1883 / 286 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 05 Dec 1883 18:00:01 GMT) scan diff

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Beilage.

Der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Hauses der Abgeordneten kefindet sich in der Ersten

8 In der heutigen (9.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Vize⸗Präsident des Stuats⸗

Ministeriums, Staats⸗Minister von Puttkamer und der

Staats⸗Minister von Boetticher nebst mehreren Kommissarien beiwohnten, theilte der Präsident mit, daß von dem Abg. Zelle ein Antrag, betreffend die Abänderung der Städteordnung von 1853, eingegangen sei.

Das Haus trat hierauf in die Tagesordnung ein, deren erster Gegenstand die Berathung des Antrages des Abg. Dr. Stern war, betreffend die Einführung der geheimen Abstimmung bei den Wahlen zum Abgeordneten⸗

ause und zu den Kommunalvertretungen. Der

Antrag lautet:

Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen:

die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, den beiden Häusern des Landtages im Laufe der jetzigen Legislaturperiode Vorlagen zu machen, durch welche unter Abänderung der bestehenden gesetzlichen Bestimmungen die öffentliche Stimmabgabe bei den Wahlen zum Abgeordnetenhause und zu den Kommunalvertretungen beseitigt und durch geheime Abstimmung ersetzt wird.

Der Abg. Dr. Stern führte zur Begründung seines An⸗

trages aus, daß die Sache, welche derselbe berühre, keine Frage einer einzelnen Partei sei. Petitionen, die sich mit einer Ab⸗

annderung des Wahlverfahrens für das Abgeordnetenhaus und die kommunalen Vertretungen befaßten, seien von allen

Seiten des Hauses befürwortet worden. Wenn man trotz derselben bis jetzt um keinen Schritt in dieser Angelegenheit vorwärts gekommen sei, so erkläre sich das aus dem Bedenken des Hauses, eine Frage von solcher Tragweite aus Anlaß von Petitionen allein zu regeln, und die Regierung habe sich den Petitionen gegenüber stets dilatorisch verhalten. Er habe sich bemüht zu verhüten, daß durch seinen Antrag eine Parteifrage aufgeworfen würde. Er würde sonst vielleicht die Einführung des gleichen allgemeinen Wahlrechts beantragt Ssg So aber bescheide er sich, einen notorischen Nothstand zu be⸗ eitigen, indem er vor der Hand die Einführung der geheimen Wahl für das Abgeordnetenhaus und die städtischen Vertre⸗ tungen beantrage. Redner versuchte des Weiteren nachzu⸗ weisen, daß ein Nothstand durch die öffentliche Wahl geschaffen sei. Man habe dieselbe eine Kontrole der Wahrheit genannt; allein dieselbe sei thatsächlich eine Kontrole der Unwahrheit geworden. Wer jemals einen Beamten bei der Stimmabgabe gesehen, der müsse nothgedrungen ein Freund der geheimen Wahl werden. Durch seinen Antrag solle die Regierung ge⸗ zwungen werden, aus ihrer dilatorischen Stellung zu dieser Frage herauszutreten.

Der Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums, Staats⸗ Minister von Puttkamer, erklärte, daß die Regierung allerdings ewillt sei, ihren dilatorischen Standpunkt zu der angeregten Frage aufzugeben. Dieselbe werde dem Antrage des Abg. Stern einen nachdrücklichen Widerstand entgegensetzen, weil man wisse, daß derselbe nur ein Vorstoß sei gegen eine der wichtigsten Bestimmungen der preußischen Ver⸗ fassung. Der Abg. Stern habe allerdings erklärt, keinen Angriff auf die Regierung oder irgend eine Partei machen zu wollen; trotzdem habe derselbe zwar in kurzen Worten, aber doch in der ausbündigsten Weise die Re⸗ gierung und den Großgrundbesitz, sowie die Kapitalisten an⸗

gegriffen. Dagegen habe es geschienen, als ob die Fortschritts⸗

partei in dem Wahlkampf wie ein unschuldsvoller Engel dastehe. Er wolle dem Bilde ein richtigeres Kolorit geben. An dem Mißbrauch des Einflusses auf die Wahl trage die Fortschrittspartei ihr gerüttelt und geschüttelt Maß. Keine Partei habe an Verhetzung und Verleum⸗ dung der Parteien so viel geleistet, als die Fort⸗ schrittspartei. Er verstehe auch den Antrag nicht recht. Auf allen Gebieten habe das Prinzip der Oeffentlichkeit Platz ge⸗ griffen, und nun komme man und wolle dasselbe bei der Bethätigung des politischen Lehbens beseitigen. Allerdings sei für die Reichstagswahlen die geheime Wahl eingeführt, aber es verlohne sich wohl die Frage zu untersuchen, ob sich dieses Wahlsystem bewährt habe. Fuüͤr die Regierung sei dies zum Mindesten zweifelhaft. Die poli⸗ tische Moral sei durch die geheime Wahl nicht gefördert wor⸗ den und die preußische Regierung könne vielleicht in Erwägung ziehen, ob sie ihren Einfluß in Bundesrathskreisen nicht be⸗ nutzen solle, um die geheime Abstim ung für den Reichstag wieder abzuschaffen.

Der Abg. Dr. Graf von Posadowsky Wehner erklärte,

daß seine Partei es für inopportun erachte, auf den Antrag Stern einzugehen. Derselbe greife tief in das Verfassungs⸗ leben ein. Man dürfe auf das Wahlsystem für den Reichs⸗ tag nicht exemplifiziren; das deutsche Volk habe dieses Wahl⸗ system erhalten für die Opfer, welche dasselbe in dem großen Kriege gebracht. Der Abg. Dr. Virchow glaubte, daß noch unter keiner Regierung ein solcher Druck auf die öffentliche Meinung bei den Wahlen ausgeübt sei, als unter der gegenwärtigen. Zug⸗ weise habe man bei den Wahlen für die städtische Vertre⸗ tung Berlins die Beamten für die der Regierung genehmen Kandidaten stimmen sehen. Der Minister beklage den Ver⸗ fall der politischen Moral. Aber trage nicht die Regierungspresse die Hauptschuld an dieser betrübenden Erscheinung? Der Minister habe gedroht, daß man auch für den Reichstag die geheime Wahl wieder beseitigen könne. Er warne den Minister sehr vor einem solchen Schritte. Die ge⸗ heime Wahl sei eine Hauptsäule für die Zusammengehörigkeit zwischen Nord und Süd. Das Gefühl dieser Zusammen⸗ gehörigkeit sei in der letzten Zeit schon bedeutend gelockert; man solle sich darum sehr hüten, weiter an diesen Säulen zu rütteln.

Bei Schluß des Blattes ergriff der Staats⸗Minister von Puttkamer nochmals das Wort.

Der General⸗Inspecteur der Artillerie, General⸗Lieute⸗ nant von Voigts⸗Rhetz ist von Inspizirungsreisen hier wieder eingetroffen.

Die General⸗Lieutenants von Kleist, Commandeur der 1. Garde⸗Infanterie⸗Division, und von Oppell, Com⸗ mandeur der 2. Garde⸗Infanterie⸗Division, haben sich auf einige Tage mit Urlaub nach Dessau begeben.

Der General Major von. Brozowski, Commandeur der 2. Garde⸗Kavallerie⸗Brigade, ist zum General⸗Lieutenant befördert worden 111“ 1 de Courcel, ist

lach Berlin zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Botschaft wieder übernommen. 6 schaf

Württemberg. Stuttgart, 1. Dezember. (St.⸗A. f. W.) Die Königin hatte heute die vormaligen und den der aaligen Commandeur des Grenadier⸗ Regiments ihres Namens nächst der Herzogin Vera, dem kommandirenden Ge⸗ neral und den betreffenden Personen vom Dienst zur Tafel gezogen. Während der Tasel trank Ihre Majestät auf das Wohl ihres Grenadier⸗Regiments und dessen anwesende Führer.

Baden. Karlsruhe, 2. Dezember. (Allg. Ztg.) Die Kammern haben zu Anfang der Woche die Forterhebung der Steuern bis März 1884 genehmigt, Kommissionswahlen vorgenommen, die Rechnungen des Archivariats geprüft und bestimmt, in welcher Weise die übergebenen Gesetzentwürfe erledigt werden sollen. Am Donnerstag beschäftigte sich die Zweite Kammer mit der Interpellation der vereinigten nictliberalen Gruppen wegen des bekannten ministeriellen Wahlerlasses. Der demokratische Abg. Schneider suchte die Interpellation in längerer Rede zu begründen, indem er be⸗ hauptete: der Erlaß habe die Verfassung verletzt, die Wahl⸗ freiheit beeinträchtigt, das Ansehen der Beamten geschädigt, indem diese nach der Ansicht des jeweiligen Ministeriums handeln müßten, und vor Allem in unstatthafter Weise die Person des Landesherrn in die Wahlen hineingezogen. Der Staats⸗ Minister wies diese Vorwürfe zurück: der Erlaß sei frei von jedem Parteistandpunkte, denn die Regierung halte die Wahlfrei⸗ heit hoch. Doch sei ein Wort zur Klärungnothwendig gewesen, weil man die Wähler habe irreführen wollen, als sei eine Aende⸗ rung der Regierungsgrundsätze bevorstehend. Nur ein Wort des Großherzogs habe beruhigen können, dessen Eintreten des⸗ halb Dank verdiene. Zum Wohl des Ganzen sei diese Kund⸗ gebung an die Beamten ergangen. Daß die Wahlfreiheit da⸗ durch nicht beschränkt worden, beweise am besten die Nicht⸗ beanstandung sämmtlicher Wahlen. Schließlich erklärte ssch die Kammer durch den Mund des demokratischen Abgeord⸗ neten von Feder mit den Acußerungen des Ministers befriedigt. Die Erste Kammer berieth am Sonnabend den Entwurf der Adresse an den Thron. Dieselbe befaßt sich im ersten Theil mit den persönlichen Verhältnissen der Großherzoglichen Familie, im zweiten Theile mit den Staats⸗ angelegenheiten und spricht der Regierung den Dank aus für Beilegung des Kulturkampfes, für ihr Festhalten an den be⸗ währten Regierungsgrundsätzen, für die zum Wohl des Volkes dienenden Gesetzentwürfe und für die bekundete deutsche Gesin⸗ nung. Die Redner der verschiedenen Parteirichtungen sprachen sich in würdiger Weise über den Entwurf aus und freuten

sich, demselben beistimmen zu können, was schließlich auch ein⸗

hellig geschah. In der Zweiten Kammer wurde am gleichen Tage eine Veränderung in dem Gesetze über die Ge⸗ währung von Wohnungsgeldzuschüssen an Beamte vorgenom⸗ men. Danach wird die Stadt Constanz in die erste und das Dorf Kehl in die zweite Ortsklasse eingereiht. Diese Bestim⸗ mung wurde mit allen gegen eine Stimme gutgeheißen.

Mecklenburg. Schwerin, 4. Dezember. (Meckl. Anz.) Der Herzog Johann Albrecht ist heute Morgen zum Besuch der Großherzoglichen Herrschaften nach Cannes ab⸗ gereist. Se. Hoheit gedenkt etwa 14 Tage dort zu bleiben und dann hierher zurückzukehren.

Elsaß⸗Lothringen. Straßburg, 4. Dezemnber. (Els.⸗Lothr. Ztg.) Durch landesherrliche Verordnung des Statthalters ist ein am 15. November dieses Jahres von dem Bezirkstage des Ober⸗Elsaß gefaßter Beschluß, durch welchen der Wunsch ausgesprochen wurde, daß bei den Ver⸗ handlungen des Landesausschusses die französische Sprache zugelassen werde, als die gesetzlichen Befugnisse der Bezirks⸗ vertretung überschreitend für nichtig erklärt worden.

Der Ober⸗Schulrath des Landes, der vorgestern hier zu einer Sitzung zusammengetreten war, hat die Tages⸗ ordnung: 1) Erhohung der Schulgeldsätze der öffentlichen höheren Schulen, wie solche auch bereits im Landeshaushalts⸗ Etat vorgesehen, und 2) Umwandlung mehrerer höherer Schulen oder Abtheilungen derselben in Schulen einer andern Art in vierstündiger Verhandlung unter Vorsitz des Stacts⸗ sekretärs zur Erledigung gebracht.

Hesterreich Ungarn. Wien, 4. Dezember. (W. T. B.) Im Abgeordnetenhause brachte der Finanz⸗Minister heute das Budget pro 1884 ein, das von einem Exposé begleitet ist. Nach demselben betragen die Ausgaben 511 100 000 Fl.,, die Einnahmen 472 300 000 Fl.; der

Abgang stellt sich demnach auf 38 700 000 Fl., der

namentlich durch außerordentliche Ausgaben von ledig⸗ lich produktiver Natur hervorgerufen ist. Wenn von den Ausgaben diejenigen von produktiver Natur ausgeschieden werden, so bleibt nur ein Abgang von 5 700 000 Fl., und wenn bezüglich der Finanzgehbahrung von 1883 der nämliche Kalkul angestellt wird, so erscheint das Defizit von 1884 um 4 700 000 Fl. geringer als das von 1883. Der Finanz⸗Minister bemerkt, daß die Regierung strengste Sparsamkeit geübt, jedoch es als heilige Pflicht an⸗ gesehen habe, diejenigen Auslagen zu machen, welche zur Erhaltung einer rationellen gesunden Wirthschaft, insbesondere

für die Entwickelung des Unterrichtswesens, sowie des Ver⸗

kehrslebens unentbehrlich seien. Der Minister erinnert an die Kosten der Arlbergbahn und der galizischen Transversal⸗ bahn, deren Früchte der Staat genießen werde und nach deren Ausbau die Zusammenstellung des Budgets leichter sein werde. Rücksichtlich der Bedeckung habe sich die Regierung gewissenhaft an die Thatsachen gehalten. Die direkten und indirekten Steuern ergaben in den ersten 9 Monaten des Jahres 18838 um 6 ½ Millionen mehr als in der gleichen Periode des Jahres 1882. Das Mehrerträgniß der Steuern und Zölle ermögliche die Amortisation der Staatsschuld aus den Mehrerträgnissen ohne Inan⸗ spruchnahme der ausgefertigten 15 ½ Millionen Rente,

welche noch in den Staatskassen zur Verfügung stehen

und, wie der Finanz⸗Minister hofft, größtentheils zur Deckung des Defizits von 1884 verwendet werden können. Schließlich richtet der Minister e nen dringenden Appell an das Ab⸗ geordnetenhaus für die Genehmigung der finanziellen Vor⸗ lagen behufs definitiver Ordnung des Staatshaus halts. Pest, 3. Dezember. (Prag. Abendbl.) Der ungarische Episkopat hält hier eine Berathung ab über die Stellung⸗ nahme zu dem Gesetzentwurf über die Ehen zwischen Christen und Juden. Den Vorsitz führt der Fürstprimas Simor. Schweiz. Bern, 4. Dezember. (W. T. B.) Der Bundesrath hat die auswärtigen Regierungen zur Beschickung einer diplomatischen Konferenz behufs Auf⸗

stellung gemeinsamer Bestimmungen über den inter⸗ nationalen Schutz des litercrischen und künst⸗ lerischen Eigenthums eingeladen.

Großbritannien und Irland. London, 5. De⸗ zember. (W. T. B) Dem „Reuterschen Bureau“ wird aus St. Mauritius unter dem 22. November gemeldet, daß aus Madagaskar dort eingetroffene Nachrichten be⸗ stätigten: die Franzosen hätten Mohambo und Tene⸗ riffa an der Nordostküste von Madagaskar beschossen. Zwei französische Fregatten sollen ferner abgesandt worden sein, um das Fort „Dauphin“ und andere Punkte an der Südküste der Insel zu bombardiren.

In Sydney hat die interkoloniale Konferenz einstimmig eine Reihe von Resolutionen zu Gunsten der Annexion New⸗Guineas angenommen.

Calcutta, 4. Dezember. (W. T. B.) Der Vize⸗König hat heute in Gegenwart des Herzogs und der Herzogin von Connaught und begleitet von den Vertretern der Civil⸗ und Militärbehörden sowie von einer Anzahl indischer Fürsten die hiesige Weltausstellung feierlich eröffnet. In seiner Eröffnungsrede sprach der Vize⸗König die Hoffnung aus, daß die Ausstellung, indem sie Indiens Interessen mit denjenigen anderer Länder in Berührung bringe, für Indien von segensreichen Folgen sein möge. Hicrauf verlas der Vize⸗König ein Telegramm der Königin Victoria, in welchem der Ausstellung der beste Erfolg gewünscht wird.

Frankreich. Paris, 4. Dezember. (W. T. B.) Die „Agence Havas“ meldet: Die Nachricht, daß der chine⸗ sische Botschafter Tseng dem Minister⸗Präsidenten Ferry die Antwort der chinesischen Regierung auf die letzte fran⸗ zösische Note zugestellt habe, ist unrichtig: seit dem vorigen Mittwoch hat zwischen Hrn. Ferry und dem Botschafter Tseng keinerlei Begegnung stattgefunden. Das Gerücht, der Admiral Courbet habe Befehl erhalten, Sontay, nicht aber Bacninh, anzugreifen, ist lediglich eine Zeitungskonjektur; Courbet ist vielmehr ermächtigt worden, den Angriff zu leiten und zu richten, wie er es für angemessen halten wird.

Der Antrag des radikalen Deputirten Tallandier, den Polen Berezowski zu begnadigen, der am 6. Juni 1867 einen Mordversuch auf den Kaiser Alexander II. von Ruß⸗ land machte, ist von der Kommission der Deputirten⸗ kammer abgelehnt worden.

Das Gelbbuch gelangt morgen in der Kammer zur Vertheilung; ob jedoch die Debatte über Tongking am Freitag stattfindet, ist noch ungewiß; ihre Vertagung bis Montag gilt für möglich.

Der russische Botschafter Fürst Orloff hat sich zum Besuch des Ministers von Giers nach Montreux be⸗ geben.

Zur Verhinderung des Meetings, das die Anarchisten am nächsten Freitag auf dem Börsenplatze abzuhalten be⸗ absichtigen, sind von der Polizei die erforderlichen Vor⸗ kehrungen getroffen worden.

5. Dezember, früh. (W. T. B.) Der erste Band des Gelbbuchs enthält ein historisches Exposé, welches von dem Vertrage von 1874 ausgeht und sich bis zum Jahre 1878, der Epoche, wo Anam die Hülfe Chinas zur Unterdrückung des Aufstandes anrief, erstreckt Die Korrespondenz von Myre de Villers und die Berichte von der Küste zeigen, wie die Tong⸗ kingfrage entstanden und größer geworden ist. Der Krieg mit China schien damals unvermeidlich, als Bourrée anzeigte: China habe seine Truppen zurückgezogen und vorgeschlagen: es wolle das nördliche Ufer des Rothen Flusses bewachen, während Frankreich das Südufer desselben bewachen sollte. Bourrée rieth aber von einer solchen Verständigung ab.

Spanien. Mabdrid, 4. Dezember. (W. T. B.) Se. Majestät der König, Se. Kaiserliche Hoheit der Kronprinz und Se. Königliche Hoheit der Prinz Ferdinand Ludwig von Bayern begaben Sich heute srüh nach dem Escurial. Bei der gestrigen Jagd in Casa Campo, zu welcher sich der Hof zu Wagen begeben hatte, wurden über 1200 Kaninchen und Hühner erlegt; der Kronprinz und General Graf Blumenthal hatten die meisten Treffer. Das Dejeuner fand im Freien statt. Spanische Maler beabsichtigen, der Kronprinzessin ein Album zu widmen.

„— 4. Dezember, Nachmittags. (W. T. B.) Die Aller⸗ höchsten und Höchsten Herrschaften trafen mit dem Gefolge Vormittags 10 ½ Uhr im Escurial ein und wurden bei der Ankunft von dem Musikcorps der Douaniersschule empfangen, welches die preußische Volkshymne spielte. Nach dem De⸗ jenner, welches im Palais eingenommen wurde, folgte die Besichtigung der mit großem Glanze ausgestatteten Zimmer und der im Palast befindlichen Kunstschätze und Kostbarkeiten. Hierauf wurden das Kloster, die Königliche Schule, die Bibliothek und die Begräbnißkapelle des Königlichen Hauses besucht, in welchem von Karl V. an fast alle spanischen Könige ihre Ruhestaͤtte gefunden haben.

4. Dezember, Abends. Der König, der Kron⸗ prinz und Prinz Ferdinand Ludwig von Bayern sind gegen Abend von dem Besuch des Escurial hierher zurückgekehrt. An den Präfekten von Sevilla sind an⸗ läßlich der bevorstehenden Reise des Kronprinzen die nöthigen Weisungen gegeben worden. Morgen finden in der Nähe von Madrid Feldmanöver statt, an welchen u. A. das

Infanterie⸗Regiment „Mallorca“, die Jäger⸗Bataillone „Puerto

Rico“ und „Manila“, die Husaren⸗Regimenter „de la Prin cesa“ und „Pavia“ und ein Artillerie⸗Regiment unter Genera

Molto theilnehmen werden. Bei der gestrigen Vorstellung

im Apollotheater war der Kronprinz wieder Gegen⸗ stand neuer Ovationen. Der ganze Hof war anwesend, der Theaterraum elektrisch erleuchtet. Se. Kaiserliche Hohei wurde bei dem Eintritt von der Societad de Autores empfan gen und in die Hofloge geleitet.

Türkei. Konstantinopel, 3. Dezember. (Wien. Abdp.)

Gaillard hat den Posten des Vertreters der Bondholder

angenommen.

„RNußland und Polen. St. Petersburg, 5. Dezember (W. T. B.) Nach einer Mittheilung des „Journal de St. Pétersbourg“ existirt das von den Blättern be⸗ sprochene Projekt einer politischen Neuorganisation ebenso⸗ wenig wie die angeblich behufs dessen Prüfung eingesetzte Kommission.

5. Dezember. (W. T. B.) Das „Journal de St. Pétersbourg“ sagt, daß über die von der „Agence Havas“ gemeldete Theilnahme Rußlands an einem

Flottenarrangement in den chinesischen Gewässern hier nichts bekannt sei

Die Zeitungsnachrichten über eine stattgehabte oder in Aussicht stehende Kollektivvermittelung der Mächte in der Tongkingangelegenheit werden in hiesigen unterrichteten Kreisen als unbegründet bezeichnet.

Amerika. Washington, 4. Dezember. (W. T. B.) Dem Kongreß ist heute eine Botschaft des Präsidenten Arthur zugegangen, in welcher es heißt: die Beziehungen zu den auswärtigen Mächten seien freundschaftliche. Was die Lage amerikanischer Staatsbürger in Rußland anlange, so halte die Regierung an ihrer Ueberzeugung fest, daß im Auslande weilende Staatsangehörige ihres religiösen Glaubensbekennt⸗ nisses wegen keine Schmälerung ihrer Rechte erleiden dürften. In Betreff der kommerziellen Schwierigkeiten mit Kuba und Portorico hoffe die Regierung, Spanien werde den Forderungen der Vereinigten Staaten vollauf Genüge leisten. Die Herstellung freundschaftlicher und intimer Beziehungen zu Mexiko sei eine Nothwendigkeit. Die Botschaft schlägt demnächst die Ernennung von Generalkonsuln in jedem der zu den Vereinigten Staaten von Centralamerika gehörigen Staaten vor. In Peru werde die durch den Willen des Volkes dort eingesetzte Regierung von den Vereinigten Staaten anerkannt werden. Was die Schuld Venezuelas an Frankreich anbetreffe, so habe die Unionsregierung den Kabinetten von Berlin, Kopenhagen, Haag, London und Madrid die Grundlagen eines Arrange⸗ ments vorgelegt, welches Frankreich vorgeschlagen habe und dem der Präsident der Vereinigten Staaten zustimme. Zur Entwickelung der Beziehungen Amerikas zu den orientalischen Ländern seien in Persien, Siam und Corea amerikanische Ge⸗ sandtschaften errichtet worden. Bei der Thätigkeit der afri⸗ kanischen Assoziation am Congoflusse könnten die Vereinigten Staaten nicht gleichgültig bleiben; amerikanische Bürger seien zur Zeit daran zwar noch nicht interessirt, aber es könne doch nothwendig werden, daß die Vereinigten Staaten mit anderen Handelsmächten kooperirten, um die Rechte des freien Ver⸗ kehrs und der Niederlassung im Congothale zu sichern, ohne die Intervention oder politische Kontrolle irgend eines einzel⸗ nen Staates, welcher immer es sei. Unter Bezugnahme auf die dem amerikanischen Handel durch die Zolleinrichtungen auf den spanischen Antillen, in Brasilien, der Türkei und in anderen Staaten auferlegten Beschränkungen giebt die Botschaft anheim, ob gegen diese Staaten repressive Zoll⸗ maßregeln angezeigt erscheinen könnten. Die Ein⸗ nahmen in den letzten 9 Monaten des lausenden Jahres werden auf 343 Millionen Doll., die Ausgaben auf 258 Millionen Doll. veranschlagt. Die zur Amortisirung verwandte Summe betrage 45 Millionen; es bleibe demgemäß ein disponibler Ueberschuß von 39 Millionen. Die Ein⸗ nahmen des mit 1885 endigenden Finanzjahres seien auf 60 Millionen über die ordentlichen Ausgaben hinaus veran⸗ schlagt. Wenn die zukünftigen Ueberschüsse den gegenwärtigen

BSoranschlägen entsprächen, könnten alle dreiprozentigen Obli⸗ galionen eingelöst werden, aber es würden mindestens noch vier Jahre vergehen, ehe man mit der Einlösung der 4 ½ pro⸗ zentigen Oblizationen beginnen könne. Der Staatsschatz werde jedenfalls mehrere Jahre vor der Verfallszeit die erforderlichen Fonds besitzen. Es sei nicht nothwendig, so schnell die öffentliche Schuld zu tilgen, weil die Tilgung nur durch über⸗ mäßige Steuern bewerkstelligt werden könne. Wenn er, der Präsident, die Klugheit einer Reduktion der Steuern und des Zolltarifs auch vollkommen anerkenne, so rathe er doch, in der gegenwärtigen Session des Kongresses keine Maßregeln zu ergreifen, welche die Höhe der Staatseinnahmen vermin⸗ dern würden. Das Resultat der Gesetzgebung des vergan⸗ genen Jahres sei noch nicht klar genug, um eine durchgrei⸗ fende Revision oder große Veränderungen zu rechtfertigen. Der Präsident schlägt vor, einen Theil des Ueberschusses zur Rekonstruktion der Marine und zur Verbesserung der Küsten⸗ vertheidigungen zu verwenden. Da die 3 prozentigen Obli⸗ gatiönen, welche von den Nationalbanken als Garantie für ihre in Umlauf befindlichen Noten hinterlegt seien, möglicher⸗ weise eingelöst werden würden, so glaubt der Prasident, das beste Mittel, eine Verringerung des Notenumlaufs zu ver⸗ meiden, würde ein Gesetz sein, durch weiches die Taxen auf den Notenumlauf abgeschafft werden und den Banken ge⸗ stattet wird, bis zu einem Betrage von 90 Proz. ihres Effektiv⸗

erthes Banknoten zu emittiren. Der Präsident schlägt ferner die Einlösung der Trade⸗Dollars zum Metallwerth vor. Was die Rekonstruktion der Marine angehe, so hätten die

Vereinigten Staaten nicht die Absicht, eine Marine zu schaffen

oder aufrechtzuerhalten, welche der Marine anderer großen Staaten Konkurrenz machen könnte. Die Vereinigten Staaten beabsichtigten keine Eroberungen im Auslande, auch sei keine Gefahr für eine Störung des Friedens vorhanden; die Ver⸗ einigten Staaten müßten aber eine Marine besitzen, welche fähig sei, die Häfen zu vertheidigen, den Handel zu schützen und die nationale Ehre aufrechtzuerhalten.

.. E ber. (W 8. 8 Der Jahresbericht des Schatzsekretärs Folger empfiehlt die Einziehung und Einschmelzung der Handelsdollars sowie die Abschaffung der auf dem Notenumlauf der Nationalbanken lastenden Steuer und befürwortet den Vorschlag der Nationalbanken, den Notenumlauf in Höhe von 90 Proz. des Marktwerthes ihrer deponirten Bonds zu gestatten. Den Ueberschuß im Staatsschatz will der Staatssekretär für Staats⸗ zwecke angewendet wissen. Der Bericht empfiehlt ferner zwar keine unverzügliche Revision des Tarifgesetzes, hält indeß an der Ueberzeugung sest, daß die zweckmäßigste Methode der Steuere mäßigung und der Beschränkung der Staatseinkünfte auf die ökonomischen Bedürfnisse der Regierung in der Herab⸗ setzung der Importzölle gefunden werden müsse.

Im Senat wurde bereits eine Bill eingebracht, welche den Nationalbanken gestattet, Wechsel für 90 Proz. des Marktwerths ihrer deponirten Bonds in Umlauf zu setzen.

Afrika. Egy pten. (W. T. B.) Nach einer Meldung der „Times“ aus Khartum befindet sich ein verwundeter Offizier der egyptischen Armee in El Obeid.

Asien. (W. T. B.) Die „Times“ meldet in ihrer zweiten Ausgabe aus Hongkong, 4. Deember: Heute sind 1100 Mann chinesischer Truppen, von Shanghai kom⸗ mend, auf einem Handelsdampfer hier eingetroffen und nach

G weitergegangen. Weitere Truppensendungen sollen bigen

Zeitungsstimmen.

In einem Artikel über „Die Aussichten der preußischen Finanz⸗ politit“ sagt die Münchener „Allgemeine Zeitung“:

„Diese günstigere Gestaltung der preußischen Finanzen ist wesentlich den gesteigerten Betriebsergebnissen der Staatsbahnen zu danken. Die Verwaltung derselben hat im Jahre 1882/83 einen Ueberschuß über den Voranschlag von 26 Millionen ergeben, wovon indessen ungefähr die Hälfte % der Eisenbahn⸗Kapital⸗ schuld) gesetzmäßig zur Tilgung verwendet werden muß. Dabei sind die erzielten Mehreinnahmen durchaus nicht etwa durch falsche Ersparnisse in den Ausgaben herbeigeführt worden; im Gegentheil sind die Verwendungen für Erneuerung der Betriebs⸗ mittel ꝛc. beständig gestiegen und sicherlich nicht hinter dem Satze zurückgeblieben, den die Privatverwaltungen dafür ausgesetzt haben würden. Wenn trotzdem der Staat in den drei letzten Jahren aus der Eisenbahnverwaltung Ueberschüsse von 130 Mill. Mark gezogen hat, so darf dieses Resultat sicherlich mit Genugthuung begrüßt werden. Auf den Kapitalwerth der Staatsbahnen ergiebt sich eine reine Ver⸗ zinsung von 5 ½ %, während der Staat durchschnittlich 4 % Zinsen zahlt. Ein so erfreuliches Ergebniß kann selbstverständlich nur durch umsichtige und gewissenhaste Verwaltung auf vie Dauer gesichert werden. Indessen sind die Besorgnisse, die von den hartnäckigen Geg⸗ nern des Verstaatlichungsplanes noch immer hier und da geäußert werden, daß auch Zeiten eintreten könnten, in denen die Staatsbahnen große Mindereinnahmen oder gar Verluste aufweisen, welche dann der Steuer⸗ zahler zu tragen habe, doch wohl kaum mehr als letzte Stoßseufzer üͤber eine erlittene Niederlage. Es soll keineswegs bezweifelt werden, daß in Zeiten wirthschaftlichen Niederganges die Staatscisenbahnen so gut wie andere Betriebeverwaltungen mit geringerem Gewinne oder selbst vorübergehendem Verlust arbeiten können; aber solche Zeiten sind doch eben nicht normal und müssen durch die gewinnreicheren Pe⸗ rioden wieder ausgeglichen werden. Nur ein langjähriger Durchschnitt kann über die finanzielle Ergiebigkeit des Verstaatlichungsgeschäftes entscheiden, und es ist kein vernünftiger Grund vorhanden, ar zunehmen, daß die Eisenbahnen des Staats, denen keine mörderische Konkurrenz droht, wie sie beim Privatbahnsystem allerdings eintreten kann, jemals auf die Dauer mit einer Unterbilanz arbeiten sollten. Im Gegentheil wird mit dem naturgemäß steigenden Verkehr und mit der allmählich fortschreitenden Tilgung der Eisenbahnschuld der Ueberschuß der Eisenbahnverwaltung voraussichtlich immer größer werden und so dem Staate Einnahmen verschaffen, welche die gradmweise Erleichte⸗ rung der Steuerlast gestatten.“*

In der „Deutschen volkswirthschaftlichen Korrespondenz“ lesen wir:

Seit Wochen und Monaten fehlt es in unserem lieben Deutsch⸗ land nicht an Versuchen, die Fahne des Freihandels wieder hoch zu erheben auf den Trümmern, welche ihre ehemalige Herrschaft ge⸗ schaffen hat

Was war aus der deutschen Arbeit geworden, als Fahne des Freihandels folgte? Deutschland bezog s

das Volk der eine Nahrungs⸗ Kleidungs⸗

mittel aus den Vereinigten Stagten und Rußland, d 9

1 ie us Frankreich

stoffe aus England, Artikel des feineren Geschmacks

und Italien. In den Mittelpunkten des Handels und der Fabrik⸗ thätigkeit n s das Bestrehen fleißiger und kluger Kaufleute, welche im Leben vorwärts kommen wollten, von einem englischen, fran⸗ zösischen oder amerikantschen Hause zum Verkaufsagenten angestellt zu werden. Gelaagg ihm dies, so verfügte er in den meisten Fällen über eine anständige und gesicherte Existenz, wobei nur beschei⸗ dene Anforderungen an seine Thaͤtigkeit gestellt wurden. In manchen und keineswegs seltenen Fällen, ist es gescheidten und geschäfts gewandten jungen Kaufleuten in kurzer Zeit gelungen, ein „hübsches Vermögen“ zu erwerben. Dazu kamen noch die, namentlich in Deutsch⸗ land, gegenüber der dominirenden Stellung der Bureaukratie und des Militärs, welche auf das Selbstbewußtsein des kaufmännischen Stan⸗

des so ungemein drückt, ganz unschaͤtzbaren Vortheile einer selbstän-

digen Stellung.

War es ihm gelungen, von einer angesehenen Fabrik sagen wir z. B. in Manchester die Vertretung zu erlangen, so besaß er dieselbe für eine ausgedehnte Landschaft allein und ausschließlich gewöhnlich die alleinige Agentur für eine Provinz, wenn nicht für den ganzen Staat. Solcher Vertrerungen gab es eine große Anzahl, ja giebt es heute noch, wenn auch die Vortheile sich vermindert haben. Da jede Vertretung einen oder mehrere Spoezialartikel betraf, so war die Konkurrenz nicht sehr zu fürchten: sie war wenigstens lange nicht so bedeutend, wie sie unter den Unglücklichen auftrat, welche darauf ange wiesen waren, die Fabrikate der deutschen Konkurrenz anzubieten und zu verkaufen. Diese konnten weder in Bezug auf Qualität, noch Preise, noch Umfang und Schnelligkeit der Lieferung mit den Vertretern der ausländischen Fabrikate in dem Wettkampf bestehen. Man male sich jetzt die Folgen aus, wie sie thatsächlich bestanden haben und leider zum Theil noch bestehen, weil der Schutz, welchen die neuen Prinzipien dem deutschen Fabrikat gewähren, in manchen Punkten noch un⸗ genügend ist, zum aͤnderen Theil die volle Wirkung noch nicht erreicht hat. Der Verkäufer des deutschen Fabrikates war in vielen Fällen in der That das, was man mit einer Mischung von Mit⸗ leid und Grausamkeit ein armer „Schlucker“ nennt; er mußte von Pontius zu Pilatus laufen, um seine Waaren anzubieten. Und wie wenig verkaufte er. Wie karg war der Verdienst. Es war nur eine natürliche Folge, daß diese Leute danach trach⸗ teten, soviel Vertretungen in ihre Hand zu bekommen, als sie erhaschen konnten. Dazu wurden die unglaublichsten Vor⸗ spiegelungen angewandt, von der großen Ausdehnung ihrer Verbin⸗ dungen, den seicherigen Erfolgen ihrer repräsentirenden Thätigkeit u. s. w. denn, da sie von einem Artikel nicht leben konnten, so mußte die Masse es bringen. Aus diesen Zuständen flossen mit der Zeit jene großen Nachcheile, unter welchen der deutsche Kaufmannsstand leidet; obgleich noch andere Ursachen mitwirkten, so hat man doch das Recht, die unbestreitbaren Mängel, welche nament⸗ lich dem deutschen Zwischenhandel zur Zeit noch an⸗ haften, auf solche Zustände zurückzuführen. Der größte Theil des kaufmännischen Proletariats verdankt denselben seine Ent⸗ stehung. Wenn in Deutschland das Selbstbewußtsein des Kaufmanns hinter demjenigen des englischen, amerikanischen und französischen Kaufmanns noch zurücksteht, so sind die Ursachen dieser bedauerlichen Erscheinung auch hier zu suchen. Auch die Rückwirkung auf die deutsche Fabrikthätigkeit konnte gar nicht anders als ungünstig sein.

Man vergleiche mit diesen Verhältnissen die Stellung der Ver⸗ treter auswärtiger, namentlich englischer Fabriken. Sie hatten kaum eine gefährliche Konkurrenz zu bekämpfen, sie verfügten über gute Waaren und hatten Kapitalisten hinter sich, welche jeden Augenblick in der Lage waren, wenn es sein mußte, „unter dem Preis“ zu ver⸗ kaufen, um jede Konkurrenz im Keim zu ersticken.

Der neue Grundsatz, daß es Pflicht sei, die cinheimische Pro⸗ duktion zu schützen, hat bereits bedeutende Verbesserungen bewirkt. Niemand, welcher die Verhältnisse kennt und aufrichtig urtheilt, wird dies bestreiten.

Wir sollten deshalb glauben, daß eine erdrückende Mehrheit in der Nation sich gegen jeden Versuch wenden werde, die Herrschaft des alten Uebels wieder herzustellen. Die Fahne des Freihandels darf, auf lange Zeit hinaus, nicht mehr in Deutschland aufgepflanzt werden.

Eisenbahn⸗Verordnungs⸗Blatt. Nr. 20. Inhalt: Allerhöchste Konzessions⸗Urkunde, betr. den Bau und Betrieb einer Eisenbahn von Blankenese nach Wedel durch die Altona⸗Kieler Eisen⸗ bahn⸗Gesellschaft. Vom 29. Oktober 1883. Erlasse des Ministers der öffentlichen Arbeiten: vom 25. Oktober 1883, betr. Vorschriften über die Anbringung und Benutzung der seitlichen Zugleine; vom 9. November 1883, betr. Abschluß der Verträge über die Veräußerung von Grundstücken; vom 21. November 1883, betr. Verstempelung der Lieferungs⸗ und Werkverdingungsverträge bezw. der mit denselben ver⸗ bundenen sogenannten Kompromißverträge. 2 ichrichten.

Statistische Nachrichten.

Ueber den Waarenverkehr des deutschen Zollgebiets mit dem Auslande für die Zeit vom Januar bis Ende Oktober d. J., sowie über das entsprechende Ergebniß im gleichen Zeitraum des Vorjahres giebt das eben erschienene Oktoberheft zur Statistik des Deutschen Reichs Auskunft. Darin ist über den Verkehr in Roh⸗ stoffen und Fabrikaten der Baumwollen⸗Industrie Folgendes nach⸗ gewiesen:

Die Einfuhr von roher Baumwolle betrug 1 584 056 D. C. (Doppelcentner) gegeu 1 275 230 D. C. im entsprechenden Zeitraum des Vorjahres. Von Baumwollengarn wurden 179 678 D. C. ein⸗, 69 308 D. C. ausgeführt. Die Einfuhr von diesem Artikel stieg um 28 653 D. C., die Ausfuhr hiervon fiel dagegen um 20 924 D. C. Die Mehreinfuhr betrifft in der Hauptsache rohes ein⸗ und zweidrähtiges Baumwollengarn. Insbesondere sind von rohem ein⸗ und zweidrähtigem Baumwollengarn bis zur Nr. 17 englisch 10 089 D. C., von dergleichen Baumwollengarn über Nr. 17 bis 45 englisch 26 228 D. C. mehr eingeführt. Von rohem eindrähtigem Baumwollengarn über Nr. 45 bis Nr. 60 wurden 1391 D. C. mehr, von dergleichem zweidrähtigem 1338 D. C. weniger eingeführt; ebenso von rohem ein⸗ und zweidrähtigem Banmwollen⸗ garn über Nr. 60 englisch 7960 D. C. weniger. Im Allgemeinen hat demnach die Einfuhr von Baumwollengarn in gröberen Nummern beträchtlich zugenommen, die in feineren Nummern überall abgenommen. Broßbritannien hat an dieser Einfuhr erheblich größeren, die Schweiz geringeren Antheil als im Vorjahre. Auch die Einfuhr von baumwollenem Nähfaden zeigt eine Abnahme von 805 D. C. In der Ausfuhr von Baumwollengarn ergiebt sich hauptsächlich ein Aus⸗ fall bei rohem ein⸗ und zweidrähtigem Baumwollengarn (— 11 281 D. C.), bei drei⸗ und mehrdrähtigem (— 2381 D. C.) und bei Vigognegarn (— 7706 D. C). Dagegen blieb die Aus⸗ fuhr von ein⸗ und zweidrähtigem, gebleichtem oder gefärbtem Baum⸗ wollengarn und von Nähfaden sast dieselbe (20 684 gegen 20 164 bezw. 6025 gegen 6033 D. C.). Die Abnahme in der Aus⸗ fuhr von rohem ein⸗ und zweidrähtigem Baumwollengarn tritt fast bei allen Nummern zu Tage, insbesondere aber bei rohem eindrähtigem Baumwollengarn bis zu Nr. 45 englisch (— 10 017 D. C.). Im Durchschnitt der letzten 4 Monate des laufenden Jahres war die Ausfuhr von Baumwollengarn geringer als im Durch⸗ schnitt der ersten 6 Monate desselben Jahres (6379 gegen 7305 D. C.). Der Ausfall in der Ausfuhr von Baumwollengarn beruht insbesondere in einer geringeren Ausfuhr nach Rußland, Frankreich und Hamburg.

Die Einfuhr von dichten baumwollenen Zeugwaaren mit Einschluß der aufgeschnittenen Sammete (6514 D. C.) ist um 900 D. C. gestiegen; der größte Theil dieser Steigerung entfällt auf die Einfuhr roher dichter Baumwollenzeuge. Die Ausfuhr von dichten baumwollenen Zeugwaar en belief sich auf 113 443 D. C. gegen 119 843 D. C., fiel also um 6400 D. C, und zwe um 821 D. C. bei rohen, 60 D. C. bei gebleichten und 5516 D. C. bei gefärbten oder bedruckten baumwollenen Zeugwaaren. Im Durchschnitt der letzten 4 Monate ist jedoch diese Ausfuhr überall größer als im Durchschnitt der ersten 6 Monate des laufenden Jahres; sie scheint demnach wieder im Steigen begriffen zu sein. Die Durchschnittsziffer betrug nämlich in den letzten vier Monaten 394 bezw. 1701 und 9423 D. C. gegen 355 bezw. 1614 und 8872 D. C. in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres Der Ausfall in der Ausfuhr von dichten gefärbten oder bedruch ten Baumwollenwaaren beruht vornehmlich in einer erheblich ge⸗ ringeren Ausfuhr nach Frankreich und den Vereinigten Staaten von Amerika. Die Einfuhr baumwollener Strumpf und Posamentierwaaren ist geringfügig. Die Ausfuhr baumwollener Strumpfwaaren stieg von 47 849 auf 50 337 D. C die Ausfuhr baumwollener Posamentierwaaren (17 502 D. C.) blieb dagegen hinter dem im verflossenen Jahre ausgeführten Quantum um 1738 D. C. zurück. Von undichten baumwollenen Waaren, baumwollenen Spitzen, Trimmings und Stickereien wurden 5783 T ein⸗, 6415 D. C. ausgeführt, gegen den entsprechenden Zeitraun Vorjahres 272 D. C. weniger bezw. 287 D. C. mehr. Von Belang ist dabei die Steigerung in der Ausfuhr baumwollener Spitzen. Trimmings und Stickereien. Dieselbe beläuft sich auf 924 D. C

Gewerbe und Handel.

In der Generalversammlung der Dortmunder Union theilte der Vorsitzende mit, daß der Verwaltungsrath der Direktion Decharge ertheilt und die Dividende auf 5 % festgesetzt habe. D Generalversammlung konstatirte sodann, daß das Aktienkapital um 3 000 000 vermehrt, auf 38 547 600 gestiegen ist und daß im Laufe des Jahres 1710 Aktien Litt. B. gegen 570 Aktien Litt. A. eingetauscht worden sind.

Königsberg i. Pr., 5. Dezember. (W. T. B.) Die Betriebs⸗ einnahme der Ostpreußischen Südbahn pr. November 1883 betrug nach vorläufiger Feststellung: im Personenverkehr 70 333 ℳ, im Güterverkehr 417 028 ℳ, an Extraordinarien 15 000 ℳ, zusammen 502 361 ℳ, im Monat November 1882 definitiv 450 701 ℳ, mithin gegen den entsprechenden Monat des Vorjahres mehr 51 660 ℳ, im Ganzen vom 1. Januar bis ult. November d. J. 4 843 650 gegen 4 663 365 im Vorjahr, mithin mehr gegen den entsprechenden Zeitraum des Vorjahres 180 285 1

Dortmund, 3. Dezember. (Rhein.⸗Westf. Ztg.) Die Lage des Eisengeschäfts hat sich zwar noch nicht wieder gebessert, aber sie hat sich auch nicht weiter verschlechtert. Die Roheisenbranche war fortwährend durch die starke Konkurrenz der englischen Hochöfen un⸗ günstig beeinflußt, wie überhaupt die gegenwärtige Flaue des deutschen Eisengeschäfts hauptsächlich durch die matte Tendenz des amerikanischen und englischen Eisenmarkts herbeigeführt worden ist. Eine Wieder⸗ belebung des Verkehrs ist ebenfalls wesentlich von den erwähnten beiden Märkten abhängig, und siehr man deshalb auch mit Spannung auf die Entwickelung der Differenzen zwischen den Bergwerksbesitzern und den Kohlenarheitern in England. In der Stabeisenbranche dauert die Zurückhaltung der Konsumenten an, indem dieselben immerfort nur den nächsten Bedarf decken, so daß sich das Arbeitsquantum der Stab⸗ eisenwalzwerke mehr und mehr verringert, und die Preise in weichender Tendenz verharren. Für Kessel⸗ und Feinbleche, sowie für Fagon⸗ eisen hat sich die Nachfrage ebenfalls noch nicht wieder gehoben, wes⸗ halb auch die Preise schwankend bleiben. In Walzdraht hat sich de Verkehr in etwas belebt, die betreffenden Werke sind daher meist besser beschäftigt als vor einigen Monaten, auch sind die Preise nicht weiter gewichen. Im Stahlgeschäft sind ebenfalls in den setzten Wochen wieder mehrere nicht unbedeutende Aufträge durch die heimischen Eisenbahnen eingegangen, auch sind noch manche, zum Theil recht belangreiche zu erwarten, namentlich aber bedeurende Lieferungen von Achsen und Rädern, da eine ganze Reihe von Eisenbahnen Suhmissionstermin auf Lieferung von Lokomotiven, Persouen⸗ und Güterwagen anberaumt hat. Die Lokomotiv⸗ und Waggonfabriken erhalten dadurch auch wieder neuen Zuwechs an Aufträgen und können daher ihren im Allgemeinen flotten Betrieb auch für längere Zeit aufrecht erhalten. Die Maschinenfabriken und Gießereien, sowie die Röhrenwalzwerke sind noch befriedigend heschäftigt, während es in den Brückenbauanstalten und Kesselschmieden langsamer geht. Das Kohlengeschäft ist andauernd lebhaft, auch ist der Verkehr in Koke etwas regelmäßiger. Industriekohlen habe wegen der Flaue im Eisengeschäft etwas nachgegeben, während Haus⸗ brandkohlen fest behauptet werden. 3 1

Prag, 4. Dezember. (W. T. B.) Die heutige außerordentliche Generalversammlung der Prag⸗Duxer Eisenbahn genehmigte mit 985 gegen 22 Stimmen die vom Verwaltungsrath vorgeschlagenen Statutenänderungen, welche eine eventuelle Fusion mit einer anderen Gesellschaft ermöglichen sollen. 8

London, 4. Dezember (W. T. B.) Bei der gestern al⸗ gehaltenen Wollaukti varen Preise unverändert

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