1913 / 60 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 10 Mar 1913 18:00:01 GMT) scan diff

Deutscher Reichstag. 129. Sitzung vom 8. März 1918, Vormittags 11. Uhr. (Bericht von „Wolffs Telegraphischem Bureau“.)

ur zweiten Beratung steht der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Feststellung des Haushaltsetats für die Schutzgebiete auf das Rechnungsjahr 1913, und zwar „Etat für das Ostafrikanische Schutzgebiet“.

Ueber den Anfang der Sitzung ist in der vorgestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Abg. Krätzig (Soz.): Ueber die Baumwollkultur in unseren Schutzgebieten herrichen im Reiche sehr oberflächliche Anschauungen. Dies gilt insbesondere von dem Abg. von Liebert. Der Standpunkt der Sozialdemokratie zu dieser Frage ist vollkommen richtig und der einzige, der überhaupt eingenommen werden kann. Der Abg. Dr. Semler sagte, man solle sich hüten vor utopistischer Schönfärberei. Das tun wir auch hier. Dr. Semler hielt sich aber an seine eigene Mahnung nicht. Ist denn die Sozialdemokratie schuld, doß sich Schwierigkeiten bezüglich der Baumwolle ergebens Wer ist es denn, der die Rohstoffe zum willkommenen Spekulations⸗ objekt macht? Die Soszialdemokraten? Nein, die Kapitalisten. Diese rufen die Schwierigkeiten der Baumwollindustrie hervor. Es ist nicht richtig, daß sie auf die Baumwolle in den Kolonien angewiesen sei, wenn sie nicht zu Grunde gehen solle. Das ist eine Uebertreibung; in diesem Sinne hat sich auch Benas Levi ausgesprochen. Der Abg. Erzberger hat die Förderung der Baumwollkultur mit dem Absatz der Baumwollwaren nach den Kolonien in Verbindung gebracht. Das ist ganz schön. Aber gerade das Zentrum trägt durch seine Zollpolitik dazu bei, daß der Absatz im eigenen Lande verringert wird. Der „Textilarbeiter“ schrieb, es müsse eine Einschränkung des Konsums anderer Artikel stattfinden, wenn nicht die Lebensmittelteuerung aufhöre. Diese Ausführungen der christlichen Tertilarbeiterzeitung sprechen für sich. Geht die Teuerung so weiter, so ist die Bevölkerung immer mehr gezwungen, im Adamskostüm herumzulaufen. Die Eingeborenenkultur muß unser Ziel sein, dann kommt es nicht zu den bedauerlichen Zusammenstößen. Wir haben immer eine verständige Kolonialpolitik getrieben und vor einer Desperadopolitik gewarnt, von der der Staatssekretär neulich sprach. Wir haben immer betont, daß die Eingeborenen das Wert⸗ vollste der Kolonien sind, und das Ausrottungssystem bekämpft. Herr von Elpons hätte seine Warnung vor einer solchen Ausrottungspolitik nicht erst niederschreiben sollen, als er nicht mehr im Amte war. Die Stimmen mehren sich, daß die Eingeborenenkultur der Plantagenwirt⸗ schaft vorzuziehen ist. Die Eingevorenen nehmen eine weit sorgfältigere Auswahl des Bodens vor, während die Farmer die Baumwolle auf vollständig unkultivierten Boden pflanzen. Sie bedenken nicht, daß die Baumwollpflanze eine sehr subtile Pflege fordert. Und da wundert man sich über Mißerfolge in der Baumwollkultur! Die Handelskammer in Hamburg berschtet über diese Mißerfolge großer Pflanzungen. Man beschränke sich auf die Eingeborenenkultur und gebe das Profekt der Gründung einer großen Baumwollenunternehmung mit 100 Mil⸗ lionen, für die das Reich die Zinsgarantie übernehmen soll, mit einer jährlichen Ausgabe von 4 Millionen, auf. Wir erwarten, daß die Regierung sich niemals darauf einläßt. Uebernimmt sie erst die Zins⸗ garantie, so verkauft sie sich mit Haut und Haaren den Unternehmern, die die Zwangsarbeit wollen. Man sagt, die Industrie müsse billige Rohstoffe haben, sonst könne sie die hohen Löhne an ihre Arbeiter nicht zahlen. Es handelt sich hier entweder um einen Gründungs⸗ schwindel oder einen neuen Schröpfkopf. Ich verweise in diesem Zu⸗ sammenhange auf die Gesellschaft, der der Abg. von Liebert angehört. Wenn maͤn so etwas hört und sieht, dann muß es zur Vorsicht mahnen. Was soll dann werden, wenn wirklich einmal große Baum⸗

wollmengen aus unsern Kolonien kommen? Man rechnet doch auf Anstrengungen, ihren 2 bsatzmarkt zu erhalten. So ist Amerika da⸗ ei, nicht nur aus dem schon bepflanzten Gebiet erhöhten Nutzen zu ann also ganz enorm werden. Da kann man doch nicht an die topien glauben, daß unsere koloniale Baumwolle einmal preis⸗ andere als bloß Sozialdemokraten. Wichtig ist dabei immer die Frage des Verdienstes und der erzielten Preise, Wie wollen wir bei liegt die G 8 8 8b 1 .

5 efahr nahe, daß man das russische Mittel anwendet und auf Rohbaumwolle Zoll legt. Das wäre aber der Ruin für unsere allein 15 Millionen Ballen jährlich aus Amerika, abgesehen Jahre sind es ers 3 ine Roll Des zes erst 11 000 Ballen eigene Baumwolle, gar keine Rolle. kein Sncd ichen wir die Eingeborenenkulturen vor. In ihnen steckt Preisen leb enhungriges Kapital, und sie bleiben b 8

ir j ensfäh Der Resolution der Budgetkommission können braucht nicht erfirbegrenzten Form nicht zustimmen. Die Regierung Dem Kolonialwi e 5 pe Hent Folonialvirischaftlichen Komitee soll man nicht die Initiative 1 nparteiisch. Der deutsche Baumwollarbeiter dem Tertilar eiterverband 2 2 8 e den Vorwurf gemacht, daß er keinen Bei⸗ trag zun Studium der Baumwollkulturen in unsern Kolonien gelesstet der Existenz und des besser 3— 9 vendig das st, Fortkommens im eigenen Lande. Wie notwendig das ist, zeigt la das Bestreben der Fabrikanten, das Niveau

Abg. Schiffer⸗Borken (

an 8 n (Zentr.): Der Vorred hat das

T ier in ei Finseitigkann Der Vorredner ha hema einer Einseitigkeir und einer Breite behandelt, als stimmen der Resolution zu. Erf lich is 3 8 seiner großen Mehrheit, die Regiciun ich ist, daß der Reichstag in 8 rheit, die Regierung, Preste, Handel und Industrie

auch in unsern Kolonien angepflanzt we 2 üts f GaHn rden muß. Der Konsum Deutschlands hat sich auf den Kopf innerhalb kurzer Zeit versieben⸗ bhaumwolle an das Ausland. Da ist es notwendi

ümwo 8 ; 1 g, wenigstens einen Teil dieser Riesensumme bei uns zu behalten⸗ mnigf si anen

Kolonialstaaten diese Frage sehr eingehend studieren. So hat’¹ . hat gerade England so große Erfolge erzielt, die zur Nachahmung anspornen. besteht in der Gewinnung akklimatisierter, hochwertiger Qualitäten.

1 8 oo ungünstig. Die Zentralbahn wird

neue zukunftsreiche Produktionsgebiete erschließen. Wir haben nicht

eine einheitliche Baumwollzone, Anze Gebiete von sehr verschiedenem Charakter. Zur Förderung des Handels und Exports aus dem Seengebiet sollte eine Stichbahn von Tabora enöglich, dafür gibt es aber dort Schafe. Der Zweck aller dieser

ersuch atürlich nicht der sein suche kann natürlich nicht der sein, nnc die mi⸗ länder haben in Nigerien volle 25 Jahre gebraucht, um die Produktion hmᷓf eine nennenswerte Höhe zu bringen. Uebrigens

Legien, die wachsende Bedeutung

eine Erhöhung des Angebotes. Alle Gebiete machen aber schon jetzt ziehen, ja man erweitert dieses Gebiet noch. Die Produktion Amerikas bestimmend auf dem Weltmarkte wird. Dieser Ansicht sind auch sinkenden Preisen den Baumwollbau lohnend erhalten? Da Textilindustrie. Diese ist direkt auf den Export angewiesen. Wir en anderen Ländern. Da spielen doch selbst 100 000, in diesem selbst bei sinkenden wir in dieser 18 ein t angetrieben zu werden, sie ist so schon nicht zimperlich. 8 st nicht u eht wirts 8 eht wirtschaftlich erheblich schlechter als der englische da. Man hat hat. Aber di bei Wen bg r die Arbeiterbeiträge werden doch nur gezahlt zum Schutze der Arbeiter immer mehr herunterzudrücken der Reichsta i 3 1 ob der Reichstag noch nie etwag von Baumwolle gehört häͤtte. Wir sich einig sind, daß das wichtigste Rohprodukt unserer Tertiñindustrie facht. Wir bezahlen allein jährlich 600 Millionen für Roh⸗ politisch wichtig. Deshalb ist es nicht wunderbar, daß alle Die Versuchsstationen haben sich durchaus bewährt; ihre Hauptarbeit Die Aussichten sind auch gar nicht s sondern eine Anzahl einzelner kleiner nach dem Tanganjika gebaut werden. In Südwest ist Baumwollkultur in wenigen Jahren die ganze deutsche Tertilindustrie mit Rohbaumwolle zu versorgen: au e n haben auch sozial⸗ demokratische Stimmen, so der Abg.

chen Reichsanzeiger und Königlich

der Baumwollkultur in den deutschen Schutzgebieten anerkannt. Der

Erste Beilage

Berlin, Montag den 10. März

Vorredner beschuldigte das Zentrum, mit verantwortlich dafür zu sein, daß die Textilfabrikate weit mehr aus Italien als aus Deutschland nach unseren Schutzgebieten ausgeführt würden, weil in Italien die Produktionsbedingungen günstigere seien. Diesen Vorwurf gegen die deutsche Schutzzollpolitik tragen wir gern, denn diese Politik sichert der deutschen Industrie vor allem den deutschen Markt. Nach einer Rede des Abg. Krätzig wächst in Deutsch Ostafrika und in Kamerun auch nicht eine Staude Baumwolle. Auch daraus, daß die christlichen Textilarbeiter an das volkswirtschaft⸗ liche Komitee Beiträge zahlen, ist uns kein Vorwurf zu machen. Ich werde im Gegenteil demnächst bei unserem Zentralvorstande eine Erhöhung dieser Subvention beantragen. Wenn die Sozialdemokraten die Kommissionsresolution ablehnen, so schaden sie sich nur selbst; denn die Resolution ist außerordentlich harmlos, sie fordert nur in einem Nachtragsetat „ausreichende“ Mittel. Vielleicht werden die Sozialdemokraten bei diesem Nachtragsetat als reuige Sünder, die Buße tun, zu begrüßen sein. Mit Recht hat der Staatssetretär davon gesprochen, daß gerade auch die Interessen der Arbeiter durch die Förderung dieser Versuche ge⸗ ördert werden. Ich bitte die Vertreter der bürgerlichen Parteien, die Resolution anzunehmen. 8

Abg. Dr. Paasche (nl.): Ich kann mich dieser Aufforderung nur anschließen. Die Kritik des sozialdemokratischen Vorredners war unberechtigt. Daß anderswo bessere Baumwolle wächst, ist doch kein Grund, bei uns diese Produktion nicht zu fördern. Wir können doch dadurch uns aus den Hieden gewinnsüchtiger Spekulanten, die eine ganze Industrie und also auch deren Arbeiterschaft sich tributpflichtig machen, einmal befreien, oder vielmehr wir dürfen gar nicht zulassen, daß es damit bei uns so weit kommt, wie es in Amerika gekommen ist. Die amerikanische Spinnerei und Weberei ist in letzter Zeit ganz enorm angewachsen; je mehr Amerika der Hauptmarkt für die Rohbaumwolle wird, desto mehr haben wir eine Zurückdrängung unserer Industrie zu fürchten. Mit der Not der arbeitenden Klassen gegen diese Bestrebungen zu opponieren, ist ganz unberechtigt. Eine solche Kultur läßt sich natürlich nicht von heute auf morgen

einführen; man kann nicht nach 5 oder 6 Jahren schon Erfolge erzielen. Wie soll denn in einem Lande, wo kein

Weg und kein Steg vorhanden ist, wo es noch an allen Vor⸗ arbeiten für diese Kultur fast ganz fehlt, das möglich sein? Fehlschläge sind unvermeldlich. Ein Vorwurf trifft die Unternehmer nicht, man sollte im Gegenteil der Tertilindustrie danken, daß sie Millionen hineingesteckt habe. Es wurden vor 5 bis 6 Jahren Ver⸗ suche gemacht, zunächst im kleinen. Sie hatten mit klimatischen Schwierigkeiten zu kämpfen, aber sie werden mit der Zeit größere Erfolge haben. Wie schwer ist es doch, in einem so gewaltigen Lande die geeigneten Plätze für den Baumwollbau zu finden. Elne solche Sache kann nur schrittweise vorwärtskommen, wie es den Engländern und Franzosen gelungen ist. Die Unterstützung des kolonialwirtschaft⸗

Preußischen Staatsanzeiger.

lichen Komitees dient ja auch dazu, die Eingeborenenkaltur zu fördern. Die Plantagenkultur ist eine notwendige Ergänzung der kleinen Kultur. Wir müssen versuchen, größere Quantitäten zu gewinnen, um die Transportkosten zu verbilligen. Die Aussicht ist vielleicht vorhanden, und wenn wir erheblichere Mittel aufwenden, so werden wir schneller zum Ziele kommen. Die Sozialdemokraten sollten die Regierung hierin unterstützen. Es werden immer mehr Baumwollkleider ge⸗

tragen. In Ostafrika giebt es große Gebiete, wo Baumwolle ge⸗ wonnen werden kann, zumal, wenn die Manengubabahn weitergebaut wird. Es könnte dann Baumwolle im großen gezogen

werden. Die bestehenden Bahnen können den Transport nicht schaffen. Denken Sie doch daran, wenn wir nur eine Bahn von Berlin nach Tilsit hätten, was würde uns das nützen? Die Vorwürfe gegen das Kolonialwirtschaftliche Komitee sind durchaus unberechtigt. Wenn es je eine selbstlose und opferfreudige Gesellschaft gegeben hat, so ist es dieses Kolonialwirtschaftliche Komitee. Seine Leistungen verdienen Anerkennung, nicht Verdächtigung. An Selbstverdienen denkt es nicht, es leistet nur die notwendigen Vorarbeiten. Wir sollten uns freuen, daß die Gesellschaft sich bemüht, unsere Kolonien zu er⸗ schließen. Staatssekretär des Reichskolonialamts Dr. Solf:

Meine Herren, ich hatte mich zum Worte gemeldet, um die Vor⸗ würfe des Herrn sozialdemokratischen Redners gegen das Kolonial⸗ wirtschaftliche Komitee und seinen trefflichen Leiter, Herrn Supf, ab⸗ zuwehren. Ich bin dem Herrn Abg. Dr. Paasche außerordentlich dankbar, daß er mir diese Arbeit abgenommen hat. Ich möchte hier aber noch einmal betonen, daß die Kolonialverwaltung dem Kolonial⸗ wirtschaftlichen Komitee und seinem tatkräftigen Leiter zu besonderem Dank verpflichtet ist. (Lebhafte Zustimmung.) Herr Supf geht jetzt in die Kolonien, und ich glaube, meine Herren, daß ich in Ihrem Sinne handele, wenn ich ihm an dieser Stelle eine glückliche Reise wünsche und den Erfolg, den ich bei diesem tatkräftigen Manne voraussetze. (Lebhaftes Bravo!)

Meine Herren, nur noch wenige Worte zur Baumwollfrage. Es ist von den Herren Abg. Dr. Paasche und Schiffer, denen ich dafür meinen besten Dank abstatten möchte, auseinandergesetzt worden, wie England, Frankreich, Rußland und Italien sich zum Kampfe rüsten gegen die übermächtige Baumwollenproduktion der Vereinigten Staaten. Wenig ist im Vergleich zu dem, was die Vereinigten Staaten fördern, bisher geleistet worden, aber viel, wenn man die Anfänge und die schon vorliegenden Resultate betrachtet. Deutschland kann und darf nicht allein zurückstehen, und es ist die Pflicht eines jeden Kolonialministers in Deutschland, daß er dieser Aufgabe seine ganz besondere Aufmerksamkeit widmet. Das werde ich tun auch gegen das Votum der Herren der Sozialdemokratie. (Lebhafter Beifall.) Es ist aber eine große Kulturarbeit, meine Herren, und Sie können nicht von heute auf morgen Erfolge von uns erwarten. Was wir bisher getan haben, und was wir beabsichtigen, weiter zu tun, lasse ich jetzt in einer Denkschrift ausarbeiten, und ich hoffe, sie im nächsten Jahre dem hohen Hause vorzulegen.

Abg. von Böhlendorff⸗Kölpin (dkons.): Wir sind für die schnellmöglichste Produktion von Baumwolle auch unter den Ein⸗ geborenen. Ich verwahre mich gegen den Vorwurf, als ob wir hier

leichtfertig mit der Subventionierung der Baumwollpflanzer vorgegangen sind. Eine solche Produktion ist es wert, daß sie zu einer nationalen gestaltet wird. Die Rede des sozialdemokratischen Redners hat dar⸗ getan, daß es tatsächlich eine Utopie ist, die Kolonialpolitik unter der engherzigen Brille der Partei zu treiben. Mit unserer Resolution soll positive Arbeit getrieben werden. 10 Millionen Spindeln im Gange. beweist doch, welches Interesse auch die Arbeiter an dieser Frage haben. Wir hoffen, daß wir einen großen Teil der Baumwolle in unserm Schutzgebiet er⸗ zeugen können. Der Abg. Schiffer meint, wir würden etwa in 25 Jahren so weit sein. Hoffentlich kommen wir noch früher dazu. Der Abg. Paasche hat ja schon geschildert, wie das Kolonialwirt⸗ schaftliche Komitee arbeitet, und hat es ebenso wie der Staatssekretär

In Deutschland sind jährlich über

1913.

in Schutz genommen. Ich erkläre, daß ich diesem Komitee angehöre und mit Entrüstung diese Vorwürfe zurückweise.

Abg. Gothein (fortschr. Volksp.): Der Resolution werden auch wir zustimmen. Auch wir sind der Meinung, daß es, wie sich der Abg. von Böhlendorff⸗Kölpin so hübsch ausdrückte, nicht richtig ist, die Kolonialpolitik unter der engherzigen Brille der Partei zu treiben. Vielleicht macht dieses Wort noch Schule. Es ist eine der wichtigsten Aufgaben, für den Anbau von Rohprodukten zu sorgen. Und wenn die Erfolge bisher noch nicht besonders sind, so Pscth es hier wie auch bei andern Dingen. Es ist erfreulich, daß si Gesell⸗ schaften finden, die sich dadurch nicht abschrecken lassen. Im übrigen war es nicht meine Absicht, den Baumwollfaden weiter zu spinnen. Die Erschließung der Kolonien ist nur durch Verkehrswege möglich. Es kommen dabei nicht bloß die Eisenbahn und Landwege in Betracht, sondern auch die Wasserstraßen. Diese sind bisher recht mangelhaft in unseren Kolonien. Man darf aber deshalb nicht die Flinte ins Korn werfen. Es ist notwendig, daß unsere Wasserstraßen darauf untersucht werden, inwieweit sie sich in brauchbare Wasserstraßen um⸗ wandeln lassen. Wir haben da in Ostafrika den Ufidscht. Es liegt ein ausgearbeitetes Projekt vor, das vom preußischen Arbeitsministerium als brauchbar erkannt ist. Die Regulierung der 200 km. langen Strecke würde etwa5 Millonen kosten. Der Strom könnte zu Bewässerungs⸗

zwecken und namentlich für die Baumwollkultur nutzbar gemacht werden. Er würde 162 cbm Wassergeschwindigkeit baben, während

die Oder bei Breslau nur 40 hat. Ich bitte die Regierung, diese Sache weiter zu verfolgen.

Abg. Krätzig (Soz.): Wir wenden uns dagegen, daß das, was das Kolonialwirtschaftlichee Komitee tut, die deutschen Steuerzahler bezahlen müssen. Der Abg. Paasche verwies auf die Arbeitslosigkeit der Jahre 1907/08 in der Textilindustrie. Nicht der Mangel an Rohstoffen war schuld an dieser Arbeitslosigkeit, sondern die Preis⸗ politik der Spinnereien und der amerikanische Bankkrach.

Staatssekretär des Reichskolonialamts Dr. Solf:

Meine Herren! Ich möchte mit wenigen Worten auf die dankenswerten Ausführungen und Anregungen des Herrn Abg. Gothein zurückkommen. Von dem Material, das ich präsent habe, ohne die Akten näher einzublicken, möchte ich ihm folgendes antworten. In Ostafrika haben wir den Oberlauf des Rufizi schon untersucht, und zwar im Zusammenhang mit einem der Projekte einer künftigen Südbahn, wie denn überhaupt, meine Herren, die Untersuchung der Flußschiffahrt in der Hauptsache in Anlehnung an diejenigen Vorarbeiten geschehen ist, die für Bahnbauten gemacht sind. Den Unterlauf des Rufiji, den Herr Abg. Gothein be⸗ sonders betont hat, haben wir bereits teilweise schiffbar ge⸗ macht. Es sind aber, um ihn ganz schiffbar zu machen, außerordentlich große Mittel notwendig, da viele Sandbänke vorhanden sind und die Schiffe durch Baumstämme leicht beschädigt werden. Wir haben einen Heckraddampfer vort, und endlich haben wir zur Hebung der Flußschiffahrt in diesem Etat eine Position von 50000 bei der Flottille ausgebracht und würden dankbar sein, wenn Sie diese Position bewilligen. d

Was Kamerun anbetrifft, so ist der Nyong bereits untersucht worden im Zusammenhang mit dem Projekt der Mittellandbahn. Außerdem ist augenblicklich eine Expedition, geführt von dem Ingenieur Michel, nach Kamerun geschickt, die gerade den Zweck hat, eine Unter⸗ suchung für die Mittellandbahn in bezug auf die mit der künftigen Trasse in Zusammenhang stehenden Flüsse anzustellen.

In Neu Guinea hat die Kaiserin Augusta⸗Expedition in der Hauptsache den großen Kaiserin⸗Augustafluß zu erkunden.

Auf Südwestafrika können sich diese Arbeiten leider nicht aus⸗ dehnen, denn die Flüsse Südwestafrikas haben die Eigentümlichkeit, daß sie nicht überirdisch, sondern unterirdisch fließen.

Abg. Dr. Arendt (Rp.): Soweit die Flüsse als Ersatz der Eisenbahn dienen können, ist ihre Schiffbarmachung ja zu begrüßen. Wie sehr die Sozialdemokraten sich gegen jede bessere Einsicht sträuben, beweist ihr Verhalten zur grundlegenden Hauptfrage der Baumwoll⸗ kultur. Wenn der Baumwollanbau in den Kolonien wächst, muß doch mit jedem Ballen deutscher Baumwolle das Monopol der Amerikaner sich vermindern, und gerade dieses Monopol und dies allein ist die Grundlage der von dem sozialdemokratischen Redner hervorgehobenen Preistreibereien und Börsenspekulationen; die Baumwolle kann doch nicht produziert werden, wenn man nicht die Unterlagen dafür schafft, und die will der Abg. Krätzig nicht, weil er sich vor Enttäuschungen sürchtet. Eine große innerliche Genugtuung hat mir die heutige Rede des Abg. Gothein bereitet; wir 88 also jetzt auch mit der fortschritt⸗ lichen Volkspartei zusammengekommen. Nur die Sozialdemokratie will sich noch immer nicht überzeugen lassen; auch sie wird schließlich ihren Kampf gegen Windmühlen aufgeben 1“ Für die Aner⸗ kennung, die der Staatssekretär dem olonalwirtschaftlichen Komitee und seinem Vorsitzenden gezollt hat, bin ich aufrichtig dank⸗ bar. In diesem Komitee hat sich eine wirklich ersprießliche, positive Kolonialpolitik entfaltet, und zwar nicht auf Kosten der Steuerzahler sondern zur Entlastung der Steuerzahler. Die Sozialdemokratie ist in unfruchtbaren Theorien versumpft und sieht den Wald vor Bäumen nicht. Ganz anders die englische Arbeiterschaft, die aus ihren eigenen Kreisen für diese Bestrebungen Opfer gebracht hat und fortdauernd bringt. Man darf nicht verlangen, daß eine Ernte ohne Saat auf⸗ geht. Auch bei den Eisenbahnbauten verlangte man früher zuvor die Rentabilität; jetzt ist dieser Standpunkt längft aufgegeben. Ich selbst hätte vor einem Menschenalter eine so schnelle und glückliche Entwick⸗ lung unserer Kolonien nicht erwartet. Die Pioniere der Kolonial⸗ bewegung hier und draußen haben einen gewaltigen Opfermut be⸗ wiesen; jetzt sehen wir, daß unsere afrikanischen Besitzungen einen vie ößeren Wert für Deutschland und die 1s se

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58 Welt haben, als selbst di onialenthusiasten früher gedacht haben. Die Geld als selbst die zahler werden hier 3 . Die Gelder der Steuer

er zu werbenden Zwecken verwend 6 eine nahe Zukunft noch deutlicher e deren Bedeutung 8 h E wird gegen die Stimmen der Sozialdemo 8 Eb— Das Ordinarium der Ausgaben und die 7g für die Baumwollkulturversuch sich weiter 8 Pofänter den einmaligen Ausgaben befindet

demis t ition von 310 000 zur Bekämpfung epidemischer Krankheiten. zur Bekämpfung

Abg. Dr. Paasche (nl.) wei f hi ß zahlreiche 11A1A4A*“ I.) weist darauf hin, daß zahlreiche vhil Nee n, namentlich im See E zu 40, ja zu 80 und 192” 1 verseucht sind und die Zahl der Geburten imme Nagfta den ige t. bei einzelnen Stämmen bestehe direkt die Gefahr des 2 9* kerbens. Man solle versuͤchen, dieser Verseuchung energisch zu zu gehen. Was man bisher an Salvarsan herausgesandt habe, reiche vielleicht für die weiße Bevölkerung aus, aber nicht für die Ein⸗

Heninegen Nur eine systematische Bekampfung könne helfen. Bezirksämter müßten noch weitere statistische Erhebungen über

Kindersterblichkeit pflegen. Wenn die Arbeiter das größte Kapital de Kolonien seien, müsse man auch alles tun, um in dieser Richtung kon⸗

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