1883 / 84 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 10 Apr 1883 18:00:01 GMT) scan diff

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ommt der geehrte Herr Vorredner und will auch hier wiederum inen Stein aus dem ganzen Gebäude berausbrechen. Wie gesagt, einige Tage vorher hieß es: die Gesetzgebung beweist eine Apathie, die in keiner Weise gerechtfertigt ist. Die verbündeten Regierungen ibrerseits aber wollen diesen Vorwurf sich im Lande nicht wiederholt und des öfteren machen lassen, und wo immer sie Gelegenheit baben, treten sie ibrerseits für die Grundsätze ein, welche übereinstimmen mit denen, welche diese Heeren in Cassel vertreten.

Meine Herren! Der Herr Vorredner und auch der erste Herr Redner haben so gethan, als ob die Vorlage einen ganzen Einbruch darstellte in unser bisberiges Recht der Gewerbeordnung. Meine Herren, wenn Sie die Geneigtheit haben wollten, sich einmal die Vorlage durchzukorrigiren an der Hand der Anträge, welche von Seiten der Herren Dr. Baumbach, Richter und Genossen gestellt worden sind, dann werden Sie sehen, eine wie große Anzahl funda⸗ mentaler Aenderungen, die die Vorlage enthält, die mit dem Be⸗ stehenden brechen, Seitens der Herren anerkannt worden sind. Ich werde vielleicht später im Einzelnen darauf eingehen können, ich will Sie jetzt nicht damit belästkgen. Aber, meine Herren, ich konstatire dier vor Ihn n und vor dem Lande Angesichts des großen Geschreies, welches gegen diese angeblich so reaktionäre Vorlage erhoben worden ist, daß auch die Herren auf der linken Seite des Hauses ganz wichtige Bestimmungen der Vorlage, die mehr nach rechts hingeben, um mich kurz auszudrücken, als begründet anerkannt haben, daß wenig⸗ tens ihre Anträge an diesen Bestimmungen nicht rütteln.

Der Herr Vorredner hat dann noch gesagt, es würden die Leute durch diese Bestimmungen unter Polizeiaufsicht gestellt. Meine Herren! Das Wort „Polizeiaufsicht“ hat etwas Anrüchiges; es giebt ja eine ganz gemüthliche Polizeiaufsicht; z. B. wenn der Wächter der Nacht, mit dem Stabe in der Hand einherschreitend, für Ruhe und Ordnung sorgt, so hat diese Pelizeiaufsicht Jedermann gern; aber die Polizeiaufsicht, die Sie hier meinen, ist eine etwas weniger freundliche, und diese ist es, welche Sie meinen, wenn Sie auf den verschiedensten Gebieten von „Polizeiaufsicht“ sprechen. Ich habe mich in der letzten Zeit mit einem anderen Gegen⸗ stande beschäftigen müssen, mit dem Feuerversicherungswesen. Es be⸗ steht in Preußen das Prinzip der Präventivkontrole; jeder, der seine Habe versichern will, muß sich den Antrag als unbedenklich von der Polizei bescheinigen lassen. Es geht diese Präventivkontrole von der Voraussetzung aus, es sollen Ueberversicherungen dadurch vermieden werden zur Verhütung von Brandstiftungen. Nun sagen die Herren, die diese Präventivkontrole bekämpfen, es wird dadurch jeder einzelne Versicherer unter „Polizeiaufsicht ge⸗ selllt'’. Nun kann man über den Werth dieser Kontrole ja denken, wie man will; aber fühlt sich Jemand in Preußen durch diese Prä⸗ ventivkontrole unter Polizeiaufsicht gestellt, wie die Gegner glauben machen wollen? Das werden Sie kaum behaupten können. Und nicht anders liegt die Sache hier. Ich glaube in der That, daß mit den mehr ins Allgemeine gehenden Vorwürfen die Sache nicht ab⸗ gethan ist, wir müssen uns an die einzelnen Bestimmungen halten und fragen, ob diese Bestimmungen, wie sie konkret vorliegen, über den Rahmen des Erlaubten und Nöthigen hinausgehen oder nicht.

Ich wiederhole, daß ich in der Lage bin, den Herren von der Linken fast für jeden Paragraphen noch weitergehende Anträge, die von freisinniger Seite ausgegangen sind, beizubringen, und deshalb bitte ich, daß man nicht weiter mit allgemeinen Vorwürfen gegen unsere Vorlage auftreten möge. Ich kann Sie nur bitten, den §. 55, um den es sich hier handelt, annehmen zu wollen.

Der Abg. Günther (Sachsen) erklärte, die Schrankenlosig⸗ keit des Hausirhandels, die der Abg. Baumbach befürworte, habe sehr schlimme Wirkungen gehabt. Es sei keineswegs richtig, das Hausirgewerbe als gleichberechtigt mit dem stehen⸗ den Gewerbe hinzustellen. Nur für wenige bestimmte Branchen habe der Hausirhandel Berechtigung. Die von der Kommis⸗ sion vorgeschlagenen Beschränkungen des Hausirhandels seien noch lange nicht weitgehend genug. Der Hausirhandel sei fast überall zu einem wahren Unfug geworden. Der Abg. Richter habe neulich die Nothwendigkeit betont, das freie Handwerk zu schützen gegen das Militärhandwerk; durch den Hausirhandel werde aber das ehrliche Handwerk weit schlimmer getroffen als durch die Konkurrenz der Militärhandwerker. Der Abg. Richter könne jetzt zeigen, ob es ihm mit dem Schutz des Hand⸗ werks Ernst sei.

Der Abg. Dr. Meyer (Jena) bemerkte, wenn der Abg. Günther den Nationalliberalen vorwerfe, sie wollten einen schrankenlosen Hausirhandel, so sei das eine Verdächtigung, die er als durchaus unbegründet zurückweise. Auch seine Partei wolle, daß der Hausirhandel nur insoweit frei sei, als diese Freiheit nicht zu einer Gefahr für die öffentlichen Inter⸗ essen werde. Die Vorschläge dieses Gesetzes könnten die Na⸗ tionalliberalen aber als zu weitgehend nicht acceptiren. Die stehenden Gewerbetreibenden würden viel weniger durch die Hausirer als durch die Wanderlager und Wanderauktionen ge⸗ schädigt. Zur Abhülfe dieser Mißstände bedürfe es einer an⸗ gemessenen, womöglich durch das Reich zu regelnden Gewerbe⸗ besteuerung dieser Wanderlager; mit Polizeimaßregeln sei auch hier nichts zu erreichen.

Der Abg. Kochhann (Landsberg) erklärte den Hanusir⸗ handel in mancher Hinsicht für nothwendig; das Publikum sei nicht so dumm, sich von jedem Hausirer beschwindeln zu lassen; auch die Leute auf dem Lande sähen sich die Sachen genau an, die sie kauften. Man scheine die Hausirer in der That mit den Vagabonden zu verwechseln; der überhand⸗ nehmenden Vagabondage möge man mit allen Mitteln ent⸗ gegentreten, den Hausirer aber, der mühevoll mit schwerer Last auf dem Rücken von Ort zu Ort ziehe, und redlich Han⸗ del neibe, auch ferner, soweit es sich mit den öffentlichen Interessen vertrage, gewähren lassen.

Der Abg. Dr. Baumbach protestirte gegen den ihm von Günther gemachten Vorwurf, als habe er für schrankenlose Hausirfreiheit plaidirt.

Die Diskussion wurde hierauf geschlossen; §.

dem Vorschlag der Kommission angenommen. FS. 56 lautet nach dem Kommissionsbeschlusse:

Beschränkungen, vermöge deren gewisse Waaren von dem Feil⸗ halten im stehenden Gewerbebetriebe ganz oder theilweise aus⸗ geschlossen sind, gelten auch für deren Feilbieten im Umherziehen.

Ausgeschlossen vom Ankauf oder Feilbieten im Umherziehen sind:

1) geistige Getränke, soweit nicht das Feilbieten derselben von der Ortspolizeibehörde im Falle besonderen Bedürfnisses vorüber⸗ gehend gestattet ist;

2) gebrauchte Kleider, gebrauchte Wäsche, gebrauchte Betten und gebrauchte Bettstücke, insbesondere Bettfedern, Menschenhaare, Garnabfälle, Enden und Dräumen von Seide, Wolle, Leinen oder Baumwolle;

3) Gold⸗ und Silberwaaren, Bruchgold und Bruchsilber, sowie Taschenuhren;

4) Spielkarten;

5) Staats⸗ und sonstige Werthpapiere, Lotterieloose, Bezugs⸗ und Antheilscheine auf Werthpapiere und Lotterieloose; 8

6) explosive Stoffe, insbesondere Feuerwerkskörper, Schieß⸗ pulver und Dvnamit; solche mineralische und andere Oele, welche leicht entzündlich sind, insbesondere Petroleum, sowie Spiritus;

8) Stoß⸗, Hieb⸗ und Schußwaffen;

9) Gifte und gifthaltige Waaren, Arznel⸗ und Geheimmittel.

Ausgeschlossen vom Feilbieten im Umherziehen sind ferner: 10) Druckschriften, andere Schriften und Bildwerke, insofern

55 nach

die Grundlagen des Staats und der Gesellschaft im untergraben,

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oder in sittlicher oder religiöser Beziehung Aergerniß zu geben ge⸗ eignet sind, oder welche mittelst Zusicherung von Prämien oder Gewinnen vertrieben werden.

Wer Druckschriften, andere Schriften oder Bildwerke im Um⸗ berziehen feilbieten will, hat ein Verzeichniß derselben der zustän⸗ digen Verwa tungsbehörde seines Wohnortes zur Genehmigung vor⸗ zulegen. Die Genehmigung ist nur zu versagen, soweit das Ver⸗ zeichniß Druckschriften, andere Schriften oder Bildwerke der vor⸗ bezeichneten Art enthält. Der Gewerbetreibende darf nur die in dem genehmigten Verzeichnisse enthaltenen Druckschriften, anderen Schriften und Bildwerke bei sich führen, und ist verpflichtet, das Verzeichniß während der Ausübung des Gewerbebetriebes bei sich zu führen, auf Erfordern der zuständigen Behörden oder Beamten vorzuzeigen und, sofern er hierzu nicht im Stande ist, auf deren Geheiß den Betrieb bis zur Herbeischaffung des Verzeichnisses ein⸗ zustellen.

Die Abgg. Dr. Baumbach und Kochhann (Landsberg) be⸗ antragten:

a. Ziffer 10 in folgender Fassung anzunehmen:

„Druckschriften, andere Schriften und Bildwerke, welche mittels Zusicherung von Gewinnen oder Prämien vertrieben werden, sofern diese Gewinne oder Prämien nicht in Schriften oder Bild⸗ werken bestehen;“

b. den letzten Absatz zu streichen.

Für den Fall der Annahme des Antrages Baumbach sub a. beantragten die Abag. Dr. Blum und Dr. Meyer (Jena), den letzten Absatz des §. 56 zu fassen, wie folgt:

„Wer Druckschriften, andere Schriften oder Bildwerke im Umherziehen feilbieten will. hat der für die Ertheilung des Wandergewerbescheins zuständigen Verwaltungsbehörde ein Ver⸗ zeichniß derselben einzureichen. Dieses Verzeichniß ist ihm mit einer Bescheinigung über die geschehene Einreichung spätestens am nächsten Tage zurückzugeben. Dasselbe kann in gleicher Weise bei jeder anderen zur Er⸗ theilung eines Wandergewerbescheines zuständigen Behörde ergänzt werden. Der Gewerbetreibende darf nur die in dem Verzeichnisse enthaltenen Schriften und Bildwerke feilhalten. Er ist verpflichtet, das Verzeichniß während der Ausübung des Gewerbebetriebs bei sich zu führen und auf Erfordern der zuständigen Behörden oder Beamten vorzuzeigen.“

Der Abg. Dr. Frhr. von Hertling beantragte, Ziffer 10 ganz allgemein zu fassen: „Druckschriften und andere Schriften und Bildwerke“ (damit wird die Kolportage ganz verboten), event. die Regierungsvorlage wieder herzustellen, je och unter Streichung der Worte: „Schriften und Bildwerken patriotischen, religiösen oder erbaulichen Inhalts“, sowie des Wortes „Landesüblichen“.

Zu Ziffer 3 beantragten die Abgg. Dr. Baumbach u. Gen. die Streichung der Worte: „Gold⸗ und Silberwaaren, sowie Taschenuhren“; zu Ziffer 7 wünschte der Abg. Heyde⸗ mann folgende Fassung:

„solche mineralische und andere Oele, welche leicht entzündlich sind, insbesondere solches Petroleum, dessen gewerbsmäßiges Ver⸗ kaufen und Feilhaltung nur in Gefäßen mit der Inschrift „Feuer⸗ gefährlich“ gestattet ist, sowie Spiritus.“ 8

Die Diskussion über §. 56 wurde derartig getheilt, daß zuerst die Nummern 1—9 zur Debatte stehen; über Nummer 10 (Kolportage) werde besonders diskutirt werden.

Nachdem der Referent Abg. Dr. Hartmann die Beschlüsse der Kommission in einigen Worten empfohlen hatte, wandte sich der Abg. Fritzen gegen den Antrag Baumbach, welcher Gold⸗ und Silberwaaren und Taschenuhren von dem Verbot ausschließen wolle. Gerade bei Gold⸗ und Silbersachen und Uhren liege die größte Gefahr vor, daß das Publikum von den Hausirern betrogen werde. Die Käufer, namentlich auf dem Lande, könnten meist garrnicht beurtheilen, ob es wirklich Gold und Silber sei, was sie kauften. Auch erleichtere der Hausir⸗ handel mit solchen Sachen den Vertrieb gestohlener Werth⸗ gegenstände außerordentlich. Namentlich aus den Fabriken verschwänden häufig derartige Dinge spurlos, und es könne wohl sein, daß die Hausirer diese Dinge vertrieben. Un⸗ bestreitbar gebe der Hausirhandel häufig Anlaß zu Vergehen und Verbrechen. Bezeichnend sei es, daß schon, wo zum ersten Mal umherziehende Kaufleute aufgetreten seien, im alten Testament, ihre Thätigkeit mit einem Verbrechen verknüpft sei; sie hätten den Joseph seinen Brüdern abgekauft, um ihn nach Egypten zu schleppen.

Der Abg. Heydemann erklärte, er wolle die Bestimmung des §. 56 über die leicht entzündlichen Oele dahin ändern, daß vom Verbot nur betroffen werden sollten „die minera⸗ lischen und anderen leicht entzündlichen Oele, insbesondere solches Petroleum, dessen gewerbsmäßiges Verkaufen und Feilhandel nur in Gefäßen mit der Inschrift „feuergefährlich“ gestattet sei, sowie Spiritus“. 1

Der Abg. Kochhann (Landsberg) empfahl die Anträge Baumbach und Heydemann zur Annahme für den Fall, daß das Haus dem §. 56 überhaupt zustimmen wolle.

Der Abg. Richter (Hagen) erklärte, die Art, wie der Abg. Fritzen den Antrag Baumbach bekämpfe, sei charakteristisch für die Art, wie man überhaupt den Hausirhandel beschränken wolle. Derselbe sage, es würden in den Fabriken Werthsachen gestohlen; doch sei gar nicht nachgewiesen, daß die Haufirer diese Werthsachen vertrieben hätten, das gebe der Abg. Fritzen zu, aber schon wegen der bloßen Möglichkeit wolle der Abg. Fritzen vom Hausirhandel Gold⸗, Silberwaaren und Uhren ausschließen. Noch charakteristischer sei, daß der Abg. Fritzen sich für die Paragraphen auf die Bibel berufe. Derselbe sage, gleich wo der Hausirhandel zum ersten Mal in der Bibel auf⸗ getreten sei, sei ein Verbrechen passirt. Die Brüder hätten die vorüberziehenden Hausirer benutzt, um den Joseph nach Egypten zu verkaufen. Wie verhalte sich nun die Sache in Wirklichkeit? Der Kollege Fritzen könne den An⸗ trag der Fortschrittspartei ganz ruhig annehmen, es würde sich doch der mit Joseph und seinen Brüdern passirte Fall nicht wiederholen. Im §. 61 heiße es ja: „Wer beim

ewerbebetrieb im Umherziehen andere Personen mit sich führen wolle, bedürfe der Erlaubniß derjenigen Behörde, welche den Wandergewerbeschein ertheilt habe, oder in deren Bezirk sich der Nachsuchende besinde. Die Erlaubniß werde im Wandergewerbeschein unter näherer Bezeichnung dieser Personen vermerkt.“ Unter den §. 62 würde Joseph gefallen sein. Die vorüberziehenden Kaufleute hätten dann eine Person mit sich geführt, die in dem Wandergewerbeschein nicht erwähnt sei. Hätten sie ihn gleichwohl mit sich führen wollen, so hätten sie bei der Behörde, in deren Bezirk sie sich befunden hätten, einkommen müssen. Diese Behörde würde sofort die Geschichte gemerkt, die Mitglieder und den Joseph vorgeladen, und die Erlaubniß nicht ertheilt haben. Also dieser Fall sei schon vorgesehen. Er müsse bemerken, daß man in §. 56 bei einem Paragraphen stehe, der den Handel mit Gold⸗ und Silberwaaren und nicht den mit Menschen. Die vorüberziehenden Leute seien auch gar keine Haufirer gewesen, sondern Aufkäufer, die nach Egypten gezogen seien, um durch einen ganz legitimen Getreide

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handel

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der Hungersnoth abzuhelfen. Nebenbei wolle er noch bemerken daß auch Joseph nach konservativer Auffastung jedenfalls das Verdienst gehabt habe, daß derselbe für die Verstaatlichung des Getreidehandels in Egypten gewirkt habe.

Der Kommissar Geheime Regierungs⸗Rath Boediker wen⸗ dete sich gegen den Antrag Heydemann, der keine Sicherheit dagegen biete, daß die Hausirer nicht doch feuergefährliches Petroleum mit sich führten. Auch den Antrag Baumbach, betreffend das Gold und Silber und die Taschenuhren, möge das Haus ablehnen, und der Regierungsvorlage unverändert zustimmen. Die Bestimmung, daß der Hausirhandel mit Taschenuhren untersagt werden solle, sei getroffen worden auf Grund eines Antrags der Gewerbekammern in Hamburg, unterstützt vom dortigen Senat. Das sei wohl eine kompetente und vertrauenswerthe Seite.

Der Abg. Dr. Windthorst erklärte sich ebenfalls gegen den An⸗ trag Baumbach. Man müsse darauf hinwirken, daß auf dem Lande wieder der Sinn für größere Einfachheit platzgreife. Durch das Feilbieten von Gold⸗ und Silbersachen in den Dörfern würden die Landleute aber häufig zu unnützen Luxusausgaben veranlaßt.

Der Abg. Heydemann antwortete dem Regierungskommissar, daß man gutes und schlechtes Petroleum durch den Apelschen Apparat wohl unterscheiden könne. Da solche Apparate aber nicht überall zu beschaffen seien, so möge man, wie sein An⸗ trag wolle, doch gleich alles Petroleum schlechter Qualität ent⸗ fernen und nur das gute zum Hausirhandel zulassen.

Der Abg. Dr. Baumbach bemerkte, der vorliegende Para⸗ graph finde auch Anwendung auf die Handelsreisenden, welche doch ganz zuverlässige Leute seien. Man solle doch einfach bestimmen, nur mit ächten Glas⸗ und Silberwaaren dürfe hausirt werden und den Betrieb mit unächtem Gold, Talmi und anderen Imitationen möge man bestrafen. Auf dem vor⸗ geschlagenen Wege könne man nicht weitergehen.

Der Bundeskommissar Geh. Regierungs⸗Rath Bödiker er⸗ widerte dem Abg. Heydemann, daß es doch ein Unterschied sei, ob ein stehendes Gewerbe mit Petroleum handle oder ein Hausirer. Beim stehenden Händler könne die Verwaltung zu⸗ weilen Petroleum zur Untersuchung holen. Nicht so beim vorüberziehenden Händler. Dem Abg. Baumbach erwidere er, daß es nicht zulässig sei, dem Hausirer die Verantwortlichkeit dafür zu überlassen, ob das Angebotene echt oder unecht sei.

Der Abg. Büchtemann entgegnete, wenn die Landleute ihre Ersparnisse in Gold und Silber anlegen würden, sei es besser, als wenn sie dieselben für Vergnügen ꝛc. ausgäben.

Der Antrag Baumbach wurde darauf bei einer Zählung mit 141 gegen 122 Stimmen abgelehnt; auch den Antrag Heydemann lehnte das Haus ab, und genehmigte die Kom⸗ missionsvorschläge unverändert.

Es begann nunmehr die Debatte über den zweiten Theil des §. 56, die Bestimmungen über die Kolportage von Druck⸗ schriften u. s. w. 1

Der Abg. Frhr. von Hertling befürwortete seinen An⸗ trag. Auch er wisse, daß sich die Bestimmungen dieses Paragraphen zum Theil gegen seine Partei wenden würden, aber er wähle von zwei Uebeln das kleinere, um der unmo⸗ ralischen Kolportage zu steuern. Es handele sich nicht darum, die gute Literatur zu beseitigen; der große Absatz der Fir⸗ men Cotta, Brockhaus u. s. w. habe mit dem Hausirhandel gar nichts zu thun, sondern entstamme den Subskribenten⸗ sammlungen, über welche man ja bei den späteren Paragra⸗ phen noch sprechen werde. Die Kolportage wende sich in den meisten Fällen nicht an die gebildeten, sondern an die weniger gebildeten Klassen der Gesellschaft, an Dienstboten, an Bauern, an Schüler. Andererseits sei der Vertrieb der guten Literatur in letzter Zeit durch alle möglichen Erleichterungen begünstigt worden, sie bedürfe also der Kolportage nicht. Die Wahrung der Sittlichkeit des deutschen Volks aber erfordere drin⸗ gend das Verbot der Kolportage. Ein großer Theil dieser Literatur wende sich direkt an die Lüsternheit und Sinnlich⸗ keit, an die niedrigsten Leidenschaften der Menschen; hier liege die große Aufgabe des Staates, seine Angehörigen vor der Verderbniß zu schützen. Die unsittlichen Romane und Bild⸗ werke hätten durch das Strafgesetzbuch bisher nicht genügend getroffen werden können; im Gegentheil sei der Absatz und die Auflage dieser unsittlichen Schriften in dauerndem Steigen. Hier könne also nur ein absolutes Verbot helfen, jedenfalls kamen so hohen sittlichen Beweggründen gegenüber etwaige wirthschaftliche nicht in Betracht. Einer der letzteren sollte das Haus gerade bewegen, seinen Antrag anzunehmen, es sei der unaufhaltsame Untergang des Sortiments⸗Buchhandels (Abg. Richter: Ist auch ein wahrer Segen!). Das sei kein Segen! Der deutsche Buchhandel sei zu seiner jetzigen Größe empor⸗ gewachsen auf Grund dieser Organisation! Wenn sein Antrag aber nicht angenommen werden sollte, so empfehle er seinen Eventualantrag, der vor allem die dehnbare Bestimmung des Sozialistengesetzes bezüglich der „Untergrabung“ aus dem Kommissionsantrag ausmerzen wolle. Der letzte Absatz des §. 56 werde, wie er fürchte, wirkungslos bleiben, da die Ueberproduktion an Schand⸗ und Schundliteratur in Deutsch⸗ land zu groß sei. Er bitte, seinen Antrag anzunehmen, und dadurch gegen die Gefährdung der sittlichen Elemente des Staates einzutreten.

Der Abg. Dr. Kapp schloß sich im Wesentlichen den Aus⸗ führungen des Abg. Baumbach an. Die Art und Weise, wie die Regierung an die so schwierige und verwickelte Frage der Kolportage herangetreten sei, scheine ihm sehr leicht und be⸗ quem; denn statt sich allein gegen die sogenannte Schund⸗ literatur zu wenden, lege die Regierung die Axt an den ganzen Kolportagehandel und damit an den Buchhandel selbst. Bei der ängstlichen Ueberwachung aber, unter welcher in Deutschland die Presse stehe, sei es doch nie schwer geworden, ihrer etwaigen Auswüchse Herr zu werden, und so werde es auch Mittel zur Bändigung der gegen die Moral verstoßenden Literatur geben, welche nicht blos auf eine Erweiterung des polizeilichen Machtapparats sm a; und den ganzen Buch⸗ handel treffe. Es lägen auch, soviel er wisse, der Regierung durch⸗ aus keine Materialien vor, welche zur Begründung ihres Vorhabens dienen könnten. Der Volkswirthschaftsrath aller⸗ dings habe den ganzen Kolportagehandel in Bausch und Bogen verurtheilt, allein dieses Urtheil bedeute doch ungefähr

erade so viel, wie ein Beschluß des Pickwickklubs. Anderer⸗ eits seien von Sachverständigen begründete Eingaben an den Reichstag gelangt, und auch durch die öffentliche Presse vor⸗ bereitet worden. So von dem Leipziger Börsenverein, der ca⸗ 6000 Mitglieder zähle, und von anderen, theils größeren, theils kleineren Vereinigungen. Alle diese hätten sich dahin ausgesprochen, daß das Verbot des Kolportagehandels auch zugleich ein Todesstreich für den deutschen Buch⸗ sein würde. Die Bibel wolle der Abse⸗

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dem 1. Dezember 1872 von hier polizeilich abge⸗

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ordnete von Hertling der Kolportage sreigeben: 8 sei unnöthig, denn die Bibel werde auf 12 B888 der Kolportage so gut wie gar nicht verbreitet, weil sie überall hesser und wohlfeiler zu haben sei. Ebenso verhalte es sich mit den Schulbüchern. Also den Kolportagehandel unter⸗ drücken heiße eins der blühendsten Gewerbe in ganz Deutsch⸗ land, den Buchhandel, vernichten. Nach dem letzten Meßkataloge habe man in Deutschland 5846 Buchhandlungen gezählt, wovon 1079, also fast ein Fünftel, Kolportagebuchhandlungen seien, die sich durchaus nicht blos auf die Schundliteratur de⸗ ränkten, sondern ihre Wirksamkeit auch auf die große, Hassische Literatur ausdehnten. Weiter komme in Betracht, daß durch Unterdrückung der Kolportage mehr als 100 000 Menschen, die in irgend einer Weise dabei beschäftigt seien, deschäftigungslos würden. Auchdie Schriftsteller hätten ein Inter⸗ esse daran, daß die Kolportage bleibe, denn wenn die Buchhändler gute Geschäfte machten, so würden auch die Honorare höher. Er wundere sich, daß ein Mann, wie Abg. von Hertling, der an einer deutschen Hochschule angestellt sei, einen das ganze geistige Leben Deutschlands so untergrabenden Vorschlag machen könne. Er glaube auch, der Abg. von Hertling werde von seiner eigenen Partei nicht unterstützt werden, wenigstens sei dies nach den Abstimmungen in der Kommission zu er⸗ warten. Er bitte, den Kommissionsantrag mit dem Amende⸗ ment Baumbach anzunehmen. Der Abg. Günther (Sachsen) erklärte sich gegen alle

Amendements und bat, pure den Kommissionsvorschlag anzu⸗ d seit 1869 groß geworden? dbuchhändlerischen Firmen

nehmen. 8 Der Abg. Munckel bemerkte, auch diese Bestimmung sei

aus Furcht vor einem Mißbrauch de Gewerbefreiheit gegeben, 8 4 . heit geg Ich glaube, daß der Kolportagebuchhandel, die Hausirwirthschaft sehr

deutschen Buchhandels beigetragen haben. Es

fest⸗

seine Partei habe dagegen Furcht vor der Polizeimacht. Das Verbot einer Druckschrift werde stets eine Reklame für den betreffenden Verleger sein, ebenso werde man durch das Ver⸗ hot der Kolportage dieselbe eher vermehren, als vermindern. Die Polizei werde die Moralität nicht heben, auch wenn man jedem thörichten Menschen 2 Gensd’armen an die Seite stelle. Wie solle ein gewöhnlicher Polizeibeamter kontroliren, ob Schiller oder Lessing staats⸗ oder religionsgefährlich sei? Viel⸗ leicht halte sogar mancher hier im Hause Lessing für die Re⸗ ligion gefährdend, und auch seine Partei halte gewiß mancher Herr auf der Rechten für staatsgefährlich.

Er bitte, den Antrag Baumbach anzunehmen!

Der Abg. Schott erklärte sich gegen den Kommissions⸗ vorschlag und für den Antrag Baumbach. Trotz der Mah⸗ nung, man solle nicht erstaunen, hätte er es doch kaum für möglich gehalten, daß aus der Mitte der Volksvertretung ein

Ansinnen, wie das des Abg. von Hertling gestellt werden 888

würde. Die verbündeten Regierungen hätten bei ihrer Vor⸗ lage, wie es scheine, die ungeheuere Bedeutung der Kolportage noch nicht ganz erkannt. Die Schundliteratur habe nach sach⸗

verständigem Zeugnisse bereits abgenommen, wohl infolge der V

Wohlfeilheit der deutschen Klassiker. Man möge doch Mitleid haben mit den Tausenden von armen Menschen, die aufs Pflaster gesetzt würden. Bezüglich des Verbots von Gewinnen und Prämien frage er, warum dringe man denn immer nur auf verbesserte Tugendhaftigkeit der unteren Stände? Warum beginne man nicht mit dem Verbot der Staatslotterien? Warum solle man denn kein Bild des Kaisers, keine Madonna als Prämie ausbieten dürfen? Sei denn das deutsche Erwerks⸗ leben so ins Kraut geschossen, daß man es überall beschneiden müsse? Die Bemutterung werde immer ärger. Der Abg. von Kleist⸗Retzow habe neulich angeführt, wie die Biederkeit der alten Deutschen von den Römern belobt worden sei; derselbe Tacitus stelle aber den Satz auf: Je fauler es in einem Gemeindewesen aussehe, desto mehr Gesetze. Man sei jetzt im besten Zuge, dieses Wahrzeichen Deutschland anzuheften.

Hierauf nahm der Bundeskommissar Geheime Regierungs⸗ Rath Bödiker das Wort:

8 Meine Herren! So sehr auch die Gegner der Vorlage den Inhalt derselben im Einzelnen bekämpft haben, so glaube ich nicht ich habe es wenigstens nicht gehört —, daß einer von denselben die Vorlage für gänzlich unberechtigt erklärt hat. Daß Schäden vorliegen, beweist auch der Antrag, welcher am weitesten von der Vorlage sich entfernt. Keine Seite will die Regierungsvorlage lediglich ablehnen, alle bemühen sich, dieselbe zu amendiren. Es handelt sich also um eine Frage, die in der That von den verbündeten Regierungen angeregt werden mußte, um hier im Hause ihre Ent⸗ scheidung zu finden.

„Meine Herren! Die Frage ist keine ganz neue; es ist schon sehr häufig über dieselbe in öffentlichen Versammlungen und in der Presse verhandelt worden, und ich kann nicht zugeben, wenn einer der Herren Vorredner glaubte, es seien die verbündeten Regierungen nicht ge⸗ nügend informirt gewesen, oder es müsse, wie der letzte Herr Redner sich ausdrückte, von einer schlecht informirten Regierung an eine besser zu informirende appellirt werden.

Schriften, die durch Prämienversprechung

Ziehung Aergerniß gebenden Schriften auszuschließen.

er ist man nicht auskommen könne. ur

mission einstimmig hinsichtlich der Beseitigung aller Prämienwerke Ich kann darum mein Erstaunen über die gegen die Bundesregie⸗

wenig zur Hebung ist ein Urtbeil

Firmen den nur mit Hülfe Hausirer. Ich glaube, daß auch auf einem anderen

für staatsge Das thue die Rechte und nun solle ein Polizist die Unterscheidung treffen?

den Antrag mitunterzeichnet haben, in der Kommission einstimmig

sind nicht nur notorisch, sie sind auch bimmelschreiend.

bedarf aber bekanntlich nicht mehr der Aufklärung oder de Ebenso auch können die verbündeten Regierungen d

des Hrn. Abg. Dr. Kapp nicht gelten lassen, es sei die

leichter Weise zu Stande gebracht ohne Anhörung vo

ständigen.

Meine Herren! Die vorliegende Frage ist eine solche, worin

schließlich jeder Einzelne sachverständig ist, der nur die beiden

Thatsachen kennt, daß einerseits in dem Kolportagehandel ein sehr

großes Kapital investirt ist, bezw. daß sehr viele Leute davon leben,

Notorisches Bew ises.

und andererseits die Thatsache, daß durch den Kolportagehandel großer†

Schaden geschiehbt. Daß dieser Schaden angerichtet wird, meine Herren, geben alle Petitionen, welche so zahlreich für und gegen die Vorlage eingegangen sind, zu, ich meine, für die Vorlage inso⸗ weit eingelaufen sind, als eine große Anzahl von Petitionen das Kolportiren von sittlich anstößigen, von religiös anstößigen, von

vertrieben werden sollen, ich mir, mich auf den onstatirt, daß ein e Antrag gestellt hat, alle in Fhttlicher 85

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überhaupt verbieten will. Auch erlaube Kommissionsbericht zu berufen, welcher

Herren Abgeordneten den Fs w dies als Jurist besonders in der Lage, es zu wissen daß mit den strafrechtlichen Bestimmungen auf diesem Gebiete Ebenso wie in diesem Punkt war die Kom⸗

rungen gerichteten Ausführungen der Herren Redner nicht unterdrücken. Meine Herren! Hr. Dr. Kapp sagt, die Vorlage lege die Art an den Bachhandel. Meine Herren! Ist denn unser Buchhandel erst

Hat es denn vorher in Deuts rmen allerersten Ranges gegeben? den Kolportagehandel mit Druckschriften haben wir doch erst seit 1869!

nicht eine als 1 von ihm genannten großen äicht anders gefunden haben würden, als

8 Hrn. Dr. Baumbach, stehend zuzugebende Thatsache, daß diese

n Werken reussirt haben würden. ordneten hat gesagt, das Urtheil Beziechung werthlos. Meine tsrath allein für sich dastände, er Herr Recht haben, aber ich habe anderen Seiten dieselbe Meinung em Volkswirthschaftsrath sind entschieden reten, und auch diese sind pure für die Ge⸗ g Ich will das Haus nicht ermüden, um das er Protokolle nachzuweisen; es ist aber so, meine Herren, Munckel sagte, die Freiheit könne allerdings gemiß⸗ 1 von tage, es könnte aber auch n Seite der Polizei gemisbraucht werden. Zugegeben; die die Freiheit mißbraucht, schädigt höchstens Jeman⸗ inanziellen Interessen, die schlechte Kolportage aber ind sittliche Wohl derer, denen sie ibre verderb⸗ arbietet. Hier steht der Geldpunkt gegenüber erielle Gut gegenüber den geistigen Gütern, und den Vorzug verdienen. Der Hr. Abg Munckel Zlücklich der Verleger, dem ein Buch beschlagnahmt wird durch den Staatsanwalt. Ja, meine Herren, schlagender konnte der Herr Abgeordnete Tch gar nicht für die Vorlage sprechen. Er wünscht doch nicht, daß die mit Beschlag belegten Bücher erst recht vertrieben werden. Aber er beweist mit seinem Satze allerdings, daß gerade das Schlechte begierig auf⸗ genommen werde, und gerade dem will die Vorlage entgegentreten. Mit diesem Argument hat also der Herr Abgeordnete nach meiner Meinung die Gesetzesvorlage aufs Eklatanteste vertheidigt. Er hat dargethan, daß schlechte Eigenschaften in einem Theile des Volkes vertreten sind, und dagegen kämpft die Vorlage. Meine Herren! Es ist Bezug genommen worden auf den hiesigen Buchhändlerverein. Der Vorstand desselben hat im vorigen Jahre die Sache berathen und ist dabei zum Theil weit über die Vorlage hinausgegangen. Der Vorstand desselben hat nicht mehr und nicht weniger beantragt, als, um dem Uebel wirksam abzuhelfen, das Be⸗ fähigungszeugniß für den Buchhändler wieder einzuführen. Was ist das für ein Standpunkt gegenüber dem der Vorlage? Ich kann mich hierauf wieder als auf einen Beleg berufen, daß die Vorlage nicht so weit geht, wie es auf manchen Seiten gewünscht wird. Im Uebrigen beziehe ich mich auf die Motive und die von den früheren Herren Rednern zur Vertheidigung der Vorlage beigebrachten Gründe, auch auf den Kommissionsbericht, woraus erhellt, daß ich die von dem Abg. Frhrn. von Hertling berührte Entstehungs⸗ und Vorgeschichte der Vorlage seit dem Jahre 1868 in der Kommission entwickelt habe. Meine Herren! Es liegt nun eine Reihe von Anträgen zu unserer Vorlage vor. Der Antrag Baumbach⸗Richter ich habe das schon vorher gesagt geht nicht einmal soweit wie die Herren, die jetzt

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gehen wollten. Von hier aus kann der Antrag nur auf das Leb⸗ hafteste bekämpft werden.

Nach dem so eben vertheilten Antrage der Herren Abgg. Dr. Blum und Dr. Meyer, ich weiß nicht, ob ich ihn vollständig richtig ver⸗ stehe aber es scheint so, als sollte nach diesem Antrag das Druck⸗

würde entschieden eine Verschlechterung des jesigen 3 insofern fortan jeder Colporteur sich auf das Visum der Polizei be⸗

lassen.

schriftenverzeichniß unter allen Umständen von der Polizeibehörde visirt werden müssen. Also die Bücher, die im Verzeichniß aufgeführt

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sind, sind gewissermaßen polizeilich autorisirt. Aber es können nach der Fassung dieses Antrages allerhand mögliche schlechte Bücher in das Verzeichniß aufgenommen werden, und die Polizei müßte noch sogar den autoritativen Genechmigungsstempel darauf sepen. Das

Zustandes sein,

rufen könnte bei Leuten, die auf das Visum etwas geben.

Dann kommt der ebenfalls soeben erst vertheilte Antrag des Hrn. Abg. Frhrn. von Hertling. Meine Herren! der Prinzipalantrag geht entschieden zu weit. Ich glaube nicht, daß es wohlgethan ist, diesen Prinzipalantrag anzunehmen. Der Eventualantrag geht aller⸗ dings auch über die Vorlage hinaus, es wird Manches aus der Vor⸗ age herausgestrichen, was die Vorlage konzediren will, aber, meine Herren, das kann ich erklären, wenn ich auch selbstver⸗ ständlich nicht befugt bin, meinerseits die Regierungsvorlage fallen zu lassen, daß dieser Eventualantrag viel mehr in der Linie der Ab⸗ sichten der verbündeten Regierungen liegt, als die anderen Anträge. Das Uebel ist eben so groß geworden, daß mit einem Radikalmittel vorgegangen werden musß, und ein solches Radikalmittel ist auch schon die Vorlage.

Meine Herren! sich keineswegs in erster Linie oder auch nur hauptsächlich um die Beschränkung armer Hausirer, die ihr Brot sauer in dieser Weise verdienen. Hier handelt es sich um einen Kampf nicht gegen diese niederen Leute, sondern um einen Kampf gegen das zweckbewußt vorgehende, mit der Intelligenz verbündete Kapital. Meine Herren! Ich habe hier sonst keine Reden zu halten über Kapitalismus und Kapital überhaupt; aber, wenn ich Ihnen anführe, daß aus den Handelskammermittheilungen hervorgeht, daß. abgesehen von den Verlagsbuchhandlungen, einzelne Buchhandlungen 30, us einer größeren Stadt wird berichtet, sogar 39

zure auslaufen lassen, so werden Sie mir zugeben, üum einen Betrieb im großen Maßstabe handelt, der mit telligenz geführt wird. Und gegenüber diesem Betriebe, scheut, Geld zu ziehen aus der Vergiftung des Volkes erise „non olet“, diesem Betrieb gegenüber will die Vor⸗ org Dabei bedauerten es die verbuͤndeten Regierungen, wenn infolgedessen nothgedrungen auch eine Schädigung berechtigter Interessen eintreten muß, die sich leider nicht vermeide äß Meine Herren! Es handelt sich nicht nur um Menschen, die keinen Anstand nehmen, um des Gewinns willen die Leidenschaften des Volkes zu mißbrauchen, es handelt sich auch um ein bewußtes Hineindringen in die Schlechtigkeit des Volkes, um den Einfluß des zielbewußten absolut Schlechten auf dasselbe. Ich kann nur sagen, die Höhe des sittlichen Ernstes, der durch die ganze Vorlage hindurchgeht, hier crreicht sie ihren Springpunkt. Ich bitte Sie, die Regierungen hier nicht verlassen zu wollen.

Der Abg. von Kleist⸗Retzow wies darauf hin, daß alle Parteien darin einig seien, daß in den jetzigen Zuständen etwas gebessert werden müsse. Da die Konservativen aber von der hohen Schädlichkeit des augenkblicklichen Zustandes völlig überzeugt seien, und deshalb um jeden Preis etwas zu Stande bringen möchten, so würden sie für den Antrag des Abg. von Hertling stimmen, der nur die Kolportage von Bibeln, Bibeltheilen, Schulbüchern, Landkarten und Kalendern zulasse. Damit werde auf jeden Fall die schlechte Literatur 8 dem Volke fern gehalten. Redner erklärte sich gegen den Antrag Baumbach. Man wolle Prämien ausschließen, aber nur sofern es sich um seidene Kleider, Schmucksachen u. s. w. handele. Prämien, die in Bildwerken oder Büchern benänden, wolle man auch ferner zulassen. Das sei nicht richtig. Jedes kolportirte Werk müsse sich selbst loben, so decke die Prämie nur die Schundwaare, welche dem Volke aufgedrängt werde. Es sei merkwürdig, daß in diesem Para- graphen die Kolportage unmittelbar hinter dem Gift komme aber es liege darin auch eine gewisse Anerkennung, daß dem Volke wirklich Gift eingeflößt werde.

Die Diskussion wurde geschlossen.

Der Abg. Dr. Meyer (Jena) bemerkte persönlich, daß die Begründung des nationalliberalen Antrages ihm durch den beliebten Schluß der Debatte verwehrt worden sei.

Die Anträge des Abg. Frhrn. von Hertling, sowohl der prinzipielle als der eventuelle, wurden abgelehnt. Dagegen wurde der Antrag Baumbach in namentlicher Abstimmung mit 141 gegen 127 Stimmen angenommen, womit der Kom⸗ missionsantrag beseitigt war.

Das Amendement Blum zum Absatz 2 vereinigte auf sich nur die Stimmen der Nationalliberalen, auch die Kommif⸗ sionsbeschlüsse zum Absatz 2 und der Absatz 2 der Regierungs⸗ vorlage wurden abgelehnt.

Damit war der §. 56 erledigt.

Der Abg. Richter (Hagen) beantragte nunmehr über der §. 56, über dessen Theile getrennt abgestimmt worden sei, eine gemeinsame Abstimmung vorzunehmen. Gegen die nochmalige Gesammtabstimmung über den §. 56 protestirten die Abgg. Dr. Windthorst und Frhr. von Minnigerode.

Der Präsident war bereit die Abstimmung vornehmen zu

Auf Grund des Protestes befragte er aber das Haus, welches die nochmalige definitive Abstimmung ablehnte. 8 .“ vertagte sich das Haus um 6 Uhr auf Dienstag

r. 1

2 F 38△ 858F; 2 * 158 88

Meine Herren! Die Thatsachen, um die es sich hier handelt,

8

Inserate für den Deutschen Reichs⸗ und Königl Preuß. Staats⸗Anzeiger und das Central⸗Handels⸗ register nimmt an: die Königliche Expedition

des Deutschen Reichs-Anzeigers und Königlich

Preußischen St aats-Anzeigers: ’I Berlin SW., Wilhelm⸗Straße Nr. 32. R

1. Steckbriefe und Untersuchungs-Sachen.

2. Subhastationen, Aufgebote, Vorladungen u. dergl.

3. Verkäufe, Verpachtungen, Sbmissionen etc.

4. Verloosung, u. s. w. von öffentlichen Papieren.

Oeffentlicher Anzeiger.

Fabrik

5

. Industrielle Etablissements, und Grosshandel.

.Literarische Anzeigen.

Amortisation Zinszah lung

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.Theater-Anzeigen. In der Börsen- beilage.

Inserate nehmen an: die Annoncen⸗Expeditionen des „Invalidendank“, Rudolf Mosse, Haasenstein & Vogler, G. L. Daube & Co., E. Schlotte, Büttner & Wüinter, sowie alle übrigen größeren Annoncen⸗Bureaux.

Subhastationen, Aufgebote, Vor⸗ lladungen n. dergl. 1“

l157 8 SDeffentliche Ladung. Emsl Trosselt von Oberhammer, we Amerika ausgewandert und dessen Aufenthaltsort un⸗ bekannt ist, wird hiermit geladen, den 10. August d. J., Vormittags 10 Uhr, 1 mtweder in Person oder durch einen gehörig legiti⸗ mirten Bevollmächtigten bei Fürstl. Amtsgerichte hier zu erscheinen, um in einer Zuschreibungssache gehört zu werden, widrigenfalls ihm ein Abwesen⸗ heitsvormund bestellt werden wird. Oberweißbach, den 20. März 188383S. Fürstl. Sqwarzb. Amtsgericht. Wißmann.

[159750)

durch Anschlag druck in den

1 Aufgebot. 1“ 1““ Sohn des Kutschers Johann Gottlob

115771) Der als Hentschel in Groß⸗Haenchen und dessen Ehefrau

dorothea Elisabeth, geb. Hermann, am 6. November 188 zu Groß⸗Haenchen, Kreis Freystadt, geborene tbeiter Johann Carl August Henrschel, welcher seit

meldet ist und seitdem verschollen sein soll, wird

auf Antrag seines Vormundes, des Schankwirths Gottlieb Rauch hier, hierdurch aufgefordert, späte⸗ stens in dem auf den 5. Februar 1884, Vormittags 11 Uhr, vor dem unterzeichneten Gerichte, Jüdenstraße 58, hierselbst, Saal 21, anberaumten Aufgebotstermine sich persönlich oder schriftlich zu melden, widrigen⸗ falls er für todt erklärt werden wird. Berlin, den 22. März 1883. 1 Königliches Amtsgericht I.

ssenem, seinem ganzen Inhalte nach an die Gerichtstafel und durch Ab⸗ ecklenburgischen Anzeigen bekannt ge⸗

Nach heute erlaf

machtem Proklam finden zur der den Erben des wail. Häuslers Koch zu Heidhof Föübnender kleinen Kavel Nr. 1526 auf Dömitz'er

1) zum Verkaufe nach zuvoriger endlicher Regu⸗ lirung der Verkaufsbedingungen htm Montag, den 11. Juni 1883 2) zum Ueberbot am Monta

8 den 2. Juli 1888, jedesmal Vormitiag

1883 an auf der Gerichtsschreiberei. Dömitz, den 28. März 1883.

Amtsgericht. Zur Beglaubigung:

Abtheilung 54.

8

[15771]

ö

Gerichtsvollzieher Balduin

Zwangsversteigerung i. Schl. hinterlegte auf 700

in dem am

8 11 Uhr, statt.

Auslage der Verkaufsbedingungen vom 25 Großherzoglich Mecklenburg⸗Schwerinsches

Der Gerichtsschreiber: Aln 1 Kiecks ee, Act.⸗Geh. Fr. Wirth von Stuttsart, früherer Besitzer

Proclama.

Auf Antrag des Königlichen Ober⸗Landesgerichts⸗ Präsidenten und des Königlichen Ober⸗Staatsanwalts zu Breslau wird hierdurch 88 c- dem Königlichen Körber

Avitskaution, nachdem der ꝛc. Körber verstorben ist, hierdurch aufgeboten und werden sämmtliche unbe⸗ eldmark Termine: Lannten Interessenten aufgefordert, etwaige Ansprüche

aus dem Dienstverhältnisse des ꝛc. Körber spätestens

21. Juni 1883, Vormittags 10 Uhr, an Gerichtsstelle, Zimmer II., anstehenden Termine anzumelden, W die sich nicht Meldenden ihres Anspruches an die Kaution verlustig gehen und 1

nur an den Nachlaß des ꝛc. Körber sich zu hallen befugt sind. Neumarkt i. Schl., den 5. April 1883 Ksönigliches Amtsgericht.

voen Kaltenberg, O. A. Tettyang, hat das Aufgebot des Pfandscheins vom 3. April 1850 über eine Schald des Josef Anton Kraver von Kaltenberg gegen die Oberamtssparkasse Te’stnang von dreihundert Ginden, für welche die Parz. Nr. 1615/1 und 484 auf Tett- nanger Markung verpfändet sind, beantragt. Der Inhaber der Urkynde wird aufgefordert, spötesteus in dem auf . 1““ Freitng, den 15. Juni 1883, Vormittags 9 ½ Uhr, 1 vor dem unterzeichneten Gerichte anberaumten Auf⸗ gebotstermine seine Rechte anzumelden und die Ur⸗ kunde vorzul egen, widrigenfalls die Kraftloserklärung der Urkund,e erfolgeen wird. v“ Tettwang, den 19. März 1883. Königliches Amtsgericht. H. R. Goll. 1 6 teit tübahe Lumpp.

fo ebot.

[15777

zu Neumarkt sich belaufende