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(ivil⸗ und Militärgewalt in Kroatien dem Landeskomman⸗
direnden, General der Kavallerie, Baron Ramberg, über⸗ tragen werden soll. Im heutigen gemeinsamen Ministerrath sollen diese Beschlüsse der Sanktion des Kaisers unterbreitet werden.
Bad Gastein, 4. September. (W. T. B.) Der Statt⸗ halter in Elsaß⸗Lothringen, General⸗Feldmarschall Freiherr von Manteuffel, ist zu dreiwöchentlichem Kurgebrauch hier angekommen.
Görz, 3. September. (W. T. B.) Die Leiche des Grafen Chambord ist heute früh 7 ½ Uhr hier ange⸗ langt. Um 9 ¼ Uhr traf der Vertreter des Kaisers, Fürst von Thurn und Taxis ein, der vom Statthalter und dem Militär⸗Kommandanten empfangen wurde. Der Großherzog von Toskana und der Herzog von Parma waren schon früher eingetroffen. Nunmehr setzte sich der Leichenzug vom Bahnhofe aus in Bewegung. Voraus gingen Veteranen, Militär, städtische Musikkapellen, Institute mit ihren Fahnen, die Geistlichkeit, das Domkapitel und der Erzbischof Zorn. Dem sechsspännigen, schwarz mit Silber drapirten Leichenwagen, welcher nun folgte, schlossen sich an: der Fürst von Thurn und Taxis, dann der Groß⸗ herzog von Toskana, der Herzog von Parma, eine französische Deputation, der Statthalter, die Militär⸗ und Civir⸗ behörden, verschiedene Korporationen und Deputationen aus Frankreich mit Fahnen und prachtvollen Kränzen. Militär und Veteranen bildeten Spalier bis zum Dome, wo der Zug um 10 ½ Uhr Vormittags anlangte. Die Bahre wurde hier auf den Katafalk niedergelassen, und Erzbischof Zorn cele⸗ brirte unter großer Assistenz ein feierliches Traueramt. Die Kirche und der Platz davor waren überfüllt.
— 2. September. (W. T. B.) Der Sarg mit der Leiche des Grafen Chambord wurde Nachmittags 5 Uhr vom Katafalk in der Domkirche aufgehoben und auf den Leichen⸗ wagen gebracht. Der Zug setzte sich dann in derselben Ordnung wie Vormittags durch die von der Bevölkerung dicht besetzten Straßen, in denen Militär und Veteranen Spalier bildeten, in Bewegung und traf um 6 Uhr bei der Klosterkirche zu Castagnovizza ein. Dort wurde der Sarg zunächst auf das Plateau gestellt und dann, nachdem der Fürst⸗Erzbischof unter Assistenz zahlreicher Geistlicher die Absolution ertheilt hatte, zur Gruft gebracht. Die Kirchenfürsten, der Fürst von Thurn und Toxis und die übrigen hohen Herrschaften folgten dem Sarge. Pest, 3. September. (W. T. B.) In Szigetvar haben gestern Abend Zusammenrottungen stattgefunden, die um 11 Uhr Nachts zu ernsten Unruhen ausarteten. Die Tumultuanten richteten große Verwüstungen an. Ein Ruhestörer wurde getödtet, vier schwer verwundet. Aus Siklos wurde Militär requirirt, welches heute noch verstärkt wird. *
Pest, 4. September. (W. T. B.) In der vorgestrigen Nacht haben in Szigetvar antisemitische Unruhen stattgefunden. Mehrere Läden wurden erbrochen und ver⸗ wüstet. Die Ruhestörer waren zumeist Handwerksgesellen, von denen einer durch die einschreitende Polizei erschossen und zwei schwer verwundet wurden; einer derselben ist inzwischen gestorben. Gestern Nachmittag traf eine Schwadron Husaren in Szigetvar ein; in Folge dessen fanden weitere Unruhen nicht statt.
Schweiz. Bern, 4. September. (W. T. B.) Der Vatikan hat in Betreff eines Bisthums für den Kanton Tessin erklärt, kein Provisorium und kein apostolisches Vikariat annehmen und event. über die Errichtung eines Bisthums nur mit dem Bundesrath verhandeln zu wollen.
Großbritannien und Irland. London, 3. Septem⸗ ber. (W. T. B.) Ein Artikel der „Pall Mall Gazette“ anläßlich der Sedanfeier sagt: Der Einfluß Deutsch⸗ lands sei seit der Schlacht bei Sedan im Ganzen das ge⸗ sündeste Element der europäischen Lage gewesen. Das Vor⸗ handensein dieser großen friedliebenden Kraft habe Europa in seinen Centralstaaten zum Vortheil gereicht, und Falls es gewiß ist, daß sein Einfluß in Zukunft mit gleicher Weisheit wie bisher gehandhabt werde, dann werde es wenige Männer außerhalb des engen Kreises der französischen Politiker geben, die nicht zu sagen geneigt wären: esto perpetua! Deutschland sei die einzige Macht, die durch Verfassung, Temperament, Lage und Interessen geeignet sei, die Führerschaft Europas auszuüben. Deutschland sei die große mäßigende Kraft in der internationalen Politik geworden.
— 4. September. (W. T. B.) Die „Times“ be⸗ schwört in einem Leitartikel Frankreich: einen Krieg mit China zu vermeiden, da ein solcher an jedem Punkte europäische Interessen berühren und sehr delikate Fragen an⸗ regen würde, ber deren Lösung England zu Rathe gezogen werden müßte. Die „Times“ glaubt, China werde sich zu⸗ frieden geben, wenn Frankreich weitere Schritte in Tongking einstelle.
Dem „Reuter'schen Bureau“ wird aus Hongkong ge⸗ meldet: 15 000 Mann chinesischer Truppen überschritten bei Mongkai die Grenze von Tongking und marschiren in der Richtung auf Haidzuong, dessen französische Besatzung ver⸗ stärkt wurde. Die längs der chinesischen Marschroute wirk⸗ samen Missionäre flüchteten. Die Chinesen wollen sich bei Whampoa konzentriren und dort Forts errichten.
Der russische Botschafter am hiesigen Hofe, Baron Mohrenheim, hat sich gestern Abend nach Kopenhagen begeben. 8 Drei englische Kriegsschiffe haben Befehl erhalten, sofort nach der Sunda⸗Meerenge abzugehen, um die dortige Lage zu prüfen und über die durch das Erdbeben verursachten Veränderungen, soweit dieselben die Schiffahrt berühren, Bericht zu erstatten.
Dublin, 4. September. (W. T. B.) Auf einem Gute, unweit von New⸗Roß, wurde der Versuch gemacht, vierzig Erntearbeiter zu vergiften, weil dieselben sich geweigert hatten, ihren Arbeitgeber bei seinen Erntearbeiten im Stiche 2 88 Zwei sind bis jetzt gestorben, sechsunddreißig schwer erkrankt.
Frankreich. Paris, 3. September. (W. T. B.) In
der Kirche Saint Germain l'’Auxerrois fand heute eine Leichenfeier für den Grafen Chambord statt, welcher eine große Menschenmenge beiwohnte. Die Feier ver⸗ lief obne jeden Zwischenfall. MNach einem Telegramm aus Saigun, vom 1. d. Mts., ist Champeaux abgereist, um die Gesandtschaft in Hue zu installiren und wird dort voraussichtlich am 5. d. Mts. eintreffen.
— 4. September. (W. T. B.) Prinz Napoleon ist
gestern Abend nach Moncalieri abgereist.
Spanien. Coruna, 3. September. (W. T. B.) Der König hielt heute eine Revue über die Flotte ab und wurde dabei von der Bevölkerung überall enthusiastisch begrüßt.
Afrika. Egypten. Alexandrien, 3. September. (W. T. B.) Wie die „Egyptische Zeitung“ meldet, wird die englische Okkupationsarmee im Laufe des Oktober und November wahrscheinlich bis auf 3000 Mann vermindert werden. Ein Bataillon soll in Kairo, die übrigen in Alexandrien bleiben. Es werden Vorbereitungen getroffen, um nöthigenfalls 2000 Mann nach dem Sudan zu senden. Die englischen Truppen werden ihre früheren Quartiere in Kairo im Laufe der Woche wieder beziehen.
x 3 Zeitungsstimmen.
Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ äußert sich in einem Artikel über das Eisenbahnunglück in Steglitz folgendemaßen:
Unter den ersten Eindrücken der Trauer, des tiessten Mitleids, der schmerzlichsten Erschütterung findet sich für eine Erörterung über die tieferliegenden Ursachen der Katastrophe kaum die nöthige Ruhe und Unbefangenheit. In erster Reihe derselben wird jedoch nur die Unzulänglichkeit der Bahnhofsanlagen in Steglitz genannt werden müssen, und wird es Angesichts des gestrigen Ereignisses zur Ehrenpflicht, an die Dringlichkeit zu erinnern, mit welcher die Regie⸗ rung im Frühling d. J., leider vergeblich, beim Abgeordnetenhause die Mittel zum Umbau des Steglitzer Bahnhofes beanspruchte.
— Das „Deutsche Tageblatt“ giebt zunächst eine Darstellung der Verhandlungen des Abgeordnetenhauses über die Budgetposition für den Steglitzer Bahnhof und sagt dann:
Wir überlassen es unseren Lesern, sich selbst das Facit aus dem Gesagten zu ziehen; das aber können wir hier konstatiren, daß die Regierung resp. der Herr Minister Maybach in jeder Weise pflicht⸗ mäßig gehandelt hat, und die Verantwortlichen an anderer Stelle zu suchen sind.
— Das „Fremdenblatt“ schreibt dazu:
Die Bahnbeamten trifft durchaus keine Schuld, das Unglück ist nur durch die Aufregung des Publikums geschehen, welches in Angst war, nicht mehr nach Hause zu kommen und durch die vorhandenen Mittel nicht zurückzuhalten war.
Im letzteren Satz liegt aber der Schwerpunkt der ganzen Katastrophe!
Man erinnert sich, daß noch vor Kurzem der Landtag den Umbau des Steglitzer Bahnhofes ablehnte!
Was das entsetzliche Unglück aber nun unbedingt befördern muß, das ist die Anlage von zwei besonderen Lokalgeleisen lediglich für den Verkehr der Vororte. Das ist eine Forderung, zu welcher das Publikum berechtigt ist, nun mehr denn je, eine Forderung, die seit 10 Jahren fort und fort ausgesprochen, bei der Privatbahn stets ungehört geblieben ist, bei der Staatsbahn aber in Vorbereitung war von Anfang an, bis die Ablehnung des Umbaues des Steglitzer Bahnhofs Seitens des Landtags dieser guten Absicht ein Ziel setzte!
Nun ist das Kind in den Brunnen gefallen, jetzt wird man ihn zudecken, denn darüber herrscht nur eine Stimme, daß es Gottes Fügung war, wenn nicht schon längst ein solches Unglück zu beklagen war. Vorausgesehen hat es Jedermann, der den Lokalverkehr von Steglitz kennt.
— In den ‚„Berliner Politischen Nachrichten“ lesen wir Folgendes: Der furchtbare Eisenbahnunfall in Steglitz ruft die Thatsache in Erinnerung, daß von der Staatsregierung die Mittel für den Umbau des Bahnhofs Steglitz im Betrage von über 422 000 ℳ gefordert, die Position aber abgelehnt wurde. Für einen Theil der ablehnenden Voten war die Höhe des Kosten⸗ bedarfs maßgebend, andere, insbesondere aus den Reihen des Centrums, wurden durch die Erwägung geleitet, daß auch anderwärts mangelhafte Bahnanlagen bestehen, die Befrie⸗ digung eines derartigen Bedürfnisses in der Nähe von Berlin anderen aber nicht vorgehen dürfe. Der Minister der öffentlichen Arbeiten seiner⸗ seits hat in der Sitzung vom 19. April d. J. nichts unterlassen, um den sicherheitsgefährlichen Zustand der gegenwärtigen Bahnhofsanlage in Steglitz über jeden Zweifel klar zu stellen. Er betonte ausdrücklich, daß die Eisenbahnverwaltung im Interesse der Sicherheit des Publikums die Verantwortung für den Fortbestand der vorhandenen Mißstände nicht übernehmen könne, hob hervor, daß, wenn die Potsdamer Bahn noch Privatbahn wäre, deren Beseitigung von Staatsaufsichtswegen erfol⸗ gen müßte, und erklärte schließlich, daß, wenn die Gefahren für Leben und Gesundheit der in Steglitz ein⸗ und aussteigenden Personen bei weiterer Erfahrung eine Aenderung des jetzigen Zustandes unabweis⸗ bar erscheinen ließen, er auf seine Verantwortung nöthigenfalls außer dem Rahmen des Etats Abhülfe zu schaffen genöthigt sein würde.
Diese Ausführungen machten indessen nur auf einen Theil der
Abgeordneten den zu erwartenden Eindruck. Die Gegner nahmen vielmehr aus der letzterwähnten Aeußerung des Ministers Anlaß, vom formal konstitutionellen Standpunkt sich gegen die Eventualität einer Rothmaßregel mit äußerster Schärfe zu erklären und mit Ver⸗ sagung der nachträglichen Genehmigung zu drohen. Die Nothwendigkeit jenes Vorschlages der Staatsregierung, das sachliche Gewicht der Gründe für denselben, haben nur zu rasch eine furchtbare Bestätigung erfahren; zugleich ergiebt sich die Zweischneidig⸗ keit der Weisheit, welche triftige Sicherheitszwecke aus geringfügigen Ersparnißrücksichten unbefriedigt läßt.
— In einer längeren Besprechung der Steglitzer Katastrophe in der „Berliner Börsen⸗Zeitung“ findet sich folgende Stelle:
Tiefgehend ist die Sensation, welche das Unglück hervorgerufen hat. Was sagen jene Herren Abgeordneten nun, welche dem Drängen des Herrn Mavybach das „Lächeln der Ueberlegenheit“, unseren War⸗ nungen Gleichgültigkeit entgegensetzten? Erinnern sich dieselben noch jener Verhandlungen des Landtages am 19. April dieses Jahres und der Worte des Ministers Maybach? Er schloß mit den Worten: „Ich bitte Sie aber, die Verwaltung nicht in die Lage zu setzen, ferner die Verantwortung zu übernehmen für einen Zustand, der auf die Dauer nicht zu vertreten ist“. Das sind Worte, deren furchtbare Bedeutung erst heute uns Allen klar geworden.
— In ihrem heutigen Leitartikel äußert sich die „Post“ über die soeben zu Ende gegangene außerordentliche Reichs⸗ tagssession:
3 Wie in der Kürze ihrer Dauer unterscheidet sie sich von vielen ihrer Vorgängerinnen durch den verhältnißmäßigen Reichthum positiver Ergebnisse, durch einen völlig harmonischen Abschluß. Ihr Ergebniß ist die nahezu einstimmige Annahme des spanisch⸗deutschen Vertrages, die mit großer Mehrheit gegen Fortschritt, Sozial⸗ demokratie, Volkspartei und einzelne besonders gesinnungs⸗ tüchtige Sezessionisten erfolgte Zustimmung zu dem Gesetz⸗ entwurf Kardorff⸗Hammacher, durch welchen, unter Ertheilung der Indemnität der Reichsregierung die Vollmacht beigelegt wird, die Zollermäßigung des Handelsvertrages auch andern Staaten zu Theil werden zu lassen, sofern sie ihrerseits nicht andere Länder günstiger behandeln als Deutschland. Dieser Gesetzentwurf war nicht sowohl wegen der Indemnität, deren Ertheilung an die Form des Gesetzes nicht geknüpft ist, sondern auch implizite durch Zustimmung zu dem Vertrage hätte gewährt werden können, sondern deswegen nothwendig, um die Lücke in formell richtiger Form auszufüllen,
nommen hatte.
Die Regelung der Handelsbeziehungen mit Spanien ist nunmehr auf eine völlig sichere Rechtsgrundlage gestellt; weder von deutscher noch von spanischer Seite ist eine Gefährdung mehr denkbar. Der deutsche Handel, die deutsche Industrie können in vollem Umfange die Vortheile sich nutzbar machen, welche aus den Bestimmungen des Vertrages ihnen erwachsen. Selbst Hamburg dürfte, namentlich unter der Voraussetzung, daß die Spiritusklausel in gleicher Weise auf andere mit Spanien im Vertragsverhältniß stehende Mächte An⸗ wendung findet, die von der Handelskammer hervorgehobenen Schwie⸗ rigkeiten bald überwinden und in dem Gesammtantheil, welchen ihm seine Welthandelsstellung aus dem Vertrage zu ziehen gestattet, baldigst reichen Ersatz finden. Die betheiligten Geschäftskreise, welche so lebhaft auf die schleunige Inkraftsetzung des Vertrages hindrängten, müssen mit hoher Befriedigung erfüllt sein.
Nicht minder alle Diejenigen in und außer der Reichsvertretung, welche entscheidenden Werth auf die unentwegte Erhaltung des Staats in den regelrechten Bahnen der Verfassung entscheidendes Gewicht legen und Anomalien streng vermieden wissen wollen. Binnen kürzester Frist ist die in der Verordnung vom 9. August lie⸗ gende Abweichung durch die Genehmigung in verfassungsmäßiger Form beseitigt und durch Nachsuchung und Ertheilung der Indem⸗ nität gesühnt. Das Recht des Reichstages hat durch die Vorgänge keine Beeinträchtigung, sondern eine nachdrückliche Bestätigung er⸗ fahren. Durch das Gesetz Kardorff⸗Hammacher endlich ist eine Lücke in dem bestehenden Reichsrecht in einer den verfassungmäßigen Rechten aller Theile durchaus genügenden Weise ausgefüllt. ....
Diesen erheblichen Erfolg, aus einer formal ungünstigen Lage zu einem nahezu einstimmigen Vertrauensvotum unter einem an das Lächerliche streifenden Mißerfolg der prinzipiellen Opposition zu ge⸗ langen, verdankt die Reichsregierung wesentlich der von ihr beobach⸗ teten Taktik der unumwundensten Anerkennung der Rechte der Reichsvertretung. Ganz im Sinne der Eröffnungsrede, deren Vor⸗ züge in dieser Hinsicht wir bereits hervorgehoben haben, ist auch bei der Verhandlung verfahren; selbst die heftigsten Apostrophen brachten die Vertreter der Regierung weder aus dieser sachlichen Stellung, noch aus der maßvollen Ruhe.... .
Amtsblatt des Reichs⸗Postamts. Nr. 48. — Inhalt: Verfügungen: vom 25. August 1883: Behandlung der Sendungen mit lebenden Thieren; — vom 29. August 1883 Eisenhahnstrecke Remscheid — Remscheid⸗Hasten.
Statistische Nachrichten.
Den neuesten Nachweisen des Statistischen Amts über die Aus⸗ wanderung aus Deutschland nach überseeischen Ländern sind folgende Zahlen zu entnehmen. Es gingen über deutsche Häfen und Antwerpen deutsche Auswanderer:
im Monat Juli
1883 11 469 1882 12 221
22
Januar/ Juli
105 614 . 130 204.
— Gemäß den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesund⸗ heits amts sind in der 34. Jahreswoche von je 1000 Bewohnern auf den Jahresdurchschnitt berechnet als gestorben gemeldet: in Berlin 28,0, in Breslau 35,8, in Königsberg 30,4, in Cöln 21,3, in Frankfurt a. M. 22,1, in Hannover 23,9, in Cassel 19,9, in Magdeburg 21,0, in Stettin 24,4, in Altona 17,9, in Straßburg 22,5, in Metz 17,8, in München 37,5, in Nürnberg 24,7, in Augsburg 22,1, in Dres⸗ den 26,5, in Leipzig 28,9, in Stuttgart 19,9, in Braunschweig 30,6, in Karlsruhe 18,0, in Hamburg 21,4, in Lübeck —, in Wien 22,5, in Budapest 33,6 in Prag 31,2, in Triest 29,8, in Krakau 24,8, in Basel 11,1, in Brüssel 21,9, in Paris 24,4, in Amsterdam 24,1, in London 17,9, in Glasgow 25,0, in Liverpool 23,0, in Dublin 21,2, in Edinburg 15,6, in Kopenhagen 22,4, in Stockholm 21,5, in Chri⸗ stiania 19,2, in St. Petersburg 26,6, in Warschau 39,1, in Odessa 56,9, in Bukarest 23,4, in Rom —, in Turin 18,3, in Madrid 29,6, in Alexandrien (Egypten) 84,6. — Ferner in der Zeit vom 30. Juli bis 4. August: in New⸗York —, in Philadelphia 27,1, in Chicago —, in St. Louis —, in Cincinnati —, in San Franzisko 19,7, in Kalkutta —, in Bombay 38,2, in Madras 32,8.
Beim Wochenbeginn herrschten an den ost⸗nord⸗ und westdeutschen Beobachtungsstationen schwache nördliche und nordwestliche Winde, die aber bald nach Nordost drehten, während an den süd⸗ und mitteldeutschen Stationen östliche und südöstliche Luftströmungen überwogen, die in Karlsruhe schon am 20. nach Nordost gingen und in Cöln, München und Karlsruhe bis zu Ende der Woche aus öst⸗ lichen Richtungen vorwiegend wehten. An den mittel⸗ und nord⸗ deutschen Stationen lief der Wind dagegen wieder nach Nordwest und blieb bis zu Ende der Woche aus dieser Windrichtung wehend. Die Temperatur der Luft war eine höhere und lag, bei meist heiterem Wetter, an den meisten Stationen etwas über, in Berlin und in den süddeutschen Stationen ein wenig unter der normalen. Niederschläge erfolgten selten und spärlich, elektrische Entladungen in den östlichen Stationen. — Der beim Wochenbeginn hohe Druck der Luft be⸗ hauptete mit geringen Schwankungen während der Woche seinen “ und zeigte erst zu Ende der Woche etwas sinken de Tendenz.
In den meisten Großstädten war die Sterblichkeit in der Be⸗ richtswoche eine etwas gesteigerte. Für die deutschen Städte stieg die allgemeine Sterblichkeitsverhältnißzahl nur wenig, auf 24,8 von 24,7 (pro Mille und Jahr berechnet). Sowohl das Säuglingsalter wie die höhere Altersklasse (über 60 Jahre) waren etwas mehr wie in der Vorwoche an der Sterblichkeit betheiligt. Von 10 000 Lebenden starben aufs Jahr berechnet 105 Säuglinge gegen 103 der Vorwoche, in Berlin 117, in München 167.
Unter den Todesursachen zeigten die Infektionskrankheiten meist mehr oder geringere Nachlässe, nur typhöse Fieber, Ruhr sowie Darm⸗ katarrhe der Kinder führten etwas mehr Sterbefälle herbei. — Die Zahl der Todesfälle an Masern war in München, Berlin, London etwas geringer als in der Vorwoche. — Das Scharlachfieber herrschte in Königsberg, Dresden, London, in Berlin und Hamburg hat die Zahl, der Todesfälle abgenommen. Auch Diphtherie und Cronp hat in Königsberg, Dresden, Hamburg, Hannover, Paris wieder an Ausdehnung zugenommen und mehr, in Leipzig, München, Berlin, Wien, Prag dagegen weniger Todesfälle hervor⸗ gerufen. — Der Keuchhusten forderte in Insterburg, Hamburg, Barmen mehr Opfer. — Typhöse Fieber zeigen sich, wenn auch bis jetzt meist mit gutartigem Verlaufe, in den Regierungsbezirken Schles⸗ wig und Stralsund zahlreich; auch in Königsberg, Berlin, Leipzig, Paris war die Zahl der Sterbefälle daran etwas größer. Todesfälle an Flecktyphus kamen aus deutschen Städten gar nicht zur Anzeige; aus St. Petersburg nur 1, aus Granada, Saragossa, Murcia 2, bezw. 3 und 4. — Darmkatarrhe der Kinder führten etwas mehr, Brechdurchfälle etwas weniger Todesfälle herbei. Noch immer ist in Danzig, Stettin, Königsberg, Breslau, München, Dresden, Leipzig, Berlin, Frankfurt a. O., Hamburg, nover, Braunschweig, Düsseldorf, Aachen, Krefeld, Straßburg, Wien, Budapest, Prag, Paris, London, St. Petersburg, Warschau, Odessa u. a. ihre Zahl eine größere, wenn auch meist eine kleinere als in der Vorwoche. — Sterbefälle an Ruhr wurden aus Berlin, Königshütte, Odessa und Granada häufiger gemeldet. Pocken zeigten sich seltener. Einzelne Todesfälle wurden aus Breslau, Bremen, Wien, Brüssel, London, Alexandrien gemeldet. In beschränkter Zahl zeigten sie sich in Amsterdam, Paris, Liverpool, St. Petersburg, Warschau, Granada, Lissabon. In größerer Ausdehnung zeigten sie sich in Prag, Rotterdam, Birmingham, Malaga, Murcia und New⸗ Orleans. Aus Baltimore wurden 2 Choleratodesfälle gemeldet, aus Moskau 1 Erkrankung an Cholera nostras. In Egypten läßt die Cholera nach, während sie in Indien an Ausdehnung gewonnen hat
— Im Monat August 1883 wurden bei der Allgemeinen
welche die Verordnung vom 9. August bezüglich jener anderen
Unfall⸗Versicherungs⸗Bank in Leipzig 12 Todesfälle,
Länder vorbehaltlich der formellen Korrektur auszufüllen unter⸗
Eröffnung der
1 lebensgefährliche Verlezung, 11 Unfälle, die ihrer Natur nach eine
gänzliche oder theilweise Invalidität erwarten lassen, und 1125 Unfälle von voraussichtlich nur vorübergehender Erwerbsunfähigkeit der Ver⸗ letzten, zusammen 1149 Unfälle angemeldet.
Kunst, Wissenschaft und Literatur.
Das Gesetz, betreffend die allgemeine Landes⸗ verwaltung, vom 30. Juli, und das Gesetz, betreffend die Zuständigkeit der Verwaltungs⸗ und Verwaltungs⸗ Zerichtsbebörden, vom 1. August 1883, erscheinen, mit einem Sachregister versehen, innerhalb weniger Tage als Heft 3 der Sammlung Deutscher Reichs⸗ und preußischer Landes⸗ gesetze, besonderer Abdruck aus dem Deutschen Reichs⸗ und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger, im Verlage der Norddeutschen Buch⸗ druckerci und Verlagsanstalt, Berlin SW. Wilhelmstr. 32. Der Preis für das 6 ¾ Bogen starke Heft stellt sich auf 0,80 ℳ 3
Heft 1 der besonderen Abdruͤcke enthält das Gesetz, betref⸗ fend die Krankenversicherung der Arbeiter, vom 15. Juni 1883, nebst Sachregister (Preis 0,30 ℳ), Heft 2, das Gesetz, be⸗ treffend die Abänderung der Gewerbeordnung, vom 1. Juli 1883, nebst Sachregister (Preis 0,20 —).
—— Sooeben erschien der neunte Jahrgang des „Statistischen
ahrbuchs der Stadt Berlin“, enthaltend die Statistik des ahres 1881, hberausgegeben von Richard Böckh, Direktor⸗ des Statistischen Amtes der Stadt Berlin. (Berlin, Verlag von Leon⸗ hard Simion, 1883). Dieser Jahrgang weist den früheren gegenüber verschiedene Erweiterungen auf. Abgesehen von der Aufnahme der Resultate der Erhebung der Bevölkerungs⸗ und Wohnverhältnisse
vom Dezember 1880 — deren erste Hälfte bereits im vorigen Jahr⸗
gange gegeben wurde — sind theils die Ergebnisse weiterer felbständiger Arbeiten des Statistischen Amtes, wie die der Berechnungen der Invaliditäts⸗Versicherung, der Sterblich⸗ keit der einzelnen Stadtbezirke, und die von dem Herausgeber zuerst ausgeführte methodische Berechnung der Sterblichkeit nach Todesursachen hinzugetreten, theils vom Statistischen Amt in Gemeinschaft mit anderen Behörden ausgeführte Arbeiten, wie die Auszählungen der Erkrankungsfälle, die der Unterstützten und ihrer Angehörigen mit Rücksicht auf die Ursachen der Verarmung, die der Steuerpflichtigen nach Stadtbezirken und derselben nach Be⸗ rufsklassen, und die erweiterte Tabelle der Arbeitslöhne. Andere aus dem städtischen Ressort hinzugekommene Tabellen sind die Nachweisung der eingeschriebenen Hülfskassen, die Sterbefälle der Armenkranken nach Todesursache und Alter, die Tabelle der Steuerrekla⸗ mationen; aus dem Ressort anderer Behörden: die Wiederber⸗ stellung der Nachweisungen über den Hypothekenverkehr. und die Erweiterung der Kriminalstatistik auf die Fälle der Schöffengerichte urd Strafkammern, ferner die nachträglich hinzugefügte Erhebung de Unfälle in größeren Betriebstätten. Diesen Erweiterungen stehen aller⸗ dings auch einzelne Einschränkungen sowohl innerhalb des städtischen Ressorts wie an anderen Stellen gegenüber, welche an den einzelnen Stellen des Jahrbuchs bezeichnet sind. Der Herausgeber erkennt dankend an, daß sein Bestreben, in diesem Jahrbuch alle Ergebnisse der Berliner Statistik zu vereinigen, an den verschiedensten Stellen bereitwillige Unterstützung findet, daß insbesondere die amtlichen Materialien der Königlichen Ministerien, sowie der Königlichen und Kaiserlichen Centralstellen und Behörden der verschiedenen Ressorts demselben stets zugänglich geblieben sind, und daß die umfassende Abnahme und Vertheilung des statistischen Jahrbuches von Seiten der städtischen Behörden die dauernde Fortführung des Unternehmens ü — Von den im Verlage von Orell Füßli u. Co. in Zürich er⸗ scheinenden „Europäischen Wanderbildern“ ist soeben das Tripelheft (44 — 46): „Ajaccio als Winterkurort und die Insel Corsica“, von Rud. Gerber, und das Doppelheft⸗Augs⸗ burg“, von Adolf Buff ausgegeben worden. Das erstgenannte Heft ist mit 11 Illustrationen und einer Karte, das andere mit 27 Holzschnitten, einem Vogelschauplan ꝛc. ausgestattet. Diese vortrefflichen kleinen Spezialführer haben sich bereits den Bei⸗ fall der Touristen erworben, so daß sie eigentlich keiner Empfehlung mehr bedürfen. Jedoch verdient der Führer durch Augsburg wegen seiner ausgezeichneten, kaum zu übertreffenden Holzschnitt⸗Illustrationen, deren er außer mehreren Plänen einige 20 bietet, eine ganz besondere Hervorhebung. Für den Preis von 1 ℳ dürfte nicht wohl mehr und Besseres verlangt werden können. — In der nächsten Zeit sollen von den „Wanderbildern“ zur Veröffentlichung kommen: Chur, Bürgen⸗ stock, Neuchatel, Bad Battaglia bei Padua, Stadt Bonn, Wallis, Zermatt, Eggisborn, Chamounix, die Brennerbahn, die Dolomitwelt Tirols und Abbazia. . ““
— Von dem Prachtwerk „Die deutsche Kaiserstadt Berlin und ihre Umgebung', geschildert von Max Ring, (Verlag von Schmidt u. Günther in Leipzig) liegen uns 5 neue Lieferungen, 13 bis 17, vor. Zunächst wird darin noch die Schilde⸗ ung der Museen und Sammlungen fortgesetzt und die vorzüglich in Holz geschnittenen Illustrationen zeigen uns: die Tafelrunde Friedrichs des Großen in Sanssouci, nach dem berühmten Menzelschen Gemälde, die apokalyptischen Reiter, nach dem grandiosen Carton von Cornelius, eine Ansicht des Kunstgewerbe⸗ Museums nebst einzelnen bemerkenswerthen Objekten daraus, einige der denkwürdigsten historischen Relignien aus dem Hohenzollern⸗ Museum, und von den Olympiafunden die herrliche Nike des Paionios und den Kopf des Hermes. Dann folgen die Kirchen und gottesdienst⸗ lichen Gebäude, von denen die Zions⸗, Thomas“⸗, Petri⸗, Michaels⸗ und Jerusalemer Kirche sowie die Synagoge dem Leser vor Augen geführt werden, und daran reihen sich die wohlthätigen Anstalten, mit den Abbildungen des Krankenhauses Bethanien, der Gertraudt⸗ Stiftung, des Asyls für Obdachlose, der Volksküche, ferner die Kirch⸗ höfe mit den Ansichten der Gräber Neanders, Diesterwegs und Scharn⸗ horsts. Der folgende Abschnitt handelt von den wissenschaftlichen Anstalten und Schulen und bringt die Bildnisse Fichte's, Hegels, Schleiermachers, der Gebrüder von Humboldt, Ranke's und anderer Ge⸗ lehrten, die Ansicht der Kunstschule, das Porträt Menzels, die Abbildungen der Bauakademie und der neuen technischen Hochschule in Charlottenburg. Das nächste Kapitel trägt die Ueberschrift: Theater und Musik, Schauspieler und Schriftsteller und ist mit den Bildnissen Ludwig Devrients, der Henriette Sontag, Wilibald Alexis', Joseph Joachims und einer Porträt⸗Kollektion aus dem Verein Berliner Presse aus⸗ gestattet. Mit der Beschreibung der militärischen Gebäude und Er⸗ ziehungsanstalten nebst den Ansichten des Generalstabsgebäudes, des Vortragszimmers in demselben, des Kriegs⸗Ministeriums und der neuen Kriegsakademie schließt die 17. Lieferung.
Gewerbe und Handel.
Vom Berliner Pfandbrief⸗Institut sind bis Ende August 1883 291 000 ℳ 3 ½ %ige, 16 021 800 ℳ 4 %ige, 44 337 000 ℳ 4 ½ %ige und 9 198 900 ℳ 5 %ige, zusammen 69 848 700 ℳ Pfand⸗ briefe ausgegeben, wovon noch 291 000 ℳ 3 ½ %ige, 15 762 900 ℳ 4 %ige, 36 369 300 ℳ 4 ½ % ige und 6 771 300 ℳ 5 %ige, zusammen 59 194 500 ℳ Pfandbriefe verzinslich sind. — Es sind zugesichert, aber noch nicht abgehoben 772 200 ℳ, im Laufe des Monats August 1883 angemeldet 3 Grundstücke mit einem Feuer⸗Versicherungswerthe von 492 025 ℳ 1 L88
London, 3. September. (W. T. B.) Bei der am Sonnabend abgehaltenen Wollauktion waren Preise unverändert.
Glasgow, 3. September. (W. T. B.) Die Verschiffungen von Roheisen betrugen in der vorigen Woche 15 700 gegen 16 000 Tons in derselben Woche des vorigen Jahres. 1
Bradford, 3. September. (W. T. B.) Wolle fest, Garne ruhig, Stoffe besser.
Verkehrs⸗Anstalten. 1 Die neueste Ausgabe des Reichs⸗Kursbuches, ausgegeben am 1. September 1883, ist soeben im Verlage von Julius Springer in Berlin erschienen. Dasselbe enthält eine Uebersicht sämmtlicher Eisenbahn⸗, Post⸗ und Dampfschiff⸗Verbindungen in Deutschland, Oesterreich⸗Ungarn, Schweiz sowie der bedeutenderen
Verbindungen der übrigen Theile Europas und der Dampfschi
Verbindungen mit außereuropäischen Ländern, bearbeitet im Kurs⸗ bureau des Reichs⸗Postamts. Eine Eisenbahn⸗Uebersichtskarte von Deutschland und den angrenzenden Ländern liegt dem Reichs⸗Kursbuche bei. Der Preis dieses jedem Reisenden unentbehrlichen Handbuches beträgt, wie sonst, 2 ℳ Die nächste Ausgabe erscheint am 15 Oktober.
Hamburg, 4. September. (W. T. B.) Der Packet⸗ schiffahrtsgesellschaft wird aus New⸗York mitgetheilt, der Dampfer „Spain“ habe den Hamburger Postdampfer „Lessing“, welcher am 27. August Abends einen Bruch an der hinteren Kurbelwelle erlitt, gesprochen. Man habhe ver⸗ sucht, denselben zu repariren, damit er mit verminderter Fahrgeschwin⸗ digkeit die Reise fortsetzen könne. Der Postdampfer „Lessing“ war am 23. August von New⸗York nach Hamburg abgegangen. 8
Triest, 3. September. (W. T. B.) Der Lloyddampfer „Oreste“ ist mit der ostindischen Ueberlandspost aus Alexandrien heute früh hier eingetroffen. 8
New⸗York, 3. September. (W. T. B.) Der Dampfer „Spain“ von der National⸗Dampfschiffs⸗Compagnie (C. Messingsche Linie) ist hier angekommen.
Berlin, 4. September 1883.
Ueber den Eisenbahn⸗Unfall in Steglitz vor 2. d. M. erhalten wir von dem Königlichen Eisenbahn⸗ Betriebsamt Berlin⸗Magdeburg folgende Mit⸗ theilung: “ h Der fahrplanmäßig um 9 Uhr 51 Min. Abends in Steglitz ankommende und um 9 Uhr 52 Min. abgehende Lokalzug Nr. 221 a. von Zehlendorf nach Berlin hatte in Folce des starken Sonntagsverkehrs eine Verspätung von 5 Min. erhalten. Die Folge hiervon war, daß derselbe, an⸗ statt zwischen Steglitz und Friedenau, in Steglitz mit dem um 9 Uhr 50 Min. Abends aus Berlin abgehenden Courier⸗ zug 142b. kreuzen mußte. 1 Der Stationsvorsteher in Steglitz hatte demnach an⸗ geordnet, daß die zur Mitfahrt nach Berlin auf dem Perron am Stationsgebäude Anwesenden erst nach Durchfahrt des Courierzuges das Geleise des letzteren überschreiten und in den Zug 221 a. einsteigen sollten. Zu diesem Zwecke waren die in den das erwähnte Geleis von dem Hauptperron ab⸗ sperrenden starken Holzbarrieren angebrachten Schiebebarrieren geschlossen und sollten dem Publikum erst nach Durchfahrt des Courierzuges geöffnet werden. Der Zug 221 a. sollte nicht bis an den breiten Perron vorfahren, sondern an der schmalen Verlängerung desselben bis nach Ueberschreitung der Geleise Seitens des Publikums halten. 1
Auf dem Perron neben dem Geleise, auf welchem der Courierzug nahte, und unmittelbar vor der das Publikum ab⸗ sperrenden Barriere befand sich der Stationsvorsteher und 2 Arbeiter, welche das Publikum unausgesetzt durch lauten Zuruf vom Oeffnen resp. Uebersteigen der Barrieren abhielten.
Der Maschinist des Zuges 221., welch letzterer des Sonntagsverkehrs wegen verstärkt war, fuhr einige Wagen⸗ längen weiter, als beabsichtigt war, und kaum war der Zug zum Halten gekommen, als ein großer Theil des Publikums, ohne auf den dringenden und wiederholten Warnungsruf der Beamten zu achten, mit Gewalt theils die feste Barriere über⸗ stieg, theils die Schiebebarrieren öffnete und den Zug, wie dies leider sehr häufig geschieht, von der vom Perron abge⸗ wendeten Seite zu besteigen suchte. 1 8
Ein mit einer roth geblendeten Laterne versehener Sta⸗ tionsarbeiter wurde bei dem Ansturm vom Publikum zu Boden gerissen und die Laterne zertrümmert, so daß dem, in diesem Augenblicke heranbrausenden Courierzug Nr. 142 b. das Halte⸗ zeichen Seitens des Stationsvorstehers nur mit der in seinen Händen befindlichen weiß geblendeten Laterne gegeben werden konnte. Der Führer dieses Zuges war jedoch nicht im Stande, denselben so plötzlich zum Stehen zu bringen und fuhr mitten durch den im Geleise gebildeten Menschenknäuel hindurch.
Dem aufregenden Nothsignale des Lokomotivführers solgte eine Todtenstille, und erst nach längerer Zeit machte sich der Schreck und das Entsetzen der Zuschauenden in einem lauten Schmerzensschrei Luft. 1
Als Opfer der Katastrophe blieben die Leichen von 17 Männern, 18 Frauen und 4 Kindern, sowie 5 schwer und einige wenige leicht Verwundete zurück. Die Leichen waren zum großen Theil arg verstimmelt.
Von dem Stationsvorsteher wurde sogleich per Telegraph Hülfe und Aerzte aus Berlin, sowie der Amtsvorsteher und die Steglitzer Aerzte requirirt. v““
In kurzer Zeit erschienen dieselben, sowie die freiwillige Steglitzer Feuerwehr, welch letztere voll aufopfernder Hingabe und musterhafter Haltung sich des schweren Amts der Bergung der Verunglückten so erfolgreich widmete, daß nach Verlauf von ungefähr 15 Minuten die Leichen aus dem Geleise ent⸗ fernt und in den Wartesaal III. Kl. untergebracht, sowie die Schwerverletzten nach Berlin in das Elisabeth⸗Krankenhaus
eschafft waren. 3 schaswn Abend, unmittelbar nach der ersten Nachricht waren der Direktor, sowie der oberste Betriebsbeamte des Königlichen Eisenbahn⸗Betriebsamts an Ort und Stelle geeilt. Heute stellte eine Gerichtskommission den Thatbestand an Ort und Stelle fest und ordnete die Ueberführung der Leichen nach Berlin an. Ebenso waren Kommissare des Herrn Ministers der öffentlichen Arbeiten, des Reichseisenbahn⸗Amts und der Königlichen Eisenbahn⸗Direktion zu Magdeburg am Orte des Schreckens. b
8 Dieser traurige Vorfall giebt uns Veran⸗ lassung, dem Berliner Publikum recht dringend ans Herz zu legen, sich bei der Rückfahrt von ihren Sonntagsausflügen per Bahn alles Drängens und Anstürmens zu enthalten. 8
Es werden ja sammtliche Reisende unzweifelhaft zurück⸗ befördert, und wenn dies wirklich einmal etwas später geschieht, als beabsichtigt war, so ist dabei wohl zu bedenken, daß die sichere Bewältigung des so ungemein starken Sonntagsver⸗ kehrs vor Allem von der ruhigen Haltung des Publikums abhängt und daß bei hastigem Ansturm ein Unglück wie das vorliegende leicht eintreten kann. “
Im Nachstehenden geben wir eine Liste der bis jetzt Rekognoszirten: 1 1
A. Sofort getödtet wurden: 6
Hr. Heinrich nebst Frau, Berlin, Britzerstr. Nr. 5; Hr. Otto Peters, Michaelkirchplatz Nr. 6; Hr. Grund nebst Frau und den Kindern Karl und Willy, Buckowerstr. Nr. 5; Hr. Patschke nebst Frau, Alexandrinenstr. Nr. 113; Hr. Bölling, Pallisadenstr. Nr. 83; Frl. Anna Tietz, Kalkscheunenstr. Nr. 3; Hr. Banksekretär Kleeß, Prinzenstr. Nr. 101; Frau Beudke,
Neue Friedrichstr. Nr. 31; Hr. Betriebssekretär Lamprecht
nebst Frau, Slalitzerstr. N ; Knabe Max Ruhm, Alexan⸗ drinenstr. Nr. 2; Frl. Ida Horwitz, Sebastianstr. Nr. 79; Unteroffizier Scharfenberg vom Fuß⸗Artillerie⸗Regiment Nr. 10; Unteroffizier Seydel vom Sächsischen Fuß⸗Artillerie⸗Regiment Nr. 12; Frl. Klara Kaiser, Keibelstr. (Feuerwehr⸗Depot); Frau Lüdke, Belle⸗Alliancestr. Nr. 70; Schlosser Wildberg nebst Frau und zwei Dienstmädchen, ebendaselbst; Reisender Simon nebst Frau, Brandenburgstr. Nr. 48; Klempner Rathmann, Kürassierstr. Nr. 9. B. Auf dem Transport nach dem Elisabeth Krankenhaus verstorben: Frau Bölling, Pallisadenstr. Nr. 83. 8 8 C. Im Elisabeth⸗Krankenhause befinden sich: Unteroffizier Schmidt vom 2. Hannoverischen Feld⸗Artillerie⸗ Regiment Nr. 20 aus Mecklenburg; Dachdecker Johann Wil⸗ mowsky, Nostizstr. Nr. 5; Frau Töpfermeister Ruhm, Alexan⸗ drinenstr. Nr. 2; Frau Wittwe Raupach, Scharrnstr. Nr. 21.
München, 3. September. (W. T. B.) Der zweite deutsche Kunstgewerbe⸗Kongreß ist heute im Prachtsaale des hiesigen Kunstgewerbe⸗Vereinshauses durch den Ehrenpräsidenten Miller sen. eröffnet worden. Ministerial⸗Rath von Ziegler begrüßte die Versammlung im Namen der Regierung, worauf ein Hoch auf den König ausgebracht wurde. Zum Vorsitzenden wurde Direktor Lange, hier, zu Beisitzern Lange (Hannover) und Luthmer (Frank⸗ furt) gewählt. Vertreten sind 16 Vereine aus großen Städten mit 180 Theilnehmern. Direktor Lange sprach über die Aufgaben des Kongresses. Auf Antrag Gurlitt's (Dresden) wurde eine Kommission erwählt, um über die Gründung eines deutschen Gesammtverbandes zu berathen. An den Debatten betheiligte sich auch Geheimrath Reuleaur aus Berlin. September. (W. T. B.) Der zweite allge⸗ gmannstag ist heute früh um 9 Uhr in der olvtechnikums durch den Ober⸗Bergrath röffnet worden. Geh. Finanz⸗Rath Dr. Freiesleben begrüßte die Versammlung Namens der Staatsregierung, Ober⸗ Bürgermeister Dr. Stübel Namens der Stadt und Geheimer Rath Professor Dr. Zeuner Namens des Polxytechnikums. Der Ober⸗Berg⸗ hauptmann, Wirkliche Geheime Rath von Dechen aus Bonn wurde mit Akk.amation zum Vorsitzenden gewählt. Bisher sind 270 Theil⸗ nehmer angemeldet.
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Im Krollschen Theater hat der „Prophet“ mit Hrn. Anton Schott in der Titelrolle am Sonntag bei seiner ersten Aufführung vor ausverkauftem Saale einen so glänzenden Erfolg gehabt, daß mit der sofortigen Wiederholung am heutigen Dienstag vielfachen Wünschen gedient sein dürfte. Speziell Hr. Sch
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ott darf die Helden⸗ rolle des Propheten zu seinen vorzüglichsten Partien zählen, sowohl was Gesangs⸗ als was darstellerische Kunst betrifft. Die ursprüng⸗ lich für heute angesetzt gewesene Vorstellung der „Hugenotten“ wird nunmehr am Donnerstag in Scene gehen Neben Hrn. Schott als Raoul tritt an diesem Abend als Prinzessin Frl. Talero vom ungarischen National⸗Theater in Pest zum ersten Male in Berlin auf. Morgen wird die „Regimentstochter“ (in der laufenden Saison neu) mit Frau Norbert⸗Hagen in der Titelrolle gegeben. — Belle⸗Alliance⸗Theater. Das neu einstudirte Lust piel⸗ „Deutscher Krieg“ mit Hrn. Wilhelm Fliegner als Gast hat sich der freundlichsten Aufnahme zu erfreuen. Außer dem Gaste sind die Damen Wisotzki, Strahl und Hayn sowie die Herren Seydel, Dorn, Schulz, Würst und Mietzner mit hervorragenden Partien bedacht, deren treffliche Darstellung ihnen allabendlich reichen Beifall einträgt.
Bäder⸗Statistik.
Personen Baden⸗Baden bis zum 31. August (Fremde) 37 160 .* Burtscheid bis zum 1. September (Kur⸗ und Badegäste) . 1 230 Elster bis zum 24. August (3237 Nrn.) . . . . . . . 4 997 Griesbach bis zum 30. August (nebst 449 Durchr.) (Badegäste) 704 Heiligendamm am 25. August (anwesend) (Badegäste) . . ca. 100 & 8 (Quffrf. rr) bis o Auagus 9 Par 26 Jonsdorf (Luftkurort) bis Mitte August (149 Part.) .. 266 Karlsbad bis zum 29. August (Kurgäste) . . . .. 25 Königsbrunn (b. Königstein a. d. Elbe) bis Mitte Aug. (65 Part.) Königsdorfs⸗Jastrzemb bis zum 21. August (225 Nrn.). Kösen bis zum 24. August (665 Nrn.) . 3 Kreischa bis Mitte August (130 Part.) . Langenbrück (Sachsen) bis Mitte August (174 Part.) 4 Liegau⸗Hermannsbad (b. Radeberg) bis Mitte Aug. (211 Part.) Marienborn (bei Panschwitz) bis Mitte Aug. (134 Part.). Neuenahr bis zum 29. August (Fremde) . . . .. Oeynhausen bis zum 31. August (nebst 2898 Durchr.) (Nrn.) Oppelsdorf (bei Reichenau in Sachsen) bis Mitte August
(279 Parteien) MK“ Osterode am Harz bis zum 28. August (Nrn.) . . Oybin (Luftkurort) bis Mitte August (154 Parteien) Reinerz bis zum 28. August (nebst 1752 Familien mit 2193
Pers. als Vergnügungsgästen und Durchreisenden) (Kur⸗
gäste 2007 Familien mit Perk) . Schandau bis zum 26. August (nebst 17 699 Durchreisenden
bis zum 15. August) (1054 Parteien) . . .“ Schweizermühle bis Mitte August (111 Parteien) Soden bis zum 21. August (Badegäste) . . . . . Sooden a. d. Werra bis zum 23. August (414 Nrn.) Tharandt bis Mitte August (263 Parteien) .. Unna⸗Königsborn bis zum 17. August (nebst 1522 Durch⸗
reisenden (ständige Kurgäste) Weißer Hirsch mit Oberloschwitz (klimat. Kurort) bis Mitte
iibt1ö1-b..] Wildungen bis zum 29. August (1685 Nrn.) . . . . Wilhelmshöhe am 28. August (Fremde anwesend) . . . Wittekind (bei Giebichenstein und Halle) bis zum 31. Aug. B
ͤä11AAA“X“ 653 Wolkenstein (Warmbad) bis zum 30. August (373 Parteien) 568
Von den weniger frequentirten Bädern wurden besucht bis Mitte
August: Georgenthal (bei Neukirch i. d. Lausitz) von 25 Parteien mit 61 Pers., Gruben (bei Meißen) von 46 Part. mit 63 Pers., Hamm bis zum 16. August einschließlich von 87 ständigen fremd Badegästen.
Literarische Neuigkeiten und periodische Schriften.
Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. Heft 3. — Inhalt: Algerien und Tunesien. Von A. Janke, Haupt⸗ mann (Fortsetzung). — Die Kriege der Vendée gegen die erste fran⸗ zösische Republik 1793 — 1796. — Eine militärhistorische Skizze von A. v. Crousaz, Major z. D. (Fortsetzung). — Die preußischen Husa⸗ ren bei der Armee der Verbündeten Friedrich des Großen in den Jahren 1758 — 1760. — Grundzüge für eine Neuordnung unseres Ingenieur⸗ und Festungswesens. — Italiens westliche Vertheidigungs⸗ front und heutiges Befestigungssystem. Von C. Winterberg. — Die neueste Stiefelfrage. — Ein Wort über Anonymität und Pseudony⸗ mität. — Stuarts letzter Raid vom Sattel aus gesehen. — Umschau in der Militärliteratur. 1
Beiträge zur Geschichte des Bergbaues in der Provinz Brandenburg, von H. Cramer, Geheimer Bergrath und Ober⸗Bergrath in Halle a. S. Siebentes Heft: Die Kreise Landsberg a. W., Friedeberg, Arnswalde, Soldin und Königsberg. Halle a. S, Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses, 1883.
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