Nichtamtliches. Deutsches Reich.
Preußen. Berlin, 29. Mat. Se. Majestät der Kaiser und König besichtigten heute Vormittag die 3. Garde⸗Infanterie⸗Brigade auf dem Exerzierplatz an der Tempelhofer Chaussee und hörten, nach dem Palais zurück⸗ gekehrt, den Vortrag des General⸗Lieutenants von Albedyll.
— Ihre Majestät die Kaiserin und Königin ist mit dem Gefolge gestern Abend 11 ½ Uhr von Baden⸗Baden mit⸗ telst Extrazuges hier eingetroffen und wurde von Sr. Majestät dem Kaiser und Könige im Palais begrüßt.
Heute Vormittag empfing Ihre Majestät den Besuch Ihrer Kaiserlichen und Königlichen Hoheiten des Kronprinzen und der Kronprinzessin.
Ihre Majestät hat noch von Baden⸗Baden aus der Frei⸗ frau von Bülow, geb. Freiin von Humboldt, den Ausdruck Allerhöchstihrer freudigen Theilnahme an der Feier der Ent⸗ hüllung der Denkmäler der Gebrüder von Humboldt und des Bedauerns über Ihre Abwesenheit telegraphisch übermittelt.
— Ihre Kaiserlichen und Königlichen Hoheiten der Kronprinz und die Kronprinzessin kamen gestern mit dem 9 Uhr⸗Zuge von Potsdam nach Berlin zur Besichti⸗ gung der Hygiene⸗Ausstellung.
8 Se. Kaiserliche Hoheit der Kronprinz empfing um 11 Uhr
in Höchstseinem Palais den Fürsten Heinrich IV. Reuß⸗ Köstritz, nahm darauf Vorträge und militärische Meldungen entgegen und wohnte um 12 Uhr mit Ihrer Kaiserlichen
Hoheit der Kronprinzessin vom Kaiserlichen Palais aus der seierlichen Enthüllung der Humboldt⸗Denkmäler bei.
Mit dem 1 Uhr⸗ bezw. 2 Uhr⸗Zuge kehrten sodann Ihre Kaiserliche Hoheit die Kronprinzessin und Se. Kaiserliche Hoheit der Kronprinz, Höchstwelcher dem Museum noch einen Palais bei Potsdam
Besuch abstattete, nach dem Neuen zurück.
— Unter dem Vorsitz des Staats⸗Ministers von Boetticher wurde am 28. Mai eine Plenarsitzung des Bundesraths abgehalten. Der Vorsitzende machte der Versammlung Mit⸗ theilung von den Beschlüssen des Reichstags, betreffend den Gesetzentwurf wegen Abänderung des Zolltarifs (Holzzölle) sowie über Petitionen wegen der Zollbefreiung der Nutzholz⸗ abfälle. Die Beschlüsse über diese Petitionen wur⸗ den den zuständigen Ausschüssen zur Vorberathung überwiesen. Dem am 4. Mai d. Is. unterzeich⸗ neten Handels⸗ und Schiffahrtsvertrage mit Italien und der am 19. April d. Js. unterzeichneten Uebereinkunft mit Frankreich wegen gegenseitigen Schutzes der Rechte an Werken der Literatur und Kunst ertheilte die Versammlung ihre Zu⸗ stimmung. Ablehnend beschieden wurden mehrere Eingaben von Privaten, betreffend: Zolltarifirung von Patentschmier⸗ achsen, Denaturirung von Branntwein zur Essigfabrikation, Abänderung des Regulativs über die Steuerfreiheit von dena⸗ turirtem Spiritus, Erweiterung der Zoll⸗ und Steuerkreditfrist für Taback. Die Zustimmung der Versammlung fanden die Ausschußanträge in Betreff: der Verwendung von Meliloten⸗ blüthen bei der Herstellung von Tabackfabrikaten; der zoll⸗ freien Ablassung der Embleme der diplomatischen Vertreter und Konsuln fremder Staaten; der Ermächtigung einer Zoll⸗ stelle zur Ausgangsabfertigung von Zucker; der Anwendung des Gesetzes vom 1. Juli 1881 über die Erhebung der Reichs⸗ Stempelabgaben; der Herstellung einer landwirthschaft⸗ lichen und gewerblichen Betriebsstatistik. Die Berech⸗ nung der nach dem Entwurf des Reichshaushalts⸗Etats für 1884/85 zur Deckung der Gesammtausgaben aufzubrin⸗ genden Matrikularbeiträge wurde genehmigt. Nachdem für die Verhandlungen im Reichstage mehrere Kommissarien ge⸗ wählt worden waren und nachdem der Vorsitzende von der auf Grund früherer Beschlüsie erfolgten Ueberweisung zahl⸗ reicher Eingaben an die Ausschüsse Mittheilung gemacht hatte, faßte die Versammlung schließlich Beschluß über die geschäft⸗ liche Behandlung mehrerer westerhin eingegangener Eingaben.
— Der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Reichstages befindet sich in der Ersten Beilage.
— In der heutigen (89.) Sitzung des Reichstages, welcher der Staats⸗Minister von Scholz sowie mehrere andere Bevollmächtigte zum Bundesrath und Kommissarien desselben beiwohnten, theilte der Präsident von Levetzow zunächst den Eingang des Handels⸗ und Schiffahrtsvertrages zwischen dem Deutschen Reich und Italien mit.
Hierauf setzte das Haus die dritte Berathung des Gesetz⸗ entwurfs, betr. die Abänderung der Gewerbeordnung, mit §. 33e fort.
Derselbe lautet nach den Beschlüssen in zweiter Lesung:
Die Abhaltung von Tanzlustbarkeiten richtet sich nach den landesrechtlichen Bestimmungen.
II. An die Stelle des §. 40 der Gewerbeordnung treten folgende Bestimmungen:
Die in den §§. 29 bis 33a und im §. 34 erwähnten Ap⸗ probationen und Genehmigungen dürfen weder auf Zeit ertheilt, noch vorbehaltlich der Bestimmungen in den §§. 33 a, 53 und 143 widerrufen werden.
Gegen Versagung der Genehmigung zum Betriebe ceines der in den §§. 30, 30a, 32, 33, 33a und 34, sowie gegen Untersagung des Betriebes der in den §§. 33a, 35 und 37 erwähnten Gewerbe ist der Rekurs zulässig. Wegen des Verfahrens und der Behörden gelten die Vorschriften der §§. 20 und 21.
Hierzu lag von den Abgg. Büchtemann und Richter (Hagen) folgender Antrag vor: h
Der Reichstag wolle beschließen: dem §. 33 die folgenden neuen Absätze hinzuzufügen: 8
. „ZJedoch sind Beschränkungen der öffentlichen Tanzlustbarkeiten für einzelne Volksklassen unzulässig.
In solchen Gemeinden, wo die öffentlichen Tanzlustbarkeiten auf bestimmte Tage des Jahres beschränkt sind, darf an diesen Tagen hinsichtlich der Erlaubniß zur Abhaltung solcher Lustbar⸗ keiten oder in Bezug auf die erlaubte Dauer derselben zwischen den Gast⸗ oder Schankwirthen der Gemeinde ein Unterschied nicht gemacht werden.“
Der Abg. Büchtemann motivirte diesen Antrag unter Hinweis namentlich auf eine Verfügung eines Landraths in der Ostprignitz, der in seinem Kreise bestimmte Tage für Tanz⸗ lustbarkeiten u. dergl. vorgeschrieben habe. Diese Versügung sei vom Minister des Innern bestätigt worden.
Der Bundeskommissar Geheime Regierungs⸗Rath Boediker erklärte, daß der vom Vorredner erwähnte Fall durch die besonderen Umsände vollkommen gerechtfertigt sei. Auch hätten sich ja in den Rheinlanden mehrere Bürgermeister dahin geeinigt, die Kirmesfeier an demselben Sonntag stattfinden zu
lassen, um die Bewohner zu verhindern, an verschiedenen Sonntagen verschiedene Kirmeßlustbarkeiten zu besuchen. Ferner bedauere er es, daß der Antrag erst ganz kürzlich ein⸗ gebracht sei, obwohl seit der zweiten Lesung mehrere Wochen vergangen seien. Dies sei ein System der Ueberrumpelung. Redner schilderte sodann die günstigen Wirkungen, welche die Annahme des fortschrittlichen Antrages haben würde. Am besten wäre es, den ganzen §. 33 c abzulehnen; jedenfalls aber warne er davor, das Amendement Büchtemann anzunehmen.
Der Abg. Ackermann bekämpfte ebenfalls den Antrag Büchtemann.
Der Abg. Dr. Blum erklärte sich im Allgemeinen mit der Tendenz des Antrags einverstanden, da aber nach seiner An⸗ sicht diese Angelegenheit je nach den provinziellen Eigenthüm lichkeiten geregelt werden müßte, werde er gegen den Antrag stimmen.
Bei Schluß des Blattes wurde die Berathung über den §. 33 c fortgesetzt.
— In der heutigen (68.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten, welcher die Staats⸗Minister Dr. Lucius, Dr. Friedberg, von Boetticher und von Scholz sowie mehrere Kommissarien beiwohnten, theilte der Vize⸗Präsident Freiherr von Heereman zunächst mit, daß der Minister der öffentlichen Arbeiten Mavybach, kraft eines längeren Urlaubs Sr. Majestät des Königs sich zur Wiederherstellung seiner angegriffenen Gesundheit nach Italien begeben habe. Derselbe werde also in nächster Zeit den Sitzungen des Hauses nicht beiwohnen können.
Hierauf trat das Haus in die Tagesordnung ein.
Der erste Gegenstand derselben war die dritte Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen. Der erste Redner in der Generaldiskussion, der Abg. Dr. Bender (Königsberg), sprach sich gegen die Vorlage aus, da er mit den Wirkungen der gegenwärtigen Subhastationsordnung zufrieden sei, und be⸗ kämpfte namentlich die Ausführungen des Abg. Seehusen.
Der Abg. Westerburg sprach sich ebenfalls gegen die Vor⸗ lage aus. Es sei charakteristisch, daß er im Anfange der Kommissionsberathungen der einzige Gegner des Gesetzentwurss gewesen sei, schließlich aber bei der Abstimmung sechs andere Mitglieder noch auf seiner Seite gestanden hät⸗ ten. Er glaube, daß auch Diejenigen, welche für den Entwurf gestimmt hätten, dies nur mit schwerem Herzen gethan hätten. Trotz der vorzüglichen juristischen Ausarbei⸗ tung müsse er doch gegen das Gesetz stimmen, vor Allem, weil es einen integrirenden Bestandtheil des Civilrechts ausmache. Hier neues zu schaffen, sei aber unthunlich, angesichts des schon in der Ausarbeitung begriffenen allgemeinen deutschen Civilrechts. Ferner sei er entschieden der Ueberzeugung, daß der Gesetzentwurf den Realkredit schädigen werde; dies müsse er vor Allem dem Abg. Seehusen gegenüber aufrecht erhalten, der von dem Gesetzentwurf günstige Wirkungen für den mittleren und kleinen Grundbesitz erhoffe. Endlich werde das Gesetz auch nicht, wie man behaupte, den wucherischen Kredit zu beschränken im Stande sein. Er bitte deshalb, gegen das Gesetz zu stimmen.
Der Abg. Simon von Zastrow vertheidigte die Vorlage gegen die von den Vorrednern dagegen erhobenen Bedenken. Zu seiner Freude könne er konstatiren, daß die überwiegende Mehrheit des Hauses die Spezialbestimmungen angenommen habe; er glaube, daß mehrere Mitglieder, die in der Kommission gegen die Vorlage gestimmt hätten, dies nachträglich als eine Uebereilung erkannt haben würden. Er bitte, den Gesetzentwurf anzunehmen, damit die segensreichen 1.“ desselben recht bald zur allgemeinen Anwendung ämen.
Der Abg. von Ludwig erörterte mehrere einzelne Punkte der Vorlage.
Der Abg. Seehusen hielt dem Abg. Bender gegenüber seine Behauptungen, bes. der Aussaugung der Landwirth⸗ schaft durch betrügerische Wucherer aufrecht und wies namentlich auf die Zustände Ostpreußens hin.
Der Abg. Dirichlet bestritt diese Behauptungen, die ge eignet seien, von den Zuständen der Provinz Ostpreußen ein ganz falsches Bild zu gebven. Nach seinen Erfahrungen habe er im Allgemeinen mit den Gläubigern mehr sympathisiren müssen als mit den Schuldnern.
Nach einigen persönlichen Bemerkungen der Abgg. Dr. Bender, Seehusen und Dirichlet schloß die Generaldebatte.
In der Spezialdiskussion wurden die 8§§. 1—21 ohne Debatte mit einigen vom Abg. Dr. Hartmann beantragten redaktionellen Aenberungen angenommen.
§. 22 lautet nach den Beschlüssen in zweiter Lesung:
Ohne Uebernahme oder Befriedigung derjenigen Rechte, welche dem Rechte des Gläubigers vorgehen, darf der Verkauf des Grund⸗ stücks nicht stattfinden. Die Feststellung des hiernach zulässigen geringsten Gebots erfolgt nach den Vorschriften der §§. 53 bis 56.
Das Grundstück wird durch den Verkauf von allen dinglichen Rechten, welche zur Wirksamkeit gegen Dritte der Eintragung im Grundbuche bedürfen, frei, soweit dieselben nicht von dem Ersteher ühernommen werden.
Dingliche Lasten, welche der Eintragung im Grundbuch nicht bedürfen, gehen auf den Ersteher über, soweit nicht durch die Kauf⸗ bedingungen etwas Anderes bestimmt ist oder die erfolgte Beschlag⸗ nahme des Grundstücks (§. 16) der Geltendmachung entgegensteht. Rücksichtlich der Pacht und Miethe bleibt es bei den bestehenden Vorschriften.
Hierzu lag vom Abg. Gotting folgender Antrag vor
Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen:
den ersten Satz des §. 22 dahin zu fassen:
„Ohne Befriedigung derjenigen Rechte, welche dem Rechte des Gläubigers vorgehen, oder Uebernahme der jenen Rechten unter⸗ liegenden Verpflichtungen darf der Verkauf des Grundstücks nicht stattfinden.“
Der Antrag wurde abgelehnt.
§. 22 und die folgenden Paragraphen wurden nach den Beschlüssen in zweiter Lesung unverändert genehmigt und das Gesetz im Ganzen angenommen.
Der Gesetzentwurf, betreffend die Gerichtskosten bei Zwangsversteigerungen und Zwangsverwaltun⸗ gen von Gegenständen des unbeweglichen Ver⸗ mögens, wurde auf Antrag des Abg. von Bismarck⸗Flatow in dritter Lesung ohne Debatte en bloc angenommen.
8 mnhen- vertagte sich das Haus um 12 Uhr auf Mittwoch 1 8*
— Versichert ein Ehegatte sein Leben zu Gunsten seiner Frau und Kinder, soö haben, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, IV. Civilsenats, vom 18. April d. J., nach seinem Tode diese Hinterbliebenen ein unmittelbares Recht auf Empfangnahme der Versicherungs⸗ summe. Dieses Recht wird dadurch, daß der Versicherungs⸗ nehmer vor seinem Tode seine Rechte aus der Police einem
Gläubiger zur Sicherung der Schuldsumme cedirt hat, inso⸗ weit alterirt, als die Hinterbliebenen nach der Befriedigung jenes Gläubigers aus der Versicherungssumme nur auf den Rest derselben ein unmittelbares Forderungsrecht haben. Andere Gläubiger des verstorbenen Versicherungsnehmers aber haben auf diese Versicherungssumme keinen Anspruch.
— Dem Wegeverbande des Amtes Emden, Provinz Han⸗ nover, ist durch Allerhöchsten Erlaß vom 4. d. M. das Ent⸗ eignungsrecht für die zum Bau einer Landstraße von Petkum nach Neermoor in der Erstreckung von Gandersum über Oldersum, Rorichum bis an die Grenze des Amtes Leer erforderlichen Grundstücke verliehen worden.
Ihre
Erbach i. Rheingau, 29. Mai. (W. T. B.) Königliche Hoheit die Prinzessin Marianne der Niederlande ist heute früh 5 ¾ Uhr gestorben.
Sachsen. Dresden, 28. Mai. (W. T. B.) In Gegenwart des Königs, der Königin, des Prinzen und der Prinzessin Georg sowie der Prinzessin Mathilde fand heute Mittag hier die feierliche Eröffnung der Kunst⸗ J“ des ersten hiesigen Kunstgewerbe⸗Vereins att.
Baden. Karlsruhe, 28. Mai. (W. T. B.) Der Großherzog ist heute Abend hierher zurückgekehrt.
Mecklenburg⸗Schwerin. Schwerin, 26. Mai. Mit dem heutigen Tage endigt in unserem Lande die sechs⸗ wöchentliche Landestrauer. Wenn aber auch das Groß⸗ herzogthum jetzt die äußeren Trauerzeichen ablegt, so wird es doch damit nicht auch des Herzens Trauer schon abthun. Viel⸗ mehr ist das ganze Land des Dankes eingedenk, welchen es noch auf lange Jahre hinaus dem hochseligen Großherzoge schuldet. Diesem Gefühle verlieh vor einigen Tagen bei der Gedächtnißfeier, welche der vereinigte Krieger⸗ und Militär⸗ Verein hierselbst zur Erinnerung an den erlauchten Protektor veranstaltete, der Vorsitzende des Vereins, der vortragende Rath im Ministerium des Aeußern und des Innern, Ministerial⸗Rath von Blücher, beredten Ausdruck. Der Großherzog, der seine Krone von Gottes Gnaden und von Gott dem Herrn zu Lehn getragen, — so etwa hieß es in der trefflichen Rede — hat seine ernsten und schweren Pflichten stets auf das Treueste und Gewissenhafteste erfüllt. Unbe⸗ grenzte Hingabe und begeisterie Liebe zum großen Vaterlande, unbezwingbarer und heiliger Muth beseelten ihn. Gern opferte er von seinen Fürstlichen Rechten, was Deutschlands neue Macht⸗ und Ehrenstellung forderte, und freudig setzte er sein und seiner Mecklenburger Gut und Blut ein für Deutschlands Ehre und Unabhängigkeit. Unausgesetzt war er bestrebt, unserem Volke das schwer errungene theuere Gut der nationalen Einheit zu erhalten. Allen seinen Unterthanen hinterließ er als Vermächtniß die unentwegte unermüdliche Liebe und Treue, mit welcher er wie das Wohl und Wehe seines ganzen Landes, so auch das Geschick des ärmsten und niedrigsten seiner Unterthanen auf dem Herzen getragen hat, so daß er selbst von sich das Bekenntniß ablegen durfte: „Mein ganzes Herz schlägt meinem geliebten Lande und dem ganzen deutschen Vaterlande seit 40 Jahren, und so soll es bleiben bis zum letzten Athemzuge.“ Die Herzenseigenschaft des Dahingeschiedenen, welche die eigentliche Quelle und Grund⸗ lage war für alle anderen strahlenden Regententugenden, die seinen Thron und sein Leben zierten, ist ohne Zweifel sein felsenfester und doch so demüthiger Gottesglaube, sein herrlicher Christenfond. Durch ihn gewann der Sterbende Kraft und Freudigkeit, und sein Todtenbett ist mit einem Segen umgeben gewesen, der unvergessen bleiben wird, so lange Gottes Wort in Mecklenburg noch seine Stätte haben wird. Ja, Friedrich Franz II. war ein Fürst nach dem Herzen Gottes, als welcher er auch neulich in einem gehalt⸗ vollen und tiefempfundenen Nachrufe, den die „Evang.-lutherische Kirchen⸗Zeitung“ brachte, charakterisirt wurde: ein edler, ganzer Mann, ein gerechter Herrscher, ein treuer Landesvater, ein tüchtiger Feldherr, Alles in Allem ein echter deutscher Fürst, ein leuchtendes Vorbild für alle Deutschen im Leben und im Sterben.
Sachsen⸗Coburg⸗Gotha. Coburg, 24. Mai. (Goth. Ztg.) Der Herzog ist heute Morgen von Nizza wieder hier eingetroffen.
———ö
Oesterreich⸗Ungarn. Pest, 28. Mai. (W. T. B.) Die zweite Session des ungarischen Reichstages ist heute mittelst Königlichen Reskriptes geschlossen worden. Zur dritten Session wurde der Reichstag für den 27. Sep⸗ tember d. J. einberufen.
Schweiz. Zürich, 28. Mai. (W. T. B.) Bei der stattgehabten Volksabstimmung ist der Antrag auf Auf⸗ hebung des Impfzwangs mit großer Stimmenmehrheit angenommen worden; ebenso wurde mit einer kleinen Stimmenmehrheit die Wiedereinführung der Todes⸗ strafe beschlossen.
Lausanne, 28. Mai. (W. T. B.) Bei den sämmt⸗ lichen 6 Wahlen zum Nationalrath wurden die Kandi⸗ daten der Radikalen gewählt.
Großbritannien und Irland. London, 28. Mai. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung des Unterhauses erklärte der Unter⸗Staatssekretär, Lord Fitzmaurice, auf eine Anfrage Cowens: er habe Grund zu glauben, daß die Nachricht von einer Konvention zwischen Chile und dem General Iglesias korrekt sei, indeß habe die Regierung eine amtliche Nachricht hierüber noch nicht erhalten. Uebrigens dürfte die Annahme verfrüht sein, daß der Friede dadurch herbeigeführt werde. — Im weiteren Verlaufe der Sitzung theilte Dod⸗ son in Beantwortung mehrerer Interpellationen mit: die französische Regierung habe in Folge des Verbots der Einfuhr von Vieh aus Frankreich erklärt, daß sie die strengsten Vorsichtsmaßregeln einführen werde. Das Verbot werde indessen so lange in Kraft bleiben, bis sich die Wirksam⸗ keit jener Maßregeln erkennen lasse. Die Einfuhr von Rind⸗ vieh aus Deutschland sei gleichfalls verboten; bezüglich der Einsuhr von Schafen stehe die Regierung jetzt mit Deutschland in Verhandlung.
Dem „Reuterschen Bureau’“ wird aus Shanghai vom heutigen Tage gemeldet, daß Lee⸗Hung Chang, welcher kürzlich zum Ober⸗Befehlshaber der Truppen in den vier südlichen Provinzen Chinas ernannt wurde, in Shanghai angekommen sei und daselbst einen Monat lang verbleiben werde, um die nöthigen Vorbereitungen zu treffen, bevor er sich auf seinen Posten begiebt.
Paris, 28. Mai. (W. T. B.) Der neu er⸗ nannte österreichisch⸗ungarische Botschafter Graf Hoyos überreichte heute in feierlicher Audienz dem Präsi⸗ denten Grévy sein eglaubigungsschreiben. Der Bpot⸗ schafter versicherte den Präsidenten der freundschaftlichen Ge⸗ sinnungen des Kaisers und erklärte: er schätze sich glücklich, zur Aufrechthaltung und Befestigung der guten Beziehungen zwischen beiden Ländern beitragen zu dürfen. Präsident Grévy erwiderte dem Grafen Hoyos: derselbe werde zur Erfüllung dieser Aufgabe die loyalste Mitwirkung aller aufrichtig Gesinnten finden und stets dem vollsten Vertrauen begegnen. Nach dem offiziellen Empfange unterhielt sich der Präsident noch längere Zeit mit dem Botschafter in freund⸗ lichem Gespräch. Graf Hoyos fuhr sodann zum Ministerium des Auswärtigen und konferirte dort eine Zeitlang mit
Hrn. Challemel⸗Lacour. 1
Der „Temps“ schätzt die Zahl der unverzüglich von Cochin⸗ china nach Tonkin gesandten Verstärkungstruppen auf 1200 Mann, mit deren Hülfe es dem General Bonnet gelingen werde, sich in Hanoi und Namdineh bis zur Ankunft der am 10. Juli zu erwartenden französischen Streitkräfte zu halten.
Aus Saigon wird unter dem 27. Mai gemeldet: Der
Kommandant der französischen Truppen in Saigon, Ker⸗ garadec, erwartet dort neue Instruktionen, bevor er nach Hue geht. 8 Toulon, 28. Mai. (W. T. B.) Für die Expedi⸗ tion nach Tonkin sind heute 300 Mann Marinetruppen aus Brest hier eingetroffen; weitere 700 Mann werden noch aus dem Norden erwartet.
Nachrichten, welche aus Hongkong vom 27. d. vor⸗ liegen, versichern: die chinesische Regierung sei von versöhnlichen Gesinnungen beseelt, wolle aber die Suzeränetätsrechte Chinas auf Tonkin aufrecht erhalten, Sie erkläre den von dem früheren Gesandten Frankreichs in Peking, Bourrée, entworfenen Vertrag für unannehm⸗ bar, weil er zu große Konzessionen an Frankreich enthalte. Ebenso wird in Abrede gestellt, daß chinesische Truppen gegen die Franzosen zu Hanoi mitgefochten hätten, aber man glaube, daß zahlreiche Chinesen unter den Fahnen der Schwarzen aus denen die regulären anamitischen Truppen be⸗ tehen. China werde zwar in dem jetzigen Konflikt zwischen Frankreich und Anam nicht interveniren, aber es werde auch eine Eroberung Tonkins durch Frankreich nicht zulassen. — Der neue französische Gesandte für Peking, Tricou, wird in nächster Zeit daselbst erwartet. Die chinesische Gesandtschaft in Paris hat auf Wunsch des Ministers Challemel⸗Lacour an die chinesische Regierung telegraphisch das Ersuchen gerichtet, sie möge Tricou noch vor der Ueberreichung seines Beglaubi⸗ gungsschreibens empfangen.
Griechenland. Athen, 28. Mai. (W. T. B.) Das französische Geschwader, welches im Piräus angekommen ist, wird heute vom König besichtigt und geht dann nach Korfu. Admiral Comte begleitet das Geschwader auf der Fregatte „Triomphante“.
Rumänien. Bukarest, 28. Mai. (W. T. B.) Die Kammer wählte einstimmig Rosetti zum Prösidenten. Derselbe beabsichtigt aber an der Debatte über die von ihm selbst angeregte Wahlreform thätigen Antheil zu nehmen und hat deswegen die Annahme des Präsidiums abgelehnt.
Raßland und Polen. St. Petersburg, 28. Mai. (W. T. B.) Der „Russische Invalide“ veröffentlicht auf 22 Druckseiten heute die aus Anlaß der Krönungsfeier erfolgten Ernennungen, Beförderungen und Ordens⸗ verleihungen, welche das militärische Ressortbetreffen. Außer den bereits gemeldeten Verleihungen ist mit dem Wla⸗ dimir⸗Orden J. Klasse noch der Großfürst Wladimir dekorirt worden, mit dem Wladimir⸗Orden III. Klasse der russische Militär⸗Bevollmächtigee in Berlin, Oberst von Dahler, mit der IV. Klasse die Großfürsten Sergius, Konstantin Kon⸗ stantinowitsch und Demetrius. Die Brillanten zum Alexander⸗ Newski⸗Orden erhielten der Militär⸗Gouverneur von Moskau, General de Lagardie, und General Ganetzky, Commandeur
28 Grenadier⸗Corps, 27 General⸗Lieutenants, darunter der Kriegs⸗Minister Wannowsky, sind zu vollen Generalen, der Großfürst Alexis zum General⸗Admiral befördert worden.
— Aus der Krönungsstadt liegen folgende weitere Telegramme des „W. T. B.“ vor:
Moskau, 28. Mai, Vormittags 11 Uhr. Dem gestrigen Bankert wohnte auch der katholische Erzbischof⸗und zwar an der nämlichen Tafel mit dem hohen russischen Klerus bei. Für die nicht zu dem Fürstlichen Gefolge oder den Diplomaten ge⸗ hörenden Persönlichkeiten waren während des Bankets auf den Höfen des Kremls zwei Zelte aufgeschlagen; in dem einen speisten 200, in dem anderen 600 Personen. — Die gestrige Illumination gab zu wiederholten enthusiastischen Kund⸗ gebungen unter den Fenstern des Kaiserlichen Palastes Veranlassung.
— 28. Mai, Nachm. 3 Uhr 50 Min. Heute Vormittag 11 Uhr empfing der Kaiser im Thronsaal des Kremlpalais den türkischen Krönungsbotschafter, Server Pascha, so⸗ wie die japanische und persische Gesandtschaft in Audienz und nahm sodann die Beglückwünschungen der Gouvernements⸗ Adelsmarschälle, des hohen Adels, der Präsidenten der Gou⸗ vernements⸗Landschaften, der Deputationen von Finnland, der Kosaken und der asiatischen Völker, welche letztere Salz und Brod darbrachten, entgegen. Die Kosaken überreichten Heiligen⸗ bilder. Der feierliche Empfang fand in Gegenwart aller Großfürsten und Großfürstinnen sowie der Herzogin von Edinburg statt. Der Kaiser unterhielt sich dabei auf das Huldreichste mit den einzelner Personen. Um 1 Uhr er⸗ schienen das diplomatische Corps, die außerordentlichen Ver⸗ treter fremder Höfe, die hohe Geistlichkeit und die Mitglieder des Reichsraths zur Gratulation bei den Majestäten.
— 28. Mai, Nachmittags 4 Uhr. Der Kaiser machte gestern Abend ohne jedes Geleit eine Rundfahrt durch die Stadt, um die Illumination in Augenschein zu nehmen. — Der päpstliche Krönungsbotschafter Vanutelli ist gestern Abend angekommen; der Kaiser wird denselben heute Nachmittag empfangen. — Seit 10 Uhr Vormittags empfingen der Kaiser und die Kaiserin, auf dem Throne im St. Andreassaale sitzend, Glückwünsche. Alle Botschafter begaben sich in großer Gala nach dem Palast; die einheimischen Deputationen überreichten zahl⸗ reiche Geschenke, die besonders aus russischen Gold⸗ und Silber⸗ arbeiten bestehen. — Die Illumination beginnt heute Abend von Neuem. Morgen ist Soiree und Ball im Kreml.
— 28. Mai, Abends 7 Uhr. Alle Souveräne und Staatsoberhäupter haben anläßlich der Krönung Glückwunsch⸗Telegramme an den Kaiser Alexander ge⸗
richtet; in besonders berzlicher Weise gratulirte Kaiser Wilhelm, dem der Kaiser Alexander alsbald, die alten guten Gesinnungen betonend, telegraphisch dankte.
— 29. Mai, früh 1 Uhr. Das gestern Abend in der Granowitaja Palata stattgehabte Ballfest war äußerst glänzend. Der Kaiser und die Kaiserin erschienen Wum 9 ½ Uhr und verweilten bis 11 Uhr. Bei der Polonaise führte der Kaiser zunächst die Kaiserin; dann folgte eine Tour des Kaisers mit der Königin von Griechenland, der Gemahlin des Botschafters Waddington und der Gemahlin des Botschafters Jaures, während die Kaiserin zunächst mit dem deutschen Botschafter von Schweinitz und dann mit den Botschaftern Waddington und Jaurèes tanzte. Im Saale waren die dem Kaiserpaar heute dargebrachten Geschenke, nach mehreren Hunderten zählend und von hohem künstlerischen Werthe und ganz außerordent⸗ licher Pracht, aufgestellt. Der Kreml war feenhaft illuminirt. — Morgen Abend findet ein großes Diner bei dem deutschen Botschafter von Schweinitz statt.
— 29. Mai, Vormittags 11 Uhr 30 Minuten. (W. T. B.) An dem gestrigen Balle in der Granowitaja Palata nahmen gegen 2500 Personen Theil. Zu dem am Freitag bei dem deutschen Botschafter, General⸗Lieutenant von Schwei⸗ nitz, stattfindenden Ballfest, welchem das Kaiserpaar und sämmtliche Mitglieder der Kaiserlichen Familie beiwohnen werden, sind über 700 Einladungen ergangen: an die fremden Fürstlichkeiten, das diylomatische Corps, die hohen Würdenträger, an die Generalität und die ersten Familien der St. Petersburger und Moskauer Gesellschaft, sowie an Vertreter der hiesigen deutschen Kolonie. — Heute findet eine größere Soirée bei dem General⸗ Gouverneur von Moskau statt. — Der Kaiser hat dem Ober⸗Polizeimeister von Moskau, General Koslow, seine besondere Anerkennung vegen der bei den Feierlichkeiten ge⸗ wahrten musterhaften Ordnung ausgesprochen.
Dänemark. Kopenhagen, 29. Mai. (W. T. B.) Der König hat heute früh 5 Uhr über Lübeck die Reise nach Wiesbaden angetreten.
Amerika. Washington, 26. Mai. (W. T. B.) Hier eingegangenen Nachrichten zufolge ist in dem Friedens⸗ vertrage zwischen Chile und Peru bestimmt, daß Ta⸗ rapaca an Chile abgetreten und von demjenigen Staate, in dessen Besitz schließlich Tacna und Arica übergehen, dem anderen kontrahirenden Staate die Summe von 10 000 000 Dollars gezahlt werden soll.
Zeitungsstimmen.
In der „Norddeutschen Allgemeinen Zeirung“ lesen wir Folgendes:
Zum Beweise unserer Behauptung, daß unter der neuen Wirth⸗ schaftspolitik die Arbeitslöhne nicht nur absolut gestiegen seien, indem mehr Arbeitsgelegenheit geboten und in Folge dessen der Gesammt⸗ betrag der verdienten Löhne gewachsen sei, sondern auch relativ, indem für dieselbe Arbeitsleistung ein höherer Lohnbetrag gewährt werde, haben wir kürzlich auf die „Concordia“ Statistik bezüglich der Pro⸗ vinz Brandenburg uns berufen. In der uns vorliegenden Statistik der oberschlesischen Berg⸗ und Hüttenwerke pro 1882, herausgegeben vom Berg⸗ und hüttenmännischen Verein unter Verantwortung seines Sekretärs, des Hrn. Dr. Joh. B. Meyer, wird uns neues Material zur Vervollständigung des in dieser Beziehung von uns angetretenen Be⸗ weises geboten. Da es hier nicht darauf ankommt, wie oiele Arbeiter mehr beschäftigt wurden, wieviel an Löhnen absolut mehr gezahlt, oder Tonnen Eisen, Kohlen ꝛc. mehr produzirt wurden, so haben wir die angegebenen Zahlen in übersichtliche Verhältnißzahlen um⸗ gerechnet.
Setzen wir nun die betreffenden Werthe des Jahres 1878 gleich 100, so stellen sich bei der Steinkohlengruben
Arbeiterzahl Lohnsumme Jahreslohn Leistungsfähigkeit eines Arbeiters. 1879 101 110 107 1880 108 118 1881 112 — 1 1882 122 3 109
Die Steigerung der Arbeiterzahl von 100 in 1878 auf 122 in 1882, verglichen mit der Steigerung der Löhne von 100 auf 143, er⸗ giebt schon an sich, daß der einzelne Arbeiter im Durchschnitt 1882 21 % mehr verdient hat als 1878. Es könnte jedoch dieses Mehr auf einer längeren Arbeitszeit oder einer größeren Arbeitsleistung be⸗ ruhen; vergleichen wir jedoch die Entwickelung der Verhältnißzahlen für die Durchschnitts löhne mit derjenigen für die Leistungsfähigkeit eines Arbeiters, so sehen wir, daß der Durchschnitt der Löhne stets höher steht, als die Leistungsfähigkeit. Die Differenz zwischen beiden Verhältnißzahlen ergiebt aber, um wie viel die Löhne qualitativ sich gehoben huben; für dieselbe Leistung im Vergleiche zu 1878 = 100 betrug alo 1879 der Lohn 103, 1880 und 1881 stieg er auf 107 und 1882 auf 109.
Für die Eisenerzgruben finden wir ein ähnliches Verhält⸗ niß; hier müssen wir jedoch, da die Angaben für 1878 nicht vollstän⸗ dig sind, die Werthe für 1879 gleich 100 setzen; dann ergeben sich als Verhältnißzahlen: 8
1880 111
1881 138 3 8 8 1882 140 -JI 85 Die Arbeiterzahl stieg von 1879 = 100 für 1882 auf 140, der Lohnbetrag auf 131. Dem entsprechend sank der Durchschnittslohn, auf 94; da jedoch die Leistung noch mehr sank, so haben wir hier den Fall, daß, trotzdem der beschäftigte Arbeiter quantitativ weniger verdiente, der Lohn qualitativ auf 112, 107 resp. 109: 100 sich tellte. 1 Ungünstiger stellten sich die Zink⸗ und Bleierzgruben hinsichtlich des qualitativen Lohnes: 8 1880 103 109 107 95 1881 102 110 107 110 1882 102 109 107 119 Hier stellt sich das Jahr 1880 am günstigsten und hat die größte Steigerung der Arbeiterzahl, und die Differenz zwischen Durchschnitts⸗ lohn und Leistungsfähigkeit stellt sich im Vergleich mit 1879 auf 112, wogegen letztere 1881 auf 97 und 1882 auf 88 herabsinkt. Bei den Hochöfenbetrieben stellte sich im Vergleich mit 1879 — 100 Arbeiterzahl Lohnbetrag Produktion 1880 119 123 116 1881 109 135 111 1882 149 184 129 Da die Verhältnißzahl für den Lohnbetrag um so viel mehr ge⸗ stiegen ist, als diejenigen für Arbeiterzahl und Produktion, so ist der Lohn für den Arbeiter sowohl relativ als absolut gestiegen Die Eisengießereibetriebe ergeben: 1880 103 116 116 1881 106 19 1 1882 116 128 126 Auch hier zeigt sich neben der absoluten Steigerung der Löhne eine geringe relative. 8 1 Fassen wir nun die Gesammtmontanindustrie Oberschlesiens zu⸗
sammen, so ergiebt sich, die Werthe pro 1879 gleich 100 gesetzt:
Durch⸗ Arbeiter⸗ Lohn⸗ schnitts⸗lohn . zahl summe eines 1 kti
Arbeiters duktion 8 111 105 110 ] 118 106 116 1882 131 100 v“ b Der Gesammtlohnbetrag steigt schneller als Arbeiterzahl und Produktion, dem entsprechend verhält sich der Durchschnittslohn eines Arbeiters ebenfalls dauernd steigend. Aus beiden ergiebt sich, daß die Löhne sowohl absolut als relativ, d. h. für dieselbe Leistung gestiegen sind. Im Vergleiche der Verhältnißzahlen des Gesammt⸗ lohnbetrages mit dem der Werthe der Produktion dürfte sich aber ergeben, daß zwischen Unternehmern und Arbeitern eine fast gleich⸗ mäßige Vertheilung der gesteigerten Rentabilität stattgefunden hat. Halten wir uns gegenwärtig, daß im Vergleiche von 1879 = 100 die Arbeiterzahl sich 1882 stellt auf 119, der Gesammtlehnbetrag auf 131, der Durchschnittslohn eines Arbeiters auf 109, die Masse der Produktion auf 122 und der Werth derselben auf 130, so wird man füglich doch zu keinem anderen Schlusse kommen können, als daß seit 1879 die Gesammtmontanindustrie Oberschlesiens sich in sehr erfreu⸗ licher und für den Arbeiterstand ersprießlicher Weise entwickelt hat. Um nun schließlich einen Begriff von der wirthschaftlichen Be⸗ deutung der hier angezogenen Verhältnisse zu geben, stellen wir für die Gesammtmontanindustrie Oberschlesiens folgende absolute Zahlen nebeneinander.
1879 1882
Gesammtproduktion, . . . .t 10 659 497 12 952 981 Werth der Produktion . .ℳ 120 603 646 157 045 253 iwvʒ 61 884 73 804 Jahresbeitrag der Arbeitslöhne. ℳ 30 731 043 40 104 171 Durchschnittslohn eines Arbeiters
11öö]“ 496,50 543,39 Unter den 73 804 im Jahre 1882 beschäftigten Arbeitern be⸗ fanden sich 9453 Frauen (12,8 %) und 1661 jugendliche Arbeiter beiderlei Geschlechts unter 16 Jahren (2,1 %), was bei Würdigung des Jahres⸗Durchschnittslohns der Arbeiter in Betracht gezogen werden muß.
— Die industrielle Thätigkeit in den westlichen Provinzen erhält sich fortdauernd auf erfreulicher Höhe. Aus Westfalen liegen der „Bonner Ztg.“ recht günstige Privatberichte über einzelne Industriezweige vor. Ueberall ist reiche Nachfrage nach Arbeitskräften. Die Kalkindustrie bei Lengerich wird gegenwärtig mit vermehrten Arbeitskräften und gutem Absatz betrieben. Die mechanischen Webereien in Warendorf und die Streichgarnfabrik in Sassenberg stehen in Blüthe. Die Handplüschweberei in Freckenhorst hat sich emporgearbeitet, — es stehen dort jetzt 50 bis 60 Stühle in Betrieb. Die mechanischen Webereien zu Kösfeld, Dülmen und Gescher haben flotten Absatz. Die Spinnereien und Webereien zu Rocholl waren andauernd mi voller Arbeitskraft in Thätigkeit. Es ist daselbst mit dem Bau einer neuen mechanischen Weberei, die im August eröffnet werden soll, be gonnen. In Ahaus soll eine neue Fabrik gebaut werden.
Werth der Pro⸗ duktion
Amtsblatt des Reichs⸗Postamts. Nr. 28. — Inhalt Verfügungen: vom 21. Mai 1883. Postnachnahme⸗ und Postauftrags verfahren im Verkehr mit Oesterreich⸗Ungarn. — Vom 22. Ma 1883. Eröffnung der Eisenbahnstrecken Diedenhofen —Kedingen un Wadgassen — Völklingen. — Vom 23. Mai 1883. Postdampfschiff⸗ Verbindungen mit Dänemark und Schweden.
Gewerbe und Handel.
Nach den statistischen Ermittelungen des Vereins deutsche Eisen⸗ und Stahlindustrieller belief sich die Roheisen produktion des Deutschen Reichs (einschließlich Luxemburgs im Monat April 1883 auf 279 706 t, darunter 169 034 t Puddel roheisen, 10 503 t Spiegeleisen, 43 367 t Bessemer⸗, 28 646 t Thom roheisen und 25 056 t Gießereiroheisen. Die Produktion im Apri 1882 betrug 241 890 t. Vom 1. Januar bis 30. April 1883 wur den produzirt 1 113 457 t gegen 1 025 144 t im Porjahre.
Fbnigsberg i. P WI heutige Generalversammlung der Ostpreußischen Südbahn war von 19 Aktionären mit 1239 Stimmen besucht und wurde in Vertretung des durch Unwohlsein verhinderten Grafen Lehn⸗ dorff durch den stellvertretenden Vorsitzenden, Geh. Kommerzien Rath Simon eröffnet. Die Dividende wurde auf 11 8½ % festgesetzt, und zwar 5 % für die Stamm⸗Prioritäts Aktien, 4 % für die Stamm⸗Aktien und die älteren Rückstände. Der Antrag Schünemann (Berlin), vom nächsten Jahre ab die Rücklagen in den Erneuerungsfonds, desse jetzige Höhe 3 Millionen Mark beträgt, erheblich zu reduziren, wurd einstimmig angenommen und eine dahingehende Petition an den Mi⸗ nister Maybach beschlossen. Aus den Betriebseinnahmen pro 188 wurden 426 975 ℳ 26 ₰ dem Erneuerungsfonds überwiesen. der Ergänzungswahl in den Aufsichtsrath wurden von Kalkstein und Baron von der Goltz wiedergewählt und an Stelle des Baron Rom⸗ berg Franz Brodtmann (Berlin) neu gewählt.
Breslau, 26. Mai. In der heute abgehaltenen General⸗ versammlung der Schlesischen Lebensversicherungs⸗Aktien⸗ Gesellschaft waren 255 Aktien mit der gleichen Anzahl Stim⸗ men verrreten. Die beantragte Decharge wurde einstimmig ertheilt und die ausgeschiedenen Verwaltungsraths⸗Mitglieder wiedergewählt. Dem Geschäftsbericht entnehmen wir Folgendes: Es gelangten während des Jahres 1882 zum Abschluß: 678 Kapitalversicherungen auf den Todesfall über eine Summe von 2 132 700 ℳ, 142 Kapital⸗ versicherungen auf den Lebensfall über eine Summe von 313 600 ℳ, 4 Rentenversicherungen auf 1559 ℳ 46 ₰ jährliche Rente. Hier⸗ durch war am Schlusse des Jahres nach Abzug aller während desselben erloschenen Versicherungen der Bestand auf 3549 Kapitalversicherungen auf den Todesfall über 11 075 873 ℳ, 550 Kapitalversicherungen auf den Lebensfall über 1 122 726 ℳ, 29 Rentenversicherungen auf 25 160 ℳ 45 ₰ jährliche Rente gewachsen Der Bestand der Sterbekassen⸗Versicherungen betrug ultimo 1882 234 Versicherungen über 114 300 ℳ — Gegen Unfall waren am Schlusse det Jahres 1882: kollektiv: 106 776 Personen mit einer Summe von 952 569 031 ℳ, individuell: 1908 Personen mit einer Summe von 21 354 568 und 23 000 ℳ jährliche Rente, auf Reisen: 175 Personen mit einer Summe von 2 694 000 ℳ versichert. Die Gesammt⸗Prämieneinnahme betrug 1 112 920,93 ℳ, die Gesammt⸗Einnahme 3 048 489,66 ℳ, die Gesammt⸗Ausgabe 3 015 577,14 ℳ, der Gewinn also 32 912,52 ℳ, welcher letztere folgendermaßen zur Vertheilung kam: zum Kapital⸗Reservefonds 3291 ℳ 25 ₰, zu Tantièmen 5258 ℳ 20 ₰, zur Dividende 4 % oder 12 ℳ pro Aktie 24 000 ℳ, Vortrag auf neue Rechnung 363 ℳ Den mit Anfpruch auf Gewinn Versicherten wurde eine Gewinnrate von 15 475 ℳ überwiesen, was die Vertheilung einer Dividende von über 16 % in Aussicht stellt, welche im Jahre 1886 zur Auszahlung
elangt.
8 mühlen bei Kiel, 26. Mgi. In der heutigen General⸗ versammlung der Baltischen Mühlen⸗Gesellschaft wurde die Dividende für das Geschäftsjahr 1882/83 auf 11 % festgesetzt und das nach dem Turnus ausscheidende Mitglied des Verwaltungsraths ein⸗ stimmig wiedergewählt. Dem Jahresbericht entnehmen wir folgende Daten: Im Jahre vom 1 April 1882 bis 1. April 1883 sind im Neumühler Etablissement 76 023 t Weizen und 387 t Roggen à 1000 kg verarbeitet, d. i. circea 12 % mehr als im Jahre 1881/82. Bei der schönen und großen Ernte von Weizen in den Herzogthümern und allen an die Ostsee grenzenden Ländern, aus
denen das Neumühler Etablissement importirt, ist der Bedarf desselben