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burtstag (24. d.) wieder einmal in Windsor feiern. Die Abreise nach Schottland soll am 25. d. erfolgen.
Aus der Kapstadt wird den „Daily News“ gemeldet: Ganz Südafrika und namentlich diese Kolonie haben unter der schwersten Handelskrise zu leiden, die jemals hier empfunden wurde. Man erwartet, daß die Staats⸗ einnahmen gegen den Voranschlag um 500 000 Pfd. Sterl. zurückbleiben werden — ein Ausfall, wie wir ihn seit 13 Jahren nicht zu verzeichnen hatten. — Im Basutolande haben am 11. ds. neue Kämpfe stattgefunden. Die Loyalen scheinen siegreich gewesen zu sein. Masupha soll seine Mannschaften aus dem Distrikt zurück⸗ gezogen haben, wo Jonathan seine Uebermacht erwiesen hat.
— 18. Mai. (W. T. B.) Der Herzog und die Her⸗ zogin von Edinburg und Lord Wolseley haben gestern Abend über Calais die Reise nach Rußland angetreten.
Dublin, 17. April. (W. T. B.) James Mullett, Edward MeCaffrey, Daniel Delaney, Edward O'Brien und William Mooney, welche sich der Mordverschwörung gegen Forster, Lord Spencer u. s. w. schuldig bekannten, wur⸗ den zu zehnjähriger, Thomas Doyle zu fünfjähriger Zwangsarbeit verurtheilt. Die Verhandlungen der für die Staatsprozesse eingesetzten Kommission sind damit beendet und die Jury entlassen worden.
— 18. Mai. (W. T. B.) Der wegen seiner Betheili⸗ gung am Phönixpark⸗Morde am 18. April zum Tode verurtheilte Curley ist heute früh 8 Uhr hingerichtet worden. Die Ruhe wurde nicht gestört.
Frankreich. Paris, 17. Mai. (W. T. B.) Von dem Deputirten Jules Roche wurde in der heutigen Sitzung der Deputirtenkammer der Bericht über die Vor⸗ lage, betreffend die Ermächtigung zur Abgabe von Gewehren für die Mission Brazzas, vorgelegt. — Saint⸗Aignan richtete eine Anfrage an die Regierung über ein bezüg⸗ lich der Sparkassen erlassenes Rundschreiben, das An⸗ griffe gegen die unabhängige Presse enthalte, und münschte zu wissen, welche Mittel die Präfekten anwenden würden, um den Zurückforderungen aus den Sparkassen ent⸗ gegenzutreten. Der Minister des Innern erwiderte: das erlassene Rundschreiben habe lediglich beruhigen sollen; die Präfekten seien aufgefordert worden, die Bevölkerung aufzuklären. Saint⸗Aignan konstatirte, daß in gewissen Departements Pressionsversuche gemacht worden seien; der Minister stellte jedoch alle Handlungen dieser Art in Ab⸗ rede. Der Finanz⸗Minister Tirard führte aus, daß die Intervention der Regierung weit mehr im Interesse der Sparkasseneinleger, als im Interesse des Staats⸗ schatzes erfolgt sei. Der Staat würde einen weit größeren Vortheil davon haben, wenn sich die bei den Sparkassen eingezahlten Beträge verringerten; der Staat würde leicht Geld zu 2 Proz. erhalten können, während er den Sparkasseneinlegern 4 Proz. bezahle. Die Regierung verwende die Sparkassenfonds, weil sie Gelder, für welche sie 4 Proz. zahle, nicht todt liegen lassen könne. Schließlich erklärte der Minister: die eingezahlten Gelder würden Jedem, der sie bei offener Kasse fordere, ausbezahlt werden; für die⸗ jenigen, die ihre Einlagen zurückgezahlt haben wollten, ständen, ungerechnet eine Reserve von 32 Millionen, bereits 123 Mil⸗ lionen zur Verfügung. Der von Saint⸗Aignan angeregte Zwischenfall fand damit seine Erledigung.
Italien. Rom, 17. Mai. (W. T. B.) Die Depu⸗ tirtenkammer setzte heute die Berathung der von Nico⸗ tera beantragten Tagesordnung fort. Der Minister des Auswärtigen, Mancini, legte dar, daß die wider das Kabinet erhobene Beschuldigung, daß dasselbe namentlich in den letzten zwei Jahren die liberalen Ideen seiner eigenen Partei ver⸗ lassen und nach den Grundsätzen der Gegenpartei regiert habe, unbegründet sei. Der Minister wies ferner den Vorwurf zurück, daß er, indem er sich dieser Politik des Kabinets angeschlossen, sich mit seiner Vergangenheit in Widerspruch gesetzt und die Prinzipien preisgegeben habe, welche ihn sonst geleitet hätten. Nachdem die revolutionäre Aera in Italien abgeschlossen sei, könnten Agitationen, welche gegen die von dem neuen Staate angenommene Staatsform gerichtet seien, nicht weiter geduldet werden. Kein anderes Land sei so frei und so glücklich in seiner Freiheit als Italien. Die Handlungen des Kabinets auf Grund deren man die Regierung beschuldige, daß sie in freiheitswidriger, ja sogar ungesetzlicher Weise vor⸗ gegangen sei, entsprächen durchaus den Landesgesetzen. Der Minister versicherte, daß auch nicht der Schatten einer Pression von Seiten des Auslandes auf die innere Politik Italiens ausgeübt worden sei. Wenn die Rechte das Kabinet unterstützen wolle, welches unverändert an den Prinzipien der vorhergehenden Jahre festhalte, so möge sie erklären, daß sie ihre patriotischen Befürchtungen betreffs der von der Regierung beobachteten Haltung aufgegeben habe und die Handlungen des Ministeriums billige. Zu seinen Freunden auf der Lin⸗ ken gewendet sagte der Minister: die Linke erkenne, indem sie die Politik des Ministeriums billige, an, daß die Regie⸗ rung dadurch, daß sie den Gesetzen und den inter⸗
nationalen Pflichten Achtung verschafft, das Vertrauen
und die Autorität der Partei und des Landes vermehrt habe.
Dem italienischen Volke endlich empfahl Maneini an: es möge
durch das Stimmrecht die Ansicht des Ministers bestätigen,
daß bei dieser Politik die Institutionen und Freiheiten des Landes wohl gewahrt worden seien; das italienische Volk möge den Verlockungen eines gewissen Sentimentalismus
Widerstand leisten, welcher den wahren Interessen der Nation keine Rechnung tragen würde. Auf die Rede Mancinis folgten noch einige persönliche Bemerkungen Bonghis und Portis; sodann wurde die Berathung auf morgen vertagt.
Türkei. Konstantinopel, 18. Mai. (W. T. B.)
Server Pascha ist als Vertreter des Sultans zur Krönung
nach Moskau abgereist.
Montenegro. Cettinje. Der „Polit. Corr.“ wird unter dem 10. d. M. von hier geschrieben:
„Daß Se. Hoheit Fürst Nikolaus auf der Reise zu den Krönungsseierlichkeiten in Moskau den Weg über Wien nimmt, geschieht in Ausführung eines seit Langem gehegten Wunsches des Fürsten, wieder einmal die Hauptstadt der be⸗ nachbarten Monarchie aufzusuchen, um Se. Majestät den Kaiser zu begrüßen und durch eine persönliche Begegnung mit den maß⸗ gebenden Faktoren der Monarchie Gelegenheit zu finden, das Verhältniß zwischen Oesterreich⸗Ungarn und Montenegro,
auf das man in Cettinje im wohlverstandenen eigenen Interesse
hohen Werth legt, zu befestigen. An die österreichisch⸗unga⸗ rische Monarchie knüpfen uns reale Interessen ünd. die h
unmittelbarer Nachbarschaft sich ergebenden hunderterlei
Wechselbeziehungen. Die Betheuerung, daß es
negrinern um warme Beziehungen zu Oesterreich-Ungarn so⸗ wohlans⸗ Sympathie als aus Klugheit zu thun ist, ist eine ehrliche.
Rußland und Polen. St. Petersburg, 17. Mai. (W. T. B.) Gutem Vernehmen nach ist für die Krönungs⸗ feierlichkeiten folgendes Programm festgestellt: Am 20. Mai Ankunst des Kaisers und der Kaiserin im Petrowski Palais, am 22. Mai Einzug der Majestäten in Moskau, am 23. Weihe des Reichsbanners, am 24., 25. und 26. Mai Fasten des Kaisers und der Kaiserin, öffentliche Ver⸗ kündigung der Krönung und Ueberführung der Regalien in den Thronsaal; am 27. Krönung und Diner in der Granowitaja Palata, am 28. Mai Gratulationen und Ball in der Granowitaja Palata, am 29. Mai Entgegennahme weiterer Gratulationen, ebenso auch am 30. Mai, wo zu⸗ gleich eine Festvorstellung im Theater stattfindet; am 31. Mai Ueberführung der Regalien nach der Granowitaja Palata und Diner daselbst, am 1. Juni Ueberführung der Regalien in die Orusheinaja Palata (Schatzkammer) und Diner daselbst, am 2. Juni Volksfest und Mittagstafel sür die Dorfältesten im Petrowski⸗Palais, am 3. Juni Fahrt nach der Troiza⸗Szergiewskaja Lawra (Dreifaltigkeitskloster des heiligen Sergius) Am 4. Juni wird das 200 jährige Jubiläum des Preobraschenski⸗ und Semenoffschen Leibgarde⸗ Regiments gefeiert, Abends Ball; am 5. Juni Diner, am 7. Einweihung der Erlöserkirche, am 8. Juni Diner, am 9. Truppenparade, am 10. Juni Rückkehr der Majestäten nach St. Petersburg.
— 18. Mai. (W. T. B.) Der Großfürst Michael Nikolajewitsch ist mit seinen beiden Söhnen gestern nach Moskau abgereist. — Von den beiden von der Regierung für das diplomatische Corps zur Verfügung gestellten Extrazügen ist der eine gestern abgelassen worden, der andere wird morgen abgehen. Die österreichische Botschaft ist gestern abgereist, die deutsche Botschaft wird sich morgen nach Moskau begeben.
Moskau, 17. Mai. (W. T. B.) Heute sind der Großfürst und die Großfürstin Wladimir und die Großfürstin Katharina Michailowna hier eingetroffen.
Schweden und Norwegen. Stockholm, 18. Mai. (W. T. B.) Die Zweite Kammer des Reichstages nahm in der vergangenen Nacht mit 135 gegen 62 Stimmen die Paragraphen des Armee⸗Organisationsgesetzes an, durch welche bestimmt wird, daß die Stammsoldaten der Armee fortan durch Anwerbung beschafft werden sollen, an Stelle der jetzigen „eingetheilten (indelta) Armee“.
Amerika. Washington, 17. Mai. (W. T. B.) Ueber die aus Valparaiso gemeldete Unterzeichnung des Friedensvertrags zwischen Chile und Peru ist dem hiesigen Auswärtigen Amte eine bestätigende Nachricht bis jetzt nicht zugegangen.
Philabdelphia, 15. Mai. (Allg. Corr.) Durch die Wirbelstürme am Sonntag wurden in Missouri 17 Personen getödtet und 77 verletzt.
Süd⸗Amerika. Brasilien. Rio de Janeiro, 16. Mai. (W. T. B.) Die Kammern sind gestern mit einer Botschaft des Kaisers eröffnet worden. In letzterer werden die Beziehungen Brasiliens zu den auswärti⸗ gen Mächten als durchaus freundschaftliche bezeichnet.
Afrika. Egypten. Kairo, 17. Mai. Dem ‚Reuter⸗ schen Bureau“ wird von hier gemeldet, daß die Nachricht des „Temps“, die englische Regierung habe das Aufgeben der Provinzen Darfour und Kordofan gebilligt und dem Mahdi ihre Vermittlung angeboten, jeder Begründung ent⸗ behre.
Zeitungsstimmen.
Die „Staatsbürger Zeitung“ sagt in einem „Ueber den Parteien“ überschriebenen Artikel:
Die Wünsche aller Staatsangehörigen zu befricdigen, ist keiner Regierung möglich; der Unzufriedenen im Lande wird es immer heute weniger, morgen mehr geben, je nachdem die Tendenz der Regierung sich mit den Wünschen der Majorität im Einklange befindet oder nicht.
In diesem Grundsatz ist das Fundament der parlamentarischen Regierung zu suchen, der Regierung, welche aus der Majorität im Parlament, die als der Ausdruck der Majorität des Volkes angesehen wird, heryorgegangen ist, wie sich das in England und Belgien in schärfster Weise ausprägt.
Wir schwärmen für diese Art der Regierung, die während der einen Wahlperiode den Liberalismus und während der anderen das konservative Prinzip an die Oberfläche bringt, durchaus nicht; unserer Ansicht nack muß eine Regierung über den Parteien stehen und unter Wahrung der verfassungsmäßigen Rechte des Volkes die Gesetzgebung des Landes die Richtschnur ihrer Handlungen sein lassen. Wir halten des⸗ halb auch den Fundamentalsatz für falsch; eine Regierung hat nicht zu fragen, ob sie in diesem oder jenem Falle den Wuünschen der Majorität entspreche oder nicht, sondern danach, ob diese Wünsche mit Recht und Gesetz im Einklange stehen....
„Nun ja“, so heißt es dann noch bei einigen gutmüthigen Partei⸗ gängern der Opposition, „in der äußeren Politik erkennen wir die Größe Bismarcks an, aber in der inneren . ..“ Den Leuten ist dergleichen um so weniger zu verdenken, als es ja sogar Zeitungen giebt, die auf der einen Seite spaltenlange, aus statistischen Quellen geschöpfte Artikel über den Aufschwung der deutschen Industrie bringen und auf der anderen Seite die Wirthschaftspolitik des Fürsten Bismarck als den Ruin des Landes hinstellen. Bei solchen Verkehrtheiten von alten weltstädtischen Organen der öffentlichen Meinung darf man sich über das „Kreuzige“ einer denkfaulen oder denkunfaͤhigen Masse nicht mehr wundern. 3
— In der „Schlesischen Zeitung“ lesen wir:
Daß der Entwurf des Unfallversicherungsgesetzes einen Staats⸗ zuschuß in Aussicht nimmt, hat von vornherein weit über die Kreise des manchesterlichen Liberalismus hinaus eine prinzipielle Opposition hervorgerufen. Fürst Bismarck rechtfertigte diesen Staats⸗ zuschuß schon bei der früheren Vorlage einestheils damit, daß der Industrie keine Opfer auferlegt werden dürfen, durch welche sie lebens⸗ oder konkurrenzunfähig werden könnte, anderntheils damit, daß die Armenpflege, soweit sie aus öffentlichen Mitteln bestritten würde, durch das Gesetz entlastet werde. Eine Entlastung der Kommunen aber werde ja allseits als erstre⸗ benswerthes Ziel erachtet. Im Grunde war indeß wohl der Ge⸗ danke, den Staat direkt an der Fürsorge für die Arbeiter zu be⸗ theiligen, für den Reichskanzler der maßgebende. Neuerdings be⸗ ginnt man sich auch liberalerseits mit diesem Gedanken vertraut zu machen. So plaidirte jüngst der sonst recht oppositionelle „Ham⸗ burgische Correspondent“ für einen eventuellen Staatszuschuß unter Hinweis darauf, daß das Recht des Staates, die ganze Organisation zu leiten und zu üverwachen, in dem Staatszuschusse seine natürliche Begründung finden würde. Neuerdings tritt auch ein großes Organ
· bnaboalliberalen Partes. die „Kölnische Zeitung“, für den —
Staatszuschuß ein. ie schreibt:
„Die von Betriebsunfällen betroffenen Arbeiter sind sehr lange,
ausgenommen beim Bergbau und seinen Knappschaften, überwiegend dem Gnadenbrot der Arbeitgeber oder der öffentlichen Armenpflege anheimgefallen. Daß der heutige Arbeitslohn die erforderliche Ver⸗ sicherungsprämie hergebrachtermaßen schon enthielte, davon kann hier noch gar nicht die Rede sein. Die Prämien der Unfall⸗ versicherung müssen gezahlt werden aus den Betriebskosten, Wund zwar hauptsächlich unmittelbar durch den Arbeit⸗ geber als den Betriebsleiter. Ob man diese Zahlung sicherstellen will in der Form einer Ausdehnung der „Haftpflicht“, wie die liberale Seite des Reichstags im vorigen Jahre vorschlug, oder in der Form einer Zwangsversicherung der Betriebe, wie die gegenwärtige Regierungsvorlage will — dünkt uns ziemlich gleichgültig; auf diese Organisationsfrage wird ein andermal zurückzukommen sein. Hier ist einstweilen die Hauptsache: einestheils, daß die Prämienzahlung den Betrieben, und zwar nach individualisirten Gefahrenklassen, auferlegt werde, daß aber anderntheils auch die Arbeiter, wenn auch nur mit sehr mäßigen Sätzen, unmittelbar mit herangezogen werden aus dem⸗ selben Grunde, den Dr. Hammacher gegen Dr. Hirsch für eine mäßige Heranziehung der Arbeitgeber zu den Krankenkassen geltend machte, d. h. im Interesse einer gesunden Selbstverwaltung der Unfallkassen. Abzuwehren ist hier ganz besonders der Versuch, den Arbeitern als den Hauptträgern der Krankenkassenlast durch die künstliche Manipulation einer langen „Karenzzeit“ den Löwenantheil an der Prämienzahlung verdeckter und heimlicher Weise aufzuwälzen; was die Arbeiter beitragen sollen, müssen sie jedenfalls offen und allen Theilen ersichtlich beitragen. Den anderen Hauptstreitpunkt aber bildet seit lange die Frage der Heranziehung von Zuschüssen aus öffentlichen Mitteln. Wir haben oben schon ausgesprochen, daß und weshalb wir dieselben nach Möglichkeit gänzlich beseitigt sehen möchten. Allein wir müssen andererseits doch auch be⸗ denken, daß es ebensowohl für die Höhe der Beiträge der Arbeitgeber wie der Arbeiter praktisch unüberschreitbare Grenzen giebt, deren Ueberschreitung die betreffenden Betriebe selbst un⸗ rentbar machen und also zum Stillstande bringen würde. An dieser Grenze ist nothwendig Halt zu machen und das etwa noch vor⸗ handene Desizit ist dann — allerdings nur ausnahmsweise und vorübergehend — aus öffentlichen Mitteln zu decken. Diese Zuschüsse sind dann zu vertheidigen ebenso wie vorübergehende Schutzzölle aus der Nothlage bestehender Industrien und unter der Verpflichtung für den Staat, an der Beseitigung solcher Nothlage und damit auch der nur durch sie gerechtfertigten Zuschüsse unablässig anderweitig zu arbeiten. Die Kommission des Reichs⸗ tages hat vor einigen Tagen jeden Reichszuschuß mit großer Mehr⸗ heit abgelehnt; wir hoffen indeß, daß damit nicht das letzte Wort gesprochen sein soll, da an solchem Beschlusse leicht das ganze Gesetz scheitern könnte.“
— Vom Thüringer Walde, 13. Mai, wird der „Magde⸗ burger Zeitung“ gemeldet:
Im Schleusinger Kreise hebt sich die Porzellanfabrikation in er⸗ freulichster Weise. Sämmtliche Fabriken sind reichlich mit Aufträgen versehen, die meisten mit Artikeln für den nordamerikanischen Export. Die neuerdings beschlossene Erhöhung des Eingangszolles von 50 auf 65 % des Werthes erregt indeß die Besorgniß mancher Fabrikanten.
— Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ berichtet:
Die Crefelder Seidenindustrie hat' im Jahre 1882 ein sehr günstiges Geschäft gehabt. Der Gesammtumsatz dieser Industrie, über welche seit eine Reihe von Jahren eine Produktionsstatistik aufge⸗ nommen wird, hat sich im Jahre 1882 auf nicht weniger als 83 927 136 ℳ beziffert, während er 1881 nur 76 528 590 ℳ, 1880 74 481 748 ℳ und 1879 70 370 522 ℳ betrug. Der Hauptantheil an dieser beträchtlichen Zunahme kommt auf den Absatz in Deutschland, der von 28 387 940 ℳ in 1881 auf 31 898 965 ℳ in 1882, und auf den Absatz in außer⸗ europäischen Ländern, der von 17 743 610 ℳ in 1881 auf 20 973 477 ℳ in 1882 gestiegen ist; daneben ist besonders bemerkenswerth die Er⸗ höhung des Exports nach Frankreich von 4 800 450 ℳ in 1881 auf 6 736 306 ℳ in 1882. Im Gegensatz hierzu ist der Export nach England seit Jahren im Rückgange begriffen; von 26 433 820 ℳ im Jahre 1872 ist er allmählich auf 20 960 920 ℳ in 1881 und 19 384 501 ℳ in 1882 gesunken. Die durchschnittliche Zahl der im Laufe des Jahres beschäftigten Webstühle (Meister, Gesellen und Lehrlinge) die im Jahre 1881 mit 32 126 einen Rückgang gegen die vorhergehenden Jahre aufwies, hat sich mit einem Schlage, der Ausdeynung der Produktion entsprechend, auf 35 692 gehoben, wobei der Lowenantheil der Sammetfabrikation zugefallen ist; der Betrag de verausgabten Löhne hat sich von 25 432 676 ℳ auf 27 874 929 ℳ erhögt.
Settatistische Nachrichten.
Die Ergebnisse der Berufszählung in Preußen. (Stat. Corr.) Wie bereits in unserem ersten Artikel nachgewiesen wurde, waren am 5. Juni 1882 in der preußischen Monarchie in der gesammten berufsstatistischen Gruppe A. (Landwirthschaft, Gärt⸗ nerei, Thierzucht, Forstwirthschaft, Jagd und Fischerei) 3 462 268 mwännliche und 1 230 089 weibliche Personen thätig.
Hierzu gesellen sich noch 12 376 männliche und 323 898 weib⸗ liche Dienstboten, welche häuslichen oder persönlichen Diensten oblie⸗ gen und also, wenn auch indirekt, in der genannten Gruppe erwerbs⸗ thätig sind, so daß die Zahl der in dieser Gruppe erwerbsthätigen Personen auf 5 028 622 oder 43 % der gesammten erwerbs⸗ thätigen Bevölkerung ansteigt. Der in den Haushaltungen der Gruppe A. lebenden, gar nicht oder nur nebensächlich erwerbsthätigen Personen wurden 2 744 000 unter 14 und 4131 785 über 14 Jahr gezählt, so daß die Gesammtzahl aller Personen der Gruppe A. sich auf 11 904 407 oder 43,6 % der Staatsbevölkerung bezifferte.
Von den 4 692 348 in der nachgenannten Gruppe A. erwerhs⸗ thätigen Personen waren 375 8344 — davon 10 520 in mehr als Erwerbszweige — in nachstehender Weise nebenerwerblich thätig und zwar:
A. in der Land⸗ und Forstwirth⸗ m. w. schaft, Gärtnerei, Thierzucht, Jagd und Fischerei 100 501 22 789 123 290 B. im Bergbau, Hüttenwesen, In⸗ dustrie und Bauwesen . . . 149 586 8910 158 526 C. im Handel und Verkehr.. 75 467 7 627 83 094 D. in persönlichen Diensten und Lohnarbeit wechselnder Art... 1 577 927 E. in Militär⸗, Hof⸗, bürger⸗ lichen, kirchlichen Diensten und
zusammen
eön; 18 511 429
zusammen (Rechnungszahl) 345 642 40 712 Daß die Landwirthschaft treibende Bevölkerung zum großen Theil in den übrigen Berufsarten der Gruppe A. und umgekehrt die in diesen Thätigen in der Landwirthschaft einen Nebenerwerb zu er⸗ zielen bemüht sind, ist theils durch den gleichartigen Charakter, theils durch die meist enge wirthschaftliche Verbindung dieser Zweige der Urproduktion hinreichend erklärlich. Die starke Betheiligung der landwirthschaftlichen Bevölkerung in der zweiten der obigen Gruppen wird genügend durch den Umstand motivirt, daß von den selbständigen Betreibern der Landwirthschaft ein großer Theil sowohl auf dem Lande wie in den kleinen Städten Handwerke, als Ziegelei, Schmiede⸗ arbeit, Stellmacherei, Malerei, Tischlerei, Müllerei, Bäckerei, Schläch⸗ terei, Schneiderei, Schuhmacherei u. dergl, selbständig als Neben⸗ erwerb treiben.
Die Vertheilung der in der Berufsgruppe A. thätigen Personen auf die einzelnen Berufsarten ergiebt die nachfolgende Uebersicht. Es gehörten Personen an:
zusammen
der Gruppe m. w. 1 3 364 177 1 224 342 4 588 519
1) Landwirthschaft.
2) Kunst⸗ und Handelsgärtnerei 32 869 3 379 36 248
Ih PWlenncbt . .. 1 109 17 1 126 4) Forstwirthschaft und Jagd. 44 992 1 589 46 581 5) See⸗ und Küstenfischerei. 9 002 461 9 463 6) Fischerei in Binnengewässern 10 119 292 10 411 zusammen 3 462 268 1 230 080 4 692 348 Dienstboten für häusliche und persönliche Bedienung .. 12 376 323 898 336 274 Summe 3 474 644 1 553 978 5 028 622 Von den unter Nr. 1 bis 6 aufgeführten Personen waren nach ihrer Berufsstellung Arbeiter bezw.
Selbständige Verwaltungs⸗ im Gewerbe und und thätige Geschäfts- Aufsichts⸗ Familienan⸗ G leiter personal gehörige und Dienende 1 806 14 2 740 713
1) Landwirthschaft .. 2) Kunst⸗ und Handels⸗ 1,2826888X“ 5 3) Füüreancht. “ bb 4) Forstwirthscha un 288bö 1. 9 ueu 3 3 666 5) See⸗ und Küstenfischerei 257 . 3 167 6) Fischerei in Binnen⸗ E1X“X“X“ 5 948 101 4 362 zufammen —1 830 962 — 57 920 —2806 457 Ein großer Theil der selbständigen kleineren Landwirthe betreibt neben der Bewirthschaftung des eigenen Grundes und Bodens noch landwirthschaftliche Tagelöhnerei als Nebenerwerb. Auch umgekehrt sind viele Tagelöhner, welche vorstehend bei Nr. 1 in der Zahl der Selbständigen mitenthalten sind, Inhaber kleiner landwirthschaftlicher Flächen, welche sie neben ihrem Hauptberufe bewirthschaften. Da diese kombinirte Thätigkeit sehr häufig vorkommt und für die wirth⸗ schaftliche Gruppirung der Landwirthschaft treibenden Bevölkerung wichtig ist, so mögen die entsprechenden ziffernmäßigen Angaben in Ergänzung der obigen Uebersicht hier noch folgen. Es wurden in Preußen am 5. Juni 1882 gezählt: selbständige Landwirthe, welche 3 w. zugleich landwirthschaftliche Tagelöhner waren. landwirthschaftliche Tagelöhner, welche im Nebenberufe zu⸗ zugleich selbständig Landwirth- schaft trieben ““
zus. 3 459 44 069
“
499 337 71 638 570 973 zusammen ⸗539 945 75 097 615 042
Nach Mittheilung des Statistischen Amts der Stadt Berlin sind bei den hiesigen Standesämtern in der Woche vom 6. Mai bis inkl. 12. Mai cr. zur Anmeldung gekommen: 354 Ehe⸗ schließungen, 848 Lebendgeborene, 30 Todtgeborene, 666 Sterbefälle.
Kunst, Wissenschaft und Literatur. 1
Von seiner sehr vortheilhaft bekannten „Politischen Ge⸗ schichte der Gegenwart“ hat Professor Wilhelm Müller in Tübingen im Verlage von Julius Springer hierselbst jetzt den XVI. Band, welcher die Geschichte des Jahres 1882 darstellt, er⸗ scheinen lassen. Wir haben die Vorzüge dieses Werkes bereits bei dem Erscheinen der früheren Bände wiederholt hervorgehoben. Auch haben diese Arbeiten des um die deutsche Geschichtschreibung wohlverdienten Verfassers in den sachverständigen Kreisen der Historiker wie in der Presse eine so anerkennende Aufnahme gefunden, daß es nur dieser wenigen Zeilen bedürfen wird, um unsere Leser auf diesen neuen Band des Müllerschen Werkes aufmerksam zu machen.
Der Preis für den vorliegenden Band, dem wie seinen Vorgängern eine Chronik der Ereignisse des Jahres 1882 und ein alphabetisches Verzeichniß der hervorragenden Personen beigefügt ist, beträgt nur 4,20 ℳ
Land⸗ und Forstwirthschaft.
Dem „Jahresbericht des Großherzoglich badischen Ministeriums
des Innern über seinen Geschäftskreis für die Jahre 1880 und 1881“ entnehmen wir über das landwirthschaftliche Kreditwesen im Großherzogthum Baden folgende Mittheilungen:
Der Befriedigung des Realkredits dienen die im Lande vor⸗ handenen Hypothekenbanken, Vorschußkassen und Sparkassen; nament⸗ lich die letzteren, deren im Jahr 1879 110 gezählt wurden, sind es, welche bei hypothekarischen Anleihen der Landwirthe vielfach in An⸗ spruch genommen werden. Neben diesen Banken und Kassen fänden sich dann in allen Landestheilen eine Anzahl gewerbsmäßiger Geld⸗ verleiher, zu welchen — nicht immer zu ihrem Vortheil — nament⸗ lich die kleineren Leute mit Vorliebe ihre Zuflucht nähmen, sei es aus Scheu, ihr momentanes Geldbedürfniß offenkundig werden zu lassen, sei es aus Bequemlichkeit oder weil sie durch anderweite Geschäfte mit jenen Verleihern bereits in nähere Beziehung getreten seien. Die Ursachen der Inanspruchnahme des Realkredits lägen im Allgemeinen eben so offen zu Tage, als deren Ermittelung im Einzelnen schwierig sei. Wo bei Erbauseinandersetzungen nicht eine reale Vertheilung des elterlichen Liegenschaftsvermögens unter die Geschwister stattfinde, werde in den meisten Fällen der das bäuerliche Gut übernehmende Erbe von vornherein zur Aufnahme einer Hypothek zur Abfindung seiner Geschwister sich genöthigt sehen; die Annahme sei berechtigt, daß die Belastung des Besitzes mit solchen „Erbgleichstellungs⸗ Geldern“ einen erheblichen Prozentsatz der Gesammtbe⸗ lastung darstelle. Es komme als zweiter Hauptfaktor bei der Inanspruchnahme des Realkredits der Zukauf von Liegenschaften hinzu, der, soweit er zur Arrondirung des vor⸗ handenen Besitzes diene, sicherlich zweckmäßig sei, aber doch nicht selten die Erwerber, falls sie nicht die neu erworbenen Liegenschaften mit paraten Mitteln baar zu bezahlen vermögen, hinterher in große Verlegenheiten setze. Habe man es bei Erbfällen der erstbesprochenen Art mit einem wirklichen Verschuldungszwang zu thun, der in der Gleichberechtigung der Geschwister seinen Grund habe, so sei in letzterem Falle die Belastung eine freiwillige und sollte mit um so größerer Vorsicht gehandhabt werden, als sehr häufig der Ertrag der neuerworbenen Liegenschaften nicht hinreichen werde, um für Zins und Amortisation der schuldigen Kaufsumme Deckung zu bieten, zumal wenn durch das starke Mitbieten der kauflustigen Bevölkerung die Kaufpreise auf eine den wahren Werth übersteigende Höhe hinaufgetrieben würden, wie vielfach wahrzunehmen sei. Nicht selten habe an und für sich wohlsituirte Klein⸗ und Mittelbauern diese Kauf⸗ und Vergrößerungslust, welche ohne richtige Abwägung der eigenen finanziellen Lage und des wirthschaftlichen Werths des Zukaufs sich Befriedigung zu verschaffen suche, in starke ökonomische Bedrängniß versetzt. Neben dem in der doppelten Weise zur Er⸗ scheinung gelangenden Besitzkredit spiele der Meliorationskredit unter der badischen Bevölkerung nur eine unerhebliche Rolle. Namentlich unter den klein⸗ und mittelbäuerlichen Landwirthen pflegten die durch landwirthschaftliche Meliorationen verursachten Aufwendungen, da es sich hierbei selten um erhebliche Summen han⸗ dele, entweder aus baaren Mitteln bestritten oder im Wege des Per⸗ sonalkredits gedeckt zu werden. Wohl aber habe in den letzten Jahren zu einer weitern Inanspruchnahme des Realkredits auch die ungünstige ökonomische Lage der Landwirthschaft geführt (Noth⸗Realkredit), sei es, daß Schulden des Personalkredits, weil die Befriedigung der Gläubiger in der ausbedungenen Zeit nicht erfolgt sei oder die persön⸗ liche Sicherheit des Schuldners in den Augen der letzteren eine Min⸗ derung erlitten hatte, hinterher mit hypothekarischer Sicherheit hätte versehen werden müssen, sei es, daß in Folge des gesunkenen Kredits überhaupt von vornherein auch für kurzfristige Darleihen reale Sicherheit durch Liegenschaftsverpfändung zu geben gewesen sei. Der Umfang der liegenschaftlichen Verschuldung der Landwirthe Ba⸗
dens — handle es sich nun hierbei um Inanspruchnahme des Besitz⸗
und Meliorationskredits oder um sog. Nothschulden — lasse sich aus den seither veröffentlichten statistischen Nachweisen nicht entnehmen, da in denselben ununterschieden der landwirthschaftliche, der gewerb⸗ liche und städtische Realitätenbesitz aufgeführt erscheine. Man könne daher aus den bisher statistisch ermittelten Daten, wonach z. B. die Belastung mit Pfandurkunden im Jahre 1879 einen Kapitalbetrag von rund 42 000 000 ℳ darstellte, gegenüber einem Betrage von 33 000 000 ℳ im Durchschnitt der Jahre 1868/77, nicht ohne Weiteres auf eine bedenkliche Zunahme gerade der Verschuldung des landwirthschaftlichen Besitzes schließen, wenn schon manche Anzeichen dafür sprächen, daß eine solche Zunahme in den letzten 10 Jahren eingetreten sei. Erhebungen darüber, ob und in welcher Weise eine spezialisirtere Behandlung dieses Theils der Statistik ausführbar er⸗ scheine, seien am Schluß der Berichtsperiode eingeleitet worden, hätten aber bei den großen Schwierigkeiten, die dieser Materie sich entgegenstellten, ihren Abschluß noch nicht finden können.
Wenn eine Befriedigung des Realkredits in allen Theilen des Landes bei dem Vorhandensein der Eingangs aufgeführten Geld⸗ institute unschwer ermöglicht sei, so verhalte es sich nicht ganz so günstig hinsichtlich des Personalkredits, und die Bemühungen des Ministeriums seien daher auch in den letzten Jahren darauf gerichtet gewesen, unter Zuhülfnahme der landwirthschaftlichen Vereinsthätig⸗ keit, in der Organisation des landwirthschaftlichen Personalkredits eine größere Vervollkommnung herbeizuführen. Eingehende Erhebungen darüber, ob und in welchem Umfange die badischen Landwirthe im Besitze der Betriebskapitalien, d. h. der für eine gute und erfolgreiche Bewirthschaftung des Bodens nöthigen Summen (Gur Anschaffung des Viehs, der Ackerwerkzeuge, der Sämereien, der Düngmittel, der Vorräthe ꝛc.) sich befinden, habe er⸗ geben, daß der — weitaus die Mehrzahl der Grundbesitzer repräsentirende — Kleinbesitz wohl zur Hälfte nur ganz ungenügend mit Betriebskapitalien ausgestattet und daher zu einer ständigen In⸗ anspruchnahme seines Personalkredits genöthigt sei. Eine unbefangene Beurtheilung der Verhältnisse könne nun darüber nicht wohl in Zweifel lassen, daß die für den kleinen Handwerker⸗ und Handelsstand geschaffenen Vorschußkassen, deren etwas über 100 im Großherzogthum sich befänden, nicht ohne Weiteres auch den Bedürfnissen des land⸗ wirthschaftlichen Gewerbes zu entsprechen vermöchten, da dem letzteren mit einem kurzfristigen Kredite in der Regel nicht gedient sei und auch der übliche Zinsfuß der Vorschußkassen (6 — 7 %), der durch die bei Prolongation beanspruchte Provision sich noch erhöhe, in der Regel die Darlehen für die Landwirthe viel zu theuer gestalte. Da ferner die Sparkassen, die früher von der bäuerlichen Bevölkerung bei Auf⸗ nahme von Schulden der genannten Art besonders stark in Anspruch genommen seien, in Folge des Gesetzes vom 9. April 1880 künftig⸗ hin zu Darlehen gegen faustpfandliche Sicherung oder gegen Bürg⸗ schaft nur den kleineren Theil der Gesammtsumme ihrer Aktiv⸗ ausstände verwenden dürften, so sei in der That eine Lücke in der Organisation des Personalkredits vorhanden, welche baldthunlichst auszufüllen gesucht werden müsse, da sonst die Gefahr vorhanden wäre, daß die bäuerliche Bevölkerung mehr noch, als jetzt schon der Fall, zu unreellen Geldvermittlern ihre Zuflucht nehme und damit dem Wucher verfiele. Diese Lücke würde sich noch fühlbarer machen, als thatsächlich der Fall sei, wenn nicht in den letzten Jahren eine Anzahl Vorschußkassen in Bezirken mit vorwiegend ländlicher Bevölkerung in ihrer geschäftlichen Orga⸗ nisation den konkreten Verhältnissen des landwirthschaftlichen Ge⸗ werbes mehr als früher sich angepaßt hätte und in Bezug auf Dauer der Leihfrist, Höhe des Zinsfußes, Rückzahlungsmodus zu er⸗ heblichen Einräumungen geschritten wäre; wenn ferner nicht das Netz der Sparkassen ein sehr dichtes wäre, so daß trotz der eingetretenen gesetzlichen Beschränkungen das von denselben betriebene Darleihens⸗ geschäft thatsächlich in starken Dimensionen sich bewegen könne.
Das Ministerium sei bei Prüfung der vorliegenden Verhältnisse zu der Ansicht gekommen, daß den spezisischen Bedürfnissen der Land⸗ wirthschaft angepaßte Darlehenskassen mit örtlicher Begrenzung ihres Wirkungskreises, wie solche in anderen Ländern und namentlich in Rheinland und Hessen schon längere Zeit eine gedeihliche Wirksamkeit entfalteten, auch in Baden berufen sein möchten, auf dem beregten Gebiet Abhülfe zu schaffen, und es seien daher mit Erlaß vom 12. Januar 1880 die Landwirthschaftslehrer des Landes auf die Be⸗ deutung solcher Kassen eindringlich aufmerksam gemacht und ihnen anempfohlen worden, durch Rarh und unterstützendes Eingreifen das Zustandekommen solcher Kassen in jeder Weise zu fördern.
Während die Darlehnskassen bekanntlich mit den Vorschußkassen gemeinsam hätten, daß sie auf Solidarhaft der Mitglieder beruhende genossenschaftliche Vereinigungen seien, deren rechtliche Verhältnisse das Reichsgesetz vom 4. Juli 1868 geordnet habe, unterschieden sich die ersteren von den lezteren ganz wesentlich dadurch, daß sie,
a. ihren Wirkungskreis auf die politische Gemeinde zu beschrän⸗ ken pflegten, was den Vorzug habe, daß der Kasse die ökonomischen Verhältnisse der Darleihsuchenden meist ganz genau bekannt seien, so daß der wirklich Kreditwürdige rasch und sicher auf Gewährung seines Darleihbegehrens rechnen könne, während Kreditunwürdige un⸗ erücksichtigt blieben, also Verluste nicht wohl entstehen könnten;
b. daß keine Dividenden vertheilt, sondern die Geschäftsantheile der Mitglieder nur verzinst würden;
c. daß eben deshalb Zinsen und Provisionen möglichst niedrig bemessen zu werden pflegten, der rein gemeinnützige Charakter der Institution überhaupt nie aus dem Auge verloren werde;
d. daß Darlehen auch auf längere Zeit und mit im Voraus bestimmten Ratenzahlungsterminen gegeben würden; endlich
e. daß eine Vertheilung des Reservefonds bei Auflösung der Kasse nicht zugelassen, derselbe vielmehr von vornherein für gemein⸗
nützige Zwecke bestimmt werde.
Nicht selten seien Sparkassen mit diesen Darlehnskassen verbun⸗ den und da sich ohnedies durch deren Bestehen Gelegenheit zur siche⸗ ren Anlage parater Geldmittel gebe, ohne daß damit besondere Kosten und Umständlichkeiten verknüpft wären, so wirkten nachweis⸗ lich die fraglichen Kassen auch dadurch günstig, daß die unvortheil⸗ hafte Gewohnheit der Landleute, baare Geldbestände zinslos aufzu⸗ bewahren, in der Regel sehr bald der Neigung Platz mache, auch die Summe den Kassen als verzinsliches Depositum anzuver⸗ rauen.
Im Laufe der Jahre 1880 und 1881 seien nun unter Mit⸗ wirkung — theils der Landwirthschaftslehrer, theils der landwirth⸗ schaftlichen Vereinsdirektionen — eine Anzahl solcher Darlehnskassen errichtet worden, wobei in Betreff der Statuten und der Rechnungs⸗ führung im Wesentlichen diejenigen Einrichtungen Nachahmung ge⸗ funden, welche bei den im Kreis Karlsruhe schon seit einer längeren Reihe von Jahren bestehenden Kassen dieser Art eingeführt seien und sich erprobt hätten. Aus einer in einem Anhang gegebenen Statistik der fraglichen Kassen für 1880 ist die erfreuliche Thatsache eines ge⸗ deihlichen Geschäftsganges bei einer nicht unerheblichen Anzahl der⸗ selben zu entnehmen.
Ganz erhebliche Vortheile könnten, bemerkt der Bericht weiter, der landwirthschaftlichen Bevölkerung auch dadurch zugeführt werden, wenn das Genossenschaftsprinzip über das Gebiet des Kreditwesens hinaus auch für den Bezug der für den Betrieb der Landwirthschaft nöthigen Roh⸗ und Hülfsstoffe (Dünge⸗ und Futtermittel, Saatgut, Kohlen ꝛc.) zur Anwendung gelangte (landwirthschaftliche Konsum⸗ vereine). Die günstigen Ergebnisse, welche mit solchen Organisationen in dem Nachbarland Hessen erzielt worden seien, ließen den Wunsch als berechtigt erscheinen, daß dieselben auch im Großherzogthum Boden Wurzel fassen möchten. Es wird eine darauf bezügliche Auslassung der Centralstelle des landwirthschaftlichen Vereins in deren Rechenschafts⸗ bericht von 1881 auszüglich wiedergegeben:
„Wir sind überzeugt“, sagt dieselbe, „daß durch solche genossen⸗ schaftliche Einrichtungen den Landwirthen viele Tausende erhalten bleiben können, welche ihnen jetzt beim Einkauf von Bedarfsgegen⸗ ständen oder beim Verkauf von Erzeugnissen verloren gehen. Wir erinnern beispielsweise nur an die Futternoth des Winters 1881/82 und die daraus vielfach entstandene Nothwendigkeit des Bezugs von
Ba⸗ Kraftfuttermitteln; wir hatten uns bemüht, billige und zuver⸗
lässige Bezugsquellen aufzusuchen. und solche im „Wochenblatt“ bekannt gemacht, mußten aber wiederholt wahrnehmen, daß der einzelne kleinere Landwirth beim Bezug des geringen Quantums, dessen er bedarf, auf viele Schwierigkeiten stößt und manches Opfer bringen muß, das ihm beim genossenschaftlichen Bezug erspart bliebe. So z. B. hat im letzten Halbjahr 1880 der hessische Konsumvereinsverband u. A. 10 800 Ctr. Reismehl bester Qualität zu 5 ℳ 40 ₰ per Centner bezogen, während der sonstige Preis dafür 6 ℳ 50 ₰ bei gleicher Qualität betrug. Es wurden also schon allein an diesem Bezug den Mitgliedern 11 800 ℳ erspart! In manchen Bezirken pflegen zwar die Direktionen der landwirthschaft⸗ lichen Bezirksvereine in der dankenswerthesten Weise die Vermittlung gemeinsamer Bezüge in die Hand zu nehmen; die damit verbundene Mühe würde mehr Erfolg haben, wenn in den einzelnen größeren Orten solche landwirthschaftlichen Konsumvereine beständen, ganz abgesehen von den vielen Fällen, wo es sich um den Verkauf von Erzeugnissen handelt, den ja doch der Bezirksverein nicht, wohl aber der Konsum⸗ verein mit dem besten Erfolg besorgen kann.
Der Weg energischer Selbsthülfe durch genossenschaftliche Ein⸗ richtungen kann zur Abstellung mancher Mißstände und zur Erreichung verschiedener Vortheile führen, wo die Hülfe des Staates und der Gesetzgebung machtlos ist.“
Gewerbe und Handel.
Das Mai⸗Heft 17. Jahrgangs 1883 des periodischen Organs, welches das Ba verische Gewerbemuseum in Nürnberg unter dem Titel „Kunst und Gewerbe, Zeitschrift zur Förderung deutscher Kunstindustrie“, publizirt (redigirt von Dr. Otto von Schorn, Druck und Verlag von G. P. J. Bieling (G. Dietz) in Nürnberg, bringt eine weitere Fortsetzung der Schilderung der altdeutschen Gläser in der Mustersammlung des Museums, von Carl Friedrich, worin diesmal die geschnittenen Gläser beschrieben und eine Kollektion solcher sowie ein prachtvoller geschnittener Prunkpokal in Abbildungen beigegeben werden. In diesem Heft gelangt ferner der interessante Beitrag zur Geschichte der Salzburger Weißgeschirr⸗Fabrikation, von Camillo Sitte, zum Abschluß, unter Beifügung von 3 IJllustra⸗ tionen, darstellend schöne Muster von Riedenburger Majolikageschirr. Unter den Berichten aus Museen, Vereinen, Schulen, Ausstellungen finden wir einen im Architekten⸗ und Ingenieurverein zu München gehaltenen Vortrag von Professor A. Thiersch über die Maurertechnik der Griechen und Römer, der für Architekten viel Interessantes ent⸗ hält. Dann folgen, wie früher, technische Rathschläge für die Werk⸗ statt, literarische Mittheilungen und kleinere Nachrichten. Was die illustrative Ausstattung des Hefts angeht, so bringt es außer den schon erwähnten und anderen Textabbildungen 3 Kunstbeilagen, dar⸗ unter wieder (in vorzüglichem Farbendruck von F. Herr in Nürnberg) eine Anzahl jener reizenden Schmucktheile aus Gold und Emall, nach Originalen der Sammlung des Kaiserlichen Museums in Wien: ferner den Entwurf zu einer Prunkvase, erfunden und ge⸗ zeichnet von Professor C. Mell, sowie endlich eine Kollektion von Bluchdeckenverzierungen, gezeichnet von F. O. Schulze. — Als Beilagen zu dem Maiheft werden die Nummern 8 und 9 der „Mittheilungen“ des Bayerischen Gewerbemuseums mitausgege⸗ ben, in welchen u. A. über die Neuerwerbungen des Museums be⸗ richtet wird. Eine ganz besondere Vermehrung der Mittel und des Bestandes der Sammlungen der Anstalt wird derselben aus dem Ertrage der vorjährigen Nürnberger Landesausstellung zufließen. Die Abrechnung ergiebt nämlich einen Ueberschuß von rund 405 000 ℳ Hierbei ist der Kunstpavillon und das Gewächshaus, welche vom Bayerischen Gewerbemuseum übernommen worden sind, der erstere zu 60 000 ℳ und das letztere zu 3000 ℳ berechnet. Nach dem Pro⸗ gramm der Ausstellung wird der Ueberschuß dem Bayerischen Gewerbe⸗ museum überwiesen. Außerdem haben die Garantiefondszeichner bei Zurückzahlung der von ihnen bereits erlegten 50 % der gezeichneten Summe noch 52 000 ℳ dem Gewerbemuseum zugewandt.
Nürnberg, 17. Mai. (Hopfenmarktbericht von Leopold Held.) Am Dienstag, Mittwoch und heute wurden zusammen etwas über 150 Ballen Hopfen am Markte verkauft. Gefragt waren, wie früher, vornehmlich hellfarbige bessere Sorten in der Preislage von 370 bis 385 ℳ, doch wurden auch einige kleine Posten gepackte gelbliche Hopfen um 345 bis 355 ℳ abgesetzt. Prima Polen erzielten bis zu 410 ℳ Stimmung und Preisstand sind unverändert fest.
Hamburg, 18. Mai. (W. T. B.) Die hier tagende Ge neralversammlung des Vereins deutscher Zuckerfabri⸗ kanten trat, nachdem der Vorsitzende Graf Hacke Mittheilungen über den Stand der Zuckersteuerfrage gemacht hatte, in voller An⸗ erkennung des Auftretens des Direktoriums des Vereins und in Er⸗ wägung der wohlwollenden Stellung, welche die Regierung zu dieser Frage genommen hat, gar nicht in die Diskussion der Zuckersteuer⸗ frage ein.
London, 17. Mai. (W. T. B.) Hei der heatingen Wollauktion waren Preise für Kapwolle und Scoured Vließ ähnlich wie am Schluß der letzten Auktion, Natal, Schweißwollen schwächer.
Verkehrs⸗Anstalten.
Riga, 17. Mai. (W. T. B.) Das Handelsamt hat den heutigen Tag für die Eröffnung der Schiffahrt festgesetzt.
Bremen, 18. Mai. (W. T. B.) Der Dampfer des Norddeutschen Lloyd „Graf Bismarck“ hat gestern auf der Ausreise St. Vincent passirt.
Hamburg, 17. Mai. (W. T. B.) Der Postdampfer „Allemannia.“ von der Ham burg⸗Amerikanischen Packet⸗ fahrt⸗Aktien⸗Gesellschaft ist heute früh in Havre eingetroffen.
Triest, 17. Mai. (W. T. B.) Der Lloyddampfer 1n rora' ist heute Vormittag aus Konstantinopel hier ange⸗
Berlin, 18. Mai 1883. Konsulatsberichte.
Dunedin (Neu⸗Seeland), den 10. März 1883.
Es giebt nur wenige deutsche Importfirmen in Dunedin. Die Herren P. Haymann u. Co., Hallenstein u. Co. und Max Mendershausen sind die hauptsächlichsten. Dieselben sind be⸗ deutende Importeure deutscher Industrieartikel und haben aus⸗ gedehnte Verbindungen in Deutschland.
Mit diesen Ausnahmen sind die deutschen Kaufleute Detaillisten, deren Geschäfte sich darauf beschränken, den Be⸗ darf ihrer Kunden zu befriedigen, wobei die Bande der Na⸗ tionalität nicht in Betracht kommen.
Es findet jedoch ein größerer indirekter Import deutscher Industrieartikel statt, welcher von den bedeutenderen Engros⸗ geschäften durch Londoner Häuser vermittelt wird und welcher Weg billiger ist, als wenn der Import mit direkten Schiffen stattfände. Man kann nicht durch die Straßen dieser Stadt gehen, ohne über die Menge deutscher Waaren, welche ihren Weg hierher gefunden haben und welche die Importe dieser Kolonien bedeutend anschwellen, erstaunt zu sein. Für einen direkten Handel mit Deutschland sehe ich vorläufig keine Aussicht. Ich bin jedoch der Ansicht, daß die Dampfer welche von Hamburg segeln, viel dazu beitragen werden, die Nachfrage nach deutschen Industrieartikeln zu vergrößern und vielleicht deen Weg bahnen für eine größere Konsumtion der⸗ selben, nachdem sie den Konsumenten besser bekannt sind.