wäre nicht angebracht, einen Antrag anzunehmen, mit dessen Wort⸗ laut man nicht einverstanden ist. Herr Abg. Schroeder hat etwas ganz anderes ausgeführt als das, was im Antrage Schmedding steht. Er hat gesagt: die Provinzen sollen alle gemeingefährlichen Kranken und Irren nach wie vor behalten, nur nicht diejenigen, die lediglich wegen ihrer Gemeingefährlichkeit untergebracht werden müssen. Wie man hier in der Praxis die Entscheidung treffen will, ist außer⸗ ordentlich schwierig. Ich glaube, ein gangbarer Weg wird nach dieser Richtung kaum zu finden sein.
Herr Abg. Schmedding hat in seinem Antrage etwas ganz anderes vorgeschlagen; er hat gesagt: alle gemeingefährlichen Kranken sollen dem Staat zur Last fallen, soweit sie nicht hilfsbedürftig sind; da⸗ gegen sollen den Provinzen nach wie vor diejenigen gemeingefährlichen Irren verbleiben, die hilfsbedürftig sind; und das ist wohl die große Mehrzahl. Nach dem Antrage des Herrn Abg. Schmedding würde ein Bruchteil von gemeingefährlichen Irren in besonderen, neu mit großen Kosten vom Staate zu errichtenden Irrenaastalten unter⸗ gebracht werden müssen, während die Provinzen nach wie vor genötigt⸗ wären, für die übrigen, nämlich für die hilfsbedürftigen gemein⸗ gefährlichen Kranken sehr erhebliche Aufwendungen zu machen. Sie können nicht wie andere nicht gemeingefährliche Irre behandelt werden, sondern es würden nach wie vor besondere Sicherheitsabteilungen für sie geschaffen werden müssen; es würden besondere Unstalten für sie gebaut werden müssen, wenn einzelne Sicherheitsabtei⸗ lungen nicht ausreichen, und die Zahl der Pfleger würde für diese nach dem Antrage Schmedding den Provinzen verbleibenden gemeingefährlichen Kranken ungefähr ebenso groß sein müssen, wie es jetzt der Fall ist. Ich kann weder die Regelung, die Herr Abg. Schröder befürwortet, noch die, die Herr Abg. Schmedding befür⸗ wortet hat, für besonders zweckmäßig —
Nun Schröder gesagt: ja, warum soll eine Teilung in g Aeraha möglich sein? Möglich gewiß, aber ob es zweckmäßig ist, von dem gesamten Irrenwesen einen Zweig los⸗ zulösen und kleinen Teil der Irren infolgedessen anders zu be⸗ handeln als den anderen, noch dazu wenn die Voraussetzungen der Heilbarkelt usw. hier ausscheiden, was bei beiden Anträgen der Fall sein würde — G also beide Gruppen unheilbare Irre erhalten sollten, so glaube ich, daß dieser Vorschlag in der Tat außerordentlich unzweck⸗ mäßig ist. 4 8
Meine Herren, dieser Vorschlag ist aber nicht nur unzweckmäßig, sondern er widerspricht auch einer Tendenz, dle ganz allgemein in diesem hohen Hause vertreten worden ist, beispielsweise bei den Er⸗
örterungen über die Notwendigkeit einer Verwaltungsreform im Jahre 1909. Es ist damals gesagt worden, der Staat solle so viele Auf⸗ 11s so viele Funktionen wie nur irgend denkbar den Kom⸗
gaben wie möglich, 8 8 1 munen Kommunalverbänden übertragen, weil diese als den Verhält⸗ nissen an Ort und Stelle näherstehende Körpers chaften in der Lage sind, die Sache besser zu machen als der Staat; es ist die Abwälzung, die D ezentralisation staatlicher Aufgaben auf Kommunen und Kommunal⸗ b ba de im denkbar weitesten Umfange verlangt worden. Hier soll
erbände I“ . nun auf einmal ein Rückschritt gemacht werden; hier soll ein Zweig, der entsprechend seiner ganzen Natur den Provinzen, den Landarmen⸗ verbänden, den Kommunalverbänden übertragen ist, wieder abgetrennt werden, und der Staat soll eine Aufgabe übernehmen, die er ganz zweckmäßiger und natürlicherweise den Kommunalverbänden bereits
übertragen hatte. Das widerspricht der ganzen Tendenz der neueren Gesetzgebung, der Tendenz, die auch in diesem hohen Hause bei Be⸗ fürwortung der Verwaltungsreform in erster Reihe geherrscht hat; das widerspricht auch der Tendenz, die in der Immediatkommission mehrfach hervorgetreten ist.
Aus diesen Gründen glaube ich nochmals anempfehlen zu sollen, sich nicht auf den Antrag des Herrn Abg. Schmedding festlegen zu wollen, weil er, selbst wenn man seine Tendenz als gerechtfertigt ansehen wollte, sachlich nicht zweckmäßig ist, vor allem aber weil die ganze Tendenz, von der er ausgeht, eine unzutreffende ist.
Abg. Dr. Flesch (fortschr. Volkp.): Eine klare gesetzliche Re⸗ gelung dieser Frage erscheint durchaus wünschenswert. Ich kann jedoch im allgemeinen nicht anerkennen, dcß die Mißstände zu groß sind. Wir werden für den Antrag Braun stimmen, ebenso werden wir den Antrag Schmedding annehmen. Allerdings gefällt uns der Wortlaut besser, den der Berliner Magistrat in einer Pe⸗ tition vorgeschlagen hat, daß die Fürsorge für die Geisteskranken, deren Unterbringung in besonderen Anstalten sich im Interesse der öffentlichen Sicherbeit empfiehlt, vom Staat übernommen wird. Wenn auf die Gerichtsentscheidungen hingewiesen wird, so erinnere ich daran, daß auch der § 1 des Fürsorgeerziehungsgesetzes von den Ge⸗ richten in einer Weise ausgelegt worden ist, wie es den Intentionen des Gesetzgebers nicht entsprach. Wir stehen vor dem Dilemma, ent⸗ scheiden zu müssen, ob die Sache ortspolizeilicher Art ist — dann haben die Gemeinden die Kosten zu tragen —, oder ob sie sicherheits⸗ polizeilicher Art ist — dann muß der Staat die Kosten übernehmen. Für uns in Frankfurt handelte es sich einmal. zum die Unterbringung Imes gemeingefährlichen geisteskranken Anarchisten; dazu hatten wir nicht die geeigneten Räumlichkeiten, jedenfalls war das nicht eine Aufgabe ortspolizeilicher Art. Der Abg. Schmedding sagte gestern, wem das überwiegende Interesse bei den Ver⸗ bänden liege, dann gehöre diese Aufgabe den Verbänden; wenn das überwiegende Interesse beim Staate sei, dann gehöre sie dem Staate. Das ist schwer zu entscheiden, dagegen ist es ein in diesem Hause dielfach vertretener Wunsch, so zu unterscheiden, daß die Wohlfahrts⸗ pflege Sache der Selbstverwaltung, die Sicherheitspolizei Sache des Staates sein soll. Diese Unterscheidung muß gerade bei der Irren⸗ frage scharf zum Ausdruck kommen. Der Schutz der Allgemeinheit vor gemeingefährlichen Geisteskranken ist eine Aufgabe der Sicher⸗ heitspolizei, und darum muß in erster Linie der Staat eintreten und die Gemeindeverbände von dieser Aufgabe befreien. Mit dem Antrage Schmedding kommen wir einen Schritt vorwärts, nicht zur Entlastung der Verbände, aber zur Verbesserung der Irrenpflege. Ich bitte des⸗ halb die Regierung, angesichts des einmütigen Votums dieses Hauses ihren ablehnenden Standpunkt aufzugeben. 1 E“
Abg. Dr. Liebknecht (Soz.): Die Wichtigkeit dieser An⸗ träge ergibt sich aus der außerordentlich hohen Zahl der Geistes⸗
ranken, die in unseren Irrenanstalten untergebracht sind. Immer wenn durch Geisteskranke schwere Unglücksfälle verursacht werden, richtet 8 eisteskranke 1 w Irrenpflege Der Fall 5 sich das Augenmerk auf unsere Irrenpflege. Ler Fe. Wagner hat dazu geführt, daß von allen Seiten eine schärfere Be⸗ obachtung der Geisteskranken gefordert wurde. Die Frage, die der Antrag Schmedding anschneidet, ist eine nebensächliche gegen⸗ über der allgemeinen Forderung der Regelung des Irrenrechts. Für die praktische Behandlung der ganzen Frage ist es am besten, eine Unterscheidung von gemeingefährlichen und ver⸗ brecherischen Geisteskranken außer acht zu lassen. Es ist ganz gleichgültig, ob der Geisteskranke schon mit den. Straf⸗ gesegen in Konzlikt gekommen ist oder nicht. Das Wesentliche bleldt och, daß die Geisteskranken eine Gefahr für die Oeffentlichkei 1 1 . Lemeingefährlichen Geisteskranken müssen in besonderen Ansta en auf Kosten des Staates interniert werden. Die Inbaber der Irren⸗ anstalten haben den lebhaften Wunsch, daß sie von g neingefährlichen
Geisteskranken verschont bleiben. Der Staat sollte sich nicht in Fists ene trettigkelten mit den Gemeinden einlassen. Hier steht ein Interesse aller Staatsbürger in Frage. Schon aus polizeilichen Gesichtspunkten hat der Staat die Pflicht, für diese Irren zu⸗ sorgen. Dem Antrage Schmedding werden wir, obwohl wir im einzelnen Be⸗ denken gegen ihn haben, unsere Zustimmung geben. Viel wesentlicher als dieser Antrag ist aber unser Antrag. Er entspricht wörtlich dem Be⸗ schlusse, den dieses Haus am 26. April im vorigen Jahre einstimmig gefaßt hat. Es will mir nicht einleuchten, weshalb eine erneute Kommissions⸗ beratung erforderlich sein sollte. Das Haus würde sich selbst damit ein Mißtrauensvotum ausstellen. Die Regelung des Irrenrechts ist eine durchaus dringliche Frage. Die Materie ist in Preußen nicht einheitlich und gründlich genug geregelt. Sie ist je nach den Provinzen ver⸗ schieden behandelt. Die Ällgemeinheit hat ein Recht darauf, ge⸗ schützt zu werden gegen gefährliche Irrsinnige und gegen unrecht⸗ mäßige Internierung. Ich gebe gern zu, daß die Zahl der zu Un⸗ recht erfolgten Internierungen in letzter Zeit erheblich abgenommen hat. Aber wir wollen auch jeden Einzelfall von unrechtmäßiger Inter⸗ nierung unmöglich machen. Den Geisteskranken muß ein Recht darauf gegeben werden, daß ihre Korrespondenz nicht von den Anstalts⸗ leitern zurückgehalten wird. Die Internierten sind auf Gnade und Ungnade den sie behandelnden Aerzten verfallen. Hier muß Abhilfe geschaffen werden. Ich erwarte, daß Sie unseren Antrag sofort an⸗ nehmen und nicht an die Kommission verweisen. Es ist wirklich an der Zeit, hier eine Regelung endlich eintreten zu lassen. 3
Abg. Viereck (freikons.): Meine politischen Freunde stimmen dem Antrag Schmedding in vollem Umfange zu. Der Schutz der Allgemeinheit kommt nicht nur der Gemeinde zugute, sondern dem ganzen preußischen Volke, denn man kann nicht wissen, gegen wen sich die Uebergriffe des Kranken richten. Darum meinen wir, daß der Staat verpflichtet ist, für die Unterbringung der⸗ jenigen Geisteskranken zu sorgen, deren Unterbringung zum Schutze der Allgemeinheit für erforderlich erachtet wird. Im einzelnen handelt es sich ja dann um Zweckmäßigkeitsfragen. Der Finwand des Ministers, daß erst auf die Novelle zum Reichsstraf⸗ gesetzbuch gewartet werden müsse, erscheint mir nicht durchschlagend. Bei dem Antrage der Abgg. Braun und Genossen auf Vorlegung eines Gesetzentwurfs zur Regelung des Irrenrechtes müssen natürlich von vornherein solche Fragen wie die bürgerliche Geschäftsfähigkeit und ähnliche ausscheiden, weil diese durch Reichsrecht geregelt sind, wohl aber können die übrigen Fragen landesrechtlich geregelt werden. 1 8 Ministerialdirektor Dr. Freund: Es ist hier ausgeführt worden, daß die Sorge für die gemeingefährlichen Geisteskranken nicht der Ortspolizei, sondern der Landespolizei zur Last falle. Demgegen⸗ über möchte ich bemerken, daß diese Sorge, selbst wenn sie über den Umfang eines Ortspolizeibezirks hinausreicht, auch dann ein Gegen⸗ stand nicht der Landespolizei, sondern der Ortspolizeibehörde ist. Dies hat schon der Minister hervorgehoben, da es sich um die Rege⸗ lung der Kostenfrage handelt, denn die Kosten für die Maßregeln der Wohlfahrtspolizei trägt die Gemeinde, die Kosten für die Sicher⸗ heitspolizei aber der Staat.
Abg. Dr. Schmedding (Zentr.): Es freut mich, daß unser Antrag allseitig beifällig aufgenommen wird. Ich will ihn jed och mit Rücksicht auf die Erklärung des Ministers noch einmal beleuchten. Es ist richtig, daß man diese Angelegenheit auf die Provinzialver⸗ bände abwälzen will, wir stehen aber auf dem Standpunkte, daß unser Antrag besser und billiger zum Ziele führt. Die Differenz, die der Minister zwischen den Ausführungen des Abg. Dr. Schröder und dem Antrage zu finden glaubte, ist nur scheinhar. Es hat schon schwerere Probleme gegeben, die sehr bald glücklich und gründlich ge⸗ löst worden sind. Der Kernpunkt des Antrages liegt dem Hause schon zum dritten Male vor. Ich hoffe deshalb, daß der Antrag an⸗ genommen wird.
Abg. Dr. Liebknecht (Soz.): Die Regelung dieser Frage ist außerordentlich dringlich. Der jetzige Zustand macht einen Geistes⸗ kranken vollkommen rechtlos. Kranke und Angehörige von Kranken verbergen die Krankheit, weil der Mann dann wie lebendig begraben ist. Es müssen Rechtsgarantien für ihn geschaffen werden.
Eminente öffentliche Interessen sprechen für eine schleunige Erledigung der Sache. Ich frage den Minister, wie weit die Vorarbeiten wegen eines Irrengesetzes gediehen sind.
Minister des Innern Dr. von Dallwitz: Auf diese Anfrage habe ich zu erklären, daß ich infolge der letzt⸗
jährigen Resolution an den Herrn Justizminister herangetreten bin, und daß die Verhandlungen bisher noch nicht abgeschlossen sind.
Das Haus geht zur Behandlung der von der allgemeinen “ ausgeschiedenen nordschleswigschen Frage über.
Abg. Johanssen (freikons.): In der vorigen Woche hat Schleswig die vor 50 Jahren fJne Befreiung — der herrschaft in erhebender Weise gefeiert. Im Dezember hatte schon eine ganz anders geartete, anderen Motiven entsprungene imposante Versammlung die Nordmarkenfrage in den Vordergrund des poli⸗
tischen Interesses gerückt. Die Entwicklung der Dinge bei uns im Norden nimmt eine ernste Wendung. Professor Daenell⸗Kiel charakterisiert sie in einer ausgezeichneten Broschüre: „Das
Dänentum in Nordschleswig ist dem Ziele nicht mehr fern, ein politisch geschlossenes Gemeinwesen zu sein, das auch in kultureller, religiöser, sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht ein eigenes nationales Gepräge trägt“”. Die Zunahme der dänischen Agitation an Ausdehnung und Intensität hat der Minister in der Kommission zugegeben. Das Jahr 1912 nannte die dänisch gesinnte Presse ein reiches und frucht⸗ bares Jahr, das Jahr 1913 nennt „Flensborg Avis“ ein gesegnetes Jahr. Bei der Reichstagswahl betrug der Zuwachs der dänischen Stimmen 11,76 %, der stärkste Zuwachs seit 1876 in einer Legislaturperiode. Bei der Landtagswahl 1913 gewannen die Dänen in den Kreisen Hadersleben und Apenrade 10 und 27 Wahlmänner, dank ihrer straffen Organisation im Vereinswesen. Neben dem Sprachverein, dem Wählerverein und Schulverein mit Hunderten von Zweigvereinen gibt es Frauenvereine, Jugendvereine und Jugendverbände, Enthaltsamkeitsvereine sowie 17 Sängervereine. Von 1908 bis 1913 stieg die Zahl der dänischen Versammlungen von 568 auf 922, im Kreise Tondern fanden im letzten Jahre 250 Versammlungen statt, 1907 noch nicht 10. Besonders nehmen sich die Dänen der Jugend und der schulentlassenen Jugend an. Der Schul⸗ verein sandte von 1911 bis 1913 1219 Jugendliche auf dänische Hoch⸗ und Nachschulen. Als fanatische Deutschhasser kommen die jungen Leute wieder zurück. Die Arbeit an der Jugend wird aufs wirk⸗ samste von dem Frauenverein in 94 Ortsgruppen unterstützt. Die sogenannten Versammlungshäuser sind als Trutzburgen über ganz Nordschleswig in einer Zahl von 51 verstreut. Ihre Verhand⸗ lungen entziehen sich der Oeffentlichkeit, aber das Resultat ist die Schürung des Hasses gegen alles Deutsche und die Förderung des Gedankens der Wiedervereinigung mit Dänemark. Auch wirt⸗ schaftlich sind die Dänen organisiert in Kreditvereinen, Banken und landwirtschaftlichen Vereinen. Der Verein „Landschutz“ soll die deutsche Besitzfestigung hemmen, die vom „Flensborg Avis“ als „Bauernfanggesetz“ verhöhnt wird. Die Deutschen werden in jeder Weise wirtschaftlich geschädigt, die Agitation erstreckt sich schon auf
die Städte, die bisher noch das Bollwerk des Deutschtums waren.
Die Geistlichen säen offene Zwietracht. Daß diese Agitation erfolg⸗ reich durchgeführt werden konnte, dafür liegt die Schuld auch auf unserer Seite. Die Regierung hat zeitweise den Ernst der Lage in der Nordmark nicht genügend erkannt und berücksichtigt. Sie hat durch ihre nicht gleichmäßige, nicht energische Politik, durch ihr Schwanken von Milde zu Strenge und von Anläufen zu Strenge wieder zur Milde den Mut der Dänen gehoben. Ein Hauptfehler war der Optantenkindervertrag von 1907, durch den 5000 Dänen preußische Staatsbürger wurden, die aber dänisch stimmten und agitierten. Der Minister sagte in der Kommission,
aber das Vereins⸗ und Versammlungsrecht gebe wenig Befugnis zum Einschreiten. Ja, warum hat die preußische Regierung nicht im
Bundesrat durchgesetzt, daß ihr die wenigen Befugnisse, die sie noch hatte, nicht durch den Reichstag genommen wurden
und warum setzt sie nicht alles daran, wirksame Handhaben wieder zu bekommen zur Bekämpfung der dänischen Agitation? Auch der preußische Landtag hat schuld. Nur wir Schleswig⸗Hol⸗ steiner sprechen hier über den Ernst der Lage, aber jeder preußische Abgeordnete sollte sich um die Nordmark kümmern und den Deutschen dort den Rücken stärken, damit nicht ein Teil Preußens im Frieden zu Feindesland wird. Auch die nationale Presse hat ihre Pflicht nicht erfüllt. Welches große preußische Blatt sat die Wucht der imposanten Nordmarkversammlung in Flensburg vom 14. Dezember gewürdigt? Wir alle in der Nordmark sollten die Parteiunterschiede vergessen und nur den deutschen Standpunkt einnehmen: Hie gut deutsch allewege. Die einzige Parole sollte lauten: Alle Deutschen geschlossen gegen das Dänentum! Gegen die dänische Sprache und gegen die vortreffliche Be⸗ völkerung Nordschleswigs kämpfen wir nicht. Wir wollen aber das Deutschtum wirtschaftlich und politisch stärken. In wirtschaftlicher Beziehung tut die Regierung manches, aber es muß energischer und schneller, frei von Bureaukratismus geschehen. Wenn der Finanzminister etwa den Bau der längst geforderten Küstenbahn hindert, muß der Ministerpräsident ein Machtwort sprechen. Gute Bahnverbindungen nach dem Süden, bessere Verkehrswege, Aufschließung und Kultivierung von Oed⸗ und Moorland, die An⸗ siedlungstätigkeit sind in Angriff genommen, müssen aber energischer be⸗ trieben werden. Wann endlich kommt das Parzellierungsgesetz? In politi⸗ scher Hinsicht kommt die Frage der Staatenlosen in Betracht. Meine Partet hat im vorigen Jahre die Erwartung ausgesprochen, daß die Regierung nach den unglücklichen Erfolgen des Optantenvertrages keinen ähnlichen Vertrag mit Dänemark wieder abschließen werde. Wenn Dänemark seinem Gesetz von 1898 rückwirkende Kraft nicht geben will, braucht Preußen nicht wieder die Zeche zu bezahlen. ÜUnsere Regierung muß auch verlangen, daß die dänische ihren Ver⸗ pflichtungen aus dem Optantenvertrag hinsichtlich der Verhinderung der Beunruhigung unserer Bevölkerung durch dänische Agitation nach⸗ kommt. Der Minister sagte in der Kommission, die dänische Re⸗ gierung habe stets deutschen Wünschen entgegenkommend Gehör ge⸗ schenkt. Dann sind aber diese Wünsche nicht nachdrücklich vor⸗ gebracht, oder die dänische Regierung hat den Worten keine Taten folgen lassen, denn die dänische Agitation besteht nach wie vor. Will Dänemark seine Loyalität beweisen, so möge es seinen Volks⸗, Nach⸗ und Hochschulen verbieten, Schüler aus Schleswig⸗Holstein aufzunehmen. Freilich wäre im demokratischen Dänemark eine Re⸗ gierung erledigt, die so loyal ihren Vertragsverpflichtungen nachkäme. Aber was geht uns das an? Weiter müßte unsere Regierung Hand⸗ haben bekommen, um den Zuzug von Reichsdänen zu verhindern, die sich als Knechte, Gesellen oder Kommis vermieten. Es sind genug Deutsche für diese Stellungen da. Man lasse sie gar nicht in das für sie so böse Preußen herein. Nur eine feste energische Politik, die ihren geraden Kurs geht, ohne Kleinlichkeit, aber mit gerechter Strenge, frommt unserer Nordmark, und wir Schleswig⸗Holsteiner nicht nur, sondern jeder Preuße muß sie verlangen. In der in Flensburg von 3000 Schleswig⸗Holsteinern gefaßten Entschließung wird eine würdige Festigkeit unserer Politik gegen die dänische Agitation 1131““ wie mit dem Zuruf an unsere Landsleute, die im Kampfe mit dem Dänen s 8 Jungens holt fast! pf. entum stehen Abg. Nissen (Däne): Nach dem Abg. von Kardorff sollen an der Flensburger Protestversammlung auch führende Männer Schleswig⸗ Holsteins teilgenommen haben. Der Abg. von Kardorff wird ja die Angeleagenheit nur vom Hörensagen kennen, aber er könnte doch mit seinen Behauptungen ein bißchen vorsichtiger sein. Von den Reichs⸗ tagsabgeordneten ist kein einziger zur Stelle gewesen, und von den Landtagsabgeordneten hat höchstens nur die Hälfte an dieser Protest⸗ “ teilgenommen. Die direkte Veranlassung zu der Flens⸗ urger
’1 Versammlung gab ja der Fall Amundsen. Die rührende Fürsorge des Abg. von Kardorff für das Ansehen des Professors Amundsen war im höchsten Grade über⸗ flüssig. Amundsen hat es verstanden, auch ohne Beibilfe
von preußischen Landräten und Regierungspräsidenten sich einen zu gründen. Selbst die Nationalfiberalen im Hhenacsch Fae ha Vorgehen der Regierung im Falle Amundsen mißbilligt. Das Ver⸗ bot gegen Amundsen war eine Blamage der preußischen Behörden und hat das preußische Ansehen im Auslande herabgesetzt. So sehr bedeutsam war die Flensburger Versammlung in unseren Augen nicht. Die Zahl der Teilnehmer ist bedeutend zu hoch angesetzt. Wer in Flensburg die in Frage kommenden Lokale kennt, der wird wissen, daß es gar nicht möglich ist, dort 6000 Personen unterzubringen. Aber selbst wenn 6000 Personen zugegen gewesen wären, dann wäre das auch nicht so sehr viel, wenn man berücksichtigt, daß hier alle Dänen aus Schleswig⸗Holstein und Hamburg in Betracht kommen. Als die Dänen aufgefordert wurden, das Lokal zu verlassen, fragte ein Vertreter von „Flensborg Avis“, ob das auch für die Presse gelte Vom Leiter der Versammlung wurde ihm gesagt, daß das selbst⸗ verständlich nicht der Fall sei. Er ist dann dort geblieben. Als aber nachber ein Kampflied gegen die Dänen gesungen wurde und der dänische Berichterstatter nicht aufstehen wollte, wurde gerufen: raus! Er hat dann den Saal verlassen, mußte sich aber unterwegs fortwährend gegen Mißhandlungen wehren. Er hat dann ein Strafverfahren gegen Unbekannt beantragt, der Staatsanwalt hat dies aber abgelehnt mit dem Bemerken, daß es fraglich sei, ob es sich hier überhaupt um Mißhandlungen handle. Es ist doch eine grobe Ungehörigkeit, daß 88 Staatsanwalt in dieser schnoddrigen Weise antwortet. (Vize⸗ präsident Dr. Porsch bittet den Redner, sich zu mäßigen.) In Schleswig⸗Holstein ist eine gemeinnützige Siedlungsgesellschaft ge⸗ gründet worden. Im Jahre 1913 hatte diese Gesellschaft 10½ Mit. glieder mit 202 Geschäftzanteilen. Die Geschäftsanteile waren aber zum großen Teile im Besitze des Staates, der Kreise und Provinzen * Nur 75 Einzelpersonen waren im Besitze von Geschäftsanteilen im Gesamtwerte von 85 000 ℳ. Man sieht daraus, wie wenig be Herren, die immer nach Staatshilfe schreien, selber opfern. Wir koͤnnen doch auf freiwilligem Wege bedeutend größere Beträge zusammenbringen obwohl wir ein kleines und armes Volt sind. Ein Dampfer von Fredericia mit dänischen Gästen durfte in Sonderburg nicht landen. Ein Herr wurd zum Landrat gesandt, um ihn zu bewegen, das Verbot aufzuheben Es wurde dem Herrn erklärt, der Landrat sei nicht zu sprechen Dabei stand er hinter einem Bretterzaun und freute sich darüber. Ein solches Benehmen ist doch eines Landrats direkt unwürdig Auch die deutsche Presse in Flensburg verurteilt dieses Vorgehen der Behörde. Zu derselben Zeit sind Deutsche auf einem Ausflug nach Fredericia dort den Dänen in liebenswürdigster Weise aufgenommen worden. Wir müssen uns dagegen wehren, daß Landräte immer und immer wieder ihre Befugnisse überschreiten. Andere Staatsbürger müssen die Gesetze kennen das könnte man eigentlich von einem Landrat auch ver⸗ langen, Diese Angelegenbeit hat auch dem dänischen Minister des Aeußern Veranlassung gegeben, zu erklären, daß ein solches Vorgehen der preußischen Behörden nicht im Ein⸗ klange stehe mit den Handelsverträgen, da es die dänlsche Schiff⸗ fahrt in den deutschen Gewässern beeinträchtige. Ich bitte den Mi nister zu erklären, wie sich die Regierung dazu stellt. In der „N. n. deutschen Allgemeinen Zeitung⸗ ist behauptet worden, daß ein Vor⸗ tragsabend eines Sängers in Flensburg zu einer Demonstration 6 “ 8 “ widerspricht direkt der Wäsß. . Im Vereinsgesetz scheinen sich die u 6 — schwer zurecht zu finden. Unsere Bevölkerung “ ruhige, und solche Delikte wie Widerstand gegen die e— ordentlich
und ähnliche kommen bei uns fast gar nicht n die Staatsgewalt und Polizeibeamten dringen unter Ballen d. ah. L“
unsere geschlossenen Versammlungen ein.
von
das Vereinswesen in Nordschleswig sei ein sehr schwieriger Punkt,
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Hammer.) Kennen Sie denn unse (Zuruf des Abg. hammme: J ia.) Voher denn serea2Habi,, Ah