1883 / 285 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 04 Dec 1883 18:00:01 GMT) scan diff

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Glasgow, Dublin, Edinburg, Odessa u. a. O. häufig als Todesver⸗ anlassung auf. Diphtherie und Croup forderten in einer größeren Zahl von Städten zahlreiche Opfer, namentlich in Berlin Dresden, Chem⸗ nitz, Leipzig, Halle, Königsberg, Breslau, Harnover, Potsdam, Dessau, Prag, Triest, Paris, Amsterdam, St. Peters urg, Warschau, Odessa, Madrid, Murcia u. a. O. Der Keuchhusten rief in Stolp, Nürnberg, Dresden, Hamburg, Altona, Barmen, Elberseld, Berlin viel Todes⸗ fälle hervor. Sterbefälle an typhösen Fiebern wurden in Königs⸗ berg, Posen, Essen, Cöln, Alexandrien häusiger. An Flecktvphus kam aus Breslau, Prag. London, St. Petersburg, Warschau, Odessa, Valencia, Saragossa je 1, aus Madrid 6 Totesfälle zur Mittheilung. Darmkatarrhe der Kinder führten etwas mehr als in der Vor⸗ woche, jedoch in keiner deutschen Stadt in arffallenderer Zahl zum Tode. Todesfälle an Ruhr kamen aus deutschen Städten 5, an Kindbettfieber 19 zur Anzeige. Allgemein gesteigert waren Todesfälle in Folge akuter entzündlicher Prozesse der Athmungsorgane und Lungenphthisen Sterbefälle an Pocker kamen aus deutschen Stäödten nicht zur Anzeige; in beschränkter Zahl traten Pocken in Budapest, Krakau, Brüssel, London, Lirerpool, St. Petersburg, Sa⸗

sa, Granada, Alexandrien auf. In Wien, Paris, Warschau, Madrid, Murcia wurden Pocken etwas häufiger Todesveranlassung; in Prag stieg die Zahl der Opfer auf 27, in Madras auf 43. Die Cholera nimmt in Alexandria ab, in der Zeit vom 11.—17. No⸗ vember kamen noch 8 Todesfälle gegen 21 der Vorwoche, in Kalkutta 35 zur Mittheilung. Aus New⸗Orleans kam 1 Todesfall an Cholera nostras zur Anzeige. Aus San Franzisko wird aus der Zeit vom 28. Oktober lis 2 November 1 Todesfall am gelben Fieber gemeldet, der auf einem dort in Quarantäne liegenden Dampfer vorkam.

Im Monat November 1883 wurden bei der Allgemeinen Unfall⸗Versicherungs⸗Bank in Leipzig 15 Todesfälle, 5 lebensgefährliche Verletzungen, 6 Unfälle, die ihrer Natur nach eine gänzliche oder theilweise Invalidität erwarten lassen, und 1189 Unfälle von voraussichtlich nur vorübergehender Erwerbsunfähigkeit der Ver⸗ letzten, zusammen 1215 Unfälle angemeldet.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Im Verlage von Ebner & Seubert (Paul Neff) in Stuttgart erscheint der „Grundriß der Kunstgeschichte“ von Wilhelm Lübke nunmehr bereits in neunter Auflage. Diese erhbeblich ver⸗ mehrte Auflage ist mit dem Porträt des Verfassers geziert und um⸗ faßt 2 Bände (56 Bogen gr. 8⁰0) mit 619 Illustrationen in Holz⸗ schnitt, welcke in 24 Licferungen zu je 60 bezogen werden können. (Monatlich werden 2 Lieferungen ausgegeben.) Lübke’s Grundriß der Kunstgeschichte ist seit seinem ersten Erscheinen ein Muster seiner Gattung. Kurzgefaßt, klar und lebendig im Ausdruck, anziehend in der Darstellung bei sicherer Hereschaft über den Stoff. ist das Werk unersetzlich als Handbuch für jeden Kunstfreund, gewährt mit seinen zahlreichen vorzüglichen Abbildungen eine zusammenfassende Ueber⸗ sicht und hat wesentlich dazu beigetragen, die Beschäftigung mit der Geschichte der bildenden Künste auch weiteren Kreisen zu er⸗ schließen. Auf Wunsch kann das Werk auch sofort vollständig, ge⸗ heftet zum Preise von 14 40 oder gebunden in elegantem Halk⸗ franzband zum Preise von 16 40 durch jede Buchhandlung bezogen werden und dürfte in letzterer Gestalt sich als gediegenes Festgeschenk sehr empfehlen. 8

Aus dem Verlage von M. Heinsius in Bremen, welcher sich die Hebung gediegener christlicher Geschenkliteratur zum Ziele gesteckt hat, liegen für den Weihnachtstisch ver:

Glückliche Kinderzeit. Ein Bilderbuch für Mädchen und Knaben, mit 24 Vollbildern in Buntdruck und 12 Schwarzbildern von Feodor Flinzer, sowie 50 Liedern und Reimen von G. Chr. Dieffenbach. 1883. Gr. 40⁰. Eleg. kart. 5.

Aus dem Kinderleben. Zwei Sammlungen mir je 24

—ga; 2 . 4 5 2i ra —— P . Bildern von Ludwig Richter und Liedern Reimen von G.

3 fr 889 2 G C 8 1 1. Sammlung: 3. Aufl. 2. Samm⸗ 5 uf!l Eleg. e1. X.1ℳ 2,50. Beide Theile im eleg. Kaliko⸗ and. g29. 6.

SU.

Die Lieder halten den schalkhaften, schlichte inne; die reizenden Zeichnungen von Ludwig Gaber meisterhaft in Holz geschnitten.

Ernst Lausch, Kinderräthsel. Neue Folge. 2. Auflage. Preis: 2 Sammlungen eleg. kart, à 1,20 ℳ, beide Sammlungen in ein em eleg. Kalikobande 3 Der große Erfolg, welchen die erste Sammlung dieser heiteren, auf die Entwickelung des kindlichen Ver⸗ standes gerichteten Unterhaltungen erzielt hat, wird auch der zweiten Sammlung nicht fehlen.

Dem Herrn mein Lied. Cine Festgabe. Neue Folge von „Ich bau auf Gott“ von Julius Sturm 1883. do. Elegant geb. mit Goldschn. 4 %. Eine Perle der geistlichen Lyrik, eine tief empfundene Dichtung in abgerundeter schöner Form, der sich eben⸗ bürtig anreiht:

Ein Hochzeitsstrauß. Aus Gottes Garten und von den Wiesen der Welt. Gesammelt von G. Chr. Dieffenbach. 4. Auf⸗ lage. Mit Titelbild und Dedikationsblatt in Farbendruck von Julie von Buddenbrock. 1883. Eleg. geb. mit Goldschnitt 6 Ein sinniges Geschenk nicht allein zu Hochzeiten, sondern auch zu Weih⸗ nachten, Geburtstagen ꝛc. für Brautleute und für Eheleute.

Evangelische Haus⸗Andachten. Zugleich als Ergänzung und Fortsetzung der Evangelischen Haus⸗Agende. Von G. Chr. Dieffenbach. Gr. 80. 35 Bog. 1883. Brosch. 4,80 ℳ, geb. 6 Diese kurzgefaßten Andachten behandeln in 186 täglichen Er⸗ bauungen die „Summe der christlichen Lehre nach dem Katechismus.“ Den Besitzern der Evangelischen Haus⸗Agende wird damit eine oft gewünschte Ergänzung und Fortsetzung jenes trefflichen Andachtsbuches in eleganter Ausstattung zu billigstem Preise geboten. Aber auch allen christlichen Familien sowie Schulen und christlichen Anstalten, in denen man besonders nach kurzen Andachten greift, wird das Buch sehr willkommen sein. 1“

Glaucia, die griechische Sklavin. Frei nach dem Englichen von A. Steen. Bevorwortet von G. Chr. Dieffenbach. Zweite durchgesehene Auflage. 1883. 80. 15 ½ Bogen und 16 Illustrationen. Brosch. 3 ℳ, eleg. geb. 3,75

A. Steen, Betty, die treue Magd. Eine wahre Geschichte. Aus dem Englischen. 1883. 3. Auflage. 40 ₰. 15 Exemplare für 5 Weihnachtsgabe für Dienstboten. ““

Von diesen beiden erbaulichen Schriften sind in Kurzem neue Auflagen nöthig geworden, was die Bücher am besten empfiehlt.

Die Spezialbuchhandlung für Rechts⸗ und Staatswissenschaften und Geschichte von R. L. Prager in Berlin hat soeben Kat. 73 76 ihres antiquarischen Lagers versandt. Kat. 73 umfaßt in 700 Nrn. eine ausgewählte Sammlung numismatischer, genealog. und herald. Werke mit einem Nachtrage: Auswahl aus allen Gebieten der Geschichte; Kat. 74 bringt Rechtsgeschichte, Rechtsquellen, Civil⸗ recht und Civilprozeß in 1400 Nrn.; Kat. 75 Strafrecht und Straf⸗ prozeß, Staatsrecht, Polink, Verwaltung, Kirchengeschichte und Kirchen⸗ recht in 700 Nrn.; Kat. 76 endlich enthält in beinahe 1800 Nrn.

ine reiche und gediegene Zusammenstellung der Hauptwerke der Staats⸗ und Volkswirthschaft, umfassend Finanzwissenschaft, Banken, oziale Frage, Handel und Verkehr, Freihandel und Schutzzoll, Sta⸗ istik, Unterrichtswesen, Versicherungswesen, Gesundheitspflege Die Kataloge sind sehr sorgfältig zusammengestellt und die Preise mäßig. F. A. Brockhaus in Leipzig versendet einen illustrirten Katalog ausgewählter Werke, der eine reiche Auswahl der gediegensten, zu Festgeschenken geeigneten Schriften enthält: das jetzt in neuer 13.) Auflage erscheinde Konversationslexikon mit dem auch in Separat⸗ ausgaben zu beziehenden Bilderatlas, das kleine Konversationslexikon, das Sprichwörterlexikon, die Goethe⸗ u. s. w. Galerien, die illustrirte und andere Ausgaben der Bibel, Wörterbücher, wie die von Kalt⸗ schmidt und Sanders zahlreiche Werke der Kunstliteratur, darunter z. B. die Schliemannschen und die Carriereschen Schriften, philo⸗ sophische, z. B. Schopenhavers sämmtliche Werke. In der schönen Literatur sind die klangvollsten Namen vertreten, in der Reiseliteratur Nordenskjold, Schweinfurth, Stanley, Rohlfs, Koldewey u. A. Die

n Kinderton durchfveg Richter sind von A.

.

reiche Geschichtsliteratur enthält unter vielem Trefflichen von Raumers historisches Taschenbuch. Auch die Naturwissenschaft, die Rechts⸗ und Staatswissenschaften, sowie alle anderen Zweige der Literatur sind in diesem Verlage, dessen große Intervationale wissenschaftliche Biblio⸗ thek bereits bis zum 60. Bande rorgeschritten ist, würdig vertreten.

Land⸗ und Forstwirthschaft.

Im Verlage von M. Heinsius in Bremen erschien soeben: Ber icht über die internationale Landwirthschaftliche Thier⸗ Ausstellung in Hamburg 1883, herausgegeben von C. Petersen, Oekonomie⸗Rath; mit dem Plan der Ausstellung (Separatabdruck aus der „Milchzeitung“, Organ für die gesammte Viehhaltung und das Molkereiwesen). Preis broschirt 2 Allen, welche die inter⸗ nationale landwirthschaftliche Thier⸗Ausstellung in Hamburg be⸗ schickten oder besuchten, dürfte dieser Bericht von größtem Interesse sein. Außerdem ist der Bericht aber auch für alle landwirth⸗ schaftlichen Kreise, welche sich für die Entwicklung der Vieh⸗ zucht interessiren, unentbehrlich, da derselbe ein zutreffendes Bild über den derzeitigen Stand der landwirthschaftlichen Viehzucht, besonders in Deutschland, gewährt. Die inter⸗ nationale landwirthschaftliche Thierausstellung in Hamburg ist, so viel bekannt, die erste große landwirthschaftliche Spezial⸗Thieraus⸗ stellung; dieselbe bekundete schon, wie der Verfasser ausführt, durch das Interesse, welches sie gefunden hat, daß die Bedeutung der Thierzucht für die Landwirthschaft nicht im Niedergange begriffen ist, daß die Anläufe, welche hier und da genommen worden sind, um gegenüber dem derzeitigen Standpunkte der Düngungsfrage die Thierzucht, soweit dieselbe sich nicht auf das Arbeits⸗, sondern auf das Nutzvieh bezieht, als nicht mehr rentabel hinzu⸗ stellen, daß die Anläufe, welche den Beweis glaubten führen zu können für die Richtigkeit der in manchen Kreisen und Zeiten häufig gehörten Behauptung: Die Thierzucht sei ein nothwendiges Uebel und dieses nothwendige Uebel könne jetzt beseitigt werden vorläufig wenigstens an der praktischen Sachlage zerschellen. Aber theoretisch lasse sich solche Behauptung nicht veweisen, es werde viel⸗ mehr, so lange wie die Menschen zur Befriedigung ihrer ersten Lebensbedürfnisse der Thiere nicht entbehren wollten oder könnten, die Thierzucht ihr Recht im landwirthschaftlichen Betriebe nichr ver⸗ lieren. Olwohl die Thierschau cine internationale sein sollte, so waren doch nur wenige Thiere von Ländern außer Deutschland ausgestellt: beim Rindvieh Schmweizer Rassen und englische Shorthornkühe, bei den Schafen französische Rambouillets und englische Fettschaefe, bei den Schweinen nur einzelne wenige Exemplare englischer Rassen Von den Pferden waren 15 englische, 7 dänische und 10 norwegische von circa 500 Pfer⸗ den ausgestellt. 1

Daz „milchwirthschaftliche Taschenbuch für das Jahr 1884“, welches soeben im Verlage von M. Heinsius in Bremen er⸗ schienen, dessen Preis, in Leinwand geb., auf 2 50 ℳ, in Lederbd., auf 3 fixirt und welches von Benno Martiny bheraus gegeben ist, enthält zunächst ein vollständiges Kalendarium, dann verschiedene landwirthschaftliche Tabellen über Ernte⸗ erträge, Rindviehbestand, Probemelken, Gewinn an Butter und Käse in Kilogrammen, Zusammensetzung der Futtermittel und deren Gehalt an verdaulichen Bestandtheilen, Milchprüfung, Tafeln zur Berechnung des Jahresertrages, welchen eine Kuh bei verschieden hoher Verwerthung eines Kilogramms Milch abwirft, ausgedrückt in Mark, Mittheilungen über Räume und Geräthe der Meiereien für Butterbereitung, Vergleichung der Thermometerskalen nach Réaumur, Celsius und Fahrenheit, Behandlung der am häufigsten vorkom⸗ menden Krankheiten bei Rindvieh und Schweinen, und endlich ein alphabetisches Verzeichniß von Rindviehmärkten in Deutschland, Oester⸗

reich und Schweiz im Jahre 1884.

Gewerbe und Handel.

Vom Berliner Pfandbrief⸗Institut sind bis Ende No⸗ vember 1883 291 000 3 ½ %ige, 16 671 000 4 %ige, 44 237 000 4 ½ % ige und 9 317 700 5 %ige, zusammen 70 616 700 Pfand⸗ briefe ausgegeben, wovon noch 291 000 3 ½ %üige, 16 412 100 4 % ige, 35 898 900 4 ½ %ige und 6 780 600 5 %ige, zusammen 59 382 600 Pfandbriefe verzinslich sind. Es sind zugesichert, aber noch nicht abgehoben 1 053 600 ℳ, im Laufe des Monats No⸗ vember 1883 angemeldet 2 Grundstücke mit einem Feuerversicherungs⸗ werth von 66 750 1

Die gestrige außerordentliche Generalversammlung der F. Wöhlertschen Maschinenbauanstalt und Eisengießerei, Aktien⸗Gesellschaft, beschloß die Liquidation des Gesellschafts⸗ unternehmens und wäahlte die Liquidatoren. Die Gesellschaft wurde am 31. Januar 1872 mit einem Grundkapital von 9 750 000 gegründet.

Die Generalversammlung der Aktiengesellschaft Brauerei Friedrichshöbe genehmigte die Bilanz und die Vertheilung einer Dividende von 20 % und ertheilte der Versammlung Decharge. Nach dem Geschäftsbericht wurde dieses Ergebniß erzielt durch eine Steigerung der Produktion um 17 000 hl, mit welcher der gesteigert⸗ Absatz Hand in Hand ging. Produzirt wurden 1880/81 60 483 U oder 76 036 hl. 1381/82 73 391 t oder 92 263 hl, 1882/83 87 03 t oder 109 411 hl. Verkauft wurden 1880/81 60 556 t oder 76 127 hl, 1881/82 70 985 t oder 89 238 hl, 1882/83 86 458 t oder 108 690 hl.

London, 3. Dezember. (W. T. B.) Bei der am Sonn⸗ abend abgehaltenen Wollauktion waren Preise 1e

Glasgow, 3. Dezember. (W. T. B.) Die Verschiffungen von Roheisen betrugen in der vorigen Woche 9000 gegen 12 200. Tons in derselben Woche des Vorjahres.

Bradford, 3. Dezember. ( T. B.) Wolle schwächer, aus Mangel an Käufern ungefähr billiger, für Exportgarne zu billigeren Preisen Nachfrage, Spinnerei fest, Stoffe ruhiger.

Washington, 3. Dezember. (W. T. B.) Die Schuld der Vereinigten Staaten hat im Monat November um 1 720 000 Doll. abgenommen. Im Staatsschatze befanden sich Ende Noyember 364 770 000 Doll.

Berlin, 4. Dezember 1883.

St. Petersburg, 3. Dezember. (W. T. B.) Hier sind 4 Grad Kälte eingetreten; aus Schlüsselburg wird gemeldet, daß das Eis in großen Massen aus dem Ladogasee in die Newa trete.

Die erste Weihnachtswoche im Krollschen Theater hat bewiesen, daß auch die Wahl der diesjährigen Ausstellung von einer glücklichen Hand geleitet worden ist. Der Besuch des Etablissements ist ein sehr reger und gilt genz abgesehen von der hübschen Zauberposse im Königssaal namentlich den Wundern aus alter und neuer Zeit, welche die dekorative Ausstattung des Römer⸗ und Rittersaales bietet. Das Pancrama des Niederwald⸗Denkmals erfreut sich fortdauernd eines ganz besonders lebhaften Interesses. 1

Im Belle⸗Alliance⸗Theater hat sich die Jacobsonsche Gesangsposse „Ein gemachter Mann“ auf das Erfolgreichste einge⸗ führt, denn am Sonnabend war das Haus ziemlich, am Sonntag aber schon kurz nach der Kasseneröffnung ausverkauft.

Walhalla⸗Theater. Daß die Operette „Nanon“ immer

mehr gefällt, beweist das jetzt allabendlich wohlbesetzte Haus und der

lebhafte Beifall, mit welchem die vielen hübschen Nummern des heiteren Werks von dem Auditorium aufgenommen werden. Aller⸗ dings trägt das frische, muntere Spiel des gesammten Personalt, vor⸗ nehmlich aber die ausgezeichneten Leistungen der Damen Jenny Stubel und Helene Meinhardt sowie auch die gesanglich schöne Ausführung seiner Partie durch Hrn. Drucker und der unversiegliche Humor des Hrn. Link hauptsächlich zu dem Erfolge bei. Das Walhalla⸗Operetten⸗ Theater konnte in der That keinen glücklicheren Griff thun und wird auf Mo hinaus aller Repertoiresorgen enthoben sein

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Ihren gestrigen letzten Quartett⸗Abend des 1. Cyklus eroffneten die Hrrn. Joachim, de Ahna, Wirth und Hausmann im Saale der Sing Akademie mit des jüngst verstorbenen Rob. Volk⸗ mann Quartett G-moll, Op. 14, dessen erster Satz, ein Allegro con spirito, mit seinem festen, klaren Motiv von wunderbarer Wirkung ist. Auch das sprudelnde Scherzo (Allegro molto) ist vortrefflich, dagegen fallen das Andante und das Schluß⸗Allegro energico etwas ab. Die zweite Nummer des Programms bildete Mendelssohns an⸗ muthiges Es dur⸗Quartett (Op. 12), den Schluß Beethovens F-dur- Quartett (Op. 59) mit dem russischen Thema im letzten Allegro. Das Eindringen in den Geist der Komposition und das harmonisch inein⸗ andergreifende einheitliche meisterhafte Spiel der Concertgeber brachten die Schönbeiten der vorgetragene Komposition zu vollster Geltung, und der reichste Beifall lohnte ihnen verdientermaßen für den Hockgenuß, den sie nicht nur an diesem Abend, sondern in dem ganzen Cvelus dem kunstverständigen Publikum bereitet haben. Erfreulicherweise wird auch in dieser Saison noch ein zweiter Cyelus dieses Quartetts veranstaltet werden und voraussichtlich am Sonnabend, den 29. De⸗ zember d. J. beginnen. Zu diesem 2. Cyelus sind Abonnements in der Sing⸗Akademie bei Hrn. Schaeff zu haben. Die Abonnenten des 1. Cyelus, welche ihre bisherigen Plätze wieder zu haben wünschen, haben die Billets bis Donnerstag, den 20. d. Mts., Abends 6 Uhr, umzutauschen.

Im Concerthause wird Hr. Hof⸗Musikdirektor Bilse morgen den Todestag Mozarts durch einen „Mozart⸗Abend“ feierlich begehen. Das Programm enthält zwei der schönsten Symphonien des unsterblichen Meisters: die große in Es-dur (1788) und die dreisätzige in D-dur (1786). Außerdem bringt der Abend das herrliche Adagio aus dem Streich⸗ Quintett G moll (1787), den türkischen Marsch, instrumentirt von Pascal, das Adagio aus dem Concert für Harfe und Flöte (1778), ge⸗ spielt von Frl. Jansen und Hrn. Mols, sowie endlich noch eine Novität (für Berlin): Orgel⸗Sonate in C-qur mit Begleitung von Streich⸗In⸗ strꝛumenten (1780), für den Concertgebrauch eingerichtet durch Rhein⸗ berger und gespielt von Hrv. John Moeller.

Im Cireus Renz hielt „Hunolf“, der lustige fahrende Sänger und „Rattenfänger von Hameln“, am Sonnabend wieder seinen Ein⸗ zug und wurde von dem sehr zahlreich erschienenen Publikum mit lebhafter Freude begrüßt. Die Handlung ist durch die vorzügliche mimische Darstellung fämmtlicher Mitwirkenden leicht verständlich, und die choreographischen Einlagen, die von dem trefflichen Renzschen Balletecorps sehr erxakt und geschmackvoll getanzt werden, bilden dazu eine glänzende effektvohe Illustration. Die Gruppirungen und Auf⸗ züge, besonders die Auffahrt der Zünfte im dritten Tableau, finden allabendlich reichen Beifall, den sie auch vollauf verdienen. Jeden⸗ falls wird sich der „Rattenfänger“ wieder längere Zeit auf dem Circus⸗Repertoire erhalten.

Literarische Neuigkeiten und periodische Schriften.

Zeitschrift für preußische Geschichte und Landes⸗ kunde, herausgegeben von Const Rößler, Berlin 1883 (E. S. Mittler & Sohn), November⸗Dezember⸗Heft (Nr. 11 u. 12). In⸗ halt: Die märkischen Stände zur Zeit ihrer höchsten Blüthe. 1540 bis 1550. IV. Dr. Georg Winter. Verzeichniß der in den zwanzig Jahrgängen dieser Zeitschrift enthaltenen Artikel nach der alphabetischen Ordnung der Verfasser. Verzeichniß der in den zwanzig Jahrgängen dieser Zeitschrift enthaltenen Artikel nach der alphabetischen Ordnung der Gegenstände.

Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbfleißes. 1883. IX. Heft. Inhalt: Abhandlungen. C. Vermischte Abhandlungen. Ueber die Sicherungsmaßregeln gegen schlagende Wetter beim Steinkohlen⸗Bergbau, mit besonderer Rück⸗ sicht auf die Aus⸗ und Vorrichtung und die Wetterführung in den Steinkohlengruben Deutschlands. Von Hoernecke in Halle a. d. Saale. Darlegung und Beurtheilung der beim Steinkohlen⸗Bergbau Deutschlands gebräuchlichen Arten der Aus⸗ und Vorrichtung und der Wetterführung, sowie der für diese getroffenen Vorkehrungen in Beziehung auf ihre Zweckmäßigkeit und die Gewähr ausreichender Sicherheit beim Vorhandensein schlagender Wetter. Von F. Sim⸗ mersbach in Bochum. Hierzu der Sitzungsbericht vom 5. No⸗ vember 1883. 1

Der Arbeiterfreund. Zeitschrift für die Arbeiterfrage. KXI. Jahrgang. Drittes Vierteljahrsheft. Inhalt: 1) Abhand⸗ sungen: Die Unfallversicherung der deutschen Arbeiter zur See. Von p. Chr. Hansen. Die rechtliche Stellung der Seeleute bei Schiffs⸗ unfällen. Vom Ober⸗Landesgerichts⸗Rath Dr. jur. C. Silberschlag. Die Arbeiterverhältnisse und deren Statistik im Königreich Italien. Von Oskar Elb. Die amerikanische Konkurrenz und der ländliche Arbeitslkohn in England und Norddeutschland. Von Professor Dr. Erwin Nasse. Frederik Engel⸗Dollfus 16. Sep⸗ tember 1883. Von Dr. Victor Böhmert. Die Arbeiterfrage und die innere Mission. Von Dr. Viector Böhmert. II. Handfertig⸗ keit und Hausfleiß: Der zweite allgemeine Handfertigkeitskursus des Herrn von Clauson⸗Kaas. Der Hausfleiß in Rußland. Von P. Schmidt. Knabenhort. Neeure Literatur, betreffend Handfertigkeit, Hausfleiß, Hausindustrie, Kinderbeschäftigung. III Materialien für praktische Versuche zur Lösung der Arbeiterfrage: 12) Das italienische Gesetz vom 8. Juli 1883, betreffend die Gründung einer nationalen Arbeiter⸗ Unfallversicherungskasse. 13) Statuten der Krankenkasse der Fabrik von Mey u. Cdlich in Plagwitz⸗Leipzig. 14) Statut für das Todtenopfer der Mitglieder der Mey u. Edlichschen Krankenkasse. IVW. Literatur über die Arbeiterfrage: Bibliographie. V. Viertel⸗ jahrs⸗Chronik: Wirthschaftlich⸗soziale Umschau für Juli bis Sep⸗ tember 1883. Berichte und Notizen. VII. Sprechsaal und Correspondenz. .

Illustrirte Berliner Wochenschrift „Der Bär’. Verlag von Gebrüder Paetel in Berlin W., redigirt von Emil Do⸗ minik. Nr. 9. 10. Jahrgangs. Inhalt: Der Günstling des Prinzen, historischer Roman von E. H. v. Dedenroth (Fortsetzung). „Die Berliner Oper von heute“ von Franz Gilleis. Erster Artikel (mit den Porträts von Anna Sachse⸗Hofmeister und Albert Nie⸗ mann). Ein angenehmer Spaziergang vom Königlichen Schlosse bis in den Thiergarten 1769 von Ferdinand Meyer. Das „Buch von der Königin Luise“ von Dr. Georg Horn (mit den Illuftrationen „Kronprinzessin Luise“ und „die Königliche Familie in Paretz’“. Die projektirten Neubauten in der Nähe der Museumsinsel. Trink⸗ wasser für Berlin ꝛc. Inserate. 1

Nr. 10. Inhalt. Der Günstling des Prinzen, historischer Roman von E. H. v. Dedenroth (Fortsetzung, mit dem Porträt des Prinzen Louis Ferdinand von Preußen). In den Räumen des Berliner Gymnasiums „zum grauen Kloster“ von Oskar Schwebel (Fortsetzung), mit der Illustration „der ehemalige Kapitelsaal im grauen Kloster zu Berlin). Die „Berliner Oper von heute von Franz Gilleis. Zweiter Artikel (mit den Porträts von Vilma von Voggenhuber und Franz Krolop). Carl Fasch, der

Stifter der Berliner Sing⸗Akademie (mit Porträt). Eine Wan⸗

derung durch das Hohenzollernmuseum von Dr. Georg Horn (Schluß).

Ein Königsgeschenk, Berliner Neubauten. Umgestaltung der alten Stadttheile Berlins. Märkische Post. Scharfrichterbesol⸗ dung. Eisbahn an der Rousseauinsel ꝛc. Inserate.

Redacteur: Riedel.

Berlin:

Verlag der Expedition (Kessel). Druck: W. Elsner.

Fünf Beilagen 8 (einschließlich Börsen⸗Beilage).

.

8 8

Erste Beilage

chen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preu⸗

Berlin, Dienstag den 4. Dezember

.

ß

Königreich Preußen. Finanz⸗Ministerium.

Zusammenstellung der pro Oktober⸗Termin 1883 durch die Provinzial⸗Rentenbanken erzielten Resultate (excl. Ratzeburg).

Am 1. Okrober 1883 sind an Renten übernommen:

Die Berechtigten haben dafür Abfindungen erhalten:

8

zu 2⁄0 des Betrages der vollen Rente (4 ½ %)

a. b.

aus der von den

Staats⸗Kasse Ver⸗

Summa zu 9/10 a.

8 des Betrages

der vollen Rente (5 % . und b.

pflichteten (4 ½

. Aℳ

in Rentenbriefen

Summa

vollen 65 ;

sämmtlicher di ůür 2 S 8 f ie für die Suumnaa Renten Renten

Staats- Prirat⸗

%) re nte

Die Kapita⸗ ö6“ lien, welche An Die im von den

Renten-⸗ Mai 1883 9b7

Ablösungs⸗ ausge⸗ 1sfachen Be⸗

Kapitalien [loosten, am 1v sind 1. Oktober Staatskasse

pro Oktober- 1883 fieingezahlt

Termin 1883] fälligen für die Be⸗

gekündigt Renten⸗ chtigten die resp. briefe

in Renten⸗ eingezahlt betragen

baar Summa (Kapital⸗

spitzen) Abfindungen.

briefen ver⸗ langt haben, betragen:

.Königsberg. Breslau. Berlin .Magdeburg, und zwar: aus der Provinz Sachsen n Hannover Münster und zwar: aus Westfalen und Rhein⸗ 822 GBά B½Z]. 732 38 3 5149 aus der Provinz Hessen⸗ Nassau 145 80 10 679 4 1114“1“ 29 247 90 Stettin, und zwar: aus der Provinz Pom⸗ “; aus der Provinz Schleswig⸗ Holstein 3 68 17 ½

73 656 90 6 080 80 44 069 10

238 95

35 433 900 33 1 436 40 2

1 461,—

28 8eh ee 44 0128 9

73 670 40

6 080˙80 44 076 53 7

9

14 247 28 10 29 247 90 736 28 609 80

44 08107 ½

196 20— 73 870 8) 18520 600 1 670 900 2539 8 619,80 183 780 183 780 2 201 80 46 278 33 1 013 400 1 013 565

777 765 783 075

35 730 67 7099 30

85 57 80 40 4 201 90

2 7

1 216 30

15 463 58

12 05770 29 983 90

256 650 655 800

259 800 655 800

28 609 80 653 20]044 734 27 ½

882 ae, 632 325 988 1100 989 625

V

11 144 1641 044— 19 981 52 218 475 v= 2 128 88 % 185 908 88 ¾ 77 043 93 807 000 1 9 949 33 ½% 1 023 514 33 % 35 653 11 408 450

10 811 06 793 886 06 91 432 84 389 67 148 424 67 34 84

409 680 22 290

340 932 15

265 210 02 664 673 33

V

635 773 33 % 18 851 25

33 983,18

5 509 94 9 503 38

5 410 02 8 873 33 %

3 448 33 %

3 018 44 % 992 643 44 326 83371

Summa 2 642 63 ½ y286 766 60

Hierzu aus den früheren

Uebernahme⸗Terminen 1 301 924 17435 275 —-

So 100 25172

13 034 70 ꝑ302 443 93 ½

1 230 810 30ʃ19 968 009 78 ½ 28 922 850]410 351 175 439 274 025

6 571 320% y6 629 130

6 692 010 22% 626 327/70

12 839 718 /17 46 68von rückgängig gewor⸗ v 1 R %

1 724 391 74 /9⁄¾440 998 416 7469%12 839 671 4985 184 025⁄26 038 490,—

62 880 23 %

Summa 1 304 „Außerdem sind an Renten übernommen und haben die Berechtigten dafür an Schuldverschreibungen er⸗ halten: a. von der Paderborner Niloungste ie . b. von der Eichsfeldschen Tilgungskasse 1

1 243 845 [20 270 28 980 660]⁄4 16 922 495]445 903 155

8

243 154,3 6 090 000

128 970 37 3 437 745

1 787 271, 98 [447 690 426 98 13 465 999 19,88 316 040826 091 347—

8 936 04 6098 93604 1 002 672 59 6

3 437 745 352 754 77]1 1 585 245

Ueberhanpi

20 642 578 40

1455 430 900 1 796 208 02 [457 227 108,02 s14 821 426 55195 991 285826 091

Nichtamtliches.

Preußen. Berlin, 4. Dezember. Im weiteren Verlaufe der gestrigen (7.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten wurde die zweite Berathung des Ent⸗ wurfs des Staatshaushalts⸗Etats für 1884/85 (Etat der Domänenverwaltung)h fortgesetzt.

„Der Abg. Frhr. von Minnigerode vertheidigte seine früheren Aeußerungen bezüglich der fortschrittlichen Angriffe auf die Landwirthschaft. Auch er habe früher zu den Frei⸗ händlern gehört, man könne doch aber in diesen Dingen nicht dogmatisch vorgehen, sondern sich nur nach politischen und wirthschaftlichen Konstellationen richten. Die Lage der Industrie sei keineswegs für die Landwirthschaft gleichgültig. Sollten also auch die Zollergebnisse nicht indirekt für die Landwirthschaft günstig gewesen sein, so würde dies durch die indirekten Vortheile durch die Blüthe der Industrie aufgewogen. Die Erfolge der Viehzucht in Ost⸗ preußen seien ja recht erfreulich. Was aber dort auf Grund ünstiger Bodenverhältnisse, des Futterreichthums möglich sei, ei es nicht in Gegenden mit armem Boden. Für die deutsche Landwirthschaft könne man keine allgemeinen Rezepte geben. Dem Abg. Rickert sage er ohne Ironie: es sei recht schwer, gegen denselben zu polemisiren. Gegen den Abg. Quadt sei es leicht, denn derselbe kenne die Landwirthschaft, und sei in ihr groß geworden. Der Abg. Rickert stehe ihr fern. Wie man nach den gemachten Erfahrungen für Neuveräußerungen der Staats⸗Domänen noch eintreten könne, sei ihm unbegreiflich von einem Manne, der mit der altpreußischen Finanzwirthschaft verschwägert zu sein scheine. Er dürfe in Uebereinstimmung mit der Auffassung seiner Freunde sagen, daß, wenn seine Partei in der Hauptsache nicht für Veräußerungen sei, so wolle sie es sich doch in Aus⸗ nahmefäallen, wo es sich um Tausch und kleine Parzellen handele, gefallen lassen. Prinzipiell wünschten seine Zolitischen Freunde eine nachhaltige Zerstückelung des Grundbesitzes gewiß nicht. Es sei bekannk, welches Fiasko die Domänen⸗Veräußerung in dem Stralsunder Bezirke gemacht habe, welche traurige Existenzen man da geschaffen habe. Er wisse aus persönlicher Erfahrung in Preußen, wie vergeblich die Hoffnung gewesen sei, daß bei der massenhaften Par⸗ zellirung der Bauerngrundstücke eine Masse von kleinen An⸗ siedelungen geschaffen werden sollten. Die Parzellen würden viel⸗ mehr von den Nachbarn zugekauft, um ihre Grundstücke zu vergrößern. Die Rechte dieses Hauses wolle keine Zerstücke⸗ lung des bäuerlichen Besitzes. In Eisenach habe man den Bauern weiß machen wollen, daß der preußische Domänenbesitz so groß wäre, daß den nachgeborenen Söhnen große Bauern⸗ güter zufallen würden. Der Abg. Rickert sei heute in das . 1 2 Fahrwasser der Eisenacher Bestrebungen eingelenkt, und stehe nun im Bunde mit dem Abg. Parisius, der auch als Bauer in Eisenach gewesen sei. Ueber die Lage der Landwirthschaft habe das Landes⸗Oekonomiekollegium eine sehr bemerkenswerthe Resolu⸗ tion gefaßt, dahingehend, daß die Lage des Großgrundbesitzes so sei, daß sie eine weitere Klarstellung verlange in Bezug auf

1“ v

Verschuldung, Belastung, Veräußerung u. dergl., und daß der Minister zu ersucheu sei, zu berücksichtigen, wie eine Befestigung des Bauernstandes überhaupt herbeizuführen sei. Er möchte diese Resolution dem Minister zur Erwägung anheimstellen.

Der Abg. von Rauchhaupt bemerkte, der Abg. Rickert behaupte, der Bauernstand fange erst jetzt an zu denken. Habe denn der Bauernstand nichts gedacht, als derselbe die konservativen Abgeordneten gewählt habe. Auch irre der Abg. Rickert gar gewaltig, wenn derselbe glaube, den Bauern sei erst in Eisenach eine Leuchte aufgesteckt worden. Wenn ferner der Abg. Rickert die Rechte darauf habe festnageln wollen, daß sie keine Domänenparzellirung wolle, so merke er wohl, welche Hintermänner der Abg. Rickert dabei im Auge gehabt habe, es sei das der Speck, womit man die Leute fangen wolle. Man solle die Konservativen doch nicht vor dem Bauernstand denunziren, als ob sie überhaupt alle Parzellirungen verhindern wollten. Dagegen habe man darüber noch keine Auskunft, was der Minister in Bezug auf den vorzährigen Antrag von Huene und die dazu vom Hause gefaßten Be⸗ schlüssec, betreffend eine Statistik der Verschuldung des Grund⸗ besitzes veranlaßt habe. Das Haus habe bisher erst ein Büch⸗ lein Berichte erhalten, die für ein Gesammturtheil nach der Meinung Sachverständiger absolut noch nicht genügend seien. Die Hypothekenbücher allein seien nicht die richtigen Quellen, um die Verschuldung des Grundbesitzes festzustellen; es ständen un⸗ zählige Hypotheken ungelöscht darin, die hätten gelöscht werden müssen. Man müßte insbesondere sich an die Landräthe wenden, denn diese als einschätzende Beamte könntenallein ein richtiges Bild über die Lage der Verschuldung der Landwirthschaft in ihren Kreisen liefern. Es wäre ferner wünschenswerth, wenn der Minister bei der Subhastationsstatistik auch Ermittelungen über die Gründe der Subhastationen in den einzelnen Fällen anstellte, ob z. B. schlechte Wirthschaft, Trunksucht oder der⸗ gleichen die Ursachen seien. Derartige Aufnahmen könnten vielleicht in den einzelnen Kreisen von fünf zu fünf Jahren eintreten. Ihm scheine, als scheue man sich, den Finger in die Wunde zu legen; aber die Verhältnisse im Allgemeinen seien nicht so schlecht, um diese Scheu zu rechtfertigen.

Hierauf nahm der Minister für Landwirthschaft, Domä⸗ nen und Forsten Dr. Lucius das Wort:

Ehe ich auf die Bemerkungen des Abg. von Rauchhaupt eingehe, habe ich mich noch mit einigen kurzen Bemerkungen mit dem Abg. Rickert auseinanderzusetzen. Einen Theil seiner Ausführungen, die es zweifelhaft erscheinen lassen müssen, ob auch die landwirthschaftliche Bevölkerung ein Interesse an der geänderten Wirthschaftspolitik habe, hat ihm meines Erachtens der Abg. von Minnigerode vollständig zutreffend beantwortet: der beste Konsument für die heimische Land⸗ wirthschaft ist eine blühende Industrie, und der Aufschwung, den die Industrie seit dem Jahre 1879 wiedergewonnen hat, hat aller⸗ dings sehr wesentlich mit dazu beigetragen, die heimische Produktion durch eine gesteigerte Konsumtion einigermaßen zu heben. Es wird nicht zweifelhaft sein, daß in der Zeit, als in Westfalen die Eisenindustrie blühte, als aus Sachsen und anderen Pro⸗

w„der allseitigen Beschäftigung mit

vinzen die Gerste und das Fettvieh dorthin in erster Linie ging, daß da auch die Landwirthschaftindustrie prosperirte. Ich meine ferner, eine der wesentlichsten Früchte der veränderten Wirthschaftspolitik und

wirthschaftlichen Formen ist, daß in

landwirthschaftlichen Kreisen die Solidarität dieser Interessen, die früher auseinandergerissen und gegen einander gestellt wurde, daß die sich wieder vereinigt wissen. Aber nicht blos in dieser i direkten Beziehung hat die Landwirthschaft ihren Nutzen habt, ich kann doch auch daran erinnern, daß der S erlaß, der ausgesprochen ist, auch gerade der landwirthschaft⸗ lichen Bevölkerung zu Gute kommt, und daß gerade der land⸗ wirthschaftlichen Bevölkerung, die in der untersten Klassensteuerstufe vorwiegt, die Aufbringung von Baarmitteln außerordentlich schwierig ist, so gering sie an sich sind. In den untersten kleinlandwirthschaft⸗ lichen Kreisen findet noch heutigen Tages eine Naturalwirthschaft statt, d. h. sie konsumiren, was sie produziren, und das ist auch schon bei früheren Gelegenheiten hervorgehoben worden, daß diese Kreise selbst wenn eine Vertheuerung der landwirthschaftlichen Erzeugnisse einträte, die selbstgewonnenen Produkte verzehren und über⸗ haupt nicht von der Vertheuerung berührt werden, daß sie aber

die kleineren Ueberschüsse, die sie in ihrer Wirthschaft durch höhere

Sböö ihrer Produkte gewinnen können, sehr gut brauchen önnen.

So klein diese Anfänge zum Bessern sind, so glaube ich, kann man lie doch nachweisen. In den Gegenden, wo sich größere Land⸗ wirthe befinden, sind sie die Träger des landwirthschaftlichen Fort⸗ schritts und sind diejenigen, die den kleinen Landwirthen vorangehen und helfen müssen, um wirthschaftlich voranzukommen —, sind sich auch dieser Aufgabe bewußt, und ich erinnere in dieser Beziehung, daß auch schon hier und da kleine Erfolge nachzuweisen sind. Es sind z. B. in Hessen, in meiner Gegend, wo früher sehr über Wucher geklagt wurde und in diesem Falle sogar von einem Großgrundbesitzer einem Standesherrn Sammelmolkereien ins Leben gerufen worden, wohin der kleine Landwirth seine wenige Liter Milch abführen kann, sein Konto und am Monatsschluß seinen Betrag bezieht. Diese Sammelmolkereien setzen ihre Produkte wiederum in der nächsten Umgegend, in den Industriebezirken ab und schon diese wenige Steigerung der Milcherträge kommt der Bevölke⸗ rung zu Gute, ebenso wie die Steuererlasse.

Es ist och femer zu sogen; es ist nicht ge⸗ lungen, im Reichstag die Ausgaben irgendwie nennenswerth zu reduziren; wir stehen auf diesem Gebiet wie auf allen Staatsgebieten fortwährend gesteigerten Ansprüchen gegenüber, die staatsseitig nothwendig befriedigt werden müssen. Wenn wir also jetzt trotz der Steigerung der nothwendigsten Ausgaben in der Lage gewesen sind, einen Steuererlaß auszusprechen, wenn er sich auch nur auf 20 Millionen beläuft, so ist das ein sehr wesentlicher wirthschaft⸗ licher Erfolg. Ohne diese Einnahmeerhöhungen im Reichstag wäre nicht nur kein Erlaß möglich gewesen, sondern eine wesentliche Steigerung der direkten Steuern wäre eingetreten, welche in erster Linie auch die landwirthschaftliche Bevölkerung belastet haben würde. Ich glaube also, daß man mit Recht sich darauf berufen kann, daß die Wirth⸗ schaftspolitik in sehr großem Umfange auch der landwirthschaftlichen Bevölkerung hoch und niedrig zu gute kommt und schon gekommen ist. 3

Meine Herren! Was die Anfrage des Hrn. Abg. von Rauchhaupt anbetrifft, so erlaube ich mir Folgendes zu erwidern. Ich muß in dieser Beziehung eigentlich das im Wesentlichen wiederholen, was ich im Landes⸗Oekonomie⸗Kollegium des Längeren schon ausgeführt habe. Es wäre ja vollkommen unverständlich, wenn das landwirthschastliche Ministe⸗ rium, wo die Verwaltung des größten Land⸗ und Forstbesitzes im Staat liegt, allein unempfänglich sein sollte für die Bewegung, die sich auf dem landwirthschaftlichen Gebiete vollzieht. Der Wunsch, das Be⸗ streben, sich über die Lage der landwirthschaftlichen Verhältnisse auf⸗ zuklären und Untersuchungen anzustellen, ist deshalb gewiß an keiner Stelle lebhafter, als gerade im landwirthschaftlichen Ministerium. Diese Anschauung hat auch schon wohl im Jahre 1881, also ein Jahr frü⸗

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