In der Vierten Beilage zur heutigen Nummer des „Reichs⸗ und Staatsanzeigers“ ist eine Genehmigungs⸗ urkunde, betreffend eine Anleihe der D-
burg, veröffentlicht.
Homburg v. d. Höhe, 11. April. Ihre Ma estäten der Kaiser und die Kaiserin unternahmen, wie „W. T. B. meldet, gestern nachmittag mit ihren hohen Gästen eine Automobilfahrt nach der Saalburg, wo das Kastell und das Saalburgmuseum unter persönlicher Führung Seiner Majestät des Kaisers besichtigt wurden. Anschließend daran wurde der Tee in den oberen Räumen des Saalburgrestaurants gereicht. Nach 6 Uhr kehrten die hohen .“ nach Schloß Hom⸗ burg zurück, wo Abendtafel stattfand.
8
Sachsen⸗Altenburrg. ine Hoheit der Herzog empfing gestern, wie „W. T. B.“ meldet, die Offiziersabordnungen des 1. Garde⸗ regiments zu Fuß unter Führung des Regimentskommandeurs, Obersten von Friedeburg und des 7. Thüringischen Infanterie⸗ regiments Nr. 96 aus Gera mit dem Regimentskommandeur, Obersten Sonntag an der Spitze, die ihm die Glückwünsche ihrer Regimenter zum 25jährigen Militärdienstjubiläum überbrachten. Der Oberst von Friedeburg überreichte im Auf⸗ trage Seiner Majestät des Kaisers und Königs Seiner Hoheit dem Herzog das Dienstauszeichnungskreuz.
Elsaß⸗Lothringen.
3Zu der Frage der Ausweisung von Ausländern aus Mülhausen hat auf eine Interpellation des Abg. Martin (Soz.) in der gestrigen Sitzung der Zweiten Kammer der Unterstaatssekretär Mandel laut Meldung des „W. T. B.“ mit folgenden Worten Stellung genommen:
Ich möchte betonen, daß keine einzige Ausweisung von schweizerischen Bürgern erfolgt ist. Auf Grund der Statt⸗ haltererlasse vom Jahre 1884 ist den Betreffenden nahe⸗ gelegt worden, sich darüber schlüssig zu machen, ob sie dauernd im Lande bleiben wollen oder nicht. Darauf be⸗ rief sich einer auf den schweizerisch⸗deutschen Niederlassungsvertrag, worauf wir den Fall näher geprüft haben. Wir sind zu dem Er⸗ gebnis gekommen, daß die Bestimmung des Artikels 3, wonach der Aufenthalt Schweizern untersagt werden kann, die vor Erfüllung der Wehrpflicht die Nationalität gewechselt haben, sich nur auf solche be⸗ ziehe, bei denen ein Nationalitätswechsel in eigener Person erfolgt ist, nicht aber auf deren Söhne und Enkel, vorbehaltlich persönlicher Be⸗ anstandungen nach Artikel 2 des Vertrages. Von der Reichsregierung ist unsere Auffassung bestätigt worden. Der Polizeipräsident von Mülhausen ist bereits entsprechend verständigt worden.
11
Großbritannien und Irland.
Wie das „Reutersche Bureau“ erfährt, hat die griechische Regierung zuständigen Orts Vorstellungen darüber er⸗ hoben, daß der türkische Kreuzer „Hamidije“ wiederholt den Suezkanal passiert hat. Man hob dabei hervor, daß das Verhalten der „Hamidije“, die sich in Alexandria verprovian⸗ tieren durfte, auf hoher See Kohlen einnahm und ungehindert mit den türkischen Behörden in Konstantinopel in Verbindung trat, nicht nur eine Verletzung des Kanalreglements, sondern auch ein gefährlicher Präzedenzfall für die Schiffe anderer Mächte sei, besonders für den Fall eines zukünftigen Krieges, in dem der Kanal eine Rolle spielen würde.
— Im Unterhause standen gestern Anfragen auf der Tagesordnung. 8
Nach dem Bericht des „W. T. B.“ fragte der Abg. Rees, ob der Staatssekretär Grey irgendwelche Nachrichten über schlechte Be⸗ handlung der Mohammedaner in Mazedonien habe, und wenn ja, ob er dann den Verbündeten deswegen Vorstellungen shnchen wolle. Sir Edward Grey erwiderie: alles, was er tun könne, sei, Berichte, die er erhalte, zur Kenntnis der bulgarischen Regierung zu bringen, damit Schritte unternommen würden, die Schuldigen zu be⸗ strafen und neue Mißhandlungen unmöglich zu machen. Das sei ge⸗ schehen und werde auch weiter von der britischen Regierung getan werden, ganz gleich, ob es sich um Mohammedaner oder Christen
andele. 8 Der Abg. Walter Guinneß fragte, ob der Staatssekretär Schritte unternehmen wolle, um Bürgschaften für Mazedonien zu erlangen, entsprechend denen, die er versprochen habe, für Albanien anzustreben. Grey antwortete, diese Frage sei, soweit sie Albanien betreffe, eine Frage internationalen Uebereinkommens. Bezüglich Mazedoniens gebe es aber kein internationales Uebereinkommen. England könne nicht gut Schritte tun, um ein Protektorat über Mazedonien zu errichten. Rußland.
Der Ministerrat hat nach einer Meldgng des „W. T. B.“ in seiner gestrigen Sitzung den Bau einer Bahn von Werchne Udinsk nach Kiachta auf Kosten des Fiskus genehmigt.
— Das Ministerium des Auswärtigen hat gestern, aesgee üell zufolge, nachstehendes Communiqé ver⸗ öffentlicht:
Das hauptsächlichste Ziel, das die russische Regierung anläßlich der militärischen Erfolge der verbündeten Balkanstaaten verfolgt hat, war, den Siegern die Erfolge ihres Sieges soweit wie
irgend möglich „zu sichern. Die Verhandlungen, die zu diesem Ziele geführt haben, waren verwickelt und mühsam, denn die Verbündeten konnten ihren Erfolg nur erringen auf Grund einer Nichtintervention der
Mächte. Wenn man den Wert und die Wichtigkeit des Dienstes, den Rußl nd den Balkan⸗ staaten erwiesen hat, richtig einschätzen will, so muß man sich das Gesamtbild der internationalen Lage und die Kollision der wider⸗ streitenden Interessen vor Augen halten. Die Lokalisierung des Krieges war nur unter zwei Bedingungen möglich: Erstenz, Venzicht der Großmächte auf territoriale und sonstige Vorteile für eigene Rech⸗ nung; zweitens, Verzicht auf jede Emzelakt on von ihrer Seite. Diese negativen Bedingungen hrachten eine dritte, positive mit sich: Revision der durch den Krieg geschaffenen Lage und Anpassung dieser an diejenigen Interessen der Geoßmächt, auf die sie nicht verzichten konnten; und dies konnte nur geschehen durch das europäische Konzert, dessen Ent⸗ scheidung im Namen von ganz Europa gefällt wurde. Auch ein ver⸗ einzeltes Vorgehen irgend einer Macht konnte nur durch die same Anerkennung der verbindlichen Kraft der vermieden werden. Unter diesen Bedingungen wurde die Botschafter⸗ konferenz in London einberufen, die soeben die schwere Auf abe gelöst hat, die nördliche und nordöstliche Grenze von Albanien estzusetzen, eine Aufgabe, der die Interessen Montenegros und Serbiens mit ihrem sehr natürlichen Streben nach Ausde
Andererseits wurden die Interessen der
Ungarn und Italien beschützt, die den s M
gemein⸗ Entscheidung Europas
Albanesen von Oesterreich. 1 n beschüt i. batus quo am Adriatischen Neere fürn so wichtig für sich hielten, daß sie keinen Zweifel hierüber zulassen wollten. Die Erhaltung des status duo bedang auch die Exinenz eines albanesischen Gebiets, woran sich selbstver⸗ tändlich das Streben anschloß, die Geenzen dieses Gebiets, das eine gleichartige Bevölkerung von albanesischer Abgammung um⸗ fassen sollte, nach Msglichteit auszudehnen. Im Verfolg langer
nung im Wege standen.
und hartnäckiger nisse, durch die Prizrend, Ipek, Djakowa und Dibra für die slawischen Staaten gewonnen wurden, glaubte Rußland die Einverleibung von Skutari in Albanien zugestehen zu müssen, ein Zugeständnis an die Aufrechterhaltung des Friedens, dessen Erschütterung aus diesem An⸗ lasse sinnlos hätte erscheinen müssen. Es ist bekannt, 9 Skutari eine rein albanesische Stadt und der Sitz eines katholischen Erz⸗ bischofs ist. Das wird durchaus bestätigt durch den Bericht des russischen Vizekonsuls in Skutari, der auf Grund von Tatsachen die hauptsächlich militärlsche Wichtigkeit von Skutari nachweift. Die Montenegriner sind schon unfähig, einige Tausend katholischer und muselmanischer Albanesen, die seit 35 Jahren in den Grenzen Monte⸗ negros wohnen, mit sich zu verschmelzen. Folglich würde die Ein⸗ verleibung eines Teiles vom Sandschak und diejenige von Skutari lediglich die Wirkung haben, Montenegro durch die Einverleibung einer geringen Anzahl von Montenegrinern und von hunderttausend Menschen anderen Blutes, anderer Sprache und anderer Religion zu schwächen, was Montenegro in die Gefahr bringen würde, ein montenegrinisch gefärbtes Albanien zu werden. Unser Gesandter in Cetinje laubt, daß die Vereinigung einer bedeutenden Anzahl römischer Fathollken mit Montenegro diesen Gelegenheit hätte geben können, die Ver⸗
bindungen mit dem Auslande noch zu befestigen, die das Eindringen fremder Einflüsse erleichtert hätten. Der König Nikolaus hat die Verpflichtung, die er übernommen hatte, Rußland
von dem Beginn des Krieges vorher zu benachrichtigen und seine Zu⸗ stimmung einzuholen, nicht erfüllt. Trotzdem lieh ihm der Kaiser großmütig seine Hilfe, indem er der montenegrinischen Bevölkerung Hilfsmittel und Beistand zusagte. Als die Frage von Skutari gelöst war, wurde der König freundschaftlich davon in Kenntnis gesetzt unter Hinweis auf die schwere Verantwortung, die er auf sich nehme, wenn er weiterhin seinen Widerstand fortsetze. Dann wurde ihm der Rat erteilt, sich den Beschuldigungen, persönliche Gesichtspunkte zu verfolgen, indem er die Montenegriner nutzlosen Gemetzeln preisgebe, zu entziehen. Als diese Schritte bei⸗ dem König Nikolaus erfolglos blieben, wurde es klar, daß er mit der Einmischung Rußlands, der Großm üächte und einem europäischen Krieg rechnete. Die russische Regierung konnte also nicht dagegen sein, daß Maßregeln ergriffen wurden, die sich nach der Weigerung des Königs Nikolaus, sich dem Beschlusse der Mächte zu unterwerfen, als notwendig erwiesen. Die Kasserliche Regierung verliert nicht die Hoffnung, daß Montenegro seine hartnäckigen Be⸗ mühungen einstellen wird, in der Erwägung, daß der Eigenliebe Montenegros vollkommen Genüge getan ist, wenn es sich dem Willen Europas unterwirft, da dieser sich auf eine so imponierende Ent⸗ faltung von Flottenstreitkräften stützt. In diesem Falle würde Europa Mittel finden, die Lage des montenegeinischen Volkes zu erleichtern, das schwer zu tragen hat an den durch die Berlagerung von Skutari geforderten übermäßigen Opfern. Die russische Regierung kann nicht von ihrem Standpunkt abgehen, daß ihre Verantwortung vor dem russischen Volke in erster Linie die Pflicht in sich schließe, kein russisches Blut zu vergießen, wenn nicht die Interessen des Vaterlandes es erfordern. Die slawische und orthodoxe Großmacht Rußland hat niemals mit Hilfeleistung und Opfern für ihre slawischen Brüder gespart, aber diese letzteren ihrerseits haben auch die Pflicht — die übrigens unsere resse ihnen nicht immer im Gedächnis zu halten weiß — die Ratschläge zu achten, mit denen Rußland keinen Mißbrauch treibt und sich zu er⸗ innern, daß, wenn wir stolz auf ihre Erfolge sind, diese doch nicht hätten erreicht werden können ohne Rußland, das ihnen das Leben gab und das ihnen sowohl in der Freude wie im Schmerze noch immer nötig ist, besonders auch, um die Einigkeit unter thnen aufrecht zu erhalten, ohne die diese Völker weder Kraft noch Stärke gewinnen können. Diese Beziehungen Rußlands zu den slawischen Völkern schließen jede Feindseligkeit gegenüber anderen Staaten und Völkern aus. Die Verschiedenheit der Rassen braucht durchaus nicht zu einem Gegensatz unter den Rassen zu füh Man kann nicht
ühren. gut zugeben, daß die Sache des Friedens dabei gewinnen würde,
wenn man eine Rasse einer anderen, die sich ihres Rechts bewußt ist, entgegenstellt. Die innere Kraft Rußlands hat nicht nötig, von Be⸗ sorgnissen zu Drohungen überzugehen, die nicht der Ausdruck der Stärke eines Volkes sein würden.
— Der Gesetzentwurf, der in Finnland begangene Staatsverbrechen und politische Verbrechen den Reichs⸗ gesetzen unterstellt, wird, wie „W. T. B.“ meldet, nunmehr den gesetzgebenden Reichsinstitutionen überwiesen werden, da der finnische Landtag gleich seinem Vorsitzenden die Begut⸗
tung abgelehnt hat. echting abgelehnt h Türkei.
Der offizielle türkische Kriegsbericht vom 10. d. M. besagt laut Meldung des „W. X B. .
Im Laufe des gestrigen Tages fand auf dem linken Flügel der Tschataldschalinie ein leichter Artilleriekampf statt. An den anderen Punkten der Tschataldschalinie hat sich nichts neues ereignet. Vor Bulair herrscht Ruhe. Gestern beschoß ein griechisches Torpedoboot den südlich von Aiwali gelegenen Ort Ayasmanly. Ein von der Küstenartillerie abgefeuertes Schrapnell fiel auf die Kommandobrücke des Torpedobootes nieder, worauf sich das Torpedoboot von der Küste entfernte. Hierauf wendete sich das Torpedobvot gegen das Kap Sarmussak Burun und gab einige Kanonenschüsse gegen eine zur Beobachtung des Feindes aufgestellte Truppenabteilung ab, ohne jedoch Schaden anzurichten.
Nach Meldungen der „Agence Bulgare“ landete am 7. d. M. um 4 Uhr früh eine türkische Infanteriekompagnie unter dem Schutze eines Kriegsschiffes südlich vom Dorfe Ksasteros und rückte gegen eine bulgarische Kompagnie vor, die eine vorgeschobene Stellung auf einer nordöstlich vom Dorfe Jalos gelegenen Höhe besetzt hielt, um sie im Rücken zu fassen. Die Bulgaren eröffneten ein heftiges Feuer und brachten den Feind zum Stehen. Gleichzeitig erschien ein aus den bulgari⸗ chen Hauptstellungen entsandtes Bataillon und die türkische Kolonne wurde vernichtet. Am Nachmittag rückten zwei bulgarische Infanteriepelotons, von Artillerie unterstützt, gegen das Dorf Kumburgas vor und säuberten das Küstenland. Auf den anderen Punkten vor der Front der vorgeschobenen Divi⸗ sionen verlief der Tag ruhig. 5
Montenegro. “
Der Kommandierende der internationalen Flotte in Gewässern von Antivari, Vizeadmiral Burney, hat gestern früh dem Gouverneur von Antivari bekannt gegeben, daß von 8 Uhr früh ab die friedliche Blockade von Antivari bis zur Drinmündung erklärt sei.
Nach einer telegraphischen Mitteilung des Kommandanten des an der internationalen Flottendemonstration beteiligten ersten Geschwaders der österreichisch⸗ungarischen Kriegsflotte an das Kriegsministerium (Marinesektion) lautet der Text der 111“ der „Militärischen Rundschau“ zufolge, wie folgt:
„Ich erkläre die Blockare an der Küste zwischen dem Hafe Antivari und der Mündung des Drinflusses. Die Bloch um 8 Uhr früh am 10. April des Jahres 1913. Die Blockade er⸗ strect sich an der Küste zwischen 42 Grad 6 Minuten und 41 Grad
5 Minuten Nocdbreite und schließt in sich alle Häfen, Buchten Reeden und Flaßmündungen innerhalb dieser Grenzen und die nächst der Küste gelegenen Inseln; sie richtet sich gegen alle Schiffe aller Nationen. Allen Schiffen, die innerhalb des Blockadegebiets sich be⸗
Frist von 48 Stunden zum Verlassen des Blockade⸗ il.
1
finden, wird eine gebietz gewäbrt, das heißt 8 Uhr e 8 1. Apr Figenhändig gegeben an Bord S. . King Edwarz . am 10. April 1913. Cecil Burney, 9 ward VII. Vizeadmiral und Kommandierender der internationalen Flotte.“
ere IT1“ Wie die „Agence Havas“ meldet, hat ein Schiff der inte
den
r⸗ nationalen Flotte in den Gewässern von Antivari die Jacht
des Königs Nikolaus, die Mehltransporte begleitet hatte, aufgebracht.
Asien.
Nach Meldungen des „Reuterschen Bureaus“ führt die chinesische Regierung mit Beständigkeit die Reform der
alzsteuer durch. Sie organisiert eine Salzinspektion und hat für verschiedene Aemter Chinesen von anerkannten Fähig⸗ keiten sowie die britischen, amerikanischen, deutschen, japanischen und dänischen Mitdirektoren gemäß der von Muanschikai am 15. Fuge sanktionierten Ankündigung des Finanzministers ernannt.
Wie aus Hongkong von dem genannten Bureau gemeldet wird, hat der gesetzgebende Rat in erster Lesung eine Bill angenommen, die zur Aufnahme einer Anleihe von 5. Millionen Mark für die Kosten der Fertigstellung der Bahn von Kaulung nach Kanton ermächtigt.
Afrika.
Einer vom „W. T. B.“ verbreiteten Meldung aus Udschda zufolge ist der neu errichtete Militärposten von Nechila am linken Mulujaufer in der Nacht zum 11. d. M. von Beni⸗Ben⸗ Lahi, die erst vor 14 Tagen ihre Unterwerfung angeboten hatten, angegriffen worden. Die Marokkaner wurden mit bedeutenden Verlusten in die Flucht geschlagen. Die Franzosen hatten einen und hcne. gh.
ach einer Meldung aus Rabat soll der Oberst Mangin am 7. d. M. die Tadlaleute geschlagen, ihre Kasba ein⸗ genommen haben und gegenwärtig daselbst lagern.
Parlamentarische Nachrichten
Die Schlußberichte über die gestrigen Sitzungen des Re 9 8⸗ 8
tags und des Hauses der Abgeordnet in der Ersten und weiten Beilage. 3 111““ 8*
— In der heutigen (137.) Sitzung des Reich stags, welcher der Staatssekretär des Innern Dr. Delbraͤch und der Staatssekretär des Reichsschatzamts Kühn beiwohnten, wurde die Generaldiskussion über die Vorlage, betreffend den einmaligen außerordentlichen Wehrbeitrag in Ver⸗ bindung mit den übrigen Deckungsvorlagen fortgesetzt.
Abg. von Payer (fortschr. Volksp.): Auch wir verlangen, daß Wehr⸗ und Deckungsvorlagen gleichzeitig verabschiedet werden. Wir werden uns einer solchen Mehrheit anschließen. Die einheit⸗ liche Auffassung gegenüber der Notwendigkeit der Wehrvorlage werden wir prinzipiell nicht stören. Festgestellt muß werden, daß jeder damit einverstanden ist, daß diesmal nur zu einer Besitzsteuer gegriffen wird und eine Fortsetzung der indirekten
Besteuerung nicht statthaft ist. Die Nationalliberalen haben sich auf die allgemeine Bemerkung beschränkt, daß sie teine
Spielverderber sein wollen. Es ist also möglich, daß eine Ver⸗ mögenssteuer herauskommt. Aber ich fürchte, es wird bei den veredelten Matrikularbeiträgen bleiben. Die Sozialdemokratie ist, auch wenn sie den Vorlagen nicht zustimmt, fest entschlossen, daß nur die besitzenden Klassen herangezogen werden. Sie will also diesmal positiv mitarbeiten. Das Zentrum hat dagegen erklärt, daß es sich weigere, die Deckung für die Ausgaben einer anderen Mehr⸗ heit zu überlassen, als derjenigen, die die Wehrvorlagen bewilligt hat. Es hat ausdrücklich hinzugefügt, daß diese Mehrheit eine bürgerliche sein müsse. Das ist ein Wink mit dem Zaunpfahl gegenüber den Nationalliberalen, aber ein staatsrechtlich unhaltharer Standpunkt. Die Vorschläge, den Kriegsschatz in Gold zu verdoppeln und einen solchen in Silber zu schaffen, sind in der Vorlage nicht genügend be⸗ gründet. Eine weitere Ausgabe von 5⸗ und 10⸗Markscheinen hat doch auch direkt gewisse volkswirtschaftliche und vor allem finanz, und münztechnische Bedenken. Darüber ist kein Wort, gesagt. Ich glaube, der Staatssekretär irrt, wenn er meint, diese Kassenscheine würden von der Bevölkerung gern auf⸗ genommen werden. Im übrigen präsentiert man uns die aller⸗ verschiedensten Steuerentwürfe ohne inneren Zusammenhang und Plan und nur zusammengehalten durch den Gesichtspunkt, daß sie bar Geld einbringen sollen. Dem Versuche, ein Erbrecht des Staats einzuführen, werden wir nicht entgegentreten. Doch glaube ich nicht, daß die Staatsfinanzen dadurch eine große Aufbesserung erfahren. Wir werden deshalb in der Kommission den Gesichtspunkt zur Erwägung vorschlagen, ob mon nicht den Finanzen des Reichs einen größeren Gefallen jut, wein alle diejenigen Hinterlassenschaften, die nach dem Entwurfe, wenn kein Testament vorliegt, nicht dem Staate zufallen, zu einer starken Erbschaftssteuer herangezogen werden können. Die Hinausschiebung des Termins für die Herabsetzung der Zackersteuer
1 89 nen ee hat sich allmähhich edanten vertraut gemacht, daß es mit dieser Herab⸗ setzung noch gute Weile Haf. S 6 8 seier.
h o möchte nur der konser⸗ vativen Auffassung widersprechen, als ob solche Herabsetzung den Konsumenten nichts nützt und die Differenz in die Kasche andeter fließt. Es wird hierbei die Konkurrenz im Kleinverkauf übersehen. Nicht einverstanden sind wir mit dem Zuschlag des Reichs doricedendücanmnsaßstegper sus dem Grunde, weil ja schon 66 — zuschlag die Verhältnisse au ücksm. k⸗ jammernsnent gesaite han⸗ sse auf dem Grundstücksmarkt
(Schluß des Blattes.)
— Das Haus der Abgeordneten setzte in der heutigen (163.) Sitzung, welcher der Minister der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten D. Dr. von Trott zu Solz beiwohnte, die zweite Beratung des Etats des Ministeriums der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten, und zwar zunächst die Besprechung der dauernden Ausgaben für das Elementarunterrichtswesen fort.
Zu den Ausgaben für das Taubstummen⸗ Blindenwesen bemerkt
Abg. Bresler (Zentr.): Bei den schlesischen Taubstummen⸗ anstalten ist ein Mißstand vorhanden, der die Betelligten in außer⸗ ordentlicher Weise bedrückt, das ist die Stellung der Taubstummen⸗ lehrer. Nach dem Dotationsgesetz von 1875 ist die Pflicht der Für⸗ sorge für die Taubssummen den Provinzen auferlegt; diese erhalten einen entsprechenden Zuschuß. Es fragt sich nun: wie steht 7s, mit der Sicherheit der Bezüge der schlesischen Taul stummen⸗ lehrer? Es haben sich für diesen Zweck Vereine gebildet, diese bieten aber keine genügende Garantie für Gehalt, Pension und Reliktengeld⸗ Trotz wiederholier Bemühungen ist es nicht gelungen, den Provinzial⸗ verband zur Sicherheitsleistung für die schlesischen Taubstummen⸗ anstalten in Breslau, Liegnitz und Ratibor zu gewinnen Die Provinz erkennt wohl an, daß sie die moralische Pflicht habe, für die Fehih⸗ zu sorgen, sie weigert sich aber, eine formelle Erklärung abzugeben⸗ Die Unsicherheit der Stellung ist hewiß nicht geeignet, den Taub⸗ tummenlehrern ihre schwierige ufgabe zu erleichtern. Taub⸗ stummenlehrer, die in den Djenst einer schlesischen Anstalt treten, weil sie die Verhältnisse nicht kennen, kehren⸗ ihr nach kurzer Zeit den Rücken und wenden sich an andere Provinzen, wo die Ver⸗ hältnisse sicher sind. Die Staatsregierung sollte nicht einwenden,
und