1914 / 19 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 22 Jan 1914 18:00:01 GMT) scan diff

reis der Braugerste eingewirkt. Diese sogenannte andere Gerste wird zur Malzbereitung bei uns im Inlande verwendet. Der beste Ausweg Feunt mir der in der baperischen Kammer eingebrachte Antrag zu sein, daß sämtliche eingeführte ausländische Gerste zum gleichen Zoll ab⸗ defertigt wird, und daß nur dann, wenn es sich nicht um Gerste andelt, die zur Malzbereitung verwendet wird, die Differenz zurück⸗ istattet wird. Wir haben es gewiß nicht nötig, Futtergerste aus dem uslande zu beziehen. Dies gilt von Süddeutschland; aber ich glaube, zaß auch Norddeutschland für seine Viehhaltung nicht auf das Aus⸗ and augewiesen ist. Wir haben in den Kartoffeln ein vortreffliches

lushilfsmittel mit dem Zusatz von Futtermitteln. Es Hees die Ge⸗ ahr, daß wir im Falle eines Krieges kein Futter vom Auslande be⸗

iehen können, wenn wir auf das Ausland angewiesen wären, wie es la auch beim Fleisch der Fall sein würde. In bezug auf den Hopfen⸗ oll ist Deutschland beim Zolltarif von 1902 zu kurz gekommen. Frank⸗ weich und Rußland, Belgien, Dänemark haben höhere Zölle; nur Sesterreich⸗Ungarn hat einen niedrigeren Hopfenzoll. Bayern baut und ct Hopfen von vorzüglicher Qualität, ebenso Württemberg und ) Der deutsche Hopfenbau geht jetzt unter dem Einfluß der sterreichisch⸗ungarischen Konkurrenz zurück. 1840 war die deutsche

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Anbaufläͤche noch 45 000 ha, in Oesterreich nur 14 000 ha, r1910 in Deutschland nur noch 27 000, in Oesterreich da⸗ gegen schon 21 000 ha. Die Kosten des Anbaues wer⸗

den immer höher, und gerade beim Hopfenbau sind Mißernten und Fehlschläge häufig. Daher ist die Eingabe der Interessenten, die Besserung dieser Verhältnisse fordert, unserer Unterstützung gewiß. Aehnlich liegt es mit dem süddeutschen Tabak, dessen Absatz mehr und mehr erschwert ist. Der Schutz des Gemüses und Obstes, mit dessen Produktion sich vorwiegend die kleinere und mittlere Landwirtschaft be⸗ * faßt, ist ungenügend, die ausländische Konkurrenz sehr bedrohlich; auch * hier können wir die Vorstellungen, die wegen Verbesserung der Zölle an das Reichsamt des Innern gelangen, nur unterstützen. Die Zollerhöhung soll nicht etwa den Zweck haben, die Produkte⸗ der Gärtnerei zu verteuern, sondern nur den, daß unsere heimische Pro⸗ 1 duktion sich der ausländischen Konkurrenz erwehren kann. Spesiell für Bayern kommt noch der Schutz des Meerrettichbaues in Betracht, 8 den ein entsprechendes Gesuch den gesetzgebenden Faktoren noch 185 vorliegt, aber jedenfalls nachgeholt werden wird. Für den roht eine neue Gefahr durch die Eröffnung des Penane a 8 und die damit zu erwartende Herabsetzung der Fracht aus dem den Westen von Nordamerika. Die Weinbauern haben ja durc 8. 3 Weingesetz Hilfe erhalten, die Lage der süddeutschen Winzer ist aber dennoch fortdauernd schlechter geworden. Wenn Milch und Rahm auch sernerhin über die Grenze zollfrei eingehen, so ö wirten in den Grenzbezirken auch der Butterzoll preise gehen stetig zurück; der bayerische Aügan hat dur T or⸗ gänge heute schon eine Schädigung von 10 Millionen 88 verzeichnen; die Produktionspreise für Milch dagegen ö Der 2 e einiger Kommunen, die Milchproduktion selbst in die Hand zu LE billiger zu produzieren, hat Fiasko gemacht. Was 85 Eöö“ zu Rußland bezüglich des Getreides betrifft, so ergeben die Ziffern 8 der Ein⸗ und Ausfuhr nach und von Rußland, daß letzteres ein viel 8 größeres Interesse an einer friedlichen Zollverständigung hat, als wir Rußland gegenüber. Auch die Wünsche der kleinen und mittleren Müller gegenüber den Großmühlen sollten berücksichtigt werden. Die innere Kolonisation zu unterstützen und zu fördern. sind wir bereit, wo sie durchführbar ist, und wo sie verständig durchgeführt wird; ein sprunghaftes, hastiges Vorgehen auf diesem Gebiete lehnen wir ab. Freiherr von Wangenheim hat dieser inneren Kolonisation schon große Dienste geleistet, nicht zum wenigsten durch seine Anregung eines Vor⸗ kaufsrechts des Staates bei Grundstücksverkäufen. Wenn wir unsere Wünsche im Interesse der Landwirtschaft vorgetragen haben, so geschah⸗ 8 es in der Ueberzeugung, daß eine kaufkräftige Landwirtschaft dem Lande im Interesse des Ganzen erhalten bleiben muß.

I Direktor im Reichsamt des Innern Müller: Was die Frage der Aufrechterhaltung des Seuchenschutzes anlangt, so bin ich von dem Staatssekretär beauftragt, zu erklären, daß an dem Seuchenschutz ebenso wie seither festgehalten werden wird. Langfristige Lieferungs⸗ verträge durchzuführen, ist bisher nicht gelungen. Aus dem dem Reichstag vorgelegten Material ist Ihnen bekannt, daß diese Frage in den Verhandlungen der Fleischenquete im Mittelpunkt der Erörte⸗ rungen gestanden hat; die Ansichten sind auseinander gegangen, aber wo eine Stadtverwaltung oder eine landwirtschaftliche Organisatien dazu bereit war, haben wir die Sache aufmerksam verfolgt und soweit 8 möoglich auch das Unserige getan. Der Vorsitzende der Fleischenquete bhat ausgeführt, daß hier nicht allein die Hilfe von der Regierung er⸗ I wartet werden kann; ein gangbarer Weg würde vielleicht der sein, wenn er Landwirtschaftsrat einerseits und der Städtetag anderseits versuchen wollten, die Erörterungen des Problems weiter zu führen, die Reichs⸗ verwaltung würde selbstverständlich bereit sein, diese Bemühungen zu unterstützen, auch eventuell Kommissare dazu entsenden und Material zur Verfügung stellen. Erörterungen über ein Futtermittelgesetz sind schon angebahnt, nachdem die beteiligten preußischen Ressorts in dieser Richtung vorstellig geworden sind, und in nicht allzu ferner Zeit wird

G Sachverständigen sowohl aus den Kreisen der Landwirtschaft wie des

. Handels Gelegenheit gegeben werden, sich über diese Sache auszu⸗

sprechen. Der Abg. Dr. Mayer⸗Kaufbeuren hat auch die Frage des amerikanischen Flaggenzolls berührt, wonach die Einfuhr auf Schiffen unter amerikanischer Flagge eine Vergünstigung von 5. % genießt. Diese Frage hat zurzeit keine aktuelle Bedeutung. Nach einem Rund⸗ schreiben des zuständigen Staatssekretärs sind die amerikanischen Zoll⸗ ämter angewiesen, von dieser Vergünstigung Abstand zu nehmen. Selbstverständlich wird auch diese Frage von der Reichsverwaltung auf⸗ merksam weiter verfolgt. Die neue Bestimmung des neuen amerika⸗ nischen Zollverwaltungsgesetzes bezüglich des eventuellen Zollzuschlags von 15 % bedarf noch weiterer Aufklärung; wir sind mit der Fmerifh. nischen Regierung wegen ihrer Auslegung und Anwendung in Ver⸗ bindung getreten. Es ist dann darauf hingewiesen worden, daß Ruß⸗ land unserer Einfuhr gegenüber unfreundliche Maßnahmen anwendet. So wurde ganz besonders auf die Leineneinfuhr hingewiesen. Man muß überhaupt in dieser ganzen Frage einen Unterschied zwischen Rußland

8 ind Fi Während der finnische Zoll festgesetzt ist, ist 1 und Finnland machen. 82 8 e * der russische Zolltarif autonom. Wir können deshalb rechtlich nichts 8 dagegen einwenden, wenn in Rußland die jetzige Gesetzesvorlage Ge⸗ setzeskraft erlangt. Nach diesem russischen Gesetzentwurf soll gemäß den uns zugegangenen Nachrichten in Rußland ein Getreidezoll von 3,96 für den Bruttodoppelzentner und in Finnland ein Zoll auf Roggen, Gerste, Hafer und Weizen in Höhe von 3,48 und ein Zoll auf Mehl in Höhe von 5,27 für den Bruttodoppelzentner einge⸗ führt werden. Diese Waren, sowohl Getreide wie Mehl, sind seitber zollfrei in Rußland und Finnland eingegangen, nur Mehl ist in Ruß⸗ and mit einem Zoll von 5,93 für einen Bruttodoppelzentner ver⸗ worden. Bei dem Abschluß des jetzigen Handelsvertrages hatte min venen von Getreide nach Rußland nicht 11“ amentlich Inzwischer ist unser Interesse an der Ausfuhr von Getreide, amentlich pop Roggen, nach Rußland ein bedeutend größeres gewor⸗ den, und wir haben allersdags ein Interesse daran, uns diese Ausfuhr uch zu erhalten. Allerdings meine ich aber, daß man sich russischer⸗ ts auch überlegen wird welch großes Interesse Rußland an der Aus⸗ Beutschland hat, und daß Rußland die erbeblichen Kon⸗ zessionen, die wir ihm in bezug auf die Einfuhr von Futtergerste ge⸗ würdigen wird. Aber einen Rechtsanspruch, auf Grund nseres Handelsvertrages die Getreidezölle in Rußland hintanzuhalten, zaben wir nicht. Wegen der geplanten Einführung von Mehlzöllen in innland ist die Reichsregierung mit der russischen Reaierung in Er⸗ örterungen eingetreten. Unsere Einfuhr von Holz aus Rußland ist nicht ganz unerheblich. In dem jetzigen Handelsvertrage verpflichtet sich die kussische Regierung, während seiner Dauer keine Ausfuhrzölle auf Holz u genehmigen und die Holscusfuhr nicht zu erschweren. In den letzten Zahren hat in Rußland allerdings eine Erhöhung der Ehfenbahntarife r verschiedene Holzarten stattgefunden. *Vieß betrifft aber nicht llein die Ausfuhr. Unter ihr hat auch d b it Holz i X₰ 2 8 888 er Verkehr mit Holz im Innern Rußlands zu leiden. Wir können alfo hierin keine Differen⸗ ierung zu unsern Ungunsten sehen. Frankreich E kter

ETö . S eich hat in einigen Punkten

ine verschärfte Durchführung seines Zollgesetzes eintreten lassen. Der

Abg. Mayer führte an der Hand eines Spezialfalles aus, daß diese Maßregel ebenso zum Vorteil unserer Industrie ausschlagen üeee wie seinerzeit das made in germany in England. Uns sind aber sehr lebhafte Klagen aus den Kreisen unserer Industrie über die rigorose Durchführung dieser Bestimmungen zu Ohren gekommen. Wir haben deshalb diese Angelegenheit bei der französischen Regierung zur Sprache gebracht, und diese hat gestattet, bis Ende 1913 die Waren in herigen Weise einzuführen. Da jedoch beabsichtigt wird, die Vor⸗ schriften neu zu regeln, so ist bis zu desenr Htsnn⸗ der Regelung cuch der Termin uüͤber das Ende des Vorjahres hinaus verlängert worden. 11““ Abg. Gothein sfortschr. Volksp.): Ueber die Reichsversiche⸗ rungsordnung sind allerlei Klagen laut geworden. Bei der Riesen⸗ arbeit, die geleistet worden ist, kann man natürlich nicht verlangen, daß sie sich sofort einlebt. Es wäre deshalb ein Unglück, sofort wieder mit neuen großen Gesetzen zu kommen. Es geht uns da wie einer großen Boa constrictor, die auch eine lange Ruhepause braucht, wenn sie ein großes Tier gefressen hat. Der Staatssekretär hat ausgeführt, daß keine Bestimmung so sorgfältig vorbereitet gewesen ist wie die der Landkrankenkassen. Er hat sogar deswegen große Reisen gemacht. Nach dem Erfolge wäre beinahe zu wünschen, in Zukunft die Sache weniger sorgfältig vorzubereiten und mit dem Reisen sich zu mena⸗ gieren. Die Einrichtung der Landkrankenkassen ist das Unglücklichste am ganzen Gesetz. Wir wollten sie wenigstens auf eine gesunde Basis stellen. Das gelang uns aber nicht. Bedauerlich ist es ganz besonders, daß die Selbstverwaltung der Kassen durch dieses Gesetz sehr gelitten hat, indem an ihre Stelle die Bureaukratie trat. Hieraus ergibt sich die Tatsache, daß die Regierung sich jetzt vielfach bemüht, das, was gut war, unmöglich zu machen. Jetzt erleben wir es, daß leistungsfähige Ortskrankenkassen aufgehoben und Landkrankenkassen . eingerichtet werden, an die auch die Bestände der aufgelösten Kassen fallen. Das Reichsamt des Innern sollte doch von dem Grundsatz ausgehen, das bestehende Gute zu erhalten. Die Versicherten sind nicht einmal besser daran. Die Beitragshöhe hat sich vielfach verdoppelt, dagegen sind oft die Leistungen geringer geworden. Früher waren sämtliche Familien⸗ mitglieder mitversichert, das ist jetzt nicht der Fall. Man kann die Er⸗ bitterung über diese Verschlechterung in den Kreisen der Versicherten verstehen. Zu alledem kommt, daß überall eine große Willkürlichkeit herrscht bei der Ausführung der einschlägigen Bestimmungen. Das Gesetz sollte doch nach der Ansicht der Mehrheit, die für das Gesetz stimmte, eine Wohltat sein. Tatsächlich hat dieses Gesetz aroßen Scha⸗ den und Erbitterung geschaffen. Die Rechtssicherheit der Tarifverträge muß gewährleistet werden. Wir begrüßen den Erfolg, den der Staats⸗ sekretär in dem Streit der Kassenärzte mit den Kassen erzielt hat. Dieser Fall zeigt, wie notwendig es ist, daß überhaupt verhandelt wirod. Kanada hat mit seinem Einigungsamt mit Verhandlungszwang sehr gute Erfahrungen gemacht. Die Resolution der Sozialdemokraten über die Binnenschiffahrt ist bei der Verschiedenheit der Verhältnisse nicht durchführbar. Hier ist eine einheitliche Regelung nicht möglich; es kann nur durch Polizeiverordnung für die verschiedenen Ströme ge⸗ holfen werden. Die lange Arbeitszeit, die die Sozialdemokraten bei der Binnenschiffahrt beklagen, existiert eigentlich nicht; es handelt sich dabei nur um eine Arbeitsbereitschaft, nicht um eine ununterbrochene Arbeitszeit. In bezug auf die Nachtruhe haben ja Mißstände bestan⸗ den. Wir sind bereit, für die sozialdemokratische Resolution bezüglich der Sonntagsruhe zu stimmen, nachdem Tarisverträge keinen Erfolg gehabt haben. Was die wirtschaftliche Frage betrifft, so ist der Kapi⸗ talmangel bei gleichzeitiger Geldfülle auf die vielen Emissionen von Staat, Reich und Gemeinden zurückzuführen. In der Aufnahme aus⸗ ländischer Werte muß man gewiß vorsichtig sein, aber man soll nicht das Kind mit dem Bade ausschütten und bedenken, daß in kritischen Zeiten ein starker Bestand an ausländischen Wertpapieren in Deutsch⸗ land vorhanden ist. Wie richtig das ist, beweist das Beispiel Frank⸗ reichs. Der Staatssekretär hat als zweiter Salomo gestern das hohe Lied von der bewährten Wirtschaftspolitik gesungen. Viel⸗ leicht kommt er wie Salomo zu der Erkenntnis: Es ist alles eitel. Ich frage, welche Wirtschaftspolitik meinte er, die Bismarcksche Wirt⸗ schaftspolitik, oder die Caprivische oder die Bülowsche Handelspolitik? Für ihn ist das offenbar eine fortlaufende Wirtschafspolitik, und er beruft sich lediglich auf die Ausfuhrziffern. Wenn schon an und für sich das post hoc, propter hoc sehr wenig schlüssig ist, so ist die Gegenüber⸗ stellung der Ausfuhrziffern noch weniger schlüssia. Gerade unter der Caprivischen Handelspolitik stieg die Ausfuhrziffer sehr hoch. War denn unter der Bismarckschen Wirtschaftspolitik unser Wirtschafts⸗ leben ein glänzendes? Im Gegenteil, es war jammervoll. Man kann nur mit Mißbehagen an jene Zeit zurückdenken. Ich habe das selbst in Schlesien erlebt in einer Stellung, wo ich die Verhältnisse beurteilen konnte. Ich habe aber auch als erster, Syndikus der Handelskammer in Breslau den Umschwung unter der Caprivischen Wirtschaftspolitik erlebt. Der Staatssekretär will jeden Fortschritt auf das Konto der Wirtschaftspolitik schreiben. Nein, es war das Zeitalter der ange⸗ wandten Naturwissenschaft, das den Fortschritt ermöglichte. Die Eisenindustrie nahm ihren Aufschwung, sie hatte schon vor Einführung der Zölle eine aktive Handelsbilanz; sie führte Fertigfabrikate in großen Massen aus. Ausschlaggebend war vor allem die Einführung des Bessemerverfahrens. Aehnlich war es in der chemischen Industrie, der Elektrotechnik, im Berabau, in der Musikinstrumentenindustrie, die keinen Zollschutz hatte. Wie sollte hierauf die Zollschutzpolitik ein⸗ wirken, zumal da sie sich im Zickzack bewegte? Die Freihandelsländer wie Belgien und die Schweiz beweisen uns, daß es ohne Zoll geht. Der Staatssekretär meinte, Frankreich und Nordamerika hätten nicht so rapide Fortschritte gemacht. Nun, Frankreich und Nordamerika sind noch schutzzöllnerischer als wir! Immanuel Kant würde sich im Grabe umdrehen, wenn er die Logik vom Regierungstische hörte. Einer der Hauptgründe für den großen Aufschwung der deutschen Volkswirtschaft ist die deutsche Mutter, die uns viel Kinder zur Welt brinat, während in anderen Ländern die Bevölkerunaszahl stagniert. Die Technik hat die Länder einander viel näher gerückt, und auch daraus mußte dieser gewaltige Aufschwung des Weltverkehrs und unsere Beteiligung daran erwachsen. Die Schutzzölle können die weltwirtschaftliche Entwicklung wohl etwas hemmen, aber dauernd aufhalten können sie sie auch nicht. Der Staatssekretär durfte doch auch an den Entwicklungstendenzen seit 1906 nicht vorübergehen. Vergleichbar ist überhaupt erst das Jahr 1907, weil es vorher nicht das gleiche Warenschema gab. Gewiß haben wir auch von 1907 bis 1912 eine enorme Steigerung, namentlich der Ausfuhr. Aber mit solchen allgemeinen Zahlen ist uns wenig bewiesen. Bei näherer Untersuchung erkennt man zum Beispiel, daß der Steige⸗ rung der Getreideausfuhr von 158 Millionen eine Steigerung der Ein⸗ fuhr in etwa derselben Höhe gegenübersteht; eine Folge des Einfuhr⸗ scheinsystems. Aehnliches zeigt sich bei einer großen Anzahl von Pro⸗ dukten. Bei Tieren und tierischen Erzeugnissen steht einer Mehraus⸗ fuhr von 72 Millionen eine Mehreinfuhr von 527 Millionen gegen⸗ über. Insgesamt entfallen von der Mehrausfuhr an Er⸗ zeugnissen der Landwirtschaft, an Rohstoffen, Halb⸗ und Fertigfabri⸗ katen nur 17 % auf die letzteren. In der Eisenindustrie stieg die Ausfuhr bei Roheisen um 272 *ℳ., bei Fertigfabrikaten nur um 56 bis 27 *15I, ja bei den Erzeugnissen der Kleineisenindustrie, in denen wir früher den Weltmarkt beherrschten, nur um 19 *%. Das sind die Wirkungen dieser „bewährten“ Schutzzollpolitik! Die Kartelle haben die Schutzzölle ausgenutzt. Der Kollege Dr. Mayer⸗Kaufbeuren hat mit vollem Recht auf diese bedenklichen Wirkungen der Kartellbildung hingewiesen; aus der großen Kartellenquete, die vor etwa zehn Jahren veranstaltet wurde, ist aber nichts herausgekommen. Für den Zen⸗ trumsantrag wegen Vorlegung eines Kartellgesetzes haben wir ja im vorigen Jahre auch gestimmt, denn der Antrag war harmlos, das bischen Staatsaufsicht macht es nicht. Der preußische Fiskus hat ja im großen und ganzen diese Kartellpolitik auch ruhig mitgemacht; Aus⸗ nahmen wie beim Kohlensyndikat bestätigen die Regel. Die Erxport⸗ für Fttü sege aus der Papier⸗ und Textilindustrie, wie ei Leder, Erzeugnissen der Feinmechanik, bei Edelmetallwaren, be⸗ stätigen die Wahrnehmnug eines Rückganges. eh mehr man die Statistik durchmustert, desto mehr befestiat sich die Ueberzeugung, daß diese „bewährte“ Schutzzollpolitik die Ausfuhr von Rohstoffen und Halbfabrikaten günstig beeinflußt, auch den Export von Produktions⸗ mitteln, wie Maschinen gefördert, aber bei allen Fertigerzeugnissen einen

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Rückgang bewirkt hat. Eine solche Eneegc ung eine segensreiche, sondern nur als eine bedauerliche bezeichnen. Natür lich sind die Engkänder über die deutsche Verschleuberung de Halbzeuges in das Ausland sehr erbaut. Gerade in den Arkikeln an denen sehr viele Arbeitsleistung haftet, kommen wir auf dem Welt⸗ markt ins Hintertreffen. Auch unsere E11“ sind in diese Beziehung schlechter geworden. Amerika seinerseits hat erkannt, daß seine Politik keine Folitik zum Schutz der nationalen Arbeit, sor dern nur eine Politik ven Scsute der nationalen Rente gewesen ist Auch die Mehrausfuhr von 1913 beruht auf denselben Grundlagen wie in den vergangenen Jahren. So ist gerade Getreide und Mehl mehr ausgeführt worden. Wir haben aber jetzt nicht mehr vergleichbare Zahlen wie früher, da eine andere Bewertung unserer Ausfuhrwerte eingetreten ist. In der Eisenindustrie machen wir eine schwere Krise

kann man nicht al

durch. Die Preise gehen zurück. Trotzdem sind sie, wie guch in anderen Industriezweigen, in den monatlichen Ausweisen höher ein gesetzt. Das verstehe ich nicht. Die Kartelle sollen allerdings di

Stetigkeit der Preise verbürgen. Es ist auch einmal ausgeführt worden, daß in der schwankenden Konjunktur die Kohlenpreise der feste Fels gewesen sind. An ihm ist aber gerade manches Schiff gescheitert Der neue Zolltarif hat der Landwirtschaft großen Nutzen gebracht. Sie soll unsere Bevölkerung ausreichend mit Nahrungsmitteln versorgen können. Trotzdem nimmt die Einfuhr von Nahrungsmitteln von Jahr zu Feihe zu. Entgegen den Worten des Staatssekretärs ist die Anbau⸗ fläche für Getreide und Kartoffeln sehr gewachsen. Es soll aber auch kein Zusammenhang zwischen der Vergrößerung der Anbaufläche und den Einfuhrscheinen bestehen. Nun ergibt sich aber, daß gerade im Osten, der das meiste Interesse an den Einfuhrscheinen hat, die Anbau⸗ fläche am meisten gewachsen ist. Im Westen ist sie sogar an manchen Stellen zurückgegangen. So hat man mir gegenüber geklagt, daß gerade in Ostpreußen die besten Wiesen zum Ziehen von Exportroggen benutzt werden. Bei Einführung der Getreidezölle behielt man den Identitätsnachweis bei. Dadurch wurden die ostdeutschen Seestädte und die Müllerei geradezu ruiniert. Diesen Schäden wollte mein Freund Rickert und auch Richter entgegentreten. Die Einfuhrscheine haben sie nie gefordert, sie hatten sogar die größten Bedenken dagegen. 8 1894 führte Rickert aus, daß einmal mehr aus⸗ als eingeführt werden würde; er wandte sich gegen die Möglichkeit der Exportprämie. Der damalige Finanzminister Miquel verneinte dies; das Gesetz würde dann seinen Zweck verfehlen. Es wurde ein Gesetz Gamp beschlossen, wo⸗ nach die Einfuhrscheine 4 Monate nach ihrer Ausstellung zur B gleichung auch anderer Waren benutzt werden konnten. Erst der Bülowtarif von 1906 hat das jetzige Verfahren herbeigeführt. Da⸗ durch ist eine große Schädigung der Reichskasse verursacht worden. Dieser Verlust ist auch dann noch sehr groß, wenn man annimmt, daß entsprechend mehr Futtergerste eingeführt wird, weil der Zoll zür Futtergerste nur 1,30 beträgt. Der Verlust der Reichskasse beträgt für das laufende Jahr 40 Millionen. Hier sollte der Reichsschas sekretär ein Wort mitreden, aber er darf es nicht, wenn es sich um die Interessen der Agrarier handelt. Alles das ist eingetreten, was Rickert befürchtet hat. Heute soll es keine Ausfuhrprämie sein, das paßt nicht mehr in Ihr System. Ob aber das Ausland auch derselben Meinung ist, ist eine andere Frage. Amerika hat bereits kundgegeben, daß es sich um Exportprämien handelt. Wir wollen die Einfuhrscheine gewiß nich aufheben, wir wollen an ihnen festhalten im Interesse des Bften, aber in der früheren Form, von der allerdings der Staatssekretär Delbrück gesagt hat, daß sie wichte nütze. Man könnte dann den Getreidebau allerdings nicht so fördern, wie es jetzt der Fall ist. Im Osten v der überschüssige Roggen zu Viehfutter verwendet. Das ist seh vernünftig. Der Abg. Dr. Böhme gab den kleinen Landwirten den Rat, statt Roggen Weizen zu bauen. Dieser weise Rat gehört in den Papierkorb, denn die kleinen Bauern haben nicht den nötig Boden. dazu. Auffallend ist ein Aufruf des Verbandes Märkischer Milchproduzenten in der „Deutschen Tageszeitung“, worin die Genossen aufgefordert werden, möglichst die Milchproduktion einzuschränken, um höhere Milchpreise zu erzielen. Das ist ja sehr menschenfreundlich gerade in der jetzigen Zeit! Wir treten für die Verbilligung der Futter⸗ mittel ein; der Vorschlag des Abg. Weilnböck ist praktisch undurch⸗ führbar für die Steuerbehörde und würde nur den roßgrundbesitzern zugute kommen. Die russische Gerste ist für Brauzwecke überhaupt nicht zu verwenden. Man sagt, diese Zollpolitik habe zu einer außer⸗ ordentlichen Steigerung der Kleinbetriebe geführt. Das liegt an der Tätigkeit der Ansiedlungskommission und an der Gegenbewegung der Polen. Kauft ein Großgrundbesitzer einen Bauernhof, so wird dieses Gut auch weiter als Bauernhof in der Statistik geführt. So kommen die großen Zahlen zustande. Die Großgrundbesitzer mögen noch so viel Bauern legen, deren Höfe werden ruhig in der Statistik weite gezählt. Selbst die Großherzoglich Sachsen⸗Weimarische Fideikom⸗ mißverwaltung hat in der letzten Zeit eine ganze Menge von Bauern im Kreise Münsterberg gelegt. Privatleute machen es ebenso, ferner Graf Douglas usw. Der Großbetrieb entvölkert das Land. Dies gilt namentlich von Pommern und besonders von meinem Wahlkreise Wenn der ganze Regierungsbezirk etwas an Einwohnerzahl zugenom men hat, so liegt das lediglich an den Städten Greifswald und Streo sund und an den Badeorten. Professor Sehring hat im Landesökono⸗ miekollegium nachgewiesen, daß sämtliche ländlichen Ortschaften Pon merns an Bevölkerungszahl abgenommen haben, wo nicht eine Au teilung des Großbesitzes stattgefunden hat. Diese Erscheinung hat die Landesverteidigung ihre großen Bedenken. Wie weit die Ent⸗ völkerung schon vorgeschritten ist, zeigt die Tatsache, daß die Land⸗ arbeiter bei der Gestellung, wenn man den Landesdurchschnitt mit 100 ansetzt, nur 85 9 liefern. Abhelfen kann hier nur die Ansetzung möglichst vieler selbständiger kleiner Existenzen. In immer steigenden Maße arbeitet der Großgrundbesitz mit ausländischen Saisonarbeitern Jetzt plant Oesterreich gesetzgeberische Maßnahmen, um die Auswande rung zu erschweren. Ebenso macht Rußland Miene, uns den Zustrom der russischen Landarbeiter zu sperren. Man tröstet sich mit der freundnachbarlichen Einwirkung auf Oesterreich und erklärt Rußland durch den Handelsvertrag für gebunden. Aber die russische Bureau⸗ kratie hat auch noch andere Mittel, uns in dieser Beziehung beizu⸗ in eine sehr schlimme Lage ge⸗

kommen; wir könnten dabei schließlich raten, und es existiert nur ein einziges Mittel, sie abzuwenden, und dieses heißt: innere Kolonisation. Die Ziffern, die der Staatssetretär über die Vermehrung der Schweine gegeben hat, werden von landwirt⸗ schaftlichen Autoritäten als erstaunlich bezeichnet und für irrtümlich gehalten. Es wird immer pathetisch betont, die deutsche Landwirt⸗ schaft sei sich ihrer Pflicht, für die deutsche Volksernährung zu sorgen voll bewußt; und dabei wird diese Erklärung immer von denen ab⸗ gegeben, die sich am wenigsten dafür interessieren, von den Vertretern des Großgrundbesitzes. Von einem Pflichtgefühl der deutschen Land⸗ wirtschaft läßt sich wohl überhaupt nicht sprechen; eher könnte man sagen, daß die deutsche Zuchtsau ihre Pflicht gegen das Vaterland 8 füllt habe. Vielfach wird angenommen, die Erhaltung des Groß⸗ grundbesitzes in seinem jetzigen Bestande sei notig, um die bisherine Menge des Getreidebaues für die Zukunft zu sichern. Aber alch di 8 Annahme trifft nicht zu; die Hektarerträge bei den Renternagütee haben in höherem Maße zugenommen als bei den Großgütern Sgenn stärker ist das Uebergewicht des Kleinbetriebes bezüglich der tie t Erzeugnisse. Der jahrliche Bevölkerungszuwachs von 840 000 Mern schen erfordert ebenfalls die energischste Hebun der inneren Kolonte sation.é Was aber seitens der preußischen Regierung dafür schi ht, ist minimal. Im Kreise Grimmen nahmen die Domänen 20 9 Fchei⸗ kommisse 12 9% der ganzen Fläche ein, und alles wird daran⸗ esetzt ldaß die Domänen weiter im Großbetriebe verpachtet werden 88 Frafe Franzburg sind 29 der Fläche Fideikommisse und 15 Stiftsgüter Wenn Preußen hier so absolut versagt, wie es der Fall ist, würde allch ich schließlich geneigt sein, dem Vorschlag des Dr. Böhme folgend, das sich mit der inneren Kolonisation zu bettauen. Die Arbelteransiebler sind zu klug, um sich auf die Riepenhausenschen Heimstätten einzu⸗ lassen, weil sie damit wieder höͤrig gemacht werden würden; ländliche Arbeiter kann man aber nicht ansiedeln, wo der Großgrundbesitz ist, sondern nur da, wo gemischter Besitz sich vorfindet. Auch die rapibe Steigerung der Lebenshaltung soll bei uns in rascherem Maße zu einer Steigerung der Lebensbedürfnispreise geführt haben, als etwa in Eng⸗ land; aber wenn das richtig ist, Horr Staatssekretär, wozu brauchen