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Die Wrackkarte läßt nicht allein Ort und Art der Unfälle er⸗
kennen, sondern macht auch für Jeden ersichtlich, ob das Schiff ein Dampfer oder Segler war, ob es total verloren ging und ob Menschen⸗ leben eingebüßt wurden.
Kunst, Wissenschaft und Literatur.
Die Zolltarife des In⸗ und Auslandes, nach dem gegenwärtigen Stande der autonomen Gesetzgebung und des inter⸗ nationalen Vertragsrechts übersichtlich zusammengestellt auf Grund der im „Deutschen Handels⸗Archiv' erschienenen amtlichen Publikationen, in Supplementband zum „Deutschen Handels⸗Archiv“. (Preis 24 ℳ
Verlag von E. S. Mittler und Sohn, Königliche Hofbuchhandlung,
Kochstraße 69.) — Die Kenntniß der Zolltarife der bei dem inter⸗ nationalen Güteraustausch vorzugsweise betheiligten Länder ist, nachdem der deutsche Exporthandel gewaltige Dimensionen angenommen hat und in stetiger Zunahme begriffen ist, unentbehrlich geworden, und ein ein⸗ heitlich redig ertes Werk welches in gedrängter Kürze und mit zuverlässiger Genauigkeit lediglich die zur Zeit gültigen Zollsätze des In⸗ und Auslandes übersichtlich zusammenstellt, wird denn auch sowohl von Seiten des Handels⸗ und Fabrikantenstandes als auch von zahlreichen Behörden und Korporationen seit Jahren gewünscht. Das vorliegende Werk hat sich die Aufgabe gestellt, diesem Bedürfnisse zu entsprechen.
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Es enthält die auf den neuesten Stand ergänzten Zolltarife und
zwar die General⸗ und Vertragstarife, neben einander gestellt, für mehr als 70 Staaten bezw. Zollgebiete, den Inhalt der bestehenden internationalen Tarisverträge mit Angabe ihrer Geltungsdauer und diejenigen amtlichen Erläuterungen, welche für das Verständniß
und die richtige Anwendung der Tarife von Bedeutung sind.
Ferner sind Bestimmungen über Veredelungsverkehr, Grenzverkehrs⸗
erleichterungen, Retourwaaren, indirekte Steuern, welche neben
den Zöllen zu entrichten sind, und sanitäts⸗ und veterinär⸗ polizeiliche Vorschriften, soweit letztere auf die Einfuhr Bezug haben, aufgenommen. Dem Terte ist überall die Fassung gegeben, welche nach Maßgabe der im Einzelnen ergangenen abändernden Bestim⸗ mungen der gegenwärtigen Rechtslage entspricht; solche Theile des ursprünglichen Tertes aber, welche außer Kraft gesetzt wurden, sind weg⸗
gelassen, so daß Mißverständnisse und Irrungen, wie sie bei gleich⸗
zeitigem Abdruck geltender und außer Kraft gesetzter Bestimmungen unvermeidlich sind, bei dem Gebrauch des vorliegenden Werkes aus⸗ geschlossen werden. Die Erhaltung der Sammlung auf dem jeweilig neuesten Stande der Gesetzgebung ist mit Hülfe des „Deutschen Handels⸗Archivs“, welches die Abänderungen der Tarife fortdauernd veröffentlicht, leicht ausführbar. Außerdem wird im Falle umfassen⸗ derer Aenderungen für neue Auflagen der betreffenden Tarife gesorgt werden.
— Das soeben erschienene Weihnachtsheft der „Deutschen Rundschau“, (berausgegeben von Julius Rodenberg (Verlag von Gebr. Pätel), fesselt durch seinen mannigfaltigen und werthvollen In⸗ halt. Eröffnet wird es mit einer Gabe des auch in Deutschland so rasch zur Geltung gelangten Schweizer Poeten Conrad Ferdinand Meyer: „Die Hochzeit des Mönchs“, einer fein durchgearbeiteten und formvollendet erzählteu Novelle. — In dem folgenden Artikel beschäftigt sich Ernst Curtius mit dem kürzlich veröffentlichten Briefwechsel August Böckhs und Karl Otfried Müllers, der — so führt Curtius aus — wie der Durchschnitt eines bewohnten Hauses ist, welcher die Ansicht der Fagade ergänzt; denn wir sehen die Männer in ihrer Studir⸗ stube arbeiten und wir sehen die Werke werden, die für alle Fachgenossen diesseits und jenseits des Ozeans zum unentbehrlichen Hausbesitze gehören. — F. X. von Neumann⸗Spallart spricht in dem sich anreihenden Auf⸗ satze von den „Europäischen Kolonien.“ Er sieht bei der Behand⸗ lung dieses Themas von übel angebrachter Gefühlspolitik ab und er⸗ örtert die wirthschaftliche Seite dieser ganzen Bewegung ebenso schmucklos, wie sie sich thatsächlich entwickelt. In dem zweiten Theil seines Artikels bietet uns der Verfasser ein anschauliches und farben⸗ reiches Bild der Kolonial⸗Ausstellung zu Amsterdam. — Die deutsche Uebertragung von Jwan Turgenjews „Literatur⸗ und Lebenserinne⸗ rungen“ versetzt uns in das literarische St. Petersburger Leben der 30er und 40er Jahre und führt uns eine Reire von Porträts be⸗ kannter russischer Schriftsteller und Kritiker vor, ichnet von Turgen jews Meisterschaft. Professor Victor Meyver behandelt und beleuchtet in seiner gediegenen populär⸗wissenschaftlichen Studie: „Die Umwälzung in der Atomlehre“ das natürliche System der chemischen Elemente und giebt in seinen Erörterungen viel des Neuen und Unbekannten. — Die spannende Erzählung von Ossip Schubin: „Die Geschichte eines Genies“ wird zum Schluß geführt. — Der „Politischen Rund⸗ schau“ reiht sich eine umfangreiche „Literarische Rundschau“ an, die aus einer eingehenden Würdigung von Gottfried Kellers Gedichten durch Otto Brahm, aus einer „Weihnachtlichen Rundschau“, in welcher die Festgeschenke einer Musterung unterworfen werden, ferner aus einer Uebersicht der „Weihnachtsbücher für die Jugend“ und bibliographischen Notizen besteht. Wie in den vergangenen Jahren, so schmückt auch diesmal wieder neben zahlreichen Beilagen und Inseraten ein wirklich künstlerisch in doppelfarbigem Druck her⸗ gestellter Weihnachtsanzeiger das stattliche, inhaltreiche Heft.
— Sevydels Deutscher Geschäfts⸗Kalender für das Jahr 1884. — Unter diesem Titel ist soeben im Verlage der Polytech⸗ mischen Buchhandlung (A. Seydel) in Berlin ein neues Taschennotizbuch erschienen, dessen Einrichtung für Kaufleute und Banquiers wie auch für Gewerbtreibende und Fabrikanten eine sehr praktische ist. Außer einem Monatskalender und reichlich bemessenem Tageskalendarium, das für Notizen genügenden Platz bietet, den Formularen für Aus⸗ gabe und Einnahme und für Adressen, finden wir u. A. in dem bei⸗ gefügten, 40 Seiten umfassenden Text beachtenswerthe Beigaben, welche jeder Geschäftsmann fast täglich in der Lage ist, mehr oder weniger anwenden oder vergleichen zu müssen. Der Kalender enthält Maß⸗, Gewichts⸗, Münz⸗, Zins⸗, Diskont⸗, Lohn⸗ und andere Ta⸗ bellen, das Wechselgesetz, die Bankordnung, den Check⸗ und Giroverkehr mit der Reichsbank, Stempel“ und Steuergesetze, ein Verzeichniß der deutschen Reichsbankstellen, ferner einen Auszug aus der Aichordnung, Mittheilungen über Post⸗ und Telegraphenverkehr und, was wir als besonders beachtenswerth anerkennen, ein Verzeichniß der deutschen Handels⸗ und Gewerbekammern und ähnlicher kaufmännischer Kor⸗ porationen. In einem Anhange ist eine Zusammenstellung neuerer Bücher gegeben, welche für Kaufleute und Fabrikanten besonders empfehlenswerth sind. Ein zweckmäßiges Taschenformat, gutes Schreibpapier, guter Einband und der billige Preis von 1 ℳ 50 ₰ tragen zu weiterer Empfehlung von Sevdels deutschem Geschäfts⸗
Kalender bei. Gewerbe und Handel.
Die Direktion der Berliner Unionsbrauerei Bon⸗
witt u. Co. konstatirt in dem Geschäftsbericht, daß die erzielten esultate den gehegten Erwartungen entsprechen. Trotz der außer⸗
gewöhnlich hohen Hopfenpreise, welche eine Mehrausgabe von ungefähr 80 000 ℳ (2 ½ % vom Aktienkapital) verursachten, ist ein besseres Er⸗ gebniß als im vorigen Jahre zu verzeichnen, da nicht nur eine höhere Dividende zur Vertbeilung gelangte, sondern auch größere Abschrei⸗ bungen gemacht wurden. Dieses günstige Resultat ist die Folge des er⸗ zielten nicht unwesentlichen Mehrabsatzes und der vorgenommenen Verbesserungen und Erweiterungen der Anlagen. Der Absatz im Ganzen betrug 63 630 8 hl gegen 57 046 hl im Vorjahre. Der Netto⸗ überschuß des verflossenen Jahres betrug 91 724 ℳ Davon erhalten: 5 % = 4566 ℳ der Reservefonds, 6 % = 5475 ℳ der Aufsichts⸗ rath, ebensoviel die persönlich haftenden Gesellschafter, 2 ½ % Dividende mit 75 000 ℳ die Aktionäre und es bleiben zum Vortrag auf neue Rechnung 1208 ℳ
London, 7. Dezember (W. T. B.) Bei der gestern ab⸗ gehaltenen Wollauktion waren Preise unverändert.
New⸗York, 7. Dezember. (W. T. B.) Baumwollen⸗ Wochenbericht. Zufuhren in allen Unions äfen 264 000 B. Ausfuhr nach Großbritannien 104 000 B., Ausfuhr nach dem Konti⸗ nent 57 000 B., Vorrath 1 050 000 B.
Verkehrs⸗Anstalten. Auf den Linien der Großen Berliner und der Internationalen Pferdeeisenbahn⸗Aktien⸗Gesel sind im Monat November 1883 5 042 925 Personen befördert
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sür 618 268 ℳ cher durchschnittlich vro. Tag 20 608,96 ℳ von
beiden Gesellschaften cingenommen worden. Die Einnahme im November 1882 belief sich auf 573 802 ℳ oder durchschnittlich pro Tag auf 19 126,75 ℳ
Dresden, 7. Dezember. (W. T. B.) Die sächsisch⸗böh⸗ mische Dampfschiffahrts⸗Gesellschaft hat heute wegen Treibeises auf der Elbe ihre Fahrten eingestellt.
Bremen, 7. Dezember. (W. T. B.) Der Dampfer des Norddeutschen Lloyd „Fulda“ ist heute Vormittag 9 Uhr, in Southampton eingetroffen. 82
Bremen, 8. Dezember. (W. T. B.) Die Dampfer des Norddeutschen Lloyd „Main“ und „Werra“ sind gestern in New⸗York, Ersterer um 5 Uhr Nachmittags und Letzterer um 9 Uhr Abends, angekommen.
Triest, 7. Dezember. (W. T. B.) Der Lloyddampfer „Aurora“ ist aus Konstantinopel hier eingetroffen. “
Berlin, 8. Dezember 1883.
Am Dienstag, den 11. d. M., Mittags 12 Uhr, wird in den Corneliussälen der Nationalgalerie in öffentlicher Sitzung der Königlichen Akademie der Künste die Cor⸗ neliusfeier stattfinden, bei welcher der Geheime Regierungs⸗Rath Dr. Jordan die Festrede halten wird. essssas —,— — ü4,.
Ueber die Restaurationsarbeiten an der Marienburg berichtet das „Centralbl. der Bauverwaltung“: Mit der Herstellung des Hochschlosses ist im Frühjahr 1882 begonnen. Die bisherigen Arbeiten betreffen: 1) die Instandsetzung der Ordenskirche zu St. Marien und der aoldenen Pforte; 2) die darunter befindliche Hochmeister⸗ Gruftkapelle zu St. Anna nebst deren Portalen; 3) den Wiederaufba des nördlichen Kreuzgangflügels, dessen oberes Geschoß der Kirche an⸗ liegt und zur goldenen Pforte führt; 4) die Herstellung des Treppen⸗ hauses mit der Haupttreppe, auf welcher man vom Hofe aus zum oberen Kreuzganggeschoß gelangt. An Baumitteln standen zur Ver⸗ fügung im Extraordinarium des Kultusetats im Ganzen 110 500 ℳ, und zwar für 1882 50 000 ℳ, für 1883 60500 ℳ Jetzt beim Schlusse es 2. Baujahres ist der Stand der Arbeiten folgender: Der Hof des Schlosses ist auf seine ehemalige Höhenlage abgetragen und die auf⸗ gedeckte alte Entwässerungsanlage hergestellt. Der mit Kalkstein⸗ quadern ausgesetzte Brunnen ist geräumt und der obere Brunnenring aus Granitquadern wieder aufgerichtet und ergänzt. Auf der Nord⸗ seite des Hofes ist der Kreuzgang wieder hergestellt, dessen Architektur durch die Fundamente, die Gewölbmarken an den Wänden und vor Allem durch die Zeichnungen der Architekten Gilyy und Rabe im Frickschen Werke in ausreichendster Sicherheit vorgeschrieben war. Ornamente und Steinformen wurden großentheils aus dem Hofschutt ausgegraben. Ueber dem Kreuzgang⸗ Pult⸗ dach zeigt die Hochwand des Schlosses bis unter das Dach jetzt wieder ihre ursprüngliche Gliederung. Man ersteigt wieder, wie in der Zeit der Ordensritter, die Granittreppe, welche nabe bei der Thor⸗ fahrt liegt. Der obere Treppenraum erhält sein Licht durch ein ansehnliches Fenster von Westen her. Nach Osten tritt man durch einen weiten Bogen in den hochgewölbten Kreuzgang; zur Rechten öffnen sich schlanke, durch Kalksteinmaßwerk getheilte Bogen⸗ öffnungen nach dem Hof — zur Linken gliedern Portal und Fenster des noch wüst liegenden Kaxitelsaales die Wand. Auf der halben Länge des Kreuzganges wird das Gewölbe niedriger, weil die angrenzende Kirche über das Dach des Ganges hinweg den Licht⸗ cinfall erhält. — Das Ziel des Ganges ist die goldne Pforte, deren reicher und interessanter Terracottenschmuck unter der gewissen⸗ haften und liebevollen Behandlung des Bildhauers Behrend und der Thonwaarenfabrikanten E. March Söhne ergänzt und erneuert ist. Im Innern der Kirche sind die bisherigen Aufgaben soweit erfüllt, daß nur der Abschluß der dekorativen Bemalung und die Restau⸗ rirung der Wandgemälde noch aussteht. Mit der letzteren Arbeit ist der Historienmaler Weinmayer betraut, der seine Aufgabe im ver⸗ gangenen Sommer und Herbst bis zur Hälfte gefördert hat. Die zur völligen Wiederherstellung der Kirche erforderliche Restaurirung der zierlichen Sängeremvore an der Westwand und die Einbringung von Buntglas⸗Fenstern sind für das nächste Jahr ins Auge gefaßt. Gleicher Weise harrt zur Zeit die Annenkapelle noch der Vollendung ihrer dekorativen Bemalung, während die sonstige Instandsetzung besonders der in bösem Zustande auf uns gekommenen reichen Portale als beendet anzusehen ist.
Der letzte der größeren Wohlthätigkeits⸗Bazare, der zum Besten des Berliner Kinderschutzvereins, ist heute in dem großen Festsaal des Hotel de Rome eröffnet worden. Der Saal prangt im reichsten Schmuck. Auf langen Tafeln sind die Gaben ausgebreitet, die dem Verein auch diesmal wieder in reichem Maße zugeflossen sind. An der Spitze der edlen Geberinnen steht Ihre Majestät die Kaiserin, Allerhöchstwelche werthvolle Geschenke übersandte. Der Bazar wird 3 Tage geöffnet bleiben.
New⸗York, 8. Dezember. (W. T. B.) In Folge von Stür⸗ men an den Küsten von Neu⸗England, Neu⸗Schottland und Neu⸗ Fundland sind im Monat November zahlreiche Schiffbrüche von Fischerfahrzeugen vorgekommen. Man schätzt die Zahl der umgekommenen Personen auf 180.
Das Deutsche Theater brachte gestern zum ersten Male den „Othello“ zur Aufführung. Die Titelrolle spielte Hr. Barnay. Der Künstler war offenbar bestrebt, sich in der Auffassung der Rolle von dem Naturalismus fern zu halten, mit dem wir dieselbe von den Ita⸗ lienern Rossi und Salvini hier dargestellt gesehen haben, nahm ihr aber dadurch im Ganzen doch beinahe zuviel von dem dämonisch⸗sinn⸗ lichen Element, welches ihre Gestaltung fordert, um den rechten Gegen⸗ satz zu der keuschen Erscheinung der Desdemona zu bilden. Alle leidenschaftlich dramatischen Gipfelpunkte aber brachte er zu ergreifender Wirkung und dürfte gerade wegen des künstlerischen Maßes, welches er, verglichen mit den krassen Effekten der obengenannten Darsteller und des Amerikaners Booth, dabei innezuhalten sich angelegen sein ließ, des Beifalls derjenigen Kunstfreunde gewiß sein, welche vor Allem die Schönheitslinie streng festgehalten sehen wollen. Als Desdemona trat Frl. Ramazetta auf, welche berückend schön aussah und ebenso schöne Momente hatte, in den Scenen, in welchen sie dem eifersüchtigen Gemahl ihre Unschuld betheuert aber doch überzeugendere, wahrere Tone hätte anschlagen können. Vielleicht trug indeß nur die hei dem ersten Auftreten in einer so schwierigen Rolle leicht erklärliche Befangenheit daran die Schuld; im Uebrigen war die Leistung recht lobenswerth. Besonders inter⸗ essant, weil von der herkömmlichen Schablone sehr abweichend, ge⸗ staltete Hr. Friedmann den Jago. Er gab demselben nicht den ba⸗ nalen, für die Wirkung auf die Menge berechneten Typus des theatra⸗ lischen Bösewichts, dem man schon von der Maske und den Grimassen seine schändlichen Pläne abliest, sondern er machte daraus den lächelnden, Ehrlichkeit und Treue in Antlitz und Hal⸗ tung heuchelnden Schurken, wie ihn die Rolle in der That verlangt, denn nur ein solcher ist im Stande, sich in das Herz des gutmüthigen und vertrauensseligen Mohren einzustehlen. Mochte man gleichwohl, unter der Nachwirkung der Tradition, welcher eine Reihe der bedeutendsten Künstler bisher gefolgt sind, anfangs sich zum Widerspruch gegen die Auffassung des Hrn. Friedmann heraus⸗ gefordert fühlen, so konnte man der siegenden Konsequenz, mit welcher dieselbe durchgeführt ward, doch schließlich die Zustimmung und An⸗ erkennung nicht versagen. Von den weiteren Rollen trat namentlich die des Hrn. Kainz als Cassio hervor. Der jugendliche Darsteller bewies auch in dieser Partie, namentlich in der Trunkenheitsscene, daß das Deutsche Theater an ihm eine ganz ausgezeichnete Kraft von echtestem Theaterblut besitzt; sein vorzügliches stummes Spiel verdient nebenbei ganz besondere Anerkennung. Hr. Ferster als Brabantio, Hr. Peppler als Lodovico, Hr. alster
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als Rodrigo und Frl. Walles als Emilia schlossen sich den Genann⸗ ten zu einem künstlerisch abgerundeten Zusammenspiel an. Die Scenen, in welchen das Volk mitwirkte, waren effektvoll arrangirt, die dekorative und kostümliche Ausstattung auch diesmal außerordent⸗ lich reich und glänzend und bis auf das Zimmer des Othello, dessen Einrichtung etwas zu sehr im Charakter der modernen Renaissance gehalten war, auch stilgerecht.
— Das Repertoire des Deutschen Theaters bringt in der nächsten Woche, außer Wiederholungen des „Othello“ und „Don Carlos“, zum ersten Male den „Geheimen Agenten“ von Hackländer. In den Hauptrollen sind Hr. Kainz als Herzog, Frl. Trautmann als Herzogin, Hr. Förster als Graf Steinhausen, Hr. Engels als Oberst⸗ Hofmeister und Frl. Sorma als Eugenie beschäftigt.
— Im Residenz⸗Theater tritt Hr. Carl Sontag morgen zum vorletzten Male als „Doktor Wespe“ auf, um sich am Montag von dem hiesigen Publikum zu verabschieden. Diese letzte Vorstellung von „Doktor Wesvpe“ ist dem Künstler von Hrn. Direktor Neumann zum Benesiz bewilligt worden.
Krolls Theater. Ernestine Boucher, die kleine Geigen⸗ virtuosin, die jetzt in der Zauberposse „Die Puppenprinzessin“ durch ihr virtuoses Spiel so viel Aufsehen macht, wird von heute ab die Souvenirs de Bath“ von Leonard vortragen. Lvyon ist die Heimath dieser Taa in miniatura, welche aus einer musikalischen Fa⸗ milie stammt und trotz ihrer Jugend schon manche triumphreiche Kunstreise in Frankreich und Italien gemacht und in den Concert⸗ sälen wie an den Höfen Entzücken erregt hat. Das Kleid, das sie bei den öffentlichen Vorträgen zu tragen pflegt, ist ein Geschenk der Königin Margherita von Italien. Die Direktion des Krollschen Theaters hat übrigens, trotz der bedeutenderen Ausgaben, welche in diesem Jahre die Weihnachts⸗Ausstellung und die Ausstattung der Zauberposse erforderten, den besonders zahlreichen, aus Familien⸗ kreisen an sie ergangenen Aufforderungen, eine Preisermäßigung ein⸗ treten zu lassen, Rechnung getragen. Demgemäß beträgt der Ein⸗ trittspreis von morgen an für das I. Parquet 2 ℳ, das II. Parquet 1 ℳ 50 ₰ und für Kinder die Hälfte.
Alljährlich um die Weihnachtszeit veranstaltet Frl. Jenny Meyer im Arnimschen Saale hierselbst mit ihren Gesangs⸗ klassen im Sternschen Konservatorium ein Concert, dessen Ertrag zu wohlthätigen Zwecken bestimmt ist. Eine Neben⸗ absicht dieser Unternehmung dürfte aber wohl die sein, im Rahmen eines öffentlichen Concerts die vorgeschrittenen Eleven dem Publikum und der Kritik vorzuführen. Mit vielem Vergnügen gehen wir seit Jahren in diese Aufführungen, welche immer von Neuem Zeugniß geben von der Vorzüglichkeit der Gesangsmethode und von dem aufopfernden Fleiß des Frl. Jenny Mever. Eine überraschende Anzahl schönet Stimmen brachte uns der gestrige Abend, und führen wir deshalb gern die Namen sämmtlicher Solisten hier auf: Frl. Glücksmann, Frau Krü⸗ ger, Fri Clara Hamel, Frl. Gronarz, Frl. Barnick, Frl. Rosenmund, Frau Frister, Frl. Götze, Frl. Sorgatz, Frl. Böttger, Frl. Reimann und Hr. Döring. — Unter ihnen ragten am bedeutendsten herror: Frl. Sorgatz als begabte und technisch vorgeschrittene Koloratur⸗ sängerin, der wir bei weiterer Entwickelung eine erfolgreiche Zukunft versprechen; Fr. Frister durch fein nuancirten Liedervortrag (Brückler: Margarethens Lieder aus „Trompeter von Säckingen“); Hr. Döring (Baß) in einer Figaro⸗Arie (Mozart) durch schönen Stimmklang und ge⸗ wandtes parlando-Singen. In Summa zeigte sich bei allen Aus⸗ übenden die Korrektheit der Frl. Jenny Mevyerschen Schule: verständ⸗ nißvolle Verwendung der individuellen Eigenschaften des Einzelnen, Bildung des Wohlklangs der Stimme durch sichere Entwickelung der Verbindung der Register und Deutlichkeit der Aussprache. Wenn etwa bei Einzelnen hinsichtlich noch zu dunkler Färbung des Tones, Tremulirens, und auch etwas kehligen Beiklangs Einiges zu moniren sein könnte, so darf in diesem Falle nicht außer Betracht gelassen werden, daß sämmtliche Ausführende noch Schüler des Konservatoriums und an die Oeffentlichkeit nicht gewöhnt sind. — Neben den Solosachen boten einige Chorgesänge der Chorschule des Konservatoriums angenehme Abwechselung. Die Leitung des Ganzen sowie auch die Begleitung am Flügel hatte der Königliche Hof⸗Kapellmeister Hr. Robert Radecke übernommen. — Ein zahlreiches Publikum, welches den Vor⸗ trägen lebhaft applaudirte, füllte den großen Concertsaal und die Nebenräume. 1
Zum Besten des Luther⸗Denkmals werden Frl. Cornelia Kirchhoff und Hr. Harry Linden, Beide aus der Schule des Königl. Musikdirektors Dienel, am Montag Abend 8 Uhr in der Neuen Kirche ein Concert geben, in welchem Erstere auf der neuen, von Sauer in Frankfurt erbauten Orgel einen Satz aus der Concert⸗Sonate von Guilmant und, mit dem unter Leitung des Hrn. H. Urban stehen⸗ den Berliner Dilettanten⸗Orchester⸗Verein, Händels G-moll-Concert vor⸗ tragen wird. Hr. Linden wird Bachs H-moll-Präludium sowie den Trauer⸗ marsch nebst Finalsatz aus Dienels erster Orgel⸗Sonate spielen und Fr. Müller⸗Ronneburger Mendelssohns „Elias“⸗Arie „Höre Israel“, eine Arie aus Blumners „Abraham“ und Bach⸗Gounods „Ave Maria“ singen, zu welchem letzteren Hr. Jos. Kotek, der Schumanns „Abendlied“ und eine eigene Komposition zum Vortrag bringen witd, den Violinpart übernommen hat. 8
Literarische Neuigkeiten und periodische Schrifter.
Selbständigkeit und Gleichmäßigkeit nach den Armeevorschriften. Eine Entgegnung auf den Aufsatz „Zum Schreibwesen“ in Nr. 74, Jahrgang 1883, des Militär⸗Wochenblattes. Von einem preußischen Offizier. Berlin 1883. Verlag der Liebelschen Buchhandlung.
Jahrbucher für die deutsche Armee und Marine. Band XLIX. Heft 3. — Inhalt: Zur Frage der Bewaffnung und Ausbildung der Kosaken. Nach russischen Quellen bearbeitet von Trost, Premier⸗Lieutenant im Infanterie⸗Regiment Nr. 71. — Die Verwendung des Elephanten zu kriegerischen Zwecken im Alterthume. Von Ohlendorf, Major z. D. — Die preußischen Husaren bei der Armee der Verbündeten Friedrich des Großen im Jahre 1162. Zur Beurtheilung des Kriegsjahres 1762 in Schlesien. — Der Ge⸗ setzentwurf zur Organisation einer Kolonial⸗Armee in Frankreich. — Italiens westliche Vertheidigungsfront und heutiges Befestigungs⸗ system. Von C. Winterberg. (Schluß.) — Blume’s „Strategie“. — Umschau in der Militär⸗Literatur.
Deutsche Landwirthschaftliche Presse. Nr. 96. — Inhalt: Wirkt feingepulvertes Superphosphat unter allen Umständen besser als grobkörniges? Von Prof. Dr. Paul Wagner⸗Darmstadt. — Feuilleton. Wiederherstellung und Unterhaltung der Hochstämme. (Mit Abbildungen). — Hauswirthschaft. Wirthschaftsplaudereien für Landwirthsfrauen. — Correspondenzen. Berlin. Dresden. London. — Literatur. — Büchermarkt. — Ausstellungen. — Patentliste. — Versammlungen. — Landwirthschaftliche Lehranstalten. — Rundschau. — Sprechsaal. — Handel und Verkehr.
Nr. 97. — Inhalt: Mittheilungen der Prüfungsstation für land⸗ wirthschaftliche Maschinen und Geräthe zu Halle a. S. — Feuille⸗ ton: Die Ausstellung der British Dairy Farmers Association. Von A. v. T. — Automatische Getreidewaage. (Mit Abbildungen.) — Correspondenzen: München. Paris. — Personalien. — Literatur. — Preußischer Landtag. — Ausstellungen. — Versammlungen. — Landwirthschaftliche Lehranstanstalten. — Sprechsaal. — Handel und Verkehr.
Redacteur: Riedel.
Verlag der Expedition (Kessel). Fünf Beilagen
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Erste Beilag
zeiger und Königlich preusij 1s
Berlin, Sonnabend, den 8. Dezember
1883.
. 2 Aiichtamtliches.
Preußen. Berlin, 8. Dezember. Im weiteren Verlauf der gestrigen (11.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten wurde die zweite Berathung des Entwurfs des Staatshaushalts⸗Etats für 1884/85 und zwar mit dem Etat der landwirthschaftlichen Verwaltung fort⸗ gesetzt. Nach dem Abg. Schultz (Lupitz) ergriff der Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten Br. Lucius das Wort:
Meine Herren, es gereicht mir zur großen Genugtbhuung, aus den Aeußerungen, die bisher von verschiedenen Seiten des Hauses ge⸗ fallen sind, entnehmen zu dürfen, daß die Bestrebungen des landwirth⸗ schaftlichen Ministeriums, wie sie sich in den Etatforderungen dar⸗ stellen, im Großen und Ganzen die Zustimmung des Hauses finden. Es wird das gewiß für die Verwaltung das beste Encouragement sein, auf dem betretenen Wege fortzufahren und mit den gebotenen Mitteln, womöglich mit größeren und verstärkteren Mitteln all die wirthschaftlichen Felder zu bebauen, die ihrer Thätigkeit überwiesen sind. Ich bin nicht in der Lage, auf alle die Anregungen, die den eben gehörten Vorträgen zu ent⸗ nehmen find, jetzt detaillirt einzugehen. Ich darf aber des versichern, daß jedenfalls alle die praktischen Gesichtspunkte, die entwickelt worden sind, Seitens der landwirthschaftlichen Verwal⸗ tung die gebührende Beachtung und Berücksichtigung finden werden. Es ist ja klar, daß auf landwirthschaftlichem Gebiet nicht nur die großen Einwirkungen nutzbar zu machen sind, die auf dem Gebiete der gesammten Staats⸗ und Wirthschaftspolitik liezen, sondern daß es sich hier auch um die Kultivirung einer Summe von Spezialitäten handelt, die jedes für sich vielleicht klein, doch aber in ihrer Ver⸗ einigung von großer Bedeutung sind und sein können für die Steigerung der landwirthschaftlichen Prosperität. Im Allgemeinen wird wohl von allen Seiten anerkannt, daß die Staatsregierung in den letzten Jahren in ihrer gesamm⸗ ten Wirthschafts⸗, Zoll⸗ und Steuerverkehrspolitik in viel höherem Maße, als es früher geschehen ist, den landwirthschaftlichen Interessen Rechnung getragen und sie gepflegt hat. Ich kann meiner⸗ seits versichern, daß sicher die Königliche Staatsregierung auf diesem Wege beharren wird. Wenn somit nach den großen Gesichtspunkten hin wir wohl sicher uns auf dem richtigen Wege bewegen, dann bleibt doch das andere Feld der spezifisch landwirthschaftlichen Thätigkeit ein solches, worauf die Thätigkeit nie ruhen kann, worauf eigentlich nie ein Ziel endgültig erreicht wird, sondern wo jeder erreichte Schritt nur ein Stadium sein kann, um weitere Erfolge zu erstreben.
Aus den landwirthschaftlichen Wohlstandsberichten der landwirth⸗ schaftlichen Vereine ist entnommen, und meines Erachtens mit Recht, — auch der Herr Vorredner hat das angedeutet, — daß die landwirth⸗ schaftliche Produktion gewiß noch mannigfacher Steigerung fäbhig ist. Ich trete dieser Meinung bei. Ich glaube aber allerdings, daß die Steigerung der Produktion viel weniger möglich ist in den Gegen⸗ den, die mit besseren Bodenklassen ausgestattet sind, als auf den mit dürftigen Bodenklassen. Ich habe mir das schon neulich anzudeuten erlaubt, als ich ausführte, daß die landwirthschaftlich⸗technischen Ge⸗ werbe vielleicht in keinem Lande höher entwickelt sind, als in dem unsrigen. Der Herr Vorredner hat mit Recht darauf hingewiesen, daß diese Entwickelung hauptsächlich mit das Produkt der Steuer⸗ politik, des Steuer⸗ und Schutzzollsystems ist, welches auf sie in Deutschland angewendet wird, nämlich der Besteuerung der Rohmaterialien. Ich glaube, das, was vom technischen Gewerbe ge⸗ sagt ist, gilt auch von dem Stand der Ackerwirthschaft in den Ge⸗ genden mit besseren Bodenklassen für Deutschland überhaupt. Daß auch hier noch kleine Verbesserungen möglich sind, gebe ich zu; im Großen und Ganzen aber gerade in dieser Richtung, nämlich auch im Gebiet der eigentlichen Agrikulturtechnik wird keine erhebliche Steigerung möglich sein. Dagegen ist das vollkommen richtig, daß in den armen Sandböden des Ostens der Monarchie, und besonders vorwiegend auch in den ausgedehnten Moordistrikten noch ein enormes Arbeitsfeld für landwirthschaftliche Technik ist, wo durch richtige An⸗ wendung von Düngemitteln, durch Anwendung von Ent⸗ und Be⸗ wässerung wohl noch ganz Außerordentliches geleistet werden kann, hier ist in der That noch ein Arbeitsfeld, wo große Bevölkerungs⸗ schichten leistungs⸗ und produktionsfähiger zu machen sind, als gegen⸗ wärtig es der Fall ist. Wenn auch Deutschland auf dem Gebiete der Agrikulturtechnik jeder anderen Nation gleichsteht, nun so giebt es doch ganz bestimmte Zweige der Landwirthschaft, wo wir sicher hinter anderen Ländern zurückstehen. Das ist z. B. das Gebiet der Wasserwirthschaft, da haben andere Länder, 1. B. Ober⸗ Ftalien bedeutend größere Erfolge aufzuweisen als wir. Auch das Gebiet des Obst⸗ und Weinbaues ist in Deutschland noch nicht entfernt so ausgenutzt und kultivirt wie es in anderen Ländern, z. B. in Frankreich und Amerika der Fall ist.
Auch hier liegt ein Feld, wo mit kleinen Summen mit großem Erfolg operirt werden kann, damit gerade der kleine Besitzer nebenher sich gewisse, nicht unerhebliche Einnahmen sichern kann. Das ist eines von den kleineren Fächern der Landwirthschaft. Auf dem Gebiet der Viehzucht sind in Deutschland in den letzten Jahren sicher außer⸗ ordentliche Fortschritte gemacht worden, trotzdem stehen wir noch gegen England zurück. Die geringen Summen, die in Formen von Prä⸗ mien durch Vermittlung von landwirthschaftlichen Vereinen ausge⸗ gangen sind, haben sicher sehr befruchtend gewirkt, ihre Wirkung geht weit hinaus über das, was diese Mittel reell im Etat repräsentiren. Deshalb glaube ich, wenn auch diese Mittel, wie sie der Etat aus⸗ wirft, immer noch im Verhältniß zu den Interessen, die Sie zu pflegen haben, geringfügige Minima sind, wenn, wie gewiß auch Seitens der landwirthschaftlichen Verwaltung, man jede Steigerung dieser Fonds gern sehe, so glaube ich doch, daß immerhin die Steigerungen, die diese Etatstitel in den letzten 10 Jahren erfahren haben, beträchtlich Se⸗ und landwirthschaftlicherseits eine gewisse Anerkennung ver⸗
ienen.
Miiine Herren! Ich wende mich nun zu einigen Spezialitäten, die auch von dem Herrn Vorredner angeregt worden sind. Der Hr. Abg. Knebel hat wieder die Frage des Real⸗ und Personalkredits be⸗ rührt und er hat darauf hingewiesen, daß eine strenge Trennung dieser beiden Branchen des Kredits in den kleinen ländlichen Wirthschaften nicht überall möglich und erreichbar ist. Ich halte diese Ausführungen für vollkommen zutreffend und ebenso die von ihm vorge⸗ schlagenen Mittel zur Abhülse. Ich bin mit ihm der Ansicht, daß gerade die Sparkassen, die von städtischen und Kreiskommunal⸗ verbänden organisirt sind, auf diesem Gebiete noch ein sehr weites Feld der Thätigkeit haben werden, und es sind auch, wie bereits an⸗ gedeutet, einleitende Schritte geschehen, um nach dieser Richtung die Sparkassen nutzbar zu machen.
— Was die vom Hrn. von Ludwig angeregte Frage betrifft: die Förderung der Melioration und insbesondere der Drainage durch Staatsmittel, so erlaube ich mir zu erwidern, daß auf diesem Gebiet allerdings meines Erachtens die Selbstthätigkeit der Provinzen noth⸗ wendig mit in Anspruch zu nehmen ist. Die Gründung der Landes⸗ kulturrentenbanken ist eine Sache, die zunächst nur von den Provin⸗ zialverbänden aufzunehmen ist. Wenn bisher diese ganze Angelegen⸗ heit noch keine lebendigere Entwickelung genommen hat, so schreibe ich das dem zu, daß das ganze Leben auf diesem Gebiete noch ein
sehr junges und neues ist; die Provinzialverbände sind in ihrer
jetzigen Verfossung erst seit 6 bis 7, Jahren in Thätigkeit; sie haben eine solche Fülle von organisatorischen Aufgaben zu übernehmen ge⸗ habt auf dem Gebiet der Chausseeverwaltung, des Chaussee⸗ und Wegebaues, des Armen⸗, Irren⸗ und Vagabondenwesens, daß in der That nicht zu verwundern ist, daß zunächft die meisten dieser Pro⸗ vinzen auf diese Fragen sowohl die Landesmeliorationen zu fördern, als auch Landeskulturrentenbanken zu gründen nicht eingegangen sind. Ich muß mich selbst persönlich schuldig bekennen, daß ich als Mit⸗ glied des sächsischen Provinzial⸗Landtages mich diesen Bestrebungen gegenüber in den ersten Jahren ablehnend verhalten habe, lediglich aus der Rücksicht, datz es sich um neue Organisationen handelt, bei genen alle Persönlichkeiten, die die Organisation zu bewerkstelligen hatten, der Arbeitslast im Anfang beinahe erlagen. Das sind also Aufgaben, die nicht aufgegeben sind, sondern blos verschoben sind. Ich boffe allerdinss, daß die Ueberweisung des Meliorationsfonds an die Pro⸗ vinzen sich in weiterer Entwickelung der Dinge doch in höherem Maße bewähren wird, als bisher der Fall ist. Die Provinzialver⸗ bände haben bisher nicht die Zeit und vielleicht auch nicht das Inter⸗ esse in genügendem Maß gehbabt, diesen Fragen näher zu treten. Sollten die Provinzialverbände dauernd diese Interessen vernachlässigen, dann würde ich es allerdings als einen Fehler erachten müssen, daß diese Dotationsfonds nicht an der Zentralstelle geblieben sind, son⸗ dern auf die Provinzialverbände übergegangen sind. Ich hege aber diese Befürchtung zur Zeit noch nicht. Trotzdem haben wir ja in dem landwirthschaftlichen Etat wiederum Fonds, vorläufig allerdings auch nur im Erxtraordinarium, die darauf gerichtet sind, daß, obschon den Provinzen diese Meliorationsthätig⸗ keit überwiesen ist durch das Provinzial⸗Dotationsgesetz, doch auch staatlicherseits wieder Mittel ausgesetzt sind, um staatlicherseits diese Thätigkeit zu begünstigen und zu befördern. In vieler Beziehung wird auf diesem Gebiet die Initiative von Seiten der Staatsregie⸗ rung erwartet werden, und wenn diese eintritt, so bin ich ganz gewiß, daß die Mitwirkung Seitens der Provinzialverbände gewiß nicht mangeln werde. Ich meine, daß gerade das ein solches Gebiet ist, auf dem sich die Staatsverwaltung ebenso nutzbar zu machen bat, wie es in früheren Zeiten auf dem Gebiet des Chausseebaues gescheben ist. Es giebt gewiß keine fruchtbarere Thätigkeit, die die Köͤnigliche Staatsregierung früher entwickelt hat, gerade auch im Interesse des landwirthschaftlichen Gewerbes zu der Zeit, wo von Eisenbahnbauten noch nicht die Rede war, als durch die Gewährung von Chaussee⸗ prämien in größerem Umfange bessere Kommunikationsanlagen auf dem Lande zu bewirken, und ebenso wie das mit dem Bewilli⸗ gungsfonds à fonds perdu für Chausseebauten damals gelungen ist, wenn vom Staate nur ½ bewilligt, Seitens der verschiedenen Ver⸗ bände etwa 4 aufgebracht wurden, so würde ich dies wohl als Ziel hinstellen, das man im Auge haben könne, daß vielleicht auf dem Meliorationsgebiete etwas ähnliches sich mit der Zeit anbahne, daß die Bewilligung, die staatlicherseits geschehen in Form von Vor⸗ arbeitskosten, in Form von Zuschüssen à fonds perdu, wie es in dem Flußregulirungsfonds geschieht, durchzuführen und daß die Provinzial⸗ verbände und die einzelnen Interessenten selbst anzuregen, auch ihrer⸗ seits thatkräftig Hand anzulegen.
Was die ferner von dem Abs. von Ludwig angeregte Spezial⸗ frage betrifft, die Fortentwicklung der schlesischen Landschaft des Rustikalbesitzes, so erlaube ich mir darauf aufmerksam zu machen, daß erst im Frühjahr diese Frage auf dem schlesischen General⸗ Landtage ventilirt ist. Bezüglich des 200 000 Thalerfonds ist damals vom General⸗Landtag beschlossen worden:
Daß alsbald nach Schluß des XV. General⸗Landtages die⸗ jenigen Beschlüsse desselben, welche nicht mit den vorgelegten Propositionen im Zusammenhange stehen und nicht den von Witz⸗ lebenschen Konvertirungsantrag betreffen, von der General⸗Land⸗ schafts⸗Direktion als künftige Propositionen für den nächsten General⸗Landtag vorbereitet werden.
Ich setze voraus, daß bei dieser Berathung jener Proposition auch die Frage, die Hr. von Ludwig erörtert hat, zur Diskussion und Erörterung gelangen wird. Ich kann in der Beziehung, daß eine andere Verwenduug jenes Fonds als ursprünglich Seitens des Finanz⸗Ministeriums geschehen ist, mich meinerseits in bedeutender Weise jetzt natürlicherweise nicht aussprechen. Ich kann aber das sagen, daß das Bestreben, diese Fonds zu Gunsten des Realkredits der Rustikalen in bohem Maße zu verwerthen meiner⸗ seits jede Unterstützung finden wird.
Was die übrigen einschlagenden Fragen betrifft, so sind diese ja alle schon wiederholt diskutirt worden. und die gefaßten Beschlüsse haben die Zustimmung der Königlichen Staatsregierung größtentheils erhalten. Die Schwierigkeiten der Sache liegen hier meist auf juristischem Gebiete, ich hoffe aber, daß auch diese sich zum Theil werden überwinden lassen, und daß die Bestrebungen der schlesischen Landschaft, den rustikalen Realkredit in größerer Weise und billiger zu befriedigen, von Erfolg gekrönt sein werden. An Unterstützung Seitens des landwirthschaftlichen Ministeriums wird es sicher nicht fehlen.
Der Abg. Dirichlet bemerkte, Amerika dominire ja aller⸗ dings wesentlich auf dem Weizenmarkt; aber der Centner amerikanischen Weizens stelle sich denn doch in London nicht auf 6,70 ℳ, sondern auf mindestens 8,5 ℳ Das entspreche ungefähr den Preisen, die auch in den preußischen Küstenstädten für Weizen angelegt werden könnten, so daß dabei der Kauf⸗ mann noch seine Rechnung finde. Würde der amerikanische Weizen in England wirklich nur 6,70 ℳ gelten, wie sollten dann die preußischen Kaufleute in den Ostseeprovinzen den Landleuten 9 ℳ bezahlen, und doch noch ein Exportgeschäft nach England machen können? Allerdings betrage die Fracht pro Centner für die Strecke New⸗York⸗Liverpool nur 70 Z, während sie für die Strecke Königsberg⸗Liverpool 50 ₰ be⸗ trage; das liege aber daran, daß der Schiffer in Liverpool zwar Rückfracht nach New⸗York zu finden stets sicher sei, nicht aber nach Königsberg. Da habe man wieder eine schädliche Folge der neuen Wirthschaftspolitik. Früher hätten die deutschen Schiffer von England nach den deutschen Häfen stets Rückfracht in Kohlen oder Maschinen gefunden, das habe mit der neuen Zollpoli⸗ tik aufgehört. Ein System, wonach Deutschland dahin kommen solle, gleichzeitig an Getreide, Holz, Flachs und Wolle den Bedarf Deutschlands allein im Inland zu decken, stehe durch⸗ aus auf schwachen Füßen; und wenn das Peg⸗ des Abg. Schultz in dieser Hinsicht sich wirklich einma erfüllen sollte, so wäre es doch nur für den Moment, und es könnte nicht so bleiben bei der stetig zunehmenden Bevölkerung, die in schnellerer Progression wachse, als die landwirthschaft⸗ liche Produktion sich steigern könne. Die Aeuße⸗ rungen des Abg. Bachem über bureaukratische Scha⸗ blonisirung des Schulbauwesens unterschreibe er nach allen Richtungen; nur lasse sich aus den Zahlen des Abg. Bachem nicht unmittelbar schließen, daß der Westen auf diesem Gebiete schlechter dastehe als der Osten. Im Gegentheil, das Verhältniß sei eher umgekehrt, wenn man die mindere Wohl⸗ habenheit des Ostens berücksichtge. Man habe aber diese
traurigen Verhältnisse dem Mangel einer Schulgesetzgebung zu verdanken, und dem Umstand, daß in Preußen derjenige, der über die Schulen zu bestimmen habe, ganz unabhängig sei von dem, der die Lasten der Schulen trage. Er werde beim Kultusetat noch auf diese Verhältnisse zurückkommen.
Der Abg. Wolff erklärte, von den Ausführungen des Vorredners, deren Widerlegung nur zu einer neuen über⸗ flüssigen Erörterung der viel behandelten Frage: ob Frei⸗ handel oder Schutzzoll das bessere sei, führen könnte, müsse er blos einen Punkt richtig stellen. Der Abg. Dirichlet meine nämlich, daß es den deutschen Getreideschiffern in England an Rückfracht fehle. Es sei aber bekanntlich immer in England Rückfracht vorhanden, sei es in Kohlen, sei es in landwirth⸗ schaftlichen Maschinen. Die Förderung der Moorkultur könne auch er, wie der Abg. Schultz, dem Minister nur dringend ans Herz legen; auf diesem Gebiete habe die innere Kolonisation in Preußen noch ein weites Feld vor sich. Insbesondere dürfte es sich empfehlen, den Besitzern von Moorländereien zur Kultur der⸗ selben Darlehne à fonds perdu zu geben, da es diesen Be⸗ sitzern meist an Geld für genannten Zweck mangele. Auch sonst müßten namentlich die Staatsbehörden mit allen Mitteln die Moorkultur begünstigen. Aus der Mark Brandenburg wo doch gewiß der Sand nicht selten vorkomme, sei ihm speziell ein Fall bekannt, wo ein Königlicher Ober⸗ förster, statt den zur Moorkultur nöthigen Sand an die betreffenden Besitzer unentgeltlich aus den Forstländereien abzutreten, denselben für schweres Geld verkauft habe. Mit so rein fiskalischem Vorgehen sei dem eigentlichen Staatsinteresse nicht gedient, und jener Oberförster gehöre nicht zu den guten Bauernfreunden; höchstens könne er zu den Eisenachern ge⸗ zählt werden.
Der Titel und das Kapitel wurde bewilligt; ebenso das nächste Kapitel (Ober⸗Landeskulturgericht).
Auch die Forderungen für die Auseinandersetzungsbehörden wurden unverändert bewilligt, nachdem der Abg. Spangenberg ausgeführt hatte, das die Diskussion über den Posten „Ver⸗ messungsbeamte“ besser bei Gelegenheit der dazu eingegange⸗ nen und bereits der Agrarkommission überwiesenen Petitionen stattfinden könne.
Beim Kapitel „Landwirthschaftliche Lehranstalten und sonstige wissenschaftliche und Lehrzwecke“ bemerkte der Abg. Dr. Lotichius, die Schülerfrequenz auf dem pomologischen Institut in Geisenheim habe derart zugenommen, daß die Beschaffung mindestens eines neuen Lehrsaales dringend erforderlich sei. Er bitte den Minister, diese Forderung zu erfüllen, und auch ferner dem so nützlichen Institut Wohlwollen zu bewahren.
Der Abg. Berger erklärte, auch er interessire sich lebhaft für den Aufschwung des Institutes in Geisenheim. Vor vier Jahren habe die Frequenz desselben nur 14 Schüler betragen; heute betrage sie schon 50. Das habe man wesentlich der Re⸗ organisation der Anstalt und der anerkannt vortreff⸗ lichen Verwaltung zu danken. Leider müsse er im Uebrigen dem Minister darin Recht geben, daß Deutsch⸗ land auf dem Gebiete des Obst⸗ und Weinbaues noch hinter andern Ländern, namenlich Frankreich, Tyrol, Italien und neuerdings auch Amerika zurückstehe. Dabei sei, wie er von Sachverständigen wisse, das deutsche Klima für die Obstkultur durchaus günstig; das deutsche Obst sei viel aromatischer als das amerikanische. Der Weinbau sei aller⸗ dings ein sehr unsicheres Geschäft, aber eine Hebung der Obst⸗ kultur wäre namentlich für Gegenden, wo der Grundbesitz zer⸗ splittert sei, von größter Bedeutung. Der kleine amerikanische Staat Delaware habe im laufenden Jahre allein an Pfirsichen 5 Millionen Körbe produzirt und davon 3 Millionen expor tirt, also für ungefähr 5 Millionen Dollars Gewinn erzielt. Auch in der Obst⸗ Konservenfabrikation sei das Ausland Preußen weit voraus. Die preußische Regierung lasse eben zu wenig reisen. Der Landwirthschafts⸗Minister möge nur einmal einen tüchtigen Pomologen nach Amerika schicken, um dort den Obstbau und die Konservenbereitung zu studiren; die segensreichen Folgen würden sich in Preußen bald zeigen.
Der Abg. Dr. Seelig bemerkte, dem Standpunkte des Abg. Berger schließe er sich durchaus an; auch er sei erfreut über das Aufblühen der pomologischen Institute in Proskau und Geisenheim; er fürchte nur, daß die Wirkung dieser An stalten mehr eine nur lokale bleiben werde; wenn man nicht in allen Kreisen und Provinzen sogenannte Obstkunstgärten anlegen werde. Auf diesen Punkt möchte er die Aufmerksam keit des Ministers besonders richten. 8
Das Kapitel wurde darauf bewilligt.
Die Forderung für den Dispositionsfonds zu wissen⸗ schaftlichen und Lehrzwecken ist in diesem Etat auf 237 800 ℳ, oder gegen das Vorjahr um 40 000 ℳ gesteigert. Die Mehr⸗ forderung ist, wie aus den Erläuterungen hervorgeht, dazu bestimmt, die Zahl der landwirthschaftlichen Wanderlehrer zu erhöhen, so daß auf jede Provinz mindestens ein Wander lehrer mehr kommen soll.
Der Abg. Frhr. von Minnigerode erklärte, er bewillige die Mehrforderung gern, da er durchaus an die fruktifizirende Wirksamkeit der Wanderlehrer glaube. Indessen sei es min⸗ destens ebenso wichtig, daß der Grundbesitz den kleinen Be⸗ sitzern allenthalben mit gutem Beispiel in rationeller Wirth schaft vorangehe. Auch warne er davor, die kleinen Bauern und Besitzer, deren Hauptthätigkeit in der harten Arbeit be⸗ stehe, zu sehr mit theoretischen Dingen, namentlich den Details der Buchführung, zu befassen. Die Erfolge is. Versuche, die Bauern an Buchführung zu gewöhnen, seien nur sehr bescheiden.
Der Abg. Knebel führte aus, das Beispiel, welches der kleine Landmann selbst seinen Berufsgenossen an Intelligenz
und Tüchtigkeit gebe, sei viel wirksamer und werthvoller, als
das der Großgrundbesitzer. Den Minister bitte er insbesondere,
möglichst tüchtige und brauchbare Personen für den schwierigen
Beruf der Wanderlehrer zu gewinnen. “ 8 Der Titel wurde bewilligt.
Beim Kapitel 103 (Thierarzneischulen und Veterinärwesen 88 732 769 ℳ) bemerkte der Abg. Dr. Schläger, an den preußischen Thierarzneischulen befänden sich durchschnittlich 120 Militär⸗
zöglinge, welche kein Honorar bezahlten. Es erwüchsen de
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