1883 / 133 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 09 Jun 1883 18:00:01 GMT) scan diff

Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 9. Juni. Se. Majestät der Kaiser und König besichtigten heute die Garde⸗Feld⸗ Artillerie⸗Brigade.

Gestern Nachmittag ertheilten Se. Majestät dem Wirklichen Geheimen Rath von Kleist⸗Retzow und dem Landrath des Kreises Guben, Prinzen Schönaich⸗Carolath, Audienzen.

Ihre Majestät die Kaiserin und Königin empfing gestern in Coblenz den Besuch Ihrer Königlichen Hoheiten des Prinzen und der Prinzessin Albrecht.

Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz begab Sich gestern Morgen vom Neuen Palais zu Wagen zur Besichtigung eines Exerzierens des 3. Garde⸗ Grenadier⸗Regiments Königin Elisabeth nach Spandau und kehrte nach Beendigung desselben ebenso nach Potsdam zurück.

Der Bundesrath hat in seiner Sitzung vom 21. Mai d. J. beschlossen, dem Instruktionspunkt III zu dem amtlichen Waarenverzeichnisse zum Zolltarif am Schlusse fol⸗ genden Zusatz beizufügen:

„Bei Gemengen aus verschieden tarifirten Ge⸗ treidearten oder aus Getreide und anderen Erzeugnissen des

Landbaues gilt die Menge des am höchsten belegten Bestandtheils

als unerheblich, wenn das Gewicht derselben nicht mehr als 10 % von dem Gewicht des Gemenges beträgt.“

Ferner in seiner Sitzung vom 28. Mai d. J., daß die für die Verwendung von Melilotenblüthen (Steinklee) zur Herstellung von Tabackfabrikaten festgesetzte jührliche Mi⸗ nimalmenge von 100 kg auf 25 kg herabgesetzt werde.

Der Bericht über die gestrige Sitzung des Reichstages befindet sich in der Ersten Beilage.

Die heutige (100.) Sitzung des Reichstages, welcher der Staats⸗Minister von Boetticher sowie mehrere andere Bevollmächtigte zum Bundesrath und Kommissarien desselben beiwohnten, wurde von dem Präsidenten von Levetzow um 1 ½ Uhr eröffnet.

Erster Gegenstand der Tagesordnung war die erste und eventuell zweite Berathung der Ergänzung zu dem Reichshaushalts⸗Etat für das Jahr 1883/84 (Reichs⸗ tagsgebäude).

Bei Schluß des Blattes ergriff der Staats⸗Minister von Boetticher das Wort.

In der heutigen (78.) Sitzung des Hauses der bgeordneten, welcher der Vize⸗Präsident des Staats⸗ Ministeriums und Minister des Innern von Puttkamer, er Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten Dr. Lucius, sowie zahlreiche Kommissarien beiwohnten, er⸗ klärte der Präsident von Köller, daß nach einer Mittheilung des Präsidenten des Herrenhauses das Herrenhaus in seiner gestrigen Sitzung in Uebereinstimmung mit dem Hause der Abgeordneten dem Gesetzentwurf, betreffend die Zwangsvoll⸗ streckung in das unbewegliche Vermögen und dem dazu ge⸗ hörigen Gerichtskostengesetz seine Zustimmung ertheilt habe. 14 Hierauf trat das Haus in die Tagesordnung ein. Erster Gegenstand derselben war die Berathung der vom Hexrren⸗ hause in veränderter Fassung zurückgelangten Entwürfe eines esetzes über die allgemeine Landesverwaltung nd eines Gesetzes über die Zuständigkeit der Ver⸗ waltungs⸗ und Verwaltungsgerichtsbehörden. In der Berathung des ersten Gesetzes fand eine General⸗ diskussion nicht statt. In der Spezialdiskussion wurden die §. 1 27 ohne Debatte genehmigt. §. 28 lautet in der Fassung des Herrenhauses: Der Bezirksausschuß besteht aus dem Regierungs⸗Prätidenten als Vorsitzendem und aus sechs Mitgliedern.

Zwei dieser Mitglieder, von denen eins zum Richteramte, eins zur Bekleidung von höheren Verwaltungsämtern befähigt sein muß, werden vom Könige auf Lebenszeit ernannt. Aus der Zahl dieser Mitglieder ernennt der König gleichzeitig den Stellvertreter des Regierungs⸗Präsidenten im Vorsitze mit dem Titel Verwaltungs⸗ gerichts⸗Direktor. Zur sonstigen Stellvertretung des Regie⸗ rungs⸗Präsidenten im Bezirksausschusse und zur Stellver⸗ tretung jedes der beiden auf Lebenszeit ernannten Mitglieder ernennt der König ferner aus der Zahl der am Sitze des Bezirksausschusses ein richterliches oder ein höheres Verwaltungsamt bekleidenden Beamten einen Stellvertreter. Die Ernennung der Stellvertreter erfolgt auf die Dauer ihres Hauptamts am Sitze des Bezirks⸗ ausschusses.

Die vier anderen Mitglieder des Bezirksausschusses werden aus den Einwohnern seines Sprengels durch den Provinzial⸗ ausschuß gewählt. In gleicher Weise wählt letzterer vier Stell⸗ vertreter, über deren Einberufung das Geschäftsregulativ bestimmt.

Wählbar ist mit Ausnahme des Ober⸗Präsidenten, der Regie⸗ rungs⸗Präsidenten, der Vorsteher Königlicher Polizeibehörden, der Landräthe und der Beamten des Provinzialverbandes jeder zum Provinzial⸗Landtage wählbare Angehörige des Deutschen Reichs. Mitglieder des Provinzialraths können nicht Mitglieder des Bezirks⸗ ausschusses sein.

Im Uebrigen finden auf die Wahlen bezw. die gewählten Mitglieder die Bestimmungen der §§. 11, 12 und 13 sinngemöße Anwendung.

Der Abg. Dirichlet beantragte, die Beschlüsse des Abgeord⸗

netenhauses wiederherzustellen. Der Abg. Dr. Brüel erklärte, daß er in der vom Herren⸗ haus beschlossenen Aenderung eine Verbesserung erblicke und keine Bedenken habe, dieselbe zu acceptiren. 8 Unter Ablehnung des Antrags Dirichlet wurde der Paragraph in der Fassung des Herrenhauses angenommen. Desgleichen ohne Debatte die folgenden Paragraphen bis §. 60 inkl. §. 61 lautet nach der Fassung des Herren⸗ hauses: Die Bestimmungen der bürgerlichen Prozeßgesetze über Aus⸗ schließung und Ablehnung der Gerichtspersonen finden für das Ver⸗ waltungsstreitverfahren sinngemäße Anwendung.

Aus der amtlichen Thätigkeit des Landraths bezw. des Regie⸗

rungs⸗Präsidenten darf kein Grund zur Ablehnung desselben wegen Besorgniß der Befangenheit entnommen werden. Nach kurzer Debatte wurde §. 61 mit einigen vom Abg. Dr. Brüel beantragten Aenderungen angenommen. Desgleichen wurde ohne Debatte der Rest des Gesetzes angenommen, das in definitiver Abstimmung mit großer Mehrheit genehmigt wurde.

Auch in der Berathung des Gesetzes über die Zu⸗ ständigkeit der Verwaltungs⸗ und Verwaltungs⸗ gerichtsbehörden fand eine Generaldiskussion nicht statt.

In der Spezialdebatte wurden die §§. 1—6 unverändert genehmigt. .

§. 7, welcher nach der Fassung des Herrenhauses lautet:

Die Aufsicht des Staates über die Verwaltung der städtischen Gemeindeangelegenheiten wird in erster Instanz von dem Regie⸗ rungs⸗Präsidenten, in höherer und letzter Instanz von dem Ober⸗ Präsidenten geübt, unbeschadet der in den Gesetzen geordneten Mit⸗ wirkung des Bezirksausschusses und des Provinzialrathes.

Für die Stadt Berlin tritt an die Stelle des Regierungs⸗ Präsidenten der Ober⸗Präsident, an die Stelle des Ober⸗Präsi⸗ denten der Minister des Innern, für die Hohenzollernschen Lande tritt an die Stelle des Ober⸗Präsidenten der Minister des Innern.

Beschwerden bei den Aufsichtsbehörden in städtischen Gemeinde⸗ angelegenheiten sind in allen Instanzen innerhalb zwei Wochen an⸗ zubringen. b b

wurde nach kurzer Debatte unverändert genehmigt. Ebenso §§. 8— 12 wurden ohne Debatte genehmigt.

§. 13 lautet nach den Beschlüssen des Abgeordnetenhauses:

Soweit die Bestätigung der Wahlen von Gemeindebeamten nach Maßgabe der Gemeindeverfassungsgesetze den Aufsichtsbehörden zusteht, erfolgt dieselbe durch den Regierungs⸗Präsidenten.

Die Bestätigung kann nur unter Zustimmung des Bezirks⸗ ausschusses versagt werden. Lehnt der Bezirksausschuß die Zustim⸗ mung ab, so kann dieselbe auf den Antrag des Regierungs⸗Präsi⸗ denten durch den Minister des Innern ergänzt werden.

Der von dem Regierungs⸗Präsidenten unter Zustimmung des Bezirksausschusses gefaßte Beschluß ist endgültig.

Hierzu beantragte der Abg. Dr. Brüel:

Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen:

„Soweit die Bestätigung der Wahlen von Gemeindebeamten nach Maßgabe der Gemeindeverfassungsgesetze den Aufsichtsbehörden zusteht, erfolgt dieselbe durch den Regierungspräsidenten.

Die Bestätigung kann nur unter Zustimmung des Bezirksaus⸗ schusses versagt werden. Lehnt der Bezirksausschuß die Zustimmung ab, so kann dieselbe auf den Antrag des Regierungs⸗Präsidenten durch den Minister des Innern ergänzt werden.

Wird die Bestätigung vom Regierungs⸗Präsidenten unter Zu⸗ stimmung des Bezirksausschusses versagt, so kann dieselbe auf An⸗ trag des Gemeindevorstandes oder der Gemeindevertretung von dem Minister des Innern ertheilt werden.“

Der Abg. Dr. von Heydebrand und der Lasa erklärte, daß die Mehrzahl seiner Freunde für den Antrag Brüel stimmen würde. Es sei nicht zu verantworten, wenn an diesem einen Paragraphen das ganze Cesetz scheitern sollte. Ein Kronrecht werde hier nicht in Frage gestellt: sonst wäre die ganze Selbstverwaltung ein Eingriff in die Hoheitsrechte des Staates, da sie die Theilnahme der Laien an der Staatsverwaltung regele. Im Herrenhause sei man von verschiedenen Seiten für die Fassung des Antrages Brüel eingetreten. Man könne den Gesetzentwurf ruhig annehmen in der Ueberzeugung, damit dem Lande eine Wohlthat zu erweisen, und in der Hoffnung, daß weder die Staatsregierung noch das Herrenhaus um dieses einen Paragraphen willen das ganze Gesetz nicht zu Stande kommen lassen werden.

Hierauf nahm der Staats⸗Minister von Puttkamer das Wort:

Meine Herren! Die ebenso beredten wie geschickten Ausführungen des Herrn Vorredners versetzen mich im Geiste aus diesen Räumen hieraus lebhaft in das Herrenhaus; denn ich glaube, sie sind ein wohl⸗ gemeinter Appell an die Bereitwilligkeit des anderen Hauses, den Gründen, welche dieses Haus, wie er annimmt, bestimmen werden, an dem §. 13 seiner früheren Beschlüsse festzuhalten, Gehör zu schenken und ihnen schließlich seine Zustimmung zu ertheilen. Auch ich nehme zu diesem §. 13 eine Stellung ein, die mich veranlaßt. zunächst an seine Entstehungsgeschichte zu erinnern. Sie wissen, daß eine Regelung des Beglaubigungsrechts der gewählten Gemeinde⸗ bamten in der Vorlage der Königlichen Staatsregierung nicht enthalten war, daß dieselbe vielmehr das eigenste Werk dieses hohen Hauses ist. Ich habe ihn mit materiellen Gründen, auf die ich in diesem

Stadinr 6 ; ge nic ö zurücʒ öch g ; ; 1 ; Stadium der Geschäftslage nicht näher zurückkommen möchte, zu be daß die liberalen Ansichten in so beredter Weise von dem

kämpfen mir gestattet, er hat dessenungeachtet Annahme in diesem Hause gefunden und liegt jetzt in der Fassung, die im Amendement des Hrn. Abg. Dr. Brüel eine kleine zusätzliche Aenderung erhalten hat, wiederum vor. Meine Herren, in der Kommission des Herren⸗ hauses sind diejenigen Gesichtspunkte, welche für und wider die Gestal⸗ tung, welche das Abgeordnetenhaus dem Verfahren bei der Bestätigung von Kommunalbeamten gegeben hat, ausführlich und eingehend erörtert worden. Ich erkenne an, daß schon in dieser Kommissionsberathung sich eine Bermittelnde Strömung, die im Interesse des Zustandekommens der Gesetze in diesem Punkte dem Abgeordnetenhause entgeger zukommen wünschte, geltend machte, namentlich vertreten durch den Referenten der Kommission, welche in der Annahme des §. 13 eine so gr ße Gefahr, in der von andern Seiten dargestellt wurde, für die Staats⸗ autorität nicht finden zu können glaubte. Indessen hat aber bereits die Kommission des Herrenhauses mit einer sehr großen Majorität sich dem Standpunkt, den die Staatsregierung vertreten hatte, angeschlossen und ist der Meinung gewesen, daß aus formalen und materiellen Gründen es besser sei, auf diesen §. 13 nicht einzugehen. Im Plenum haben diese Anschauungen eine sehr vien lebhaftere Färbung ange⸗ nommen und eine noch entschiedenere Vertretung gefunden und es ist den von Freunden des Zustandekommens der ganzen Gesetzgebung Hervorgehobenen Gründen eine durchgreifende Beachtung nicht zu Theil geworden; das Herrenhaus hat vielmehr mit einer großen Majorität den §. 13 gestrichen. Ich weiß nicht, meine Herren, ob diejenigen Gründe, welche der Hr. Abg. von Heydebrand eben zu Gunsten des §. 13 angeführt hat und die, wie ich anerkenne, von ihm in ganzer Vollständig⸗ keit und erschöpfend dargestellt sind, wenn sie im Herrenhause bei der bevorstehenden Berathung wieder zum Antrage kommen, ausreichen werden, um die Beschlußnahme des anderen Hauses in veränderter Richtung zu gestalten. Das ist eine Frage, die mir in diesem Augenblick zu entscheiden, nicht obliegt. Ich möchte sogar glauben, daß Er⸗ klärungen der Regierung hierüber mit Rücksicht auf die Stellung des anderen Hauses nicht zu verantworten wären. Ich wünsche nicht dazu beizutragen, den Eindruck zu erwecken, als wenn die Staatsregierung die Entschlüsse des an⸗ deren Hauses in dem jetzigen Stadium der Sache oder überhaupt gewissermaßen unter einem mechanischen Druck stellen wollte, als wenn sie demselben präjudiziren wollte in der vollkommenen Freiheit seiner Entschließung. Meine Herren! Ich darf daran erinnern, daß auch ich im Namen der Königlichen Staatsregierung im anderen

ause das Für und Wider zu dem §. 13 ausführlich erörterte. Ich fin denjenigen Anschauungen, welche einen nicht zu toleriren⸗ den Eingriff in die Kronrechte in diesem §. 13 darstellten und welche sehr lebhaften Ausdruck fanden, entgegen getreten. Ich habe anerkannt, daß davon keine Rede sein könne; als ob die Form, in welcher das Abgeordnetenhaus die Bestätigung der Kom⸗ munalbeamten gestalten wollte, als ob die Einschränkung, welche der freien Entschließung des Regierungs⸗Präsidenten im Falle der Nicht⸗ bestätigung zu Theil werden würde, unter dem Gesichtspunkt zu fassen, daß es eine dem monarchischen Prinzip widersprechende Minderung des Kronrechts wäre. Das ist schon dadurch ausgeschlossen, daß diejenigen Kommunalbestätigungen, welche der Krone selbst vor⸗ behalten, durch den §. 13 überhaupt nicht getroffen werden. Ich habe auch anerkannt, daß, so wünschenswerth für den obersten Verwaltungöbeamten, der in dieser Frage mitzusprechen hat, für den Minister des Innern die Lage sei, in welche er unter Umständen gedrängt würde, wenn dergleichen schwie⸗ rige Fragen an ihn zur Entscheidung kämen, er dennoch wohl in sich das nöthige Gleichgewicht und die nöthige Entschlußfähigkeit finden werde, um über die Schwierigkeiten in einem solchen Falle hinauszu⸗ kommen. Ich habe aber auf der anderen Seite wesentlich und das hat auch im Herrenhause gewiß einen großen Theil der Motive gebildet, aus denen §. 13 abgelehnt worden mich für verpflichtet gehalten, im Interesse der Selbstverwaltungsocgane selbst, wie ich es verstehe zu

plaidiren, d. h. aus dem Wunsche heraus, von den Selbstverwaltungs⸗ körpern, namentlich wie sie sich in der Bezirksinstanz neu gestalten sollen, die Diskussion politischer Fragen möglichst fern zu halten, weil ich der Meinung war und noch heute bin, daß nichts verhängniß⸗ voller und gefährlicher für eine ersprießliche Thätigkeit, namentlich für das Zusammenwirken des Vorsitzenden und des Kollegiums sein würde, als wenn auf einem Gebiete, welches an sich den Berathungen der Selbstverwaltungsbehörden fern bleiben sollte, Gelegenheit zu tiefgehenden Differenzen bieten wollte, wie das bei Erörterungen von politischen Gesichtspunkten in Betreff der Bestätigung von Kommunal⸗ beamten leicht der Fall sein würde. Ich habe aus den Aeußerungen des Hrn. Abg. von Heydebrand, namentlich aus dem Eingange derselben ent⸗ nommen, daß die Haltung, die er jetzt einzunehmen für gut befindet und die er im Namen der Mehrheit seiner politischen Freunde hier geäußert hat, doch wesentlich auf taktischen Gründen beruht, daß es aber ihm und seinen politischen Freunden sehr wohl möglich sein würde, das Gesetz auch anzunehmen ohne den §. 13, und ich wieder⸗ hole: die Ausführungen, welche er später machte, um ihn materiell zu begründen, halte ich mehr für eine Entwickelung derjenigen Mo⸗ mente, welche es seiner Meinung nach dem Herrenhause und der Re⸗ gierung möglich machen sollen, auf den §. 13 einzugehen. Ich lege Werth darauf, das hier ausdrücklich zu konstatiren, denn ich muß gestehen, es wäre für den Standpunkt der Regierung außerordentlich unerwünscht, mir sagen zu müssen, daß in einer immerhin so wich⸗ tigen Frage den Ansichten dieses hohen Hauses gegenüber die Staats⸗ regierung mit ihrer Meinung isolirt dastünde. So viel ich weiß, ist allerdings bei der vorhergegangenen Berathung nur eine Stimme, und zwar der Abg. von Zedlitz mit großer Entschiedenheit für den Standpunkt der Regierung eingetreten. Ich nehme also an, daß aus dem etwaigen bevorstehendem Votum der konservativen Partei des Hauses, wenn es sich gegen den Wunsch der Regierung entscheiden sollte, nicht zu folgern sein werde, daß es sich hier um einen wirklich prin⸗ zipiellen Unterschied von der Auffassung der Staatsregierung handelt, sondern diese Stellungnahme diktirt ist von der Rücksicht auf den dringenden Wunsch nach einem günstigen Erfolge der uns jetzt beschäftigenden gesetzgeberischen Arbeit. Ich glaube, meine Herren,

daß wenn diese Erwägungen im anderen Hause wieder vorgeführt werden, sie von einigem Werthe für seine Entscheidung sein werden,

namentlich wenn sich das andere Haus vergegenwärtigen wird, daß see b zu diesen gesetzgeberischen Fragen in den Be⸗ chlüssen, die wir eben gefaßt haben, eine anerkennenswerthe Berück⸗ sichtigung gefunden hat. Wie gesagt, ich stehe auf dem Standpunkt, daß ich mir sage: ich habe es in diesem Augenblick zu thun nicht mit einer Vorlage der Staatsregierung, sondern mit einem Vorschlage des Ab⸗ geordnetenhauses, den das Herrenhaus abgelehnt hat und den ich von dem Standpunkte der Staatsregierung auch als einen unzweckmäßigen und nicht wünschenswerthen erachten muß. Deshalb habe ich meine Aufgabe hier erfüllt, wenn ich Sie bitte, aus den Gründen materieller Art, die schon früher crörtert sind, den §. 13 abzulehnen. Ich stelle die Beschlußfassung natürlich dem Hause anheim und kann nicht vorher sagen, welchen Einfluß dieselbe auf die Entschließung des anderen Hauses haben wird; und noch weniger bin ich in der Lage, zu sagen, wie die Stellung der Staatsregierung sich zu de Frage schließlich gestalten wird. Das wird sich erst dann ent⸗ scheiden können, wenn wir eine abgeschlossene Erörterung zwischen den beiden parlamentarischen Vertretungskörpern der Monarchie vor uns haben werden. Die Regierung hat ihre Schuldigkeit gethan, wenn sie die von ihr eingebrachte Vorlage vertheidigt hat, das Uebrige hat sie der Weisheit und der Entschließung der Häuser zu überlassen; an ihrem Theil wird es dann sein, wenn diese Entschließung vorliegt, wenn eine Uebereinstimmung der beiden hohen Häuser erreicht sein sollte, Sr. Majestät dem Könige Vortrag darüber zu halten, ob sie das Gesammtresultat der gemeinsamen Berathung zur Allerhöchsten Annahme empfehlen soll. 1 8 Der Abg. Lauenstein erklärte im Namen seiner Partei, daß dieselbe für den Antrag Brüel stimmen werde; die da⸗ gegen geltend gemachten Bedenken seien wesentlich theoretischer Natur, wie der Abg. von Heydebrand nachgewiesen habe. Der Abg. Dirichlet schloß sich im Namen seiner Freunde dieser Erklärung an und sprach seine Freude darüber aus,

Abg. von Heydebrand vertheidigt worden seien.

Der Abg. von Tiedemann (Inowrazlaw) erklärte, daß ein Theil seiner Freunde gegen den Antrag Brüel stimmen, und die Annahme desselben im höchsten Grade bedauern würde; es solle nicht scheinen, als ob sich hier im Hause keine einzige Stimme für die Beschlüsse des Herrenhauses er⸗ hoben habe.

Der Abg. Dr. Windthorst ersuchte um Annahme des An⸗ trags Brüel, der keine Kronrechte verletzen, sondern nur eine gesunde Insormation für die Bestätigungsfrage schaffen würde; ein Votum, das die Kronrechte verletze, würden seine Freunde niemals abgeben.

Nach einigen weiteren Bemerkungen der Abgg. von Tiede⸗ mann und Dr. von Heydebrand und der Lasa wurde der Antrag Brüel mit großer Mehrheit angenommen; desgleichen ohne Debatte der Rest des Gesetzes und das Gesetz selbst in definitiver Abstimmung.

Es folgte die dritte Berathung des Gesetzentwurfs, be⸗ treffend den Bau eines Schiffahrtskanals zur Ver⸗ bindung des Rheins mit der Ems, Weser, Elbe.

In der Generaldebatte führte der Abg. von Gerlach noch einmal alle Thatsachen an, die für den Binnenkanal nach Magdeburg sprächen.

Der Abg. Frhr. von Minnigerode äußerte finanzielle Be⸗ denken gegen eine großartige Kanalbaupolitik; man solle statt dessen lieber billigere Eisenbahntarife herstellen.

In der Spezialdiskussion wurde der Gesetzentwurf unver⸗ ändert genehmigt.

Letzter Gegenstand der Tagesordnung war die dritte Be⸗ rathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Be fugnisse der Strombauverwaltung gegenüber den Uferbesitzern an öffentlichen Flüssen, und des Entwurfs eines Gesetzes, betref⸗ fend die Aufhebung der Ufer⸗, Ward⸗ und Hegungs⸗ ordnung für das Herzogthum Schlesien und die Grafschaft Glatz vom 12. September 1763.

In der Generaldiskussion bemerkte der Abg. Frhr. von Zedlitz und Neukirch, daß zwei Beschlüsse zweiter Lesung der Regierung bedenklich erschienen, nämlich erstens die Aufnahme des Wortes „rechtzeitig“ im §. 6 und zweitens die Aufnahme des ersten Absatzes im §. 12.

Der Abg. Hahn erklärte, daß ihm an dem Wort „recht⸗ zeitig“ im §. 6 nicht viel gelegen scheine, dagegen bitte er den ersten Absatz des §. 12 und überhaupt die übrigen Beschlüsse der zweiten Lesung aufrecht zu erhalten.

In der Spezialdebatte wurden die §8§. 1—5 unverändert genehmigt.

Der Abg. von Bismarck (Flatow) beantragte, im 8. 6 das Wort „rechtzeitig“ zu streichen.

Dieser Antrag, von dem Abg. Lauenstein befürwortet, wurde vom Hause angenommen. Ebenso ohne Debatte die §8. 7 bis 11. 12 multet;

Für Abspülungen und Beschädigungen der Ufer, welche durch die Strombauten hervorgerufen werden, hat der Staat Ersatz zu leisten, auch wenn dieselben nicht beabsichtigt waren. 8

Im Verwaltungswege ist, soweit dies thunlich, Fürsorge dafür zu treffen, daß durch entsprechende Vorrichtungen dem in Folge von Strombauwerken entstehenden, im Regulirungsplane nicht vor⸗

gesehenen Abbruch der Ufer vorgebeugt werde und daß da, wo solcher dennoch stattfindet, gegen weitere Beschädigung Schutzmaßregeln er⸗ griffen werden. 1

Hierzu beantragte der Abg. von Bismarck (Flatow), folgenden Absatz hinzuzufügen: „Ersatz kann nicht beansprucht werden, sofern die Abspülung bei Erfüllung der den Ufer⸗ besitzern obliegenden Pflicht zum Uferschutz abgewendet worden wäre.“

Der Abg. Letocha erklärte, daß dieser Zusatz nach dem Landrecht, der Abg. Lauenstein, daß er nach dem gemeinen Recht selbstverständlich sei, was der Antragsteller auch zugab.

Der Antrag wurde angenommen.

Ebenso ohne Debatte der Rest des Gesetzes und das Gesetz

selbst in definitiver Abstimmung.

Schluß 12 ½ Uhr. Nächste Sitzung Montag 9 Uhr.

Nach Mittheilungen aus dem Auslande sind folgende

Submissionen ausgeschrieben worden:

1) von der Artillerie⸗Direktion des pyrotechnischen Laboratoriums zu Bologna für den 19. Juni d. J., bis 2 Uhr Nachmittags, eine Submission auf 36 000 kg Messing⸗ platten im Taxwerth von 79 200 Lire;

2) von derselben Behörde für den 20. Juni d. J., bis 2 Uhr Nachmittags, eine Submission auf 115 000 kg Messing⸗ platten im Taxwerth von 253 000. j

3) von der Artillerie⸗Direktion des Präzisions⸗Laborato⸗ riums in Turin für den 21. Juni d. J., bis 4 Uhr Nach⸗ mittags. eine Submission auf 19 000 kg Messingplatten im Taxwerthe von 38 000 Lire; 1

4) von der Präfektur der Provinz Turin für den 22. Juni, bis 10 Uhr Vormittags, eine Submission auf 13 drehbare Weichenwechsel im Taxwerthe von 27 350 Lire.

Ueber die speziellen Bedingungen ist das Nähere an Ort und Stelle einzusehen.

Nach der im Reichs⸗Eisenbahn⸗Amt autgestellten, in der Ersten Beilage veröffentlichten Nachweisung über die im Monat April 1883 auf deutschen Bahnen (aus⸗ schließlich der bayerischen) beförderten Züge und deren Verspätungen wurden auf 44 größeren Bahnen beziehungs⸗ weise Bahnkomplexen mit einer Gesammtbetriebslänge von 30 027,03 km befördert an fahrplanmäßigen Zügen: 12 420 Courier⸗ und Schnellzüge, 96 366 Personenzüge, 53 912 gemischte Züge und 91 463 Güterzüge; an außerfahrplanmäßigen Zügen: 1401 Courier⸗, Schnell⸗, Personen⸗ und gemischte Züge und 31 772 Güter⸗, Materialien⸗ und Arbeitszüge. Im Ganzen wurden 704 073 453 Achskilometer bewegt, von denen 198 581 937 Achskilometer auf die fahrplanmäßigen Züge mit Personenbeförderung entfallen. Es verspäteten von den 162 698 fahrplanmäßigen Courier⸗, Schnell⸗, Personen⸗ und gemischten Zügen im Ganzen 729 oder 0,45 pCt., (gegen 0,71 pCt. in demselben Monat des Vorjahres, und 0,91 „Ct. im Vormonat). Von diesen Verspätungen wurden jedoch 267 durch das Abwarten verspäteter Anschlußzüge hervorgerufen, so daß den aufgeführten Bahnen nur 462 Verspätungen (= 0,28 vCt.) zur Last fallen (gegen 0,55 pCt. im Vormonat). In demselben Monat des Vorjahres verspäteten auf den eigenen Strecken der in Vergleich zu ziehenden Bahnen von 152 270 beförderten fahrplanmäßigen Zügen mit Personen⸗ beförderung 629, oder 0,41 pCt., mithin 0,13 pCt. mehr. In Folge der Verspätungen wurden 288 Anschluüͤsse versäumt (gegen 250 in demselben Monat des Vorjahres und 475 im Vor⸗ monat). Wird eine Gruppirung der Verwaltungen nach dem Verhältniß der auf je eine Anschlußversäumniß ent⸗ fallenden Zugverspätungen vorgenommen, so kommen in erster Reihe die Königliche Eisenbahn⸗Direktion Bromberg (45 An⸗ schluß⸗Versäumnisse auf 66 Verspätungen) und die Königliche Eisenbahn⸗Direktion Cöln (linksrh.) (30 Anschluß⸗Versäumnisse auf 44 Verspätungen) mit 1,47, während die Badischen Sraats⸗Eisenbahnen (2 Anschluß⸗Versäumnisse auf 62 Ver⸗ spätungen) mit 31,00 und die Hessische Ludwigs⸗Eisenbahn (1 Anschluß⸗Versäumniß auf 49 Verspätungen) mit 49,00 die letzten Stellen einnehmen und bei 8 Verwaltungen, welche im Ganzen 31 Zugverspätungen gemeldet haben, Anschluß⸗ Versäumnisse überhaupt nicht vorgekommen sind.

Wider deutsche Eisenbahnverwaltungen sind beim Reichs⸗Eisenbahnamt in der Zeit vom 1. Januar bis Ende März d. J. im Ganzen 68 Beschwerden aus dem Publikum eingelaufen. Von diesen beziehen sich 7 auf den Personenverkehr, 46 auf den Güterverkehr und 15 auf andere Gegenstände.

Das Reichs⸗Eisenbahnamt hat von diesen Beschwerden für begründet erachtet 2, als unbegründet zurückgewiesen 3, auf den Rechtsweg verwiesen 6, wegen mangelnder Zuständig⸗ keit der Reichsgewalt nicht zur Kognition gezogen 17. Die übrigen 40 wurden zum größten Theil mit Rücksicht auf die darin behandelten Gegenstände zur direkten Erledigung an die zuständigen Eisenbahnverwaltungen abgegeben.

Betroffen von Beschwerden sind überhaupt 24 Eisenbahn⸗ verwaltungen.

Der General⸗Lieutenant von Voigts⸗Rhetz, Ge⸗ neral⸗Inspecteur der Artillerie, ist von der im vorigen Monat zur Besichtigung der Fuß⸗Artillerie⸗Regimenter Nr. 3, 4 und 8 angetretenen Dienstreise hierher zurückgekehrt; ebenso der General Lieutenant von Oppell, Commandeur der 2. Garde⸗ Infanterte⸗Division, von der Inspizirung des 4. Garde⸗ Grenadier⸗Regiments Königin.

S. M. S. „Niobe“, 10 Geschütze, Kommdt. Kapt. z. S. Koester, ist am 5. Juni cr. in Leith eingetrofen.

MNiiederlande. Haag, 8. Juni. (W. T. B.) Die internationale Konvention, betreffend die polizeiliche Regelung der Fischerei in der Nordsee, ist heute auch von der Ersten Kammer genehmigt worden.

Großbritannien und Irland. London, 8. Juni. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung des Unterhauses beantragte Lawson die Ablehnung der Bill über die Dota⸗ tion, welche dem als Baronet Alcester in den Pairsstand er⸗ hobenen Admiral Seymour gewährt werden soll. Lord Churchill erklärte: er habe Grund, zu glauben, daß der Khedive selbst die Unruhen in Alexandrien angezettelt habe, um Arabi Pascha bei der Pforte in Mißkredit zu bringen. Der Premier Gladstone wies jedoch diese gegen den Khedive erhobene Beschuldigung auf das Bestimmteste zurück mit dem Hinweis darauf, daß dieselbe durch die in den nden der englischen Regierung befindlichen Beweisstücke voll⸗ sändig widerlegt werde. Die Debatte wurde hierauf vertagt.

heutige Ministerrath setzte die

Frankreich. Paris, 7. Juni. (Fr. Corr.) Der 2 ahlen für die General⸗ räthe auf den 29. Juli und die Stichwahlen auf den 5. August fest. Durch die Bestimmung dieses Datums wird es so gut wie gewiß, daß die Kammern zum 14. Juli auseinander gehen und sich bis auf Weiteres vertagen werden, da die An⸗ wesenheit der Mitglieder des Parlaments, die gleichzeitig Ge⸗ neralräthe sind, in ihren Departements während der Wahl⸗ periode nothwendig ist.

(Göln. Ztg.) Die Königin von Portugal, Maria Pia, ist mit ihren beiden Söhnen Karl und Alfons auf der Reise nach Rom in Marseille eingetroffen. Der Marine⸗Minister hat dem im Kriegs⸗Ministerium ausgearbeiteten Gesetzentwurf über die Kolonialarmee seine Zustimmung ertheilt. Admiral Meyer, welcher nach Eintreffen Courbets mit seinem Geschwader nach den chinesischen Gewässern fahren soll, hat dem Vernehmen nach, um allen Möglichkeiten zuvorzukommen, Befehl, die chinesischen Kriegsschiffe, die sich in der Richtung nach den von den Franzosen besetzten Küsten zeigen sollten, an der Weiterfahrt zu verhindern.

9. Juni. (W. T. B.) Nach Berichten aus Shan⸗ ghai ist der neue französische Gesandte für China, Tricou, am 7. Juni dort angekommen und hat gestern mit dem Generalissimus Li⸗Hung⸗Chang konferirt, welcher beson⸗ dere Vollmachten erhalten hat. Tricou wird dort mehrere Tage verweilen. Der frühere französische Gesandte Bourrée ist gleichfalls in Shanghai eingetroffen und wird am 13. Juni nach Frankreich abreisen.

Türkei. Skutari, 8. Juni. (W. T. B.) Das Pulvermagazin der Festung wurde von einem Blitz⸗ schlage getroffen und in die Luft gesprengt; auch ein Theil⸗ des Bazars ist zerstört. Die Zahl der durch den Unglücksfall vahdicgeben oder zu Schaden gekommenen Personen ist sehr er⸗ heblich.

Serbien. Belgrad, 8. Juni. (W. T. B.) Nach Meldungen hiesiger Blätter ist ein italienischer katholischer Missionär, welcher den beim Bau des Ripaintunnels beschäftigten Arbeitern die Beichte abnahm, ermordet worden; alle zur Ermittelung des bis jetzt unbe⸗ kannten Mörders erforderlichen Maßregeln sind im Gange.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 9. Juni. (W. T. B.) Wie der ‚„Regierungs⸗Anzeiger“ meldet, ist Prinz Friedrich Carl von Preußen zum Chef des 6. Libauschen Infanterie⸗Regiments ernannt worden.

Am 10. d. M., als am Tage des Einzuges der Majestäten in St. Petersburg, werden auf dem Mars⸗ felde und im Alexanderpark Volksfeste stattfinden. In mehreren Stadttheilen werden Musikcorps spielen; Abends findet eine Illumination statt.

Durch einen Kaiserlichen Befehl wird der Transit ausländischer Waaren durch den Kaukasus ver⸗ boten. Der für die Häfen am Schwarzen Meer und für Transkaukasien bestimmte Raffinadezucker ist fortan mit 2 Rbl. 50 Kop. per Pud zu verzollen.

Moskau, 8. Juni. (W. T. B.) Gestern Abend fand bei dem päpstlichen Krönungsbotschafter, Kardinal⸗ Erzbischof Vannutelli, ein diplomatisches Diner und nach demselben großer Empfang statt. Nahezu sämmtliche Mitglieder des diplomatischen Corps sowie die russischen Minister und die höchsten Kof⸗ und Staatsbeamten nah⸗ men daran Theil. Heute Abend hält der franzö⸗ sische Krönungs⸗Botschafter Waddington einen allgemeinen Empfang ab. Der Kaiser empfing heute alle außerordentlichen Botschafter und Gesandten in Abschiedsaudienz,. Für heute Abend sind der hiesige General⸗Gouverneur, die Adelsmarschälle, der hiesige Bürger⸗ meister und der Vorsitzende des Zemstwo zu einer großen Festtafel in den Kreml geladen. Die Krönungs⸗ festlichkeiten schließen morgen offiziell mit Abhaltung der großen Truppenrevue, nach welcher der Kaiser und die Kaiserin die Rückreise antreten. An die Botschafter und Gesandtschaften und deren Mitglieder sind sehr zahlreiche Ordensverleihungen ersfolgt.

9. Juni. (W. T. B.) Gestern Abend fand auf der deutschen Botschaft das vierte Galadiner statt. Unter den eingeladenen Gästen befanden sich der päpstliche Nuntius Vannutelli, der französische Krönungsbotschafter Waddington, die russischen Minister Deljanow und Rabokoff, der chinesische Botschafter, Marquis Tseng, der türkische Krönungsbotschafter, Server Pascha, General Nosenbach, Geheimrath Katkow und der amerikanische Admiral Baldwin. Zur Rechten des deutschen Botschafters saß Waddington, zur Linken Vannutelli. Die preußische Krönungsmission kehrt heute Abend nach Berlin zurück.

Amerika. New⸗York, 6. Juni. (Allg. Corr.) Die republikanische Konvention von Ohio hat in Co⸗ lumbia unter dem Vorsitz des Senators Sherman getagt. Das von einem Ausschusse entworfene Programm der Kon⸗ vention billigt Präsident Arthurs Verwaltungspolitik und be⸗ fürwortet auch angelegentlich die Einführung eines Schutzzoll⸗ tarifs. Die Fuhrer der irischen Nationalliga haben von Chicago aus einen Aufruf an die irische Race um Bei⸗ träge für den Parnellfonds erlassen.

Asien. Persien. Teheran, 6. Juni. (Allg. Corr.) Der Schah wird trotz aller Opposition in der nächsten Woche die beabsichtigte Pilgerfahrt über Maganderan nach Mesched an⸗ treten. Er wird ein militärisches Gefolge von 1500 Reitern, zwei Regimentern Fußvolk und zehn Berggeschützen haben.

Zeitungsstimmen.

Die „Baugewerkszeitung“ äußert sich über das Krankenkassengesetz, wie folgt:

Der letzte Mai d. J. hat im vollbesetzten Reichstage mit großer Majorität ein Gesetz zur endgültigen Annahme gefördert, welches in seinen Wirkungen gewiß dem sozialen Frieden und der Hebung gewerblicher Verhältnisse dienen wird. Die große gewerbliche Bevölkerung wird nach Einführung des Krankenkassengesetzes vieler Noth enthoben werden, weil künftig die häufigste Ursache des wirthschaftlichen Verfalls die zeitweise Erwerbsunfähigkeit fortfallen wird. Alle gewerblichen Arbeiter werden künftig gegen Krankheit versichert sein, denn das Gesetz führt Versicherungszwang unter Heranziehung der Arbeitnehmer und Arbeit⸗ geber ein. Rebeneinander werden künftig Gemeinde⸗ und Orts⸗ krankenkassen, Innungs⸗, Fabriks⸗, Bau⸗ und andere Krankenkassen bestehen. Das Gesetz ist ein viel angefochtenes zu nennen. Die Sozialdemokraten, welche am liebsten nichts zu Stande kommen lassen, weil dann die Unzufriedenheit mit den be⸗

Tabackfabrikaten.

stehenden Verhältnissen am meisten wachsen und zunehmen würde, haben dagegen gestimmt, ebenso die große Partei unserer Manchestermänner, welche darüber, daß sie die ewige Seligkeit schon für dieses irdische Dasein durch jedes Gesetz erlangen möchten, das positive Schaffen ganz vergessen. In berechtigte Konkurrenz sind bei der Berathung die sogenannten Berufskrankenkassen getreten, aber nicht durchgedrungen. Wer die langen und doch vielleicht zu kurzen Verhandlungen im Reichstage genauer verfolgt hat, wird die mancherlei Gebrechen des neuen Gesetzes nicht unterschätzen, aber jedenfalls aner⸗ kennen, daß die neue Institution als ein guter Anfang auf dem G biet der Sozialreform betrachtet werden darf.

Die „Elberfelder Zeitung“ schreibt:

„Ueber das in unserem Parteileben eine so große Rolle spielende amerikanische Schweineschmalz wird aus New⸗York dem „Standard“ gemeldet, daß dasselbe vielfach mit Oleomargarin, Stearin, Baum⸗ wollsaamenöl, Talg und Tenaalba verfälscht ist; durch einen in der betreffenden Händlerbranche in Chicago ausgebrochenen Streit ist diese Sache an das Tageslicht gekommen. Unsere Freihändler kämpfen also jetzt nicht nur für die wohlfeile Trichine, sondern auch für das wohlfeile Oleomargarin u. s. w. des armen Mannes.“

Zur Annahme der Kanalvorlage bemerkt die „Kölnische Zeitung“: .eEs ist ein wohl bisher in der Geschichte unseres parlamenta⸗ rischen Lebens einzig dastehender Fall, daß Beschlüsse einer Kom⸗ mission des Hauses vom Plenum desselben mit solcher Entschiedenheit verworfen worden sind. Unzweifelhaft ist an diesem günstigen Aus⸗ gange jene Bewegung nicht ohne Einfluß gewesen, welche aus den Volkskreisen heraus gegen die Kommissionsbeschlüsse hervorging und welche das Abgeordnetenhaus vor dem Schicksal bewahren sollte, eine dem Samoa⸗Beschluß des Reichstags ähnliche Entscheidung zu assen.“

In der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ lesen wir:

Das Jahrbuch für die Statistik Bremens bringt Mittheilungen über den Handels⸗ und Schiffsverkehr Bremens im Jahre 1882. Vergleicht man die gemachten Angaben für Ein⸗ und Ausfuhr vom letzten Jahre vor der Tarifreform, also 1878, wobei zu berücksichtigen sein dürfte, daß die schon in jenem Jahre beginnende Vorverprovian⸗ tirung die Einfuhr nach Bremen zur Wiederausfuhr nach Deutsch⸗ land gesteigert haben wird, so ergiebt sich eine erhebliche Steigerung des Werthumsatzes, welche zeigt, daß auch in Bremen die vorhergesagten schlimmen Wirkungen der neuen Handelspolitik eben so wenig eingetroffen sind, wie für Hamburg, was für letzteren Platz erst kürzlich dargelegt wurde. Es betrug 1878 die Gesammteinfuhr 441,2, 1882 dagegen 500,3 Mill. Mark, dieselbe stieg also um 13,4 %. Die Ausfuhr, welche 1878 431,4 Mill. Mark betragen hatte, stieg 1882 auf 482,2 oder um 11,8 %. Die Einfuhr aus Europa hob sich um 2,3 %, die aus transatlantischen Ländern dagegen nur um 4 ½ %, wohingegen die europäische Ausfuhr nur um 2 ½, dagegen die transatlantische um 59 % sich steigerte. Von der Einfuhr entfielen auf das deutsche Zollgebiet 1878 110,2 Mill. Mark, 1882 147,5 (+ 33,6 %), auf das übrige Europa 106,5 resp. 118,7 Mill. Mark(. 11,3 %), auf die Vereinigten Staaten 158,6 resp. 149,2 Mill. Mark (— 5,7 %). Dagegen entfielen von der Ausfuhr auf Deutschland 1878 245,4 Mill. Mark, 1882 dagegen 246,8 (+ 0,6 %); auf das übrige Europa 115,1 resp. 122,6 (+ 6,6 %) und auf die Vereinigten Staaten 56,6 resp. 91,1 (+ 60,9 %). Es zeigt sich also in Bremen speziell eine Zunahme des deutschen Exportes. Im Vergleiche mit dem unmittelbaren Vorjahre nahm die Einfuhr aus Deutschland um 3,6, die aus den Vereinigten Staaten um 3,08 Mill. Mark ab, während die aus dem übrigen Europa um 1,9 Mill. Mark stieg, die Ausfuhr nach Deutschland sank um 19,1, die nach dem übrigen Europa um 29,7 Mill., während Vereinigte um 4,3 Mill. stieg.

In verschiedenen Blättern, namentlich auch im „Hannoverschen Courier“, finden wir folgende Notiz:

Das abgelaufene Wirthschaftsjahr 1882/83 war für die preu⸗ ßischen Forsten weder in Betreff des pekuniären Ertrages, noch hin⸗ sichtlich der Vegetations⸗ und sonstigen wirthschaftlichen Verhältnisse ein günstiges. Diese Klage kommt aus fast sämmtlichen Theilen der Monarchie, besonders aber aus dem Regierungsbezirk Aachen, namentlich den Eifelgegenden desselben. Ungeachtet der eifrigsten Bemühungen war der nachhaltige Materialeinschlag der Forsten nur zu sehr mäßigen Preisen zu veräußern. Die Nachfrage nach Holz blieb fast überall hinter dem Angebote zurück. Zudem machte das Ausland den werthvollen Sortimenten, dem Eichen⸗Stammholze, dem Schicht⸗Nutzholze und

der Gerberlohe so erhebliche Konkurrenz, daß der fiskalische wie

der Gemeindewaldbesitz darunter schwer zu leiden hatte. Trotz dieser und anderer Schwierigkeiten hat der Staats⸗ wie der Korporations⸗ Waldbesitz doch seine volkswirthschaftliche segensreiche Bedeutung für die Bevölkerung bewährt. Denn wenngleich bei der ungünstigen Lage des Holzmarktes das finanzielle Ergebniß nur ein mäßiges sein konnte, erlitten die wirthschaftlichen Maß⸗ nahmen in den Staats⸗ und Gemeindeforsten, die Ausführung der nöthigen forstlichen Meliorationen, die Wegebauten ꝛc. Dank der staatlichen Fürsorge doch keine Einbuße, dieselben schritten vielmehr ungestört weiter. Es gewährten die Forsten der um dieselben wohnenden, meist dürftigen Bevölkerung reichen Verdienst und trugen so wesentlich dazu bei, den Anwohnern der Eifelreviere ihre mißliche materielle Lage zu erleichtern. Wurden doch in dem letzten Wirth⸗ schaftsjahre allein für Holzwerbung, Kulturen und Wegebauten ca. 300 000 verausgabt, ein ganz und gar der ländlichen Arbeiter⸗ bevölkerung zu Gute kommender Betrag, der 200 000 Tagelöhne zum Satze von 1,50 repräsentirt.

Es freut uns, den „H. C.“ wenigstens nachträglich unter den Blättern zu finden, die ihrer Lesern Material zur Begründung der Nothwendigkeit einer Erhöhung der Holzzölle vorlegen, denn das werden sich die Leser des „H. C.“ doch wohl selbst sagen müssen, daß, sollte die ungünstige Rentabilität der Staats⸗ und Gemeinde⸗ sorsten dauernd anhalten, beide Kategorien nicht mehr lange im Stande sein werden, die so warm geschilderten segensreichen Auf⸗ wendungen in Bethätigung ihrer „volkswirthschaftlichen segensreichen Bedeutung“ zu machen.

Centralblatt für das Deutsche Reich. Nr. 23.— Inhalt: Zoll⸗ und Steuerwesen: Zolltarifirung bei Gemengen von Getreide⸗ arten. Verwendung von Melilotenblüthen zur Herstellung von Befugnisse von Zollstellen. Marine und Schiff⸗ fahrt: Erscheinen eines weiteren Heftes der Entscheidungen des Ober⸗ Seeamts und der Secämter. Konsulatwesen: Ernennungen. Frequaturertheilungen. Polizeiwesen: Ausweisung von Ausländern aus dem Reichsgebiete.

Centralblatt für die gesammte Unterrichrs⸗Ver⸗ waltung in Preußen. April⸗Mai⸗Heft. Inhalt: Ministe⸗ rium der geistlichen zꝛc. Angelegenheiten. Anrechnung der in den §§. 18 und 19 des Pensionsgesetzes gedachten Dienstzeiten bei Fest⸗ setzung des Wittwen⸗ und Waisengeldes. Verrechnung der Witt⸗ wen⸗ und Waisengeldbeiträge bei den unmittelbaren Verwaltungen. Diensteinkommen der Unterbeamten bei den Provinzial⸗Schul⸗ kollegien; Gewährung des Minimaleinkommens bei der Anstellung. Verrechnung der durch Amtssuspensionen und Disziplinarunter⸗ suchungen der Staatskasse entstehenden Kosten auch bei den mittel⸗ baren Staatsbeamten. Aufbringung der Stellvertretungskosten wäh⸗ rend der Amtssuspension eines Schullehrers. Feststellung und Deckung der Zeugengebühren ꝛc. in Disziplinaruntersuchungen. Staatsaus⸗ gaben für öffentlichen Unterricht, Kunst und Wissenschaft. Bestätigung der Prorektor⸗ bezw. der Rektorwahl an den Universitäten zu Königsberg und Greifswald. Betrieb des Turnens an den Universitäten und den technischen Hochschulen. Ausschluß anderer als der vorgeschriebenen Censuren