1914 / 86 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 11 Apr 1914 18:00:01 GMT) scan diff

Durazzo eingetroffen.

Bulgarien.

In der gestrigen Sitzung der Sobranje gab bei der Beratung eines zweimonatigen Budgetprovisoriums der Finanz⸗ minister eine Uebersicht über die finanzielle Lage des Landes und stellte dabei fest, daß das Budget für 1913 eine Gesamthöhe von 223 128 283 Francs erreichte. Die im ersten Vierteljahr 1914 verausgabten Kredite hätten 67 041 730 Fr. betragen. Das verlangte Budgetprovisorium belaufe sich auf 34 064 023 Fr. Die Konsolidierung der inneren und äußeren Schulden werde durch eine auswärtige Anleihe erfolgen, die Regierung bald abzuschließen hoffe. Der Erfolg der An⸗ leihe sei gesichert dank der wirtschaftlichen und finanzie 8 Kraft des Landes, die trotz der unheilvollen Ergebnisse des Krieges unversehrt geblieben sei.

In Beantwortung einer Anfrage eines Führers de sozialdemokratischen Pärtei über Drohbriefe gegen die

obranje, die von einer angeblichen Militärliga herrü erklärten Ministerpräsident und der Kriegsminister⸗ ind Es bestehe keine wie immer geartete geheime Organisation 8 x Armee. Die Sobranje werde nach wie vor geschützt vor . 5 tagen. Der Kriegsminister fügte hinzu, angesichtz der beahh en Vaterlandsliebe der Nationalvertretung habe er die Unterstützung irgend einer Militärliga nicht notwendig, um die Uemhe Landes⸗ verteidigung notwendigen Kredite in der Sobranje zur Annahme zu bringen. 8 In der Sobranje ist ein mit der nötigen Anzahl Unterschriften versehener Antrag eingebracht worden, der die Einleitung einer parlamentarischen Untersuchung über die Geschäfts⸗ führung der Kabinette Geschow und Danew während ihrer ganzen Amtsdauer und insbesondere während des Krieges

8 Albanien.

ach einer Meldung der Agenzia Stefani hat der Präfekt von uehe der die dortigen albanesischen Truppen befehligt, die Regierung um Verstärkungen gebeten, da die aufständischen Epiroten sich in der Nähe zu einem neuen Angriffe auf Koritza sammeln sollen. G Aus dem Süden sind gestern beruhigendere Nachrichten in 8 Es heißt darin, die Gendarmerie be⸗ haupte ihre Stellungen, auch sei es gelungen, verschiedene An⸗ griffe von Banden zurückzuweisen. Allerdings erhielten die Banden ununterbrochen neue Verstärkungen.

Der „Agenzia Stefani“ wird aus Laondon gemeldet: Im Zusammenhang mit der Anfrage der griechischen Regierung an die Mächte, ob die Räumung der Albanien zugeteilten Gebiete durch die griechischen Truppen beschleunigt oder verzögert werden solle, wird hier versichert, Großbritannien habe sich dem Standpunkt Italiens und Oesterreich⸗Ungarns an⸗ geschlossen, daß die Räumung keineswegs verzögert werden dürfe. Ferner wird versichert, der Standpunkt Frankreichs und Rußlands sei der gleiche, sodaß man hoffe, daß nun eine Ein⸗ stimmigkeit ganz Europas in der Frage der Grenzen Südalbaniens erreicht sei.

b Amerika.

Aus Washington wird gemeldet, daß der Staatssekretär Bryan und der englische Botschafter Spring Rice die Ratifi⸗ kationen zu dem auf weitere fünf Jahre abgeschlossenen Schiedsgerichtsvertrag ausgetauscht haben.

Depeschen des Konteradmirals Fletcher melden, daß die Kämpfe bei Tampico fortdauern. Der Konteradmirxal Mayo teilte Fletcher mit, daß die mexikanischen Kanonenboote „Veracruz“ und „Zaragoza“ Arbelgrande bombardieren. Nach einer Blättermeldung aus Washington besteht die Hauptbeute des Insurgentengenerals Villa in Baumwolle im Werte von 15 Millionen Dollar, wovon bereits eine Menge im Werte von einer Million Dollar auf dem Wege über die Vereinigten Staaten nach Europa ausgeführt worden ist.

Asien.

Die Kaiserin⸗Witwe von Japan ist, wie „W. T. B.“ aus Tokio meldet, in der Nacht auf Donnerstag gestorben. Es wurde für ein Jahr Landestrauer angesagt; die Krönungs⸗ feierlichkeiten sind auf das Jahr 1916 verschoben worden. In Ching ist die allgemeine Lage ernst. Dem „W. T. B.“ wird aus Sianfu gemeldet, daß zweitausend kriegstüchtige Räuber und ein Haufen bewaffneter Mitläufer sich auf dem Marsche nach Westen befänden. Mehrere Städte seien von ihnen erobert und geplündert worden. Hunderte von Ein⸗ wohnern getötet. Der Weiße Wolf ließ Prokla⸗ mafionen anschlagen, in denen er die Regierung angreift. Die Nöic h7s in den fernliegenden Stationen sind angewiesen worden, sich nach Sianfu zurückzuziehen, wo bereits 1500 Mann eingetroffen sind und weitere Truppen

Truppen von Tungkwan erwartet werden.

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Koloniales. und Betrieb von Funk h 1 entelegraphenstationen den deutschen E1“ Zunächst war in

Aussicht geno ß stationen in den deutschen Cehfazumen, 4 große Funkentelegraphen⸗ Karoli utzgebieten anzulegen, z auf Jap (Kerolinen), auf Nauru (Narstallinfeln)e nn Kpia 1Ee ne)

und Rabaul (Deutsch Neugui b sind am 1. Dezember d-. in H. Nee Stationen auf Jap und auf Nauru

auf Samoa kann voraussichtlich im enommen worden. Die Station lichen Verkehr übergehen nench in Frühjabr dealganeneh öffent⸗ sistafraknegeüt gein rfhsüc ei de Bauttdeien erstn, Has⸗ 8 1 in wird. ür di ; sämtlicher vier Stationen ist Für Be gehec ung hne der drahtlose Telegraphie (A.⸗G.) in Berlin unter Gewährür ellschaft für lichen Reichsbeihilfe eine Konzession für die Dauer 5 rung einer jähr⸗ erteilt worden. Zu den Kosten der Anlage und Fn Beanzig Jahren dir Firmen der Südseeschutzgebiete alljährlich namhafte Be⸗ es haben zusteuern sich verpflichtet, und zwar bi 5 eträge bei⸗

1 is zur 5 das Jahr. Dadurch wurde die Durchfübrung 899 aäibür

Eine Gewähr für eine jederzeit befriedigende keit auf den in Betracht kommenden fünden eledelegühbjermsahc . dungen wird vom Reiche nicht übernommen. Die Worttaxe wird bei gewöhnlichen Telegrammen aus Deutschland nach Rabaul 4,90 85 bei Telegrammen in offener Sprache (L(CO⸗Telegrammen) 2,45 be⸗ e Die Telegramme werden von der Aufgabestation mittels 3 rabels nach Jap gesandt, wo sich die Zentralfunkentelegraphenstation efindet. Von dort werden sie anf dem Wege der Funkentelegraphie nach Jap, Nauru, Samoa und Rabaul weitergegeben. (Mitteilungen der Deutschen Kolonialgesellschaft.)

Errichtung in

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Statistik und Volkswirtschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Die Verhandlungen zwischen den Arbeitgeberorganisationen und den Vertretern der Gehilfenverbände von Cöln und Mülheim des Dachdecker⸗ und Bauklempnergewerbes sind der „Köln. Ztg. zufolge gescheitert. Die freiorganisterten Gehilfen sind am 9. d. M. in den Ausstand getreten, die Mitglieder der christlichen Gewerkschaft gestern. Vorgestern haben in Cöln auch etwa 100 Stukkateure bei der Werkbundausstellung die Arbeit niedergelegt.

In London nahm, wie „W. T. B.“ meldet, die Zahl der Ausständigen im Baugewerbe, in dem vor mehreren Wochen eine Arbeitsniederlegung begann, am Donnerstag infolge eines Aus⸗ stands aller Bauarbeiter des Bautenministeriums, dem alle öffentlichen Gebäude unterstehen, erheblich zu. Bei den Streitig⸗ keiten der Elektrotechniker und ihrer Arbeitgeber hat sich auch insofern die Lage verändert, als die Elektrotechniker in allen Regierungsgebäuden die Arbeit eingestellt haben. 8 Die Krise in der Industrie Rigas ist, wie dem („W. . B.“ von dort telegraphiert wird, noch immer nicht be⸗ endet (vgl. Nr. 84 d. Bl.). Vorgestern hat die Firma Pro⸗ wodnik die Arbeiter ihrer Ueberschuhfabrik entlassen und die Fabrik auf unbestimmte Zeit geschlossen. Auch die Arbeiter einer Motorenfabrik, die die Arbeit noch nicht wieder aufgenommen haben, wurden entlassen. Der Ausschuß des Fabrikantenvereins hat beschlossen, die Arbeiter aller Betriebe, in denen am 6. April gestreikt wurde, vom 21. bis 25. April auszusperren.

In Saloniki sind, wie „W. T. B.“ erfährt, die Tabak⸗

arbeiter in den Auestand getreten. In Prawitschte, Kawalla und Salonikt befinden sich gegenwärtig 25 000 Arbeiter im Ausstand. Sie ordern eine Lohnerhöhung. . 1 Die Arbeiter der Kupferbergwerke in Calumet (Wis⸗ consin) haben laut Telegramm des „W. T. B.⸗ beschlossen, am Sonntag darüber abzustimmen, ob der seit dem 23. Juli 1913 an⸗ dauernde Ausstand beendet werden soll oder nicht.

Kunst und Wissenschaft.

Aendert sich der Erdentag? Die Grundlage aller Zeit⸗ messungen auf der Erde ist ihre Umdrehung um die Achse. Weil da⸗ durch die deutlichste Bewegung des gesamten Sternenhimmels bedingt wird, mußte sie dem Menschen zu allererst auffallen, wobei die an der Bewegung teilnehmende Sonne für ihn natürlich die Hauptrolle spielte. Lange ehe die Kugelgestalt der Erde und ihre Umdrehung um die eigene Achse zu einer allgemein anerkannten Wahtheit geworden war, diente sie bereits mittelbar zur Festsetzung der Zeiteinheit, indem die Umdrehungszeit als Länge des Tages angenommen und des weiteren in 24 Stunden eingeteilt wurde. Abgesehen davon, daß sich gerade diese Bewegung gleichsam von selbst als Grundlage der Zeit⸗ messung darbot, ist der Mensch bei dieser Wahl besonders gut ge⸗ fahren, denn es gibt keine zweite Bewegung in dem bisher ent⸗ schleierten Weltall, die eine solche Regelmäßigkeit und Unveränderlich⸗ keit gezeigt hätte wie diese. So lange der Mensch einigermaßen genaue Messungen am Himmelszelt auszuführen fähig gewesen ist, ist die Länge des Erdentags genau die gleiche geblieben. Theorelisch sollte man annehmen, daß sich diese Bewegung mit dem Altern der Erde verlangsamt, der Erdentag also allmählich länger wird. Einen Beweis dafür aber hat der Mensch noch nicht erlebt oder wenigstens noch

nicht ermitteln können. Allerdings muß dabei berücksichtigt werden, daß der Mensch im Vergleich zur Länge der Erd⸗ geschichte überhaupt erst als ein Geschöpf von gestern be⸗

trachtet werden kann, denn was wollen die wenigen Jahrtausende seiner Entwicklung besagen gegenüber den Millionen von Jahren, nach denen das Alter der Erde selbst geschätzt werden muß! Wird nun gar nur die Zeit ins Auge gefaßt, in der wissenschaftliche Leistungen des Menschen von einiger Genauigkeit geschehen sind, so schrumpft diese Vergangenheit auf wenig mehr als 2—3000 Jahre zusammen. Wenn in dieser verhältnismäßig kurzen Zeitspanne noch keine Veränderung des Erdentags zu bemerken gewesen ist, so kann das keinesfalls als eine Entkräftung jener Theorie von der all⸗ mählichen Verlangsamung der Erdumdrehung aufgefaßt werden. Des⸗ halb darf die Wissenschaft doch bereits an die Frage herantreten, auf welche Weise eine Beeinflussung der Erdumdrehung überhaupt denkbar wäre. An erster Stelle würde eine Wirkung der Gezeitenwelle zu erwägen sein, die schon von Kant in seiner Vorlesung über physische Geogtapbie in Betracht gezogen wurde. Die Fortpflanzung der durch die Anziehung hauptsächlich des Mondes, daneben auch der Sonne verursachten Flutwelle tritt in eine gewisse Kollision mit der Erd⸗ umdrehung, aus der eine Reibung und infolgedessen eine Behinderung beider Bewegungen gefolgert werden könnte. Wollte man diese Folgerung bis zum letzten Punkt ziehen, so würde man scheinbar zu dem Schluß gelangen, daß der Mond schließlich die Erde zum Still⸗ stand zu beingen vermöchte. Diese Annahme aber wäre nicht richtig. Vielmehr würde die Wirkung des Mondes mit dem Augen⸗ blick aufhören, in dem sich der Erdentag bis zur Länge eines Monats in ursprünglichem Sinne, also eines Mondumlaufs ver⸗ längert hat. Alsdann würde die Erde dem Monde dauernd dieselbe Hälfte zukehren und die beiden Flutwellen würden sich auch nicht mehr bewegen, sondern in einer gleichbleibenden Längszone verharren. Es ist auch schon berechnet worden, wann dies Schicksal eingetreten sein würde. Das Ergebnis der Berechnung ist, daß sich der Erdentag⸗ erst nach Verlauf von mindestens 100 000 Jahren aus jenem Grunde um eine Setunde verlängern würde. Wahrscheinlich ist aber auch diese Zeit noch erheblich zu kurz bemessen, denn es kommt noch dazu, daß die Umdrehung des Mondes und auch seine Entfernung von der Erde allmählich zunimmt. Wenn alles in Rücksicht gezogen wird, wie es George Darwin, der längst verstorbene zweite Sohn von Charles Darwin, getan hat, so stellt sich heraus, daß die Menschheit wenigstens 150 Millionen Jahre Zeit hätte, den Eintritt des gekennzeichneten Ereihnisses abzuwarten. Außerdem sind noch andere Naturvorgänge berangezogen worden, die einen Einfluß auf die Erdumdrehung haben könnten, so der Niederfall von Millionen von Meteoriten auf die Erde, die ihre Masse langsam vermehren, ferner auch die durch die Sonnenwirkung erzeugten Luftwirbel, die als baro⸗ metrische Minima über die Erdoberfläche hinziehen, endlich die Zu⸗ sammenziehung der Erde selbst. Diese verschiedenen Kräfte können aber einander wiederum noch teilweise aufheben, weil die einen ver⸗ langsamend, die anderen beschleunigend wirken.

Literatur.

Der Kaiser. Versuch einer Charakteristik von Karl Lamprecht. Berlin, Weidmannsche Buchhandlung. 1913. 136 Seiten, 2 ℳ. Die Pflicht, von dem regierenden Kaiser ein literarisches Bildnis zu entwerfen, ist Karl Lamprecht aus seiner Beschäftigung mit der Geschichte der jüngsten deuschen Vergangenheit er⸗ wachsen. Er hat eine Charakteristik des Kaisers in einem Ergänzungs⸗ band seiner „Deutschen Geschichte“ gegeben und steht vor der Aufgabe, in einem der demnächst erscheinenden Bände seines neuen, selbständig gestalteten Geschichtswerks „Deutsche Geschichte der jüngsten Ver⸗ gangenheit und Gegenwart“ den Gegenstand ausführlicher zu be⸗ handeln. Das vorliegende Buch erscheint als das Ergebnis seiner vorbereitenden Studien; vorangegangen ist ihm eine Publikation in der „Illustrierten Zeitung“ gelegentlich des fünfundzwanzigjährigen Regierungsjubiläums des Kaisers. In der Einleitung setzt Lamprecht auseinander, warum er in der Durchführung seiner Aufgabe auf eine denkmalartige Schilderung im Rundbild verzichten müsse und nur eine Zeichnung im Relief liefern könne; er begründet ferner die Einfassung des Porträts in einen breit angelegten Rahmen, wobei er einen ge⸗ schichtlichen Rahmen und einen Gegenwartsrahmen unterscheidet. Für das Porträt selbst ergab sich ein Doppelbildnis des Kaifers: eins aus der Jahrhundertwende, von der Kenntnis etwa des Jahres 1901 her gezeichnet, das seinerzeit auf den Kaiser, wie er dem Verfasser mit⸗ teilen ließ, Eindruck gemacht hatte und unverwischt bleiben

soll, das andere unmittelbar aus der Gegenwart gesehen.

Lamprecht meint in einer Vorbetrachtung zu der zwelten, büeit ee Charakteristik, die beste Quelle für die Erkenntnig der Persönlichkeit des Kaisers würden viellescht immer seine Reden bleiben, und erörtert die daraus entstehenden Schwierigkeiten, gibt aber zugleich an, wie man sie überwinden könne. Für die Aus⸗ arbeitung des Themas hält sich Lamprecht an die übliche Einteilung: Ererbtes, Kernanlage, Umwelt, Einzelausprägungen des Charakters. Dem Kaiser wird eine große Wesensähnlichkeit mit seinem Großvater, Kalser Wilhelm 1., zugeschrieben. Die letzte seelisch⸗sittliche Grund⸗ lage beider Männer sei verwandt, der Verfasser möchte sie in die Worte zusammenfassen: wahr, weich, zäh. Dies Urteil wird im einzelnen erläutert, das Erbteil der Eltern, namentlich der Mutter, wird in der ästhetischen Veranlagung des Kaisers ge⸗ sehen, besonders in der Gabe, künstlerische Wirkungen mit dem Auge zu erfassen. Unter den Eigenschaften des Kaisers hebt Lamprecht an erster Stelle seine Aufnahmefähigkeit und Vielseitigkeit hervor. Er kleidet dies in die Worte: „Der erste Ein druck ist der einer außerordentlich reichen assoziativen Begabung.“ Da⸗ neben stellt Lamprecht die Lebhaftigkeit, den starken Affekt, das Im⸗ pulsive, und endlich eine hochentwickelte Ausdrucksfähigkeit, die über⸗ zeuge, ohne überreden zu müssen. Zum Beleg dafür wird mit ein⸗ drucksvoller Anschaulichkeit der Vorgang wiedergegeben, der sich am 9. Februar 1913 in der neuen Aula der Universität abgespielt hat. In der Schilderung der Umwelt hat sich Lamprecht kurz gefaßt; er geht nur auf zwei der vielen in Frage kommenden Ein⸗ flüsse ein, die er Arbeit und Form nennt. Was er dem auf dem Gymnasium geübten Zwang zur Arbeit verdanke, hat der Kaiser selbst in einer Rede auf die Provinz Hessen⸗Nassa bekannt; aber auch die Form, ein bindendes Lebensmotiv der Fürsten, darf als eine Macht bezeichnet werden, der sich der Kaif beugt. Bei der Bctrachtung ausgeprägter Charakterzüge wird die Kraft der religiösen Ueberzeugung, die der Kaiser in mannigfachen Zeugnissen bekundet hat, besonders eingehend gewürdigt. Lamprecht erwartet von seinem Büchlein, wie er es nennt, daß der Inhalt einige Seiten der Persönlichkeit des Kaisers näher zu bestimmen und der Nation verständlicher zu machen imstande sein werde; er streift auch zum Schluß das politische Gebiet. Dieser Zweck wird sicher erreicht werden. Durch Thema und Autor ist der Stizze eine weitgehende Beachtung gesichert, aber die Wirkung würde noch erfreulicher sein, wenn es Lamprecht einerseits vermieden hätte, gegen die Kreise, in denen seine Gesamtauffassung vom Wesen der Geschichtschreibung nicht geteilt wird, gelegentlich Spitzen auszuteilen, wenn er anderseits seine Vorliebe für die Verwendung von Typen etwas eingedämmt hätte. Ein Absatz lautet bei ihm „Fürst Bismarck und Kaiser Wilhelm II. sind, ihrer staatsmännischen Veranlagung, wie die Franzosen der Bourgetschen Schule sagen würden: ihrer sensi- bilité politique nach, absolute Gegensätze. Bismarck war Realist, der Kaiser ist Idealist: dies Moment allein schon hätte bei der persön⸗ lichen Bedeutung des Fürsten, namentlich im Verlauf der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, seit der Keimzeit des neuen natio⸗ nalen Idealismus, das Zusammenwirken beider Männer auf die Dauer unmöglich machen müssen. Man kann das historische Leben nicht in Formeln bannen, wie es hier geschieht. Kein Begriff kehrt in Lamprechts Ausführungen so häufig wieder wie der der Reizsamkeit. Zum Beispiel heißt es zum Schluß der ersten Charakteristik, der aus dem Jahre 1901, der Kaiser habe an Stelle der roheren Machtpolitik früherer Zeiten den mehr gebundenen, auf genossenschaftliche Unterstützung und Kontrolle der Großmächte untereinander gestellten Gedanken der modernen Weltpolitik begründen helfen und sein Ausgangspunkt sei der moderne, reizsame Idealismus.

1813. Blücher und Bonaparte. Von Feldmarschall Freiherrn v. d. Goltz. Deutsche Verlags⸗Anstalt. Stuttgart und Berlin 1913. 90 Seiten. Geheftet 1,50 ℳ, in Leinen gebunden 2,50 ℳ. Der Generalfeldmarschall Freiherr v. d. Goltz ist längst als ein ausgezeichneter Schriftsteller bekannt. Die hier vorgelegten Blätter geben einen kurzen Ueberblick über die wichtigsten Vorgänge des Feldzuges, dem Deutschland seine Befreiung vom fränkischen Joch verdankt. Der Generalprobe von Großgörschen am 2. Mai 1813, der Schlacht, die froh und kühn begonnen worden war, folgte die Schlacht der Enttäuschung, die Kämpfe bei Bautzen am 20. und 21. Mai. Die folgenden Betrachtungen gruppieren sich um Blüchers Aufstieg, Napoleons Bedrängnis und Unschlüfsig⸗ keit und die Entscheidung. Es bleibt dabei, daß Blücher der Ueberwinder Napoleons wurde, weil er der einzige war, der sich durch Napoleons Glanz nicht blenden ließ, und an der Ueber⸗ zeugung festhielt, daß ihm das, was menschlich erreichbar sei, nicht versagt werden würde. „Er zweifelte nie daran, daß ihm die Nieder⸗ werfung Napoleons gelingen werde, wenn sein Wille fest bleibe. Und Blüchers Schuld war es nicht, daß aus Leipzig kein Sedan wurde und auf die Oktobertage noch fünf Monate bedeutender Anstrengung und verlustreicher Kämpfe folgten, bis alle Nachklänge des großen Schlachtenkonzerts ausgeklungen waren. Es sind packende Schilde⸗ rungen aus berufener Feder, beruhend auf geistiger Klarheit und tief⸗ bohrender Psychologie und alles mit einer Wärme umfassend, die das Herz weitet.

Bauwesen.

Ein Wettbewerb für Vorentwürfe zu einem Ver⸗ waltungsgebäude der Nordöstlichen Baugewerks⸗Berufs⸗ genossenschaft in Berlin⸗Wilmersdorf wird von der Ge⸗ nossenschaft unter ihren Mitgliedern und allen im Bezirk der Genossen⸗ schaft ansässigen deutschen Architekten ausgeschrieben mit Frist bis zum 20. Mat d. J. Es stehen drei Preise zur Verfügung von 2500, 1750 und 1250 und zum Ankauf von zwei Entwürfen je 500 ℳ. Das Preisrichteramt haben übernommen die Mitglieder des Genossenschafts⸗ vorstands: W. Vollmer und O. Heuer in Berlin, M. Hertling in Charlottenburg, C. Becker in Eberswalde und Albrecht Müller in Stettin; außerdem Königlicher Baurat H. Schliepmann in Berlin und Stadtrat G. Derlin in Berlin⸗Wilmersdorf. Die Unterlagen für den Wettbewerb sind für 5 bei der Kasse der Berufsgenossen⸗ schaft, Berlin S0. 16, Schäferstraße 14, erhältlich, die bei Einreichung eines Entwurfs zurückerstattet werden.

8 Land⸗ und Forstwirtschaft.

aris, 9. April. (W. T. B.) In dem amtlich veröffentlichten Sgatenstandsbericht wird der Stand des Winterweizens am 1. April d. J. auf 70 % gegen 71 und 74 im letzten Monat und im entsprechenden Monat des Vorjahrs angegeben, Sommerweizen auf 72 gegenüber 73 % im letzten Monat, Winterhafer auf 65 gegen 66 und 74 %, Sommerhafer auf 65 egen 73 % im Vorjahre.

St. Petersburg, 10. April. 8” T. B.) Wie die „Handels⸗ und Industrie⸗Zeitung’ meldet, ist das Ueberwintern der Winter⸗ saaten im südlich en Rußland gelungen. Der allgemeine Saaten⸗ stand war am 25. März gut mittel. Gute Saaten fanden sich in den Gouvernements Chersson, Taurien, Jekaterinoslaw, im Kuban⸗ gebiet, im größeren Teil von Kiew, Podolien und Bessarabien, in einem Teile von Polynien, Poltawa, Charkow und in den Nord⸗ gouvernements von Polen. Unbefriedigende Saaten waren nur selten, am meisten unbefriedigend im Terekgebiet. In den sonstigen Teilen Südrußlands waren die Saaten Fefriedigend.

Schillertheater Charlottenburg.

Das Charlottenburger Schillertheater führte am Donnerst neueinstudiert, Grillparzers Trauerspiel „Des Meeres und 1 Liebe Wellen“ unter der kundigen Regie Max Pateggs auf, der auch, wie schon früher, die wichtige Rolle des Oberpriesters spielte. Die mit Milde gepaarte Strenge, die diesen Charakter so anziehend macht, trat in seiner Darstellung klar in bie Erscheinung; hinzu kam noch die vornehme Sprechkunst Pateggs und sein tiefes, volles Organ, das ohne sbbertriebeng Pathos die schöne Verssprache des Dichters ganz zu ihrem R. iht

kommen ließ. Ein jugendlich⸗temperamentvoller Leander war H 8 Sarnow, und die verträumte Liehessehnsucht te Heinz

Ella