1883 / 142 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 20 Jun 1883 18:00:01 GMT) scan diff

Betriebe gewesenen Längen sind jedoch auf den Badischen Staatseisenbahnen, den Reichs⸗Eisenbahnen in Elsaß⸗Lothrin⸗ gen und den Bahnstrecken im Verwaltungsbezirke der König⸗ lichen Eisenbahn⸗Direktion zu Elberfeld die meisten Verun⸗ glückungen vorgekommen.

B. Größere Privatbahnen mit je über 150 km Betriebslänge (bei zusammen 4100,40 km Betriebslän e und 65 979 567 geförderten Achskilometern) 9 Fälle, darunter die größte Anzahl von je 2 Fällen auf die Braunschweigische Eisenbahn, die Ostpreußische Südbahn und die Rechte Oder⸗ Uferbahn; auch verhältnißmäßig sind auf den vorge⸗ nannten Bahnen die meisten Verunglückungen vorgekommen.

C. Kleinere Privatbahnen mit je unter 150 km Betriebslänge (bei zusammen 1445,66 km Betriebs⸗ länge und 8 879 464 geförderten Achskilometern) 2 Fälle und zwar auf der Lübeck⸗Büchener Eisenbahn und der Weimar⸗ Geraer Eisenbahn je 1 Fall.

Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Bürgermeister der freien Hansestadt Bremen, Dr. Gildemeister, ist von Berlin wieder abgereist.

S. M. S. „Elisabeth“, 19 Geschütze, Kommandant Kapitän zur See Hollmann, ist am 13. Mai cr. in Singapore eingetroffen.

Hessen. Darmstadt, 15. Juni. (Köln. Ztg.) Die Zweite Kammer hat gestern und heute nach beinahe drei⸗ wöchiger Berathung die neuen Gesetze über die allgemeine Einkommensteuer, die Einführung einer Kapital⸗ rentensteuer und die Besteuerung der Gewerbe zum Abschluß gebracht, indem sie nach Schluß der zweiten Lesung das erste und letzte Gesetz einstimmig oder doch nahezu ein⸗ stimmig, dasjenige über die Kapitalrentensteuer mit allen gegen 7 Stimmen annahm. In den wesentlichen Punkten erfolgte die Annahme in einer den Ausschußanträgen entsprechenden und von der Regierung nicht beanstandeten Fassung, nachdem sich freilich bei manchen Artikeln lebhafte Kämpfe erhoben hatten. Geradezu gefährdet erschien die ganze Steuerreform durch einen zum Ka⸗ pitalrentensteuergesetz in 1. Lesung angenommenen Zusatzartikel, wonach die neugeschaffenen Steuerkapitalien der Kapitalrenten⸗ steuer lediglich zur Herabsetzung der Grund⸗ und Gewerbe⸗ steuerkapitalien (nicht auch der allgemeinen Einkommensteuer⸗ kapitalien) verwandt werden sollten, welchen die Regierung aber lebhaft bekämpft und heute in zweiter Lesung bestimmt für unannehmbar erklärt hatte. Nach mehrstündiger Erörte⸗ rung wurde diese Bestimmung schließlich in namentlicher Ab⸗ stimmung mit knapper Mehrheit beseitigt, worauf dann auch Diejenigen, welche die fragliche Verwendungsart aufs Entschie⸗ denste hefürwortet hatten, in der großen Mehrheit schließlich dem Gesetz im Ganzen ihre Zustimmung ertheilten.

Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 18. Juni. (Presse). Der Kaiser hat sich heute um 8 Uhr Abends mit dem Postzuge der Westbahn zu einem achttägigen Aufenthalt nach Ischl be⸗ geben. Dort trifft Se. Majestät morgen um 4 Uhr früh⸗ ein, und einige Stunden später kommt auch die Kaiserin mit der Erzherzogin Valerie aus Feldafing in Ischl an. In den Mittagsstunden des heutigen Tages erwiderte die Königin von Spanien in Begleitung ihrer Mutter, der Erz⸗ herzogin Elisabeth, sämmtlichen hier weilenden Mitgliedern des Kaiserlichen Hauses die gestrigen Besuche. Um 3 Uhr Nachmittags die frühe Stunde war mit Rücksicht auf die heute Abends erfolgende Abreise des Kaisers angesetzt worden fand im Palais des Erzherzogs Albrecht ein Familiendiner statt, das zu Ehren der Anwesenheit der Königin Marie Christine veranstaltet wurde. Mit der Nordbahn ist heute Nachmittag Fürst Nikolaus von Montenegro, welcher der Czarenkrönung in Moskau beigewohnt und dann mit dem russischen Kaiserpaare nach St. Petersburg abgereist war, in Wien eingetroffen. In Begleitung des Fürsten befanden sich bei den Krönungsfeierlichkeiten die Minister Radonics und Matanovics, die auch gleichzeitig die Rückreise antraten. Der Minister des Innern, Bozo Petrovics, war dem Fürsten bis Gänserndorf entgegengefahren. Außerdem befanden sich in Begleitung des Fürsten zwei seiner Töchter.

Triest, 18. Juni. Mit der heute erfolgten Ankunft der Panzerschiffe „Alexandra“ (Kommandant Bawson mit 787 Mann und 12 Kanonen), dann „Temeraire“ (Kommandant Nicholson mit 620 Mann und 8 Kanonen) ist die englische Escadre vollzählig geworden. Die sechs Kolosse ankern im weiten Bogen auf der Rhede vor dem alten Hafen. Die „Alexandra“, an deren Mast die Admiralsflagge weht, langte früh 8 Uhr an und tauschte mit dem Kastell 21 Schüsse. Vormittags stattete Admiral Lord John Hay dem Statt⸗ halter Baron Pretis, dem Divisionär GM. Kober sowie dem Contre⸗Admiral von Pauer die üblichen Besuche ab, welche von diesen Funktionären sogleich erwidert wurden. Die Escadre wird voraussichtlich vier Tage in Triest bleiben. Die offiziellen Feste beginnen morgen Abends mit einem solennen Ball, den Admiral von Pauer in der. Villa Necker giebt. Während die Mannschaften des „Monarch“, „Inflexible“, „Carysfort“ und „Decoy“ heute an Bord bleiben müssen, durchziehen die ans Land berurlaubten Mannschaften der heute angekommenen Schiffe trotz strömenden Regens schaarenweise die Straßen der Stadt.

Brünn, 18. Juni. (Pr.) Der Landesschulrath beschloß die Errichtung einer zweiklassigen deutschen Volks⸗ schule in Walachisch⸗Meseritsch, um welche 212 Eltern daselbst und in Krasna petitionirten.

Schweiz. Bern, 20. Juni. (W. T. B.) Der Nationalrath wird den Handelsvertrag mit Italien voraussichtlich erst nachdem das Votum der italienischen Kammer vorliegt in Berathung nehmen.

Großbritannien und Irland. London, 19. Juni. (W. T. B.) Das Oberhaus beendete heute die Spezial⸗ berathung der Bill, durch welche die Ehe eines Wittwers mit seiner Schwägerin legalisirt wird, und nahm die Bill mit einigen unbedeutenden Amendements an. Lord Dalhousie kündigte an, daß er demnächst einen Unter⸗ antrag stellen werde, wonach die rückwirkende Kraft der Bill auf die Kinder solcher vor dem Erlaß des Gesetzes ein⸗ gegangenen Ehen beschränkt werden solle.

Frankreich. Paris, 19. Juni. (W. T. B.) Admiral Pierre meldet in einem Telegramm aus Tamatave (Madagaskar) vom 13. d. M.: er habe, nachdem seine Aufforderung zur Uebergabe zurückgewiesen, Tamatave,

Mohambo und Tananarivo ohne Verlust an Truppen

besetzt. Seine Stellung sei eine feste; die Howas hätten die Flucht ergriffen, und die Hauptaktion dürfte damit als beendet angesehen werden. Ueber die besetzten Gebiete habe er gleich⸗ zeitig den Belagerungszustand 1““ 8

Die madagassische Gesandtschaft ist hierher zurück⸗ gekehrt und hatte gestern eine Zusammenkunft mit dem Conseils⸗Präsidenten Ferry. Vor dem Eintreffen der Nachricht von der Einnahme von Tamatave glaubte man in hiesigen politischen Kreisen, daß die Verhandlungen hier nicht wieder aufgenommen werden würden, daß vielmehr der Admiral Pierre in Madagaskar unter Beihülfe des dortigen französischen Agenten unterhandeln werde.

Der Gesandte Chinas, Marquis Tseng, hat eine Unterredung mit dem Conseils⸗Präsidenten Ferry nachgesucht; dem „Temps“ zufolge würde dieselbe am Don⸗ nerstag stattfinden.

Der Gesetzentwurf, betreffend die Reorganisation der Finanzen von Tunis, soll der Kammer demnächst vorgelegt werden. Derselbe gestattet, wie es heißt, dem Bey die Aufnahme einer neuen Anleihe von 120 Millionen, um die Inhaber der alten Schuldtitres zu bezahlen; gleichzeitig soll die internationale Finanzkommission aufgehoben werden. Die Steuererhebung in der Regentschaft soll ebenfalls reorgani⸗ sirt werden.

20. Juni. (W. T. B.) Nach Meldungen aus Zan⸗ zibar haben die Franzosen die beiden hauptsächlichsten Zoll⸗ stellen und alle Wege, welche nach der Hauptstadt der Howas führen, besetzt. Sie werden nicht weiter vor⸗ gehen, sondern erwarten die Unterwerfung der Howas, welche nach ihrer Ansicht nicht fern sein kann.

Spanien. Xeres, 19. Juni. (W. T. B.) Von 17 Mitgliedern der „Schwarzen Hand“, welche der Er⸗ mordung Blancos angeklagt waren, wurden sieben zum Tode, acht zur Zwangsarbeit verurtheilt.

Portugal. Lissabon, 15. Juni. Nachdem der Aus⸗ schuß zu Prüfung der ministeriellen Vorlage, welche zur Ein⸗ berufung der konstituirenden Versammlung für die Revision der Verfassung ermächtigt, die Vorlage gebilligt hat, wurde dieselbe heute der Abtheilung der Kammer unter⸗ breitet. Die Vorlage bezweckt die Abschaffung der erblichen Pairskammer und deren Ersetzung durch einen Senat. Da die Cortes morgen geschlossen werden, wird die Debatte darüber sowie das Wahlreformgesetz bis November verschoben werden.

Türkei. . 1 blatts“ aus Skutari zufolge hätten die Anführer der meisten aufständischen Stämme Hafiz Pascha ihre Unter⸗

werfung angeboten, und dürfte damit der Aufstand als be⸗ endet gelten.

Rumänien. Jassy, 19. Juni. (W. T. B. Ver⸗ spätet eingetroffen.) Am 17. d. fand die Enthüllung des Denkmals Stephans des Großen statt. Zu derselben waren aus allen Theilen des Landes zahlreiche Deputationen erschienen; die Minister, Vertreter der beiden Kammern, die Spitzen der Behörden und der Armee wohnten der Feier bei. Der König hielt eine durch stürmischen Beifall oft unterbrochene Rede, in welcher er die hohe Bedeutung jenes nationalen Helden in der Geschichte des rumänischen Volksstammes her⸗ vorhob und seiner kühnen, im Laufe einer vierzigjährigen Regierung vollbrachten Thaten im Kampfe für die Christen⸗ heit und die Unabhängigkeit des Landes gedachte. Gestüßt auf diese glorreiche Vergangenheit hätten die Rumänen auch in den schwersten Zeiten nie an ihrer Zukunft gezweifelt. Die Rede gipfelte in dem Hinweis auf die von der Nation in der Gegenwart neu errungene Stellung in Europa und in dem Gelöbniß, daß König und Volk eng mit einander verbunden für die Wohlfahrt und Zukunft des Landes immerdar und auch mit den schwersten Opfern treu keinstehen würden. Die im weiteren Verlauf der Feier gehaltenen Reden, unter andern die des Ministers des Aeußern Sturdza, Rosettis, Joncscus, Leon Negruzzis feierten mit den nationalen Erinnerungen der Vergangenheit zugleich die Begründung und Befestigung der Hohenzollern⸗Dynastie in Rumäaͤnien sowte die neue Aera, die mit derselben für die Nation begonnen habe.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 20. Junn (W. T. B.) Nach einer offiziellen Meldung ist General Gurko zum Generalgouverneur von Warschau und zum Kommandirenden der Truppen des Warschauer Militär⸗ bezirks ernannt worden. 2

Kardinal Vannutelli besichtigte gestern mehrere hiesige katholische Wohlthätigkeitsanstalten.

Die Prinzessin Vera, Wittwe des Herzogs Eugen von Württemberg, reist morgen ins Ausland ab. 8

In Folge der regierungsseitig getroffenen Maßregeln ist das Vorhandensein von Heuschreckenbrut nur in mehreren Ortschaften der südlichen Gouvernements konstatirt worden. Die Brutvertilgung geht allerorts erfolgreich von Statten, so daß man hofft, das Insekt werde sich nicht weiter verbreiten. Zur weiteren Sicherung der getroffenen Maß⸗ regeln ist überdies General⸗Major Schebekoff nach Woronesch

abkommandirt worden. b Kronstadt, 19. Juni. (W. T. B.) Dem von dem Staaten, Admiral

Krönungsbotschafter der Vereinigten. Baldwin, auf dem amerikonischen Flaggschiffe ge⸗ gebenen Ballfest wohnten u. A. die Minsster von Giers und der Vize⸗Admiral Schestakoff, der französische Krönungs⸗ botschafter Waddington, die Botschafter von Deutschland, Füae ae und England, der amerikanische Gesandte und ardinal Vannutelli bei.

Zeitungsstimmen.

Das „Dresdener Journal“ veröffentlichk einen aus⸗ führlichen Auszug aus den Berichten der sächsischen Fabriken⸗

inspektoren für das Jahr 1882. In diesem heißt es:

Nach den übereinstimmenden Berichten sämmtlicher 5 Inspektoren ist in gewerblicher Beziehung überall im Berichtsjahre eine erhebliche Besserung der Verhältnisse eingetreten, welche mit verhältnißmäßig ge⸗ ringen Ausnahmen eine Vermehrung der Arbeiter und auch eine Er⸗ höhung der Lohnsätze mit sich brachte. Die Neuerrichtung der gewerblichen Anlagen in allen Bezirken und das theilweise, so z. B. im Leipziger Bezirke beobachtete, manchmal geradezu Staunen erregende Aufblühen schon bestehender Etablissements beweisen zur Genüge, daß sich, wenn auch in manchen Branchen nur langsam, die gewerblichen Verhältnisse heben. So hatte der Inspektor des Dresdner Bezirks im Berichtsjahre 121 Gutachten über neue Kessel⸗ anlagen abzugeben, dem des Chemnitzer Bezirks kamen 226 ganz

neue gewerbliche Anlagen, so weit solche mit Baulichkeiten verbunden

(W. T. B.) Einer Meldung des „Fremden⸗

waren, hiervon 76 unter §. 16 der Gewerbeordnung fallende, 45 einer Vergrößerung unterzogene und 26 wesentlich umgebaute oder zum Ersatz dienende zur vorgängigen Begutachtung. Der Zwickauer Fa⸗ brikeninspektor hatte an Gutachten, betreffend Neu⸗, Um⸗ und Verän⸗ derungsbauten von Fabriken, sowie Errichtung neuer oder veränderter Dampfkesselanlagen 374 zu erstatten, wozu noch 184 Gutachten über Dampfkesselanlagen überhaupt kommen. Zur Errichtung neuer, be⸗ ziehentlich Veränderung oder Erweiterung vorhandener Gewerbebetriebe lagen dem Leipziger Fabrikeninspektor 217 Baugenehmigungsgesuche vor, während 154 Gesuche die Anlage neuer, beziehungsweise Ver⸗ änderung vorhandener Dampfkessel in gewerblichen Anlagen betrafen. Der Inspektor des Löbauer Bezirks hat 81 Gutachten über Neu⸗ anlage oder Umbau von Fabriken oder sonstiger gewerblichen An⸗ lagen, 46 Gutachten über Anlagen, die einer besonderen Genehmigung bedürfen und 14 Prüfungen von Dampfgefäßen zur Erledigung gebracht.

Als besonders hervorragende Industriezweige sind in den einzelnen Inspektionsbezirken zu nennen: die Handels⸗ und Kunstgärtnerei im Dresdner Bezirke, bei welcher der Verkaufswerth der in den Handel kommenden Pflanzen nur in Dresden allein 1 200 000 übersteigt, ferner ebenda die Goldschlägerei, Uhrerfabrikation in Glashütte, Fa⸗ brikation von Musikinstrumenten, Schwefel⸗ und chemische Fabriken, Sicherheitszünderfabriken, die gleichzeitig auch viele Drähte für elek⸗ trische Leitungen liefern, Kammgarnspinnereien, Papierfabriken, in welchen zu Anfang des Berichtsijahres zusammen 2034 Arbeiter be⸗ schäftigt wurden, Lederfabriken, Dampfsägewerke, Chokoladenfabriken, Bierbrauereien, Cigarettenfabriken und Blumenfabriken. Sie alle haben sich bezüglich ihrer Leistungen entweder in der früheren Blüthe erhalten oder aber zu hoher Blüthe emporgeschwungen. Im Chem⸗ nitzer Bezirke sind zu nennen hauptsächlich die Maschinenindustrie und Eisengießereien, ferner die Textilindustrie und die Holzschleifereien mit überhaupt der Holzbearbeitung dienenden Anlagen, wie Schneidewerke, Drehereien und Spielwaarenfabriken. Alle diese Industriezweige breiteten sich durch Neuanlagen von Etablisse⸗ ments um ein Erhebliches aus. Dem Berichte des Zwickauer In⸗ spektors entnehmen wir befriedigende Aeußerungen über die Lage der Eisenindustrie, der Maschinenfabriken, auch der Musikinstrumenten⸗ fabriken, wenigstens in der zweiten Hälfte des Berichtsjahres, der Wollenfabrikation und Kammgarnspinnereien, der Tuchwaarenfabri⸗ kation, der Fabrikation der halb⸗ und baumwollenen Webstoffe inebesondere der Kleiderstoffe und der gemusterten Gar⸗ dinen, der Stickerei, welche unstreitig den größten Auf⸗ schwung genommen hat, der Gerberei⸗, Bürsten⸗ und Hand⸗ schuhfabrikation, der Holzwaarenindustrie, der Papierfabri⸗ kation und Fabrikation von Kunstwolle. Die Buntttickereien, das Tambouriren oder Schlingen, die Spitzenfabrikation und die Fa⸗ brikation von Wirkwaaren haben sich auf dem Niveau erhalten. Der Absatz in der Kohlenindustrie ist in Folge des milden Winters nicht unwesentlich geschmälert worden; erst kurz vor Jahresschluß hat sich der Kohlenversandt in erfreulicher Weise gebessert, so daß die in den Sommermonaten aufgestapelten Vorräthe aufgeräumt werden konnten und vom Bahahbof Zwickau ab die ansehnliche Summe von 1 797 615 t zu 1000 kg abgefertigt wurde. Die Preise sind durchgehend sehr gedrückt gewesen und erst im Dezember war es möglich, für einige Sorten eine Preiserhöhung ein⸗ treten zu lassen. Mehr als in irgend einem anderen Industriezweige haben es sich in der Kammgarnspinnerei die Fabrikanten angelegen sein lassen, durch Vervollkommnung und Beschaffung der neuesten Maschinen, sorgsame Auswahl des Rohmaterials und Vorzüglichkeit des Produkts von dem Drucke der ausländischen Konkurrenz sich zu befreien. In Bezug auf die Stickereien ist noch mitzutheilen, daß, wenn sie auch der Zahl der Maschinen nach noch nicht mit der Schweiz auf gleicher Höhe stehen, doch die Leistungsfähigkeit der Maschinen größer zu sein und die Güte des Produkts nicht hinter der jenes Landes zurückzustehen scheint. Die Arbeitslöhne sind um 25 30 % in die Höhe gegangen, was nicht allein den Stickern, son⸗ Hern auch dem Hülfspersonal zu Gute kommt. Die Vigognespinnerei dagegen dürfte ihren Höhepankt überschritten haben. Der verlockende Gewinn durch den Schutzzoll in Rußland und anderwärts ist Veran⸗ lossung gewesen, daß zur Zeit nicht weniger als 12 größere Spinne⸗ reien mit gegen 200 Sortimenten von sächsischen Industriellen daselbst errichtet worden und so der vaterländischen In⸗ dustrie verloren gegangen sind, dadurch aber, selbst wenn die auswär⸗ tigen, insbesondere die russischen Eingangszölle wieder herabgesetzt werden sollten, die heimische Industrie in der bedenklichsten Weise ge⸗ schädigt ist. Wohl haben die Vigognespinnereien in Folge des durch den Schutzzoll bedingten größeren Bedarfs in Deutschland, insbesondere bei der Flanell⸗, Wirkwaaren⸗ und Kleiderstofffabrikation noch regel⸗ mäͤßig gearbeitet, allein die Produktion ist so groß, daß das An⸗ gebot die Nachfrage übersteigt, die Preise für die Garne auf die zußerste Grenze herabgedrückt worden sind. Im Leipziger Bezirke hatte sich der Maschinenbau fast durchgängig eines belebten Geschäfts⸗ ganges zu erfreuen, namentlich landwirthschaftliche Maschinen, Loko⸗ mobilen, Dampfmaschinen, Buchbinderei⸗Hülfsmaschinen, zum Theil auch Maschinen und Geräthe für Oelgasanstalten, Drahtseilbahnen, Fahrstühle und Spritzen wurden exportirt. Auch die Herstellung von Musekinstrumenten ist eine rege gewesen, jedoch wurde hier theilweise über gedrückte Preise und unsolide Konkurrenz geklagt. ... Zu der schon im vorjährigen Berichte mitgetheilten Wiederingang⸗ setzung einer seit 7 Jahren außer Thätigkeit gerathenen Baumwollen spinnerei erwähnt der Löbauer Fabrikeninspektor, daß die Zahl der darin beschäftigten Arbeiter wieder nahezu 200 beträgt. .. Ein anderes, bisher für die Zwecke der Baumwollensammtfabrikation bestimmt gewesene größeres Etablissement ist zu einer Weberei für haumwollene Hosen⸗ zeuge eingerichtet worden, während sich in 2 weiteren, vor kurzer Zeit zum Stillstand gekommenen Fabriken eine mechanische Schlichterei, sowie eine Schuh⸗Bestechgarn⸗ und Strippenbänderfabrik etablirte. Mit bescheidenen Anfängen hat ferner ein hier neuer Industriezweig die Veredlung von Glaswaaren für Beleuchtungsgegenstände, in Großschönau begonnen. Der Umstand, daß die von Böhmen nach Sachsen eingeführten veredelten Glaswaaren für 100 kg einem Eingangs zolle von 30 unterliegen, während der Eingangszoll für unbearbeitete Glaswaaren nur 8 beträgt, hat hierzu den Anstoß gegeben. Nicht un⸗ erwähnt meg endlich bleiben, daß bei dem großen Bedarfe an Web⸗ stühlen in den sich immer mehr erweiternden Hosenzeugfabriken 2 Ma schinenbauanstalten es unternommen haben, die bisher in großer An⸗ zahl aus England bezogenen Webstühle für einfache und doppelbreite Waaren ebenfalls mit gutem Erfolge anzufertigen; es sichern sich die⸗ selben trotz der bleibenden englischen Konkurrenz, die hoffentlich bald wegfällt, einen immer noch lohnenden und dabei andauernden Erfolg. b In der „Berliner Börsen⸗Zeitung“ lesen wir:

Die Marketender wird man bald nur noch vom Hörensagen ken nen. Die Selbstverwaltung der Kantinen hat unseren Truppen so in die Augen springende Vortheile gewährt, daß dieselbe im Prinzip wohl von allen Bataillonen der Armee adoptirt ist. Nur während des Manövers war man bisher genöthigt, die alte Form des Mar⸗ ketenderwesens beizubehalten, und es machten sich die Uebelstände, die dieses unausbleiblich im Gefolge hat (mäßige Waare zu hohem Preise und in wenig appetitlicher Form), gerade zu einer Zeit be⸗ sonders geltend, in welcher Strapazen aller Art die Kräfte der Leute über das gewöhnliche Maß hinaus in Anspruch nehmen. Das Füsilier⸗Bataillon eines Niederschlesischen Regiments (Nr. 50) kam daher auf den Gedanken, eine ambulante Kantine einzu⸗ richten und ließ sich dazu einen eigens konstruirten Wagen bauen. Der Versuch gelang. Seit zwei 4 brauch, hat sich der Wagen auf das Praktischste bewährt, und es war nicht allein möglich, der Mannschaft stets gute und billige Waare sicher zu stellen, sondern man hatte damit auch die Mittel in der Hand, die Kantinenersparnisse zum Besten der Leute vortheilhaft zu verwerthen. Das Beispiel fand Nachahmung. Mehrere Bataillone

haben bereits die gleiche Einrichtung getroffen, und wahrscheinlich ist

die Zeit nicht fern, wo dieselbe ganz allgemein eingeführt sein wird.

Plastik von Zeitgenossen uns vor die

schen Gotteshause und die

und seid behutsam!“

Herbstmanövern im Ge⸗

Landtags⸗Angelegenheiten. Der Präsident des Herrenhauses, Herzog von Ratibor, ladet

durch folgendes Cirkular vom heutigen Tage zu den nächsten Plenar⸗

sitzungen ein:

„Die Mitglieder des Herrenhauses beehre ich mich ganz ergebenst zu benachrichtigen, daß Plenarsitzungen am Donnerstag, den 28. Juni, und an den folgenden Tagen stattfinden werden. Die Wichtigkeit der bevorstehenden Verhandlungen, für welche ich die Herren Vor⸗ sitzenden der Kommissionen ganz ergebenst ersuche, geneigtest dahin Sorge tragen zu wollen, daß die Berichte über die denselben über⸗ wiesenen Vorlagen rechtzeitig fertig gestellt werden, macht eine zahl⸗ reiche Betheiligung an diesen Plenarsitzungen ebenso wünschenswerth wie nothwendig.“

Kunst, Wissenschaft und Literatur. Zeach erts Chronik der Stadt Meseritz. Originalh andschrift herausgegeben von Adolf Warschauer. Verlag der Zeitschrift für Geschichte und Landeskunde der Provinz Posen. Posen 1883.) Soeben erschien ein Buch, dessen Wichtigkeit für die Ge⸗ schichte der Provinz Posen unverkennbar ist. Während nämlich die historische Forschung der neueren Zeit sich mit großer Energie auf die Geschichte der deutschen Städte geworfen hat, wovon die große Menge der in den letzten Jahrzehnten veröffentlichten Städte⸗ chroniken das beste Zeugniß ablegt, wurde die Veegangenheit der großpolnischen Städte ganz außerordentlich vernachlässigt, ja es giebt noch heute nicht unbedeutende Städte im Posenschen, deren Ver⸗ gangenheit eben so unbekannt ist wie die irgend einer asiatischen oder afrikanischen Stadt. Außer dem höchst mangelhaften Codex diplomaticus von Wuttke und dem Buche des Lukaszewicz über Posen ist zur großpolnischen Städtegeschichte noch so gut wie nichts geleistet worden. Und doch ist die Vergangenheit der meisten dieser Städte vielleicht eine interessantere als die einer großen Anzahl deutscher. Der deutsche Charakter derselben auf slavischer Erde, ferner das Ueberwiegen des Lutherthums in einem großem Theile derselben mitten in einem der katholischsten Länder Europas, endlich das eigenthüm⸗ liche Vorherrschen der jüdischen Bevölkerung geben hier Anlaß zu ganz originellen, nirgend anderswo wiederkehrenden Verhältnissen und Kon⸗ flikten, deren Darstellung der politischen und der Kulturgeschichte gleiches Interesse bietet. Der Herausgeber der vorliegenden Chronik hat deshalb sehr Recht, wenn er seine Einleitung mit den Worten eröffnet: „Bei der außerordentlichen Vernachlässigung, unter welcher die Geschichte der großpolnischen Städte bis jetzt zu leiden hatte, dürfte die Veröffentlichung der vorliegenden Chronik der ersten, welche überhaupt publizirt wird einer Rechtfertigung nicht bedürfen.“ Das Werk ist nach der Auffassung des Herausgebers eine Art von Familienchronik, welche in der Meseritzer Pastorenfamilie Zachert im vorigen Jahrhundert geführt wurde. Angelegt wurde sie von Johannes Zachert, der im Jahre 1705 Diakonus von Meseritz wurde, und dann fortgeführt von dem Sohne desselben, Esaias. Sie beginnt mit der Entstehung von Meseritz und reicht bis zum Jahre 1767. Wenn man absieht von den genauen, mehr den Historiker von Fach inter⸗ essirenden Angaben über die Verfassung der Stadt, über ihre Privi⸗ legien und Rechte, über ihre öffentlichen Gebäude, ihre Beamten u. a., so dürfte sie dem Leser noch in dreifacher Hinsicht ein lebhaftes Interesse bei der Lektüre abgewinnen. Es sind zunächst die ver⸗ schiedenen inneren Streitigkeiten theils zwischen dem Magistrat und den Zünften, Juden und Christen, den Zünften untereinander, oder innerhalb einer einzelnen Zunft zwischen Gesellen und Meistern, theils zwischen der Stadt und dem über sie gesetzten Starosten. Besonders die letzteren geben zum Theil Bilder polnischer Zustände, welche in ihrer Art klassisch sind. Daß der Starost königliche Privilegien einfach verlacht und dies damit rechtfertigt: er, als Senator, habe nicht nöthig, königliche Privilegien zu respektiren, daß der bevollmächtigte Vertreter dieses Beamten eine Deputation des Magistrats kurzer Hand gefangen nimmt und 24 Stunden in einem Zimmer ohne jeden Stuhl, ohne sonstiges Möbel einsperrt und sie schließlich auf die Erde legen und mit dicken Knüppeln durchprügeln läßt, daß er in einer Nacht das Haus des Gemeindepfarrers überfällt, um ihn aus dem Bette aufs Schloß ins Gefängniß zu schleppen, daß er, auf einem Jagdwagen durch die Stadt fahrend, mitten unter die Bürger hineinschießt und dabei den Rathsdiener, der lediglich abgeschickt war, die Leute auf der Straße zu berubigen, direkt zu Tode prügeln läßt: das alles sind doch wohl Züge, die dem Leser so recht vor die Seele stellen, was man unter polnischer Anarchie in den letzten Jahr⸗ zehnten des polnischen Reichs verstehen muß, und die zugleich erklären, wie leicht sich jene Städte in die spätere preußische Herrschaft

fügten. Eine zweite Reihe von höchst interessanten Thatsachen aus

der vorliegenden Chronik sind die Berichte über die Truppendurchzüge und die Besuche hoher Persönlichkeiten, welche die städtische Geschichte in höchst anregender Weise mit der allgemeinen Geschichte in Ver⸗ bindung setzen. Man sollte es kaum glauben, welch' hohen Besuch die kleine Stadt von Zeit zu Zeit in ihren Mauern sah; so kamen Karl von Schweden, Peter der Große von Rußland und sein Sohn, der unglückliche Alexius, der Feldmarschall Monte⸗ cuculi, eine Anzahl polnischer Könige und Königinnen und von Truppendurchzügen blieb die Stadt in der Periode der schwedisch⸗ polnischen Kriege kaum ein Jahr verschont. Vielleicht die inter⸗ essantesten Nachrichten der Chronik aber sind die über die Geschichte der Reformation und Gegenreformation in Meseritz. Der große Auf⸗ und Rückgang der reformatorischen Bewegung in Polen wird hier an einzelnen lokalen Beispielen mit seltener Evidenz und Augen gestellt. Kurz zwar sind die Bemerkungen über die Einführung „des Lichtes des Evangeliums“, aber ausführlich dann die Erzählung von der Einrichtung der katholischen Pfarrkirche zum ervangeli⸗ Schilderung aller Institutionen an denselben; sehr ausführlich und instruktiv dann ferner die Weg⸗

nahme der Kirche, die Plackereten beim Aufbau der neuen, endlich vielleicht der Glanzpunkt der Chronik die Einführung der Jesuiten

in Meseritz. Erst erlangten sie die Erlaubniß sich fundiren zu dürfen von dem Starosten resp. von der Frau desselben; denn der Starost Petrus de Binn Opalinski war kein sonderlicher Freund der Jesuiten, ja als er in jenen Tagen Meseritz verließ und die Raths⸗ berrn ihm das Geleite gaben, ging er sogar soweit, sie noch aus der

Karosse heraus ausdrücklich zu warnen: „Kinder, sehet was passiret, Als aber der Starost starb und die Frau

Starostin die Starostei allein hatte, fanden sie keine Schwierigkeit mehr. Wunderbar ist es dann, mit welcher Zähigkeit und Plan⸗ mäßigkeit sie den Widerstand der Stadt brachen und endlich auch einen Ort zur Fundation ihres Kollegiums sich erwarben. Eine Probe des zwar sehr einfachen, aber behaglichen und an⸗ muthenden Stiles zu geben, müssen wir uns versagen. Wir bemerken nur noch, daß außer der orientirenden Einleitung der Chronik eine Anzahl Bemerkungen sowie urkund⸗ licher Beilagen, besonders über die städrische Verfassung, und ein aus⸗

führliches Register beigegeben sind.

Die neue Suhhastationkordnung tritt bereits am 1. November d. J. in Kraft. Die von dem Landrichter Dr. jur. Paul Jäckel zu diesem Gesetz soeben unter dem Titel: „Die Zwangs⸗ vollstreckungsordnung in Immobilien“ herausgegebene Text⸗ ausgabe mit Einleitung, Parallelstellen, Kostengesetz und Sachregister (Verlag von Franz Vahlen in Berlin, Preis kartonnirt 1 ℳ) bietet für die Orientirung in dem neuen Gesetze und für seine praktische Handhabung ein zuverlässiges Hülfsmittel. In der Einleitung wer⸗ den die Grundzüge des neuen Verfahrens und die wichtigsten Abän⸗ derungen in übersichtlicher Weise zusammengefaßt; die den einzelnen Bestimmungen beigegebenen Citate erleichtern das Verständniß und berücksichtigen das praktische Bedürfniß. Ein ausführliches Sach⸗ register ermöglicht schnelle Orientirung.

Land⸗ und Forstwirthschaft. 8 „Im Verlage von M. Heinsius (Spezialität: Literatur über Viehzucht und Milchwirthschaft) sind soeben folgende landwirth⸗ schaftliche Broschüren erschienen:

(Nach der.

1) Darf es⸗Milch für Reiche“ und „Milch für Arme“ geben? Ein Wort gegen die sogenannten „Kindermilch⸗Anstalten“, von Edward Egan, Königlich ungarischer Landesinspektor für

Milchwirthschaft. Preis 60 ₰. Der Verfasser legt in der Einlei⸗ tung dar, wie unzertrennlich der Umstand, ob eine Stadt vorwiegend mit reiner oder überwiegend mit gefälschter Milch ver⸗ sorgt wird, mit der Frage der Volkswirthschaft zusammen⸗ hängt, und wie nachhaltig derselbe auf das Sparen oder Verschwen⸗ den des Nationalvermögens einwirken kann. In Paris ergab eine Untersuchung der Milch 49 % Fälschung, in London 40 %, in New⸗ York 33 %, in Basel 90 %, in Budapest 75 %; in Berlin trinkt die Bevölkerung jährlich 3—4 Millionen Liter Wasser unter dem Namen Milch und erleidet nach der „Berliner klinischen Wochen⸗ schrift’ hierdurch einen Schaden über 1 Million Mark, auch in Chemnitz, Hannover und Dresden haben die Versuche ein ähnliches Resultat ergeben. Den ersten bedeutungs⸗ vollen Schritt zur Verbesserung der Milchversorgung der Städte sieht der Verfasser durch die Centralisation des Milch⸗ handels; Verwandlung der kleinen Milchgeschäfte in Aktiengesellschaften und auch eine Verschmelzung der kleinen Kinder⸗Milchanstalten in eine größere Gesellschaft, da letztere im Stande ist, nur den gewöhn⸗ lichen Preis für unverfälschte Milch zu nehmen, während die kleinen Anstalten oft das Doppelte und darüber des marktgängigen Preises sich bezahlen lassen; und überdies die nothwendige polizeiliche Kontrole über die Gesundheit der Kühe und über die Güte der Milch bei kleinen Stationen sehr schwer zu handhaben ist.

2) Gemeinverständliche Anleitung zur Aufzucht des Rindes; zur Förderung der Rindviehzucht verfaßt und den deutschen Land⸗ wirthen gewidmet von J Fesir, Professor der Thierarzneischule in München, Molkereikonsulent und Wanderlehrer 'ür landwirthschaft⸗ liche Thierzucht im Königreich Bavern. Preis 1 Nachdem der Verfasser eingehend die Vortheile einer rationellen Nindviehzucht für jede Landwirthschaft besprochen hat, zählt derselbe alle Nachtheile, welche aus dem Ankauf der Kälber und Kühe den Landwirthen er⸗ wachsen, auf, und kommt zu dem Schluß, daß gerade diejenigen Län⸗

der, welche in der Viehwirthschaft Großes geleistet haben, wie England, Dänemark, Schleswig⸗Holstein, Holland und die Schweiz, stets ihre;

Kälber selbst aufgezogen und lie fremdes Vieh gekauft haben.

3) Die Kunst des Melkens, eine kurze Instruktion für das Melkpersonal von Bernhard Zielke, Zuchtdirektor und Rinder⸗ importeur. Preis 50 ₰. Diese sachlich und in populärer Sprache gehaltene Broschüre ist jedem Kuhbesitzer zu empfehlen. Der Ver⸗ fasser vergleicht darin das Euter der Milchkuh mit einer kostbaren Maschine, welche in den meisten Fällen die Melkerinnen nicht zu hand⸗ haben verstehen und dadurch den Nutzen der mit noch so großem Kapitalaufwand aufgezogenen Milchkühe vollständig illusorisch machen. In der Broschüre giebt der Verfasser verschiedene Regeln, die beim Melken anzuwenden sind, namentlich, daß stets vor der Fütterung gemolken werden muß, und zwar erstens deshalb, weil die Kühe vor⸗ her geruht haben, also sich noch ruhig verhalten werden, und zweitens, weil das Wiederkäuen dann beendet und die Verdauung durch Nichts gestört wird; ebenso muß zwischen jedem Melken genau die gleiche Zeit liegen; ob 2 oder 3 Mal gemolken wird, richtet sich nach den Verhältnissen des Gutes.

4) Ueber präservirte Butter, Vortrag von Prof. Dr. Fleischmann⸗Raden, gehalten in der Generalversammlung des milchwirthschaftlichen Vereins zu Danzig, den 17. März 1883. Preis 40 ₰. Nachdem sich im Laufe der letzten Jahrzehnte, namentlich während der letzten 5 Jahre die Produktion von Butter in Deutsch⸗ land, was Menge und Güte anbelangt, merklich gehoben hat, er⸗ scheint es, wie der Verfasser in der Broschüre ausführt, als dringend geboten, auf die Verbesserung und Erweiterung des Absatzes für Butter unausgesetzt Bedacht zu nehmen; und die Herstellung von Butter, deren Haltbarkeit die höchsten Anforderungen zu be⸗ friedigen vermag, in Deutschland in größerem Maßstabe ins Auge zu fassen, um die deutschen Seeschiffahrts⸗Gesellschaften, die deutsche Kriegs⸗ und Handelsmarine mit guter präservirter Butter zu versorgen und fremdländische Butter vom deutschen Markte zu verdrängen. Unter präservirter Butter versteht man Butter, welche man für den Export nach überseeischen Plätzen oder für die Verpro⸗ viantirung von Seeschiffen zum Zweck einer längeren Aufbewahrung besonders auswählt und in luftdicht zu verschließende Weißblechgefäße verpackt. Präservirte Butter ist daher, wie der Verfasser ausführt, vor⸗ züglich gesalzene und bereitete Butter, welche von erfahrenen sachverstän⸗ digen Fachleuten mit Sorgfalt ausgewählt wird, und deren Aussehen und Eigenschaften mit einem hohen Grad von Wehrscheinlichkeit erwarten lassen, daß sie sich unter luftdichtem Verschluß etwa 2 Jahre lang gut genug konservirt, um nach dieser Zeit noch zum direkten Konsum verwendet werden zu können. Bis jetzt ist es Dänemark gelungen, Deutschland erhebliche Konkurrenz in präservirter Butter zu machen, da fast sämmtliche präservirte Butter, die zum Gebrauch der See⸗ schiffe gebraucht wird, sowohl in der deutschen, wie auch in der eng⸗ lischen Marine, von Dänemark bezogen wird. Der Verfasser hofft nun, daß durch die von ihm vorgeschlagene sorgfältige Behandlung der Butter Deutschland bald Dänemark erfolgreich Konkurrenz machen, und die dänische präservirte Butter von dem deutschen Markt verdrängen wird.

5) Schultz⸗Lupitz und Prof. Märkerals Ausleger und Vertheidiger des Lupitzismus, eine Antikritik von Dr. H. Settegast, Geh. Regierungs⸗Rath und Professor an der landwirthschaftlichen Hochschule in Berlin; Separatabdruck aus der Milch⸗Zeitung. Preis 40 ₰. In zahlreichen Abhandlungen, Schriften und Vorträgen hat, wie den Landwirthen bekannt sein wird, der Gutsbesitzer Schultz in Lupitz ein neues System für den deutschen Landwirthschuftsbetrieb aufgestellt und vertheidigt, dem er die erreicht e wesentliche Ertragsfähigkeit seines Landgutes zuschreibt, und dessen weitere Verbreitung er für geeignet hält, dem heutigen Nothstande der Landwirthschaft abzuhelfen. Dem Lupitzer Wirth⸗ schaftssystem ist nach Angabe des Verfassers folgende Theorie zu Grunde gelegt: Die landwirthschaftlichen Kulturpflanzen zerfallen in zwei Gruppen, nämlich in Stickstofffresser und Stickstoffsammler Die ersteren bedürfen zu einer vollen Ernte mehr Stickstoff, als sie dem Acker zurückgewähren, die letzteren dagegen häufen einen Vorrath von diesem Pflanzennährstoff im Boden an, der hinreichend ist, den Bedarf der ihnen folgenden Stickstofffresser zu decken. Zum Zweck des Stickstoffersatzes bedarf es deshalb weder der Düngung mit Stall⸗ mist oder künstlichem stickstoffhaltigem Dünger, der Ersatz ist vielmehr auf die mineralischen Pflanzennährstoffe möglichst zu beschränken, be⸗ sonders Kali ist zu empfehlen. Die Viehzucht ist unrentabel und ein nothwendiges Uebel, sie muß daher nach Möglichkeit beschränkt wer⸗ den. Provozirt durch die Behauptung von Schultz⸗Lupitz, daß die heutigen Lehrer der Landwirthschaft einstimmig der herrschenden und einen vortheilhaften Betrieb schädigenden Wirthschaftsweise das Wort reden, hat der Verfasser in einer Reihenfolge von Artikeln, die unter dem Titel „Schultz⸗Lupitz und kein Ende“ zuerst in der „Deutschen landw. Presse“ veröffentlicht wurden, und sodann in einem Sonderabdruck im Buchhandel erschienen sind, den Nachweis geführt, daß das Wahre in obiger Theorie nicht neu, das Neue darin aber nicht zutreffend ist. Wie der Verfasser in der Broschüre aus⸗ führt, ist das verschiedene Verhalten der Tiefwurzler einer⸗, der Flach⸗ wurzler andrerseits gegenüber ihrem Stickstoffbedarf und ihrem An⸗ spruch auf Stickstoffersatz nicht neu; nicht neu ist ferner die Forderung genügenden Ersatzes der mineralischen Pflanznährstoffe, namentlich der Phosphorsäure, des Kalkes und des Kali; nicht neu, daß unter den käuflichen Kalisalzen der Kainit eine bevorzugte Stellung beanspruchen darf. Neu, aber falsch ist, daß der Verbrauch stickstoffhaltiger Kaufdünger unter allen Umständen als verschwenderisch zu erachten sei. Neu, aber falsch ist ferner der Satz, daß auch heute noch und voraussichtlich dauernd die Viehzucht nicht rentire, einen zu theuren Dünger liefere, die Verbilligung der landwirthschaftlichen Produktion verhindere und deshalb in die engsten Schranken gebannt werden müsse; daß dagegen aus ökonomischen und patriotischen Grün⸗ den auf einer ausgedehnten Getreideproduktion das Heil der deutschen Landwirthschaft beruhe. 8

Gewerbe und Handel.

Berliner Wollmarkt, 19. Juni, Abends. Das Woll⸗ marktsgeschäft, wenn von einem solchen bei der fast vollständigen Ab⸗ neigung zu Abschlüssen die Rede sein kann, zeigte heute Nachmittag ein ausgeprägt tristes Gepräge. Seit unserem Mittagsbericht, der gleichfalls wenig erfreulich lautete, sind kaum nennenswerthe Käufe gemacht worden. Die im Markt befindlichen Kämmer und Fabrikan⸗ ten schienen mehr der Orientirung halber, um einen Maßstab für die Zu⸗ kunftstendenz zu gewinnen, als um geschäftliche Transaktionen zu vollziehen, anwesend zu sein, und die ältesten Wollverständigen wissen sich nicht solcher ausgeprägten Unternehmungsunlust zu entsinnen. Als kein charakteristisches Merkmal für die Stellungnahme der Wollkonsumenten verdient die Eigenthümlichkeit wiedergegeben zu werden, daß die vor⸗ handenen Fabrikanten ꝛc. sich gewissermaßen zu einer Phalanx zu⸗ sammen thaten, um eine nachdrückliche Pression auf den Preisstand auszuüben. Sie gingen in sich ablösenden Abtheilungen zu den Inhabern und gaben systematische Gebote ab, von denen sie wußten, daß solche, ihrer gehabten Fühlung gemäß, noch niedriger waren, als die von ihren Kollegen gemachten, um diesen den Ein⸗ kauf zu erleichtern. Trotz dieser bezeichneten Taktik und der Neigung der Eigner, einigermaßen acceptablen Offerten sich zu fügen, waren, wie gesagt, gefördert durch das regnerische Wetter, die Abschlüsse minimal. Wir glauben eher zu hoch als zu niedrig gegriffen zu haben, wenn wir nach eindringlicher Orientirung annehmen, daß am Schluß dieses Berichtes, Abends 6 ½ Uhr, erst ein Drittel des Woll⸗ marktsquantums Unterkommen gefunden hat. Verhältnißmäßig am kaufwilligsten waren die Spremberger Fabrikanten, aber auch diese zeißten sich in der Auswahl sehr penibel und erwarben nur solche Wollen, deren Güte und Ausgiebigkeit sie in früheren Jahren erprobt hatten. Diese Gattungen waren noch einigermaßen von der Baisseströmung verschont und brachten fast durchweg vor⸗ jährige Preise, während dem Gros der ferner zögernd gekauften Qualitäten Notirungen zu Grunde lagen, welche die von 1882 Wum ca. 6 unterstanden. Die feinsten Dominialwollen waren, wie wir mittheilten, schon Vormittags zu 61. bis 66 Thlr. kegeben, mit Ausnahme eines Postens, für den 68 Thlr. gefordert, aber nur 64 Thlr. geboten wurden. Gute, leichte Tuchwollen brachten 56 bis 58 Thlr., während der Werth der geringeren Tuch⸗ und Stoffwollen sich bis 53 Thlr. herab fixirte. Auf den Stadtlägern spielten sich ähnliche Verhältnisse ab. Es fehlte positiv an genügender Käuferzahl, und die Anwesenden ließen es sich daher angelegen sein, ihre dominirende Stellung nach Möglichkeit auszubeuten. Während an den Vortagen bevorzugte bessere Wollen ungefähr die Vorjahrspreise erreichten, ist heute von dem noch sehr wenig verkauften Gros der Läger ein sich bis auf 6 be⸗ ziffernder Preisabschlag gegen das Vorjahr zu konstatiren. Selbst ganz gut behandelte Wollen blieben unberücksichtigt und man hielt es nicht der Mühe werth, auf dieselben überhaupt ein Gebot abzugeben, obgleich man weiß, daß Eigner gern verkaufen möchten. Die Thätigkeit der Käufer beschränkte sich auch Nachmittag, wenn wir uns so ausdrücken dürfen, auf eine Blumenlese. Nennenswerthe Ab⸗ schlüsse fehlten. Stammwollen A. A. bester Behandlung erzielten 57 bis 58 Thlr., gute Stoffwollen zweite Hälfte der 50er Thlr. Man erwartet, daß im Juli und August Wollreflektanten die größere Trockenheit der Wollen zu belangreicheren Einkäufen benutzen werden.

20. Juni, Mittags. Das gesammte, auf den Stadtlägern und dem Wollmarkte befindliche Quantum betrug, wie nunmehr fest⸗ steht, 93 600 Ctr., doch sind in demselben ca. 8000 Ctr. überseeische und ca. 16 000 Ctr. ungewaschene Wollen, welche letzteren 25 bis 28 % von Rückenwäschen ergeben, enthalten. Ferner dürfte dieses Quantum ca. 1000 Ctr. ganz geringe Waare um⸗ fassen, die im Wollverkehr garnicht in Betracht kommt. Zieht man diese Hualitäten in Betracht, ib dite das eigentlich maßgebende Wollguantum sich von 93 600 Ctr. auf gegen 73 000 Ctr. deutscher Rückenwäschen reduziren und damit unsere ursprüngliche Taxe decken. Nach Schluß unseres letzten Be⸗ richts wurden in aller Stille noch einige größere Abschlüsse perfekt, die das auf dem Wollmarkte verkaufte Quantum auf ca. 11 000 Ctr., gegen der Anfuhren, hoben. Auf dem Markte behielt auch heute das Geschäft seinen traurigen Charakter. Die wenigen Fabrikanten, die erschienen waren, gingen mit ihren Geboten 1 bis 3 Thlr. unter die gestrigen zurück, fanden aber damit nur wenig Entgegenkommen, so daß das gesammte begebene Quantum sich bis 11 Uhr auf etwa 13 000 Ctr. bezifferte, von denen ein gutes Theil in den Besitz von Händlern über⸗ ging. Letztere schienen nämlich den Zeitpunkt für gekommen zu hal⸗ ten, die gedrückte Stimmung der Eigner zu Einkäufen zu benutzen und erwarben auch mehrere größere, ihnen preiswerth erscheinende Posten. Die ca. 4000 Ctr., die noch ihrer Begebung harren, werden, soweit sie bis dahin keinen Nehmer gefunden haben, Nachmittags auf Stadtläger gehen, so daß damit der eigentliche Wollmarkt als beendet erscheint. Die in demselben angelegten Preise stellten sich, wie folgt: feinste Dominialwollen 60 bis 63, vereinzelt 64/66, mittlere und gute Tuch⸗ und Stoffwollen 53—57, vereinzelt 58 ½, ordinäre Wollen 40 46, Schmutzwollen, die in einzelnen Parthien vorhanden waren, 20 23 Thlr. pr. Ctr. Bemerken wollen wir, daß bis zum Schluß gutbehandelte Wollen sich auf vor⸗ jährigem Stand erhielten, so erzielten die schließlich noch verkauften Wollen von Horst, Blankensee, Neudorf, Zernikow und Gr. Koelpin dasselbe, wie in 1882. Auf den Stadtlägern blieb die Käuferzahl eine ge⸗ ringe. Besonders gute Sachen wurden von den Eignern auf dem vor⸗ jährigen Preisstand gehalten, und ist zu solchem auch etwas mehr verkauft worden. Bei Durchschnittsqualität und Behandlung waren Eigner zu weiteren Preiskonzessionen geneigt und ermöglichten hierdurch einige Ab⸗ schlüsse. Während die Fabrikanten nach wie vor in auffälliger Weise dem Geschaͤft fast fern blieben, entwickelte eine große süddeutsche Spinnerei umfangreichere Thätigkeit. Sie beachtete bessere vor⸗ pommersche Wollen und soll für solche 58 Thlr. ange⸗ legt baben. Auch ein Thüringer Spinner hat angeblich Mehreres erworben. Die von dieser Seite den Lägern ent⸗ nommenen Posten wurden gebeim gehalten, doch glauben wir folgern zu dürfen, daß die bezüglichen Abschlüsse kaum halb so groz waren wie im Vorjahre. Bessere Qualitäten von Kamm⸗ wollen kräftiger Beschaffenheit dürften nach wie vor zu letzten Woll⸗ marktpreisen zu begeben sein. Es tritt jetzt schon aber zur Evidenz hervor, daß Händler große Summen Geldes verloren haben und kaum zu er⸗ warten ist, daß diese Verluste bald wieder eingebracht werden.

(Berl. Pol. Nachr.) Das italienische Handels⸗Ministerium veröffentlicht sehr günstig lautende Berichte über den muthmaßlichen Ausfall der heurigen italienischen Seidenernte. Dieselbe dürfte danach so ergiebig werden, daß Italien in der Lage ist, einen Theil seiner Kokons an das Ausland abgeben zu können. IEs fällt diese Möglichkeit um deswillen ins Gewicht, weil die Eventualität kriegerischer Verwickelungen zwischen Frankreich und Ching neuerdings in allen kaufmännischen Spekulationen eine bedeutende Rolle spielt und die europöäischen Seidenmärkte in diesem Falle an China kaum eine sonderlich leistungsfähige Bezugsquelle ihres Rohmaterials haben dürften, um so weniger, da die Seidenvorräthe in den chinesischen Häfen fast schon gänzlich erschöpft und dieselben daher auf die Zu⸗ fuhren aus dem Innern des Reiches angewiesen sind. Indeß wird aus Yokohama gemeldet, daß auch Japan heuer eine ergiebige Seiden⸗ ernte zu gewärtigen hat. 1

Breslau, 19. Juni (W. T. B.) In der heutigen Ver⸗ waltungsrathssitzung der Breslau⸗Schweidnitz⸗Freiburger Eisenbahngesellschaft wurde die Verstaatlichungsofferte nebst dem Vertrage vorgelegt und nach eingehender Erörterung und An⸗ hörung des Direktoriums einstimmig angenommen. Hierauf wurden in Gemäßheit der ministeriellen Verfügung als Kommissare zur defi⸗ nitiven Feststellung des Vertrages mit der Staatsregierung vom Ver⸗ waltungsrath die Direktionsmitglieder Dr. Glauer, Bankier Leder⸗ mann und Kommerzien⸗Rath Molinari erwählt, die demnächst mit den Regierungskommissaren in Berlin den definitiven Ueberlassungs⸗ vertrag abschließen sollen, damit solcher der einzuberufenden General⸗ versammlung zur Beschlußfassung unterbreitet werden kann.