. (Zustimmung in der Mitte und rechts.) Diese Trenaden, welche die sozialpolitischen Kämpfe uns gebracht haben, ist ein Sch geit den unser Volksleben erleidet, den vielleicht erst eine spätere 8 einmal voll wird ermessen können. icht Wir dürfen bei der Behandlung der sozialpolitischen Fragen b ist, vergessen, daß es nicht die Sorge für das materielle Wohl allei uns was ein großes Volk zu beschäftigen hat, sondern wir mftfsere 3 gegenwärtig halten, daß ein großes Kulturvolk ein unvergäng r Besitztum hat, das zu wahren und zu mehren seine Aufgabe ist lichen richtig! rechts und in der Mitte), daß aber diese unvergäng men Besitztümer eines Volkes nur gewahrt und vermehrt werden ehch — wenn es gelingt, das ganze Volk in allen seinen Kreisen 1 8. unvergänglichen Besitztümer zu scharen und zu vereinen. (Bravo! re
— e vorhin
Nun, meine Herren, die Mittelstandspolitik. Ich eine schön angedeutet: das ist die schwierigste, die sprödeste Materie; ts Materie, an die ich ich mache daraus keinen das mit einem gewissen Herzklopfen herangehe, nicht nFragen fehlt,
auf dem
Herz und das Urteil für die Bedeutung dieser emierigkeiten sondern weil ich mir der außerordentlichen Schwien cse bewußt bin, die sich gerade der Lösung dieser hier in den Weg stellen. Es kommt dazu, daß es
b reifen um Dinge handelt, die weniger die Technik des Gesetzgebers 49 le
kann als die Verwaltung der Einzelstaaten. Ich glaube, aß das, diesem Hause und dem Reiche kein Unrecht, wenn ich sagse in aller was auf dem Gebiet der Mittelstandsförderung geschehen 8 st. Wir erster Linie der Fürsorge der Bundesstaaten zu needenn über haben in unserer Handwerkergesetzgebung, in den Bestiowin e Maß⸗ die Fortbildungsschulen und durch gewisse wirtschaftenwoie iegt hier nahmen zu helfen versucht. Der Schwerpunkt der Arbet sondern
— wie auf vielen anderen Gebieten — nicht im Reich, L trebt sein den Bundesstaaten. Immerhin werden wir zusammen immer 1 müssen, auch auf diesen Wegen weiterzugehen, und 1cn 8 vor Augen halten müssen, daß der Bestand A — aa wesentlich davon abhängt, daß es gelingt, 8 zu erhalte leistungsfähigen, wirtschaftlich selbständigen Mittelstan verbe, so F. nicht bloß auf dem engeren Gebiet von Handel und Sg s vor allen Dingen auch auf dem großen Gebiet der L 8 (Sehr richtig! rechts.)