1883 / 277 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 24 Nov 1883 18:00:01 GMT) scan diff

Das Jahr 1883 hat uns Allen ein Beispiel davon ins Gedächtniß gerufen, 2 es heißt, ein Vertrauensverhältniß zwischen Fürst und Volk dauernd zu begründen. In vielen Kreisen des Landes wurde die hundertjährige Wiederkehr des Tages der Aufhebung der Leibeigenschaft festlich begangen, oder still aber dankbar gefeiert. Dieser Akt landesväterlicher Fürsorge ist und bleibt ein ehrendes Denkmal für den erhabenen Fürsten, der zugleich der Begründer unserer gegenwärtigen Verfassungszustände genannt werden darf. Er hat die Bahn eröffnet, auf welcher weiter gebaut werden konnte, und so sind Rechte und Pflichten in die richtige gegenseitige Wechsel⸗ wirkung gebracht worden. 3

Solchem Vorbild nachzustreben und darnach zu trachten, die Be⸗ dürfnisse der Zeit dabei stets zu erkennen: das ist ein hohes Ziel, von dem ich weiß, wie schwer es erreicht werden kann. 1

Je länger das Leben und damit die Arbeit dauert, desto größer müssen die Ansprüche werden, die wir an uns stellen, und desto geringer schätzen wir unsere Kraft. 68 b

Wenn ich also heute auf die dreißig Jahre blicke, in denen es mir vergönnt war, am Steuer des Landes treue Wache zu halten, so geschieht dies in diesem Kreise nur, um der Dankbarkeit Ausdruck zu geben für das Vertrauen, das mir zu Theil wird urd worin ich die Zuversicht finde, allen Wechselfällen der Lebensschiffahrt ruhig ent⸗ gegen zu sehen. 1

Ebenso zuversichtlich bin ich im Hinblick auf die bevorstehenden Arbeiten dieses Landtages. 8

So verschieden auch die Richtungen und Meinungen sein mögen, welche hier ihre Vertretung finden, auf zwei großen Standpunkten werden wir uns Alle einmüthig begegnen:

Die Liebe zur Heimath wird stets der Leitstern Ihres Handelns sein, und unseres Heimathlandes Wohl und Bestes zu fördern, muß unsere gemeinsame Loosung sein. 1

Die Liebe zum Deutschen Reiche muß uns einigen zu steter Opferbereitschaft für dessen Stärke und Macht. Wir werden ein⸗ gedenk bleiben, daß die Erhaltung eines mächtigen Deutschen Reichs den Frieden Europas bedeutet, somit die Erhaltung des Friedens auch unsere Aufgabe ist, in so fern wir ein starkes und gesundes Glied des Deutschen Reiches bleiben und unsere Kraft demselben widmen.

In solcher Gesinnung erhebe ich mein Glas und trinke auf das Wohl der Mitglieder beider Kammern dieses Landtags.

Mecklenburg. Sternberg, 24. November. (W. T. B.) Die Stände haben gestern beschlossen, dem Großherzog Friedrich Franz ein donum gratuitum von 24 000 Thalern Gold zu offeriren. Ueber die Frage, ob die Regierung um Mittheilungen über die Verhandlungen wegen der Berlin⸗ Hamburger Eisenbahn zu ersuchen sei, blieb der Beschluß ausgesetzt.

Waldeck. Arolsen, 21. November. Im Waldeck⸗ Pyrmontischen Landtage kam heute der Stäaatshaushalts⸗ Etat für die Jahre 1884—1886 zur Berathung. Derselbe wurde genehmigt und festgestellt:

pro 1884 pro 1885 pro 1886 in Einnahme auf 1 050 922 1 051 050 1 050 687 an fortlaufenden Ausgaben auf 977 189 973 604 an einmaligen Ausgaben auf 42 840 1890 Ueberschuß 30 893 74 749 27098

Die direkten Steuern betragen etwa 300 000 pro Jahr; als Zuschuß der preußischen Staatskasse sind jährlich 310 000 und als Antheil an dem Ertrage der Zölle ꝛc. des Deutschen Reichs pro 1884 105 000 und pro 1885 und 1886 je 106 000 vereinnahmt.

Bezüglich der Verwendung der Ueberschüsse waren dem Landtage aus fast allen Gemeinden des Fürstenthums Pyrmont Petitionen zugegangen, welche meistens die Ueberschüsse zur Ermäßigung der direkten Staatssteuern verwendet oder an die sehr belasteten Gemeinden der beiden Fürstenthümer zur Be⸗ streitung ihrer kommunalen Bedürfnisse überwiesen wissen wollten, zum Theil aber auch die Vertheilung der Ueberschüsse nach der Kopfzahl der Bevölkerung oder aber die Befreiung der untersten Stufen der Klassensteuer verlangten.

Der Landtags⸗Ausschuß hatte beantragt:

„Den Herrn Landesdirektor zu ersuchen, sobald ein rechnungs⸗ mäßiger Ueberschuß sich ergeben werde, möglichst bald dem Land⸗ tage eine Gesetzesvorlage zu machen, demzufolge die Verwendung

er Ueberschüsse auf der Basis einer Ermäßigung der direkten

teuern geregelt werde.“ t

Der Landesdirektor von Puttkamer erklärte: „Er halte es gegenüber einer Bewegung, welche in Betreff dieses Gegenstandes im Fürstenthum Pyrmont stattgefunden habe und auch bei den Berathungen des Ausschusses zum Ausdruck gebracht sei, für nothwendig, den Standpunkt der Regierung auch in der öffentlichen Sitzung ausdrücklich fest⸗ zustellen. 1

Zunächst sei es nicht anzuerkennen, daß die Bevölkerung einen gesetzlichen Anspruch auf die den Einzelstaaten über⸗ wiesenen Reichssteuern zu einer entsprechenden Ermäßigung der bestehenden direkten Staatssteuern habe; ein derartiges Recht sei in dem Reichsgesetz nicht ausgesprochen; allerdings sei es bei Einsührung der indirekten Reichssteuern ein wesentliches Ziel gewesen, den Einzelstaaten die Mittel zu überweisen, um ihrerseits eine Steuerreform bezw. Steuererleichterung herbeizuführen; an eine derartige Reform könne und solle indessen doch erst dann gegangen werden, wenn und soweit die vom Reiche zufließenden Mittel nicht erforderlich seien, um anderweitige nothwendige Aus⸗ gaben zu bestreiten, wie dies hier zur Zeit noch der Fall sei. Eine sehr wesentliche Erleichterung habe übrigens auch hier bereits insofern stattgefunden, als es durch die Ueberschüsse der Reichssteuern möglich gewesen sei, die erheblich gestiegenen Ausgaben ohne eine Erhöhung der direkten Steuern zu bestreiten. Nun meine man zwar, daß Preußen, nachdem es bei Abschluß des Accessionsvertrags anerkannt habe, daß Waldeck weitere Lasten nicht tragen könne, auch die Verpflichtung habe, die durch die Reichssteuern eingetretene Mehrbelastung zu übernehmen und den dafür auf Waldeck entfallenden Antheil der Ueberschüsse der Reichssteuern dem Lande zu einer entsprechenden Ermäßigung der direkten Steuern zu belassen, den dadurch entstehenden Aus⸗ fall aber durch eine Erhöhung des preußischen Zuschusses auszu⸗ gleichen. Sollte das nicht geschehen, so würde man nicht nöthig gehabt haben, sich auf den Vertrag mit Preußen einzulassen, sondern hätte seine Selbständigkeit behalten können. Dem sei entgegenzuhalten, daß Preußen freilich die Verpflichtung über⸗ nommen habe, die Landesausgaben auch unter Heranziehung

preußischer Mittel zu bestreiten, wozu ihm indessen zunächst

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auch sämmtliche Landeseinnahmen zur Verfügung gestellt

seien. Daß Preußen schon jetzt auf eine sehr wesentliche Erleichterung der hiesigen Steuerzahler bedacht sei, beweise es durch die Gewährung eines Zuschusses, welcher beinahe die Höhe sämmtlicher Staatssteuern erreiche, wozu noch die unentgeltliche Verwaltung des Justiz⸗, Schul⸗ und Ausein⸗ andersetzungswesens in den höheren Instanzen hinzukämen, sodaß die Fürstenthümer auch heute schon in finanzieller Be⸗ ziehung weit günstiger gestellt seien, als bei einer eigenen

S

Verwaltung, da dann neben der Verwendung der Ueberschüsse aus den Reichssteuern noch eine wesentliche Erhöhung der be⸗ stehenden Steuern hätte eintreten müssen, um auch nur die nothwendigsten Ausgaben zu bestreiten. Ein Grund zur Unzufriedenheit liege daher nicht vor; indessen auch die Regierung halte es für sehr erwünscht, so⸗ bald als möglich unter Verwendung der Reichssteuer⸗ Ueberschüsse eine Erleichterung der hiesigen Steuerzahler ein⸗ treten zu lassen, und habe dies Ziel unverrückt im Auge; sie stehe in dieser Beziehung auf dem Boden der am Schluß der letzten Etatsberathung mit der Landesvertretung gewonnenen Vereinigung, wonach der preußische Zuschuß bis auf Weiteres in gleicher Höhe bestehen bleiben und rechnungsmäßig sich ergebende Ueberschüsse eventuell bis zur Höhe des auf Waldeck entfallenden Antheils an den Reichssteuern zu einer Er⸗ mäßigung der direkten Steuern verwendet werden sollten. Die Regierung habe diese Vereinbarung, soweit an ihr liege, bisher innegehalten, indem sie die nach dem Etat der nächsten dreijährigen Finanzperiode jährlich verbleibenden Ueberschüsse nicht zu einer Ermäßigung des preußischen Zuschusses heran⸗ gezogen, letztere vielmehr in unveränderter Höhe in den Ein⸗ nahme⸗Etat eingestellt habe. Die weitere Zusage könne sich in⸗ dessen erst dann erfüllen, sobald rechnungsmäßige Ueberschüsse vorlägen, was zur Zeit auch für 1882 noch nicht der Fall sei; die im Lande während der diesjährigen Session des Landtags in Petitionen und dergleichen hervorgetretenen An⸗ sprüche könnten deshalb auch zur Zeit Seitens der Regierung keine Berücksichtigung finden“. f

Der Ausschußantrag wurde hierauf vom Landtage an⸗ genommen. b

Landesdirektor von Puttkamer dankte hierauf dem Land⸗ tage für seine Unterstützung des Bestrebens der Regierung, das Beste des Landes nach Möglichkeit zu fördern, bedauerte, daß nicht alle Wünsche des Landtags hätten in Erfüllung gehen können, und erklärte im Allerhöchsten Auftrage Sr. Majestät des Königs von Preußen den diesjährigen Landtag für geschlossen. ““

Nach einem dreifachen Hoch auf Se. Majestät den König von Preußen und auf Se. Durchlaucht den Fürsten zu Waldeck und Pyrmont trennte sich die Ver⸗ sammlung.

Oesterreich⸗Ungarn. Pest, 23. November. (W. T. B.) Das Unterhaus hat heute die Generaldebatte über das Ehegesetz zu Ende geführt. Bei der Berathung wurde von Szilagyi beantragt, die Negierung unter allen Umständen zur ehebaldigsten Vorlegung eines Gesetzentwurfs über die obligatorische Civilehe und über die ausschließliche Gerichts⸗ barkeit des Staates in Ehestreitsachen aufzusordern.

Schweiz. Bern, 23. November. (W. T. B.) Der große Rath von Bern hat den Antrag auf Aufhebung der altkatholischen Fakultät an der Hochschule mit 150 gegen 30 Stimmen abgelehnt.

Niederlande. Haag, 23. November. (W. T. B.) In Folge der gestrigen Ablehnung des Kapitels 2 des in⸗ dischen Budgets durch die Zweite Kammer hat der Mi⸗ nister der Kolonien, van Bloemenwaanders, sein Entlassungsgesuch eingereicht. Die Berathung des in⸗ dischen Budgets wurde ausgesetzt.

23. November. (W. T. B.) Die Zweite Kammer hat den Zutritt der Niederlande zu der internationalen Reb⸗ laus⸗Konvention genehmigt.

Großbritannien und Irland. Londo n, 23. November. (W. T. B.) Die Polizei hat gestern Abend in einem Hause am Vincent Square, Westminster, einen Mann verhaftet, in dessen Besitze sich zwwei Höllenmaschinen von großer Zer⸗ störungskraft befanden. Die Voruntersuchung ist im Gange.

23. November, Abends. (W. T. B.) Der wegen des Besitzes von zwei Höllenmaschinen gestern Abend Verhastete heißt Wilhelm Wolff und ist einer der Führer der sich hier auf⸗ haltenden deutschen Sozialisten; es wird demselben die Ab⸗ sicht zugeschrieben, die hiesige deutsche Botschaft in die Luft zu sprengen. Der Verhaftete wurde heute Nachmittag unter der Anschuldigung, Explosionsstoffe zu gesetzwidrigen Zwecken in seinem Besitz gehabt zu haben, vor das Polizeigericht von Bopstreet gestellt; er verlangte die Zuziehung eines deutschen Dolmetschers. Das Gericht vertagte die Verhand⸗ lung, um erst über das Vorleben des Angeklagten weitere Erkundigung einzuziehen. Unter den in Wolffs Wohnung in Beschlag genommenen Schriftstücken befindet sich ein in deutscher Sprache mit rother Tinte geschriebener Brief, der an den hiesigen deutschen Botschafter gerichtet und mit der Unter⸗ schrift ‚Das Proletariat“ versehen ist. In demselben steht: Wenn ihr die Freiheit wollt, müßt ihr uns auch die Gleich⸗ eit geben. 1 18 23. November, Abends. (W. T. B.) Das Ge⸗ bäude der deutschen Botschaft hat seit heute früh eine polizeiliche Schutzwache erhalten. Der deutschen Botschaft wurde heute früh von der Polizeibehörde die erste Mittheilung von dem, wie man annimmt, gegen das Botschaftsgebäude beabsichtigten Anschlag gemacht. Der Botschafter, Graf Münster, ist gestern zum Besuch Lord Sudeley's nach Tod⸗ dington in Gloucestershire gereist, wurde aber heute von dem Vorfall benachrichtigt und wird in einigen Tagen hierher zurückkehren. Ueber die Nationalität des Verhafteten, der sich Wilhelm Wolff nennt, sind widersprechende Angaben im Umlauf.

24. November. (W. T. B.) Die „Times“ schreibt: Die englische Regierung habe beschlossen, daß die gegen⸗ wärtig unter dem Befehl des Generals Wood in Egypten stehende Armee nicht nach dem Sudan gehen solle. Die „Daily News“ glauben: Englands Politik in Egypten werde, welches auch sonst die Folgen der Niederlage Hicks Paschas sein möchten, unverändert bleiben.

Frankreich. Paris, 23. November (W. T. B.) Die Kammer hat bei der heute fortgesetzten Berathung des Kultusbudgets zwei Anträge des radikalen Deputirten Roche angenommen. Durch den einen wird das Gehalt des Erzbischofs von Paris von 45 000 auf 15 000 Francs herabgesetzt, durch den anderen die Stipendien für die Seminarien aufgehoben. Der ZJustiz⸗Minister Martin Feuillée hatte beide Anträge bekämpft.

Die Kommission für Tongking verhandelte heute Vormittag mit dem Minister⸗Präsidenten Ferry und mit Marine⸗Minister Peyron. Letzterer theilte einen detailirten Bericht des Generals Bouet über die militärische Lage in

Tongking mit. Schließlich nahm die Kommission von der

Correspondenz des Marine⸗Ministers mit dem Kommissar Har⸗

mand Kenntniß. Am nächsten Montag will die Kommission den vormaligen Gesandten in China, Bourée, hören; der Mi⸗ nister⸗Präsident Ferry wird der Verhandlung beiwohnen.

23. November, Abends. (W. T. B.) Die Depu

tirtenkammer hat im weiteren Verlauf ihrer heutigen

Sitzung alle übrigen Artikel des Kultusbudgets unver

ändert genehmigt. Bei der Berathung wurde von dem

Minister⸗Präsidenten Ferry mitgetheilt, daß die Suspen

dirung der Gehälter der Pfarrverweser zwar aufgehört habe, daß die innebehaltenen Gehaltsbeträge aber an die Pfarrverweser nicht ausgezahlt worden seien. Morgen gelangt der gegen die Cumulirung von Aemtern resp. gegen den gleichzeitigen Genuß mehrerer Besoldungen gerichtete Gesetz

entwurf zur Berathung.

Spanien. Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz ist nach 13stündiger Eisenbahnfahrt gestern Vormittag 11 ½ Uhr in Madrid eingetroffen. Aus Valencia

meldet „W. T. B.“ noch Folgendes: Valencia, 23. November. Als der Kronprinz gestern

im Palais des Gouverneurs angelangt war, betrat Se. Kaiser⸗ liche Hoheit daselbst den Balkon, um der zahlreichen vor dem

Palais harrenden Bevölkerung für die fortdauernden Be

grüßungen durch Verneigen zu danken. Bei dem Lunch im T stete der K h b ls auf die Stadt Theater toastete der Kronprinz abermals a

Valencia und trank auf das Gedeihen Spaniens.

Von Valencia aus hat Se. Kaiserliche Hoheit ein Telegramm an Se. Majestät den König Alfons gerichtet und darin Seiner Freude über den ausgezeichneten Empfang daselbst

Ausdruck gegeben. Der König hat alsbald telegraphisch ge

antwortet und Seinen erlauchten Gast herzlich willkommen

geheißen.

Ueber den Verlauf der Reise, die Ankunft des Kron⸗ prinzen in Madrid und den Empfang daselbst berichtet „W. T. B.“ ferner Folgendes:

Madrid, 23. November, Nachmittags 2 Uhr. Der Königliche Extrazug, mit welchem der Kronprinz die Reise von Valencia hierher zurücklegte, traf Punkt 11 ½ Uhr hr Auf allen Bahnhöfen, an den Wärterhäusern und das Bahn⸗ geleise der ganzen Wegstrecke von Valencia bis hierher entlang

standen Doppelposten der Nationalgarde in Parade und er⸗

wiesen Sr. Kaiserlichen Hoheit während der Vorbeifahrt die Honneurs. Der hiesige Bahnhof war mit Guirlanden und

Wappen auf das Reichste geschmückt. Als der Zug in den Bahnhof einlief, brach die nach vielen Tausenden zählende, am Bahnhof versammelte Menschenmenge in brausende Hoch⸗

rufe aus, während die Musik der auf dem Bahnhofe aufge⸗ stellten, aus einer Compagnie Infanterie mit der Fahne be⸗

stehenden Ehrenwache die preußische Nationalhymne intonirte. Se. Majestät der König Alfons, Allerhöchstwelcher die Uniform Seines preußischen Ulanen⸗Regiments und das Band des Schwarzen Adler⸗Ordens trug, eilte, von einer glänzenden Suite gefolgt, auf den Wagen zu, in welchem Sich der Kronprinz befand. Se. Kaiserliche Hoheit hatte die große preußische Generalsunisorm angelegt und trug das Band des Schwarzen Adler⸗Ordens und den Orden vom goldenen Vließ. Als der Kronprinz den Wagen verlassen hatte, umarmten und küßten der König und der Kronprinz Sich wieder⸗ holt; hierauf erfolgte die Vorstellung des beider⸗ seitigen Gefolges. Im Gefolge des Königs befanden sich der General⸗Lieutenant und General⸗ Adjutant von Los, die General⸗Adjutanten des Königs und die obersten Hoschargen, bei dem Kronprinzen der deutsche Gesandte Graf Solms und der spanische Ehrendienst. Nachdem der Kronprinz mit dem König die Front der Ehrenwache abge⸗ schritten hatte, begaben Sich die hohen Herrschaften, unter Vor⸗ tritt des Obersthofmeisters, durch die prachtvoll dekorirten Warte⸗ säle nach dem am Ausgange vorgefahrenen königlichen Gala⸗ wagen. Die am Bahnhose zusammengeströmten Menschen⸗ massen begrüßten den Kronprinzen erneut mit Willkommen⸗ rufen die in Madrid lebenden Deutschen brachten unausgesetzt stürmische Hochs und Hurrahs auf Höchstdenselben aus, und die Trompeter eines Kürassier⸗Regiments bliesen eine Fanfare. Ale, der offene vierspännige Wagen, in welchem Se. Majestät der König und Se. Kaiserliche Hoheit der Kronprinz Platz genommen hatten, sich in Bewegung setzte, schwenkte eine Escadron Kürassiere als Escorte ein. Die Fahrt ging unter unausgesetzten jubelnden der Bevölkerung den von dichten Menschenmassen besetzten Prado entlang, bei der Deputirtenkammer vorbei und durch die mit Fahnen und Teppichen auf das Reichste geschmückten Straßen, in welchen von den Balkons der Häuser die Damen durch wehende Taschentücher grüßten, nach dem Palacio real, wo Ihre Majestät die Königin den Kronprinzen begrüßte. Auch hier war eine Ehrenwache aufgestellt. Während des Einzuges war prächtigster Sonnenschein.

Morgen findet ein großes Bankett statt, zu welchem an die Minister, an die Mitglieder des diplomatischen Corps, die General⸗Kapitäne, die Ritter vom goldenen Vließ und an die Präsidien des Senats und der Kammer Einladungen ergangen sind.

Madrid, 23. November, Abends. Die hiesige deutsche Kolonie hatte sich in der Zahl von etwa 120 Personen, mit dem deutschen Konsul an der Spitze, zur Begrüßung des Kronprinzen bei Seiner Ankunft eingefunden. Von zwei deutschen Herren und einer deutschen Dame wurden dem Kronprinzen und dem König, während dieselben vom Bahn⸗ hose nach dem Königlichen Palaste fuhren, Blumensträuße überreicht. Fast alle Häuser haben festlichen Flaggenschmuck angelegt; im Centrum der Stadt sieht man auch viele deutsche Fahnen.

Madrid, 23. November, Abends. (Von einem zweiten Korrspondenten.) Bei der Einfahrt des Kronprinzen in den Königlichen Palast bildete der militärische Hofstaat auf der Treppe Spalier. Ihre Majestäten die Königinnen Christine und Isabella mit den Infantinnen begrüßten den Kronprinzen in den Gemächern der Königin. Darauf fand ein Déjeuner en famille statt, an dem die nächste Umgebung theilnahm. Nachmittags stattete der Kronprinz der Königin Isabella einen längeren Besuch ab und machte dann mit dem König Alfons, den beiden Königinnen und den Infantinnen eine Spazierfahrt im Park Buen⸗Retiro, bei der die hohen Herrschaften überall enthu⸗ siastisch begrüßt wurden. Später sollte das Ministerium in pleno empfangen werden. Nach dem Diner begiebt sich der Hof in das Königliche Theater, wo die italienischer Oper „Mefistofele“ von Boito gegeben wird

Morgen Nachmittag um 2 Uhr hat die Garnison große Parade auf dem Prado, wo eine Tribüne für den Hof er⸗ richtet wird; nach derselben findet ein militärisches Diner statt. Für den Sonntag ist ein Stiergefecht angesetzt.

Madrid, 24. November, Vormittags 11 Uhr. Bei der gestrigen Vorstellung in der Oper erhoben sich in dem Moment, als der Kronprinz in Begleitung des spanischen Köniaspaars die Loge betrat und die preußische Nationalhymne gespielt wurde, die sämmtlichen Zuschauer unter begeisterten Bei⸗ fallsrufen. Gegenwärtig rücken die Truppen zu dergroßen Heer⸗ schau aus; die Front wird vier Kilometer umfassen. Der König und der Kronprinz werden, begleitet von dem General⸗ stabe und einem glänzenden Gefolge, um 1 Uhr das Palais verlassen. Wahrend der Revue wird von sämmtlichen Re⸗ gimentskapellen die preußische Hymne gespielt werden. Das Wetter ist prächtig.

Rumänien. Bukarest, 24. November. (W. T. B.) Der Vize⸗Präsident der Kammer, Voinow, ist zum Justiz⸗ Minister ernannt worden.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 23. November. (W. T. B.) Die Zolleinnahmen betrugen bis zum 1. Oktober d. J. 75 852 317 Rbl. gegen 74 208 279 Rbl. im gleichen Zeitraum des Vorjahres, der Edelmetallimport 3 932 838 Rbl. gegen 5 311 255 Rbl. und der Edelmetallexport 27 242 763 Rbl. gegen 37 001 839 Rbl. im nämlichen Zeit⸗ raum des Vorjahrs.

Mittel⸗Amerika. Mexiko, 23. November. (W. T. B.) Das amtliche Blatt bestätigt die Suspendirung der mit den englischen Bondholders gepflogenen Ver⸗ handlungen. Das Comité der Bondholders habe auf der Annahme von sehr beschwerenden Bedingungen bestanden, auf welche Mexiko nicht habe eingehen können. Der Schatzsekretär sei mit der Ausarbeitung eines Memoires beschäftigt, welches das Verhalten des Exekutivcomités rechtfertige. Die Re⸗ gierung sei entschlossen, die allgemeine Schuld Mexikos zu regeln, sobald die Schwierigkeiten, die sich erhoben hätten und zu denen gar kein Grund vorgelegen habe, beseitigt seien.

Süd⸗Amerika. Lima, 23. November. (W. T. B.) Nach hier eingegangenen Nachrichten hat die Regierung von

Bolivia beschlossen Friedensverhandlungen mit 2 g

Chile einzuleiten.

Afrika. Egypten. Kairo, 23. November. (W. T. B.) Die „Agence Havas“ meldet: Der Abzug der englischen Truppen soll keine Verzögerung erleiden; die Räumung Kairos wird in 14 Tagen bewerkstelligt sein.

Das „Reutersche Bureau“ berichtet: Auf die Vorstellungen des Gouverneurs des Sudan, des Obersten Cotterel und Haidar Paschas, welche sich alle drei in Khartum befinden, hat der Khedive telegraphisch die Evacuirung der militärischen Positionen am Blauen und Weißen Nil angeordnet. Die Truppen, welche bisher am Blauen Nil standen, sollen in Sennaar, die vom Weißen Nil in Khartum konzentrirt werden. Durch diese Dispositionen werden die Garnisonen von Sennaar und Khartum auf je 4000 Mann erhöht. Im Nothfall soll die Garnison von Sennaar diesen Ort räumen und zur Verstärkung der Gar⸗ nison von Khartum dienen. Die Gouverneure, Oberst Cotterel und Haidar Pascha sind angewiesen, sich wegen der zu treffen⸗ den Vertheidigungsmaßregeln zu verständigen.

Zeitungsstimmen.

Die „Wiesbadener Zeitung“ sagt in einer Be⸗ sprechung der Thronrede:

... Vor Jahresfrist bedurfte es zur Ausgleichung zwischen den Ausgaben und Einnahmen des Staats außerordentlicher Anstrengun⸗ gen und war der Aufschwung in der Gewerbethärigkeit erst in den Anfängen vegriffen. Man hatte damals die Empfindung, daß zwar das Schlimmste überstanden sei, daß es aber noch geraumer Zeit und erhöhrer Anstrengung bedürfen werde, bevor eine wirkliche Besse⸗ rung bemerkbar werden könnte.

Von alledem ist dieses Mal nicht mehr die Rede. Sowohl die direkten als die indirekten Staatseinnahmen haben steigende Erträge

isen, mit Hülfe der außerordentlich günstigen finanziellen Er⸗ der staallichen Eisenbahnverwaltung ist das Verhältniß dem Ausgabe⸗ und Einnahme⸗Budget des Staates ins Gleis gebracht worden und rücksichtlich des nationalen Er⸗ werbslebens stimmen alle Berichte darin überein, daß aus der Uebergangsperiode eine Periode stetig vorschreitenden Wiederauf⸗ schwungs geworden. Sowohl Landwirthschaft als Industrie beginnen sich zu erholen, obgleich der Ausfall der diesjährigen Ernte hinter dem vorjährigen zurückgeblieben ist und die Lage des Weltmarkts nur theilweise eine befriedigende genannt werden lann. Rascher, ls sich erwarten ließ, hat die Politik Früchte getragen, zu welcher die Regierung sich im Jahre 1878 entschloß, und von welcher die Opposition damals behauptete, daß sie einen allge⸗ einen Niedergang des deutschen Wirthschaftslebens zur Folge haben werde, der Erfolg. hat das Gegentheil gelehrt und bewiesen, daß nicht nur der damals eingeschlagene Weg der richtige gewesen, daß für 8 Wahl desselben auch der richtige Zeitpunkt wahrgenommen worden war

Das „Dresdener Journal“ schreibt:

Von besonderer Wichtigkeit erscheint es, daß die Thronreden, mit welchen die Landesvertretungen der Königreiche Sachsen und Preußen, sowie des Großherzogthums Baden eröffnet wurden, sich sozusagen vervollständigen und ergänzen. Es sind feierliche Kund⸗ gebungen aus drei unter ganz verschiedenen wirthschaftlichen Bedin⸗ gungen ihre Erzeugnisse hervorbringenden Theilen unseres deutschen Vaterlandes. Es ist unmöglich, in kurzen Worten die wirth⸗ schaftliche Thätigkeit der drei Staaten mit einander zu vergleichen; aber die in den Thronreden bekundeten Thatsachen reden deutlich genug, um die Besserung und den Aufschwung der Produktion des Gesammtvaterlandes zu be⸗ kunden. Auch dürfte es nicht unangemessen sein, auf die Beispiele der Geschichte zu verweisen. Das Großherzogthum Baden besteht zu einem großen Theile aus früherem Kurpfälzer Gebiete. Es sind noch keine 100 Jahre her, daß, wie L. Häusser sich ausdrückt, der Name „Pfälzer“ gleichbedeutend mit Heimathsloser galt; das reichste und schonste Land, der Garten Deutschlands, war veramt und verwildert unter dem Fluche der deutschen Uneinigkeit. Hieraus ergiebt sich, daß dem innern Frieden, dem einheitlichen Streben der deutschen Regie⸗ rungen nach innerer Krüftigung und äußerer Erstarkung ein großer Theil an dem wirtöschaftlichen Aufschwunge des Vaterlandes zuge⸗ schrieben werden muß.“

IWW1I’ „Berliner Börsen⸗Zeitung“ entnehmen wir folgenden Artikel:

C In der neuesten Nummer der „Deutschen Volkswirthschaftlichen Lorrespondenz“ finden wir folgende, an die Eröffnung des preußischen Landtags sich antehnende Darlegung: Seit Jahr und Tag haben die Freunde des Volkes und der Regierung es sich angelegen sein lassen, ie Anordnung solcher Maßregeln vorzuschlagen und zu vertreten, welche darauf berechnet sind, die Lage der Mehr⸗

heit des Volkes der arbeitenden Klasse zu verbessern. Sie verstanden darunter nicht blos die Handwerker, die industriellen und landwirthschaftlichen Arbeiter, sondern auch die Kreise der Gewerbe und Industrie, welche in der That von der Arbeit leben. Nicht einmal die Arbeiter im Reich des Geistes sind ausge⸗ schlossen, denn was zur Hebung der Schulen, der Kunst und der Literatur geschehen ist, das kommt ihnen zu gut. Wenn in der Hitze des Kampfes einmal ein Unterschied gemacht worden ist zwischen den Arbeitsbienen und den „Drohnen“, so bezog sich diese Unterscheidung, soweit sie verletzend war, gewiß nicht auf jene Männer, welche in ernster wissenschaftlicher Arbeit den Anspruch auf Achtung und Ehrerbietung begründet haben. Nur verblendete Parteileidenschaft vermag es zu leugnen, daß im neuen Reich bereits Ansehnliches geschehen ist zur Verbesserung der Lage aller Arbeiter. Der Fabrikthatigkeit ist durch den Zolltarif zum Theil geholfen worden, und was noch zu thun übrig bleibt, das mag man getrost der sich ausbreitenden Einsicht und besseren Er⸗ kenntniß, sowie der alle Früchte reifenden Zeit überlassen. Minder wohlbestellt ist es dahingegen auf dem Gebiet, welches die volksthümliche Anschauung fast ausschließlich als jenes der arbeitenden Klassen in Anspruch nimmt. Die Absichten einer guten Regierung, geleitet von den edlen Eingebungen des Kaisers, und unterstützt von dem Häuflein der wahren Volksfreunde, sind weit hinter den Zielen zurückgeblieben, welche die genannten Faktoren sich gesteckt haben; ja, in den meisten Theilen ist die Entwickelung im Keim geblieben. Die Vorschläge zur Verbesserung des Looses des armen und kranken Arbeiters, die Pläne, welche aufgetaucht sind zur Kräftigung und besseren Organisation des Handwerks, sie haben es zur Zeit kaum weiter gebracht, als zum Hervorruf eines lauten und wirren Streites der Parteien, in welchem sich die politischen Gegner, heute noch fast ebenso heftig, wie im Anfang, um den armen Mann streiten, wie „um die Leiche des Patroklus“. Die Regierung, von welcher jene Vorschläge ausgingen, ist von ihren Gegnern mit den schwersten Vorwürfen überhäuft worden; sie strebe nach der Staatsomnipotenz, und suche dem Volk neue „Fesseln“ aufzulegen; sie habe kein Verständniß für die wirklichen Bedürfnisse der Arbeiter. In diesem Streit, in dem es der Regierung und dem Häuflein der wahren Volksfreunde ungemein schwer gemacht worden ist, ihre Stimme vernehmlich zu machen, sind vielfach die ursprünglichen Gesichtspunkte verloren gegangen, so daß heute das Bedürfniß vor⸗ liegt, dieselben wieder in den Vordergrund der Erörterungen zu stellen und aufs Neue deutlich zu betonen. Vor allen Dingen ist es an⸗ gebracht, den Wunsch nach einer ehrlichen, auch dem Gegner in der Meinung gerecht werdenden Führung des Kampfes auszusprechen. Wenn die Absichten der Regierung nicht mehr verleumdet werden, wenn man sich entschließt, ihr Vertrauen entgegenzubringen, dann werden wir in Deutschland in Zukunft auf den Bahnen unserer inneren Entwickelung schneller weiter kommen, als es in den letzten Jahren geschehen ist. Es bleibt uns Deutschen noch so viel zu thun übrig, um den Schutt fortzuräumen, welchen eine unglückliche Ver⸗ gangenheit auf allen Wegen angehäuft hat. Die bevorstehende Session des preußischen Landtags giebt den gewählten Vertretern des Volkes

Gelegenheit nicht ungenützt vorübergehen. Es gehört im Grunde wenig mehr dazu, als der allseitige gute Wille!

Centralblatt für das Deutsche Reich. Nr. 47. In⸗ halt: Konsulatwesen: Todesfall. Ermächtigung zur Vornahme von Civilstandsakten. Exequaturertheilung. Finanzwesen: Nachwei⸗ sung über Einnahmen des Reichs vom 1. April bis Ende Oktober 1883. Zoll⸗ und Steuerwesen: Spielkartenstempel von sogenannten Widderkarten. Ausfuhrvergütung für Taback und Tabackfabrikate., Befugniß einer Steuerstelle. Heimathwesen: Zwei Erkenntnisse des Bundesamts für das Heimathwesen. Polizeiwesen: Auswei⸗ sung von Ausländern aus dem Reichsgebiete.

Amtsblatt des Reichs⸗Postamts Nr. 62. Inhalt: Verfügung vom 17. November 1883: Eröffnung der Eisenbahnstrecke Hohenebra— Ebeleben.

Justiz⸗Ministerial⸗Blatt. Nr. 43. Inhalt: Erkenntniß des Reichsgerichts vom 18. September 1882.

Archiv für Post und Telegraphie. Nr. 21. Inhalt: Aktenstücke und Aufsätze: Luthers Ansichten über das Verkehrsleben seiner Zeit. Die Entwickelung des Postanweisungsverkehrs im deutschen Reichs⸗Postgebiet. (Schluß.) Die Ergebnisse des italie⸗ nischen Postbetriebes im Jahre 1881. Ein Geschenk für die Tele⸗ graphenabtheilung des Postmuseums. Die Fähranstalten. Nürn⸗ berger Wirthshausordnung von 1523 Kleine Mittheilungen: Die Postverwaltung von Guatemala. Die Lokalbahnen in Niederland. Der Bau der Taybrücke. Massenherstellung von Glühlicht⸗ lampen. Benutzung des Weges durch den Suezkanal und desjenigen um das Kap für den Exporthandel Kalkuttas. Zeitschriften⸗ Ueberschau.

Archiv für Eisenbahnwesen. Heft 6. Inhalt: Das Eisenbahnwesen in den Niederlanden von H. Claus. Die Eisen⸗ bahnen in der deutschen Dichtung von Fr. Wilh. Rohr. Ueber Eisenbahnsignalwesen von Kecker. Notizen: Eisenbahnen auf der Insel Corsica. Die Eisenbahnen in Canada. Die Eisenbahnen in Brasilien. Statistisches von den deutschen Eisenbahnen. Be⸗ triebsergebnisse der russischen Eisenbahnen. Betriebseinnahmen der französischen Hauptbahnen. Betriebsmittel der französischen Haupt⸗ bahnen. Die Zayl der Eisenbahnunfälle bei den französischen Hauptbahnen in 1881. Rächesfseg seng⸗ und Gesetzgebung: Recht⸗ sprechung: Allgemeines Eisenbahnrecht (Erk. d. Ober⸗Verwaltungsger. v. 13. September 1883). Enteignungsrecht (Erk. d. Reichsger. v. 19. September 1883). Gesetzgebung: Baden. Italien. Bücherschau.

Centralblatt der Bauverwaltung. Nr. 47. Inhalt: Amtliches: Personalnachrichten. Nichtamtliches: Aus dem preußischen Staatshaushalts⸗Etat für 1884/85. Das neue Concerthaus in Leipzig. Vermischtes: Konkurrenz um die Bebauung der Museums⸗ insel in Berlin. Konkurrenz um den Staatspreis der Kunstakademie in Berlin. Bau des Kaiservalastes in Straßburg. Attachirung von Bautechnikern an diplomatische Vertretungen im Auslande. Studienreisen von Bautechnikern. Errichtung einer Weichselstrom⸗ Baudirektion in Danzig. Neubau der technischen Hochschule in Berlin. Wiederherstellung der Kolonaden an der Königsbrücke in Berlin. Instandsetzung der Thürme auf dem Gendarmenmarkte in Berlin. Ankauf des Hauptgebäudes der Hygiene⸗Ausstellung in Berlin. Bezgründung eines Hygiene⸗Museums in Berlin. Versuche mit Imprägnirung von Theaterdekorationen. Beleuch⸗ tung der Eisenbahn⸗Personenwagen mit Gas. Herstellung von Centralweichen⸗ und Signalapparaten. Einführung kontinuirlicher Bremsen auf den preußischen Staatsbahnen. Elektrische Konta kt⸗ apparate auf den Eisenbahnen. Anbringung der seitlichen Zug⸗ leine bei den Eisenbahnzügen. Förderung genossenschaftlicher und kommunaler Flußregulirungen. Inventarisation der Kunstdenkmäler.

eichstags⸗Angelegenheiten. 8

Im 5. hessischen Reichtagswahlkreise Marburg, Frankenberg, Kirchhain ist an Stelle des verstorbenen Professor Arnold der Justizrath Grimm (konservativ) mit 5928 gegen 2144 Stimmen, welche der Professor Westerkamp (liberal) erhalten hat, zum Mitglied des Reichstages gewählt worden.

aufs Neue Gelegenheit, den guten Willen zu bethätigen. Möge diese

Landtags⸗Angelegenheiten

Posen, 23. November. (Nat.⸗Ztg.) Der hiesige Ober⸗Bürger⸗ meister, Mitglied des Herrenhauses, Kohleis, ist heute Nachmittag gestorben.

Statistische Nachrichten.

Nach den statistischen Ermittelungen des Vereins deutscher Eisen⸗ und Stahlindustrieller belief sich die Roheisen⸗ produktion des Deutschen Reichs (einschließlich Luremburgs) im Monat Oktober 1883 auf 292 282 t, darunter 181 664 t Puddel⸗ Roheisen, 8028 t Spiegeleisen, 38 901 t Bessemer⸗, 32 037 t Thomas⸗ Roheisen und 29 252t Gießerei⸗Roheisen. Die Produktion im Oktober 1882 betrug 283 950 t. Vom 1. Januar bis 31. Oktober 1883 wurden produzirt 2 806 672 t gegen 2610 438 t im Vorjahre.

Ueber die Ergebnisse der Viehzählun g. vom 10. Januar 1883 in den Großherzogthümern Mecklenburg⸗Schwerin und Mecklenburg⸗Strelitz entnehmen wir den „Mecklenburgischen Anzeigen“ folgende Hauptdaten: Es waren vorhanden in Mecklenburg⸗ Schwerin: 88 146 Pferde im Gesammtwerth von 53 249 043 ℳ, 42 Stück Maulthiere und Maulesel im Gesammtwerth von 17 342 ℳ, 88 Esel im Werth von 6925 ℳ, 270 088 Stück Rindvieh im Werth von 49 692 287 ℳ, 939 097 Stück Schafe im Werth von 15 106 229 ℳ, 225 720 Stück Schweine im Werth von 12 251 068 ℳ, 23 534 Stück Ziegen im Werth von 413 187 ℳ, und 44 459 Bienenstöcke (davon 11, 073 mit beweglichen Waben). Der Schätzungswerth des gesammten Viehstandes beläuft sich demnach, mit Einschluß der Militärpferde, auf 130 736 081 ℳ, ohne die letzteren auf 129 798 774 In Mecklenburg⸗Strelitz waren vorhanden: 17 280 Pferde im Verkaufs⸗ werth von 9 553 881 ℳ, 1 Maulthier im Werth von 75 ℳ, 10 Esel im Werth von 300 ℳ, 41 532 Stück Rindvieh im Werth von 7,072 953 ℳ, 188 078 Stück Schafe im Werth von 2 821 411 ℳ, 35 735 Stück Schweine im Werth von 1 845 071 ℳ, 8579 Ziegen im Werth von 141 724 und 8721 Bienenstöcke (darunter 3801 mit beweglichen Waben).

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

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Von der Beschreibenden Darstellung der älteren Bau⸗ und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete, herausgegeben von der Historischen Kommission der Provinz Sachsen (Halle a. d. S., Druck und Verlag von Otto Hendel), ist kürzlich das 8. Heft ausgegeben worden. Dasselbe enthält die Beschreibung des Kreises Merse⸗ burg und ist unter Mitwirkung von Dr. th. Heinrich Otte, Past. em., bearbeitet von Dr Johannes Burkhardt, P., und Otto Küstermann, P. In diesem neuen umfänglichen Hefte des Werkes beansprucht die Beschreibung der Bau⸗ und Kunstdenkmale der Bezitks⸗ und Kreis⸗ Hauptstadt Merseburg mit ihrem alten Dom und 5 anderen Kirchen, ihrem Schlosse und Rathhause einen befonders breiten Raum. Die Entwickelungsphasen des Merseburger Domes sind die der Bau⸗ geschichte bezw. Kunstgeschichte des ganzen Kreises. Eine Anlage aus frühromanischer Zeit (er wurde im Jahre 1015 gegründet), bedeutsam verändert in der Epoche des Uebergangsstyls und nochmals um⸗ und aus⸗ gebaut in der Zeit der fortgeschrittensten Entartung der Gothik, fast auf der Schwelle der Renaissance, bezeichnet er im Wesentlichen diejenigen Styl⸗ gattungen, unter welche alle erhaltenen älteren Denkmale der Um⸗ gebung Merseburgs sich einreihen lassen. Insbesondere tritt dabei die auffallende Thatsache hervor, daß, wie am Dome so auch sonst sich nirgends in dem Kreise eine Spur der reinen gothischen Bau⸗ weise, findet und die Bauthätigkeit von der zweiten Hälfte des 13. bis in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts sonach vollständig ge⸗ schlummert zu haben scheint. Der Grund dazu ist vielleicht in finan⸗ ziellen Calamitäten, vielleicht aber auch in dem bemerkenswerthen Umstande zu suchen, daß während in dem Nachbarstift Naumburg die Frühgothik glänzend vertreten ist, diese hier vollständig übersprungen erscheint und sich der romanische Stil bis über die Schwelle des 14. Jahrhunderts hinaus lebendig erhielt. Erst seit der Mitte des 15. Jahrhunderts, unter Bischof Thilo von Trotha und seinem Nachfolger, regte sich wieder die Bauluft. Der Dom, ursprünglich eine dreischiffige Basilika in Form des lateinischen Kreuzes, kann, trotz mancher Schönheit im Einzelnen, nicht eigentlich ein Kunstwerk genannt werden. Nur die Crypta ist in ihrem einheitlichen romanischen Charakter erhalten. Gleich dieser, wahrscheinlich aus dem 11. Jahrhundert, stammt ein Theil des west⸗ lichen Flügels des Kreuzganges mit der davorliegenden Kapelle. Das ehemalige Peterskloster, die Kirchen St. Viti in der Vorstadt Altenburg, die Neumarktskirche St. Thomae gehören ebenfalls der romanischen Epoche an. An Resten dieser Stylperiode ist ferner die Umgebung von Lützen besonders reich; so verdient die Kirche zu Hohenlohe wegen ihrer Portale Beachtung. In gewissem Grade künstlerisch behandelt ist der Kirchthurm in Neukirchen. Dem Uebergangsstyl begegnet man vornehmlich in der Gegend westlich von Merseburg; vollständig in ihrem Charakter erhalten ist die Kirche zu Delitz a. B. Auffallend bei der Mehrzahl der Bauten dieser beiden Stylarten erscheint, daß gewöhnlich der Mörtel bald außen, bald innen, bald beiderseitig mit eingeritzten Fugen versehen ist, um dadurch das Ansehen von Quaderbauten zu erreichen. Seit der zweiten Hälste des 15. Jahrhunderts wird die Bauthätigkeit wieder lebhafter; Bischof Thilo von Trotha läßt das Langhaus des Merseburger Domes neu aufführen, und sein Nachfolger Sigismund von Lindenau hringt denselben durch Ausbau der Vorhalle zum Ab schluß. Eine, wenn nicht in Merseburg selber, dann in Weißenfel

ihren Ort habende Bauhütte ließ sich den Um⸗ und Neubau eine Anzahl von Kirchen des Kreises angelegen sein. Ihre Spuren zeigen sich in oft keineswegs geschmacklosen Maaßwerksdeko rationen der Fensterspitzbögen. Der größte Theil der Ruinen der Kirche St. Sixti und Langhaus und Chor der Stadtkirch St. Maximi in Merseburg gehören in diese Epoche. Hervorragende Profanbauten sind vor allen das Schloß in Merseburg, mit schönem Renaissanceportal, reich verzierter Treppe und phantastisch skul⸗ pirtem altem Brunnen im Schloßhofe, ferner das Kapitelshaus und der Rathskeller ebendaselbst. Ueber die Kunstdenkmaler des Kreises seien dem Bande folgende Einzelheiten entnommen: Von den Tauf⸗ steinen ist bemerkenswerth der jetzt in der Domvorhalle aufgestellte aus der Neumarktkirche St. Thomae in Merseburg stammende; der kolossale, mit reichem figürlichem Schmuck ausgestattete Stein zeigt romanischen Stil und stammt aus dem Ende des 12. Jahrhunderts. Sakramentsnischen finden sich zahlreich und fast in allen Formen. Von den erhaltenen Schnitzaltären hat der mit Ausnahme des bunten Farbenschmucks wohlerhaltene Wandelaltar zu Holleben einen hohen künstlerischen Werth; ihm verwandt, wenn auch weniger reich dekorirt, ist der jetzt bronzirte Flügelaltar in Delitz a. B. Kanzeln mit zum Theil werthvollen Skulpturen besitzen Beuchlitz, der Merse⸗ burger Dom (eine spätgothische Holzschnitzerei) und Dehlitz a. S. (Steinskulpturen der Renaissance). Von sonstigen Skulpturen ver⸗ dienen in erster Linie Erwähnung die eleganten Bogenstellungen an den Chorschranken im Dome zu Merseburg, die erhaltenen Bogen⸗ paare einer Galeriebrüstung aus der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts und eine gothische Statue, die man für die des Grafen Esico hält. Hierher gehören auch eine Reihe von Epitaphien im Dom, wie die der Bischöfe von Hoim, von Schleinitz und Sigismund von Lindenau. Das berühmte in Erz gegossene Grabmal Rudolfs von Schwaben im Dome ist leider nicht a zgebildet, während zwei von jenen Denkmalen in sauberer Zinkotypie dem Text beigegeben sind. Von den Gemälden, die der Merseburger Dom aufzuweisen hat, ist die wahrscheinlich aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts stammende Darstellung eines sog. Hortus conclusus auf einem besonderen Blatt facsimilirt. Die ebendort aufbewahrte Kreuzigung mit der Grab⸗ legung auf der Rückseite, welche früher für ein Werk des Lukas Kranach galt, wird demselben jetzt abgesprochen. Im Herrenhause des Oberhofs in Frankleben finden sich als Zeugnisse einer in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts in Blüthe gewesenen thürin

Altarflügel mit den Bildern der 4

gisch⸗sächsischen Malerschule bisher unbekannter Meister ein Paar Engel und v Heiligen