det sind, wirken von den Arbeitern aus ihrer Mitte gewählte Vor⸗ standsmitglieder mit; über einzelne Punkte beschließen nur die Gene⸗ ralversammlungen der sämmtlichen Betheiligten. 8 Betreffs sonstiger Wohlfahrtseinrichtungen wird angeführt, daß mehrere Fabriken Suppenanstalten unterhielten. In diesen wurde den Arbeitern gegen den Betrag von 20, vereinzelt auch schon für 10 ₰, etwa ein 1 kräftige Suppe mit etwa Kekg Fleisch, bisweilen auch mit Zu⸗ emüse, verabreicht. Die meisten dieser Fabriken lieferten auch Morgens und achmittags für einen den Herstellungspreis kaum erreichenden Betrag etwa ½ — 11 Kaffee, sowie ein leichtes, aber durchaus preiswürdiges Bier. Die Besitzer selbst legten bei diesen niedrigen Preisen regel⸗ mäßig größere oder kleinere Summen zu, die meistens ein Viertel, in einem Falle sogar die Hälfte der Summe betrage, welche die be⸗ theiligten Arbeiter selbst entrichteten. — Konsumvereine würden von mehreren Fabriken unter Theilnahme der Arbeiter an der Verwaltung unterhalten und gewährten neben dem Vortheil, daß die Lebensmittel in tadelloser Beschaffenheit verabfolgt würden, bis zu 13 % Nutzen, bezw. GFewinnantheil im Vergleiche zu den ortsüblichen Preisen. — Mehrere größere Unternehmungen gewährten einem Theile ihrer Arbeiter Familienwohnungen in Einzelwohnhäusern oder für mehrere zusammen in größeren Wohngehäuden, viele aber hätten für unverheirathete oder solche Arbeiter, welche entfernter von der Fabrik wohnen, Schlafsäle eingerichtet. Die letzteren erschienen für die Zahl der darin Schlafen⸗ den immer binlänglich geräumig, und es habe sich nach keiner Rich⸗ tung hin etwas zu bemängeln gefunden. Einzelne Anlagen unter⸗ stützten ihre besonders zuverlässigen Arbeiter in humaner Weise bei Erwerb von Wohnhäusern oder auch sonstigem kleinem Grundbesitz. — Bade⸗Einrichtungen würden mehrfach da unterhalten, wo die Art der Beschäftigung eine starke Verunreinigung nicht blos der Hände verursache; überall da. wo diese nicht ausreichend erschienen seien, sei auf Vermehrung und, wo sie nicht gut genug ausgestattet worden, auf Verbesserung hingewirkt worden.
Breslau, 7. April. (W. T. B.) Die Einnahmen der Rechte⸗Oder⸗Ufer⸗Eisenbahn betrugen nach vorläufiger Fest⸗ stellung im Monat März d. J: 1) im Personen⸗ und Gepäckverkehr 100 110 ℳ, 2) im Güter⸗ und Viehrerkehr 747 950 ℳ, 3) außerdem 60 000 ℳ, mithin in Summa 908 090 ℳ Nach der definitiven Feststellung pro Monat März 1882 beliefen sich die Einnahmen ad 1 auf 89 711, ad 2 auf 640 001, ad 3 auf 60 000 ℳ, in Summa 789 712 ℳ; mithin ergaben die Ein⸗ nahmen pro Monat März d. J. ad 1. 10 429 ℳ mehr, aaàd 2. 107 949 ℳ mehr, ad 3) unverändert, in Summa mehr 118 378 ℳ Die Gesammteinnahmen vom 1. Januar bis ult. März 1883 be⸗ trugen 2 631 090 ℳ, ergaben mithin gegen den gleichen Zeitraum des Vorjahres eine Mehreinnahme von 272 187 ℳ
Verkehrs⸗Anstalten.
Das Centralbureau für den Weltverkehr (die Herren Brasch und Rothenstein hier, W.) veröffentlicht mit dem Prospekt des In⸗ stituts die Schiffsliste für April, Mai und Juni 1883. Das Heft enthält auch gleichzeitig das Verzeichniß der im Bureau ausliegen⸗ den Zeitungen, Landkarten, Atlanten und Adreßbücher, die Billetpreise sowie die Parceltarife für die Vereinigten Staaten von Nordamerika, für Südamerika und Australien. 8
Southampton, 6. April (W. T. B.) Der Dampfer des Norddeutschen Lloyd „Fulda“ ist hier eingetroffen.
2
Berliu, 7. April 1883. Konsulatsberichte.
Sydney, den 14. Januar.
Verhältnisseder Deutschen und deutsche Interessen in Neu⸗Seeland.
Ueber die Stellung der Deutschen auf Neu⸗Seeland läßt sich im Allgemeinen dasselbe sagen, was von der deutschen Be⸗ völkerung in den Kolonien des australischen Festlandes gilt. Dieselben werden besonders als Ackerbau treibende Kolonisten geschätzt und haben sich in den Städten als Handwerker und Inhaber von Detailgeschäften eine geachtete Stellung errungen. Dagegen giebt es unter den Großkaufleuten und den großen Grundbesitzern nur sehr wenige Deutsche. Auch in sozialer und politischer Beziehung spielt das deutsche Element, wenn man von einigen dem Gelehrtenstande angehörigen Persönlich⸗ keiten absieht, keine hervorragende Rolle.
Zahl der deutschen Bevölkerung. Einwande⸗ rung und Naturalisation. Die Zahl der in Neu⸗See⸗ land lebenden Deutschen ist geringer als diejenige in Queens⸗ land, Süd⸗Australien, Victoria oder Neu⸗Süd⸗Wales, trotzdem das Klima der Kolonie für Nord Europäer angenehmer ist, als das des Festlandes von Australien, und die wirth⸗ schaftlichen und staatlichen Verhältnisse Einwanderern minde⸗ stens die gleichen Vortheile bieten. Die Ursache hierfür ist zunächst wohl darin zu suchen, daß Neu⸗Seeland von Europa aus schwerer zugänglich ist, als die übrigen australischen Kolonien, welche von den regelmäßigen englischen Dampfer⸗ linien berührt werden, und sodann darin, daß die dortige Regierung bei der staatlichen Unterstützung der Ein⸗ wanderung sich fast ausschließlich auf das englische Element beschränkt hat. Eine einigermaßen nennenswetthe Einwande⸗ rung aus Deutschland fand nur in den Jahren 1874—77 statt, wo Slomansche Segelschiffe von Hamburg eine Anzahl Emigranten überbrachten, deren Passage auf Grund eines mit der Kolonialregierung geschlossenen Kontraktes bezahlt wurde.
Amtliche Angaben liegen nur über die Zahl der in Deutschland geborenen Personen vor, welche in Neu⸗Seeland ansässig sind. Deutsche in diesem Sinne gab es im April 1878 4649, im April 1881, wo zuletzt ein Census stattfand, 4819, in drei Jahren hat somit eine Zunahme von nur 17 Personen stattgesunden. Mit staatlicher Unterstützung sind während der genannten Jahre eingewandert 93 Deutsche,
nämlich in 1878 15, “ öʒ1““ „ 1880 13.
Rechnet man nun, daß von dem 1878 vorhandenen Be⸗ stande in 3 Jahren etwa 120 Personen verstorben oder weg⸗ gezogen sind, so würde sich für das besprochene Triennium eine weitere Einwanderung von etwa 200 Deutschen ergeben, die wohl meistens aus den übrigen australischen Kolonien nach Neu⸗Secland gekommen sind.
Wie viele der in Neu⸗Seeland ansässigen Deutschen ihre heim ische Staatsangehörigkeit bewahrt haben, läͤßt sich natür⸗ lich nicht ermitteln. Bezügliche Eintragungen in die Matrikeln der Kaiserlichen Konsulate finden nicht statt. Dagegen werden jährlich statistische Nachrichten über die Anzahl derjenigen Per⸗ sonen veröffentlicht, die ausdrücklich ihre bisherige Staats⸗ angehörigkeit aufgegeben haben und als Neu⸗Seeländer natu⸗ ralisirt worden sind. Unter dieser Kategorie befanden sich
1878: 26 Deutsche, 1879: 28 „ 1880: 27 * „ z⸗zusammen 81.
Nimmt man nun nach der obigen Berechnung an, daß
8 dieser drei Jahre etwa 300 Deutsche eingewandert
8 8
1““ 8 — .““ 18
sind, und berücksichtigt ferner, daß die Naturalisation eines verheiratheten Mannes ohne Weiteres die Naturalisation der Frau und minderjährigen Kinder nach sich zieht, so kommt man zu dem muthmaßlichen Resultat, diß für mindestens 40 Proz. der Eingewanderten der formelle Veclust der deutschen Staatsangehörigkeit einge treten sein wird.
Vertheilung der deutschen Bevölkerung. Numerisches Verhält niß zu den anderen Nationa⸗ litäten: Von den 481 9 in Deutschland geborenen Personen, welche nach dem neuseeländer Census vom April 1881 vor⸗ handen waren, gehörten 3188 dem männlichen und 1631 dem weiblichen Geschlecht an. Dieselben vertheilten sich über die
einzelnen Theile Neu⸗Seelands, wie folgt: 2135 Personen, 2678 „ 8
8
Nord⸗Insel Süd⸗Insel Chatam⸗Inseln F 6 8 Distrikte mit vorwiegend deutscher Bevölkerung, wie man sie in Queensland und Süd⸗Australien, vereinzelt auch in Reu⸗Süd⸗Wales und Victoria findet, kommen auf Neu⸗See⸗ land nicht vor, vielmehr sind die dortigen Deutschen so zie m⸗ lich über das ganze Areal der Kolonie zerstreut. Diejenig en Grafschaften (counties), wo das deutsche Element numeri sch am stärksten ist, sind die nach stehenden: Auf der Nord⸗Insel: Deutsche: Gesammtbevölkerung: 8 111114X“X“*“; 225 6 820 114 20 563 143 5 867 16 664
Wellington Waipawa Auckland Auf der Süd⸗Insel: Selwyn Waimea Ashley Dunedin Southland okitika 2 600 8 hristchurch 15 213 Wie in allen australischen Kolonien hat sich auch in Neu⸗ Seeland die Mehrzahl der eingewanderten Deutschen auf dem Lande angesiedelt. Bei dem Census von 1881 zählte man in boroughs, das heißt Ortschaften über 1000 Einwohner 1587 und außerhalb der boroughs 3232 Deutsche. Der Prozentsatz der in Deutschland geborenen Personen im Verhältniß zur Gesammtbevölkerung betrug 0,98 Proz. So geringfügig dieser Antheil ist, so ist derselbe doch größer als der irgend einer anderen fremden Nationalität in Neu⸗ Seeland, ausgenommen der chinesischen, welche 5033 Personen oder 1,03 Proz. zählte. 45,60 Proz. der Bevölkerung waren in Neu⸗Seeland selbst geboren, 3,53 Proz. in den anderen australischen Kolonien, 48,50 Proz. in England und englischen Besitzungen, so daß für alle fremden Nationalitäten nur 2,37 Proz. nachbleiben. Von den europäischen Völkern sind nächst den Deutschen die Skandinavier am stärksten vertreten, nämlich mit 0,97 Proz. Auf Frankreich fallen 0,17, auf Italien und Oesterreich je 0,10, auf die Schweiz 0,7 Proz. Diese Zahlen
34 323
7 535 11 955 24 372 13 215
beweisen hinlänglich für den exklusiv englischen Charakter der
Kolonie.
Deutsche Kirchen, Schulen und Vereine. Bei der geringen Anzahl und der räumlichen Trennung der in Neu⸗Seeland lebenden Deutschen haben kirchliche Gemeinden, wie solche in andern australischen Kolonien bestehen, bisher keinen besonders günstigen Boden gefunden. Unter den größe⸗ ren Städten besitzt nur Christchurch eine deutsche Kirche, welche jedoch gegenwärtig nicht zum Gottesdienste be⸗ nutzt wird, da die Gemeinde in Folge von Zwistig⸗ keiten mit dem Prediger sich vorläufig aufgelöst hat. Außer⸗ dem giebt es zwei kleinere Landgemeinden in der Provinz Nelson und zwei in der Provinz Wellington, welche alle nur ein ziemlich kümmerliches Dasein fristen. Die größte und älteste derselben in Moutere wurde vor 25 Jahren gegründet und zählt gegenwärtig 50 — 60 Familien, meistens dem Stande der Farmer oder der ländlichen Arbeiter ange⸗ hörig. Die beiden Gemeinden zu Marton und Halcombe (Provinz Wellington) wurden im Jahre 1875 durch einen Missionar gegründet, welcher mit zwei Gefahrten von der Missionsanstalt zu Herrmans burg in Hannover zur Verbreitung des Christenthums unter den Maoris nach Neu⸗Seeland ent⸗ sandt war. An beiden genannten Orten ertheilt der Pfarrer auch den Kindern der Gemeindemitglieder Elementarunterricht, doch sind gegenwärtig zusammen nur etwa 40 Schulkinder vorhan⸗ den. Bei dem vortrefflich geleiteten Staatsschulwesen der Kolonie Neu⸗Seeland tritt das Bedürfniß besonderer Lehranstalten für die Kinder der deutschen Einwanderer natürlich wenig hervor, obgleich vom nationalen Standpunkte aus zu beklagen ist, daß letztere in den englischen Schulen den Gebrauch ihrer Muttersprache bald ganz verlieren, und unter einander und im Familienkreise stets das englische Idiom vorziehen. Wo deutsche Prediger wirken, wird wenigstens noch der Konfirma⸗ tionsunterricht in der heimischen Sprache ertheilt und dadurch einem vollständigen Vergessen derselben vorgebeugt.
Das Vereinsleben hat unter den Deutschen Neu⸗Seelands bieher nicht recht gedeihen wollen. Ein geselligen Zwecken dienender Verein, dessen Mitglieder wöchentlich in einem be⸗ stimmten Vereinslokale zusammen kommen und statuten⸗ mäßige Rechte und Pflichten haben, besteht nur noch in Auck— land. In Wellington und Christchurch haben sich ähnliche Vereine aus Mangel an Betheiligung nicht halten können. In Dunedin ist kürzlich eine deutsche Liedertafel gegründet, welche aber nur musikalische Ziele verfolgt und auch zahlreiche englische Mitglieder besitzt. Der Grund dieses mangelnden Zusammenhaltens mag zum Theil in der geringen Anzahl und der verschiedenen Lebensstellung der in den Städten überhaupt vorhandenen deutschen Bevölkerung zu suchen sein, zum Theil haben auch zufällige Umstände mitgewirkt, die sich bei gutem Willen und bei kräf⸗ tiger Initiative der gebildeteren und angeseheneren Deutschen wohl beseitigen ließen. Den Einzelnen fehlt es weder an Patriotismus noch an Selbstgefühl gegenüber den englischen Kolonisten, doch scheinen sie nicht im Stande zu sein, sich unter einander zu vertragen, und die den Deutschen auch im Aus⸗ lande anklebende Neigung zu kleinlichen Zänkereien und Eifer⸗ süchteleien zu unterdrücken. “
(Fortsetzung folgt.)
Der Verein Berliner Künstler feierte gestern Abend den vierhundertsten Geburtstag Rafael Sanzio'’s durch ein Festmahl in den Sälen seines eigenen Künstlerheims. Nachdem der Direktor der National⸗Galerie, Geheimer Regierungs⸗Rath Dr. Jordan, den unsterblichen Künstler geschildert und mit einem Hoch auf die hohe, die heilige, die ewige Kunst geendet hatte, verlas der Vorsitzende des Vereins, Professor Karl Becker, nachstehendes Schreiben:
„Sehr geehrter Herr Professor! Ihre Kaiserlichen Hoheiten d Kronprinz und die Kronprinzessin leauftragen mich, beifolgend 8 Exemplar der zur Feier der silbernen Hochzeit Ihrer Kaiserlicha Hoheiten gestifteten Gedenkmünze zu übersenden. Dankerfün für die liebenswürdige Art, mit welcher der Verein Berliner Künsüle dazu beigetragen hat, in treuer Verehrung für das kunstliebende Hen Jubelpaar und in sinnigem Geschmacke die fünfundzwanzigjähng Feier der Hochzeit Ihrer Kaiserlichen Hoheiten des Kronprinzen vn der Kronprinzessin zu verherrlichen und zu einem unvergez⸗ lichen Tage zu machen, — haben Höchstdieselben mich . auftragt, Ew. Hochwohlgeboren, als den Präses dieses Vereins n bitten, das beifolgende Andenken als Zeichen böchsten Wohlwollen für den Verein Berliner Künstler gütigst annehmen zu wollen Mit dem Ausdrucke vorzüglichster Hochachtung: Graf von Seckendorf⸗ — Die also geehrten Kuͤnstler brachten dem Erlauchten Paare ein dreifaches Hoch dar.
„Von Wien aus findet seit Kurzem durch den Kunsthandel ei Reihe vorzüglich gelungener Farbendruckblätter Verbreitung, di in ungleich höherem Maße als die Mehrzahl sonstiger Erzeugnisse der⸗ selben Technik Beachtung verdienen. Statt der Wiedergabe beliebiger Staffeleigemälde begegnet uns in ihnen der glückliche Versuch, in den Farbendruck ein neues, zugleich wirkungsvolles und wohlfeiles Mitte dekorativer Kunst zu gewinnen. Bleiben die Blätter auch jedes fin sich und in beliebiger Verbindung, gleich den bisher gewohnten Oal⸗ druckbildern als beweglicher Wandschmuck verwendbar, so beabsichtiga sie doch in erster Linie, sich der Architektur selber, der Decke des Zimmer dem Thüraufsatz oder einer sonst geeigneten Fläche als farbige Füllunga fest einfügen und so einen Ersatz für die nur bei reichem Aufwand van Mitteln ermöͤglichte Ausschmückung der Wohnung mit Plafon malereien, mit Friesen und Sopraporten darzubieten. Die da schiedenen, theils annähernd quadratischen, theils langgestreckt Formate der Bilder sind ebenso mit Rücksicht auf diesen Zweck ge⸗ wählt, wie die Gegenstände der Darstellung. Neben Landschaften nach Originalen von J. Varrone in Wien, dessen Capri mit dem in Sonnenglanz leuchtenden Meere von trefflicher dekoragtiver Haltung ist, sind es vor Allem vier heiter anmuthende Schilderungen der Jahreszeiten von Franz Lefler, gefällig bewegte Gruppen zierlicher, bald in idealer Nacktheit, bald in phantastischem Kostüm si tummelnder Kinderfiguren von lustig naiver Auffassung, ie in Komposition und Erfindung wie in Ton und Farbe ein i hohem Grade frisches und graziöses Talent bekunden. Von demselbe Maler rührt ferner eine Anzahl kleiner Blätter her, die in je zwe Kindergestalten gleicher Art Jagd und Fischfang, Obstlese und fröt⸗ liche Mahlzeit im Fr.ien, Musik, Gesang und Tanz zur Darstellung bringen und jenen größeren Kompositionen an Liebenswürdigket keineswegs nachstehen. Schon durch einfache Umrahmung lassen sit aus den originellen Blättern, die in Berlin in der Kunsthandlung von Edmund Gaillard zu sehen sind, ohne weitere Mühe an jeden Ort verwendbare Sopraporten ꝛc. herstellen; von Architekten und Ban⸗ herren bei der inneren Einrichtung von Neubauten von vornhereir neben dem heute ausschließlich üblichen Stuckornament als Dekoratiens⸗ mittel herangezogen, würden sie der modernen Wohnungsausstattun,g eine gelegentlich sehr erwünschte Abwechselung hinzufügen und zugleit dem Farbendruck ein neues und dankbares Produktionsgebiet eröffne. Gerade der Umstand, daß bei ihnen von vornherein eine dekoratir Haltung ins Auge gefaßt und damit der reproduzirenden Technik eine ihr angemessene Aufgabe gestellt ist, unterscheidet die Blätter var Lefler sehr vortheilhaft von der Menge der gewöhnlichen Erzeugnife des Farbendrucks und weist letzteren von neuem statt auf die Ne⸗ produktion realistisch durchgeführter Oelgemälde vielmehr auf das Ee⸗ biet dekorativer Kunst hin, auf welchem er in kleineren Arbeiten, in Tischkarten, farbigen Enveloppen, Etiketten u. dgl. m. bis jetzt daß weitaus Vorzüglichste geleistet hat.
Unentgeltliche stenographische Lehrkurse beginnen die biestza Rollerschen Stenographen⸗Vereine wieder für Herra⸗ Damen und Schüler am Dienstag, den 10. April im „August⸗Garten“ Auguststraße 24, Mittwoch, den 11. April im „Café Jäger“ Linde⸗ straße 106, und im „Louisenstädtischen Vereins⸗Salon“, Kottbusen⸗ straße 4, — überall Abends 8 ½ Uhr. leichten Erlernbarkeit des Rollerschen Systems nur 4 Lehrstunden wöchentlich eine. Fuͤr die vollständigen Lehrmittel hat jeder Thei⸗
nehmer 2 ℳ, zu den Unkosten der Bekanntmachung ꝛc. nur 1 ℳ bet
zutragen. Weitere Unkosten erwachsen den Theilnehmern nicht; auz
die sich an den Lehrkursus schließenden Uebungsstunden sind unentgel⸗
lich. Meldungen zur Theilnahme werden an obengenannten Abendern in den betreffenden Lokalen von den daselbst anwesenden Lehrern en⸗ gegengenommen.
„Ornis“, Verein für Vogelkunde und ⸗Liebhaberen Montag, den 9. April, in Knorrs Restaurant, Unter den Linden 1 Berathung über die Vogelschutzgesetzvorlage im Reichstage. Beuitt von Dr. Karl Ruß. Gäste sind willkommen.
Danzig, 7. April. (W. T. B.) Nachdem die Weichsel geften Nachmittag bei Bohnsack den Damm durchbrochen hatte, versucu man mittelst Granatenbombardements die Stopfung in der Mündung bei Neufähr zu sprengen, was mißlang. Spät am Abend wurde aber ea Dampfern mit großer Gefahr die Stopfung durchbrochen. Seitdem sl das Wasser, und die Gefahr für den Danziger Hafen und die Holzlager n todten Weichselarmes, die 15 Millionen an Werth repräsentiren, dil als beseitigt. Heute meldet die „Danziger Zeitung“ mittelst Enn
blattes neue große Gefahren, nämlich eine abermalige Stopfusfe
unterhalb Dirschaus und eine 6000 m lange Eisverpackung unterbal, Thorn. Man ist hier in großer Sorge. Die Dörfer Bohnset und Neufähr sowie die ganze Nehrung bei Neufähr und Kn Theil des Danziger Werders sind noch vollständig unter Wafer
Rom, 7. April. (W. T. B.) Die gerichtliche Untersuchung in Feststellung des Thatbestandes über eine bei Moricone (in der Niih von Passocorese) stattgehabte Explosion ist im Gange. die li⸗ sache der Explosion ist noch nicht festgestellt. Wie es heißt, soll dn Katastrapbe durch Unvorsichtigkeit herbeigeführt worden sein, indes ein Arbeiter mit einem offenen Lichte sich in den Keller des betreffen den Hauses, in welchem Pulvervorräthe lagen, begab, um Werkaeun zu holen. Die Zahl der sämmtlich aus den Abruzzen gebürtizn Arbeiter, welche sich in dem Hause befanden, betrug 47; von riese wurden 18 getödtet, 24 verwundet. Das Haus gehörte 5 Maire von Moricone. Dieser sowie der Ingenieur de Wasserleitung am Orte sind wegen Fahrlässigkeit unter Anklage stellt und vor den Untersuchungsrichter geladen worden. Von Nen wurden unter Beihülfe der Gesellschaft vom Rothen Kreuz a2 möglichen Hülfsmittel an den Ort der Katastrophe gesandt. 2, Kardinal Bilio, zu dessen Diözese der Ort gehört, traf gestern F ein und gestattete, die Verwundeten in die Kirche zu bringen. U
Behörden sind bemüht, Hülfe zu schaffen; es ist bereits eine Sanm
lung für die Verunglückten resp. die Hinterbliebenen derselben eröffnt worden.
Am Bußtage (den 18. d. Mts.), Abends 7 Uhr, führt Sing⸗Akademie, zum Besten des Vereins für arme Wöchnerinte den „Messias“ von G. F. Haendel- auf. 4 (Loge 3 ℳ, Balkon 2 ℳ), sind bei dem Hauswart der Sit Akademie zu haben.
Redacteur: Riedel. u
Verlag der Expedition (Kessel). Druck: W. Elsneu
Fünf Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage).
Berlin:
3
Deutschen Re
“ 8
„Anzeiger und Königlich Preu
Erste Beilage
Berlin, Sonnabend, den 7. April
Staats⸗Anze
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Die Kurse erfordern bei daß
Einlaßkarten zu 4 ½
Aiichtamtliches.
Preußen. Berlin, 7. April. Im er⸗ laufe der gestrigen (59.) Sitzung des Reichstags wurde die zweite Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Ab⸗ änderung der Gewerbeordnung, fortgesetzt. Der Abg. Dr. Blum befürwortete seinen Antrag. Durch die Anträge der Kommission werde nicht, wie der Abg. Richter meine, die freie Bewegung der Gastwirthe eingeschränkt, sondern die polizeiliche Willkür enger begrenzt. Ueber das Unwesen der Tingeltangel habe in der Kommission volle Uebereinstimmung bestanden, auch Seitens der Parteifreunde des Abg. Richter sei in dieser Beziehung den Ausführungen des Bundeskom⸗ missars in der Kommission beigepflichtet worden. Der natio⸗ nalliberale Antrag wolle die Musikaufführungen und die im §. 33a. nicht spezialisirten „sonstigen“ Lustbarkeiten ihrer Ungefährlichkeit halber der besonderen polizeilichen Kon⸗ zession entziehen. Zu seinem Antrage sei er besonders aus dem Grunde gekommen, weil es wünschenswerth sei, an Stelle der polizeilichen Gewalt feste Rechtssätze zu stellen; dazu genüge aber der Kommissionsvorschlag nicht. Gerade die Konservati⸗ ven müßten von ihrem Standpunkt aus besonders die einmal ertheilte Konzession als ein wohl erworbenes Recht schützen.
Der Abg. Dr. Baumbach bemerkte, die vom Vorredner betonte Einstimmigkeit in der Verurtheilung der Tingeltangel sei in der Kommission allerdings vorhanden gewesen; anderer⸗ seits frage es sich jedoch, ob eine Nothwendigkeit für das in der Vorlage und den Konmissionsbeschlüssen beliebte Verfahren gegen die Tingeltangel⸗Mißwirth⸗ schaft noch vorliege. Die Vorlage komme seiner Ansicht nach hier mit ihren Vorschlägen etwas post festum; die Tingel⸗ tangel schienen ihm mehr und mehr aus der Mode zu kommen. In Berlin seien nach der citirten amtlichen Quelle deren nur noch 8; wie es in den anderen großen Städten — und nur diese kämen ernstlich in Betracht — stehe, darüber wünsche er vom Bundesrathstische Auskunft. Jedenfalls könne es sich nur um eine so unbedeutende Zahl handeln, daß das Haus ihretwegen nicht gesetzgeberisch einzuschreiten nöthig habe. Bezüglich der übrigen Lustbarkeiten gehe ihm auch der Antrag Blum noch nicht weit genug; derselbe enthalte zu viel unbe⸗ stimmte, dehnbare Ausdrücke. Am besten verbleibe es eben bei den bestehenden, schon ohnehin sehr zahlreichen landespolizeilichen Vorschriften. Die öffentlichen Lust⸗ barkeiten seien ein sehr wichtiges Element für das öffent⸗ liche und Privatleben des deutschen Volkes, und sollten aus so einseitigen Gründen nicht prinzipiell verstümmelt werden. Sehe man sich die beschränkenden Polizeiverfügungen der Einzelstaaten an, so könne man über die Gefährdung der Sittlichkeit, über die Begünstigung der Völlerei ꝛc. ganz ruhig sein. Auch der Antrag Blum gehe noch zu weit und deswegen bitte er, den Kommissionsbeschluß und den Antrag Blum ab⸗ zulehnen. Wohin die jetzt schon geltenden Polizeigewalten führen könnten, sehe er aus einem landräthlichen Erlaß aus Ostpreußen, wo das Ausschänken von Getränken gegen Kredit Grund zum Verfahren auf Konzessionsentziehung geben solle. Wenn das allgemein werden sollte, was würde z. B. aus den Gastwirthen in manchen Universitätsstädten werden? Er bitte also die Vorlage und den Antrag Blum abzulehnen, oder wenn dieselben angenommen würden, werde man zu einem embarras de richesse in Bezug auf Polizeigewalt kommen.
Hierauf ergriff der Kommissar zum Bundesrath, Geheime Regierungs⸗Rath Boediker das Wort:
Meine Herren! Der erste Herr Redner hat damit angefangen zu sagen, es seien von den verbündeten Regierungen die Tingeltangel herangezogen, um eine weitergehende Beschränkung der Gastwirth⸗ schaften und Schankwirthschaften eintreten zu lassen. Meine Herren! Die verbündeten Regierungen, bezw. deren Zentralbehörden, sind aus sich auf die hier fraglichen Gedanken der Vorlage gar nicht gekom⸗ men; es sind die Anregungen, eine Vorlage, wie der 6. 33 a. 88 ver⸗ körpert, vor das Haus zu bringen, ausgegangen von Seiten der Ver⸗ tretungen größerer Städte. Ich bin von verschiedenen Seiten provozirt, derartige Mittheilungen zu machen und erlaube mir, den Bericht der Verwaltung einer großen Stadt — soviel ich weiß, ist der Chef derselben seltst liberal — hier zu verlesen, soweit er hier in Betracht kommt. Wenn die Herren vielleicht die Motive der Vorlage zur Hand haben sollten, so werden Sie finden, daß die Motive in dieser wichtigen Beziehung aus diesem Berichte wörtlich abgeschrieben sind. Der Bericht lautet: „Dem von der öffentlichen Meinung und in der Presse zur Genüge und mit vollem Rechte ge⸗ brandmarkten, der öffentlichen Moral im höchsten Grade schädlichen und insbesondere solchen Aufführungen und Vorstellungen, bei denen ein wirkliches Interesse der Kunst oder Wissenschaft obwaltet, sehr nachtheiligen Unwesen der sogenannten Singspielhallen, Tingeltangel, Salons Varietés, Cafés chantants, kann nur dann wirksam gesteuert werden, wenn solche Unternehmungen auch da, wo sie als stehendes Gewerbe betrieben werden, von der polizeilichen Erlaubniß ab⸗ hängig sind. Selbst bei der strengsten polizeilichen Ueber⸗ wachung ist es äußerst schwierig, Unsittlichkeiten und anderen bei Vorstellungen untergeordneten Ranges vorkommenden Unzu⸗ träglichkeiten an der Hand der allgemeinen bestehenden Bestim⸗ mungen wirksam entgegenzutreten. Werden aber derartige Unter⸗ nehmungen ganz allgemein von der polizeilichen Erlaubniß abhängig
emacht, so kann bei deren Konzessionirung sowohl die Bedürfniß⸗ rage, als auch die Persönlichkeit des Unternehmers in einer dem öffentlichen Wohle ersprießlichen Weise in Betracht gezogen werden. Es dürfte sich daher empfehlen, für Unternehmungen der im §. 59 der Gewerbeordnung bezeichneten Art die ortspolizeiliche Erlaubniß auch dann als erforderlich zu erklären, wenn das Gewerbe als ein stehendes betrieben wird.“ Ich werde Ihnen weitere ähnliche Zeug⸗ nisse nicht zu verlesen brauchen. Nur aus einem anderen Kreise, aus dem Kreise einer Handelskammer in einem hochentwickelten indu⸗ striellen Bezirke, wo der Uebelstand ebenfalls empfunden wird, tro polizeilicher Maßnahmen, trotz der Maßnahmen der Kommunalverwal⸗ tungen auf steuerlichem Gebiete, aus dem letzten Jahresbericht der andelskammer in Essen, will ich Ihnen einen Satz vorlesen: „Die esteuerung der Musikaufführungen, Schaustellungen u. s. w., bei denen ein höheres Interesse der Kunst oder Wissenschaft nicht ob⸗ waltet, welche seit einigen Jahren Seitens der Kommune unseres Bezirks eingeführt worden, hat dem Unwesen der sogenannten Tingel⸗ tangel nicht genügend zu steuern vermocht. Eine schärfere gesetzliche Beschränkung scheint deshalb wünschenswerth. —
Ich dng se an diese Bemerkungen sofort eine Erwiderung auf die Worte des Hrn. Abg. Dr. Baumbach, der da sagte, man solle dem Volke seine Vergnügungen nicht verkümmern. Meine Herren, am allerwenigsten werden das die verbündeten Regierungen, denen die Fürforge für die arbeitenden Klassen in erster Linie am Herzen
liegt, wollen. Aber in diesen schlechten, versumpften Lokalen verbringen die jungen Leute die Groschen, die sie die Woche über mühsam verdienen; statt ihren Verdienst ihren armen, vielleicht darbenden Eltern abzu⸗ geben, verprassen sie ihn dort, und es ist durchaus nothwendig, daß Angesichts solcher Kundgebungen von Magistraten großer Städte, die sagen, wir kommen mit den Bestimmungen nicht aus, daß Angesichts der Kundgebungen von Handelskammern aus solchen industriellen Kreisen, die diese Verhältnisse täglich vor Augen sehen, daß Angesichts solcher Kundgebungen die verbündeten Regierungen wenigstens den uns beschäftigenden Vorschlag Ihnen machen. Ob Sie denselben annehmen, muß der hohe Reichstag wissen. Die verbündeten Regierungen ihrer⸗ seits genügen mit der Vorlage nur ihrer Verantwortlichkeit. Es fällt also vollkommen damit der Eingangspassus in der Rede des Hrn. Abg. Richter hinweg, die verbündeten Regierungen hätten diese Ver⸗ hältnisse nur mit den Haaren herbeigezogen, um auch sonst noch die Gastwirthe weiter unter die Knute der Polizei zu bringen. Meine Herren! Ist das überhaupt der Fall? Werden die Gastwirthe überhaupt, die fünfzigtausend, von denen der Hr. Abg. Richter sprach, durch diese Vorlage chikanirt? Sind denn die sämmtlichen 50 000 Gastwirthe in der Lage, derartige Tingeltangel, bezw. die unter §. 33 a. fallenden Lustbarkeiten ꝛc. zu veranstalten? Die große Masse der Krugbesitzer auf dem Lande denkt nicht daran, derartige Vorstellungen ꝛc. zu geben. Die sind gar nicht in Frage; die Vorlage kehrt sich gegen die Wirtbschaften, in welchen solche un⸗ sittliche und gemeinschädliche Aufführungen vorkommen; diesen Wir⸗ then will die Vorlage entgegentreten. Meine Herren! Es wäre geradezu unpolitisch von der Regierung, wenn sie die 50 000 Wirthe egen sich aufbringen würde, bei dem großen Einflusse, den dieselben daben. Dann ist gesagt worden, die Tingeltangel sind aus der Mode. Meine Herren! Damit ist schon ausgedrückt, daß der Satz nichts be⸗ weist. Die Mode kommt und geht. Was heute aus der Mode ist, kann morgen wieder in der Mode sein, und die Gesetzgebung muß sich doch auf allgemeine Prinzipien stützen und kann keine Mode⸗ gesetzgebung sein. Uebrigens ist die fragliche Mode augenblicklich vielleicht nicht mehr so stark, wegen der seit längerer Zeit ungünstigen Erwerbsverbältnisse der Bevölkerung. Wenn sich diese Erwerbsverhält⸗ nisse wieder bessern, und sie haben sich ja schon gebessert, so wird, leider Gottes, für diese Art unsittlicher Vergnügungen wieder Geld ausgegeben werden. Es ist an der Zeit, jetzt dem Unwesen zu steuern, daß nicht wieder eintritt, was nach den Gründerjahren hervorgetreten ist. Bei Zeiten soll man vorsorgen. Meine Herren! Der Hr. Abg. Richter hat besonders betont, es sei möglich, an der Hand der be⸗ stehenden Gesetzgebung das Nöthige zu leisten. Auch hier in Berlin habe man genügend Abhülfe auf dem Gebiete geschaffen. Ja, meine Herren, Berlin hat zum Theil sich vielleicht den Vorwurf gemerkt, den der Herr Abg. Richter vor drei Jahren gegen die Behörden richtete bei der Debatte über diesen Gegenstand; er hat in der Sitzung vom 26. April 1880 gesagt, daß man gegen den Tingeltangel gar nicht streng genug vorgehen können (Abg. Richter: Gewiß, das habe ich auch heute gesagt!), aber die Behörden passen nicht auf, die Gewerbe⸗ ordnung bätte nicht schlechter ausgeführt werden können. (Abg. Richter: Das habe ich auch heute gesagt!) Nun werden vielleicht nicht sämmtliche Behörden der Meinung gewesen sein, daß Angesichts der in den letzten Jahren veränderten Strömung sie nun auch schärfer vorgehen können. Ich kann nur konstatiren, andere Behörden sind der Meinung, die Gesetzgebung genüge nicht, um mit der nöthigen Schärfe einzuschreiten. Wenn der Herr Abg. Richter glau bte, lokalpolizeiliche Verordnungen würden das Uebel heben, so haben schon die Motigz erwidert, daß es besser sei, diese prinzipielle Frage generell zu ordnen, und auch von dem Hrn. Abg. Ackermann ist, wenn ich recht verstanden habe, dies betont worden.
. Auf diesem Punkte steht eben die Vorlage, und gerade von der linken Seite des Hauses ist anerkannt worden, daß nur dann, wenn man eine gesetzliche Basis schaffe, die Sache genügend geordnet werde, statt lediglich einer polizeilichen Verordnung die Sache anheimfallen zu lassen. Der Abg. Richter hat dann auf die Vorstellung des Ver⸗ bandes deutscher Bühnenangehöriger Bezug genommen in Be⸗ treff der Frage, was Vorstellungen höherer Kunst seien. Meine Herren! Er hat aus der Broschüre ein paar Sätze vorgelesen, aber sich wohl gehütet, das Petitum der Broschüre mitzu⸗ theilen, welches allerdings darauf ging, diese Tingeltangel und niederen Theatervorstellungen vom Theater überhaupt auszuscheiden, und dann darauf abzielte, die allerstrengsten Bestimmungen in Bezug auf das Theatergewerbe selbst zu treffen, so strenge, daß sie niemals von jener Seite des Hauses angenommen werden würden. In derselben Broschüre wird auch auf das Mißfälligste hervorgehoben, wie in der Verhandlung vom 5. Mai von liberaler Seite über diese Frage ab⸗ geurtheilt worden sei: „Der deutsche Schauspielerstand mag sich bei diesem Manne — es ist ein Redner von jener Seite (links) gemeint — für die wahre Sympathie, die in diesen Worten liegt, angelegent⸗ lichst bedanken“; so heißt es dort in bitterster Ironie! Also auf diese Vorstellung können sich die Herren im Allgemeinen auf mich berufen. Der Abg. Richter hat noch gesagt, es ist gut, daß die Tanzlustbarkeiten ausgeschieden worden sind. In der Kommission wurde von Freunden des Hrn. Abg. Richter um⸗ gekehrt verlangt, es sollen auch die Tanzlustbarkeiten in das Gesetz aufgenommen werden. Sie sehen, wie schwer es ist, es den Ferees vollkommen recht zu machen. Der Eine lobt das, was der Andere tadelt. Sie können nicht verlangen, daß wir unter allen Umständen treffen, was auf jener Seite erwünscht ist. Ein auch von liberaler Seite ausgegangener Antrag, bezüglich der Tanzlustbarkeit, der in der Kommission gestellt wurde, ging dahin, die Tanzlustbarkeit von dem Ermessen der Ortspolizeibehörde abhängen zu lassen. Dadurch wäre eine außerordentliche Verschärfung in die Vorlage hineingekommen, denn augenblicklich stehen die Verhältnisse in Deutschland durchweg so, daß an vielen Tagen des Jahres ohne weitere polizeiliche Er⸗ laubniß getanzt werden darf. Wäre jener Antrag in der Kommission durchgegangen, dann wäre jede Tanzlustbarkeit unter das Ermessen der Lokalpolizeibehörden gestellt. Ich habe mich damals im Interesse der Gastwirthe dagegen ausgesprochen, als in der Kommission dieser Ge⸗ danke auftauchte.
Es liegt nun der Antrag Dr. Hluneeheehn vor, welcher die Vorlage der Regierung abschwächt, einmal, was den Gegenstand an⸗ langt, und dann auch in der Richtung, daß die Entziehung der Kon⸗ zession unter Umständen nicht eintreten soll, die die Vorlage vorsieht. Ich bin natürlich nicht befugt, meinerseits einen Theil der Vorlage der verbündeten Regierungen fallen zu lassen und entgegen der Vor⸗ lage mich für einen Antrag auszusprechen. Auf der anderen Seite aber nehme ich Abstand, diesen Antrag besonders scharf zu bekämpfen, indem ich glaube, daß, was den ersten Theil des Antrags anlangt, durch denselben dem Uebel im Großen und Ganzen doch abgeholfen wird, und was den zweiten Theil anlangt, der §. 33 in Verbindung mit §. 53 der Gewerbeordnung doch eine gewisse Abhülfe schafft, in⸗ ofern als wegen ungeeigneten Lokals eventuell dem Gastwirth elbst die Konzession entzogen werden kann, und damit fällt dann auch der Betrieb dieser Vorstellungen hinweg. Selbstverständ⸗ lich kann es den verbündeten Regierungen nur sehr viel lieber sein, wenn die Vorlage mit der Modifikation der Herren Abgg. Dr. Blum und Heydemann angenommen wird, als wenn sie ganz zu Falle kommt. Zum Schlusse habe ich noch dem Hrn. Abg. Richter ein paar Worte zu erwidern in Bezug auf die außerordentlich he ftigen Angriffe, welche sich derselbe gegen die Polizei gestattet hat. Meine
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Herren, die Worte „Paschawirthschaft“, „Knute“, „Botmäßigkeit⸗ u. s. w. sind alle gefallen und sind doch im Allgemeinen geeignet, einen sonst geachteten Beamtenstand etwas in der allgemeinen Achtung herunterzusetzen, wenigstens nicht dazu geeignet, die Achtung vor dem⸗ selben zu heben. Meine Herren, wer ist denn nun die Polizei? Ist die Polizei, d h. die Verwaltung in ihren verschiedenen Instanzen, nicht anz genau so gut, wie der Stand der Justizbeamten, der Stand der Aerzte, der Geistlichen u. s. w., genau eben so gut, wie die Nation überhaupt selbst, der die Polizei angehört; denn geht die Polizei nicht aus der Nation, aus dem Volke hervor? (Lachen links.) Meine Herren, das sind Thatsachen, wir haben ganz genau die Polizei, die wir werth und würdig sind, zu haben. (Sehr richtig! und Lachen links.) Meine Herren, die Polizei entspricht nicht nur dem Durchschnitt der Nation, sie ist insoweit noch besser, als, um in die Polizei und den polizeilichen Organismus aufgenommen zu werden, man besonderen Prüfungen in jeder Beziehung unterliegt, in sittlicher Beziehung, in Hinsicht der Befäbigung und in körperlicher Beziehung Mögen immerhin einzelne Pflichtvergessene auch in diesem Stande sein, im Großen und Ganzen ist die Polizei Deutschlands gewiß so gut, daß es durchaus ungehörig ist. — ich bitte den Herrn Präsidenten es mir
nicht übel zu nehmen, daß ich diesen Ausdruck gebrauche (Oho links),
in dieser Weise über die Polizei zu urtheilen. Glocke des Präsidenten.)
Der Präsident von Levetzow erklärte, darüber zu urtheilen, ob etwas ungehörig sei, stehe allein dem Präsidenten zu. (Abg. von Vollmar ruft: Die nehmen sich immer mehr her⸗ aus !) Er müsse die Herren, die nicht das Wort haben, bitten, keine Bemerkungen zu machen.
Der Bundeskommissar, Geheime Regierungs⸗Rath Bödiker (fortfahrend):
„Miine Herren! Die Klagen über die Polizei sind eine berech⸗ tigte oder unberechtigte Eigenthümlichkeit aus den östlichen Provinzen Preußens. In der Kommission ist ausdrücklich konstatirt worden, daß man in den neuerworbenen Provinzen im Westen, in Baden, Bavern und Sachsen für diese Art von Klagen kein Verständniß habe. Ich berufe mich in dieser Beziehung auf das Zeugniß der Kommission. Im Großen und Ganzen ist dort ausdrücklich hervor⸗ gehoben, man möge mit diesen Klagen gegen die Polizei nicht gene⸗ rell kommen. Nun würde es sich also nur noch um die östlichen Provinzen handeln, meine Herren, und da glaube ich, daß die Kla⸗ gen, die da gegen die Polizei vorgebracht sind, antiquirt zu nennen sind. Meine Herren! Ich berufe mich in dieser Beziehung auf einen ganz gewiß klassischen Zeugen, auf den Hrn. Abg. Gneist, der in der Sitzung des preußischen Abgeordnetenhauses vom 15. Januar d. J. zur Bekämpfung der Vorlage der Königlich preußischen Regierung in Bezug auf die Verwaltungsgesetze Folgendes sagte: Mit jener Ver⸗ waltungsklage ist es uns gelungen — und Sie wissen, daß man gegen eine Verfügung polizeilicher Art in Preußen entweder an den Land⸗ rath Beschwerde oder die Verwaltungsklage bei dem Ausschuß er⸗ heben kann — also: „Mit dieser Verwaltungsklage ist es uns ge⸗ lungen, das Problem zu lösen, an dem wir uns hier und außer dem Hause ein ganzes Menschenalter abgemüht haben, die Legalität und das Vertrauen auf die Gesetzlichkeit der Polizeiverwaltung zu gewinnen. Nach wenigen Jahren überzeugt sich davon auch das Publikum und ich meine, man kann der Polizei keine größere Wohlthat erweisen, als in dieser Weise ihre moralische Autorität zu stärken, sie allmählich zu einer populären Macht zu machen (Oho! und Lachen links.) Meine Herren, der Hr. Abg. Gneist, dessen Rede ich verlese, sagt dies: was in Deutschland sehr langsam geht. Nun sollte man meinen, durch eine so allgemein gestaltete Klage würde die Verwaltung überschüttet mit Verwirklichungen. Allein der ganze Apparat dieser Rechtskontrole beruht zur Zeit auf 32 Entscheidungen des Ober⸗Verwaltungsgerichtes im Jahre und 15 oder 16 Entschei⸗ dungen im Durchschnitt der einzelnen Bezirksgerichte., Meine Herren, der Hr. Abg. Gneist hat also gesagt: Mit Hülfe dieser veränderten Organisation sei es gelungen, das Pro⸗ blem zu lösen, an dem so lange gearbeitet sei, die Lega⸗ lität und das Vertrauen auf die Gesetzlichkeit der Polizeiverwal⸗ tung zu gewinnen. Angesichts dieses Zeugnisses ist es irre⸗ levant, wenn nach wie vor irgend eine Polizeiverwaltung irgend einen Mißgriff begeht; das kann bei dem voll⸗ endetsten Organismus der Fall sein, dafür sind auch die Polizei⸗ beamten Menschen, und Irren und Fehlen ist menschlich. Meine Herren! Hiernach aber kann ich doch nur in der That bitten, die auch heute wieder so scharf geführten Waffen, womit die Polizei be⸗ kämpft wird, an den Wänden ihrer Rüstkammern aufhängen zu wollen und nicht bei dieser Vorlage wieder hervorzuholen. Nach meiner Ansicht sind die Waffen Angesichts dieses Zeugnisses zum Ge⸗ brauche nicht mehr geeignet. “ 8
Der Abg. Frhr. von Minnigerode erllärte, trotz der vor⸗ züglichen Ausführungen des Regierungskommissars müsse er dem Abg. Richter zeigen, wie derselbe solche Sachen, wie die vorliegende, nach Außen hin darstellen wolle. Gestern habe man hier gehört, wie die Kantinen, die doch im Interesse der Soldaten nöthig seien, aufgefaßt würden als Schädigung des freien Gewerbebetriebes, heute benutze der Abg. Richter die Gelegenheit, die Gastwirthe als geschädigt zu bezeichnen; nach seinen (des Abg. Richter) Ausführungen habe man den Eindruck, das Vaterland sei in Gefahr. Die Wirthe als solche seien durch das Gesetz nicht getroffen, es handele sich nur um die ganz b⸗e stimmten Lokale, in denen die öffentlichen Schaustellungen vorgeführt würden. Der Abg. Richter sage, die Wirthshäuser seien gewissermaßen der Mittelpunkt des öffentlichen Lebens; wäre das wahr, so würde er die Nation ihres öffentlichen Lebens wegen bedauern, denn dies öffentliche Leben wäre sehr kostspielig; nach seiner Erfahrung konzentrire sich das öffent⸗ liche Leben in Deutschland in den geschlossenen Gesellschaften. Die Fortschrittspartei beklage sich über die Stärkung der Polizeigewalt, sie selbst habe aber nach manchen Versamm⸗ lungen nach dem Schutz der Polizei gerufen. Er sehe nicht ein, wieso durch dies Gesetz das Interesse der Liberalen ver⸗ letzt werde; oder hänge dies Inkeresse etwa mit dem der Tingeltangel zusammen? Die Vorlage sei auch insofern wichtig, als sie dem durch die Gewerbefreiheit geschaffenen und den wirklichen Künstlern selbst sehr peinlichen Künstlerprole⸗ tariat ein Ende machen werde. Er sei, wie der Abg. Blum dafür, die Polizeigewalt möglichst durch feste Rechtsnormen zu er⸗ setzen. Wenn der Abg. Baumbach sage, die Tingeltangel seien aus der Mode, so könnten sie doch bald wieder in die Mode kommen; die Gesetzgebung habe aber mit der Mode überhaupt nichts zu thun. Sollte etwa, weil heute die schwindelhaften Aktiengesellschaften nicht in der Mode seien, die Reform der Aktiengesetzgebung unnöthig sein? Er finde es sehr richtig, daß das Getränkeverschänken gegen Kredit Grund zur Konzessionsentziehung sein solle; der Abg. Baum⸗ bach habe keine Kenntniß davon, wie dies Kreditgeben wirke, weil bei ihm in Thüringen nicht, wie es in Ostpreußen der Fall sei, das Aufdrängen des Kredits in Schänken häufig zur
(Zuruf: Ungehörig!