1883 / 53 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 02 Mar 1883 18:00:01 GMT) scan diff

setzlichen Aenderung in Zweifel gezogen. Die Wirkungen des Erb⸗ rechtes und der Vererbungsgewohnheiten kennzeichnen sich in der gegen⸗ wärtigen Vertheilung des bäuerlichen Grundeigenthums. Nach den Ermittelungen der ehemaligen statistischen Kommission für Kurhessen entfallen von der gesammten Fläche des Ackerlandes, der Wiesen und Gärten etwa 7 % auf das Domanialeigenthum, die standesherrschaftlichen, ritterschaftlichen und sonstigen nicht bäuerlichen Gütern. Man kann nach der Ansicht des Verf. annehmen, daß das Verhältniß lür den Regierungs bezirk durch Einverleibung fremder Gebietstheile in dem Jahre 1866/67 nicht wesentlich verändert worden ist. Rechnet man weitere 2 % für den Besitz geistlicher und Schulinstitute und der Gemeinden ab, so bleiben für das bäuerliche und kleinere Eigenthum 91 % der Gesammtfläche des Kultur⸗ landes. Einer besonderen Betrachtung unterzieht der Verfasser die kleinen Landstädte, deren es nicht weniger als 57 im Regierungsbezirke giebt. Dieselben bilden, bemerkt der Verf., abgerechnet wenige rühmliche Ausnahmen, die traurigsten Sitze des bäuerlichen Betriebes. Ihre

witterstellung sei ihr Verderben. Die baulichen Einrichtungen im Innern der meist noch bestehenden Befestigungswerke seien dem Klein⸗ handwerk und dem Handel angepaßt. Das Kleinhandwerk aber gehe betteln und Handel und Wandel drängten nach den größeren Städten. Der frühere starke Verkehr der Landstraßen sei erstorben und trügerisch die Hoffnung auf den Schienenweg gewesen. Derselbe führe den kleineren Landstädten keinen Verkehr zu, er trage den wenigen vorhandenen in die Ferne hinaus und mache die sichersten Käufer vom platten Lande der Nachbarschaft untreu. Nothgedrungen sei aus dem durch einigen Grundbesitz gesicherten kleinen Handwerker ein noch viel klei⸗ nerer Bauer geworden, der seinem neuen Erwerb unter den erschwe⸗ rendsten Bedingungen nachgehe. Riesengroße Gemarkungen deren abgelegene Theile früher, bei häufig wiederkehrender Brache, oder gänzlich triesch liegend, zur Weide genutzt worden, jetzt aber in vollem Umfang zu einer ertragslosen Bewirthschaftung herangezogen seien, und doch nicht groß genug, um die Einwohnerschaft allein genügend zu ernähren. Scheunen, Ställe und menschliche Wohnungen, Alles unter einem Dache, aber nicht neben einander in wirthschaftlicher Weise geordnet, wie im niedersächsischen Bauernhause, sondern aufeinander gesetzt, weil der Grundraum fehle. Werkstätte und Keller seien zum Stalle gewor⸗ den, der Bodenraum im dritten und vierten Stockwerk diene als Scheune und Heuboden. Einzeln, an Seilen würden die Garben und Heu⸗ bunde hinaufgewunden. Ein Hofraum sei in vielen Fällen nicht vor⸗ handen, der Dünger werde in stockwerkhohen Haufen vor die Thüre und unter die Dachtraufen gepackt, auch die Gärten lägen selten an den Häusern, sondern draußen vor der Stadtmauer. So sei es nur natürlich, wenn von 53 der kleinen Landstädte (vier sind erst 1866 hinzugekommen) 28 in den Jahren 1834 bis 1864 eine Bevölkerungsabnahme, 9 eine völlige Stagnation und nur 14 eine unerhebliche, nicht durch besondere Ver⸗ hältnisse (Einbeziehung von Dörfern und Einzelhöfen) bedingte, ge⸗ ringe Bevölkerungszunahme aufwiesen. Daß nach dem Jahre 1864 diese Verhältnisse eine Besserung erfahren hätten, sei weniger anzu⸗ nehmen, als das Gegentheil.

Die Zersplitterung des bäuerlichen Grundbesitzes in einzelne Par⸗ zellen sei selbst da, wo herkömmlich geschlossene Güter erhalten wur⸗ den, eine sehr ausgedehnte und nur in den Kreisen Rinteln, Fulda, Hünfeld und einem Theile von Schlüchtern in engeren Grenzen ge⸗ blieben. Am weitesten gehe sie naturgemäß da, wo die Vertheilung der Güter üblich sei, weil hier bei der Erbauseinandersetzung nicht nur eine Theilung nach ganzen Stücken, sondern der besseren Ausgleichung wegen auch eine Eintheilung der einzelnen Parzellen stattfinde. Im Kreise Hanau berechne sich die Größe eines bäuerlichen Grundstuückes nach dem Durchschnitt sämmtlicher dort ausgeführten Zusammenlegungs⸗ sachen auf 4,96 a, in den Kreisen Rotenburg und Hersfeld werde sie kaum viel mehr betragen, ja es kämen hier einzelne Gemarkungen vor, in denen sie erheblich unter diesem Maße zurückbleibe. Im Kreise Rinteln dagegen könne sie zu 40 bis 50 a angenommen werden. Bäuerliche Güter von 10 bis 15 ha zerfielen also in verschiedenen Gegenden des Bezirkes in 2 bis 300 einzelne Stücke, welche in der ganzen Flur zerstreut liegen. Die Uebelstände einer derartigen Zersplitterung würden durch das in allen unseparirten Gemarkungen bestehende System der Ueberfahrt⸗ und Wenderechte, der Koppelhütung und der Gebunden⸗ heit an eine bestimmte Fruchtfolge, mit einem Wort durch die „Ge⸗ mengewirthschaft“ zur Unerträglichkeit gesteigert. Die Verkoppelung ganzer Gemarkungen habe denn auch seit dem Jahre 1867, mit wel⸗ chem der Hauptsache nach dieselben gesetzlichen Bestimmungen für den Regierungsbezirk eingeführt wurden, welche für die Provinz West⸗ falen gelten, eine rasche Verbreitung gefunden. Von dem kurhessischen Verkoppelungsgesetze vom 28. August 1834 sei bis zum Jahre 1867 wegen des Umtausches einzelner Grundstücke, insbesondere in den Gegenden der größten Zersplitterung, jedoch ohne erheblichen Erfolg, ein ziemlich ausgedehn⸗ ter Gebrauch gemacht worden. Auf Grund der preußischen Ausein⸗ andersetzungs⸗Gesetzgebung seien dagegen bis zum Herbste 1881 bereits 296 Gemarkungen mit einem Areal von 161 560 ha in den neuen Zustand übergeführt, 1882 würden voraussichtlich 10 weitere Sachen mit 5460 ha zur Ausführung kommen, während deren gegenwärtig ferner schon 76 mit einer Fläche von 41 496 ha in der Bearbeitung begriffen seien. Die Zahl der bis Ende 1881 zur Umlegung ge⸗ kommenen Grundstücke beziffert sich auf 597060, es ent⸗ fielen also auf eine Gemarkung durchschnittlich deren 2017 und auf eine Parzelle eine Fläche von 27,5 a. Die Zahl der Parzellen ist durch die Zusammenlegung auf 81 719, also um das 7 ½fache herabgemindert, und ihre Größe auf durchschnittlich 1,97 ha erhöht worden. Bei den Zusammenlegungen waren 40 660 Besitzer betheiligt, von denen also durchschnittlich einem jeden ca. 14 Parzellen gehörten und deren ein jeder durchschnittlich zwei wieder erhalten hat. Selbstverständlich ist das prozentische Verhältniß der Verminderung der Grundstücke ein unverhältnißmäßig viel größeres für die großen und mittleren Besitzstände als für die mit 2 bis 20 % an der Gesammtfläche theilnehmenden, ganz kleinen Güter. Die bei Inangriffnahme der Ablösung der umfangreichen Waldser⸗ vituten vielfach laut gewordene Befürchtung, daß der Bauernstand durch Ablösung der Hute⸗ und Streuberechtigungen wirthschaftlich ruinirt werde, habe sich nicht bestätigt. Die Waldhuterechte hätten mit der Erhöhung des Werthes der thierischen Produkte, welche die bessere Pflege und ausreichende Ernährung im Stalle gut bezahlt machten, entschieden an Bedeutung verloren. Die Art der Vertheilung des bäuerlichen Grundbesitzes und die bestehenden wirthschaftlichen Einrichtungen könnten ein rich⸗ tiges Bild der Lage des Bauernstandes nur dann ge⸗ währen, wenn man die landwirthschaftlichen Kreditverhältnisse

und den Stand der Verschuldung der bäuerlichen Besitzungen mit ihnen zusammenhalte. Der Realkredit sei für vernünftige Anforde⸗ rungen genügend; der lange vernachlässigte und deshalb in sehr trübes Fahrwasser gerathene Personalkredit zeige in neuerer Zeit einen er⸗ freulichen Aufschwung, die Verschuldung aber sei ihrem Umfang und ihrer Gefährlichkeit nach so wechselnd, wie das Erbrecht, die Ver⸗ theilung der Besitzstände, Boden und Klima. Die durch Gesetz vom 23. Juni 1832 gegründete und jetzt unter kommunalständischer Verwaltung stehende Landeskreditkasse habe ihren Zweck: „den Unterthanen die Abtragung älterer Schulden zu er⸗ leichtern und es ihnen möglich zu machen, zur Ver⸗ besserung ihres Nahrungsstandes, namentlich mittelst Ablösung der auf ihrem Grundbesitze ruhenden Lasten, die erforderlichen Kapi⸗ talien zu billigen Zinsen und ohne kostspielige Mitwirkung dritter Personen zu erhalten“, zum Segen des Bauernstandes in ausgiebiger Weise erfüllt und sei noch jetzt, nachdem mit ihrer Hülfe dem Bauern⸗ stande die Ablösung der Zehnten, Frohnden, Grundzinsen und anderer erheblicher Reallasten verhältnißmäßig leicht gemacht worden, ein Hypothekenkredit⸗Institut, welches allen billigen Anforde⸗ rungen des Grundbesitzers entspreche. Mit geringen Aus⸗ nahmen würden die aus ihr aufgenommenen Ablösungskapi⸗ talien, welche in vielen Fällen noch immer den überwiegenden Bestandtheil der Belastung des bäuerlichen Grundeigenthums aus⸗ machten, bis zum Ende des gegenwärtigen Jahrhunderts durch Amor⸗ tisation getilgt sein. Die Landeskreditkasse leiht zwar nur auf erste Hypothek aus, der hinter ihr erforderliche gesunde Kreditbedarf wird

aber in konsolidirten Verhältnissen durch anderweite Geldquellen aus⸗ reichend gedeckt. Die Zinsen seien auch für diesen Theil des Realkredits durchgängig mäßige (4 bis 5 %). Schwierig⸗ keiten entständen nur aus den mangelhaften Grundbuch⸗ und Katasterverhältnissen und gelegentlich der Zusammen⸗ legung. Doch auch im dortigen Regierungsbezirke finde sich, wo nämlich der Bauernstand in Folge zu weit vorzeschrittener Theilung, zu harter Uebergabebedingungen und der Dürftigkeit des Bodens härter zu kämpfen hatte, der Realkredit häufig bis zu uner⸗ träglicher Höhe angespannt. Wenn genaue zahlenmäßige Angaben, welche einen allgemeinen Ueberblick gestatteten, schon deshalb nicht ge⸗ macht werden könnten, weil sie dem Einzelnen nur in vereinzelten Fällen bekannt würden, so beweise doch die große Zahl der Zwangs⸗ verkäufe, die häufig eintretende Nothwendigkeit des Abverkaufs einzelner Grundstücke und die geringe Zahlkraft der bäuerlichen Grundbesitzer, welche sich im Verkoppelungsverfahren so häufig bemerkbar mache, bis zu welchem ungesunden Grade der Kredit angespannt sei. Der Personalkredit, welcher mit dem vollzogenen Uebergang der Natural⸗ in die Geldwirthschaft auch für den Bauernstand ein unent⸗ behrlicher geworden sei, habe sich bisher in sehr gefährlichen Bahnen bewegt. Die bestehenden Sparkassen und Kreditvereine seien mehr von den kleinen Industriellen, Handwerkern und Beamten, als von den Bauern benutzt und ersteren auch naturgemäß viel leichter zu⸗ gänglich gewesen, weil ihre Kreditwürdigkeit vom Sitze dieser Kassen aus leichter übersehen werden konnte. Wenn einzelne Kreisspar⸗ kassen Einrichtungen getroffen hätten, den Personalkredit auch auf bäuerliche Besitzer auszudehnen und zu ihrer Sicherheit eine solidarische Haftbarkeit der Gesammtheit aller Gemeinde⸗ glieder, repräsentirt durch die politische Gemeinde, verlangten, so möge dies in vielen Fällen nützlich gewirkt haben, in ebenso vielen befördere es aber auch ein leichtsinniges Schuldenmachen und werde sicherlich noch zu üblen Erfahrungen Gelegenheit geben. In der Hauptsache aber sei gewesen und sei noch der bäuerliche Personal⸗ kredit in den ärmeren Gegenden in der Hand von Geldleuten mit ziemlich weitem Gewissen. Daß diese Wucherer die Mittel zu ihren einträglichen Geschäften den Sparkassen entnähmen, sei durchaus keine Seltenheit. Regelmäßig werde ein doppeltes Geschäft gemacht, indem der Borger gleichzeitig Kaufmann, Mehl⸗ und Viehhändler sei, also seine Geldmittel nur in Form von häufig schlechten und theuren Waaren anbiete und gewähre. Sei die Schuld zu einer die Forderung zweifelhaft machenden Höhe angewachsen, dann werde Befriedigung zunächst in dem beweglichen Vermögen des Schuldners gesucht, zum dürftigen Weiterbetrieb der Wirthschaft aber erneuter Vorschuß, am liebsten in Form von geborgtem Vieh, gewährt. Der Gläubiger kenne aufs Genaueste alle Hülfsquellen seines Opfers und wisse aus demselben herauszupressen, was überall heraus wolle. Sehe er die Erfolglosigkeit weiterer Versuche ein, dann werde die Immission in das Grundvermögen für den Rest der Forderung er⸗ wirkt und schließlich zu geeigneter Zeit der Zwangsverkauf eingeleitet. Auf diesem Wege gingen mehr Beauernwirth⸗ schaften ihrem Untergange entgegen, als durch Wechselschulden, welche doch verhältnißmäßig selten seien. Sei nun eine geldknappe Zeit, wie die gegenwärtige, der eigentlichen Güterschlächterei ungünstig, dann werde die Zahl der Subhastationen und auch der sogenannten freiwilligen Verkaͤufe momentan zwar geringer, eine solche Ruhe be⸗ deute aber noch keine Besserung, sondern nur eine Station auf dem unvermeidlichen Wege zur Vernichtung des Bauernstandes. Sehr erfreulich sei es, daß in Würdigung jener traurigen Zustände seit einigen Jahren von aufrichtigen Freunden des Bauernstandes der beste Weg zur Bekämpfung jener Uebel durch eine ge⸗ ordnete Selbsthülfe eingeschlagen werde. Es seien auf dem platten Lande in kurzer Zeit bereits 25. Darlehenskassenvereine nach Raiffeisenschem Systeme entstanden. Vierzehn derselben allein im Kreise Hersfeld, wo allerdings das Bedürfniß am dringendsten gewesen, wo die Aufraffung zur Durchbrechung des verhängnißvollen Bannes aber, vielleicht gerade deshalb, nicht möglich gewesen wäre, wenn der Landrath dieses Kreises nicht mit Energie und Sachver⸗ ständniß eingegriffen hätte. Der Umsatz in den 7 ältesten der Hers⸗ felder Darlehenskassenvereine beträge nach den vorliegenden Berichten der Vorstände für das Wirthschaftsjahr 1881 —1882 bereits 105 000 in Einnahme und 99 000 in Ausgabe. Ueber ihre Wirksamkeit und darüber, daß man in ihnen das beste Mittel zur Bekämpfung des Wuchers gefunden habe, herrsche nur eine Stimme, die Möglich⸗ Fortbildung dieser Vereine werde überall mit Interess erörtert.

Gewerbe und Handel.

Dem Verwaltungsbericht der Städtischen Spar⸗Kasse zu Magdeburg für das Jahr 1882 entnehmen wir Folgendes: Am Schlusse des Jahres 1881 betrugen die Einlagen der Interessen⸗ ten 24 207 689 Im Jahre 1882 sind neu belegt 10 019 615 ℳ, und den Interessenten an Zinsen gutgeschrieben 787 066 ℳ, woraus sich als Gesammtsumme ergeben 35 014 371 Zurückgenommen sind im Laufe des Jahres 1882 9 398 265 ℳ, mithin am 31. De⸗ zember 1882 belegt geblieben 25 616 106 Die Einlagen haben sich daher gegen ultimo Dezember 1881 vermehrt um 1 408 416 Ausstehende Kapitalien besaß die Sparkasse am Schlusse des Jahres 1882 26 312 695 ℳ, Zinsen standen aus 32 295 ℳ, baarer Bestand war 1 077 347 ℳ, überhaupt 27 422 339 ℳ; davon gehen ab: noch nicht abgeführte Ueberschüsse 43 619 ℳ, schuldige Dienstkaution 3000 ℳ, noch einzulösende Sparmarken 27950 ℳ, in Summa 49 409 ℳ; mithin bleibt ein Vermögen ultimo 1882 von 27 372 929 Von dieser Summe gehören den Interessenten 25 616 106 ℳ, so daß ein Ueberschuß verbleibt von 1 756 823 ℳ, welcher sich nach Abzug des Reservefonds mit 1 478 979 für das Jahr 1882 feststellt auf 277 844 Coursgewinne sind nicht entstanden. Von dem Ueber⸗ schusse werden zur Verstärkung des Reservefonds entnommen pro 1882 50 %: 138 922 ℳ, und zur Erhöhung der pro 1881 mit 30 % reservirten QOuote von 111 844 um weitere 20 %: 74 562 ℳ, wodurch letzterer auf 1 692 464 erhöhet wird und 64 359 zur Verwendung für öffentliche städtische Zwecke disponibel bleiben. Sparkassenbücher waren ultimo 1881 ausstehend 56 815 Stück. Im Jahre 1882 sind neu ausgefertigt 11 750 Stck., zurückgenommen im Jahre 1882 6959 Stck., mithin bleiben ultimo 1882 ausstehend 61 606 Stck., gegen das Vorjahr mehr 4791 Stck. Darauf sind im Ganzen belegt 25 616 106 ℳ, also auf jedes Buch durchschnittlich 415 oder gegen das Vorjahr weniger 10

Der Cours für die jetzt hier zahlbaren österreichischen Silbercoupons ist auf 170,50 für 100 Fl. österr. Silber herabgesetzt worden.

Nordhausen, 1. März. (W. T. B.) In der heutigen außer⸗ ordentlichen Generalversammlung der Nordhausen⸗Erfurter Bahn wurde der Antrag, die restirenden Coupons der Stammpriori⸗ täten durch Abstempelung auf die Stammaktienbesitzer zu übertragen, mit 683 gegen 39 Stimmen angenommen.

Nürnberg, 28. Februar, (Hopfenmarktbericht von Leopold Held.) Vom Hopfenmarkte ist keine Veränderung zu be⸗ richten. Seit Beginn der Woche wurden täglich 60 80 Ballen zu den vorwöchentlichen Preisen verkauft, und zwar zahlte man für Prima bis zu 375 ℳ, für Mittelwaare 295 320 und für leich⸗ tere Hopfen 270 280 Am gesuchtesten sind Mittelhopfen in der Preislage von 300 320 Die Stimmung des Marktes ist ruhig.

Pest, 1. März. (W. T. B.) Die Bilanz der Ungarischen Allgemeinen Kreditbank pro 1882 weist einen Reingewinn von 1 046 624 Fl. auf; die Dividende beträgt 19 ½ Fl. und ist am 1 April c. zahlbar. Der aus der Konvertirung der ungarischen Goldrente bis zum Schlusse des Jahres sich ergebende Nutzen ist in den Gewinn einbezogen.

London, 1. März. (W. T. B.) Bei der gestrigen Woll⸗ auktion waren Preise unverändert, Ton wieder fester..

Verkehrs⸗Anstalten.

Triest, 1. März. (W. T. B.) Der Lloyddampfer „Saturno“ ist heute Vormittag aus Konstantinopel ‚hier einge⸗ troffen. KEEeneee

Berlin, 2. März 1883.

Ihre Majestät die Kaiserin übersandte heute dem Central⸗ Bureau für den Weltverkehr von Brasch und Rothenstein die Summe von Eintausend Mark für die von diesen Herren hierselbst, Friedrichstr. 78, zu Gunsten der Ueberschwemmten in Amerika eröffnete Sammlung.

Der Verein zur Erbauung billiger Wohnhäuser, der vor etwa Jahresfrist von Mitgliedern der Berliner Beamten⸗ vereinigung gebildet ward und der auch jetzt noch namentlich Beamte zu seinen Mitgliedern zählt, hielt gestern Abend im oberen Saal des Restaurants Waßmann eine Versammlung ab, in der zunächst über die bisher erzielten Resultate Bericht erstattet wurde. Durch Ver⸗ mittelung des Vereins sind bisher in Friedenau und zwar in der Schmargendorfer und Niedstraße 16, in Steglitz am Fichtenberg 9 und in Lichterfelde 2 Häuser für Mitglieder erbaut worden, die mit Ausnahme von zwei, die schon seit Oktober bewohnt sind, im Laufe dieses Monats bezogen werden sollen. Eine Anzahl neuer Verträge sind bereits wieder zum Abschluß gelangt. Die Behörden sind dem Verein mit der größten Bereitwilligkeit entgegengekommen. Es ist den Beamten nicht nur die generelle Erlaubniß ertheilt worden, in den drei genannten Ortschaften zu wohnen, sondern die Behörden haben sich auch mehrfach bereit gefunden, die Grundstücke der Vereins⸗ mitglieder mit Hypotheken zu beleihen. Mitglieder zählt der Verein z. Z. nominell 109. Die Versammlung beschloß sodann, zur Verall⸗ gemeinerung der Vereinstendenzen in allernächster Zeit eine große Versammlung zu berufen und an dem darauf folgenden Sonntage eine

allgemeine Exkursion nach Friedenau zur Besichtigung der dortigen

Anlagen zu veranstalten.

Zum Besten des Paul Gerhardt⸗Stifts ist heute in den Prachtsälen des Gräflich Redernschen Palais, Unter den Linden, ein glänzend ausgestatteter Bazar eröffnet worden. Se. Majestät der Kaiser, Ihre Majestät die Kaiserin und die anderen Mitglieder des Königlichen Hauses haben reiche Geschenke übersandt, und auch die dem Stift nahestehenden Damen haben sich mit seltenem Erfolge bemüht, die Tische des Bazars mit dem Luxus wie dem vrak⸗ tischen Gebrauch gewidmeten Gaben zu schmücken. Die Hohe Protektorin des Stifts, Ihre Königliche Hoheit die Herzogin Wilhelm und hre Erlauchte Tochter walteten an den Gabentischen mit anderen hoch⸗ gestellten Damen des Amtes als Verkäuferinnen. Der Besuch des Bazars und nicht minder die Kauflust waren überaus erfreulich. Bereits am Vormittage des Eröffnungstages erschienen Ihre König⸗ lichen Hoheiten die Frau Erbprinzessin von Sachsen⸗Meiningen und die Prinzessin Victoria, um zahlreiche Einkäufe zu machen. Im Stift selbst sind zur Zeit 39 Schwestern, die ihre Thätigkeit vor Allem der Armenpflege widmen.

Bayreuth, 2. März. (W. T. B.) Nach erfolgter Zustimmung von Seiten der Wittwe Richard Wagners und mit Königlicher Zu⸗ wendung sollen hier in der Zeit vom 8. bis 30. Juli, unter Mit⸗ Münchener Künstler, 12 Parsifal⸗Aufführungenstatt⸗ inden.

Concertha us. Auf dem Programm des morgigen Symphonie Concerts steht die Symphonie in Es-dur von Mozart. Ferner kommen u. a. der Kaisermarsch und die „Tannhäuser“⸗Ouvertüre von Richard Wagner zur Aufführung.

Am Montag, den 5. d. M., Abends 7 ½ Uhr, findet im Saale der Singakademie das 2. Abonnements⸗Concert des Philhar⸗ monischen Orchesters unter Direktion des Hrn. Professors

Billets zu 3 und 2 sind i Singakademie zu

Literarische Neuigkeiten und periodische Schriften.

Erinnerungsblätter an die Schreckenstage der Hoch⸗ fluth von 1882 bis 1883 in Baden, Bayern, dem Hessenlande, Preußen, Württemberg und Elsaß⸗Lothringen. Genaue Schilderungen aller durch die Hochfluth verursachten Schaͤden, Schreckensszenen und Unglücksstellen ꝛc., mit nach der Natur aufgenommenen wahrheits⸗ getreuen und prächtigen Illustrationen. Verfasser: Ph. Klausner, Gerichtsreporter. Ein Theil des Reingewinnes ist für die Ueber⸗ schwemmten bestimmt. Dritte Auflage Preis 40 ₰. Verlag, Lithographie, Buch⸗ und Steindruckerei von H. Diesbach, Mannheim.

Milch⸗Zeitung. Nr. 9. Inhalt: Ueber den Einfluß der Schlempe⸗Fütterung auf die Milchsekretion. Von Dr. M. Schmoeger (Ref.) und O. Neubert in Proskau. Verschiedene Mittheilungen. Deutschland. Berlin. Pferdefleischkonsum. Zoll⸗ freiheit von Rohrzucker bei Verwendung zur kondensirten Milch. Einfuhrverbot von Schweinen ꝛc. amerikanischen Ursprungs. Gum⸗ binnen. Schweine⸗Einfuhrverbot. Stuttgart. Farren⸗ (Stier⸗) Haltungsgesetz in Württemberg. Gotha. Mitteldeutscher Pferde⸗ zucht⸗Verein. Frankreich. Paris. Käsereischule. Niederlande. Haarlem. Milchkonservirung. Großbritannien. London. Milch⸗ versorgung. Ansteckende Hausthier⸗Krankheiten. Deutschland. Influenza (Pferdestaupe). Ausstellungen. Frankreich. Inter⸗ nationale milchwirthschaftliche Ausstellung in Caen. Großbri⸗ tannien. Smithfield⸗Klub⸗Schau. Allgemeine Berichte. Deutscher Landwirtbschaftsrath. Preisnotirung für den Viehhandel auf dem Centralviehhof in Berlin. Erfahrungen in der Praxis. Fabri⸗ kation und Behandlung der Magerkäse. Statistik. Deutschland. Fleischkonsum in Augsburg. Frankreich. Ein⸗ und Ausfuhr von Vieh und Viehprodukten in Frankreich. Geräthe⸗, Maschinen⸗ und Baukunde. Gewichts⸗Laktometer oder Methode, die Güte der Milch durch Abwägung zu bestimmen. Biologie. Ueber die Ablagerung von Fett bei gemästeten Thieren (Schluß). Sprechsaal. Baum⸗ wollensamenkuchen. Centrifugen, Kühlapparate ꝛc.

Die gefiederte Welt. Zeitschrift für Vogelliebhaber, Züchter und Händler. Herausgegeben von Dr. Karl Ruß. Nr. 9. Inhalt: Zum Vogelschutz: Gesetzliche Regelung. Die Vogelwelt und ihr Ursprung (Fortsetzung). Ein sprechender Kanarienvogel. Zur Fütterung insektenfressender Vögel. Aus Haus, Hof, Feld und Wald. Anfragen und Auskunft. Aus den Vereinen: Wies⸗ baden; Breslau; Nossen; Hamburg⸗Altona; Augsburg; München (Schluß); Stuttgart; Erfurt; Bielefeld; Würzburg; Ausstellungen. Bücher⸗ und Schriftenschau. Mancherlei. Briefwechsel.

Isis, Zeitschrift für alle naturwissenschaftlichen Liebhabereien. Herausgegeben von Dr. Karl Ruß und Bruno Dürigen. Nr. 9. In⸗ halt: Zoologie: Schildkröten im Terrarium III. (Schluß). Züchtung ausländ. und inländischer Schmetterlinge (Fortsetzung). Meeresthiere: 1) Quallen (Schluß). Botanik: Varietäten Flora des deutschen Sprachgebiets (Fortsetzung). Anregendes und Unterhaltendes: Einiges über die elektrischen Fische (Schluß).

Illustrirte Berliner Wochenschrift „Der Bär“. Verlag von Gebrüder Paetel in Berlin W. Nr. 22 9. Jahrgangs. Inhalt: „Was wird sie thun?“ Novelle von K. Rinhart (Fort⸗ setzung). General⸗Feldmarschall Edwin Freiherr von Manteuffel von D. (mit Portrait). In der Berliner Parochialstraße (mit Zeichnung von Ernst Höppner). Die Universität Frankfurt von Oskar Schwebel (mit Illustration). Die Berliner Grundbesitz⸗ ver hältnisse. Das Hauptgebäude auf dem Terrain der Hygiene⸗ ausstellung. Berliner Theater. Stadtbahn. Erweiterungsban der Berliner Börse. Allgemeines historisches Portraitwerk ꝛc. Brief⸗ und Fragekasten. Inserate.

Redacteur: Riedel. Verlag der Expedition (Kessel). Druck: W. Elsner.

Vier Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage).

Berlin:

1““ 1

Erste Beilage 8 Anzeiger und Königlich Preußischen

Berlin, Freitag, den 2. März

1883.

8 E 2

Nichtamtliches.

Preußen. Berlin, 2. März. Im weiteren Ver⸗

laufe der gestrigen (38.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten wurde die zweite Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Feststellung des Staatshaus⸗ halts⸗Etats pro 1883/84, mit der Diskussion des Etats des Ministeriums der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medi⸗ eHeiten (dauernde Ausgaben Kap. 121) fortgesetzt. 8 88c Tit. 28 (Errichtung neuer Schulstellen) klagte der Abg. Strosser, daß der Staat den ohnehin schon armen Ge⸗ meinden im Regierungsbezirk Minden jetzt so kostspielige und zohlreiche Schulbauten aufbürde. Man möge doch die alten Verhältnisse in Bezug auf die Ein⸗ und Mehrklassigkeit der Schulen beibehalten und, wo wrklich eine Ueberfüllung der Klassen vorhanden sei, lieber mit Halbtagsschulen abhelfen, als durch Schulbauten und Errichtung von Lehrerstellen den Gemeinden Schwierigkeiten bereiten.

Der Regierungskommissar Geheime Ober⸗Regierungs⸗ Rath Dr. Schneider wies durch Verlesung der von Raumer⸗ schen Regulative nach, daß die Bestimmungen über Mehr⸗ klassigkeit nicht neu, sondern nur wieder in Erinnerung ge⸗ bracht seien, und auch bei Halbtagsschulen in Anwendung kämen. Es sei auch für die Erziehung von hoher Wichtigkeit, daß die Anfänger durch einen and rn Lehrer und natürlich auch in einem andern Raum unterrichtet würden, als die vor der Konfirmation stehenden Schüler. Darum könne man die allerdings schwer lastenden Ausgaben den Gemeinden, welche übrigens meist durch übertriebene Ausgaben auf anderen Ge⸗ bieten ihre finanziellen Mißverhältnisse selbst verschuldet hätten, nicht ersparen.

Der Abg. Strosser erinnerte daran, daß eine Jahrhun⸗ derte alte Praxis den Nachweis liefere, daß die neugeforderten Einrichtungen für die Erziehung doch nicht von gar so großer Be⸗ deutung seien; die Gemeinden forderten ja keine eigentliche Erleichterung, sondern nur die Beibehaltung des alten Zu⸗ standes und eine Vermeidung von neuen Lasten.

Der Titel wurde bewilligt.

Tit. 28a. erscheint in diesem Jahre zum ersten Male im Etat, derselbe fordert zu Schulbauten 500 000 und wurde ovn der Kommission durch den Referenten Abg. Grafen zu Limburg⸗ Stirum zur Annahme empfohlen, jedoch in folgender Fassung: „Zur Unterstützung unvermögender Gemeinden und Schulver⸗ bände bei Elementarschulbauten 500 000 ℳ“

Der Referent führte aus, daß die Zuschüsse zu den Kosten von Schulbauten bisher aus dem Dispositionsfonds der Generalstaatskasse gewährt worden seien; bei der Vermehrung der Schulstellen hätten sich die Ansprüche jedoch derartig ge⸗ steigert, daß der genannte Fonds den Ansprüchen nicht mehr genügen könne, ohne seiner nächsten Bestimmung entzogen zu werden, die Höhe der Summe sei nach dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre bemessen. Durch die allge meine Bestimmung „zu Schul⸗ bauten“ werde dem Bedürfniß, eine Ueberfüllung der Schulen zu verhüten, nicht genügt, vielmehr müßten zur Erreichung dieses Zweckes die Zuschüsse nur bedürftigen Gemeinden zu⸗ gewendet werden.

Der Abg. Dr. Windthorst bemerkte, der Vertreter der Regierung habe in der Kommission nach ihm gewordenen Nachrichten in Aussicht gestellt, daß dieser Fonds in den kom⸗ menden Etats stetig steigen werde. Man befinde sich hier also gewissermaßen einer ersten Rate gegenüber; die Position sehe ihm so aus, als ob sie die Uebernahme der gesammten Schul⸗ last auf den Staat einleiten solle. Damit wäre aber eine große Gefahr der Verstaatlichung der Schule gegeben, eine Gefahr, die um so drohender sei, als man auf die vorgeschlagene Weise die Verfassungsbestimmung, daß die Gemeinde nach Artikel 25 die erste Verpflichtete sei, sehr einfach faktisch eskamotiren könne. In der proponirten Form bewillige er die Summe nicht; reichten die Mittel des Allerhöchsten Dispositionsfonds zur Befriedigung der auf diesem Gebiete erwachsenden Bedürfnisse nicht aus, so sei er bereit, denselben angemessen zu erhöhen. Aber ohne Modifikation der Ver⸗ fassung halte er die Bewilligung dieser Summe im Etat für unzulässig.

Hierauf ergriff der Minister der geistlichen ꝛc. Angelegen⸗ heiten von Goßler das Wort:

Meine Herren! Soweit es mir möglich war, den geehrten Herrn Vorredner zu verstehen, habe ich die Bemerkungen desselben so auf⸗ gefaßt, als ob er im Wesentlichen nur aus prinzipiellen Gründen gegen die Bewilligung dieses Titels sich gewendet hat und zwar aus dem Motiv, weil er bei der Annahme dieser Position fürchtet, daß auf dem Wege der Uebernahme der Schullasten auf den Staat die Rechte der Gemeinden eine größere Beschränkung erfahren könnten. Sollte ich mich in dieser Annahme getäuscht haben, so würde es mir erwünscht sein, wenn ich vielleicht im gegenwärtigen Mo⸗ mente Widerspruch erführe. (Abg. Dr. Windthorst: Nein!) Das ist also nicht der Fall, dann habe ich richtig gehört. Meine Herren, bei dieser Position, wie in allen ähnlichen Dingen gehe ich grundsätzlich stets von dem praktischen Bedürfnisse aus und das prak⸗ tische Bedürfniß zu konstatiren habe ich meine angelegentliche Sorge sein lassen. Ich habe mir daher, wie ich das gestern schon in anderm Zusammenhang anzudeuten mir erlaubte, Mühe gegeben, alle diejenigen Arbeiten, welche in den letzten Jahren auf diesem Gebiet gemacht sind, immer noch besser zu verificiren, und ich hoffe, in der Ihnen vorgelegten Denkschrift werden Sie die Beläge dafür finden. Auch ohne daß ich mit vielen Zahlen hervortreten möchte, wird man nun doch wohl allseitig auf Grund allgemeiner Erfahrungen an⸗ zuerkennen geneigt sein, daß es als die wichtigste Auf⸗ gabe anzusehen ist, auf dem Gebiete des Schulbau⸗ wesens endlich vorwärts zu kommen. Alle unsere Bemühungen, mit der Zunahme der Bevölkerung auch die Unterrichtsversorgung der Ge⸗ meinden und der Kinder dieser Gemeinden zu fördern, sind umsonst, wenn wir nicht in die Lage kommen, nachdem wir den Lehrermangel, Gott sei Dank, im Großen und Ganzen überwunden haben, auch die nöthigen Unterrichtslokalitäten zu schaffen. Ich verweise hier nur auf die Bemerkung, die, meines Wissens von allen Seiten überein⸗ stimmend, bei Gelegenheit der Berathung des oberschlesischen Noth⸗ standsgesetzes gemacht wurden. Meine Herren, der geehrte Herr Referent hat bereits die Güte gehabt, anzuführen, daß ungefähr die Hälfte aller unserer Schulkinder, also etwas über 2 Millionen, in nicht normal ein⸗ gerichteten Klassen unterrichtet werden. Die Zahl der Schulen, welche mit einer übermäßigen Frequenz belastet sind, beträgt 15 000. Das ist ungefäͤhr die Hälfte aller unserer öffentlichen Volksschulen

und darunter befinden sich allein über 800 Schulen, in denen bei einklassigen Schulen über 150 Kinder pro Klasse und in mehrklassigen Schulen über 120 Kinder pro Klasse sich befinden. Meine Herren, diese sehr bedenklichen Erscheinungen mehren sich der Natur der Sache nach stetig bei dem Anwachsen der Bevölkerung unseres Staates, und ich glaube, keine Unterrichtsverwaltung kann sich der ernsten Sorge und der ernsten Pflicht entschlagen, zu erwägen, wie diesen er⸗ drückenden Uebelständen entgegengearbeitet werden kann.

Die Nothwendigkeit aber, auf dem Gebiete des Schulbauwesens den Gemeinden zu Hülfe zu kommen, brauche ich nicht weiter auszu⸗ führen. Wer die Verhältnisse im Lande kennt, weiß das hat ja auch der letzte Herr Redner anerckannt —, daß die Schulbaulasten die drückendsten Lasten sind, welche eine Gemeinde treffen können. Der Energie der Unterrichtsverwaltung und dem wohlwollenden Ent⸗ gegenkommen der Finanzverwaltung ist es gelungen, im Laufe der letzten Jahre aus dem Allerhöchsten Dispositionsfonds immer reichere Mittel für diese Zwecke flüssig zu machen, aber dies hat in sich eine Grenze, einmal an dem Betrage des Dispositionsfonds und zweitens auch an der ganzen Art der Behandlung der Sachen als Gnadensache, und gerade dieser Umstand ist nicht ohne besondere Schwierigkeit für die Administration.

Der Hr Abg. von Heydebrand hat ja nicht mit Unrecht auf die Prästationstabellen, welche die praktischen Verwaltungsbeamten in so hohem Grade belasten, hingewiesen. Bei allen Gnadenbewilligungen kann ja nur auf Grund des nachgewiesenen Bedürfnisses das trifft sowohl bei Kirchen⸗ wie bei Schulbauten zu eine Sublevation der Gemeinde eintreten, und es liegt in der Natur der Dinge, daß, wenn entweder die Prästationsunfähigkeit nicht vollkommen genügend dar⸗ gelegt ist oder der Fonds erschöpft ist, eine Rückverweisung der An⸗ träge der Gemeinden stattfindet. Damit tritt, wie die Erfahrung lehrt, zumeist eine Hinausschiebung auf Jahre hinaus ein, und es wird ein systematisches Vorwärtsschreiten der Schulverwaltung auf diesem Gebiete bis zur Unerträglichkeit erschwert.

Um Ihnen einen ohngefähren Begriff zu geben, wie die Ansprüche auf vollkommen natürlichem Wege gewachsen sind und fortwährend weiter wachsen, will ich nur anführen, daß die Tabelle der technisch geprüften und auch im Uebrigen bereits vollkommen durchgearbeiteten Anträge auf Bewilligung von Bauunterstützungen im Oktober v. J. bereits 203 Fälle aufwies, welche eine Summe von etwas über eine Million Mark in Anspruch nehmen. Das sind die Summen, welche sich im Laufe eines starken Jahres ergeben haben. Daraus, meine Herren, werden Sie schon erkennen, daß, wenn Sie die geforderte halbe Million bewilligen, damit noch keineswegs alle diejenigen Wünsche erfüllt sind, welche die nothleidenden Gemeinden hegen.

Was mich bestimmt hat, vorläufig auch mit dieser geringen Summe zufrieden zu sein, ist ein weiterer, auf administrativer Er⸗ fahrung beruhender, praktischer Gesichtspunkt, der im Folgenden be⸗ steht. Ich glaube, daß, wenn die Unterrichtsverwaltung in die Lage versetzt wird, über eine bestimmte Summe zu verfügen und über diese Summe in bestimmter Weise durch Untervertheilung zu disponiren, die Regierungen demnächst mit geringeren Summen erheblich Größeres leisten können. Die Regierungen werden durch Ueberweisung einer bestimmten Summe in den Stand gesetzt, sich Pläne zu machen, in welcher Folge den schreiendsten Nothständen ab⸗ zuhelfen sein wird. Sie werden in der Lage sein und was das bedeutet, habe ich in meiner eigenen praktischen Thätigkeit als Land⸗ rath zur Genüge in Erfahrung gebracht —, den Gemeinden bestimmte Summen in Aussicht zu stellen für den Fall, daß die Gemeinden ge⸗ wisse Lasten übernehmen, und in diesem Verhandeln, in diesem An⸗ bieten und Abhandeln ist es in der Regel möglich, mit geringeren Staatsmitteln Größeres in der Prarxis zu leisten. Gegenwärtig werden, wie kaum anders erwartet werden darf, die Gemeinden, wenn sie wissen, daß ihre Anträge vielleicht erst in 4 Jahren oder unter Umständen in noch späterer Frist erfüllt werden, ihre Ansprüche ungemein steigern. Würde dagegen die Unterrichtsverwaltung in der Lage sein, zu sagen: „wir stellen Euch in Aussicht, daß Ihr in einem Zeitraum von 1 oder 2 Jahren die und die bestimmten Quoten zum Bau eines neuen Schulhauses erhaltet“, dann würden wir nach meiner praktischen Erfahrung die sich bietenden Schwierigkeiten bei Weitem leichter überwinden, und sehr vielen Gemeinden bei ihren Schulbau⸗ lasten wirksam zu Hülfe kommen.

Es sind in der That wesentlich, ich kann schließlich praktische Momente gewesen, welche mir den Muth gegeben haben, an die Finanzverwaltung mit der Bitte heranzutreten, diese halbe Million in den Etat einzustellen. Die vom Hrn. Abg. Dr. Windthorst befürchteten Nachtheile werden sicherlich nicht eintreten, diese Befürchtungen sind schon um deswillen haltlos, weil die halbe Million schon heute erheblich weniger ist, als was die Gemeinden, meines Erachtens nicht ohne Grund wohl, er⸗ hofft haben. Sie können aber durchaus überzeugt sein, daß der Cha⸗ rakter der Bewilligungen zu Schulbauten als wirklicher Unter⸗ stützungen für den Fall des Unvermögens der Gemeinden eine Aende⸗ rung nicht erleiden wird. 8

Der Abg. von Tiedemann (Bomst) sprach sich ebenfalls für Annahme des Titels aus; es handele sich durchaus nicht um Anerkennung eines neuen Prinzips hinsichtlich der Be⸗ willigungen zu den Schullasten, sondern nur um einen mehr

technischen Unterschied.

Der Abg. Bachem erklärte, er werde gegen die Position stimmen, da er ebenso wie sein Kollege Windthorst gegen die Verstaatlichung des Kommunalschulwesens sei. Redner wünschte im Uebrigen eine genaue Prüfung der Prästations⸗ fähigkeit der einzelnen Gemeinden, welchen man Unter⸗ stützungen zuwende; er warne davor, nicht prästationsfähige Gemeinden zu Schulbauten zu veranlassen, wo letztere nicht absolut unumgänglich seien. Er erinnere an die Verfügung des Ministers von Puttkamer vom 28. Mai 1881, welche durchaus im Sinne seiner (des Redners) Ausführungen ge⸗ halten, aber bisher nicht genügend zur Anwendung gelangt sei.

Demnächst nahm der Staats⸗Minister von Goßler, wie folgt, das Wort:

Meine Herren! In allen den Momenten, welche der Herr Vor⸗ redner angeführt hat, liegen nicht Verschiedenheiten, sondern meines Erachtens nur Harmonien seiner Auffassung von der meinigen. Die Unterrichtsverwaltung das hat er ja selbst ausgeführt befindet sich immer zwischen zwei Polen; der eine ist das Bestreben, die Pflicht den auf unterrichtlichem Gebiete sich stetig vermehrenden Bedürfnissen zu genügen, wobei das Maß des Bedürfnisses von ihrem Willen und Einfluß gänzlich unabhängig ist, denn die Vermehrung der Bevölke⸗ rung, der Zuzug von außen, die Ansprüche in Bezug auf sanitäre Maßnahmen und noch manche andere Momente sind dabei maßgebend. Der andere Pol, der gegenüber steht, ist die meistentheils schwache Leistungsfähigkeit der Unterhaltungspflichtigen. Ich kann den Herrn Vorredner aber darüber völlig beruhigen, daß in den bei der Abwägung der Verhältnisse in Betracht kommenden Grundsätzen ein Wandel innerhalb des Ministeriums überall nicht eingetreten ist. Ich kann ihm auch die Versicherung geben, daß die Gemeinden in weit ausgiebigerer Weise von ihrem Rechte, Beschwerde zu führen, Gebrauch machen, als der Herr Vorredner annimmt. Wir stellen es uns auch immer zur Aufgabe, auch ohne Anregung

sagen aus⸗

von außen unsererseits zu prüfen, ob nicht vielleicht eine andere Form gefunden werden kann, um den Bedürfnissen in weniger kostspieliger Weise abzuhelfen, insbesondere, ob nicht im gegebenen Falle durch Bildung von 3 Klassen unter 2 Lehrern, oder andere Veränderungen der Schulorganisation Fürsorge getroffen werden kann, um dem unter⸗ richtlichen Bedürfniß in entsprechender Weise mit geringeren Kosten zu genügen. Der Herr Vorredner wird mir aber auch gewiß zugeben, daß, wenn er anerkennt, daß unter Umständen zwischen dem unter⸗ richtlichen Bedürfniß und der Leistungsfähigkeit der Gemeinden, Widersprüche bestehen, es meinerseits vollkommen richtig gewesen ist, einen solchen Fonds in den Staatshaushalts⸗Etatsentwurf einzustellen aus welchem, wie nicht näher ausgeführt zu werden braucht, in zahl⸗ reichen Fällen den drückenden Bedürfnissen der Gemeinden Abhülfe zu schaffen möglich werden wird.

Auf diesem Gebiet, meine Herren, ist die Staatsregierung ge⸗ wissermaßen durch ihre bisherigen Maßnahmen vinkulirt. Ich will die Debatte nicht ausdehnen, ich verweise aber doch auf den Entwurf des Verwendungsgesetzes, ich verweise auf die letzte Allerhöchste Thron⸗ rede, in welcher an erkannt worden ist, daß für die Gemeinden eine Erleichterung der Schulbedürfnisse durchaus nothwendig sei.

Nun möchte ich noch auf den ersten Punkt zurückkommen, den der Herr Vorredner berührt hat und welcher einen mehr administrativen, technischen Punkt betraf, nämlich die Einrichtung der Schulbauten. Es ist schwer, meine Herren, in dieser Hinsicht, insoweit dabei der gesammte Umfang der Monarchie in Betracht kommt, sich ein ein⸗ heitliches Urtheil zu bilden, dergestalt, daß man auf die An⸗ regung des Herrn Vorredners mit einem bestimmten Ja oder Nein antworten könnte. Ich kann es anerkennen, daß in Zeiten, wo man glaubte, der Erwerb sei ein außerordentlich leichter, die Gelder seien in den Kommunal⸗Etats sehr flüssig, vielleicht über die unmittelbaren Bedürfnisse des Volksschulwesens in den Bauten hinausgegangen ist. Aber ich kann versichern, daß, soweit mein Einfluß gereicht hat, ich auf diesem Gebiete immer zu weiser Vorsicht und Sparsamkeit gemahnt habe Ich habe immer den Grundsatz festgehalten: lieber elf Schulen bauen als zehn, wenn die elf dem realen Bedürfnisse entsprechen, möchten auch die zehn in ihrer äußeren Erscheinung vielleicht etwas anmuthiger und wohlgefälliger sich darstellen. Den Kern dieses Satzes werden Sie als berechtigt anzuerkennen geneigt sein.

Ich habe mir jedoch auch Mühe gegeben, darüber hinaus ernstlich der Frage näher zu treten, und dazu eine Veranlassung erhalten in einer Bestimmung des Kompetenzgesetzes, wodurch mir der Erlaß von normativen Bestimmungen darüber nahe gelegt wurde, in welcher Weise das ganze Schulbauwesen zweckmäaßig zu ordnen sei. Ich habe in dieser Hinsicht sämmtliche betheiligten Behörden zu einem Gut⸗ achten darüber aufgefordert, welche Bauart nach Maßgabe ihrer Ver⸗ waltungsbezirke als die zweckmäßigste und billigste erscheint. In Folg dessen ist ein überaus interessantes und ungemein reichhaltiges Ma terial gewonnen, welches zwar die Reglementirung erschwert, mi aber in erwünschter Weise Anlaß geben wird, in Verbindung mit der Herrn Minister der öffeatlichen Arbeiten und der sonst betheiligte Ressortchefs zu Maßnahmen zu kommen, welche, wie ich hoffe, den praktischen Bedürfnisse in jeder Beziehung gerecht werden, dem Be dürfnisse, die Schulbauten in möglichster Zweckmäßigkeit zu errichten, aber unter thunlichster Schonung der finanziellen Kräfte der betheilig⸗ ten Gemeinden. 1 b

Der Abg. Kieschke fand zwar die Forderung des Etat nicht glücklich durch die Regierung motivirt; er werde aber au praktischen Erwägungen die Summe bewilligen und bitte nur daß die Regierung im künftigen Etat die Grundsätze näher bezeichnen wolle, nach denen sie die Unterstützungen für Schul bauten aus dem Titel zu vertheilen gedenke.

Der Staats⸗Minister von Goßler erklärte, es sei kein Bedenken vorhanden, dem letzten Wunsche des Vorredners zu entsprechen. Er sei bereit, dem nächsten Landtaße die Grund züge mitzutheilen, nach welchen die Vertheilung dieses Fonds ersolgen solle.

Der Abg. Büchtemann bemerkte, so lange diese Grund züge dem Hause nicht bekannt seien, sei er nicht in der Lage, für die Bewilligung zu stimmen. Die Grundzüge, nach denen der Staat seine Beiträge zu den Gemeindeschullasten bewillige bedürften der gesetzlichen Regelung. Ehe man nicht eine Land gemeindeordnung habe, könne man überhaupt die Prästations⸗ fähigkeit der einzelnen Gemeinden gar nicht genügend prüfen

Der Abg. von Benda sprach für die Position, da ein neues Prinzip nicht vorliege, und nur solche Bewilligungen welche früher im Gnadenwege erfolgt seien, jetzt der etats mäßigen Kontrole des Hauses unterstellt werden sollten.

Der Abg. Dr. Windthorst erklärte sich nochmals gegen den Titel. Der bisherige Modus biete ihm mehr Garantien einer gerechten Vertheilung der Staatsunterstützungen, als der hier vorgeschlagene.

Die Position wurde darauf angenommen.

Beim Titel: Taubstummen⸗ und Blindenwesen wies der Abg. Götting auf die überraschenden Resultate hin, welche die Taubstummenerziehung in den letzten Jahrzehnten gehabt. Trotzdem bleibe aber noch Vieles zu wünschen übrig. Man müßte sämmtlichen taubstummen Kindern denselben Unterricht angedeihen lassen wie den andern Kindern. Zu diesem Zwecke müßte auch für die Taubstummen der Schulzwang ein⸗ geführt werden. Gegenwärtig stehe es in dem Belie⸗ ben der Eltern, ihre taubstummen Kinder gar nicht oder im 6., 8. oder 12. Jahre in die Anstalten zu schicken. Darin liege ein gewaltiger Hemmschuh für die Lei⸗ stungen der Anstalten, denen bei der Ueberfüllung eine indivi⸗ duelle Behandlung der Schüler fast unmöglich sei. Auch fehle es zur Zeit an einer einheitlichen Staatsleitung der Taub⸗ stummenanstalten. Die Einführung des Schulzwangs und der einheitlichen Leitung für die Anstalten dürfe der Regierung auf das Angelegentlichste empfohlen werden.

Demnächst nahm der Minister der geistlichen ꝛec. An⸗ gelegenheiten von Goßler das Wort: 8

Meine Herren! Der Aufforderung, welche der Herr Vorredner an mich gerichtet hat, bin ich an sich geneigt, aufs Weiteste entgegen⸗ zukommen. Die Fürsorge für die unglücklichen Taubstummen ist mir nicht allein in meiner jetzigen Stellung, sondern auch in meiner früheren Verwaltungsstellung immer Herzenssache gewesen, und wenn der Herr Abgeordnete sich mit mir oder meinem Referenten in Ver⸗ bindung setzen wollte, würden wir uns freuen, wenn wir ihm über die Anstrengungen, die wir auf diesem Gebiet gemacht haben, weitere Auskunft geben könnten. Hier würde dies bei der gegenwärtigen Ge⸗ schäftslage vielleicht etwas zu weit führen.

Das Interesse, welches ich dem Taubstummenunterricht zugewendet habe, hat bereits im vorigen Jahre prägnanten Ausdruck gefunden in dem Posten, welcher: Zur Förderung des Unter⸗ richts der Taubstummen und Blinden mit 20 000 in den Staats⸗ haushalts⸗Etat eingestellt ist. Ich habe hier die große Denkschrift in Händen, welche ich damals an das Finanzressort gerichtet 2 um