dition nach Nyvangwe (1881— 82) gedrängt skizzirt. — In einem an⸗ deren Aufsatz untersucht Dr. J. Partsch, Professor an der Univer⸗ sität Breslau, die Veränderungen, welche sich an dem Küstensaum der Regentschaft Tunis in historischer Zeit vollzogen haben, und gelangt darin zu dem Schluß, daß für die vermeintliche Hebung der Küsten von Tunis, welche von Manchen wie eine festgestellte Thatsache behandelt wird, keine ausreichenden Beweise erbracht seien. Die Ausführungen des Verfassers werden durch eine Karte der Umgebung von Tunis, Porto Farina und Biserta illustrirt. — Eine interessante statistische Arbeit lieferte Gerhard Rohlfs mit seiner Untersuchung über die Anzahl der Juden in Afrika. Eine solche Statistik ist zuerst von Brunialti auf⸗ estellt worden, welcher die Gesammtzahl der Juden in
frika auf 450 000 berechnete, und zwar sollten in Algier 34 000, in Egypten 8000, Tunis 60 000. Tripolitanien 100 000 und in Marokko 200 000 wohnen. Die Zahl für Algerien beruht auf statistischen Erhebungen der Franzosen, weshalb sie Rohlfs für ebenso zuverlässig hält wie die für Egypten; auch die Zabh für Tunesien sei wohl annähernd richtig. Dagegen seien die Zahlen für Tripolitanien und Marokko viel zu hoch angenommen. Da die Juden dort wie fast überall ganz vorzugsweise in den Städten wohnen, die Hauptorte Tripolitaniens aber zusammen, hoch gerechnet, nur ca. 50 000 Einwohner haben, so dürfte die jüdische Bevölkerung, nach Rohlfs, nicht mehr als 5000 Individuen zählen. Ebenso sei es in Bezug auf Marokko, wo die Zahl der Juden vielleicht nicht höher als auf 45 000 anzunehmen, mit 62 800 aber sehr hoch geschätzt sei. Nimmt man aber selbst diese letztere hohe Schätzung, so ergiebt sich als Gesammtresultat für Nordafrika nur die Zahl von 169 800 Juden, gegen 450 000 bei Brunialti. Freilich ist bek diesen Schätzungen der eigenartige israelitische Stamm der Falascha in Abessinien außer Acht gelassen, deren Rohlfs 50 000 (gegen 200 000 nach sonstiger Schätzung) annimmt. Rechnet man dazu noch die in den Kolonien (Kapland, Transvaal, Guinea, Senegambien ꝛc.) zerstreuten Juden mit (hochgegriffen) 1000 Seelen, so erhält man als Gesammtergebniß die Zahl von 220 800 Juden, welche Afrika bewohnen, während man dieselbe sonst auf 450⸗, ja sogar auf 500 000 angegeben findet. Die auffällig niedrige Angabe für Egyppten erklärt sich übrigens, nach Rohlfs, durch den Umstand, daß dort viele Geschäftszweige, in welchen in den übrigen afrikanischen Städten die Israeliten excelliren, durch Le⸗ vantiner, Armenier und auch Griechen ausgefüllt werden, Völker, die nach dem übereinstimmenden Urtheil der Ethnologen, die Juden im Handel noch übertreffen sollen. — In dem geographischen Monats⸗ bericht finden wir unter vielem Anderen Mittheilungen an die Redaktion von dem Reisenden A. Regel über seine Expedition nach dem Pamir und von Ed. Flegel aus Ngaundere, einem nie bisher von Europäern besuchten Orte des südlichen Adamaua, worin er mittheilt, daß es ihm gelungen, die Gegend zu entdecken und zu erreichen, in welcher der Benué entspringt. Die Briefe des Reisenden nebst einer Karten⸗ skizze sollen im nächsten Heft zur Publikation gelangen.
— Die im Jahre 1869 zum ersten Male herausgegebene Re⸗ gistrande der geographisch⸗statistischen Abtheilung des Großen Generalstobes liegt jetzt im dreizehnten Jahr⸗ gange vor. (Berlin 1883, Mittler und Sohn, Königl. Hof⸗Buch⸗ handlung. Preis 13 ℳ) Das gediegene Werk ist bestimmt, das Neue aus der Geographie, Kartographie und Statistik Europas und seiner Kolonien in Quellennachweisen, Auszügen und Besprechungen zur laufenden Orientirung zusammenzustellen und zu erörtern. Da der zwölfte Jahrgang im Jahre 1882 erschien, so ist in dem vor⸗ liegenden Werke das seitdem zur Kenntniß des Großen General⸗ stabes gelangte Material bearbeitet worden. Nach Voraus⸗ schickung einer allgemeinen und einleitenden und einer Europa behandelnden Abtheilung wird eine größere Anzahl von Abschnitten dem Deutschen Reich, den deutschen Bundesstaaten, den übrigen europäischen Staaten und ihren Kolonialreichen, Kolonien und außereuropäischen Besitzungen gewidmet. Um den reichen Inhalt des Werkes zu veranschaulichen, führen wir die das Deutsche Reich betreffenden Hauptrubriken an: Land und Leute, — Nord⸗ und Mittel⸗ deutschland, — Süddeutschland, — Rheinlande, — Verfassung, Ver⸗ waltung, Justiz, — Finanzen, Steuern, Zölle, — Maß, Gewicht und Münze, — geistige Kultur, — Soziologie, — Urproduktion (Berg⸗, Land⸗ und Forstwirthschaft), — Industrie, — Handel, — Verkehrs⸗ wesen, — Konsularwesen, Auswanderung und Kolonisation, — deut⸗ sches Reichsheer, — Marine. Diese Abtheilungen zerfallen meist wiederum in mehrere Abschnitte, in welchen die bezüglichen Literaturen dc. vermerkt bezw. besprochen und zahlreiche, zum Theil sehr eingehende Mittheilungen aus den Quellen veröffentlicht worden sind. Die uͤbrigen Abschnitte des Werkes haben in ähnlicher Weise eine sorg⸗ fältige und gründliche Bearbeitung erfahren. Daß hierbei der Be⸗ griff der Statistik, welche einen Theil des Themas des Werkes bildet, im weitesten Sinne gefaßt ist, geht aus dem vorstehend beispielsweise mitgetheilten Inhaltsverzeichniß hervor. Die bevorzugte Erörterung des Heerwesens der einzelnen Staaten ꝛc. ist bei dem Zweck des Werkes selbstverständlich. Dasselbe wird nicht nur dem Offizierstande, sondern auch dem Staatsmanne und Allen, welche sich für militärische Verhältnisse interessiren, eine Fülle der Belehrung und Anregung bieten.
— Der von dem aufsichtführenden Richter des Königlichen Amts⸗ gerichts II. zu Berlin, Amtsgerichts⸗Rath Dr. C. W. Bleich herausgegebene „Leitfaden für die juristischen Prüfungen und den Vorbereitungsdienst der Referendarien in Preußen“ liegt jetzt in zweiter verbesserter Auflage vor. (Verlag von W. Möser, Hof⸗ buchhandlung, Berlin. Preis 1 ℳ) Die Schrift enthält eine für Referendarien und die mit der Leitung des Vorbereitungsdienstes der⸗ selben betrauten Richter bestimmte Zusammenstellung der in Frage kommenden gesetzlichen und reglementarischen Bestimmungen, wobei insbesondere auch das Regulativ vom 1. Mai 1883, betreffend die
juristischen Prüfungen und die Vorbereitung zum höheren Justiz⸗
dienst, berücksichtigt worden ist. “ .— Nachdem der Geheime Ober⸗Justiz⸗Rath Hinrichs der bisherigen Mitarbeiterschaft an dem preußischen Hypothekenrecht
von Dernburg und Hinrichs, dessen erster Theil in der von Meibom⸗ schen Sammlung 1877 im Breitkopf und Härtelschen Verlage er⸗
schienen ist, auf seinen Wunsch enthoben worden, hat derselbe die Veröffentlichung einiger durch jenes Werk veranlaßten Studien ins Auge gefaßt, welche keinerlei Widerspruch Seitens der bei jenem
Unternehmen Betheiligten begegnet ist. Als erstes Heft dieser „Stu⸗ dien aus dem Gebiete des preußischen Hypothenrechts“
liegt eine Abhandlung über die auf vollstreckbaren Titeln beruhenden hypothekarischen Eintragungen und Vor⸗ zugsrechte der Personalgläubiger vor. Verlag von J. Gut⸗ tentag (D. Collin), Berlin und Leipzig. — Den im. Wege der Zwangsvollstreckung erfolgenden Eintragungen und der Kon⸗
kurrenz der Real⸗ und Personalgläubiger in der Subhastation hat die Literatur bisher nur geringe Aufmerksamkeit zugewendet; sie bietet mancherlei werthvolle Einzelerörterungen, aber keine die auf⸗
zuwerfenden Fragen zusammenfassende Darstellung des bestehenden
Rechts, wie sie, seitdem eine tiefgreifende Aenderung des letzteren
in Aussicht genommen ist, als ein Bedürfniß anzuerkennen sein wird. Diesem im letzten Moment entgegenzukommen, ist der Zweck dervy orlie⸗ genden Schrift, welche den jetzigen — sehr verschiedenen Auffassungen unterworfenen — Rechtsbestand unddessen historische Grundlagen in thun⸗ lichster Kürze übersichtlich zu machen suchen soll. Die weiter zu ver⸗ öffentlichenden Abhandlungen werden mit dem jetzt erschienenen Heft einen Band mäßigen Umfangs bilden und voraussichtlich im Laufe des Jahres erscheinen.
— Unter dem Titel „Die Gewerkschaft und ihre Ent⸗
wicklung unter dem Allgemeinen Berggesetz für die
preußischen Staaten vom 24. Juni 1865“ ist von Rob. Esser II. in demselben Verlage ein Kommentar zu den auf das Gewerkschaftsrecht bezüglichen Bestimmungen des vierten bezw. elften Titels des Allg. Berggesetzes herausgegeben worden, wobei abweichende Vorschriften anderer auf gleicher Grundlage beruhende deutsche Berg⸗
gesetze soweit als thunlich Berücksichtigung gefunden haben. Die
seit dem Erlaß der gesetzlichen Bestimmungen getroffenen,
in der Zeitschrift für Bergrecht (Bonn, bei Adolph Marcus) veröffentlichten Entscheidungen der Gerichtshöfe, Ministerial⸗
erlasse und Bescheide der Bergbehörden hat der Verfasser entsprechend
benutzt und unter Angabe von Band und Seite der gedachten⸗— Sdtlich erkrankten, ist vom Staate Fürsorge zu treffen, — mit einigen
Zeitschrift angeführt, um dem Leser die Möglichkeit einer eingehen⸗ deren Informirung zu gewähren. Die einzelnen zur Erörterung kommenden Gesetzesvorschriften sind in den Text aufgenommen; es folgen danach die erläuternden und kritischen Bemerkungen, so daß jeder Paragraph für sich erkennbar zur Erscheinung gelangt. Der Arbeit, welche wesentlich praktischen Zwecken dienen soll, ist ein die Uebersicht erleichterndes Sachregister beigegeben.
Gewerbe und Handel.
Breslau, 22. Juni. (W. T. B.) Der Verwaltungsrath der Oberschlesischen Eisenbahngesellschaft beschloß in seiner heutigen Sitzung, zunächst mit der Staatsregierung über die Abände⸗ rung einzelner Bestimmungen des vorgelegten Vertragsentwurfs, be⸗ treffend den Uebergang des Unternehmens auf den Staat, zu ver⸗ handeln. Die wesentlichsten Grundlagen des Vertragsentwurfs sind dem Verwaltungsrathe annehmbar erschienen. 8
Güstrow, 22. Juni. (W. T. B.) Wollmarkt. Zufuhren nahezu 11 000 Ctr., Wäsche gut. Das Geschäft anfänglich stockend, wurde bald belebter, so daß gegen 10 Uhr Vormittags der Zu⸗ fuhren verkauft waren. Die Preise stellten sich auf 151 bis 168 ℳ un ergaben daher nur einen geringen Abschlag gegen das vorige
ahr.
Wien, 22. Juni. (W. T. B) Nach einer Bekanntmachung des Verwaltungsrathes der Kaiserin⸗Elisabeth⸗Bahn wird der in der Kundmachung vom 2. d. M. festgesetzte Termin zur Ueber⸗ reichung der alten Obligationen behufs Konvertirung bis zum 30. d. M. inclusive verlängert. 1
London, 22. Juni. (W. T. B.) Bei der gestrigen Woll⸗ auktion waren Preise unverändert.
Verkehrs⸗Anstalten.
Bremen, 22. Juni. (W. T. B.) Der Dampfer des Norddeutschen Lloyd „Elbe“ ist heute Nachmittag 4 Uhr in Southampton eingetroffen.
Bremen, 23. Juni. (W. T. B.) Der Dampfer des Norddeutschen Lloyd „Werra“ ist gestern Nachmittag 2 Uhr in New⸗York eingetroffen.
Hamburg, 22. Juni. (W. T. B.) Der Postdampfer „Rugia“ der Hamburg⸗Amerikanischen Packetfahrt⸗ Aktiengesellschaft ist heute Vormittag 11 Uhr in New⸗York und der Postdampfer „Bohemia“ on derselben Gesellschaft, von New⸗York kommend, heute Nachmittag 2 Uhr auf der Elbe eingetroffen. 3
Hamburg, 23. Juni. (W. T. B.) Der Postdampfer „Ba⸗ varia“ der Ham burg⸗Amerikanischen Packetfahrts⸗ Aktiengesellschaft hat gestern, von Westindien kommend, die Seilly⸗Inseln passirt.
In Gemäßheit des laut Allerhöchster Kabinets⸗Ordre vom 28. Januar 1882 bestätigten Statuts hat das Kuratorium alljährlich am 11. Juni, zur Erinnerung an das im Jahre 1879 gefeierte Ehe⸗ jubiläum Ihrer Majestäten des Kaisers und der Kaiserin Kassenbericht zu erstatten. 8 Am 11. Juni 1882 war ein Bestand vorhanden in Effekten 33 000 ℳ zu einem Courswerth von. 33 262 ℳ 75 ₰ und deponirt bei der Kur⸗ und Neumärkischen Ritterschaftlichen Darlehnskasse. u 190906 Summa 34 432 ℳ 18 ₰
Aus den statutenmäßig zu Unterstützungen zu verwendenden zwei Dritteln der Kapitalzinsen waren disponibel 1614 ℳ, 50 ₰. Hiervon sind an Beamte, Beamtenwittwen und Hintecbliebene ehemaliger Beamte gezahlt: an 26 Personen in Beträgen von 300 ℳ, 150 ℳ, 100 ℳ, 60 ℳ, 50 ℳ, 40 ℳ, 30 ℳ, 20 ℳ, zusammen 1420 ℳ An Portokosten sind 20 ℳ 43 ₰ und sonstige Unkosten für Schreib⸗ materialien, Bücher, Register ꝛc. 95 ℳ 50 ₰ verausgabt, so daß noch ein Betrag von 78 ℳ 57. ₰ im Bestande verbleibt.
Ein Drittel der Zinsen ist dem Kapitalsstock so lange zuzu⸗ schreiben, bis derselbe die Höhe von 200 000 ℳ erreicht hat *).
Der Gesammtbestand der Stiftung beträgt heute in Effekten 34 000 ℳ zu einem Courswerthe von . .34 560 ℳ 80 ₰,
Hierzu deponirt wie oben: Grundkapital⸗Konto 670 ℳ 28 ₰% 748 85 Unterstützungsfonds 78 „ 57 „ 11 Summa 35 309 ℳ 65 ₰.
Berlin, den 11. Juni 1883. Der Vorsitzende des Kuratoriums In Vertretung: Dr. Aegidi. 1“ 8
Die erste Sitzung des deutschen Aerztetagen wurde am Freitag Vormittag in der Theerbuschschen Ressource durch den Vor⸗ sitzenden, Hrn. Graf⸗Elberfeld eröffnet. In der Versammlung waren 140 Vereine durch 123 Delegirte mit 6996 Stimmen vertreten. Der Vorsitzende sprach u. A. dem Reichstage seinen Dank aus für die von ihm gefaßten Beschlüsse zur Novelle der Gewerbeordnung und vor Allem auch für die Annahme der Resolution: den Herrn Reichs⸗ kanzler zu ersuchen, Fürsorge zu treffen, daß dem Reichstage ein Ge⸗ setzentwurf über die Herstellung einer Aerzte⸗Ordnung vorgelegt werde. Nach einer Reihe geschäftlicher Mittheilungen begann der Präsident des säͤchsischen Landes⸗Medizinal⸗Kollegiums Dr. Reinhard sein Referat überde n dritten Gegenstand der Tagesordnung: Vorberathung eines Reichsseuchengesetzee. Der Vortragende stellte als Grundlage der Diskussion folgende Thesen auf: 1) Die zur Abwehr der Einschleppung von in Europa nicht einheimischen Infektionskrankheiten erforderlichen Verkehrsbeschrän⸗ kungen sind von Fall zu Fall von Reichswegen zu treffen. 2) Die Anzeigepflicht über das Auftreten gemeingefährlicher Krankheiten ist den Aerzten und zugleich bei Cholera und Pocken auch den Haus⸗ haltungsvorständen, und für Erkrankungen im Wochenbette den Hebe⸗ ammen aufzulegen. Der Korreferent, Bezirksarzt Dr. Merkel⸗Nürn⸗ berg, hatte diesen zwei Thesen des Referenten eine besondere gegen⸗ über gestellt, die sich von derselben wesentlich dadurch unterschied, daß er die Anzeigepflicht auch dem in Bayern noch fungirenden niederen ärztlichen Personal zugewiesen haben wollte. Außer⸗ dem enthielt seine These noch ein letztes Alinea folgenden Wortlauts: Dies involvirt die obligatorische Einführung der Leichen⸗ schau in allen den Staaten, in welchen sie noch nicht besteht. — Bei der Spezialdebatte wurde die h 1 fast einstimmig unverändert angenommen, die These 2 in einer vom Referenten beantragten Fassung, während die Frage, inwieweit dem niederen ärztlichen Per⸗ sonal die Anzeigepflicht zu übertragen sei, mit der Maßgabe, daß dies geschehen könne, wo dasselbe noch bestehe, angenommen wurde. Mit ca 4000 gegen ca. 2000 Stimmen wurde dann auch das letzte Alinea der These des Korreferenten, betreffend die Leichenschau, zum Beschluß erho⸗ ben. Nach einer Pause ging die Debatte zu These 3: Ueber die Ursache, den Stand und den Forrtgang gemeingefährlicher Krankheiten hat die mit der Gesundheitspflege betraute Behörde unter pflichtmäßiger Mitwirkung der Aerzte Ermittelungen zu veranstalten, Listen zu führen und periodische Bekanntmachungen zu erlassen, über, die zur Annahme, gelangte. Bei These 4 handelt es sich besonders um die Details der der Gesundheitspolizeibehörde zu bezeichnenden Maßregeln zur Unterdrückung der aufgetretenen gemeingefährlichen Krankheiten. Die⸗ selbe gelangte ebenso wie These 5 und 6: Die Methode und Art der Ausführung der Desinfektion wird durch die einzelnen Landesregie⸗ rungen festgesetzt; für die Hinterlassenen derjenigen Aerzte, Geisk⸗ lichen, Krankenpfleger und Polizeibeamten, welche, während sie im Auftrage des Staats oder der Gemeinde mit an ansteckenden Krank⸗ heiten Leidenden Verkehr zu pflegen hatten, an solcher Krankheit
*) Freiwillige Zuwendungen werden mit Dank angenommen vom Schatzmeister von Bärensprung, Großbeerenstr. 13.
Land⸗Forstmeister.
Amendements zur Annahme. — Zu dem weiteren Gegenstand der Tages⸗ ordnung: Referat über die Verlängerung des medizinischen Studiums
auf 5 Jahre, stellte der Referent, Hr. Dörfler⸗Weißenburg, den An⸗ trag: Der XI. deutsche Aerztetag wolle beschließen, Angesichts der Thatsache, daß eine Prüfungsordnung vom Bundesrath beschlossen worden ist, welche den vom Aerztetage stets angestrebten Weg betritt,
vorerst die Berichterstattung und Berathung über diesen Gegenstand von der Tagesordnung abzusetzen, der fast einstimmig zur Annahme gelangte. Hierauf erfolgte der Schluß der Sitzung um 3 ½ Uhr.
Das Programm für die 12. Versammlung deutscher
Forstmänner zu Straßburg vom 27. bis 31. August d. J. ist
nunmehr entgültig festgestellt und lautet:
Zu dieser Versammlung werden alle Forstmänner und Freunde des Forstwesens hierdurch eingeladen. Es wird gebeten, die Theil⸗ nahme an der Versammlung bis spätestens den 1. August d. J. bei einem der unterzeichneten Geschäftsführer anzumelden und gleichzeitig anzugeben, ob die Bestellung einer Wohnung gewünscht wird.
Zeiteintheilung. Montag, den 27. August. Empfang der Theil⸗ nehmer auf dem Stadtbahnhofe, woselbst in einem hierzu eingeräumten Lokale die Wohnungen nachgewiesen werden. Das Centralbureau befindet sich in der Aubette am Kleberplatz, woselbst die Einzeichnung in die Mitgliederliste und die Uebernahme der Abzeichen ꝛc. erfolgt. Abends gesellige Vereinigung im Civilkasino und Münsterbeleuchtung.
Dienstag, den 28. August. Sitzung von 8-1 Uhr Nachmittags mit halbstündiger Pause um 11 Uhr im großen Aubettesaal am Kleberplatz. Besuch der Münsterplattform. Nachmittags Ausflug nach Zabern und Hohbarr mittelst Extrazuges.
Mittwoch, den 29. August. 12* von Vormittags 8 bis 1 Uhr Nachmittags mit balbstündiger Pause um 11 Uhr im großen Aubettesaale. Besuch der Münsterplattform. Nachmittags gemein⸗ A Mittagessen in der Rheinlust. Abends großer Festkommers im Tivoli.
Donnerstag, den 30. August. Exkursion in die Oberförsterei Barr mittelst Extrazuges. Frühstück im Walde, angeboten von der Stadt Straßburg. Gemeinschaftliches Mittagessen in Hohwald.
Freitag, den 31. August. Nachexkursionen nach beliebiger Wahl
und speziellen Programmen: 1) Exkursion von Hohwald aus durch die Oberförstereien Barr und Oberehnheim nach dem Odilienberg; 2) Exkursion in die Oberförstereien Zabern, Neuweiler und Lützel⸗ stein⸗Süd; 3) Exkursion in die Oberförsterei Hagenau⸗West, von dort nach den Schlachtfeldern bei Wörth und von da nach der Singerschen Imprägnirungsanstalt zu Reichshofen, Gegenstände der Berathung 1) In welcher Weise kann der Staat zur Hebung der Holzindustrie beitragen? Referent: Ober⸗ Forstmeister Solf, Metz. Korreferent: Oberförster Dr. Weber, München.
2) Welche Erfahrungen liegen bezüglich des Anbaues der Wey⸗ mouthskiefer auf verschiedenen Standorten in reinen und gemischten Beständen vor, und welche Mittheilungen über den Gebrauchswerth dieser Holzart können gemacht werden? Referent: Forstmeister Weise, Eberswalde Korreferent: Foxstmeister Urich, Büdingen.
3) Welche Erfahrungen liegen bezüglich des Anbaues, der Be⸗ wirthschaftung und des Ertrages des Kastanien⸗Niederwaldes vor? Referent: Oberförster Kaysing, Kaysersberg.
4) Welche Aenderungen der Statuten der allgemeinen Versamm⸗ lung deutscher Forstmänner erscheinen wünschenswerth? Referent: Forstmeister Sprengel, Bonn. Korreferent: Akademie⸗Direktor Fürst, Aschaffenburg.
5) Mittheilungen über Versuche, Beobachtungen, Erfahrungen und beachtenswerthe Vorkommnisse im Bereiche des Forstwesens.
Die Geschäftsführung. 8 Frhr. von Brandenstein,
Mayer, Ober⸗Forstmeister.
Der Festzug der Kunstakademiker, die heute in Schloß Erunewald ihr Sommerfest feiern, setzte sich kurz vor z9 Uhr von dem Marstall in der Dorotheenstraße aus in der Stärke von ca. 150 Personen in Bewegung. Ein Herold, hoch zu Roß, er⸗ öffnete ihn, dann folgte das Musikcorps, dem das Banner der Akademie nachgetragen wurde. Zwei Reiter begleiteten dasselbe. Hinter ihnen schritten die Rathsherren von Münster, in würdevoller Amtstracht mit der güldenen Kette um den Hals. Als dritte Gruppe erschien die Brandenburgische Gesandtschaft. Dem Gesandten selbst folgten 8 Reiter, die das Brandenburgische Banner umgaben sowie der vierspännige Gesandtschaftswagen, den die Akademiker in veichster Weise mit ornamentalem und bildlichem Schmuck geziert hatten, und den zwei Mohren begleiteten. Gefolge zu Fuß und zu Pferde schoß diese Gruppe. Als vierte Gruppe folgte die hohe Geist⸗ lichkeit; der Kurdinal, hatte es vorgezogen, die für ihn bestimmte prächtige Sänfte zu verlassen und, zu Fuß einherschreitend, die Hul⸗ vigungen entgegenzunehmen, die allerlei Volk ihm darbrachte, das dem Zuge der hohen Geistlichkeit sich angeschlossen. Kriegsvolk (mit einer Kanone), das unterwegs einen Hühnerdieb abgefaßt hatte, der, an ein Pferd gebunden, mitgeführt wurde, und die auch diesmal nicht fehlen⸗ den Zigeuner bildeten den Schluß des Zuges, dem alsdann die 30 Kremser mit den Gästen folgten. Der Zug bewegte sich durch die Univer sitätsstraße, die Linden entlang, passirte das Brandenburger Thor und begab sich sodann über Charlottenburg, durch die Bismarck⸗ und Wilmersdorferstraße nach dem Kurfürstendamm, in den man ein⸗ bog, um so den Grunewald zu erreichen. Bei Schloß Grunewald sollten alsdann die Aufführungen vor sich gehen.
Breslau, 22. Juni, Abends. (W. T. B.) Auf dem Ueber⸗ schwemmungsgebiete ist das Wasser erheblich gefallen. Die Oder und die Oppa steigen noch. In Ullersdorf bei Glatz sind, nach einer Meldung des „Gebirgsboten“, 7 Schulkinder ertrunken.
Dresden, 22. Juni, Abends. (W. T. B.) Der Wasserstand der Elbe betrug heute Mittag 1 Uhr 209 cm über Null und heute Nachmittag 5 Uhr 217 cm über Null und hat anscheinend die größte Höhe noch nicht erreicht.
Dresden, 23. Juni. (W. T. B.) Der Wasserstand er⸗ reichte gestern Abend 10 Uhr mit 218 cm über Null die größte Höhe. Dann trat ein Fallen des Wassers ein Heute Vormittag 11 Uhr betrug der Wasserstand 184 cm über Null.
Zu der am 25. d. Mts. bei dem 2. und 3. Garde⸗Regiment z. F., dem Kaiser Alexander Garde⸗Grenadier⸗Regiment Nr. 1 sowie bei dem Kaiser Franz Garde⸗Grenadier⸗Regiment Nr. 2 beginnenden 12tägigen Landwehrübung werden die Unteroffiziere zum Theil heute Abend hier eintreffen, für die Nacht in üblicher Weise ein⸗ quartiert und morgen mit den am Vormittage ankommenden Unter⸗ offizieren den Truppentheilen zugewiesen werden. Die Mannschaf⸗ ten treffen morgen Abend resp. übermorgen früh hier ein und ge⸗ böngen am 25. d. Mts., Vormittags, zur Vertheilung an die Re⸗ gimenter.
Im Kroll'schen Theater ist für Dienstag der „Don Juan“ auf das Repertoir gesetzt worden. Diese Aufführung dürfte sich be⸗ sonders interessant gestalten, da Hr. Theodor Reichmann die Titel⸗ rolle und Frl. Hermine Braga die „Zerline“ singen wird. Für Montag ist eine Wiederholung des „Wildschütz“ in Aussicht genom⸗ men. Morgen tritt Hr. Reichmann, wie bereits angezeigt, in seiner Glanzpartie als „Hans Heiling“ auf.
Redacteur: Riedel.
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Verlag der Expedition (Kessel). Druck: W. Elsner. Fünf Beilagen 1“
Provinz Ostpreußen... —
Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preu
Berlin, Sonnabend, den 23. Juni
ischen S
Deutsches Reich.
Nachwezsung 1 b 2 der in der Zeit vom 1. Januar bis 15. Juni 1883 innerhalb des deutschen Zollgebiets mit dem Anspruch auf Zoll⸗
oder Steuervergütung abgefertigten Zuckermengen. ¹)
Menge des abgefertigten Zuckers.
Kandiszucker und Zucker in weißen vollen harten Broden, (Nr. 470 des statistischen Waarenverzeichnisses)
bezw. erwaltungs⸗ 1 Bezirke. B.“ der Zeit der Zeit vom vom 1. Jan. bis 1. bis 31. Mai 15. Juni
kg
Aller übrige harte Zucker, “ und Mehlform von mindestens N Seee 98 % Polarisation wec- L--he. isses)
(Nr. 471 des statistischen “ Waarenverzeichnisses)
' I11ö1 b ber Helt der Haiit der Zeit der Zeit L8o“ vom 1“* 2 1. Jan. bis 1. bis zusammen 1 Jan, bis I. bis zulammen 31. Mai 15. Juni 31. Mai
kg 1 kg kg kg
15. Juni
Preußen.
Westpreußen. EEE66 75 602 EbT.““]; 3 091 506 Ee111“4“*“ — Sachsen einschließlich der Schwarzb. Unterherrschaft Schleswig⸗Holstein. “ b““];
473 003
1 6 887 275
1 973 977 679 298 498 452
506 370 7 393 645 356 542 2 330 519 EA“ 16 214
6 177 750
n 801 204 —-. L01 204
25 122 312 841 716 25 964 028
1 3 833 511 475 238 4 303 749 16 46 700
312 749 2 333 498 8 V 88 46 700 —
2 941 011 5 137 2 986 148 13 297 940 174 571 13 472 511 3 387 683 8 825 3 436 508 52 502 283 4 297 757, 56 800 040 3 009 673 3 014 679 45 746 491 536 668 46 283 159
12 963 8 23 071 1 635 374 793 420 2 428 794
F 0 Sa. Preußen 17723 872 1 854 367, 10 558 230
8 1
vĩ61BF* XA“ 46 947 9 000. 11““ EI1ä656“ 7566 —
Braunschweig . 3 013 220 238 438 AA1AX“X“ mel — — Luxemburg. . I — —
3 251 658
9862079 975959142 985 815 75 37 150 105 185 179 605 179 60 279 341 85 0000 364 341 82 V 8 279 400 100 000 379 400
395 604 402 634 ISS 479 562 754 157 6100 191
70 044 70 044 5 346 034 1 “ “ 231 217 231 217
Ueberhaupt im deutschen Zollgebiet 23 458 892 2 337 90 25 796 082 2)15 805 621 ²)1 543 109 ²) 17 348 730
In demselben Zeitraume 1882 Berlin, im Juni 1888. 8
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7 659 896 3 952 138
2 2
136 855 10 446 187,149 601 360 J0585. ²) 152 982 2) 5 013 514,2) 70 387 746 3 584 39
1
75 227
Kaiserliches Statistisches Amt.
Beck
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1) Die Nachweisung bezieht sich auf diejenigen Zuͤckermengen, welche zum Export oder zu einer öffentlichen Niederlage abgefertigt und dadurch dem inländischen Markte entzogen worden sind, nicht also auf die wirklich zur Ausfuhr über die Zollgrenze gelangten Mengen. 2) Die Abweichungen gegen die vorjährige Nachweisung beruhen auf nachträglich eingegangenen Berichtigungen bezw. Ergänzungen.
KAiichtamtliches Pvreußen. Berlin, 23. Juni. In der gestrigen (82.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten trat das Haus in die zweite Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend Abänderungen der kirchenpolitischen Ge⸗ setze, ein.
Die Diskussion wurde zunächst über Art. 1 der Kom⸗ missionsbeschlüsse eröffnet.
Derselbe lautet:
Die Verpflichtung der geistlichen Oberen zur Benennung des Kandidaten für ein geistliches Amt, sowie das Einspruchsrecht des Staats werden aufgehoben: 6
1) für die Uebertragung von Seelsorgämtern, deren Inhaber unbedingt abberufen werden dürfen, 8
2) für die Anordnung einer Hülfsleistung oder einer Stell⸗ vertretung in einem geistlichen Amte, sofern letztere nicht in der Bestellung des Verwesers eines Pfarramts (Administrators, Pro⸗ visore ꝛc) besteht. .
Hierzu lag vom Abg. Dr. Virchow folgender Abände⸗ rungsantrag vor: Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen: 8
Den Artikel I. durch folgenden zu ersetzen: „In dem Falle, daß der gesetzlichen Verpflichtung zur Benennung des Kandidaten für ein geistliches Amt Seitens der geistlichen Oberen nicht genügt wird, bleibt der betreffende Geistliche von ceistlichen Amtshandlungen in Anstalten des Staates oder eines poli⸗ tischen Verbandes, von allen Bezügen aus Mitteln des Staates oder eines politischen Verbandes, von der Mitgliedschaft im Kirchenvorstande und von allen sonst den Geistlichen staatlich zustehenden Vorrechten und Befreiungen ausgeschlossen. — Die Strafbestimmungen der §S§. 22 und 23 Absatz 1 des Gesetzes vom 11. Mai 1873, sowie des Artikels 2 des Gesetzes vom 21. Mai 1874, soweit sie die unterlassene Benennung betreffen, werden auf⸗
gehoben.“ “ Nachdem der Referent Abg. Dr. Andrae die Kommissions⸗ beschlüsse empfohlen hatte, erhielt zuerst der Abg. Dr. von Cuny das Wort. Derselbe bemerkte, der Art. 1 der Kom⸗ issionsbeschlüsse decke sich sachlich mit dem Inhalt des Art. 1 der Regierungsvorlage. Die Aenderungen seien nur vorge⸗ ommen worden, weil die Konservativen bemüht gewesen seien, die Vorlage dem Centrum möglichst mundgerecht zu machen.
Für seine politischen Freunde und für ihn sei Art. 1 unan⸗
nehmbar und mache daher als Kern und Schwerpunkt des ganzen Gesetzes auch das Gesetz für seine Partei un⸗ annehmbar. Darin zwar, daß die Regierung in dem Gesetze versuche, durch einseitige staatliche Gesetz⸗ gebung die vorhandenen Schwierigkeiten zu heben, stimme seine Partei prinzipiell mit der Regierung überein, und wünsche, daß sie noch fester auf diesem Boden stände, als es leider der Fall zu sein scheine. Seine Partei hätte sogar ge⸗ wünscht, daß die Einbringung der Vorlage den gänzlichen Abbruch der Verhandlungen mit der Kurie bedeutet hätte; hoffen könne man dies leider nicht. Seine Partei habe diese Ver⸗ handlungen stets mit größtem Mißtrauen angesehen, habe ja deshalb auch gegen die Forderung für einen Gesandten beim Vatikan gestimmt. Aber wenn auch der Staat durch seine Gesetzgebung einseitig die Grenzen zwischen seinen Rechten und denen der Kirche ziehen könne und solle, so würde damit durchaus nicht die Möglichkeit beseitigt, daß sich über einzelne Punkte der Gesetzgebung Staat und Kirche vorher prinzipiell verständigten. Dabei müsse aber die preußische Regierung mit äußerster Vorsicht zu Werke gehen. Das Werk von Bern⸗
hard Hübler über die gemischten Ehen in Preußen habe ihn erst kürzlich wieder so recht darüber aufgeklärt, wie das Außeracht⸗ lassen der nöthigen Vorsicht bei Verhandlungen mit Rom steis verhängnißvoll für die preußische Regierung gewesen sei. Denke man nur an den Cölner Kirchenstreit und an das bekannte Breve des Papstes Pius VIII. vom Jahre 1830. Welchen Erfolg versprächen jetzt diese Verhandlungen? Auf der einen Seite die Kurie, ausgerüstet mit den Mitteln, welche die Tradition der Jahrhunderte aufgesammelt habe, vertreten durch eine Diplomatie, deren eminente Begabung erblich ge⸗ worden, und die ebenso zähe wie elastisch sei, — ihr gegenüber die Staatsregierung in ihrer vollen Haltlosigkeit. Der große Staatsmann, der überall sonst die auswärtige Politik Deutsch⸗ lands zu den glänzendsten, von allen Parteien bejubelten Er⸗ folgen führe, bei den Verhandlungen mit der Kurie sei der⸗ selbe gar nicht wiederzuerkennen. Nach den Motiven und nach den Worten des Ministers solle die Vorlage und insbe⸗ sondere Art. 1 den Interessen des eigenen Landes, und dem Wohlergehen der eigenen Staatsangehörigen dienen durch Er⸗ möglichung ausreichender Seelsorge. Auch seine Partei habe stets erklärt, daß sie den Frieden zwischen Staat und Kirche wünsche. Seine Partei lebe nicht vom Kulturkampf; sie gebe sich auch als Partei nicht verloren; seine Partei habe vor dem Kulturkampf als Partei existirt, und werde als solche auch nach demselben fortleben. Seine Partei wünsche auch heute den Frieden zwischen Staat und Kirche, aber nicht auf Kosten des Staates und um den Preis seiner Niederlage; und seine (des Redners) Partei stimme gegen Art. 1, weil sie glaube, daß derselbe im jetzigen Zeitpunkt und Zusammenhang nicht ein Mittel zum Frieden, sondern zur Verschlimmerung des Streites sei, daß derselbe zum Wohl⸗ ergehen des Volkes nicht beitrage, sondern es schädige. Die Kurie knüpfe die Bewilligung der Anzeigepflicht an Bedin⸗ gungen, daß Art. 1 nicht geeignet erscheine, jene Bewilligung durchzusetzen. In der Befreiung von der Anzeigepflicht viel⸗ mehr, welche Art. 1 für große Kategorien von Geistlichen konstituire, liege geradezu eine Aufforderung an die Kirche, die Anzeigepflicht zu umgehen, von der festen Besetzung der Pfarrämter Abstand zu nehmen, und sich durch Hülfsgeistliche zu helfen. In dem neuesten Artikel der „Nordd. Allg.“ werde gesagt: „Wie könne man fürchten, die Kirche werde sich an der Hand des Art. 1 der dauernden Besetzung der Pfarrämter ent⸗ ziehen? Die Kirche würde dann ja überhaupt keine Bewerber für geistliche Aemter finden.“ Allerdings würde die nur interi⸗ mistische Besetzung der Pfarrämter die niedere Geistlichkeit in hohem Grade schädigen; aber gerade in den Staaten, in denen die Aemter nicht dauernd besetzt würden, sondern mit den Regierungen wechselten, finde der stärkste Andrang zu den Aemtern statt. Dem Schreiber des Artikels der „Nord⸗ deutschen“ sei ferner die ganze Entwickelung unbekannt, welche die katholische Kirche im letzten Jahrzehnt genommen habe. Gerade als einem Bewunderer der Staatsweisheit und Konsequenz der Vertreter der katholischen Kirche erscheine es ihm unnennbar unpolitisch, wenn sich der Staat dieser gewaltigen Kirche gegenüber so stellen wolle, wie etwa gegen⸗ über einer Synagogengemeinde. Gerade im letzten Jahrzehnt habe die katholische Kirchenverfassung sich immer centralisirter und monarchischer gestaltet. Das Vatikanum habe den letzten
Rest der Unabhängigkeit der Bischöfe vernichtet; und ebenso
sei die niedere Geistlichkeit in absolute Abhängigkeit von ihren
Oberen gerathen. Auch habe nach der Statistik des Ministers selbst in mehreren Diözesen die Zahl derjenigen erledigten Pfarrstellen, wo die Kirche eine dauernde Neubesetzung bisher umgangen habe, erheblich zugenommen. Durch den Art. 1 dränge man die Kirche geradezu dahin, auch in allen übrigen Diözesen dieselbe Umgehungs⸗ methode anzuwenden, und mache die niedere Geistlichkeit noch viel abhängiger, als sie es schon sei. Das widerstreite aber den Staatsinteressen. Um eines vorübergehenden Vortheils willen werde der Zustand im Lande verschlimmert und der Keim zu neuen Kämpfen gelegt, die tiefer verbittern würden, als der bisherige Kulturkampf. So sehr seine Partei der Regierung darin beistimme, daß der Frieden durch einseitige staatliche Gesetzzebung herbeigeführt werden müsse, so wenig Vertrauen könne seine Partei dazu haben, daß sie auf diesem Wege beharren werde. Er halte ihre ganze Stellung für falsch, für eine solche, die nicht zu dem auch von allen Parteien gewünschten Frieden führen werde. Seine Partei könne es nicht verantworten, der Regierung auf ihrem Wege zu folgen, und werde daher gegen Art. 1 und gegen das ganze Gesetz stimmen.
Der Abg. Dr. Reichensperger (Olpe) erklärte, die Gegner⸗ schaft der unverbesserlichen Kulturkämpfer, wie es der Vor⸗ redner sei, bedeute ihm einen Beweis für die Zweckmäßigkeit des Gesetzes. Den Kulturkämpfern liege erst in letzter Linie das Wohl ihrer katholischen Mitbürger am Herzen. Wenn die Kommissionsarbeit aus der Vorlage auch nicht eine für
ie Dauer bestimmte Aenderung der Lage geschaffen habe, so habe sie doch das Verdienst, für die Katholiken den ersten Schritt dazu acceptabel zu machen, und die prinzipiellen Schwierigkeiten zu beseitigen. Das preußische Volk habe den Kulturkampf satt, und die gegnerischen Bestrebungen seien ohnmächtig. Durch dieses Gesetz wolle die Mehr⸗ zahl dieses Hauses den katholischen Mitbürgern zeigen, wie gerecht eine Abschlagszahlung bezüglich der Auf⸗ hebung der Maigesetze sei! (Hört, hört! links.) Meinten die Herren von der Linken denn, daß das Centrum in der Vorlage etwas anderes als eine Abschlagszahlung erblicke; oder daß das Centrum etwa durch Annahme der Voriage auch die grundfalschen Maigesetze als dauernd zu Recht bestehe anerkenne? Wenn der Abg. von Cuny sage, sofern die Vor⸗ lage den Abbruch der diplomatischen Verhandlungen bedeute, komme sie demselben erwünscht, warum stimme der Abg. von Cuny dann nicht der Vorlage zu? Glaubten die Herren, nur mit der Politik von Blut und Eisen lasse sich die moralische Macht der Kirche nicht beugen noch brechen. Aller⸗ dings könne der Staat sein Verhältniß zur Kirche völlig souverän ordnen, wenn es nur in richtiger Weise geschehe, wie es in Preußen im Jahre 1849 geschehen sei. Ziehe der Staat aher die Grenzen zwischen sich und der Kirche unrichtig, so müsse der Staat sehen, wie derselbe sich darüber mit der Kirche absfinden könne. Der Abg. von Cuny habe so gesprochen, als hätte durch das Vatikanum eine Alteration des kanonischen Rechts stattgefunden. Das kanonische Recht sei noch ganz und voll in Kraft; es regele auch heute noch wie früher die Stellung der Bischöfe, welche demnach durch⸗ aus nicht abhängiger geworden sein könne. Seien sich doch die Nationalliberalen darüber klar: nur dann könne ihre Partei das alte Ansehen wieder erlangen, wenn sie die volle Freiheit der Religion und der Kirche anerkenne. Das hätten einst die ehrwürdigen Vorgänger im Liberalismus gethan; die heutigen schwachen, aber uͤbermüthigen Epigonen hätten die Freiheit der Religion abgeschafft. Mit der puren Unter⸗ werfung der Kirche unter den Staat wollten die Abgg. von Cuny und Gneist das reine Russenthum in Preußen einfüh⸗ ren. Wenn der Abg. Gneist gesagt habe, ein friedfertiges Verhältniß zwischen den Konfessionen unter sich und den Kir⸗ chen zum Staat sei die Hauptsache, so sollte derselbe doch am allerschärfsten die Falksche Gesetzgebung verurtheilen; denn diese Gesetzgebung erst habe dem friedlichen Verhältniß, wel⸗ ches früher bestanden habe, ein Ende gemacht. Es habe früher wohl einzelne Querelen gegeben, aber fundamentale Gegensätze zwischen Staat und Kirche seien erst durch die Falkschen Kulturkampfgesetze geschaffen worden. Der Standpunkt der Nationalliberalen sei aber vielfach gar nicht zu verstehen. Sähen die Herren denn nicht, daß sie mit ihrer Fortsetzung des Kulturkampfes in einem Anachronismus befangen seien, ja daß sie ein rückwärts explodirendes Geschoß würfen? Die Freiheit der Kirche wollten die Nationalliberalen durch den reinen Polizeistaat vernichten; was würden dieselben aber sagen, wenn man annähernd nach demselben Prinzip mit der Petitionsfreiheit, der Freiheit der Gesetzgebung, oder gar mit ihrer sakrosankten Preßfreiheit verfahre, ja wenn man nur die Forderung einer gewissen nationalen und wissenschaftlichen Vorbildung, die man an die Geistlichen stelle, auch für die Vertreter der Presse zur Bedingung machen würde Seiner Ansicht nach sei der einzig korrekte und ehrenvollst Weg für den Staat zur Herstellung des Friedens die Wieder⸗ aufrichtung der drei gestrichenen Verfassungsartikel, dieser dre Artikel, die einst das gesammte liberale Deutschland in Fran⸗ furt und das gesammte liberale Preußenthum in Berlin pr klamirt habe. Mit der Herstellung dieser Verfassungsartikel würde sofort die ganze Machenschaft der Aera Falk hinfällig, und ein Einverständniß zwischen Staat und Kirche erzielt werden. Leider brächen sich solche Gerechtigkeitsgrundsätze aber meist erst in Zeiten einer großen Katastrophe Bahn; so würden vielleicht auch die drei Verfassungsartikel erst dann hergestellt, wenn man ihrer zur Bekämpfung gewisser grund stürzender Strömungen bedürfen werde. Was endlich den Antrag Virchow betreffe, so sei prinzipiell gegen denselben, der das österreichische System einführen wolle, nichts zu erinnern; in der Praxis aber sei es doch ein großer Unterschied, ob, wie in Oesterreich, der Landesherr derselben Kirche angehöre, bezüglich deren derselbe die jura circa sacra ausübe, oder ob der Landesherr wie in Preußen, einer anderen Konfession angehöre. In Württemberg, wo das österreichische Prinzip gelte, und wo der Landesherr Protestant sei, würden die jura circa sacra bezüglich der katholischen Kirche von einer besonderen katho⸗ lischen Behörde ausgeübt. In anderen Ländern wieder, wo der Landesherr katholisch sei, bestehe zur Ausübung jener
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