1883 / 270 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 16 Nov 1883 18:00:01 GMT) scan diff

ordnung die Wahl der Deputationsmitglieder hatte. In der Eröffnungsrede betonte der Präsident von Zehmen, daß man mit Befriedigung auf die seit Schluß des letzten Landtages verstrichene Zeit zurückblicken könne. Nicht nur, daß es Friedensjahre, daß es auch eine Zeit gedeihlicher Weiter⸗ entwickelung und segensreichen wirthschaftlichen Fortschrittes Dank der Rückkehr zu altbewährten Grundsätzen ge⸗ wesen, finde speziell in dem Staatshaushalt und in den ge⸗ ringeren an die Steuerkräfte des Landes zu stellenden An⸗ forderungen, wie die Thronrede bereits eröffnet habe, erwünschten und erfreulichen Ausdruck. Auch des in der Zwischenzeit durch Gottes Gnade von dem Lande abgehaltenen großen Unglücks, welche das gefährdete Leben des Königs geschützt, sowie der jüngsten Festtage gedachte der Redner. Nach erfolgter Wahl der Deputationen vertagte sich die Kammer bis auf Montag, den 19. d. M.

Die Sitzung der Zweiten Kammer wurde von dem Präsidenten Dr. Haberkorn mit der Mittheilung von dem heute Vormittag erfolgten Tode des Abg. Klopfer eröffnet. An die Anzeige über die durch die Abtheilungen erfolgte Wahl der Muglieder der 5 ständigen Deputationen schloß sich die allge⸗ meine Vorberathung einer Anzahl von Vorlagen, welche zum größeren Theil an Deputationen verwiesen, zum kleineren zur

Schlußberathung gestellt wurden.

Württemberg. Stuttgart, 15. November. Wie der „St.⸗A. f. W.“ aus San Remo vernimmt, ist das Befinden des Königs ein durchaus befriedigendes, und hat sich Se. Majestät seit der Ankunft daselbst des schönsten Wetters zu erfreuen. Der König macht täglich mehrmals Spaziergänge und hat auch schon größere Fahrten in die Umgegend unter⸗ nommen. In den letzten Tagen empfing Se. Majestät den gegenwärtig in San Remo verweilenden Fürsten Hugo von Hohenlohe⸗Oehringen, Herzog von Ujest, und zog den deutschen Vize⸗Konsul Schneider zur Tafel.

Hamburg, 15. November. (Hamb. Corr.) Auf der Tagesordnung der Bürgerschaft stand gestern die Spezial⸗ berathung über den Bericht des Ausschusses zur Prüfung von Anträgen, betreffend die Revision der Gesetzgebung über die hamburgische Staatsangehörigkeit und das Bürger⸗ recht. Der Titel des Gesetzes wurde ohne Debatte genehmigt.

.1 lautet: Deutsche erwerben die hamburgische Staatsangehörigkeit nach

Maßgabe der Reichs⸗Gesetzgebung. b

Ausländer können die hamburgische Staatsangehörigkeit nur erwerben, wenn sie abgesehen von den im §. 8 des Bundes⸗ gesetzes vom 1. Juni 1870 aufgestellten Erfordernissen den Nachweis liefern, daß sie

1) das 21. Lebensjahr vollendet haben,

2) aus dem Staateverbande, dem sie angehört haben, ent⸗ lassen sind oder die Sicherheit haben, daß ihnen diese Entlassung für den Fall der Aufnahme in den hiesigen Staatsverband er⸗ theilt wird.

Derselbe wurde angenomme. §. 2 lautet:

Zum Erwerbe des hamburgischen Bürgerrechts ist jeder Voll⸗ jährige berechtigt, welcher die hamburgische Staatsangehörigkeit er⸗ worben hat, sich im Besitze des bürgerlichen Ehrenrechte befindet, nicht auf Grund der Bestimmungen des §. 6 sub 2—5 des Bürger⸗ rechts verlustig geworden ist, nicht unter polizeilicher Aufsicht steht ga der letzten drei Jahre Einkommensteuer in Hamburg gezahlt hat. 1

Hr. Tilemann meinte, man könne sich über 8§. 2 nicht her entscheiden, als bis man wisse, wie §. 4 lauten werde.

r beantrage daher die Abstimmung bis nach derjenigen über

.4 auszusetzen.

Der Antrag Tilemann wurde angenommen.

u S. 3

89 8 Erwerbe des Bürgerrechts verpflichtet ist jeder nach §. 2 dazu berechtigte Staatsangehörige, wenn er in jedem der drei letzten Jahre durchschnittlich ein Einkommen von mindestens 3000 ver⸗ steuert und das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. beantragte Dr. Gieschen die Worte: „wenn er .. . .. steuert und“ zu streichen. 1 Der Antrag Dr. Gieschen wurde abgelehnt, §. 3 in der Fassung des Ausschusses angenommen und demnächst die

Berathung vertagt.

wird daher erst am 30. November zu Ende gehen. Bis zur Eröffnung der neuen Gerichtssession waren von den 614 von dem Parlament ermächtigten Absetzungen nur 605 vor⸗ genommen worden, und von den Magistratspersonen, welche ihre Funktionen wieder antraten, mußten einige ihrer baldigen Beseitigung gewärtig sein. „Warum, so formulirte der Redner seine doppelte Frage, hat die Re⸗ gierung das Gesetz erst Ende August bekannt gemacht und warum wurde es nicht vor Ablauf der Gerichtsferien durch⸗ eführt?“ Hierauf entgegnete der Justiz⸗Minister Martin⸗ Feuillee⸗ es sei ihm Gewissenssache gewesen, den Gang der Justiz nicht während des Gerichtsjahres zu stören, und andererseits hätte er sich nach den 605 erfolgten Absetzungen einen kleinen Spielraum offen lassen wollen, da einige frei⸗ willige Rücktritte vorauszusehen gewesen wären. Uebrigens werde das heutige „Journal officiel“ (wie dies in der That geschehen ist) das letzte Verzeichniß der Absetzungen und Ver⸗ setzungen veröffentlichen. 15. November. (W. T. B.) Der Senat begann heute die Berathung der Eisenbahn⸗Konven⸗ tionen. Freycinet besprach die den Konventionen voraus⸗ gegangenen Umstände: die Konventionen seien das nothwen⸗ dige Ergebniß der seit dem Jahre 1878 wesentlich ver⸗ änderten finanziellen Lage, die indessen nicht beunruhigend sei. Freycinet erklärte seine Ueberzeugung, daß das Gleichgewicht im Budget demnächst wieder hergestellt sein werde. Buffet bezeichnete die Versicherungen Frey⸗ cinets als optimistisch und warf ihm und der Regierung vor, daß sie das Publikum zu bethören versuchten; er sei überzeugt, daß zur Wiederaufrichtung der Finanzen große Opfer erforderlich seien. Der Finanz⸗Minister Tirard pro⸗ testirte gegen die Anklage der Täuschung der Steuerzahler; auch er finde eine Einschränkung der Ausgaben für noth⸗ wendig, aber der gegenwärtige Zustand des Budgets sei dessen⸗ ungeachtet ein guter. Die Berathung wurde sodann auf morgen vertagt. b

Die Bureaus der Kammer haben heute die Kom⸗ mission zur Vorberathung der Tongking⸗Kredit⸗ vorlage gewählt. Die Kommission ist im Prinzip für die

Vorlage; die Regierung gab ausführliche Erläuterungen dazu, daß sie den verlangten Kredit

aus denen zugleich hervorgeht, sür unzureichend hält. 3 Der Senator Lasteyrie ist gestorben.

Serbien. Belgrad, 15. November. (W. T. B.) Durch einen Ukas des Königs wird angeordnet, daß auf Grund der Verfassung das für 1882/83 genehmigte Budget auch für das nächste Jahr Geltung haben soll. Das antliche Blatt veröffentlicht Steckbriefe gegen mehrere Insur⸗ gentenführer.

16. November. (W. T. B.) Das amtliche Blatt veröffentlicht eine Mittheilung der Regierung, welche die voll⸗ ständige Bewältigung des Aufstandes konstatirt und anzeigt, daß nunmehr die Untersuchung über die Ursachen und die Urheber des Aufstandes beginnen werde.

Bulgarien. Sofia, 16. November. (W. T. B.) Dem Vernehmen nach soll über die Stellung der russischen Offiziere in Bulgarien eine Verständigung in der Weise erfolgt sein, daß der Kriegs⸗Minister mit Genehmigung des Kaisers von Rußland durch den Farchen Alexander ernannt wird. Die Entfernung desselben von dem Ministerposten erfolgt stets durch den Fürsten allein. Der Kriegs⸗Minister enthält sich jeder Einmischung in die inneren Angelegenheiten Bulgariens und ist für seine Akte und für das Kriegsbudget dem Fürsten und der National⸗ versammlung veraͤntwortlich. Die russischen Offiziere dienen mit Zustimmung des Kaisers auf 3 Jahre in der bulgarischen Armee und haben dem Fürsten, der Verfassung und der bul⸗ garischen Gesetzen Gehorsam zu leisten. 8

Zeitungsstimmen.

genden Artikel über das Privatbahnsystem in England:

Der „Staatsbürger⸗Zeitung“ entnehmen wir fol⸗

fragliche Gegenstand angehört, muß man ein besonderes Buch nachschlagen. Ist das geschehen, so wollen noch zahlreiche Ausnahmen und Spezialtarife berücksichtigt sein. Dazu kann es dem gequälten Geschäftsmann auch noch passiren, daß die Eisenbahnbeamten die Einsicht in beide Bäö⸗ cher verweigern. Unter solchen Umständen erscheint die Aussage der Eisenbahndirektoren freilich glaublich, daß die Vorweisung der Bä⸗ cher nur selten verlangt wird. 1

Ferner scheint es unter den geschilderten Verhältnissen sehr natürlich, daß vielfach Frachtsätze aufrechterhalten werden, deren Feebseßes im allgemeinen Interesse liegen würde. In Folge der großen Preissteigerung für Rohstoffe aller Art (besonders Kohlen und Eisen), sowie für Arbeitslöhne, wie sie zu Beginn des vorigen Jahrzehnts eintrat und 1873 ihren Höhepunkt erreichte, machten die Eisenbahngesellschaften einen bedeutenden Aufschlag auf einen Theil ihrer Tariffäße und sind bis zur Stunde bei demselben geblieben, obwohl die Preise der fraglichen Rohstoffe jetzt bedeutend herabge⸗ gangen sind. Besonders beschweren sich die Fischer der schottischen Ostküste darüber, daß die Durchgangssätze für Fische nach den Cen⸗ tralmärkten jeßt weit höher sind, als vor dreißig Jahren. Im Jahre 1849 betrug die Fracht für Fische nach London 30 Schilling pro Tonne; gegenwärtig beträgt sie 148 ½ Schilling, nachdem Schritt für Schritt mit der allmählig fort⸗ schreitenden Verschmelzung verschiedener Bahnen und der da⸗ mit wachsenden Monopolisirung des Verkehrs Seitens der Caledonian Railway die Preise in die Höhe getrieben worden sind. Die Frachten, welche jetzt für Fische und Vegetabilien verlangt werden, sollen einen so bedeutenden Theil des erzielten Marktpreises fortnehmen, daß der Verdienst der Produzenten ein äußerst geringer ist, ja bei einiger⸗ maßen reichlicher Zufuhr und etwaiger geschwächter Nachfrage voll⸗ ständig durch die Transportkosten absorbirt wird. Und doch soll eine Ermäßigung dieser Frachtsätze im Interesse aller Theile liegen; die Eisenbahnen würden infolge des enorm gesteigerten Verkehrs gewinnen, ebenso die Produzenten und Konsumenten.

Endlich bleibt als Ursache dringender Klagen die Gestaltung der Differentialtarife zu erwähnen. Es kommt nicht allein vor, daß die⸗ selbe Bahnverwaltung verschieden hohe Frachtsätze für ganz ähnliche Güter erhebt, daß dieselbe Bahnverwaltung nach einem gemeinsamen Mittelpunkte von dem einen Hafen Güter zu einem viel niedrigeren Satz befördert, als von einem anderen Hafen, daß Stand⸗ orte der inländischen Produktion und die Richtung des inländischen Verkehrs, also der Willkür privater Instanzen unterstehen, es wird vielmehr auch der ausländische Ver⸗ kehr begünstigt auf Kosten des inländischen, es werden unter gleichen Umständen ausländische Erzeugnisse zu viel niedrigeren Sätzen befördert als inländische, es werden bisweilen die zum Export be⸗ stimmten Waaren nach dem Verschiffungshafen wohlfeiler trans⸗ portirt, als die gleichen Waaren nach demselben Hafen, wenn sie nicht zur Ausfuhr bestimmt sind. So wird beispielsweise ausländi⸗ scher Hopfen von Boulogne über Folkestone nach London zum Satze von 17 ½ Sh. pro Tonne befördert, während die Fracht für Hopfen von dem London erheblich näher liegenden Asfhford auf der⸗ selben Eisenbahn nach London 35 Sh. beträgt. Das Fleisch von amerikanischem Rindvieh, in Glasgow geschlachtet, wird von hier bis London für 45 Sh. pro Tonne befördert, während die Fracht für Fleisch von heimischen Ochsen von Glasgow bis London 77 Sh. beträgt. Manufakturwaaren von Manchester nach London, zum Export bestimmt, zahlen 25 Sh. pro Tonne, aber für London bestimmt 40 Sh., und ähnlich in vielen anderen Fällen. Der Fracht⸗ satz für Rohbaumwolle ist von drei verschiedenen Häfen der Westküste nach Manchester der gleiche (9 Sh. pro Tonne), obwohl die Ent⸗ fernung das eine Mal, nämlich von Barrow⸗in⸗Furness 87 englische Meilen, das andere Mal (von Fleetwood) 50 Meilen und endlich im dritten Fall (von Liverpool) 31 Meilen beträagt. Das Manchesterthum verabscheut jede Beeinflussung des Wirth⸗ schaftslebens dnrch die Regierung, die Vertreterin der allgemeinen Interessen. Es sieht aber gleichmüthig zu, wenn private Körper⸗ schaften, je nach ihren privaten Interessen, die Entwickelung ganzer Distrikte verkümmern, um andere einseitig zu begünstigen wenn sie den Güterstrom von seiner „natürlichen“ Bahn nach gewissen Pro⸗ duktionscentren ablenken, um andere Gebiete ganz brach liegen zu lassen, wenn sie endlich gar das Inland schädigen und das Aus⸗ land fördern. 8 1 Alle diese und viele andere Schäden hat man in England schon lange bemerkt und von Kommissionen der Regierung und des Par⸗ laments untersuchen lassen. Doch sind alle Vorschläge zur Besserung an der außerordentlichen Macht der Privatbahnen abgevprallt, welche dem Staate fast über den Kopf gewachsen sind. 1873 versprach man sich von der Einsetzung eines eigenen Eisenbahntribunals (Railway Commissioners) eine wesentliche Besserung. Sie ist aber nicht eingetreten, vielmehr behielt das Parlamentsmitglied Mr. Ward Hunt recht, der im Unterhause 1873 von dem Tribunal meinte: „Wo die Interessen des Pu⸗ blikums und der Eisenbahngesellschaften identisch sind, da brauchen wir kein Tribunal. Wo sie sich widersprechen, da wird das Tribunal nicht wagen einzugreifen, weil der Lärm der davon betroffenen Eisen⸗ bahnverwaltungen so groß sein würde, daß es mit den Vollmachten des Kommissionärs bald zu Ende wäre. Indessen soll auch dieses Er⸗ periment gemacht werden, damit man sich um so schneller überzeuge,

Elsaß⸗Lothringen. Straßburg, 14. November. Els.⸗Lothr. Zig.) Der Bezirkstag des Ober⸗Elsaß rat am 12. d. M. im Bezirkspräsidialgebäude zu seiner dies⸗ ährigen ordentlichen Session zusammen. Es waren 23 Mit⸗ glieder anwesend. Auf der Tagesordnung stand die Berathung

des Etats. 15. November. (W. T. B.) Die „Elsaß⸗ Lothringische Zeitung“ schreibt: Eine dem Pariser „Gaulois“ angeblich unter dem 13. d. M. aus Straß⸗ urg telegraphirte Mittheilung, wonach der Commandeur es hiesigen Ulanen⸗Regiments sich dem Gefolge Sr. Kaiserlichen und Königlichen Hoheit des Kronprinzen auf der Reise nach Madrid anschließen werde, beruht nach eingezogenen Erkundigungen auf Erfindung. Der Kriegs⸗Minister, General⸗Lieutenant Bronsart von Schellendorf war heute in Neu⸗Breisach, um von den dortigen Verhältnissen Einsicht zu nehmen. Derselbe nimmt Abends an dem vom Statthalter dem Bezirkstage des Unter⸗Elsaß gegebenen Diner Theil und reist mit dem

Nacht⸗Schnellzuge nach Metz weiter.

terreich Ungarn. Wien, 14. November. (Presse.) Vorgestern wurde in Hermannstadt die diesjährige Session der sächsischen Nationsuniversität durch den neuen Comes Moriz Brennerberg eröffnet. In der Ansprache, in welcher sich dieser in warmen und herzlichen Worten der freundlichen Unterstützung der Versammlung empfahl, enthielt sich derselbe aller Anspielungen, die mit politischen Streitfragen in Verbindung gebracht werden können. Dagegen forderte er die Universität dringend auf, sich im Verein mit ihm ihren kul⸗ turellen Aufgaben zu widmen. In der Entgegnungsrede, welche einer der Abgeordneten hielt, betonte dieser insbeson⸗ dere, daß die Versammlung bereit sein werde, ein freundliches Einvernehmen zu pflegen, ohne jedoch von den Standpunkten der früheren Universitäten dort abzuweichen, wo es sich um entschiedene Wahrung des Rechts handle. Frankreich. Paris, 14. November. (Fr. Corr.) Im Senat richtete gestern Denormandie an den Siegelbewahrer eine Ansrage über die Durchführung des Gesetzes, betreffend die Gerichtsreform. Dasselbe wurde am 1. August an⸗

Wir brachten kürzlich einige Notizen über die Beschwerden der englischen Eisenbahnbediensteten, welche die Lage der letzteren in einem sehr ungünstigen Lichte erscheinen lassen. Wir wollen heute als Er⸗ gänzung hierzu kurz die Klagen des die Eisenbahnen benutzenden Publikums, in erster Linie der Geschäftswelt, hervorheben, die uns als Beweis dienen können, daß das sich selbst überlassene Privatbahn⸗ system in keiner Weise die Anforderungen erfüllt, welche an das einflußreichste Verkehrsmittel wegen seiner gewaltigen Bedeutung für die nationale Wirthschaft gestellt werden müssen. b Man könnte bestreiten wollen, daß das englische Privatbahn⸗ wesen der Einwirkung der Regierung nicht unterworfen sei. In der That ist abgesehen von der unumgänglichen Einwirkung bei Kon⸗ stituirung des Netzes, der Bauausführung ꝛc. die vielverbreitete Anschauung irrig, daß in England der Staat in die Tarif⸗ fragen nichts hineinzureden habe. Seit 1845 hat sich das Parlament ausdrücklich in jeder Eisenbahnkonzession das Recht vorbehalten, die Marima zu revidiren, in mehreren Special Acts ist neben dem allgemeinen Recht des Parlaments zudem ein be⸗ sonderes Recht des Handelsamts, ohne Zuthun des Parlaments die Tarifmaxima bei Erreichung einer gewissen Dividende zu aͤndern, ausbedungen worden. Ein Bestandtheil der Tarife ent⸗ zieht sich jedoch in den meisten Fällen der öffentlichen Ein⸗ wirkung: es sind dies die Stationskosten, die verlangten Ver⸗ gütungen für Lagerung, Einladung und Ausladung, Zufuhr und Abfuhr der Güter. Durch Zuschlag für diese „Terminals“ können die Eisenbahngesellschaften in Folge dessen Fractsabe erwirken, welche bedeutend über die ihnen auferlegten Maxima hinausgehen, zumal für Artikel des landwirthschaftlichen Bedarfs und der land⸗ wirthschaftlichen Produktion, wie Dünger, Hopfen, Milch, Ge⸗ müse ꝛc. So wird das Recht der staatlichen Maximalbestimmung der Tarife, das für einige Strecken noch heute überhaupt nicht besteht, vielfach durch die Willkür in der Berechnung der Stationskosten illüsorisch gemacht. Das Gesetz von 1873 hat allerdings der Railway Kommission, welche es schuf, Vollmacht gegeben, im Falle eines Streites zu entscheiden, was „billige“ Entschädigung für die Terminals sei. Doch diese Vorschrift wird nur da wirksam, wo ein Streit anhängig gemacht ist, blos für den individuellen Fall und um den Preis eines kostspieligen Prozeßverfahrens. Sie hat nicht die Klagen darüber beseitigt, daß die Terminals unmäßig sind und daß ihre ungetrennte Vermischung mit den Meilensätzen es dem Publikum ganz unmöglich macht, die gezahlten Frachtsätze mit dem gesetzlichen Maximum zu vergleichen. 8

In dem Tarif⸗Chaos findet sich bei der Mannigfaltigkeit der Konzessionen, der Unsicherheit der Güterklassifikation überhaupt, kein Mensch mehr zurecht. Die seit 1873 gesetzlich vorgeschriebenen Tarif⸗ bücher der Eisenbahnverwaltungen helfen dem Publikum wenig, um festzustellen, welches die erhobenen Frachtsätze sind. Regelmäßig sind darin die verschiedenen Arten der Güter nicht specificirt, sondern nur

daß alle solche Experimente vergeblich sind. Dieses aber wird wo das letzte sein; von Tag zu Tag wächst die Ueberzeugung, daß der Staat die Eisenbahnen übernehmen muß.“

Die „Preußisch⸗Littauische Zeitung“ schreibt. Augenblicklich sind drei thüringische Landtage in Thätigkeit und zwar alle drei beschäftigt mit der Berathung des Etats der betreffenden Länder. Es sind dies die Landtage von Weimar, Meiningen und Reuß jüngere Linie. Wenn ihnen die Etatsberathung verhältnißmäbig leicht gemacht wird, wenn in Weimar und Meiningen von nicht un⸗ erheblichen Steuerentlastungen ernsthaft die Rede ist, wenn in Reuß j. L. das noch vor wenigen Jahren kaum löͤsbar erscheinende Problem, das Budget ohne Defizit zu erledigen, vet⸗ wirklicht werden kann, so ist dies die Folge der Steuer⸗ und Wirtth⸗ schaftspolitik des Reiches. Man wendet den Etatsberathungen in den kleinen Staaten im Allgemeinen wenig Aufmerksamkeit zu, indeßen lohnt es sich doch, auf dieselben hinzuweisen. Es darf hervorgehoben werden, daß gegenüber den Thatsachen auch in diesen Landtagen die Erkenntniß sich mehr und mehr Bahn bricht, daß die Reichspolitik sch als segensreich für die Einzelstaaten bewährt. Und zwar nich blos wegen ihrer unmittelbaren Einwirkung auf die Staatz⸗ finanzen. Dieser Punkt ist ja allerdings derjenige, der 96 nächst in das Auge springt, denn, wenn man heute von 881 erlaß und Steuerermäßigung für die ärmsten Schichten Bevölkerung eintreten kann, so drängt sich von selbst Jedem die rag. auf: wie würden diese Steuerverhältnisse in den Einzelstaaten si 6 stalten, wenn die Vortheile nicht wären, die den Staaten aus de Steuerpolitik des Reiches erwachsen? Aber darauf wird in der Reg weniger Aufmerksamkeit verwendet, daß auch indirekt die Reichspolin zur Besserung der Finanzverhältnisse in den Einzelstaaten beiträgt insofern, als die günstige Entwickelung der Industrie, die zum erbe lichen Theil auf die Wirthschaftspolitik des Reiches zurückzuführ ist, die Steuerkraft gestärkt hat. Dem „Chemnitzer Tageblatt“ wird aus Zschopal gemeldet: X“ 8 Wie allerorts sich in Handwerkerkreisen die Einsicht von 6 hohen Bedeutung eines engen Zusammenschlusses der Handwerkere, freien Innungen wieder geltend gemacht, so auch bei uns. Die 1 stehenden Innungen beleben sich erneut und andere entstehen - treten zusammen. So haben sich die Glaser, Schlosser, Schmiede ns Stellmacher zu einer Innung vereinigt. Jetzt haben sich 3 Innung 8 die der Weber, Schuhmacher und Schneider, je eine neue Fahnes schafft und am Lutherfeste dieselben in einfacher, würdiger Feier dulc⸗ Diakonus Jäger weihen lassen.

genommen und am 30. desselben Monats amtlich bekannt gemacht. Die anberaumte „Säuberungsfrist“ von drei Monaten

Klasseneintheilungen vorgenommen. Um aber zu wissen, welcher Klasse der

ESttatistische Nachrichten.

AMNach Mittheilung des Statistischen Amts der Stadt

sind bei den hiesigen tandesämtern in der 8.5* ee 10. Noreomher e. zur Anmeldung gekommen:

. endge 2 5 e* E geborene, 26 Todtgeborene, 554 Nach einer Zusammenstellung der Schuldeputation w

Berlin am 1. Januar d. J. folgende Scukanstet en ne handen: 1) Gymnasien 16 (5 Königliche, 11 städtische), 217 Klassen 7989 Schüler; 2) Realgymnasien 8 71 Königliches, 7 städtische), 115 Klassen, 4302 Schüler; 3) Ober⸗Realschulen 2 (stäͤdtische An⸗ stalten), 29 Klassen, 1025 Schüler; 4) höhere Mädchenschulen 6 (2 Königliche, 4 städtische), 94 Klassen, 4509 Schülerinnen: 5) die Königliche Präparanden „Anstalt, 3 Klassen, 99 Schüler; 6) öffentliche Mitrel⸗ und Elementarschulen einschließlich der Vorschulen der höheren Schulen: a. Königliche Seminar⸗Mittelschule, Königliche Theater⸗Elementarschule, 2 mit 9 Knaben⸗ und 2 Mädchenklassen, 332 Schüler und 23 Schülerinnen, b. Vorschulen 22 mit 80 Klassen 4255 Schüler, c. Gemeindeschulen 128 mit 2094 Knaben⸗ und Mädchenklassen und 113 485 Schülern und Schülerinnen, d. Schulen für Viersinnige (1 Königliche Taubstummenschule, 1 städtische Taub⸗ stummenschule, 1 städtische Blindenschule) 25 Klassen, 266 Schüler und Schülerinnen, e. städtische Waisenschulen, 2 mit 8 Klassen und 449 Knaben und 35 Mädchen, f. Schulen unter spezieller Aufsicht von Anstalten, Instituten, Stiftungen 12 mit 44 Klassen und 1523 Kindern. Rechnet man alle diese Schulanstalten, welche sämmtlich einen öffentlichen Charakter haben, mit ihren Klassen und Schulkindern zusammen, so ergeben sich 202 öffentliche Schulen mit 1499 Knaben-⸗, 1174 Mädchen⸗ und 47 gemischten Klassen, also zu⸗ sammen 2720 Klassen, welche von 75 005 Knaben und 63289 Mädchen also zusammen 138 294 Kindern besucht werden. Von diesen Kindern haben 9545 das 14. Lebensjahr überschritten. Außer den öffentlichen Schulen sind noch vorhanden: a) 2 jüdische Schulen mit 22 Klassen und 985 Kindern (648 Knaben und 337 Mädchen) und b) 93 Privat⸗ schulen aller Art (darunter 9 höhere Knaben⸗ und 49 höhere Mädchen⸗ schulen) mit 642 Klassen und 20 535 Kindern (6520 Knaben und 14 015 Mädchen). Es ergeben sich damit im Ganzen 297 Schul⸗ anstalten mit 3384 Klassen (1672 Knaben⸗, 1662 Mädchen⸗ und 50 gemischte Klassen) und 159 814 Kindern (82 173 Knaben, 77 641 Mädchen). Hinzugekommen sind im Jahre 1882 zu dem Bestande des Vorjahres 1881 nicht weniger als 14 Schulanstalten mit 190 Klassen und 10 723 Kindern (5309 Knaben und 5414 Mädchen).

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

MNeue Grundsätze der Zwangsversteigerung von Im mobilien nach dem preußischen Gesetze vom 13. Juli 1883. Von Dr. Karl Kurlbaum, Geh. Ober⸗Justizrath und vortr. Rath im Königl preuß. Justiz⸗Ministerium. Verlag von A. Werther, Stuttgart. Durch das mit dem 1. November d. Js. in Kraft ge⸗ tretene Gesetz vom 13. Juli d. Is, betr. die Zwangvollstreckung in das unbewegliche Vermögen, sind bekanntlich einige neue Grundsätze für die Zwangsvollstreckung in Immobilien aufgestellt worden, welche eine hohe volkewirthschaftliche Bedeutung beanspruchen dürfen. Die⸗ selben zielen darauf ab, daß der Zwangsverkauf nur unter Wahrung derjenigen Rechte erfolge, welche dem Rechte des betreibenden Gläubigers vorgehen, und daß das Recht vor⸗ gehender Gläubiger auf Befriedigung aus dem Immobile in Ansehung der Zeit der Befriedigung durch den Zwangsverkauf nicht verändert werde. In der vorliegenden Schrift hat sich der Verfasser die Aufgabe gestellt, die juristische Natur und Bedeutung der bezüglichen Vorschriften des Gesetzes festzustellen und deren Kon⸗ sequenzen für die praktische Handhabung des Gesetzes zu beleuchten. Nach Voranschickung einer Einleitung erörtert er dieses Thema in folgenden Ab⸗ schnitten: Zwangsversteigerung als Zwangsvollstreckung, die gesetzlichen Kaufbedingungen, das geringste Gebot (Feststellung der Ansprüche Fest⸗ stellung des Vorrangs Feststellung ohne Grundbuch Feststellung des geringsten Gebots, mehrere betreibende Gläubiger Ausschluß von Ansprüchen Kosten des Verfahrens Wirkung der Fest⸗ stellung), die Uebernahme von Ansprüchen durch den Ersteher, Ab⸗ anderung des gesetzlichen geringsten Gebots, Abänderung der gesetzlichen Bedingung über Berichtigung des Preises, Fassung der Bedingungen und Vorbereitung der Verhandlung, unrichtige Feststellung des geringsten Gebots, Anwendung der Grundsätze auf Zwangsver⸗ steigerungen außerhalb der Zwangsvollstreckung, Vertheilung des Kauf⸗ preises bezw. Uebernahme von Ansprüchen, Aenderung der Ansprüche, welche an Stelle der zur Uebernahme bestimmten übernommen werden, Uebernahme von Ansprüchen im Streitfalle, Uebernahme bedingter Ansprüche, Correalhypotheken, die Eintragungen im Grundbuche nach der Zwanssversteigerung. Die mannigfachen schwierigen Fragen, welche das Thema aufweist, sind von dem Verfasser in kurzer Darstellung die Schrift zählt 92 Seiten geprüft und erörtert worden. Wenn auch die schwierigen Rechtsverhältnisse, welche das Verfahren nach dem neuen Gesetze zur Folge haben kann, in der Praxis verhältniß⸗ mäßig selten vorkommen werden, so ist doch die eingehendste Prü⸗ fung der durch das Gesetz geschaffenen Rechtsverhältnisse nothwendig, um auch nur für die einfacheren Fälle eine überall richtige Entschei⸗ dung zu erreichen. Für diese Prüfung bietet die vorliegende Schrift ein werthvolles Hülfsmittel, dessen Studium den richterlichen Beamten 11 Pg betheiligten Kreisen ihre Aufgabe wesentlich erleich⸗

rd.

In diesen Tagen erscheint bei Emil Strauß in Bonn eine um⸗ fangreice Biographie Wilhelm Vatke's, des bekannten Theologen aus der Hegelschen Schule, der über vierzig Jahre an der Berliner Hochschule gewirkt hat. Dem Verfasser, Dr. Heinr. Benecke, stand ein ansehnliches Material zur Verfügung, namentlich der Brief⸗ wechsel mit David Strauß. Die Biographie enthält reichhaltige Auszüge aus Vatke’s „Religion des Alten Testaments“, welche be⸗ kanntlich die israelitische Tradition einer einschneidenden Kritik unter⸗ zog. Benecke bringt aus den Archiven des Kultus⸗Ministeriums die Gutachten von Marheineke und Nitzsch über Vatke, die auf Veran⸗ lassung des Ministers von Altenstein abgegeben worden waren. Auch eine ausführliche Analyse des Vatke'schen Buchs über „die menschliche Freiheit: enthält die Biographie, die im Weiteren die zeitgenössischen Beurtheilungen des Hegelschen Theologen und Philosophen objektiv mittheilt. Die 40 Bogen starke Schrift ist ein umfangreicher Bei⸗ Fage zur Geschichte der Berliner Universität in den letzten fünfzig

Weimar, 15. November. (Th. Corr.) Die thüringischen

egierungen haben im rühjahr d. J. eine Vereinigung dahin getroffen, daß durch Sachverständige, die von Ort zu Ort reisen, die in thüringischen Landen, noch vorhanderen Kunstdenkmäler fest⸗ gestellt werden, damit für ihre Erhaltung Sorge getragen und sie, so⸗ weit dies möglich, den Zwecken der Kunst und des Kunstgewerbes zugänglich gemacht werden können. Das Verzeichniß soll unter

8 Titel „Kunstdenkmäler Thüringens“ im Druck erscheinen.

as Unternehmen soll in 5 Jahren zum Abschluß gebracht werden

n. zwar mit einem Kostenaufwand von 38000 An den weima⸗ 15 Landtag hat die Regierung eine Vorlage, betreffend die Be⸗ willigung von 2261 jährlich zu diesem Zweck, gelangen lassen.

5 Joseph Bär u. Co., Buchhaͤndler und Antiquare in Frankfurt a. M. ꝛc., haben über ihr antiquarisches Bücherlager Lagerkatalog 133 „Bibliographie und Typographie“ ver⸗ üffentlicht Derselbe enthält ein Verzeichniß von 965 Schriften, die (Eger die 3 Abtheilungen: 1) Bibliographie und Typographie Gal. Nrn,), 2) Kataloge von Büchern und Handschriften öffentlicher

Bib iotheken (109 Nrn.), 3) Kataloge von Privatbibliotheken und

wuchhandlungen (188 Nrn.), nebst einem Nachtrage von 47 Nrn., nbe heilt sind. In der 1. Abtheilung sind zusammengestellt: Schriften

Der Bibliotheken in Deutschland (die Königliche Bibliothek in Berlin,

Fresden, Wolfenbüttel, Straßburg u. a.), Oesterreich (Wien),

üngland, Kopenhagen, Frankreich und Italien; Kataloge von Schriften er verschiedene Wissensgebiete (Rechtswesen, Geschichte, Philologie, künzwesen, schöne Künste, Architektur, Naturgeschichte, Handel ꝛc.). Ver⸗

18½ v7 4—2 itungs⸗Lexika, Verzeichnisse von Seitens der Päpste verbote Büchern, Preßgesetze, Schriften über Typographie 5 2 weisen besonders auf Eberts Allg. Bibliograph. Lexikon, Elzevirs Katalog, Engelmann, Enslins viele Kataloge von Schriften aus ver⸗ schiedenen Büchern, Erschs Verzeichnisse und Bibliotheken, Fabricius Gesner, Heinsius (Alla. deutsches Bücherlexikon in 16 Bdn.), F. L. offmanns Verzeichnisse, Kaysers deutsche Bücherkunde, Krebs philolog Zücherkunde, Petzholdts Bibliotbeken u. A. Hier findet man auch die nicht im Handel vorkommende Manesse'sche 2öe (Minnesänger 885 der Zeit der Hohenstaufen), Prutz’s Geschichte des deutschen Journalismus, Tentzels monatliche Unterredungen, die Cronica van der hilligen Stat Coellen (1499), welche bekanntlich die erste Erzäh⸗ lung der Erfindung der Buchdruckerkunst durch Gutenberg enthält.

b bee 22 Handel. niwerpen, 15. November. (W. T. B.) Woll io Angeboten waren 2428 B. La Plata⸗Wollen, von Slgußt ae kauft wurden. Schöne Montevideo⸗Wolle wurde lebhaft gehandelt in geringerer Waare flaues Geschäft. Bradford, 15. November. (W. T. B.) Wolle ruhiger deep grown williger, Garne stetig, in Stoffen mäßiges Geschäͤft. St. Petersburg, 16. November. (W. T. B.) Die Reichs⸗ einnahmen vom 1. Januar bis 1. September d. J. betragen 391 634 316 gegen 397 291 384 Rbl. in dem gleichen Zeitraum des Vorjahres, die Reichsausgaben 419 518 420 gegen 396 528 215 Rbl. in dem gleichen Zeitraum des Vorjahres. b 8 8 ZE 1 remen, 16. November. (W. T. B.) Der Dampfer des Norddeutschen Lloyd „Hannover“ 2 am 12. w F des

Montevideo eingetroffen. (W. T. B.) Der Lloyddampfer

Triest, 16. November. „Juno“ ist gestern Abend aus Konstantinopel hier eingetroffen.

Berlin, 16. November 1883. 1

Die nächste Königliche Parforcejagd findet am Mon⸗ tag, den 19. d. M., Rendezvous: Nachmittags 1 Uhr zu Jagdschloß Grunewald und die dann folgenden Parforce⸗ jagden am Mittwoch, den 21., und Freitag, den 23. d. M. mit demselben Rendezvous statt.

8 . JLEI1 hiesigen irche und deren Zusammenhang mit den alten Thüren der Witten⸗ berger Schloßkirche wird der „Nat. Ztg.“ jetzt Folgendes mitgetheilt: Die Thür am Hauptportale der St. Bartholomäuskirche ist das Originalmodell der auf Befehl König Friedrich Wilhelm IV. nach den Entwürfen des Konservators von Quast in Erz gegossenen (nicht getriebenen) und am 10. November 1858 feierlich übergebenen Thür⸗ flügel am Nordportale der Schloßkirche zu Wittenberg. Während der von dem jetzigen Geheimen Baurath Adler geleiteten Bauausführung der St. Bartholomäuskirche fand derselbe im Jahre 1857 jenes Modell noch ziemlich wohl erhalten in der Königlichen Erzgießerei und er schlug seinem damaligen Chef, dem Geheimen Ober⸗Hof⸗Bau⸗ rath Stüler vor, dasselbe für die von ihm entworfene St. Bartho⸗ lomäuskirche zu benutzen. Nachdem die Zustimmung von Allerhöchster Stelle aus erfolgt war, kam die Sache derartig zu Stande, daß die in Reliefschrift angebrachten 95 Thesen beseitigt, die musizirenden Kindergestalten auf den gothischen Ziersäulchen nach den noch vor⸗ handenen Modellen des Prof. Drake neu gegossen und die nothwen⸗ digen Ausbesserungen und Anpassungen der Thürflügel durch den Verfertiger des Originalmodells, Bildhauer Holbein vorgenommen wurden. Die betreffenden Thüren der hiesigen St. Bartholomäus⸗ Kirche und der Schloßkirche zu Wittenberg stehen daher in einem geschichtlichen Zusammenhange, nur ist derselbe sehr jungen Datums. Die „echten und rechten Reformationsthüren“ sind bei dem Bombardement Wittenbergs durch österreichische und Reichstruppen am 13. Oktober 1760 mit dem Dache und der gesammten inneren Einrichtung der Schloßkirche verbrannt. Die Gestalt der alten welt⸗ berühmt gewordenen Portalthür ist uns nur aus alten Stichen und Zeichnungen bekannt. Es war eine glatte zweiflüglige Eichenholz⸗ thür mit festem spitzbogigen Obertheile; der letztere, sowie die Flügel mit starken Deckleisten versehen. Ob die Flügel aufgesetzte Bänder von Schmiedeeisen erhalten hatten, ist nicht ganz sicher, aber wahrscheinlich. In dem linken Flügel (von außen gesehen) befand sich eine besondere kleine einflügelige Thür angebracht, die, nach innen schlagend, dem Hauptverkehre diente. Diese Einrichtung scheint alt gewesen zu sein, d. h. dem großen Neubau der Allerheiligen Schloßkirche, der 1499 beendigt wurde, angehört zu haben. Sie hat daher auch wahrscheinlich Luthern gezwungen, an dem ewig denkwür⸗ digen Vorabende des Allerheiligenfestes, am 31. Oktober 1517, die 95 Thesen an dem rechtsseitigen Thürflügel anzuschlagen. Auf eine Lokaltradition in solchem Sinne weist der in Wernsdorffs Kurtz⸗ gefaßter histor. Nachr. v. d. Schloß⸗ und Stiftskirche in Wittenberg enthaltene Stich von J. G. Schreiber hin, der, um 1716 gefertigt, vor jener Thür zwei Männer stehend zeigt, von denen der eine mit seinem Stocke die Stelle berührt, welche damals noch als Platz des Thesenanschlages galt. 3

Wittenberg, 13. November. Eine Beisetzung 500 Jahre nach dem Tode wurde gestern Abend hier e die lescach⸗ der ersten sächsischen Kurfürsten anhaltischen Stammes, die in der vergessenen Klosterkirche der Franziskaner begraben waren, wurden nach der Schloßkirche übergeführt. Die Ausgrabung dieser Fürsten hatte auf höhere Veranlassung nach Angabe und unter Aufsicht des Regierungs⸗Raths von Hirschfeld statt⸗ gefunden und insofern ein glänzendes Ergebniß gehabt, als die Ueber⸗ reste aller derjenigen Personen aufgefunden worden sind, die nach Melanchthons Aufzeichnungen und nach dem Todtenbuch der Franziskaner in der Kirche derselben 27 an der Zahl begraben sein sollten. Mit Sicherheit festgestellt sind, wie die „Magdb. Ztg.“ schreibt, unter anderen die Grabstätten der Kurfürstin Helena, welche 1238 das Kloster und später die Kirche erbaute, die sie zur Begräbnißstätte des askanischen Fürstenhauses bestimmte und in der sie, als die erste, 1273 beigesetzt wurde; des Kurfürsten Georg Wenzel, 1327, des Kurfürsten Rudolf III. 1402 bis 1419, sowie seiner beiden von dem einstürzenden Schloßthurm in Schweinitz erschlagenen Söhne Rudolf und Wenzel und seiner 1435 gestorbenen zweiten Gemahlin Barbara, des Kurfürsten Albert III. 1419 1422 u. s. w. Auch die Grabstätte Rudolf I. 1297 1356, des Gründers der Schloßkirche in die er schon 1544 übergeführt wurde, ist festgestellt und eine Anzahl von Grabsteinen mit schwer lesbarer Minuskelschrift aufgedeckt worden. Die Ausgrabungen wurden im Frühjahr begonnen, nach Auffindung von 20 Grabstätten eine Zeit lang inhibirt und jetzt beendigt. Von Särgen wurden bei der Fa grabung nur Spuren gefunden, wohl aber waren die Gerippe wohl erhalten. Dieselben wurden in andere Särge gelegt, die gestern, nachdem Se. Majestät der Kaiser seine Zustimmung dazu gegeben, nach der Schloßkirche übergeführt wurden. Es waren dazu 165 Musketiere kommandirt, welche, geführt von 13 Unteroffizieren, die 27 Särge trugen. In der Schloßkirche, unter der Fürstenloge, an dem westlichen Ende des Schiffes, befindet sich eine 25 Schritt lange und 10 15 Schritt breite Halle, deren Fenster nach dem Schiff gehen; hier wurden die Särge in drei Reihen übereinander niedergesetzt und hier werden sie bleiben, bis bei der bevorstehenden Restauration der Schloßkirche ein Gewölbe für sie eingerichtet worden ist, worin die Verstorbenen ihre hoffentlich letzte Ruhe finden werden. In der Schloßkirche waren die Spitzen der Geistlichkeit, die Vertreter der städtischen Behörden und der größere Theil des Offizier⸗Corps ver⸗ sammelt. Regierungs⸗Rath von Hirschfeld gab eine kurze Uebersicht der Entstehung der Ausgrabungen und der Arbeiten und

Bartholomäus⸗

zeichnisse von Handschriften, Schriften über die Buchdruckerkunst und

Sammlungen von Initialen,

Ober⸗Konsistorial⸗Rath Dr. Schmieder nahm sie mit ei ergreifenden Ansprache entgegen und in 2. 12. *. de Die Ausgrabungen haben keinen archäologischen Charakter, sondern sind ein Akt der Pietät. Melanchthon sagt: „Man muß Wittenberg schon deshalb lieben, weil so viele gute Fürsten in ihm regiert haben.* w— es, je 2 —ꝙ Ruhestätte . erige schon vor Jahrhunderten entweiht worden. leichw die Ausgrabungen ganz schätzbares Material zu 8 enn e. ist die Lage und Gestalt der Kirche festgestellt worden

eine zweischiffige Hallenkirche mit vier Mittel⸗ und je vier Wandpfeilern gewesen ist; auch der Hochaltar ist aufgefunden worden Die Kirche wurde in der Zeit von 1260 70 von der Kurfürstin Helena erbaut und bis zum Aussterben des askanischen Fürstenhauses 1422 als fürstliche Begräbnißstätte benutzt. Als später die Refor⸗ mation das Franziskanerkloster geräumt hatte und in Folge der her⸗ einbrechenden Religionskriege Johann der Beständige Wittenberg be⸗ festigen ließ, benutzte er nothgedrungen die Klosterkirche als Magazin, und im Jahre 1760 wurde sie beim Bombardement in Schutt gelegt. An ihrer Stelle wurde dann ein Zeughaus erbaut, das zur Kaserne eingerichtet, jetzt wieder belegt werden wird. 1

Langen (Vorarlberg) 14. November Am Mont

* 2 7, 5 2 8g 2 4 wird in festlicher Weise der Durchschlag ve rlberg⸗Tunnels vorgenommen, nachdem bereits gestern Nach⸗ . Sondirstange die letzte trennende Schicht durchstoßen hatte. 1 ie beiden Stollen sollen ganz vortrefflich aufeinander treffen. Nur in einem Punkte, schreibt man der „D. Ztg.“, stimmen die Thatsachen Sec völlig mit dem Ziffernmaße der Techniker überein, und das etrifft genau wie es beim Gotthard⸗Tunnel gewesen den Durch⸗ messer des Berges, die Dicke, durch welche der Tunnelschacht zu legen war. „Diese Dimension war für den Arlberg von unseren Ingenieuren mit 10 266 m ermittelt worden und nun zeigt sich, daß der Tunnel um etwa 3 Meter kürzer ist, so daß das Durchdringen der Sondirstange für die „vor Ort“ operirenden Ingenieure gestern Nach⸗ mittags im Arlberg⸗Tunnel wohl gerade so überraschend gekommen hein mag wie jenen im Gotthard, als am 29. Februar 1880, um 6 Uhr Abends, die Sonde von Airolo her in das Nord⸗Transept des Tunnelbaues eindrang. Es scheint, daß in beiden Fällen nicht ein Rechen⸗ oder Messungsfehler der projektirenden Techniker vor⸗ liegt, sondern daß sich hier eine von den Physikern und Geodätikern längst behauptete Erscheinung abspielt, welche bei künftigen Tunnel⸗ messungen wohl in Rechnung gezogen werden dürfte. Man mißt mit dem „Senkel „auf welchen, wenn unmittelbar an einer aufstei⸗ genden gewaltigen Gebirgsmasse operirt wird, nicht nur der Mittelpunkt der Erde, sondern auch die Masse des Berges die Attraktionskraft geltend macht. Dadurch entsteht eine Unrichtigkeit in der Funktionirung des Apparates, welche zur Folge hat, daß der Bergdurchmesser rechnungs⸗ mäßig um ein weniges länger erscheint, als er thatsächlich ist. Das große Durchschlagsfest findet, wie erwähnt, am nächsten Montag statt, wobei auch den braven Arbeitern Medaillen und Geldgeschenke zutheil werden sollen. Viele von ihnen arbeiten seit Beginn der Bohrungen, welche mit Handbetrieb am 22. Juni 1880, mit Maschinenbetrieb am 13. November 1880 anfingen, so daß im Augenblick des Durchstichs der Sonde auf den Tag genau drei Jahre verflossen waren, seitdem das erstemal die Spitze des mit komprimirter Luft getriebenen Bohrers in die Gneisfelsen des Arlbergs eindrang. . 8

Das Deutsche Theater brachte Benedirschen Lustspiel „Der Vettee“ ein einaktiges Lustspiel „Die Burgruine von Carl Caro zum ersten Mal zur Aufführung. Das kleine. liebenswürdige Werk bietet in dem engen Rahmen mancherlei Vorzüge: eine feine Charakteristik, einen einfachen und natürlichen Dialog und einige ungekünstelt sich ergebende komische Situationen, welche der „Burgruine“ eine wohlwollende Aufnahme verschafften Eine etwas unwahrscheinliche Verwechslung zweier Personen der Zufall erscheint, so willkommen er dem Dichter ist, dem Zuschauer doch sehr gewagt bildet die Unterlage der Handlung. Erni, der jvgendlichen Tochter Walheims, soll der ihr bisher un⸗ bekannte und als zu prosaisch von ihr abgewiesene Sohn des Droguen⸗ und Chemikalienhändlers Sperber unter der poetischen Maske des Malers Eberhard Leuthold zugeführt werden; ein merkwürdiger Zufall führt den jungen Maler nun aber in wirklicher Gestalt um dieselbe Zeit in das Landhaus am Rhein; derselbe gewinnt Erni'’s Funeigung und läßt dem Pseudo⸗Maler nur noch das Nachsehen. In der Rolle des und gutmüthigen Vaters des roman⸗ tischen Töchterleins führte sich Hr. Höcker sehr gut ein; durch sein natürliches und fein nüancirtes Spiel erwarb er sich schnell die gute Meinung des Publikums. Unterstützt wurde er durch das muntere und natürliche Spiel des Frl. Sorma (Erni) und durch die heitere und ungezwungene Darstellung der Hrrn. Wessels (Leuthold) und Engels (Sperber). Auch in dem zweiten Stück, „Der Vetter bewährte sich Hr. Höcker (Siegel) als wirksamer komischer Charakterspieler; die Rolle des gutmüthbigen, von aller Welt zum Vertrauten erwählten alten Vetters kam prächtig in Maske und diskret im Spiel zum Ausdruck. Die vortreffliche und gefühl⸗ volle Luise fand in Frl. Jürgens eine anmuthige Darstellerin; dagegen tritt bei Frl. Flor (Pauline) noch merkbar eine gewisse Ge⸗ zwungenheit in den Bewegungen und der Sprechweise hervor, welche die Wirkung stark beeinträchtigt. Von sprudelndem Uebermuth und hinreißender Liebenswürdigkeit war Frl. Sorma als der sechszehn⸗ jährige verliebte Wilhelm; sie bewährte sich von Neuem als ein äußerst talentvolle Künstlerin, welcher es an Erfolg nicht fehlen kan „Deutsches Theater. Am Sonntag wird zu den beiden b reits angekündigten Stücken „Die Burgruine“ und „Der Vetter aus welchem letzteren Lustspiel nach der ersten Vorstellung eini Längen entfernt worden sind, auf vielfaches Verlangen noch „E Hut“ gegeben.

gestern neben dem alten

In ihrem gestrigen zweiten Concert im Krollschen Saal feierte Sgra. Teresina Tua wiederum Triumphe. Die entzückten er welche den geräumigen Saal bis auf den letzten Platz füllten onnten ihrer Bewunderung über das seelenvolle, saubere, fein nüancirte virtuose Spiel der lieblichen Künstlerin nicht oft genug durch rauschen den Beifall, durch Hervorrufe, Kränze und Dacapowünsche Ausdruc verleihen. Die Künstlerin war auch liebenswürdig genug dem stürmischen Verlangen des Publikums nachzugeben und ihrem reichen, anstrengenden Programm noch zwei Piècen zuzugeben Sie bewies dabei, welche Kraft und Ausdauer sie trotz ihres zarten Körpers besitzt, denn ihre Verve blieb bis zum letzten Geigenstrich ungeschwächt. Den Glanzpunkt ihres Spiels bildete Sarasates Zapateado. Hr. Felir Dreyschock, welcher die Vorträge auf dem Flügel übernommen hatte, zeigte seine Meisterschaft namentlich in den reißend schnellen Tempi und erzielte besonders mit der Berceuse von Chopin und mit einer Tarantella eigener Komposition lebhaftesten Beifall. Fr. Flora Dörffer unterstützte die Concertgeberin durch den Vortrag mehrerer Lieder. Die beiden letzten Tua⸗Concerte finden am Sonnabend und Sonntag statt. Morgen, Sonnabend, bringt die Künstlerin Beriots 7. Concert, eine Gondoliera von Ries, eine Polonaise von Laub und die Wieniawsky’sche Faust⸗Fantasie zum Vortrag, der mitwirkende Pianist Hr. Alexander Lambert eine Etüde von Chopin, Moszkowsky's Tarantella, Reineckes Gavotte und einen Valse de Concert von Wieniawsky. Frl. Alerandrine von Brunn hat den gesanglichen Theil des Concerts übernommen. Ferner wird eine neue „Ouverture Appassionata“ von August Reiser in Cöln im ersten Theile von dem Occhester unter Leitung des Kapellmeisters von Herzfeld zur Aufführung gelangen. Im Concerthause findet heute wieder ein Wagner⸗Abend statt. Das Programm enthält die beliebtesten und wirksamsten Stücke aus der Nibelungen⸗Trilogie und den „Meistersingern“. Bei dieser Gelegenheit wird Hr. Hofmusikdirektor Bilse zum ersten Male die Verwandlungsmusik und die Schlußscene aus dem ersten Akte des „Parsifal“ zu Gehör bringen. Für das morgige Symphonie⸗ Concert ist Beethovens „Eroica“ und für das Sonntags⸗Programm wiederum die Mitwirkung der Orgel in Aussicht genommen worden.

übergab der Schloßkirche die Särge mit den Ueberresten. Der greise

zu sichern, da ihre biss