— Der Schlußbericht über die gestrige Sitzung BXen der Abgeordneten eefindet sich in der Ersten eilage.
— Nach Mittheilungen aus Oesterreich sind folgende Submissionen ausgeschrieben worden:
1) von der Direktion der a. p. Kaiser Ferdinands⸗ Nordbahn für den 14. Dezember d. J. bis 12 Uhr Mittags, 2 Submissionen auf Lieferung von hartem und weichem Bau⸗ und Zeugholz, sowie eines größeren Postens Stahlschienen und appretirter Wechsel⸗, Haupt⸗ und Spitzblock⸗ schienen. Die näheren Bedingungen sind im Büreau des Material⸗Inspektors am Nordbahnhofe in Wien einzusehen;
2) von der K. K. priv. Lemberg⸗Czernowitz⸗Jassy Eisenbahngesellschaft für den 20. Dezember d. J., bis 11 Uhr Vormittags, eine Submission auf Lieferung von ca. 2620 t Stahlschienen.
Die Lieferungsbedingnisse können bei der Material⸗ verwaltung in Wien eingesehen werden.
— Nach Mittheilungen aus dem Auslande sind folgende Submissionen ausgeschrieben worden:
1) von der K. K. priv. Lemberg⸗Czernowitz⸗Jassy Eisenbahn⸗Gesellschaft zu Wien für den 12. Dezem⸗ ber d. J. bis Vormittags 11 Uhr eine Submission auf Lieferung von 100 000 Metercentner Steinkohle, 5800 Meter⸗ centner Schmiedekohle und 1000 Metercentner Koks;
2) von derselben Eisenbahn für den 17. Dezember d. J. bis Vormittags 11 Uhr eine Submission auf Lieferung von fertigen Dienstkleidern für das Jahr 1884;
3) von der Königlich italienischen Schiffsbau⸗Direktion des I. Seedepartements zu Spezia für den 27. Dezember bis Mittags 12 Uhr eine Submission auf Lieferung von 800 bis 1000 chm Teak⸗Moulmeinholz im Taxwerth von 295 000 Lire. Die zu hinterlegende Kaution beträgt 29 500 Lire;
4) von der Artillerie⸗Direktion der Gießerei zu Genua für den 14. Dezember d. J. bis Nachmittags 3 Uhr eine Submission auf Lieferung von 34 000 kg kupferner, gekehlter Stäbe im Taxwerth von 88 400 Lire. Die Kaution beträgt 8900 Lire, die Lieferungsfrist 120 Tage.
Die näheren Bedingungen zu 3 und 4 liegen bei den genannten Behörden zu Spezia und Genua aus; die Be⸗ dingungen zu 1 und 2 liegen in unserem Expeditionsbureau zur Einsicht aus.
— Der von einem Angeklagten als Vertheidiger ge⸗ wählte Rechtsanwalt ist, nach einem Urtheil des Reichs⸗ erichts, III. Strafsenats, vom 11. Oktober d. J., still⸗ schweigend (auch wenn die Vollmacht die Substitutionsklausel nicht enthält) befugt zur Substitution eines anderen Rechts⸗ anwalts, wenn nicht besondere Momente dafür sprechen, daß dem Mandanten an der Geschäftsführung durch den von ihm gewählten Vertheidiger in eigener Person gelegen sei.
— Der General⸗Quartiermeister, General⸗Lieutenant Graf von Waldersee, General à la suite Sr. Majestät des Kaisers und Königs, hat sich auf einige Tage in dienstlichen Angelegenheiten nach Kiel begeben.
— Der Archiv⸗Assistent Dr. phil. Heinrich Finke in Schles⸗ wig ist aus dem Staatsarchivdienst ausgeschieden.
Bayern. München, 29. November. (Allg. Ztg.) Die Abgeordnetenkammer setzte heute die Berathung des Etats des Staats⸗Ministeriums des Innern fort. Auf die Anregung des Abg. Herrmann, daß die Staatsregie⸗ rung ein einheitliches Backsteinmaß für ganz Bayern herbei⸗ führen möge, erwiderte der Minister des Innern, daß in der allgemeinen Bauordnung von 1881 bereits für alle Re⸗ gierungsbezirke für die Dicke der Mauern ein einheitliches Maß der Backsteine bestimmt sei. Zu dem Etat der Berg⸗ behörden richtete der Abg. Hessert an die Staatsregierung die Anfrage: ob sie nicht zu einer Revision des Berggesetzes von 1869 dahin gewillt sei, daß den Grubenbesitzern für größere, den Bergbau fördernde Unternehmungen event. das Expropriations⸗ recht bezüglich hierzu erforderlicher Grunderwerbung (anstatt des bisherigen Rechtes der Grundbenutzung) eingeräumt werde. Der Minister Frhr. von Feilitzsch erklärte: es sei ein Bedürf⸗ niß für eine solche Revision der Staatsregierung bisher nicht geäußert worden, auch sei das Expropriationsrecht im Bergbau anderen Gesetzgebungen fremd. Der Abg. Wolf sprach den Wunsch nach größerer Ausdehnung der geognvstischen Unter⸗ suchung des Königreiches aus. — Zu dem Etat der Sicherheit hatte der Finanzausschuß die Vermehrung der Zahl der Gensd'armerie um 10 über das Mehrpostulat der Regie⸗ rung selbst (20) und hiernach die Erhöhung des Postulats für Löhnungen und Bezüge von 2 254 572 ℳ auf 2 262 996 ℳ beantragt. Die Abgg. Ackermann, Maus und Wagner be⸗ zeichneten diese Vermehrung als nicht nothwendig, da sie durch die Sicherheitszustände nicht bedingt sei. Der Akg. Lerzer bestritt dies entschieden. Der Staats⸗Minister Frhr. von Fei⸗ litzsch befürwortete den Antrag des Finanzausschusses und theilte hierbei mit, daß sich die Zahl der Antibettelvereine in Bayern von 127 im Jahre 1880 und 909 im Jahre 1881 auf 1603 im Jahre 1882 erhöht habe. Es sei hier⸗ urch allerdings das Landstreicherthum in den letzten Jahren zurückgegangen. Trotzdem reiche aber der dermalige Bestand der Gensd'armerie nicht aus. Die Abgg. Jegel und Fritzsche verbreiteten sich über die wohlthätigen Erfolge der Antibettelvereine ihrer Gegenden und bezeichneten dieselben als wirksames Mittel zur Bekämpfung des Landstreicherthums. Nach weiterer Debatte erklärte der Staats⸗Minister unter dem Beifall des Hauses: es sei der Wille der Staatsregierung, daß die Gensd'armerie dem Schutze und nicht der Chicane diene und daß sie auf die Beobachtung dieser ihrer Intention stets bedacht sei. Schließlich wurde die höhere Ziffer des Antrages des Finanzausschusses mit großer Mehrheit ange⸗ nommen und der übrige Theil des Etats der Sicherheit gleichfalls nach den Vorschlägen des Ausschusses erledigt.
— 30. November. (W. T. W.) Die Abgeordneten⸗ kammer erledigte heute den Etat des Ministeriums des In⸗ nern mit geringen Modifikationen nach dem Antrage des Aus⸗ schusses, nahm hierauf den Etat des Königlichen Hauses fast unverändert nach dem Vorschlage der Regierung an und ge⸗ nehmigte schließlich den Etat des Ministeriums des Aeußeren ohne Debatte, unter Streichung des Dispositionsfonds.
Baden. Karlsruhe, 28. November. (Schwäb. M.) Die Erste Kammer hält ihre nächste Sitzung, deren Gegen⸗ stand die Adresse an den Großherzog ist, am nächsten Sonnabend;
Berichterstatter ist Geheim⸗Rath Schulze; für die Adresse der Zweiten Kammer der Abg. Kiefer. — Die Vorlage über die neue Ordnung der Verwaltungsrechtspflege regelt in
sachliche Zuständigkeit der Ver⸗ waltungsgerichte, die allgemeinen Vorschriften des Ver⸗ fahrens, sodann das spezielle Verfahren vor den Be⸗ zirksräthen, die Vorschristen über Berufung und Beschwerde, das spezielle Verfahren vor dem Verwaltungs⸗ neg als erste Instanz, endlich die Vorschriften über bichtigkeitsbeschwerde, Wiederaufnahme des Verfahrens, Anträge auf Vorentscheidung. Der ntwurf hält an den Grundlagen des Gesetzes vom J. 1863 fest und ordnet die Zuständigkeit nach einzelnen bestimmt benannten Kategorien von Streitfällen (also ohne die sogenannte clausula generalis). Die so lange ge⸗ wünschte Erweiterung der Zuständigkeit erstreckt sich haupt⸗ sächlich nach drei Richtungen: nämlich auf die Beschreitung des Rechtsweges: 1) gegen polzeiliche Verfügungen, welche bestimmte Rechte verletzen und 2) gegen Anordnungen, durch welche die Organe der Selbstverwaltung durch die Staats⸗ behörden zu Leistungen angehalten werden; dazu kommt 3) die Möglichkeit, solche Ansprüche vor den Verwaltungsgerichten zur Entscheidung zu bringen, bei welchen keinerlei vermögensrechtliches Interesse, wohl aber eine öffentlich rechtliche Besugniß, wie z. B. bei Wahlen, auf dem Spiele steht. Das Verfahren beruht in Anlehnung an die Civilprozeßordnung auf dem Prinzip der Ummittelbarkeit und Mündlichkeit, jedoch mit den durch die Besonderheit des Rechtsgebiets gebotenen Einschränkungen, welche einen Ausschluß des sogenannten Informativgrundsatzes nicht gestatten.
— 29. November. (Schw. M.) Bei Beantwortung der Interpellation des Abg. Schneider von Mannheim, wegen des sogenannten Wahlerlasses, vertheidigte der Staats⸗Minister Turban den Erlaß als eine völlig parteilose Pflichterfüllung; die Nennung des Großherzogs war geboten, weil nur er die Landespolitik bestimmte.
Hamburg, 28. November. (H. Corr.) In der gestrigen Sitzung der Bürgerschaft wurde die Berathung über den Bericht des Ausschusses zur Prüfung von Anträgen, betreffend Revision der Gesetzgebung über die Hamburgische Staats⸗ angehörigkeit und das Bürgerrecht, fortgesetzt. Die §§. 5—8 des vorgelegten Gesetzes wurden ohne Debatte ge⸗ nehmigt, darauf aber das Gesetz im Ganzen in namentlicher Abstimmung mit 77 gegen 37 Stimmen abgelehnt.
EFlsaß⸗Lothringen. Straßburg, 28. November. Das Gesetzblatt für Elsaß⸗Lothringen veröffentlicht heute die Verordnung, betreffend die Einberufung des Landes⸗ ausschusses für Elsaß⸗Lothringen zum 10. Dezember d. J.
—. 29. November. (W. T. B.) Die „Elsaß⸗ Lothringische Ztg.“ meldet: Auf das gestern von dem Commandeur des hier garnisonirenden Ulanen⸗ Regiments Nr. 15 an Se. Majestät den König von Spanien aus Anlaß des Geburtstages des Königs gerichtete Telegramm, welches lautete: „Ew. Majestät bringt Allerhöchstdero Ulanen⸗Regiment, den heutigen Tag festlich begehend, die allerunterthänigsten Glückwünsche dar“, ist noch gestern Abend 11 ½ Uhr die folgende Antwort des Königs eingegangen: „Je vous remercie très-sincèrement de votre aimable félicitation. Alphonso.“
48 Paragraphen die
Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 28. November. (Presse.) Das ungarische Abgeordnetenhaus beschäftigte sich gestern eingehend mit jenen Paragraphen des Gesetzent⸗ wurfs über die Ehen zwischen Christen und Juden, die von der Religion der Kinder, von der Scheidung, der Wiederverehelichung und den im Auslande ge⸗ schlossenen Ehen handeln. Im Allgemeinen machte sich das Streben geltend, das Entschließungsrecht der Eltern bezüglich der Religion der Kinder unter Wahrung der dem Staate eventuell zustehenden Einflußnahme unversehrt auf⸗ recht zu erhalten und die Ehe thunlichst mit Garantien der Dauer auszustatten. Die Ausschußanträge wurden zum Theil unverändert oder mit geringen Modifikationen angenommen, zum Theil an den Ausschuß zurückgewiesen. Heute wird die Debatte fortgesetzt.
In Bezug auf die Besetzung des Banuspostens ging der „Agramer Zeitung“ gestern von ihrem Budapester Korre⸗ spondenten auf telegraphischem Wege die Nachricht zu, daß die Unterhandlungen, welche der Minister⸗Präsident Tisza mit dem Raaber Obergespan, Grafen Khuen⸗Hedervary, betreffs der Uebernahme der Banuswürde gepflogen, einem günstigen Abschlusse zugeführt worden seien. Graf Khuen habe sich zur Annahme der Banuswürde bereit erklärt, und es dürfte seine Ernennung auch in kürzester Zeit erfolgen.
Großbritannien und Irland. London, 29. November. (W. T. B.) Der deutsche Sozialist Wolf, welcher kürzlich unter der Beschuldigung des Besitzes zu ungesetzlichem Gebrauche bestimmter Expkösivstoffe vor dem Polizeigericht in Bow⸗ street stand, erschien heute wiederum daselbst mit einem Franzesen, Namens Bondurand, dessen Bruder von Wolf beschuldigt wird, das Komplot gegen die deutsche Botschaft angestiftet zu haben. In der Verhand⸗ lung erklärte der Staatsprokurator: die beiden Ver⸗ hafteten würden nicht beschuldigt, als Mandatare einer politischen Gesellschaft die Herbeiführung einer Explosion gegen die deutsche Botschaft beabsichtigt zu haben, sondern vielmehr eines Complots zu dem Zweck, die Polizei von der angeblich beabsichtigten Explosion in Kenntniß zu setzen und für ihre diesbezüglichen Mittheilungen dann eine Belohnung in Anspruch zu nehmen. — Die Verhandlung wurde schließ⸗ lich auf 8 Tage vertagt.
— 30. November. (W. T. B.) Der Prozeß gegen O'Donnel, den Mörder Careys, begann heute Vormittta vor dem Old-Bailey-Gerichtshofe unter großer Theil⸗ nahme des Publikums. Der Angeklagte erklärte sich für nichtschuldig, während der öffentliche Ankläger nachwies, daß es sich um einen Akt vorbedachten Meuchelmordes handle.
Frankreich. Paris, 29. November. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung der Deputirtenkammer interpel⸗ lirte Clémenceau über die Tongkingangelegenheit und führte dabei aus: die öffentliche Meinung sei ercegt durch das Gerücht, daß das chinesische Memorandum aus dem Vor⸗ marsch auf Bacninh einen casus belli mache. Der Interpel⸗ lant verlangte darüber Seitens der Regierung bestimmte Aufklärungen. Der Conseils⸗Präsident Ferry ersuchte die Kammer, die Interpellation bis zu dem Augenblick, wo die Berathung der Kreditvorlage stattfinde, zurückzustellen; dann seienzauch alle Dokumente durch das Gelbbuch veröffentlich
1I
und die Kammer werde bei Kenntniß der Ursachen des Me⸗ morandums zu einer eingehenden Prüfung schreiten können. Das Memorandum, anstatt ein Zeichen des Abbruchs zu sein stelle vielmehr den Ausgangspunkt neuer Verhandlungen dar, die gegenwärtig noch fortgesetzt würden. Die Antwort Chinas werde unverzüglich erwartet. Nach weiteren Erklärungen Ribots und Clémenceau's über die Rolle der Tongking⸗Kredit⸗ kommission beschloß die Kammer mit 308 gegen 195 Stimmen, die Interpellation bis zur Berathung der Kreditvorlage zurück⸗ zustellen. — In der sodann fortgesetzten Berathung des Etats führte der Finanz⸗Minister Tirard aus, daß die finanzielle Lage befriedigend sei und mittels Klugheit und Mäßigun es leicht sein werde, die Prosperität der letzten Jahre wiederzugewinnen. (Beifall.) Baron Soubeyran bezeich⸗ nete die Konversion als eine unzeitige Maßregel; der Staatsschatz habe zwar 34 Millionen gewonnen, das Publikum jedoch 1500 Millionen verloren. Er vermöge nicht die Nothwendigkeit einzusehen, daß man auf der einen Seite 100 oder 60 Millionen zu Amortisationen verwende, während man auf der anderen Seite Anleihen mache. Soubeyran verlangte die Streichung des Extraordinariums und die Verringerung der Ausgaben; er fand auch, daß die Arbeiter zu viel Politik machen. Wilson beharrte bei der Nothwendigkeit, die außerordentlichen Arbeiten fortzuführen und hielt die Forderung der Kommission, die Amortisirung auf 60 Millionen zu beschränken, aufrecht, Minister auf einen Amortisationsbetrag von 100 Millionen besteht. Die Debatte wird morgen fortgesetzt.
Spanien. Madrid, 29. November. (W. T. B.) Die Zeitungen veröffentlichen den Wortlaut des Glückwunsch⸗ telegramms Sr. Majestät des Deutschen Kaisers an Se. Majestät den König Alfons. In dem Glück⸗ wunschtelegramm heißt es:
„Als Andenken an den Aufenthalt Ew. Majestät in Preußen habe Ich Meinen Sohn, den Kronprinzen, beauftragt, daß er Ihnen heute das Reiterstandbild des Großen Kurfürsten von Brandenburg überreiche, jenes Helden, der die Grund⸗ lagen der Wohlfahrt Meines Hauses und Meiner Familie gelegt hat. Ich erlaube Mir gleichzeitig, Meinen ganzen tiefgefühlten Dank für die Art und Weise auszudrücken, wie Ew. Majestät Meinen Sohn aufzunehmen geruht haben, der Mich bei Ew. Majestät vertritt, da Meine vorgerückten Jahre Mir nicht erlauben, persönlich den angenehmen Besuch zu er widern, dessen Andenken sich immer unter Uns erhalten wird. Die Nachrichten, welche Ich täglich von Madrid erhalte, be⸗ weisen, bis zu welchem Grade Sie dem Kronprinzen Ihre Sympathien zu widmen geruht haben, denen die Freundschaft gleichkommt, welche Ich Ihnen für Meine Lebensdauer ge⸗ widmet habe.“
Der „Imparcial“ sagt: Kaiser Wilhelm drücke sich sehr herzlich und ohne die Formalitäten aus, an die man in ähn⸗ lichen Fällen gewöhnt sei. Es sei nicht möglich, in wür⸗ digerer und klarerer Weise seine Wünsche kundzugeben, als es durch den erhabenen Begründer der deutschen Einheit für das Wohlergehen des Königs Alfons und der spanischen Nation geschehen sei. Letztere sei sehr dankbar für den Beweis einer so besonderen Auszeichnung, die ihr durch den Kaiser Wilhelm zu Theil geworden.
— 29. November, Abends. (W. T. B.) Heute Mittag stattete Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz den spanischen Majestäten zu Allerhöchstihrem Hoch⸗ zeitstage einen Gratulationsbesuch ab und überreichte
Ihrer Maäjestät der Königin drei prachtvolle Vasen, Er⸗
zeugnisse der Königlichen Porzellanmanufaktur zu Berlin. An dem Diner, welches der deutsche Gesandte Graf Solms heute Abend zu Ehren des Königs und des Kronprinzen gab, nahmen Mitglieder des diplomatischen Corps, der Mi⸗ nister⸗Präsident, die Minister des Auswärtigen, des Krieges und der Marine, die spanischen Generäle Novaliches, Campos, Echague, Blanco, Cheste, ferner die Generale von Blumenthal und von Los und der Oberst⸗Lieutenant von Sommerfeld Theil Im Ganzen nahmen 24 Personen an dem Diner Theil; nach⸗ demselben fand ein Besuch des spanischen Theaters statt. b Vormittags hatte Se. Kaiserliche Hoheit der Kronprinz abermals die Bildergalerie im Museum besucht und besonders eingehend die Werke der spanischen Schule besichtigt. Von da begab Sich der Kronprinz sodann in das Artillerie⸗ und
Ingenieurhaus und in die Kirche und das Kloster Atocha, co alle spanischen Königspaare getraut werden und wo sich das
Heute Mittag wird der Kronprinz eine Deputation der hiesigen deutscher 8 ö“
Grabmal des Generals Prim befindet. — 30. November, früh. (W. T. B.)
Kolonie empfangen, welche eine Adresse überreicht. Spitze der Deputation stehen: der Vorsitzende des deutschen Hülfsvereins, Hermann Becker, der Vertreter der deutschen Abtheilung der metallurgischen Ausstellung und des Central⸗
vereins für Handelsgeographie, Karl Dames, und der deutsche Gesandtschaftsarzt, Dr. Kispert. Hierauf wird der Koonprinz der Enthüllung des Denkmals Isabellas der Katholischen bei⸗ wohnen. Abends findet Hofball statt. 3
Italien. Rom, 29. November. (W. T. B.) Gestern hielt die ministerielle Mehrheit der Kammer unter dem Vorsitz des Minister⸗Präsidenten Depretis eine Ver⸗ sammlung ab, an welcher 200 Deputirte mit Ein⸗ schluß sämmtlicher Minister theilnahmen. Depretis redete unter großem Beifall und gab seiner Freude Ausdruck, daß das Kabinet sich seine Freunde erhalten habe Er empfehle den Mitgliedern, sich zahlreich an der heutigen Wahl von fünf Mitgliedern des Budget⸗Ausschusses und zwei Sekretären der Kammer zu betheiligen. Der Redner zählte sodann die hauptsächlichsten Fragen auf, welche zur Verhandlung gelangen werden, und sprach die Ueberzeugung aus, daß, wenn er die Frage an die Kammer richtete, ob das Land eine ruhige und gute Administration wünsche und ob es dem Auslande gegenüber an Ansehen gewonnen hätte, eine außerordentlich große Mehrheit der Vertreter diese Frage bejahen würde. .
— 29. November. (W. T. B.) Bei der gestrigen in der Deputirtenkammer erfolgten Wahl zweier Sekretäre und eines Mitgliedes der Zolltarifkommission siegten die ministeriellen Kandidaten Sangiuseppe, Ungaro und Zeppa mit 204, 181 und 193 Stimmen gegen die Kandidaten der Dissidenten, welche 124, 107 resp. 103 Stimmen erhielten. 8
An Stelle Balans ist Tosti zum Subarchivar der geheimen Archive des Vatikans ernannt worden.
Rußland und Polen. St. Petersburg, 30. November. (W. T. B.) General⸗Lieutenant Wannowski hat die Leitung des Kriegs⸗Ministeriums wieder übernomme
während der
nichts hervorbringen, ist dringender als das
Afrika. Egypten. Kairo, 29. November. (W. T. B.) Von den 600 Mann egyptischer Gensd'’armerie, welche gestern nach Suakim abgesandt worden, sind 268 auf der Fahrt von Kairo nach Suez desertirt.
Der „Kölnischen Zeitung“ wird unter dem 22. d. M.
über die gegenwärtige Lage der rheinischen Industrie be⸗ richtet:
9. Während die Berichte aus den Rheingegenden über die Lage der Roheisenindustrie nicht günstig lauten, wird über die dortigen Ma⸗ schinenfabriken und Eisengießereien mitgetheilt, daß dieselben fast ohne Ausnahme flott beschäftigt sind. Das Gleiche gilt von den Kesselschmieden. Die Maschinenbau⸗Aktiengesellschaft „Hum⸗ boldt’“ in Kalk hat gegenwärtig über tausend Arbeiter in Thätigkeit. Die dortige chemische Industrie erfreut sich im Allgemeinen fortdauernd einer günstigen Eeschäftslage. Erweite⸗ rungen und Neuanlagen in diesem Industriezweige sind auch im ver⸗ flossenen Quartal wieder mehrfach entstanden. Die Schwarzpulver⸗ fabriken haben volle Beschäftigung, ebenso die Bleichfarbenfabriken. Die Tuchindustrie arbeitet nach wie vor unter günstigen Verhältnissen. Die bedeutenden Militärtuchlieferungen, welche in diesem Jahre in Auftrag gegeben sind, gewähren für die nächste Zeit ausreichende Be⸗ schäftigůung. Trotz des gegenwärtig sehr niedrigen Preises der deutschen Lumpen hat die Kunstwoll⸗Industrie sich nicht günstiger gestaltet, was hauptsächlich der neuerlich aufgetretenen Konkurrenz aus dem König⸗
reich Sschsen zugeschrieben wird. Die günstige Lage der Jute⸗In⸗
dustrie im Kreise Bonn hat keine Aenderung erfahren. Eine bedeu⸗ tende Betriebserweiterung ist in einer der Jutefabriken für die nächste Zeit in Aussicht genommen.
— Die „Mecklenburgische Zeitung“ enthält einen längeren, das Gesetz, betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter, vom 15. Juni 1883, behandelnden Artikel, der aus der Feder des Reichstags⸗Abgeordneten Hrn. Otto Büsing stammt. Der Schluß dieses Artikels lautet wie folgt:
Für die Arbeiter, um die es sich in erster Linie handelt, kommt zu Gunsten der freien Hülfskassen in Betracht, daß diese Kassen aus ihrer freien Vereinigung hervorgehen und ausschließlich von ihnen selbst, ohne jede Betheiligung der Arbeitgeber verwaltet werden. Im Gegensatze zu den Orts⸗Krankenkassen haben die freien Hülfskassen für die Arbeiter aber den Nachtheil, daß sie die Versicherungsbeiträge ganz, ohne Zuschüsse der Arbeitgeber zu leisten, den zur Deckung der Aus⸗ gaben der Kasse erforderlichen Aufwand also allein zu tragen haben. Dazu kommt als fernerer Nachtheil, daß die freien Hülfskassen that⸗ sächlich fast immer bestimmte Altersgrenzen für die Mitgliedschaft festsetzen, so daß Arbeiter, die in einem niedrigeren oder höheren als dem statutenmäßig festgesetzten Lebensalter stehen, keine Aufnahme in die Kassen finden. Endlich ist noch als un⸗ günstiges Moment zu erwähnen, daß die freien Hülfs⸗ kassen ihre Mitglieder häufig zur Uebernahme mancherlei lästiger und zeitraubender Dienste und Leistungen im Interesse der Kassen verpflichten. Ob diese Nachtheile der freien Hülfskassen gegen⸗ über den von dem neuen Gesetze geplanten Orts⸗Krankenkassen durch das wichtige Moment der eigenen, von aller fremden Einmischung freien Kassenverwaltung aufgewogen werden, müssen die Ar⸗ beiter selbst entscheiden. Erst die Erfahrung kann lehren, ob unter der Herrschaft des neuen Gesetzes der Schwer⸗ punkt der Arbeiter⸗Krankenversicherung in den freien Hülfs⸗ kassen oder in den Orts⸗Krankenkassen, in denen das Gesetz die Träger der ganzen Versicherung sieht, liegen wird. Aber auch wenn das erstere der Fall sein sollte, wird man das Resultat nur mit Freuden begrüßen können. Die Neigung, sich aus freier Entschließung zu Krankenkassen zu vereinigen, war, wie die Erfahrung seit 1876 gezeigt hat, bisher bei den Arbeitern nur in geringem Maße vorhanden. Wenn dies in der Folge anders wird und in Zukunft freie Hülfskassen in größerer Anzahl entstehen, so gebührt das Verdienst hiefür dem neuen Gesetze, welches die Arbeiter vor die Alternative gestellt hat: entweder freie Hülfskassen oder die Krankenkassen des Gesetzes. Das Ziel, worauf es allein ankommt und welches durch die Gesetz⸗ gebung von 1876 nicht erreicht wurde: die allgemeine Krankenversiche⸗ rung der Arbeiter, ist dann erreicht; welcher Weg zu diesem Ziele ge⸗ führt hat, ob freie Hülfskassen, ob Orts⸗Krankenkassen, ist am letzten Ende gleichgültig. res — In der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ esen wir:
Dem fortschrittlichen Gebrauch entsprechend, benutzt der Abg. Büchtemann jede sich darbietende Gelegenheit, um die vom Reichs⸗ konzler vertretenen wirthschaftlichen Tendenzen durch Entstellungen der Aeußerungen des Reichskanzlers zu diskreditiren. Dem stenographischen Bericht zufolge hat der genannte Abgeordnete in der Sitzung vom 27. d. Mts., unter Berufung auf die Zunahme der Getreideeinfuhr aus dem Auslande, die Behauptung aufgestellt: , 1 „ Es geht daraus klar hervor, daß die Meinung, mit welcher seiner Zeit der Herr Reichskanzler die Getreidezölle vertreten hat, daß
die inlͤndische Landwirthschaft in der Lage sei, für die inländische
Konsumtion ausreichend zu produziren, unrichtig ist. Es ist daraus klar erkenntlich, daß, weil Deutschland als Käufer von nothwendigen Lebensmitteln auf den Markt tritt, nicht das Ausland den Zoll auf Getreide trägt, sondern das Inland. Damit ist die Erhöhung des Getreidepreises durch die Zölle erwiesen.“
Der Reichskanzler hak niemals behauptet, daß wir so viel Ge⸗ treide bauten als wir brauchten, er hat nur seiner Zeit nachgewiesen, daß wir sehr viel mehr Getreide im Inlande produzirten als zur menschlichen Nahrung der Deutschen erforderlich wäre. In seiner Rede über die Getreidezölle vom 21. Mai 1879 hat der Reichskanzler auf Grund von statistischen Daten dargethan, daß die deutsche Be⸗ völkerung, wenn sie recht hungrig sei, 140 Millionen Centner Weizen und Roggen im Jahre essen könne; rechne man die Neugeborenen hinzu, so komme man auf einen Verbrauch von 146 bis 150 Mil⸗ lionen Centner Weizen und Roggen. In der bezeichneten Rede heißt es dann weiter: 1ö“ 1 .
„Wir bebauen, auf eine verhältnißmäßig geringe Ackerfläche von den 54 Millionen Hektaren, die das Deutsche Reich enthält, mit Winterkorn, Weizen und Roggen nur etwa 8 200 000 ha. Davon befinden sich in Preußen 1 Million Hektare Weizen und 4 ½ Millionen
ektare Roggen. In Süddeutschland ist das Verhältniß anders; es ind 1 200 000 ha, die mit Weizen bestellt werden, und 1 500 000, die mit Roggen bestellt werden. Die Weizen⸗ und Roggenbestellung in vrraßen liefert nun nach den Tabellen des statistischen Bureaus einen jährlichen Ernteertrag, im Durchschnitt des ganzen Staates in Roggen und Weizen ziemlich genau von derselben Millionenzahl, wie das deutsche Volk bei 3 ½ Ctr. Konsum pro Kopf verzehren kann, das heißt, von 146 Millionen.“ 8
Sodann wird nachgewiesen, daß die in Süddeutschland bebauten 2 700 000 ha zusammen mindestens 70 Millionen Centner Roggen und Weizen aufbringen, so daß das Gesammtprodukt der eigenen Ernte sich auf 220 Millionen Scheffel derjenigen Korngattungen be⸗ läuft, welche zur menschlichen Nahrung verwendet werden. Der Reichskanzler schließt seine Ausführungen damit, daß zunächst die Verwendung der nach der obigen Rechnung den Nahrungsbedarf über⸗ steigenden 100 Millionen Centner nachgewiesen werden müsse, ehe behauptet werden dürfe: „daß wir Hunger leiden würden, wenn heute die fremde Einfuhr ganz gestrichen würde.“ .
Unser Bedürfniß, behufs industrieller oder landwirthschaftlicher Verwerthung mehr als das zur Ernährung nothwendige Brotkorn zu haben, ist minder zwingend als das Bedürfniß der Länder des Schwarzen Meeres und Nordamerikas, den Ueberschuß, den sie an⸗ bauen, in baares Geld umzusetzen. Das Absatzbedürfniß der Korn⸗ länder, die das 10⸗ und 20 fache ihres Bedarfs an Getreide und weiter s Kaufbedürfniß einer Be⸗
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völkerung, die selbst mehr Brotkorn, als sie zur Ernährung von Menschen und Vieh bedarf, produzirt. Deshalb muß der geldbedürf⸗ tige Kornproduzent den Zoll bezahlen, nicht aber der Deutsche, der es ihm abkauft, wenn er will und wenn er Verwendung dazu hat ohne durch das Ernährungsbedürfniß dazu gezwungen zu sein. Auch bei einer wesentlichen Erhöhung der jetzigen Getreidezölle würde dieses Verhältniß dasselbe bleiben.
Statistische Nachrichten.
Nach Mittheilung des Statistischen Amts der Stadt Berlin sind bei den hiesigen Standesämtern in der Woche vom 18. November bis inkl. 24. November cr. zur Anmeldung gekommen: 237 L.e, 867 Lebendgeborene, 37 Todtgeborene, 556 Sterbefälle.
Kunst, Wissenschaft und Literatur.
„Die Nationalgefahr,“ von Raoul Frary, preis⸗ gekrönt von der Académie frangaise mit dem Prix Monthyon. Aus dem Französischen von Scheller, Lieutenant im Königlich sächsischen 1. Husaren⸗Regiment Nr. 18. Hannover 1884. Helwingsche Verlags⸗ Buchhandlung (Th. Mierzinsky, Königl. Hofbuchhändler) Pr. 4 ℳ — Das vorliegende, nicht ohne Grund preisgekrönte Werk bietet mit seiner angenehm berührenden Mäßigung, seiner objektiven Beurthei⸗ lung der gegenwärtigen Lage Frankreichs einen bemerkenswerthen Gegensatz zu der Haltung, welche die Pariser Boulevard⸗ Presse bei der Behandlung dieser Fragen beliebt. Schon in dem Vorwort weist der Verfasser die Chauvinisten mit bestimmten Worten von sich, indem er sagt: „Der Leser, welcher möchte, daß man sich über unser Vaterland nur in Lobeserhebungen ergehe, der nicht zugiebt, daß ein Franzose das Unrecht, die Schwächen und die Fehler seiner Generation erkennt und gesteht, kann dieses Buch wieder bei Seite legen; er würde zu viel in dem⸗ selben finden, was ihm als Entwürdigung erscheinen müßte.“ Und an einer anderen Stelle erklärt er: sein Buch sei an diejenigen Männer gerichtet, die Frankreich aufrichtig und stark genug lieben, um männlich einer Zukunft entgegenzublicken, die man nicht beseitige, indem man die Augen schließe. Nicht also von der Revanche, sondern von der Sicherheit der Existenz Frankreichs solle das Buch handeln; er wolle nur die Mittel suchen, um ein neues Unglück zu verhin⸗ dern und zuerst die Gründe angeben, weshalb dasselbe zu fürchten sei. Daß dem Verf. in dem Werke selbst trotz aller Objektivität manche Bitterkeit gegen den deutschen Nachbar, manche durch Voreingenom⸗ menheit und Trübung des Urtheils sehr erklärliche Härte mit unter⸗ läuft, ist wohl entschuldbar; ja sein Patriotismus muß uns sogar mit hoher Achtung erfüllen, wenn wir beobachten, wie ein Mann, der im Uebrigen die Dinge so richtig ansieht und so geistvoll denkt, nur zu schnell die Klarheit verliert, sobald der Feind und die von ihm vermeintlich drohenden Gefahren in Frage kommen, gegen die er sein geliebtes Vaterland vertheidigen möchte Das erste Buch, welches von den Nationalkriegen, der Utopie des ewigen Friedens, dem Einsatz bei dem modernen. Kriege und der nothwendigen Kriegsbereitschaft handelt, enthält vieles Wahre und Lesenswerthe, aber schon das zweite, betitelt: „Die Invasion der Germanen“, enthält neben richtigen, geistvollen Urtheilen mancherlei auffällig Schiefes, namentlich, was die dem Nachbar untergelegten Absichten anbetrifft. Gleichwohl wird der Verfasser unserem Herr⸗ scherhause und seinen Verdiensten um Deutschland ebenso gerecht wie der Bedeutung des Staatsmannes, der bei der Wiederaufrichtung des Reiches so mächtig mitgewirkt hat, und der, wie er sagt, ldurch seine Staatskunst der Schiedsrichter Europas geworden sei. Nur wenn er ihm sogar in seinen „Träumen“ nachgeht, verliert er den festen Boden und gefällt sich in wunderlichen Konjekturen. Von unserem Herrscherhause sagt er wörtlich:; „Die Hohenzollern haben den Nationalcharakter verändert; indem sie ihre Be⸗ sitzungen erweiterten, begannen sie die Erziehung ihrer Unter⸗ thanen von Neuem. Die Königlichen Intendanten verstanden wie kein Anderer die Kunst, große Pläne mit geringen Mitteln zu ver⸗ wirklichen. Sie besaßen ein armes, räumlich beschränktes, spärlich bevölkertes Reich, doch dabei ein zahlreiches, tapferes, immer schlagfertiges Heer, einen gefüllten Staatsschatz. Sie waren hart, sparsam und beharrlich; sie prahlten nicht mit ihren ritterlichen, zeigten aber mehr als alle Menschen ihre nützlichen Tugenden; sie verstanden es, die Gelegenheit abzu⸗ warten und dann zu ergreifen. In dem Genusse ihrer Macht wurden sie nicht träge, berauschten sich nicht an leerem Prunk und begnügten sich nicht mit Versprechungen, wenn die Stunde des Sieges ge⸗ kommen. Sie führten keine Kriege für einen Gedanken, für irgerd welchen Glauben, noch aus Eigenliebe, so wie Ludwig XIV. Die Könige von Preußen sind klare und be⸗ stimmte Männer, sie sagen nicht: der Staat bin ich! aber sie denken ununterbrochen an die Größe dieses Staates.. Der Adel lehnt sich nicht auf, die Geistlichkeit überhebt sich nicht, die absolute Ge⸗ walt ist nicht selbstsüchtig. Die Unterthanen veredeln ihren Gehorsam, indem sie ihn freudig leisten. Die Verwal⸗ tung ist mächtig, nicht wie anderwärts besorgt, träge, korrumpirt. Im Siege keine Verblendung und Ueberhebung.... keine Spaltung im Unglück: der bei Jena geschlagene. in Tilsit ge⸗ demüthigte König büßt nichts an seiner Autorität ein.“ — Nachdem Frary dann die Aussichten im Kriegsfalle erörtert und die Bilanz einer möglichen Niederlage gezogen, wendet er sich in dem 3. Buch der inneren Lage Frankreichs zu. Dieser Abschnitt ist der weitaus be⸗ deutsamste und als wirklich beherzigenswerth von den Einsich⸗ tigen unter seinen Landsleuten mit Recht eines Ehrenpreises für würdig befunden worden. Der Verfasser nimmt darin zur Grundlage der Beurtheilung das Frankreich vom Jahre 1881, rekapitulirt die Lehre, welche das Unglücksjahr 1870 darstelle und bezeichnet die Fehler, welche die Katastrophe herbei⸗ geführt, nicht als solche des Verstandes, sondern des Charakters. Aber er läßt es auch nicht an Trostgründen fehlen für solche, die dieser bedürfen, denn eigentlich habe sich Frankreich nicht nur zu schnell getröstet, sondern auch zu schnell durch innere Streitigkeiten zerstreuen lassen. Die Heftigkeit, mit der sich die Parteien täglich mehr befehden, sei nur geeignet, dem Lande zu schaden. Man höre nicht selten die Behauptung, daß sich Frankreich im Ver⸗ fall befinde, und man könne einer Beantwortung dieser Frage nicht mehr ausweichen. Da sei denn nicht zu verhehlen, Auf⸗ lösung der konservativen Kräfte der Gesellschaft in der That diese Gefahr näher rücken lasse, weil der religiöse Glaube immer mehr erlösche, ohne durch feste unumgängliche Moralgesetze ersetzt zu werden. Einen Theil der Schuld mißt der Verfasser der Demokratie zu, der er jedoch in dem folgenden Kapitel wieder mancherlei Zugeständnisse macht. Ohne Zweifel seien wirkliche Gründe zur Besorgniß vorhanden und Symptome der Verschlimmerung als Vorboten eines wirklichen Verfalls nicht zu verkennen; dahin rechnet der Verfasser die Ab⸗ nahme der Fruchtbarkeit, die häufige Wiederkehr der Revolutionen und den Fortschritt des religiösen und moralischen Skepticis mus. Zur Ablenkung dieser inneren Gefahren sei die Vervollkommnung der Jugend⸗Erziehung das beste Mittel, obgleich sich freilich, wie der Verfasser meint, die Tugend nicht lehren lasse; zur Ablenkung der äußeren sei eine Verstärkung der Streitkräfte des Landes nothwendig. Diese „nothwendige Anstrengung“ bildet auch den Titel des letzten, 4. Buches, in welchem der Verfasser besonders energisch für die militärische Erziehung der gesammten männlichen Jugend und für die obligatorische Einführung dieser Er⸗ ziehung eintritt, ein Gedanke, der übrigens inzwischen von Paul Bert aufgenommen und durch die Bildung der „Schulbataillone“ zur Ausführung gekommen ist. Wie sich dann 10 Jahre später die Lage verbessert haben werde, stellt Frary im nächsten Kapitel dar. In den folgenden beantwortet er noch einige Einwendungen und erörtert die Bevölkerungsfrage, für deren Lösung er u, a. einerseits eine Besteuerung der Ehelosigkeit und andererseits die staatliche Unterstützung kinder⸗ reicher Familien in Vorschlag bringt. Mit der Mahnung, alles
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daran zu setzen, um im Falle der Gefahr bereit und fertig zu ,— schließt das gedankenreiche, mit hohem sittlichen Ernst geschriebene, für jeden Politiker sehr lesenswerthe Buch. 2
Land⸗ und Forstwirthschaft.
Im Verlage von M. Heinsius in Bremen erschien soeben: Hand⸗ buch der Käserei⸗Technik von Dr. von Klenze, mit 194 Holz⸗ schnitten und 33 autotypischen Tafeln. (Preis brosch. 16 ℳ, geb. c. 18 ℳ). — Der großartige Aufschwung, welchen die Milchwirthschaft innerhalb der letzten fünfzehn Jahre genommen hat, erstreckt sich, wie der Verfasser ausführt, weitaus zum größten Theile auf die Aus⸗ bildung der Technik und die wissenschaftliche Fundirung der Aufrahmung und der Buttergewinnung. Diese Vorgänge sind, wenn auch weitere Forschungen und Verbesserungen noch statt⸗ finden werden, doch bis zu einem gewissen Grade bekannt, so daß in der Praxis rationelle Methoden als solche bestätigt werden konnten, nach denen nun gearbeitet wird und die sich immer mehr verbreiten. Anders steht es mit der Käserei. Diese befindet sich in einem Zu⸗ stande vollkommener Empirie; die Käser (Sennen) kennen häufig kaum das Handwerksmäßige ihres sehr schwierigen Gewerbes, von Vor⸗ kenntnissen, die dazu eigentlich nöthig sind, wissen sie in der Regel nichts und die Praris kann diese auch nicht nach langer Zeit ersetzen. „Ddieses Handbuch, welches berufen sein dürfte, eine merkliche Lücke in der Literatur der Käserei, die bis jetzt höchst stiefmütterlich be⸗ handelt ist, auszufüllen, kann allen Landwirthen bestens empfohlen werden. Der Autor, als Fachmann wohl bekannt, giebt als Zweck seines Buches an, daß dasselbe die Kenntnisse der Eigenschaften des Urmaterials, der Milch, unter normalen und anormalen Einflüssen vermitteln, dann die allgemeine Technik als Fundamentalwissen für die gesammte Käserei enthalten, und endlich verlässige und kritisch beleuchtete Fabrikationsmethoden für die ver⸗ schiedenen Käsesorten angeben, soweit sie zu erlangen waren, sowie auch die Nebenfabrikation der Käsefabrikation behandeln soll.
Von dem lehrreichen Inhalt seien hier die wichtigsten Kapitel angeführt: I. Die zur Käserei verwendete Milch; Zusammensetzung und Bestandtheile der Milch, Einflüsse auf die Qualität der Milch vor der Sekretion, Einflüsse auf die Qualität der Milch nach der Sekretion; Milchfehler. II. Allgemeine Technik. Die Prüfung der Milch, das Vorwärmen der Milch, das Färben der Milch, das Lab, die Bearbeitung des Bruchs, das Pressen, das Salzen, die Käse⸗ reifung. III. Spezielle Technik. Die Fabrikation der verschiedenen Käsesorten: 1) Labkäse, a. Weichkäse, b. Hartkäse, 2) Sauermilchkäse, 3) Käse aus Molkenbestandtheilen, 4) Pflanzenkäse. IV. Neben⸗ produkte der Käserei. (Die Molke.)
Gewerbe und Handel. 1
Lo „ 29. November. (W. T. B.) Bei der gestern ab⸗ gehaltenen Wollauktion waren Preise fest.
New⸗York, 29. November. (W. T. B.) Der Werth der Waareneinfuhr und Ausfuhr der Vereinigten Staaten während des letzten Rechnungsjahres betrug 1547 Millionen Doll., die höchste bisher erreichte Ziffer.
Verkehrs⸗Anstalten.
Triest, 29. November. (W. T. B.) Der Lloyddampfer „Ettore“ ist aus Konstantinopel heute Vormittag hier eingetroffen.
Berlin, 30. November 1883.
Das „Journal des débats“ enthält in seiner Nummer vom 29. November einen längeren Aufsatz über die Versuche, welche in Frankreich auf den unterirdischen Telegraphen⸗ linien gemacht worden sind. Aus der Darstellung geht hervor, daß die unterirdischen Kabel sich auch in Frankreich, wie dies in Deutschland bereits seit Jahren festgestellt ist, durchaus gut be⸗ währen und daß alle Befürchtungen (Störung durch Induktion ꝛc.), welche bezüglich dieser Anlagen früher gehegt wurden, sich auch in Frankreich als unbegründet erwiesen haben. Bekannt⸗ lich hat Deutschland zuerst mit Herstellung eines unterirdischen Telegraphennetzes begonnen. In dem Zeitraum von 1875 bis zum Jahre 1880 sind im Reichspostgebiet die wichtigsten Waffen⸗, See⸗ und Handelsplätze durch unterirdische Telegraphen ver⸗ bunden worden. Die Gesammtlänge der Kabel beträgt 5616 km, die Länge der Leitungen 37 933 km. Das unter⸗ irdische französische Telegraphennetz, mit dessen Herstellung im Jahre 1879 begonnen wurde, umfaßt gegenwärtig 2500 km Linien und 18 000 km Leitungen.
Ein neues Lustspiel „Glück bei Frauen“ von Gustav von Moser ging gestern im Königlichen Schauspielhause zum ersten Male in Scene und fand bei dem sehr zahlreich versammelten Publikum eine recht beifällige Aufnahme. Die Wahl des Titels steht mit dem Inhalt des Stückes nur in leichtem Zusammenhange und wir nur fehr oberflächlich in Bezug auf das Schicksal zweier Männe motivirt. Alfred Bona hat bei der rechten Frau erst Glück, als e
sich zum Aufgeben seines berufsmäßigen „Nichtsthuens⸗ entschließt und Max von Güsen gewinnt trotz seiner bescheidenen Ansicht übe die ihm von den Frauen gewidmete Theilnahme schnell das begehrte Mädchenherz durch sein edles und willensstarkes Auftreten. Neben diesen zwei Paaren nimmt im Rahmen des Stückes und in der Theil⸗ nahme des Publikums ein junges schmollendes und schließlich sich versöh⸗ nendes Ehepaar einen großen Raum ein. Mit der schon hierdurch einiger⸗ maßen gekennzeichneten Führung der Handlung tritt die schwächere Seite des Stückes sofort hervor. An die Stelle der zu erwartende Einheitlichkeit der Handlung treten eine Reihe komischer und lebens⸗ voller Scenen und Figuren, welche mit der ganzen munteren Behag⸗ lichkeit und anmuthigen Leichtigkeit gezeichnet sind, welche die Mo sersche Schaffenskraft auszeichnen. Bei einem Publikum, welche 3 vorzugsweise einen heiteren Abend als sein Recht beansprucht, werden solche dramatische Leistungen ihres Erfolges immer siche sein. — Die Darstellunß war in allen Theilen sowie i Ensemble eine durchaus gelungene. Allen voran glänzte wieder Fr. Frieb⸗Blumauer (Frau von Güsen) in der Rolle der vornehm denkenden und auch vornehm sich gebenden adligen alten Dame; ihre Leistung, besonders im zweiten Akte, in welchem ihr ein größerer Raum zur Entfaltung ihrer unvergleichlichen schauspielerischen Begabung zu Gebote stand, riß das Publikum wiederholt zu lautem Beifall hin. Im Gegensatze zu der alten Dame von Geblüt brachte Hr. Krause als einfacher und nüchteen verständiger Getreidehändler „Holzmann“ seine Meisterschaft in der Charakteristik zur Geltung. Eine köstliche Scene gab es, als diese beiden grundverschiedenen und doch im Innern gleich herzensguten Menschen sich näherten und sich verstanden. Eine besondere Anerkennung verdient noch das Spiel des Hrn. Liedtcke (von Sensenheim); er gab den alten Cavalier, der sich nur für Stammbäume und die gesellschaft⸗ lichen Formen altmodischer Höflichkeit interessirt, in Maske und Splel vorzüglich wieder. Auch die übrigen mitwirkenden Künstler füllten ihre Rollen mit Geschick und Geschmack aus und halfen das schöne Ensemble bilden, welches wiederholt den rauschenden Beifall des Publikums herausforderte. Auch der Verfasser nahm an den Ehren des Abends Theil und mußte nach dem zweiten, dritten und vierten Akte dem Hervorrufe Folge leisten.
m Concerthause wird Hr. Hof⸗Musikdirektor Bilse wieder eine interessante Novität zur Aufführung bringen, nämlich vier Nummern aus der Oper „Heinrich VIII.“ von Saint⸗ Saöns, welche eine Art Suite für großes Orchester bilden und wie folgt betitelt sind: Einleitung und Auftritt der „Clans“, schotiisch⸗ Idylle, Zigeunertanz, Gigue und Finale. Den symphonischen Theil
des Concerts bildet Beethovens heitere C-dur-Symphonie.