1883 / 87 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 13 Apr 1883 18:00:01 GMT) scan diff

Luksor, das Ramesseum, die Tempel von Abpdos, Medinet Habu, Kurna, Elephantine, Ipsambul ꝛc. eingehend würdigt sowie in ihren Grundrissen und Details zur Anschauung und sorgfältigen Beschrei⸗ bung bringt. In der 10. Lieferung wendet sich die Darstellung sodann dem Prirat⸗ und Befestigungs bau zu. Dieser Abschnitt enthält u. a. sehr instruktive und mit großem Fleiß nach den naiven, unbehülflichen Ansichten (wie sie sich auf alten Reliefs und Malereien, z. B. in Tell⸗el⸗Amarna finden) ausgeführte Rekonstruktionen von alten Palast⸗ und Villenanlagen, wescke ein lebendiges Bild von der bäuslichen Einrichtung der alten Egypter darbieten. Auch der Fortifikationsbau und die Art der Belagerung und Vertheidigung einer Festung werden in anschaulichster Weise be⸗ schrieben und abbildlich vor Augen geführt. 1 b Joseph Baer & Co., Buchhändler und Antiquare in Fran k⸗ furt a. M., Paris und London, haben vor Kurzem wiederum 2 Ka⸗ taloge, den Lagerkatalog 125 und den Antiquarischen Anzeiger Nr. 330, ausgegeben. Kat. 125 enthält unter der Ueberschrift: Auetores Latini. Lateinische Schriftsteller, Gram⸗ matik, Literaturgeschichte. (Zum Theil aus der Bibliothek von H. Köchl“)“, ein Verzeichniß von 1501 Schriften, von denen 1284 die verschiedenen Ausgaben der lateinischen Schriftsteller des Alterthums nebst Erläuterungsschriften enthalten. 217 aber sich vorzugsweise mit lateinischer Sprache und Grammatik, mehrere auch mit der alten römischen Literatur beschäftigen. Der antiqu. Anzeiger bringt ein Verzeichniß von 373 die Philosophie betreffenden Schriften. Man findet hier u. A. die Werke von Plato, Aristoteles, Cicero, Spinoza, Leibnitz, Kant, Fichte, Hegel, Schelling, Schleiermacher, Schopen⸗ hauer, Hartmann, J. J. Rousseau u. A.

Land⸗ und Forstwirthschaft.

Das bercits erwähnte im Verlage von Duncker und Humblot er⸗ schienene Buch: „Bäuerliche Zustaände in Deutschland. Berichte, veröffentlicht vom Verein für Sozialpolitik“, enthält u. A. auch eine

Abhandlung über die Verhältnisse von drei Bauerngemeinden in der Umgebung Münchens ron Professor Dr. Heinrich Ranke in München. Der Verfasser hat die Hypothekenbücher von fünf An⸗ wesen jener Gemeinden durchgesehen und faßt das Resultat der dar⸗ aus gewonnenen Ansicht kurz in solgende Sätze zusammen:

Es eristirt in dieser Gegend noch ein Bauernstand, der sich seinen alten Besitz und seine alten einfachen Gewohnheiten bis auf diesen Tag erhalten hat. 1

5 Unsere moderne Geldwirthschaft ist aber an der Arbeit, diese alte gesellschaftliche Ordnung zu zersetzen und zu zerstören. b Die Verschuldung der bäuerlichen Wirthschaften hat während der letzten 50 Jahre beträchtlich zugenommen.. Noth, als Folge der veränderten landwirthschaftlichen Konjunktur, dürfte in unseren Fällen als Ursache der Verschuldung auszuschließen sein, obgleich die Steigerung der Arbeitslöhne eine bedeutende ist. Auch produktive Anlehen zu Bauten, Meliorationen ꝛc. kommen kaum in Betracht. 1 Als Ursachen der wachsenden Verschuldung sind dagegen zu nenncn: die Eintragung hoher Erbportionen, die neuerdings allgemein gewordene Sitte der Verzinsung der letzteren, während sie früher unverzinslich waren, die Eintragung hoher Kaufschillingsreste. 8 Es liegt bereits eine Gefahr für den Bauernstand in der Höhe der Summen, mit welchen er seinen Grundbesitz belastet hat.

Die bankmäßige Verzinsung einer Hypothek bis zur Hälfte des Gutswerthes dürfte so ziemlich die ganze Bodenrente verschlingen, so daß dem Besitzer nur sein Arbeitsverdienst verbleibt. 1u“ Die Hauptgefahr für den Bauernstand liegt aber in den wucherischen Manipulationen gewissenloser Spekulanten, die sich die Geschäfts⸗ unerfahrenheit des Bauern zu Nutze machen. .““

Die wucherischen Spekulationen, durch welche alte bäuerliche Wirthschaften zu Grunde gehen, bestehen hier erstens in Güterzer⸗ trümmerung, Güterschlächterei, wobei es hauptsächlich auf Veräuße⸗ rung des Waldes abgesehen ist, welcher bisher die festeste Stütze der Wirthschaft bildete; zweitens in Finanzmanipulationen, wobei anstatt des Wechsels, der in hiesiger Gegend unter Bauern noch wenig in Gebrauch ist, die Darleihung von Hypothekkapitalien mit kurzem Zahltungstermin, cuf Grund vollstreckbarer Urkunde, die Hauptrolle spielt. Der Schuldner gelangt hierdurch meist rasch in die Hand seines Gläubigers.

Dem kurzlich erschienenen „Jahresbericht des Großherzoglich ba⸗ dischen Ministeriums des Innern über seinen Geschäftskreis für die Jahre 1850 und 1881‧ entnehmen wir aus dem Abschnitte Land⸗ wirthschaft Folgendes: Die gesammte landwirthschaftliche Fläche des Großherzozthums kann zu 839 300 ha angenommen werden, worunter die mit landwirthschaftlichen Früchten bestandenen Theile

der Reutberge und des Hackwaldes mit 57 948 ha inbegriffen sind. Die landwirthschaftliche Gesammtfläche setzt sich wie folgt zusammen: Acker 576 460 ba 68,7 %, Wiese 191 590 ha 22,8 %, Rebland 21 870 ha 2,6 %, Grasgarten 14 810 ha 1,8 %, Kastanienwald 950 ha 0,1 %, ständige Weide 33 820 ha 4,0 %. Von der Ackerfläche befanden sich im Zustande der Brache rund 4,6 %. Etwas über die Hälfte nehmen im Anbau die Körner⸗ und Hülsenfrüchte (51,4 % der Acker⸗Ernte⸗ fläche) ein, Futterkräuter und Futter⸗Hackfrüchte annähernd ein Drittel (30 %), den Rest die Kartoffeln (14 %) und Handelsgewächse mit Gemüse (4,2 %). Im Ganzen genommen weisen gegenüber dem Durchschnitt der Jahre 1865/79 Körner⸗ und Hülsenfrüchte eine Ab⸗ nahme um 2220 ha, die Handelsgewächse eine Abnahme um 4630 ha, die übrigen Kulturgewächse dagegen (Kartoffeln, Futterkräuter und Futter⸗Hackfrüchte) eine Zunahme um 10 970 ha auf. Es ist nicht ohne Interesse, diese Bewegung an den Hauptkulturgewächsen im Einzelnen etwas näher zu verfolgen. Danach hat der Spelz seit Mitte der sechziger Jahre beständig an Terrain verloren (1865 rund 93 000 ba, 1880 77 190 ha), der Winterweizen dagegen seit Anfang der Siebenziger Jahre ebenso beständig an Terrain gewonnen (1865 33 800 ha, 1870 31 780 ha, 1880 37 940 ha); Winterroggen ist ziemlich unverändert geblieben, ebenso Gerste, Hafer weist eine erhebliche Zunabhme auf (1865: 52 750, 1880: 59 810 ha). Es erhellt aus diesen Zahlen, daß der Anbau des Wintergetreides im Ganzen etwas abgerommen, der des Sommergetreides etwas zugenommen hat; gegenüber dem Durchschnitt der Jahre 1865/79 beträgt jene Abnahme 5200 ha, die Zunahme 2980 ha; woraus sich als Gesammtabnahme des Anbaues der Körner⸗ und Hülsenfrüchte die oben berechnete Fläche von 2220 ha ergiebt. Von den weiteren Kulturgewächsen haben die Kartoffeln seit 1865 (Anbaufläche: 76 550 ha) bis 1880 (86 700 ha) um rund 10 000 ha, Futterkräuter und Futter⸗Hackfrüchte in dem gleichen Zeitraum (1865 rund 160 000 ha, 1880: 188 490 ha) um fast 30 000 ha und gegenüber dem Durchschnitt 1865/79 um rund 7000 ha zugenommen. Eine erstmalige Erhebung der vorhandenen Obstbäume wurde im Herbst 1880 zu dem Zwecke vorgenommen, den Umfang der durch die Winterkälte 1879/80 angerichteten Schäden näher festzustellen. Das Ergebniß dieser Erhebung war, daß die Gesammtzahl der Obstbäume auf 10 048 928, die Zahl der durch den Winter 1879/80 vernichteten Obstbäume auf 2 268 269 oder 22,6 %, und der Bestand im Jahre 1880 auf 7 780 659 berechnet wurde. Jedoch bemerkt der Bericht hierzu: „Da mittlerweile eine nicht unerhebliche Anzahl der durch die Kälte des Winters 1879/80 beschädigten Baume weiter eingegangen sind und riele solcher kränkeln, also voraussichtlich nachträglich ab⸗ sterben werden, so bleibt die ermittelte Verlustzahl jedenfalls be⸗ trächtlich hinter der Wirklichkeit zurück. Man wird in der An⸗ nahme nicht fehl gehen, daß der Gesammtverlust rund 3 Millionen Obstbäume in sich begreift und daß der Bestand an gesunden Bäumen dermalen nicht höher als auf 7 Millionen im Ganzen sich beziffert.“ Die obstreichsten Kreise sind die Kreise Baden, Offenburg, Karlsruhe, Heidelberg, d. h. die Neckargegend, sowie der Landestheil zwischen Pfinz und Kinzig; die obstärmsten Villingen, Waldshut, Konstanz, also die hochgelegenen Gegenden des Schwarzwaldes und des Donau⸗ gebiets. Bezirksweise zeigen sich die mannigfaltigsten Abstufungen. Relativ am ärmsten dürfte der Amtsbezirk Neustadt mit Obstbäumen ausgestattet sein (2,5 Obstbäume auf 1 ha Acker⸗ und Gartenfläche), relativ am reichsten der Amtsbezirk Wolfach (39 Obstbäume auf 1 ha Acker ꝛc.). 8

Zunahme der Ziegenhaltung an sich nicht als ein Zeichen besonderer

im Gouvernement Petrikau ausgebrochenen Rinderpest

Die Zahl der Pferde hat sich im letzten Dezennium langsam vermindert. Sie betrug im Jahre 1869 71 807, 1871 68 319, 1875 67 310, 1880 65 048, 1881 64 446. Diese Verminderung be⸗ ruht aber nicht etwa auf einem Rückgang der Pferdezucht, denn die Zahl der nachgezogenen (ein⸗, zwei⸗ und dreijährigen) Fohlen ist in der⸗ selben Zeit beständig gestiegen; sie betrug 1871 7145, 1875 8160, 1880 8884, 1881 9177. Auf das Quadratkilometer (100 ha) kommen durch⸗ schnittlich 4,3 Pferde. Den relativ stärksten Pferdebestand hat der Kreis Mannheim mit 12 Pferden auf das Quadratkilometer, den relativ geringsten dagegen der Kreis Mosbach mit 2 Pferden auf das Quadratkilometer aufzuweisen. Die Zuchthengste be⸗ finden sich theils in der Hand einzelner Landmwirthe, theils werden sie von Pferdezucht⸗Vereinen oder Gemeinden gehalten. Der bedeutendste dieser Vereine befindet sich in Karlsruhe, der mit seinen Hengsten die Pferdezucht⸗Bezirke des Riedes, des Hanauerlandes und der Haardt versieht. Der weitaus größte Theil der Hengste ist aus Staatsmitteln angekauft und den Privaten und Vereinen gegen Ersatz eines Theils der Ankaufskosten überlassen worden; daneben werden

uttergelder verwilligt. Der Werth der im Großberzogthum befind⸗ lichen Pferde kann bei einem Durchschnittswerth des einzelnen Pferdes von 550 zu 35 36 Millionen Mark angenommen werden. Der Rindviehbestand zeigt in den letzten 10 Jahren große Schwankungen. Es wurden gezählt: 1871 579 608, 1872 621 888, 1873 660 405, 1874 654 946, 1875 626 026, 1876 568 046, 1877 590 158, 1878 648 732, 1879 665 279, im Jahr 1880 (Zählung vom 30. November) ist die Zahl von 630 480, im Jahr 1881 die Zahl von 597 351 ermittelt worden; der Zunahme des Viehstandes seit 1876 bis 1879 um 97 233 Stück ist Also wieder eine Abnahme um 68 926 Stück gefolgt, so daß das Jahr 1881 hinter dem zehnjährigen Durchschnitt (1870/79) um etwa 34 000 Stück zurückbleibt. Neben der günstigeren oder minder günstigeren Lage des Viehhandels und der durch denselben bedingten Preiskonjunkturen sind es vornehmlich die jeweiligen Ergebnisse der Futterernte (an Heu, DOehmd und Grünfutter), welche ihren Einfluß auf den Umfang der Viehhaltung geltend machen und die Schwankungen in der Größe der letzteren beeinflussen, Die Skala der Schlachtviehpreise des letzten Jahrzehnts zeigt analoge Schwankungen, z. B. bei Ochsen ein Steigen der Preise von 58 für den Centner im Jahre 1871 auf 74 im Jahre 1873; gute Futterjahre und lebhafte Nachfrage nach Fleisch bei günstiger wirthschaftlicher Lage fielen hier zusammen. In den Jahren 1875 und 1876 sinken die Durchschnittspreise per Centner auf 60 her⸗ unter, um sich in den Jahren 1877 und 1878 wieder auf 70 zu heben; das Jahr 1879 und die folgenden Jahre bringen wieder sinkende Preise, wobei die Wirkung der minder günstigen Futterernte durch eine Stockung des Viehhandels auf dem füddeutschen Markt noch verschärft wurde. Die Skala der Schlacht⸗ viehpreise für Schmalvieh verläuft in ähnlicher Weise. Im Jahre 1881 wurden ermittelt: Sprungfarren 5230, Kühe und sprungfähige Kalbinnen 384 233, Ochsen über 1 ½ Jabre 55 116, Thiere unter 1 ¼ Jahr 152 772, zusammen 597 351. Auf das Quadratkilometer (100 ha) kommen Ende 1881 39,8 Rindviehstücke. Am dichtesten ist der Viehstand in den Kreisen Lörrach und Heidelberg (46 und 45 auf das Quadratkilometer), am wenigsten dicht in den Kreisen Mosbach und Villingen mit 37 auf das Quadratkilometer. Etwa die Hälfte der vorhandenen Kühe (178 201) wird als Gespannvieh benutzt, in einzelnen Landestheilen, namentlich da, wo der Kleinbesitz überwiegt (Kreise Mosbach und Heidelberg) steigt diese Zahl bis auf 80 %. Das jährliche Milcherzeugniß kann zu 460— 480 Millionen Liter mit einem Werth von rund 30 Millionen Mark veranschlagt werden. Durchschnittlich 209 000 Stück werden alljährlich in den Schlächtereien ausgeschlachtet. Bei der Anvahme, daß das aus⸗ geführte und das in das Land eingeführte Schlachtvieh annähernd sich kompensiren wird, berechnet sich daher das jährliche Erträgniß von Fleisch aus der Rindviehhaltung (beim durchschnittlichen Werth eines Schlachtrindviehstückes von 175 ℳ) zu etwa 37 Millionen Mark. Die Einnahmen aus der Rindviehhaltung sind mithin sehr beträcht⸗ liche und der Geldwerth derselben (60 70 Mill. Mark) kommt etwa dem vierten Theil des Werths der Gesammternte des Großherzog⸗ thums gleich. Der Gesammtwerth des Rindviehbestandes Ende 1881 ist zu rund 120 000 000 anzunehmen. Unter den badischen Vieh⸗ schlägen nimmt, wie der Bericht hervorhebt, die hervorragendste Stellung das Meßkircher Vieh (gelb⸗ oder rothscheckig) ein, das sich im Amtsbezirk Meßkirch und Umgebung findet und durch planmäßige Züchtung mit guten Vaterthieren aus dem Simmenthal allmählich zu einem konstanten, durch Mastfähigkeit und Milchergiebigkeit sich auszeichnenden Schlag entwickelt habe. Wege der kräftigen Ent⸗ wickelung des Skelets und der Muskulatur, insbesondere auch wegen der guten Gliedmaßenstellung liefere dieser Schlag nebenbei vorzüg⸗ liche Arbeitsthiere. Eben wegen dieser Eigenschaften erfreue sich das Meßkircher Vieh auch außerhalb Badens eines bedeutenden Rufs und die Ausfuhr von Zuchtthieren, insbesondere nach Norddeutschland habe in den letzten Jahren beständig an Ausdehnung gewonnen. Eigentliche Schafzucht wird vornehmlich nur in der Baar und im südlichen und nördlichen Hügelland betrieben, in den übrigen Landes⸗ theilen überwiegt die Schafbaltung ohne Zucht. Viele Heerden ziehen durch das Land, um die Weiden zu benützen und hierauf als Schlachtoieh ausgeführt zu werden. Ein Theil der Schafe wird jährlich aus den Nachbarländern (Bayern und Württemberg) jung eingeführt. Das Schaf ist ein mittelgroßes Fleischschaf mit ziemlich grober Wolle. Auf das Quadratkilomter kommen im Durchschnitt Ende 1881: 8 Schafe; am höchsten stehen die Kreise Mosbach und Heidelberg mit 25 und bezw. 18 Schafen auf das Quadratkilometer; am niedrigsten der Kreis Baden mit 0,5 Schafen auf das Quadrat⸗ kilometer. Die Zahl der Schweine ist in den einzelnen Jahrgängen je nach dem Ausfall der Kartoffelernte und der wirthschaftlichen Lage, welche zur mehr oder minder raschen Leerung der Ställe Ver⸗ anlassung giebt, eine schwankende und beziffert sich beispielsweise 1870 auf 384 552, 1875 auf 344 326, 1880 auf 299 125, 1881 auf 363 949. Unter den im letzten Jahr gezählten Schweinen befinden sich Zucht⸗ eber 1973, Mutterschweine 31 691, Mastschweine 51 107, Ferkel und Schweine bis zu einem Jahr 289 178. Die Schweinezucht steht hinter der Schweinehaltung zurück und ist am stärksten in den Kreisen Freiburg, Offenburg und Karlsruhe vertreten. Das Landschwein, ein hochbeiniges und flachrippiges Thier, wird mehr und mehr durch Kreuzung mit englischen und norddeutschen Ebern zu ver⸗ edeln gesucht und verwerthet dann wesentlich besser das Futter, wäh⸗ rend mit der Veredelung die Fruchtbarkeit eine geringere zu werden pflegt, und der Weidegang der veredelten Thiere wegen ihrer Schwere häufig nicht mehr möglich ist; auch erfordern dieselben in Wartung und Pflege größere Sorgfalt. Wo der Weidegang der Schweine eine Rolle spielt, kann daher die Veredelung des Land⸗ schweins nur langsame Fortschritte machen. Auf das Quadrat⸗ kilometer kommen durchschnittlich etwa 24 Sczweine, welche sich ziemlich gleichmäßig über das Land verbreiten. Die Anzahl der Ziegen hat seit Anfangs der Siebenziger Jahre eine nicht unerhebliche Vermehrung gefunden: sie betrug im Jahr 1870 60 471, 1875 82 661, 1880 91 612, 1881 92 094. Die Ziege ist das Hausthier des kleinen Mannes, der landwirthschaftlichen Tage⸗ löhner, der Fabrikarbeiter, kleiner Gewerbetreibender auf dem Lande; auch minderbegüterte Landwirthe, welche Gelegenheit haben, die Kuh⸗ milch anderweit zu verwerthen sei es durch Verbutterung oder Verkauf der Milch in der Stadt pflegen nicht selten zur Deckung des eigenen Bedarfs an Milch neben den Kühen einige Ziegen zu halten. Bei dieser Sachlage brauche, so bemerkt der Bericht, die

Ungunst der Verhältnisse angesehen zu werden.

8

Veterinärwesen.

Amtlichen Nachrichten zufolge sind folgende Ortschaften 88 27

vergl.

„K.⸗A.“ Nr. 84 vom 10. April cr.) betroffen: im Kreise Petrikau

die Ortschaften Maidany und Gonski, im Kreise Lodz die Ortschaften b zuta⸗Wiskitska und Grodiisko.

8₰

Dresden, 12. April. (W. T. B.) Haute wurden Konferenzen von Vertretern der deutschen und öster⸗ in der

reichisch⸗ungarischen Eisenbahnverwaltungen

Güter⸗Instradirungs⸗Angelegenheit fortgesetzt. jenigen Instradirungsfragen ihre Erledigung,

Eisenbahnverkehr berathen.

Bremen, 13. April. (W. T. B.) Der Dampfer des Nord⸗ 1 5 Teneriff a passirt, der Dampfer des Norddeuschen Llopd „General Werder“ ist am 8. d. M. in Montevideo eingetroffen.

9 1 Der Lloyddampfer „Aurora“ ist heute Abend aus Konstantinopel hier eingetroffen.

deutschen Lloyd „Hannover“ hat am 5.

Triest, 12. April. (W. T. B.)

d. M.

8

Es fanden heute die⸗ 1 an welcher die säch⸗ sischen Staatsbahnen interessirt sind. In einer gestern stattgehabten Vorkonferenz wurden die neuen Statuten für den deutsch⸗ungarischen

b 6 Berlin, 13. April 18838.

Berliner Sport⸗Saison nimmt am künfti

tag ihren Anfang.

die

Der „Verein für Hindernißrennen“ wird den Reigen auf der Rennbahn zu Hoppegarten eröffnen und sein Früh⸗ jahrs⸗Meeting an den Tagen des 15. und 22. April abhalten, wäh⸗

rend das Frühjahrs⸗Meeting des Unionklubs am 29. April beginnt

und dann am 6., 14. und 27. Mai weiter abgehalten werden wird. Am künftigen Sonntag werden die Rennen um 1 ½ Uhr Nachmittags Es werden 4 Konkurrenzen gelaufen werden,

ihren Anfang nehmen.

welche fämmtlich gut besetzt sind und das lebhafteste Interesse beim

Publikum hervorrufen dürften.

Das Eröffnungsrennen, welches um 1 ½ Uhr um den Preis von

700 gelaufen werden wird, ist ein Hürdenrennen auf 2000 m

Distanz (für Jockeys), zu dem 13 Pferde angemeldet sind. Zu dem

hieran sich anschließenden Offizier⸗Jagdrennen um den Preis von 700 bei einer Distanz von 3000 m sind 15 Pferde angemel⸗ det, während zu dem Verkaufs⸗Jagdrennen um den Preis von 600 auf die gleiche Distanz zu welchem die Anmeldungen noch offen sind bis jetzt 5 Pferde genannt sind. Den Schluß des ürdenrennen Distanz - P Es steht somit ein überaus interessanter Eröffnungstag den Sportliebhabern in Aus⸗ sicht, der sie für einige Stunden des Nachmittags angenehm unter⸗

Tages bildet um 3 Uhr ein Versuchs⸗H. für Herren um den Preis von 700 auf von 2000 m, zu welchem 15 Pferde angemeldet sind.

halten dürfte. Zu den Rennen werden am Sonntag

12 Uhr 24 Minuten eintrifft.

um 5 Uhr in der Stadt wieder angelangt sein können.

Bordeaux, 12. April, Abends 10 ½ Uhr. (W. T. B.) Das eine

hiesige militärische Proviantgebäude wurde Feuersbrunst,

vorräthen ein Raub der Flammen.

13. April. (W. T. B.) Der durch

einer

durch b die heute Abend 6 Uhr ausbrach und deren Ent⸗ stehungsursache noch unbekannt ist, vollständig in Asche gelegt und eine sehr große Menge von Lebensmitteln sowie militärischen Proviant⸗ Der Brand dauert noch feer 8

ran

den

n zwei Extrazüge vom Bahnhof Charlottenburg abgelassen, von denen der erste auf dem Bahnhof Friedrichstraße um 11 Uhr 48 Minuten, der zweite um Die Rückfahrt erfolgt um 3 Uhr 45 Min. bezw. 4 Uhr 5 Min., so daß auch die letzten Theilnehmer

des militäris chen Proviantgebäudes angerichtete Schaden wird auf

eine Million Francs geschätzt, ungerechnet die Beschädigungen, die das in den beiden obersten Stockwerken verbrannte Gebäude erlitten hat. Die Flammen brachen so daß auf

Personen sind nicht zu Schaden gekommen. gleichzeitig an zwei entgegengesetzten Stellen hervor, Brandstiftung geschlossen wird.

Im

Fabian gestern Abend ein Concert, in

solche moderne Piecen zum Vortrag, welche ihm Gelegenheit gaben seine technische Fertigkeit, seine virtuose Behandlung seines

ments zu zeigen. des Künstlers unbedingte Anerkennung; findet bei Hrn. Fabian

volle Würdigung; es fehlt dung. Das Publikum zeichnete nach der Chopinschen Povonaise und Elfenreigen von Mendelssohn durch reichen Beifall aus.

zuweilen an Wärme den Künstler und dem

die musikalische Seite des

In dieser Beziehung verdient denn auch das aber nicht in gleichem Maße Vortrag

und Empfin ganz besonder Hochzeitsmarsch Liszt

(in der Bearbeitung von L mit feinem

Frl. Anna Driese beschränkte

Instru Spiel

Takt ihre gesanglichen Vorträge auf Werke unserer beliebtesten Lieder

komponisten; einem abgerundeten schönen Ganzen. zwei Lieder:

Am Sonntag giebt das Philharmonische Orchester unte

Musikdirektor Prof. Ludwig von Brenner’s Leitung im Kroll 1 . rt. Die Herre (Flöte), Hekking (Cello) und Baudot (Violine) werden

Saale sein erstes Sonntags⸗Concert.

vortragen. Diese Concerte beginnen um 6 Uhr. findet nur an der Abendkasse statt. Eintrittspreis großen populären Concerte, unter Leitung von worth, beginnen am 19. d. M.

Literarische Neuigkeiten und periodische Schriften⸗ Inhalt: Maßstab. Berliner Wandlungen (Fort⸗

Politische Gesellschaftsblätter. 26. Heft. Volksvertretung. Die Grundsteuer als Abschätzungs⸗ Der Nordamerikaner Charakter. I. setzung). Vermischtes. Cdrrespondenz.

Die Vivisektions⸗Gaukler. Wien, 1883. Im Selbstverlage des Verfassers.

Gutachten über die Strafbestimmung in

des Reichs⸗Strafgesetzbuches in ihrer Anwendung Dresden, R. v. Zahns Verlag. 1883. Monatsschrift für das Turnwesen, mit besonderer Be⸗ Schulturnens und der Gesundheitspflege. Prof. Dr. C. Euler, Unterrichts⸗Dirigent, Eckler, Oberlehrer der Königlichen Turnlehrer⸗Bildungs Berlin. R. Gärtners Verlagsbuchhandlung (Hermann

Abhandlungen: Von Oberlehrer Dr. C. Lampe⸗Ohlau. ihre Verwendung beim Mädchenturnen. Die Heizanlage der städtischen Tafel.)

Hagelberg.

die Vivisektion.

rücksichtigung des ausgegeben von

II. Jahrgang. Heft 4. Inkhalt: Gymnasial⸗Rudervereine. Die Mennett⸗Geschritte und

Von A. Hermann⸗Braunschweig.

Turnhalle in Ansbach. Von G. Eckler. (Hierzu eine lith. Von P.

Einiges aus dem Schulturnen in Harburg. (Fortsetzung.) Vermischtes.

Von Adolf Gra

§. 360 Nr. 13 auf

che n Andersen Solostücke Der Billetverkauf 75 ₰. Die Prof. Klind

Redacteur: Riedel.

Verlag der Erpedition (Kessel). Druck: W. Els

Fünf Beilagen (einsch ießlich Börsen⸗Beilage).

Saale der Sing⸗Akademie gab Hr. S. Monroe welchem neben dem Concertgeber das beliebte Mitglied unserer Königlichen Hofoper, Frl.

Anna Driese, künstlerisch mitwirkte. Hr. Fabian, der als tüchtiger Pianist bereits bekannt ist, brachte mit Umgehung unserer klassischen Musik

der helle, volltönende Wohllaut ihrer Stimme ver⸗ schmolz mit der Gefühlsinnigkeit und der launigen Vortragsweise zu Stürmischer Beifall war der Lohn für ihre anmuthigen Leistungen und veranlaßte die Sängerin, „Im Volkston“, von Hans Schmidt, und das bekannt Taubertsche Lied: „Der Vogel im Walde“ da capo zu singen.

Her⸗ und Gebh. anstalt in Heyfelder). Für

ner.

8

Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußisch

.““ Erste

Berlin, Freitag, den 13. April

Anzeiger.

Aiichtamtliches.

Preußen. Berlin, 13. April. Im weiteren Ver⸗ laufe der gestrigen (64.) Sitzung des Reichstags wurde die zweite Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung auf Grund der Berichte der VI. Kommission (Art. 5 § 42) fortgesetzt. 8. 42 lautet nach der Fassung der Kommission:

er zum selbständigen Betriebe eines stehenden Gewerbes be⸗ fugt ist, darf dasselbe innerhalb und unbeschadet der Bestimmungen des dritten Titels auch außerhalb des Gemeindebezirks seiner ge⸗ werblichen Niederlassung ausüben.

Eine gewerbliche Niederlassung gilt nicht als vorhanden, wenn der Gewerbetreibende im Inlande ein zu dauerndem Gebrauche eingerichtetes, beständig oder doch in regelmäßiger Wiederkehr von ihm benutztes Lokal für den Betrieb seines Gewerbes nicht besitzt.

Hierzu hatten die Abgg. Dr. Baumbach und Genossen folgenden Antrag gestellt:

Der Reichstag wolle beschließen:

Zu Art 5 §. 42.

a. Die erste Zeile des ersten Absatzes wie folgt zu fassen:

„Wer ein stehendes Gewerbe betreibt, darf u. s. w.“;

d. den zweiten Absatz zu streichen.

Der Abg. Richter (Hagen) bemerkte, worin ein Gewerbe⸗ betrieb bestehen müsse, sei der Entscheidung des Richters zu

Kberlassen. Das Kriterium im zweiten Absatz sei von zweifel⸗ haftem Werth, denn es gebe viele Gewerbe, bei denen das Lokal mit der Wohnung zusammenfalle.

Der Abg. Ackermann entgegnete, die Schädlichkeit der Wanderlager werde allgemein anerkannt. Eine Besteuerung derselben allein reiche nicht aus, denn die Steuer müßte so hoch sein, daß sie für den Inhaber des Wanderlagers uner⸗ schwinglich wäre, um von Erfolg zu sein. So bleibe nichts anderes übrig, als die Wanderlager wenigstens in die Kate⸗ gorie der Gewerbe einzureihen, in welche sie ihrer Natur nach gehörten, und das geschehe in diesem Artikel. Er bitte, denselben anzunehmen.

Der Abg. Richter (Hagen) erklärte, die Wanderlager soll⸗ ten nur gestattet sein, wenn ein stehender Gewerbebetrieb da⸗ mit verbunden sei. Dieser Zweck werde aber durch das Kri⸗ terium im §. 42 nicht erreicht, denn die Bezeichnung „Lokal“ sei eine zu weite. Die Thatsache des Betriebs müsse vom Richter geprüft werden. Es sei noch nie geglückt, für den Begriff „Niederlassung“ oder „Betrieb“ bestimmte Kriterien zu finden.

Der Kommissar zum Bundesrath, Geheime Regierungs⸗ Rath Bödiker erwiderte, die Motive erörterten, weswegen man es für erforderlich gehalten habe, wenigstens ein Kri⸗ terium zur Unterscheidung des stehenden Gewerbebetriebes vom Gewerbebetriebe im Umherziehen aufzunehmen. Eine

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scharfe Unterscheidung sei ja nicht möglich, aber man könne eeiner Abgrenzung doch wenigstens nahe kommen, und habe dann eeinen gewissen Anhalt. Eine Anpassung an die thatsächlichen Verhältnisse sei allerdings immer noch nothwendig, aber der Abg. Richter werde doch nicht behuupten wollen, daß mit dem Nichts, welches derselbe wolle, mehr anzufangen sei, als mit dem Etwas der Vorlage. Der Abg. Richter sage, die Bestimmung treffe nicht Alles. Es dienten aber die weiteren Bestimmungen in den §§. 44 und folg. und §. 55 zusammen mit diesem Pa⸗ ragraphen dem Zweck, etwas mehr Licht in die außerordent⸗ liche Dunkelheit bezüglich der stehenden und Hausirgewerbe zu bringen. Es bildeten diese Paragraphen ein wohldurchdachtes Ganzes. Er bitte deshalb, den Absatz 2 anzunehmen. Was die im Antrag Baumbach vorgeschlagene redaktionelle Aenderung tbe effe⸗ so werde dieselbe von der Reichsregierung aus nicht bekümpft.

Der Abg. von Kleist⸗Retzow schloß sich den Ausführungen

Bundeskommissars vollständig an.

Der Abg. Richter (Hagen) erklärte, man brauche kein be⸗

mtes Kriterium, wenn dasselbe vom Richter entschieden

In §. 44 heiße es ja auch einfach: Wer ein Gewerbe ibe. Das genüge auch hier.

Der Abg. Dr. Blum plaidirte in demselben Sinne und glaubhte, daß die Hausindustrie unter diesen Paragraphen fallen werde.

er Abg. Büchtemann bemerkte, durch die neue Gesetz⸗ gebungsz sei der Wanderlagerbetrieb so getroffen, daß ein Miß⸗ brauchf desselben nicht mehr zu befürchten sei.

Der Bundeskommissar Geh. Regierungs⸗Rath Bödiker

e, die Interpretation des Abg. Blum, daß die Haus⸗

unter diesen Paragraphen falle, treffe nur insoweit

ie Hausindustrie unter Umständen ein gewisses Lokal

Hihre Geschäfte betrieben würden. Daß aber nun ein

ndustrieller darum, unbeschadet aller anderen Bestim⸗

es Gesetzes, mit seinen selbsterzeugten Waaren hau⸗

‚treffe nicht zu. Diese Hausindustrie, soweit sie

Hause herausgehe, unterliege dem §. 59 über das

. 1 Es handele sich hier nur um die Fälle, wo nicht

Seitens desr Behörde ein stehender Gewerbebetrieb angenom⸗

men werdent solle, wenn Jemand 3—6 Tage oder noch länger

an einem Oerte als Wanderlagerbesitzer u. s. w. sich etablirt

Die Söteuergesetze hätten ja schon ausgeholfen. Aber

als die Steuenrgesetzgebung preußischerseits berathen sei, sei

von den Freumaden des Vorredners gesagt: die Steuergesetze

sollten hier eintüöxeten? Er verneine dies; denn wenn Mißstände

und Auswüchse beirn Wandergewerbebetrieb zu befürchten seien,

so würde man beim „Neichstag eine Verschärfung beantragen.

Das geschehe nun, un d nun sollten wieder die Steuergesetze

herhalten! Allerdings ho übe zum Theil die Wanderlagersteuer

eine Verminderung des „Betriebes dieser Art herbeigeführt,

allein nicht in dem Maßeh. wie der Abg. Büchtemann zu

meinen scheine. Die Wand herlagersteuer in Preußen habe

1880 81 rund 36 000 betrchegen, im Jahre darauf 30 000

den Berliner Beispiel spreche übicht für den Abg. Richter; in Berlin sei es um 50 Proz. gestiegsseen. .

Der Abg. Ncchor a8— egm iderte, es werde ihm doch

schwer, ernsthaft auf die letzte Bemertnzung zu antworten. Wenn

in einem Jahre in Berlin aus der BWanderlagersteuer 100

eingegangen seien, weil vielleicht ein Wankegerlager zwei Wochenhin⸗

durch betrieben sei, imanderen Jahre 150 99ℳ, weil es drei oder vier

Wochen in der Millionenstadt betrieben sei, vann sage der Bundes⸗

kommissar, wie man sehe, habe der Wanderlagerbetrieb um 50 Proz. zugenommen. Wenn alle übrigen Argumentationen für die Gewerbeordnung und die Regierungsvorlage ebenfalls so schwach seien wie diese, dann sehe man, mit welcher Sach⸗ kenntniß diese Dinge vor dem Hause vertreten würden. Ein Wanderlagerbetrieb sei in gewissen Kreisen ebenso möglich nach der Kommissionsvorlage, als nach dem Antrage der Fort⸗ schrittspartei. Ein kleiner Schneider z. B., der allein arbeite, und auf dem Lande umherziehe, und auch ein Bischen Geschäfte mache, falle nicht unter §. 59, denn ein Produkt des Garten⸗ und Obstbaues, des Wochen⸗ marktverkehrs sei seine Waare nicht. Nun verlange man in diesem Paragraphen, der Schneider solle ein zum dauernden Ge⸗ brauche eingerichtetes Lokal für seinen Gewerbebetrieb haben. Worin unterscheide sich aber eine solche kleine Schneiderwerk⸗ stätte von den übrigen Wohnzimmern? Entweder solle der zweite Absatz nur noch von Wohnungen sprechen, dann sei gar keine Schranke vorhanden, denn der Wanderlagerinhaber müsse doch irgendwo wohnen, solle es aber mehr sein, dann sei es unter Umständen eine lästige Beschränkung.

Der Bundeskommissar betonte, es sei nicht anzunehmen, daß nach der Streichung des Alinea 3 irgend welche materielle Aenderungen der Rechte der Hausirer, der Handwerker, der Hausindustriellen eintreten würden. Alinea 2 ent⸗ halte nur eine gewisse Interpretation und einen Anhalt für die Behörden, die diesen Paragraphen auszuführen hätten. Wenn z. B. ein Schneider den Markt mit Waaren beziehe, die nicht zu den Gegenständen des Wochenmarktes gehörten, werde derselbe, wenn nicht §. 59 auf ihn Anwendung finde, dem §. 55 unterliegen, auch wenn derselbe einen offenen Laden habe. Es werde also durch die vorgeschlagene Streichung materiell nichts gewonnen. Dann 85 der Vorredner aus den von ihm mitgetheilten thatsäch⸗ ichen Verhältnissen den Schluß gezogen, wenn überall mit solchen Gründen die Vorlage verfochten würde, wie er sie vorgebracht habe, so seien diese Gründe sehr schwache. Es habe sich dabei natürlich seinerseits nur um Scherz gehandelt, die Steuer sei heruntergegangen von 36 000 auf 30 000 ℳ, und das sei eine Thatsache, aus der die Herren Schlüsse ziehen könnten; aber aus scherzweis vorgebrachten Bemerkungen Schlüsse zu ziehen, halte er nicht für berechtigt. Der Vor⸗ redner habe es wohlweislich übergangen, dem prinzipiellen Gegensatze, dem die preußische Regierung am Dönhofsplatz und hier von Seiten der Freunde des Vorredners begegnet sei, näher zu treten. Er nehme überhaupt Veranlassung gegenüber dieser Manier, den Vertretern der verbündeten Regierungen gegen⸗ über aufzutreten, zu protestiren. Die Erklärungen des Re⸗ gierungskommissars sollten völlig gleichgültig, und für das nt ohne Werth sein. Wozu würden dann überhaupt noch

aklärungen verlangt, und wozu sollten solche diesseits abge⸗ geben werden? Weitere Fälle ähnlicher Art vorzutragen, könne er sich wohl ersparen. Im Uebrigen glaube er, daß er sachlich von dem Vorredner in keiner Weise widerlegt worden sei.

Der Abg. Richter (Hagen) erklärte, der Abg. Baumbach habe gesagt, derselbe lege auf die Erläuterungen des Kom⸗ missars einen gewissen Werth, aber er bitte das Haus prinzipaliter die Sache abzulehnen, da die Gerichte habe ein anderer Redner hinzugefügt, an die einseitige Erklärung eines Regierungskommissars über Auslegung eines Gesetzes gar nicht gebunden seien. Daraus suche der Kommissar einen Widerspruch der Redner herzuleiten. Er könne sich das nur daraus erklären, daß dem Kommissar in solchen Diskussionen noch die nöthige Uebung fehle, um überhaupt diese Unterschiede zu würdigen. Jedenfalls sei das keine geeignete Manier, wie man sachlich diese Dinge behandele.

Der Präsident von Levetzow erklärte, es sei nicht Sache des einzelnen Redners, zu entscheiden, ob die Manier, wie ein anderer Redner eine Sache behandele, geeignet sei.

Der Abg. Richter (fortfahrend): Er habe den Ausdruck nur gebraucht, weil der Kommissar in derselben Weise vor⸗ gegangen sei, und der Präsident keine Veranlassung gefunden habe, diesen Ausdruck zu rügen, und er werde jedesmal, wenn ein Regierungskommissar derartige Wendungen mache, durch Wiederholung derselben dem Herrn das Abschreckende solchen Gebrauchs klar machen.

Der Präsident von Levetzow bemerkte, der Kommissar habe nicht gesagt, daß irgend ein Abgeordneter in nicht geeigneter Manier gesprochen habe.

Der Abg. Richter (fortfahrend): Genau in der Art, wie der Kommissar das Wort gebraucht habe, sage er auch: das sei nicht die Manier, die Debatten in dieser Weise sachlich zu behandeln. Uebrigens sei es ein gewisser Unterschied, ob ein Abgeordneter spreche, oder ein Regierungskommissar. Ein Ab⸗ geordneter spreche seine eigene Meinung aus, ein Kommissar sei nur das Sprachrohr seiner vorgesetzten Behörde. Ob ein Geheimer Rath hier seine eigene Meinung ausspreche, oder ob derselbe gerade mit der entgegengesetzten Meinung überein⸗ stimme, die derselbe bekämpfe, wisse er nicht. Der Kommissar müsse einfach sagen, was ihm vom Reichskanzler aufgetragen sei. Der Kommissar habe mit großer Emphase gesagt: ja die Wanderlager hätten abgenommen im Verhältniß von 36 000 zu 30 000 Steuerertrag, in Berlin aber hätten sie um 50 Proz. zugenommen. Nun solle es auf einmal ein Scherz gewesen sein. Vielleicht sei Manches Scherz gewesen in früheren Reden, die Mehrheit habe es nur nicht gemerkt, und in Folge solcher Scherze sich verführen lassen, mit so kleiner Mehrheit so tief einschneidende Bestimmungen für das Ge⸗ werbe anzunehmen. Der Kommissar sage nun, es komme hier §. 55 in Betracht, danach sei der Schneider ein Hausirer, wenn derselbe fertige Röcke und Hosen anbiete, aber nicht, wenn derselbe bei den Landwirthen arbeite.

Der Abg. Frhr. von Minnigerode erklärte, in den Wor⸗ ten des Abg. Richter liege etwas Herabsetzendes für den Kom⸗ missar. Ein Regierungskommissar äußere hier nicht seine eigene Meinung, sondern vertrete den Bundesrath, die ver⸗ büͤndeten Regierungen, und derselbe habe genügende Achtung von jedem Mitgliede dieses Hauses zu verlangen. Der ein⸗ zelne Abgeordnete bilde nur einen Stein zur Majorität dieses

Hauses, der Kommissar vertrete den Bundesrath als einen maßgebenden Faktor.

Der Bundeskommissar entgegnete, von seinem Stand⸗ punkt aus könne er nur erklären, daß er die Rechte der Kom⸗ missarien des Bundesraths hier gegenüber den Ausführungen des Abg. Richter in jeder Weise wahre, und durch diese Aus⸗ führungen durchaus nicht geschmälert wissen wolle. Daß hier eine scherzhafte Begründung vorgebracht werde, könne er nicht anerkennen. Der Abgeordnete werde zu unterscheiden wissen, ob man mit voller Ueberzeugung und sachlichen Gründen eine Sache vertheidige, oder die verschiedenen Positionen der Herren bekämpfe. Die Kommissare müßten in der Regel gegen zwei Fronten vorgehen. Der Abg. Baumbach z. B. wünsche eine Wiederholung der von dem Regierungskommissar in der Kom⸗ mission abgegebenen Erklärungen, damit diese Interpretation als diejenige der verbündeten Regierungen festgestellt würde. Unmittelbar nachdem er diesen Wunsch erfülle, habe nun sein Nachredner, in Bezug auf ein minimales Faktum, das als Argument gegen die Vorlage angewendet werde, eine scherz⸗ hafte Wendung gebraucht. Es bestehe gar keine Beziehung zwischen diesen 150 und den sachlichen Ausführungen, die im Uebrigen von diesem Tische aus zur Vertheidigung der Vorlagen Seitens der Herren, die die Ehre haben, Namens des Bundesraths dieselben zu vertheidigen, hier vorgebracht würden.

Der Abg. Richter (Hagen) erklärte, die Stellung des Regierungskommissars sei eine so durchaus abhängige, nament⸗ lich unter der heutigen Regierung, daß es Niemandem ein⸗ fallen könne, die Rechte der Regierungskommissare noch weiter schmälern zu wollen. Der sachlichen Ausführung der Kom⸗ missare gönne er ja das volle Gewicht als einer Ansicht des Bundesraths. Wenn aber daneben die eigene Person des Kommissars in persönlichen Wendungen in den Vordergrund trete, dann sei es allerdings angezeigt, darauf hinzuweisen, daß die Herren als Personen, als Geheimer Rath Bödiker, gar nicht hier in Frage kämen, sondern nur als Beauftragte der Regterung. Sachlich möchten die Dinge gewogen werden, dazu habe man Parlamente, um nicht Autoritäten entscheiden zu lassen, sondern was eine Meinung einer anderen gegenüber sachlich mehr werth sei, das solle hier erwogen werden.

§. 42 wurde unter Ablehnung der Anträge des Abg. Dr. Baumbach nach dem Kommissionsbeschlusse angenommen.

„§. 42a, wurde ohne Debatte unverändert nach dem Kom⸗ missionsvorschlage genehmigt.

§. 42b. lautet nach den Kommissionsvorschlägen:

„Durch die böhere Verwaltungsbehörde kann auf Grund eines Gemeindebeschlusses für einzelne Gemeinden bestimmt werden, daß Personen, welche in dem Gemeindebezirke einen Wohnsitz oder eine gewerbliche Niederlassung besitzen und welche innerhalb des Gemeinde⸗ bezirks auf öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder an anderen öffentlichen Orten oder ohne vorgängige Bestellung von Haus zu Haus

1) Waaren feilbieten, oder

2) Waaren bei anderen Personen als bei Kaufleuten oder solchen Personen, welche die Waaren produziren, oder an anderen Orten, als in offenen Verkaufsstellen zum Wiederverkauf ankaufen, oder Waarenbestellungen bei Personen, in deren Gewerbebetriebe Waaren der angebotenen Art keine Verwendung finden, auf⸗ suchen, oder

3) gewerbliche Leistungen, hinsichtlich deren dies nicht Landes⸗ gebrauch ist, anbieten wollen,

der Erlaubniß bedürfen. Die Bestimmung kann auf gewisse Kategorien von Waaren und Leistungen beschränkt werden.

Auf die Ertheilung, Versagung und Zurücknahme der Er⸗ laubniß finden die Vorschriften der §§. 57, 57 a., 57 b., 58 und 63 Absatz 1, und auf die Ausübung des Gewerbebetriebes die Vor⸗ schriften der §§. 60 b., 60 c., 60 d. Absatz 1 und 2, 63 Absatz 2 entsprechende Anwendung.

In Betreff der im §. 59 Ziffer 1 und 2 bezeichneten Erzeug⸗ nisse und Waaren, auch wenn dieselben nicht zu den selbstgewonnenen oder selbst verfertigten gehören, sowie in Betreff der vom Bundes⸗ rath in Gemäßheit des §. 44, Absatz 2 und 3 gestatteten Ausnah⸗ men darf der betreffende Gewerbebetrieb in dem Gemeindebezirke des Wohnsitzes oder der gewerblichen Niederlassung von einer Er⸗ laubniß nicht abhängig gemacht werden.“

Die Abgg. Dr. Baumbach und Gen. beantragten, in Abs. 3 auch die „Druckschriften, andere Schriften und Bild⸗ werke, insoweit der Gewerbebetrieb hiermit von Haus zu Haus stattfindet“, aufzunehmen.

Der Abg. Richter (Hagen) wies darauf hin, daß §. 42 b. die Preßfreiheit erheblich beeinträchtigen würde, wenn man das Amendement Baumbach nicht annehme. Man könne es doch nicht dem diskretionären Ermessen der Gemeindebehörden anheimstellen, ob und in wie weit sie den Verkauf und Ver⸗ trieb von Zeitungen und Broschüren und das Aufsuchen von Abonnenten am Orte gestatten wollten.

Der Abg. von Kleist⸗Retzow ersuchte um Ablehnung des Antrages Baumbach. Es erhelle nicht, warum man für den Verkehr mit Druckschriften eine Ausnahmebestimmung erlassen wolle. Von einem diskretionären Ermessen der Gemeinde⸗ behörden sei keine Rede, da ja die höhere Verwaltungsbehörde noch den betreffenden Gemeindebeschluß bestätigen müsse, ehe derselbe Geltung erlange.

Der Bundeskommissar, Geheime Regierungs⸗Rath Bödiker, bat gleichfalls, den Antrag Baumbach abzulehnen, da derselbe das Prinzip des Gesetzes durchbreche, insbesondere auch mit den allgemeinen Vorschriften der Vorlage über Kolportage im Widerspruch stehe.

Der Abg. Dr. Windthorst erklärte, er werde diesmal für den Antrag Baumbach stimmen, da die Magistrate der Ge⸗ meinden keine Garantie für unbefangene Beurtheilung der Frage wann die Konzession zu ertheilen oder zu ver⸗ sagen sei.

Der Abg. Büchtemann bemerkte, er werde überhaupt gegen das Prinzip des §. 42 b. stimmen. 3

Nach einigen weiteren Erörterungen wurde der Antrag

Dr. Baumbach und mit demselben §. 42 b. angenommen.

§. 43 lautet nach dem Kommissionsvorschlage: Auf die Ertheilung, Versagung und Zurücknahme der Erlaub⸗ niß finden die Vorschriften der §§. 57, 57 a., 57b., 58 und 63 Absatz 1 entsprechende Anwendung. Auf das bloße Anheften und Anschlagen findet der Versagungsgrund der abschreckenden Entstellung keine Anwendung.