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Edinburg 19,6, in Kopenhagen 17,5, in Stockholm 25,2, in Chri⸗ stiania 12,8, in St. Petersburg 22,8, in Warschau 24,8, in Odessa 31,9, in Bukarest 29,3, in Rom 21,3, in Turin —, in Madrid 30,8, in Alexandrien 38,3. — Ferner in der Zeit vom 4. November bis 10. November: in New⸗YPork 22,5, in Philadelphia 19,8, in St. Louis —, in Chicago —, in Cincinnati —, in San Franzisko 20,2, in Kalkutta 29,0, in Bombay 20,9, in Madras 39,5.
Beim Beginn der Berichtsewoche und bis um die Mitte derselben waren an den ost⸗ und mitteldeutschen Beobachtungsorten südliche und füdöstliche, in München östliche, in Cöln, Bremen und Karlsruhe südliche und südwestliche Windrichtungen vorherrschend, die am 28. November an den Oststationen nach Nordwest, in Karlsruhe nach Nord und Nordost, in Cöln nach Südost gingen, in den letzten Tagen, in Cöln erst am Schluß der Woche, aber wieder nach Süd und West zurückdrehten. Die Temperatur der Luft lag an den meisten Stationen etwas über, in München und Karlsruhe etwas unter der
Leichte Nachtfröste wurden aus den meisten Stationen gemeldet. Bei vielfach nebliger Witterung waren Niederschläge, in Breslau Schnee, nicht selten, aber meist nicht ergiebig. Der beim
Wochenbeginn mäßig hohe Druck der Luft nahm in den ersten Tagen der Woche ab, stieg am 27. November allgemein und hoch, sank vom 29. an Anfungs laͤngsam, am 1. Dezember auffallend, zeigte jedoch am Schluß der Woche an allen Stationen steigende Tendenz.
Die Sterblichkeitsverhältnisse der meisten größeren Städte Europas waren in der Berichtswoche günstige und geringere als in der vorangegangenen Woche. Die allgemeine Sterblichkeitsverhältniß⸗ zahl für die deutschen Städte sank auf 23,4 von 23,8 der Vorwoche (auf 1000 Einwohner und aufs Jahr berechnet) — Der Antheil des Säuglingsalters an der Sterblichkeit blieb im Allgemeinen der gleiche wie in der vorhergegangenen Woche; sehr gering war derselbe beson⸗ ders in den süddeutschen Städten. Von 10 000 Lebenden starben aufs Jahr berechnet 67 Kinder unter 1 Jahre, in Berlin 66, in München 128.
Unter den Todesursachen wurden von den Infektionskrankheiten Masern und in außerdeutschen Städten auch Pocken häufiger. — Masern Herrschten in München, Chemnitz, Crimmitschau, Leipzig, Hamburg, Altona, Hannover, Braunschweig, Osnabrück, Essen, Prag, Paris, Edinburg und St. Petersburg; in Berlin und Wien hat die Zahl der Todesfälle etwas abgenommen. — Das Scharlachfieber wurde in Erfurt, Hannover, Berlin, Prag, London, Edinburg, Stockholm häu⸗ figer, in Königsberg und Dresden seltener Todesveranlassung. — Groß war noch immer die Sterblichkeit an Diphtherie und Croup, ohwohl gegen die Vorwoche ein Nachlaß ersichtlich ist. Zahlreich waren die durch diese Krankheitsformen hervorgerufenen Sterbefälle in Berlin, München, Hamburg, Breslau, Braunschweig, Triest, Amsterdam, Stockholm, St. Petersburg, London, Valencia, Murcia; in Königsberg, Danzig, Dresden, Chemnitz, Poris, Wien, Madrid nahm die Zahl der Todesfälle etwas ab. — Der Keuchhusten führte in Königslherg, Nürnberg, Hamburg, Altona, Berlin mehrfach Todesfälle berbei. — Typhöse Fieber waren in Hamburg, Königsberg, Liegnitz, Posen, Paris nicht selten Todesveranlassung. — Sterbefälle an Fleck⸗ tvyphus kamen aus Stettin, St. Petersburg, Odessa, Granada je 1, aus Warschau, Malaga, Murcia, Saragossa je 2 zur Anzeige. — Darmkatarrhe und Brechdurchfälle der Kinder zeigten keine wesent⸗ liche Veränderung in ihrem Vorkommen. — Dem Kindbettfieber erlagen in deutschen Städten 20 Frauen. — Ruhrtodesfälle kamen aus deutschen Städten nur 2 (aus Berlin) zur Mittheilung. Sterbe⸗ fälle an Pocken kamen aus deutschen Städten nur 1 aus Königsberg, Erkrankungen 8 aus dem Regierungsbezirk Königsberg und 3 aus Berlin zur Anzeige. — In beschränkter Zahl zeigten sich Pocken in London, Liverpool, Triest, Krakau, Valencia, Glasgow, Lissabon, Alerandrien. Brüssel, St. Petersburg, Budapest, Paris, Birmingham, Warschau, Murcia, Madrid. Häufiger waren Pocken in New⸗Orleans, Malaga, Prag und Madras. — Der Cholera erlagen in Alexandrien (18.— 24. November) 7 Personen, in Madras (13.—19. Oktober) 2, in Kalkutta (7.—13. Oktober) 46. Aus New⸗Orleans wird aus der Zeit vom 4.—10. November 1 Todesfall am gelben Fieber gem der auf einem aus Vera⸗Cruz anlangenden Dampfer vorkam.
Kunst, Wissenschaft und Literatur.
Paris, 10. Dezember. (W. T. B.) Frangois Lenor⸗ mand, Mitglied des Instituts, ist gestorben. sc — Die durch ihre reich und prächtig ausgestatteten, illustrirten Publi⸗ kationen weitbekannten Verlagsbuchhandlungen von Paul Neff und Ebner und Seubert in Stuttgart versenden zum Feste gratis einen Weihnachtskatalog, in welchem eine Auswahl der gediegensten und schönsten Werke mit vielen Illustrationsproben ver⸗ zeichnet sind. Eingeleitet wird der Festkatalog durch die Anzeige der jetzt vollendet vorliegenden billigen Ausgabe (5. Auflage) der „Denk⸗ mäler der Kunst“ (in Original⸗Prachtband jetzt nur 40 ℳ, gegen den früheren Preis von 180 ℳ), eines ganz besonders empfeh⸗ lenswerthen, würdigen Festgeschenks, auf welches wir noch einmal zurückkommen. Dann folgen die „Klassiker der Malerei“, heraus⸗ gegeben von Krell, und „Die französischen Maler des 18. Jahrhun⸗ derts“, mit Text von Alfred von Wurzbach, prachtvolle Sammlungen von unveränderlichen Photographiedrucken nach den besten Kupfer⸗ stichen; auf die an dieser Stelle vielfach besprochene „Goldene Bibel“, Moriz von Schwinds Märchen⸗Kompositionen (Die sieben Raben, Die schöne Melusine), ferner die beschreibenden, reich illustrirten Werke „Bilder aus Elsaß⸗Lothringen“ und „Aus dem Schwabenland“, die für Freunde des Kunstgewerbes hochinteressanten Publikationen „Das Polrchrome Ornament“ (100 Tafeln in Gold⸗, Silber⸗ und Farbendruck, von A. Racinet, deutsche Ausgabe) und „Grundriß der Keramik“, von Friedrich Jännicke (mit 476 Illustrationen und 2500 Marken und Monogrammen); dann u. A. Weißers Bilderatlas zur Weltgeschichte nach Kunstwerken alter und neuer Zeit (146 Tafeln mit 5000 Darstellungen, 3. Auflage, herabgesetzter Preis 25 ℳ gegen 80 ℳ früher); „Album poetico illustrato“ (raccolta varia di poesie italiane. Pr. elegant geb. 6 ℳ); „Die Kunst für Alle“ (eine Samm⸗ lung der vorzüglichsten Malerstiche, Radirungen und Formschnitte des 15. bis 18. Jahrhunderts); „Natur und Dichtung“, deutsche Lieder mit Zeichnungen; dann zwei bereits von uns anderweitig angezeigte Festgaben, nämlich „Die schönsten Mären und Heldensagen der Vor⸗ zeit“, von Emil Engelmann, und Lübke’s „Grundriß der Kunst⸗ geschichte“ (9. Aufl.). Von dem letztgenannten ausgezeichneten Kunsthistori⸗ ker finden wir ferner: „Geschichte der italienischen Malerei“ (Pr. geb. 36 ℳ), „Geschichte der Renaissance in Deutschland“ (geb. 34 ℳ), „Geschichte der Renaissance in Frankreich“ (geb. 12,60 ℳ) Endlich bietet der Katalog noch die nachstehenden illustrirten, zum Theil hoch⸗ geschätzten kunstgeschichtlichen Werke: „Geschichte der Renaissance in Italien“, von Prof. Dr. Jacob Burckhardt (geb. 15 ℳ), „Geschichte der Baukunst“, von Franz Kugler (geb. 18,60 ℳ), »Geschichte der bildenden Künste“, von Carl Schnaase (7 Bände, geb. 75 ℳ), „Handbuch der Kunstgeschichte“ von Franz Kugler“ (bearbeitet von Wilhelm Lübke), „Handbuch der Geschichte der deutschen und niederländischen Maler⸗ schulen“, von G. F. Waagen; endlich die berühmte dreibändige „Kostümkunde“ vom Geh. Rath Prof. Hermann Weiß und ein Stahl⸗ stichwerk mit Terxt: „Die Architektur des klassischen Alterthums und der Renaissance“, von J. Bühlmann.
— In Dr. zur Niedens Selbstverlag in Berlin erschien soeben: „Der Eisenbahntransport verwundeter und erkrankter Krieger, nebst einem Anhange, betreffend die Einrichtung von Pflegestätten im Kriege“, herausgegeben von Dr. Julius zur Nieden, Königlicher Eisenbahnbau⸗ und Betriebs⸗Inspektor, zweite Auflage, mit 91 in den Text gedruckten Holzschnitten. — Die günstige Beurthei⸗ lung, welche die erste Auflage dieses Werks in der Presse des Inlandes und des Auslandes auch von berufener fachmännischer Seite gefunden hat, veranlaßte den Herausgeber zu einer Erweiterung desselben hinsichtlich der Einrichtungen von Pflegestätten verwundeter und erkrankter Krieger. Die Bewältigung des ziemlich umfangreichen Materials verzögerte die Herausgabe der neuen Auflage indeß so sehr, daß die ursprüngliche Absicht, dieselbe zur diesjährigen Hygiene⸗ ausstellung fertig zu stellen, nicht erreicht werden konnte.
Fünf Männer der Praxis, Aerzte und Techniker, haben sich ver⸗
transportwesen verwundeter und erkrankter Krieger in diesem beson⸗ ders allen Denen zu empfehlenden Buche auszutauschen, welche beab⸗ sichtigen, in einem etwa ausbrechenden Kriege sich dem Sanitätsdienst und dem Transport kranker und verwundeter Krieger zu widmen. Alle bisherigen Leistungen und alle Erfahrungen auf diesem Gebiete sind von den Verfassern berücksichtigt und alle in das Fach einschlagende Fragen klar und auch für Laien ver⸗ ständlich behandelt. Die acht Kapitel des ersten Theils besprechen nach einer kurzen Einleitung die bisherigen Einrichtungen der Transporte und ihre Leistungen; die Scheidung der Verwundeten und Kranken nach Maßgabe der Transportfähigkeit; die Anforderungen, welche demgemäß an die Sanitätszüge zu stellen sind; die Lazarethzüge mit improvisirter und fester Einrichtung; den Eisenbahnbetrieb und die neben der Bahn für die Transporte zu treffenden Einrichtungen (Sammel⸗, Ueber⸗ nachtungs⸗, Verrflegungsstationen ꝛc.); den Dienst auf den Zügen, die Dienstverrichtungen der Aerzte, Wärter ꝛc.; und die Ventilation der Krankenwagen. Der 2. Theil handelt von der Einrichtung von Pflegestätten im Kriege: dem Ort der Pflegestätten und den zu wählenden Gebäuden, dem Bau und der Einrichtung der Pflegestätten.
Es wird den Verfassern gewiß auch in weiteren Kreisen der Bei⸗ fall nicht fehlen, zumal denselben eine besondere Anerkennung bereits dadurch zu Theil geworden ist, daß Ihre Majestät die Kaiserin und Königin die Widmung des Werks anzunehmen geruht hat.
— Der Buchbändler und Antiquar J. A. Stargardt in Berlin (Markgrafenstr. Nr. 48, I1) hat „Bücher⸗Verzeichniß“ Nr. 144 ausgegeben. Dasselbe enthält ein reichhaltiges und werthvolles Ver⸗ zeichniß von 559 Schriften über „Numismatik“. Darin befinden sich Schriften über altzgriechische, altrömsche, phönizische, punische, orientalische, deutsche, italienische, französische, dänische, niederländische, polnische und russische Münzen, Schriften über Münzen und Münz⸗ wesen des Mittelalters, über Münzen einzelner deutscher Länder und Städte, Beschreibungen vieler Münzsammlungen, Berichte über Münz⸗ funde u. dal. m. Außer den Schriften über Münzen enthält der Katalog auch Schriften über Gemmen, geschnittene Steine, Wappen und Siegel. Aus der Zahl der vielen interessanten, in diesem Kataloge verzeichneten Schriften heben wir die von Friedländer, Grässe, Grote, Köhne, Leitzmann, Möhsen, v. Mülverstedt, Schlichte⸗ groll, Schlickeysen, Spieß, Tentzel und Voßberg besonders hervor.
Gewerbe und Handel.
Ueber die Zollbehandlung verschiedener Waaren bei ihrer Einfuhr nach den Niederlanden hat der Königlich niederländische Finanz⸗Minister kürzlich die nachstehende Verfügung erlassen:
„Gebrauchte Jagd⸗Geräthschaften und Velocipedes, welche zu persön⸗ lichem Gebrauche mitgeführt werden, sind als frei von Einfuhrzoll zu behandeln.
Irdene Röhren für Wasserleitung, Abflußkanäle, Dränage und Aehnliches gehören auch dann, wenn sie aus getrocknetem Cemente hergestellt sind, unter die Tarifposition „Irdene Waaren und Töpfer⸗ waaren“, belastet mit einem Werthzoll von 5 %.“
— Die gestern geschlossenen Wahlen zum Aeltesten⸗Kolle⸗ gium der Berliner Kaufmannschaft hatten folgendes Re⸗ sultat. Gewählt wurden: Geh. Kommerzien⸗Rath Dietrich, Geh. Kommerzien⸗Rath Liebermann, Kommerzien⸗Rath Kühnemann, Geh. Kommerzien⸗Rath Herz, Hr. Ernst Behrens, Hr. Siegfried Sobern⸗ heim, Geh. Kommerzien⸗Rath Delbrück und Hr. Wolff Hagelberg.
— In der Generalversammlung des Berlin⸗Charlotten⸗ burger Bauvereins waren 2 676 600 ℳ Aktien, also etwa die Hälfte des gesammten Aktienkapitals, vertreten. Auf der Tagesordnung standen Anträge der Gesellschaftsvorstände auf nachträgliche Ge⸗ nehmigung der Betheiligung an dem Unternehmen der Kurfürsten⸗ damm⸗Gesellschaft sowie des Gewinnvertheilungsmodus in der Weise, daß künftig die Aktionäre 92 ½ % als Dividende, Aufsichtsrath und Direktion 7 ½ % (also die Hälfte des bisherigen Prozentsatzes) als Tantième erhalten sollen. Die Anträge der Gesellschaftsorgane wurden zum Beschluß erhoben.
London, 10. Dezember (W. T. B.) Die am Sonnabend abgehaltene Wollauktion schloß zu unveränderten Preisen. Beste Cape snowhite, gute Rückenwäschen, Natal Schweißwolle voll , gute australische Kammwolle, Kreuzzuchten, ½ theurer als bei der Septemberauktion.
Glasgow, 10. Dezember. (W. T. B.) von Roheisenbetrugen in der vorigen Woche in derselben Woche des vorigen Jahres.
Bradford, 10. Dezember. (W. T. B.) Wolle ruhig, un⸗ verändert, Garne besser, Stoffe ruhiger.
—
Verkehrs⸗Anstalten. — Bremen, 11. Dezember. (W. T. B.) Der Dampfer des Norddeutschen Lloyd „Weser“ ist gestern in Galveston ein⸗ getroffen.
Hamburg, 10. Dezember. (W. T. B.) Der Postdampfer „Hammonia“ de mburg⸗Amerikanischen Packet⸗ fahrt⸗Aktiengesellschaft ist, von New⸗York kommend, heute Nachmittag 5 Uhr auf der Elbe eingetroffen.
Hamburg, 11. Dezember. (W. T. B.) Der Postdampfer „Gellert“ der Hamburg⸗Amerikanischen Packetfahrt⸗ Aktiengesellschaft ist gestern Abend 6 Uhr in New⸗York ein⸗ getroffen und der Postdampfer „Saxonia“ derselben Gesell⸗ schaft hat, von Westindien kommend, gestern Lizard passirt.
Triest, 10. Dezember. (W. T. B.) Der Lloyddampfer „Niobe“ ist mit der ostindisch⸗chinesischen Ueberlandpost aus Alexandrien heute früh hier angekommen.
New⸗York, 10. Dezember. (W. T. B.) Der Dampfer „The Qͥueen”von der National⸗Dampfschiffs⸗Compagnie (C. Messingsche Linie) ist hier eingetroffen.
Berlin, 11. Dezember 1883
Preußische Klassenlotterie. (Ohne Gewähr.) 1
Bei der heute angefangenen Ziehung der 3. Klasse 169. Königlich preußischer Klassenlotterie fielen:
1 Gewinn von 15 000 ℳ auf Nr. 7289.
2 Gewinne von 6000 ℳ auf Nr. 4006. 16 685.
2 Gewinne von 3000 ℳ auf Nr. 53 704. 91 395.
3 Gewinne von 1800 ℳ auf Nr. 3617. 11 944. 57 883.
4 Gewinne von 900 ℳ auf Nr. 3422. 17 898. 20 219. 25 387. 12 Gewinne von 300 ℳ auf Nr. 9143. 10 301. 23 251. 37 135. 42 518. 51 116. 53 929. 54 759. 55 102. 56 045. 61 503. 62 930. Die Akademie der Künste hatte heute Mittag zur Feier des 100 jährigen Geburtstages Peters von Cornelius in den Corneliussälen der Königlichen Nationalgalerie eine Festsitzung ver⸗ anstaltet, die einen erhebenden Verlauf nahm. Veranlassung, die Feier so weit über den Tag des Jubiläums selbst hinaus zu verschieben, hatte die Erwägung geboten, daß es angezeigt erscheine, den Anlaß der Feier wahrzunehmen, um dem Raum, in dem sie nunmehr statt⸗ fand, das würdige Gewand anzulegen, welches den hier aufbewahrten Werken des Meisters ziemt. Der neue Schmuck der Räume giebt den Cartons eine kräftige Folie, die sie zur besten Wirkung kommen läßt.
Eine glänzende Versammlung hatte sich in den Räumen versammelt. Der Staats⸗Minister von Goßler, der Unterstaatssekretär Lucanus und der Ministerial⸗Direktor Greiff wohnten der Feier bei. Vor der Büste Peters von Cornelius war die Rednertribüne errichtet, und ihr zu Seiten hbatten im Halbkreis die Mitglieder der Akademie Platz genommen.
Die Hochschule für Musik leitete die Feier der Beethovenschen Duvertüre „Zur Weibe des Hauses“ ein. Nachden die letzten Akkorde verklungen, nahm Geheimrath Jordan das Wort:
Wiederholt haben diese Räume, so führte er aus, festlichen Zwecken gedient, niemals aber, so lange die National⸗Galerie besteht ist in ihr eine Feier von solcher Bedeutung begangen worden. E gilt heute das Gedächtniß des großen Künstlers zu ehren, dessen Werke nicht nur den Mittelpunkt der hier vereinigten Sammlungen bilden, sondern die zugleich ein wesentlicher Anlaß gewesen sind zur Errichtung dieses Hauses und dessen Walten und Schaffen wie ein großer Festtag im Leben des deutschen Volkes erscheint. Weitab liegt er hinter uns, so weit, daß wir Mühe haben, uns klar zu machen, welch kurze Spanne Zeit uns von dem Tage trennt. an welchem Cornelius sein irdisches Leben schloß. Gewaltiges hat sich seitdem in unserm Vaterlande vollzogen; auch 8 dem Gebiete menschlichen Strebens, dem Cornelius zunächst angehörte ist ein so weit greifender Umschwung erfolgt, daß wir den Zusammen⸗ hang mit ihm kaum noch erkennen. Es ist gesagt worden: Cornelius habe schon bei Lebzeiten der Geschichte angehört. Wenn damit ge⸗ meint ist, er habe sich überlebt gehabt, dann kann nicht ernstlich gerug daran erinnert werden, daß er bis zum letzten Athemzuge theil⸗ nehmend mit empfunden hat, was die Gegenwart bewegte. Soll aber jenes Wort besagen: tiefer und fertiger kann Niemand seines Daseins Kreise vollendend zur Ruhe gehen, dann trifft es zu, denn ab⸗ geschlossen und abgerundet wie ein von ihm selbst gedachtes Kunst⸗ werk liegt sein Leben vor uns da. Er hat die deutsche Kunst auz langer Erschlaffung mit sich emporgehoben, hat ihr Bahnen ange⸗ wiesen, die sie nie zuvor betreten. Gegenüber dem behaglichen Sklaventhum, in dem die Kunst dahinlebte, empfanden die Helden des neuen Geistes, Cornelius voran, das Verlangen nach einer volks⸗ thümlichen Kunstsprache. Nicht zufällig knüpfte Cornelius mit seinen ersten bedeutenden Werken an die neue deutsche Poesie, an Goethe's wunderbare Dichtungen an. Volksthümlich vollte er wirken, darum trat er mit Entschlossenheit dem größten Dichter seines Zeitalters an die Seite. Die Erniedrigung Deutsch⸗ lands ließ ihn mit Inbrunst sich den Heiligthümern zuwenden, welche im Stande schienen, das Vaterland wieder sich seines Werthes be⸗ wußt zu machen. So war es gemeint, wenn Cornelius das alte deutsche Heldenlied zum Gegenstand weiterer Darstellungen machte.“ Der Redner schilderte sodann den gewaltigen Eindruck, den Italien auf Cornelius gemacht, und das Entscheidende seines dortigen Auf⸗ enthalts; er zeigte ferner, wie er immer mehr und mehr zu der Ueberzeugung gelangt sei, daß die deutsche Kunst nur dann wieder zu wahrem Leben kommen könne, wenn sie die Kraft gewönne, öffentlich zu wirken. Er schilderte, wie Cornelius dann den Auftrag zu jenen beiden Freskogemälden für den Konsul Bartholdy erhielt, in denen sich die verheißungsvollste Künstlerthat seines Lebens offen⸗ barte. „Die Anerkennung, welche der Erfolg dieser Werke war, stei⸗ gerte in ihm gewaltig den Wunsch nach einer umfassenderen Thätig⸗ keit. Bald wurde diesem Wunsche Erfüllung. König Ludwig von Bayern betraute ihn mit der Ausmalung der Glyptothek; die Fresken, die er hier geschaffen, sind auf ihrem Gebiete die größten künstlerischen Leistungen des 19. Jahrhunderts. Sie sind es durch den Geist ihrer Auffassung, durch die Gewalt ihrer Formensprache und nicht zuletzt dadurch, daß in ihnen, zum ersten Male wieder seit dem Höhepunkte der italie⸗ nischen Kunst, Baukunst und Malerei in harmonischen Einklang gesetzt sind. Wenn Cornelius weiter nichts geleistet hätte, wie dies, er würde schon um des willen unsterblich sein?. Der Redner gedachte endlich noch der großartigen, leider unausgeführten Pläne zur Aus⸗ schmückung des Campo santo unserer Stadt und schloß dann etwa wie folgt: „Bald werden die letzten Spuren seines Erdenlebens hier ver⸗ schwunden sein, denn die Werkleute stehen bereit, das Haus nieder⸗ zulegen, in welchem er gewohnt hat. Dann erinnern nur noch die Denkmale seines Schaffens daran, daß er einstmals der Unfrige war. Das große Auge aber, das sinnend auf ihnen geruht, kann niemals verlöschen: es schaut uns nach und mahnt uns, daß wir die Kunst, die Cornelius gepflegt, nicht verleugnen.“ “
Mendelssohns Cornelius⸗Marsch schloß die Feier. 8
Im Palmenhause der Charlottenburger Flora hat seit Kurzem ein Marmorspringbrunnen aus der Schleicherschen Fabrik Aufstellung gefunden. Ebendieselbe Fabrik hat zur Verschönerung des Raumes durch Ballustraden beigetragen, welche an beiden Seiten der mittleren Terrasse angebracht sind. Dieselben sind aus dunklem Marmor mit prachtvollen Serpentin⸗Balüstern hergestellt und ge⸗ währen dem schönen Ruheplatz einen wirkungsvollen Abschluß. Die Vegetation des großartigen Palmenbauses befindet sich gerade jetzt im üppigsten Flor und weist eine große Zahl interessanter botanischer Spezialitäten auf.
In der Dreifaltigkeitskirche giebt der Organist Franz iebach, ein als Concertspieler wohlbekannter Schüler des Musikdirektors Dienel, heute Abend 7 Uhr ein Concert, zu welchem Fr. Natalie Schröder, Fr. Clara Bindhoff, Hr. H. Holdgrün und Hr. Kammermusiker Dechert ihre Mitwirkung zur Ausführung eines reichen, interessanten Programmes zugesagt haben.
Königliches Opernhaus. In der auf morgen, Mittwoch, angesetzten Aufführung der „Meistersinger“ von Richard Wagner wird Frl. Pollack die Rolle der Eva und Frl. Horina die der Amme singen; sonst ist die Besetzung die frühere: Hr. Niemann: Walther von Stoltzing, Hr. Betz: Hans Sachs ꝛc. Am Donnerstag (nicht Mitt⸗ woch), den 13., beginnt dann, wie schon angezeigt, Fr. Lucca ihr Gastspiel als „Carmen“.
— Königliches Schauspielhaus. Hr. Rieckoff aus Augs⸗ burg wird in der nächsten Woche als „Othello“ ein Gastspiel auf Engagement beginnen.
— Das Wallner⸗Theater war am Sonntag bei der Auf⸗ führung des Heinemannschen Lustspiels „Der Schriftstellertag“ wieder beinahe ausverkauft, und das Publikum gab seinem Wohlgefallen an dem heiteren Stück durch stürmischen Beifall Ausdruck .
— Residenz⸗Theater. Mit dem heutigen Tane werden die Aufführungen des Dramas „Ein Pariser Roman“ wieder aufgenom⸗ men, und zwar spielt Hr. Haack die bisher von Hrn. Carl Sontag zur Darstellung gebrachte Rolle des Baron Chevrial. Inzwischen finden bereits die Proben zu der nächsten Norität dieser Bühne: „Ihr Lebensretter“, von Fr. Hartl⸗Mitius, statt, welche am nächsten Sonnabend zum ersten Male in Seene gehen soll.
— Die Ermäßigung des Eintrittspreises im Krollschen Theater hat ihre Wirkung nicht verfehlt: am letzten Sonntag stellten die Familien das Hauptkontingent zu dem vollen Hause, so daß die Zahl der Kinder bei Weitem die der erwachsenen Zuschauer überstieg. Selbstverständlich war an diesem Abend die kleine Geigerin Ernestine Bouché die eigentliche „Puppenprinzessin“, welche wi allseitig bewundert wurde.
Concerthaus. Auf dem Programm des morgigen Abends steht die 7. Syͤmphonie (A-dur) von Beethoven, ferner als Novität der Marsch aus der Oper „Heinrich VIII.“ von Saint⸗Saëns. Auf vielseitigen Wunsch bringt Hr. Hofmusikdirektor Bilse sodann das schöne Largo für Orgel, Streichinstrumente und Harfe v Händel wieder zur Aufführung.
Redacteur: Riedel.
Verlag der Expedition (Kessel). Vier Beilagen
Berlin: Druck: W. Elsn
Am Eingange des großen Saales waren die Banner des Vereins
einigt, um gemeinschaftlich ihre Erfahrungen über das Eisenbahn⸗
Berliner Künstler und der Kunstakademie aufgepflanzt.
(einschließlich Börsen⸗Beilage).
1
nzeiger und Königlich Preu
Erste Beilage
Berlin, Dienstag, den 11. Dezember
zeiger. 1883.
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der in den deutschen Münzstätten bis Ende November 1883 stattgehabten Ausprägungen von Reichs⸗Gold⸗ und ⸗Silbermünzen.
Goldmünzen
Silbermünzen
am Monat November
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Halbe Hiervon auf Fünf Zwei⸗ Ein⸗ Privatrech⸗ den in: nun
Fünfzig⸗ Zwanzig⸗ 878 düs Pfennig⸗ Pfennig⸗ Markstücke Markstücke 5stücke Pstücke
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Hiervon wieder einge⸗ ““ 543 1800 418 920
538 060 560 71 653 095 101 695 922 168 534 474
4 055 4 416 3 459
Bleiben EIgIEEIEIIE 187 I1855 A.
*) Vergl. den „Reichs⸗Anzeiger“ vom 9. November 1883 Nr. 264.
Berlin, den 9. Dezember 1883.
8 1
Hauprbuchhalterei des
71 649 040 101 691 506 168 531 015 441 073 500,30 ℳ
Biester.
Richtamtliches.
Preußen. Berlin, 11. Dezember. Im weiteren
rlaufe der gestrigen (12.) Sitzung des Hauses der bgeordneten wurde die zweite Berathung des Entwurfs s Staatshaushalts⸗Etats für 1884/85 und zwar mit — 1
8 tionen und Strafanträge und die zahlreichen Fälle, wo ganz
er Berathung des Etat setzt. ei Titel 18 (rheinisches Landgestüt) wünschte der Abg.
der Gestütsverwaltung fort⸗
Nooren eine intensivere Einführung der Ardenner Rasse sür
en füdlichen Theil der Rheinprovinz.
Der Regierungs⸗Kommissar Ober⸗Landstallmeister General⸗ Lieutenant Luederitz entgegnete, diesem vollkommen berechtigten Punsche sei bereits Rechnung getragen. Die Zahl der Ar⸗ enner Hengste sei von 36 auf 59 erhöht worden.
Der Abg. Rumpff möchte für diesen Zweck im nächstjäh⸗ igen Etat eine größere Summe ausgeworfen sehen, als isher.
Der Titel wurde bewilligt, ebenso der Rest der ordent⸗ chen Ausgaben und die einmaligen und außerordentlichen lusgaben dieses Etats ohne Debatte.
Es folgte der Etat der Lotterie⸗Verwaltung.
Bei Tit. 1 der Einnahmen (4 029 746 ℳ) bemerkte der Abg. Dr. Stern: er möchte die alte Forderung erneuern, das
Zerbot aufzuheben, in außerpreußischen Lotterien zu spielen.
Mit der Regierung erkenne die Majorität des Hauses, na⸗ tentlich die Rechte an, daß ein Bedürfniß vorliege, dem olke das Spiel in einem gewissen Umfange zu gestatten. bgleich er das Spiel für nicht mit der Moral im Einklange stehend erachte, so erkenne er es doch
als ein fait accompli an, und komme zu der logischen chlußfolgerung: Wenn man ein solches Bedürfniß anerkenne, do müsse man auch die Möglichkeit des Spiels gestatten. Eine
olche Möglichkeit liege aber unter den gegenwärtigen Lotterie⸗ derhältnissen nicht vor. Es sei zahlreichen Elementen nicht möglich, das legitime Bedürfniß des Spiels zu befriedigen, nd man nehme deshalb seine Zuflucht zur sächsischen, Ham⸗ urger oder sonstigen Lotterie. Das Verbot des Spiels in diesen Lotterien sei früher berechtigt gewesen. Die preußische Lotterie habe früher keinen guten Absatz gehabt, und man habe. im fiskalischen Interesse das Geld im Lande behalten wollen JFetzt sei mit der Zahl der Bevölkerung auch das pielbedürfniß gestiegen, aber dies Bedürfniß könne n Preußen nicht befriedigt werden; sei es nun nicht ein ogischer Widerspruch, dies Bedürfniß unbefriedigt zu lassen, zund Diejenigen zu bestrafen, welche in fremden Lotterien pielten? Es vergehe keine Woche, in der nicht Anklagen
wegen Uebertretungen des Verbots erhoben würden. In einer
Stadt Schlesiens habe man für die Verhandlungen zu diesem Zwecke einen besonderen Wirthshaussaal benutzen müssen. Und dabei würden Leute aus den besten Ständen angeklagt! Der⸗ gleichen Prozesse könnten nicht wohlthätig auf das Rechts⸗ gefühl im Volke wirken. Denn trotz aller Bestrafungen werde ortgespielt in fremden Lotterien. Um diesen Uebelständen abzuhelfen, müßte man entweder das Verbot des Spiels in fremden Lotterien aufheben oder dafür sorgen, daß das Spiel⸗ bedürfniß in der preußischen Lotterie befriedigt werde.
Der Abg. Frhr. von Fürth bat die Verwaltung, wenn nan das Spiel in auswärtigen Lotterien verbiete, den auf ine Täuschung des Publikums berechneten Ankündigungen der Loose in fremden Lotterien entgegenzuwirken.
Der Abg. von Ludwig betonte, es sei über diesen Gegen⸗ and schon viel geredet, aber nichts von der Regierung ge⸗ than worden. Er möchte die Regierung fragen, wie sie denn eigentlich in dieser ganzen Sache stehe. Er persönlich wünsche nicht, daß dieses Verbot, in außerpreußischen Landen zu spielen, ausgehoben werde. Solle überhaupt eine Aenderung eintreten, so müsse das Reich die Sache in die Hand nehmen. Bis dahin sei aber eine Vermehrung der preußischen Lotterieloose absolut noth⸗ wendig. Das Bedürfniß sei einmal da, und seine (des Redners) Mocalität sei nicht so zelotisch gefärbt, daß er in dem Spiel etwas so Entsetzliches sehe. Er finde die durch den Sternschen
ntrag konstatirte furchtbare Wahlbeeinflussung viel schlimmer, als das Lotteriespiel. Möge man doch sehen, ob es im Straf⸗
gesetzbuch nichts zu ändern gebe. Er habe schon früher hier
darauf hingewiesen. Was richte nicht die Presse für ein Unheil an, aber die Parlamentarier fänden in derselben gar nichts. Er habe dem hohen Präsidium einen Vorschlag in Betreff der Presse im Hause unterbreitet. Das hohe Präsidium habe beschlossen, es sei da nichts zu machen. Er möchte wirklich bitten, daß man
unvor unzweifelhaft vorhandenen Bedürfnissen abhelfe, ehe man
sich an das Lotteriespiel mache. Kein Mensch in Preußen glaube durch Uebertretung des Verbots etwas Unwürdiges zu gehen. Man wisse, wie prompt der große Stephan in eutschland arbeite. Offen werde der Verführungsantrag in
“ 1
alle Häuser abgeschickt.
An unzähligen Fenstern finde man die Cuittungen verschiedener Verbrechen, die in dieser Be⸗
ziehung in Preußen begangen würden: die Gewinnlisten.
Wenn irgend wo die Präventivpolizei wirksam auftreten könnte, so wäre es hier der Fall. Und doch geschehe nichts; statt dessen diese massenhaften Anklagen, diese vielen Requisi⸗
anständige Personen zwangsweise vorgeführt würden! Der Regierungskommissar Unter⸗Staatssekretär Meinecke entgegnete, als die Lotteriefrage zum letzen Mal im Jahre 1880 hier erörtert sei, sei man allseitig der Ansicht gewesen, daß die jetzigen Verhältnisse nicht befriedigende seien. Es sei da auch hervorgehoben worden, daß das Verbot des aus⸗ ländischen Lotteriespiels sehr häufig übergangen werde, und sich dadurch eine gewisse Gleichgültigkeit gegen Gesetzesüber⸗ tretungen im Lande herausbilde. Das sei aber nicht der einzige Uebelstand. Der zweite sei der, daß durch den Zwischen⸗ handel mit den Lotterieloosen sehr unerwünschte Zustände ge⸗ schaffen würden, der Preis erhöht würde und vielfache Betrügereien dabei vorkämen. Warum aber nun zu einer Reform noch nicht geschritten worden, das liege einfach darin, daß in der öffentlichen Meinung, und namentlich auch in diesem Hause, die Voraussetzungen der Reform sich diametral gegenüberständen.
Auf der einen Seite werde auf das Bestimmteste verlangt —
und er glaube, ein früherer Beschluß des Hauses spreche sich dahin aus — die Lotterie ganz abzuschaffen als unmoralisch und ungehörig für die Staatsverwaltung; auf der anderen Seite, wie heute wiederholt geschehen sei, werde ein Bedürfniß des Volkes zum Lotteriespiel anerkannt, und Abhülfe verlangt. Wolle man die Lotterie abschaffen, dann sei das mit einem Federstrich geschehen; der Staatshaushalt verliere eine Rein⸗ einnahme von vier Millionen Mark, was immerhin unerwünscht fei, was aber, wenn die Meinung sich mit Entschiedenheit dahin aussprechen sollte, ein absolutes Hinderniß nicht sein würde. An⸗ dererseits seianerkannt, daß, wenn das Bedürfnißzur Vermehrung der Lotterieloose da wäre, es zu befriedigen sei. Es wäre das sehr einfach, die Loose zu verdoppeln, der Plan liege vor: es würden statt vier Millionen einfach acht Millionen erhoben werden, und es bedürse dann weiter keines Verbots gegen das Spielen in auswärtigen Lotterien, denn dann würden Diejenigen, die in Preußen spielen wollten, durch preußische Lotterieloose ihr Be⸗ dürfniß befriedigen können. Diese im Hause namentlich — das müsse er wiederholen — sich in ziemlich gleicher Zahl, soweit es sich habe übersehen lassen, entgegenstehenden An⸗ sichten hätten die Staatsregierung im Jahre 1880 zu dem Beschluß bestimmt, vorläufig in dem status quo nichts zu ändern. In neuerer Zeit habe die Staatsregierung keinen Anlaß gehabt, auf diese Frage grundsätzlich zurückzukommen, und er könne also eine weitere Erklärung in diesem Augenblick darüber nicht abgeben. 8 Der Abg. von Benda erklärte, die überwiegende Mehr⸗ heit dieses Hauses sei gegen eine Vermehrung der Lotterie⸗ loose, die aleerdings in vielen Kreisen, namentlich von den Agenten, begrüßt werden würde. Wie man das Lotteriespiel als etwas Unsittliches bezeichnen, und trotzdem für eine Ver⸗ mehrung der Lotterieloose sprechen könne, begreife er nicht. Seines Wissens sei die Lotterie in mäßigem Umfange bisher nur aus finanziellen Gründen gestattet worden. Er möchte der Regierung rathen, noch einige Jahre zu warten, ehe sie an dem Bestehenden ändere. 1“
Der Abg. von Rauchhaupt bemerkte, die rechte Seite des Hauses habe sich stets gegen die Lotterie erklärt. Er wisse nicht, ob es logisch sei, auf der einen Seite die Immoralität des Lotteriespiels anzuerkennen, und auf der andern eine Vermehrung der Loose zu fordern. Er hätte es verstanden, wenn der Abg. Stern nun die Abschaffung der Lotterie überhaupt verlangt hätte. Er würde die Zeit willkommen heißen, wo man die Lotterie im Staate aufhören lasse. Ein
roßer Theil der Nation würde einem solchen Schritt der Reierung zujauchzen. Wer jemals hineingesehen habe in den endlosen Kummer und Jammer im Lande, der werde zugestehen, daß diese 4 Millionen aus den Lotterien dem Staate nicht zum Segen gereichten.
Der Abg. Francke erklärte, er stimme dem Abg. von Rauch⸗ haupt zu, zur Zeit aber könne das Haus keinen entscheidenden Entschluß fassen und müsse sehen, wie man dem Uebelstande nach Möglichkeit abhelfe. Es würde ein außerordentlicher Fortschritt sein, wenn die Regierung wenigstens gegen die⸗ jenigen Leute, die nur in der Lotterie spielten und nicht Agenten seien, das Strafmaß herabsetzte. 8
Der Abg. Dr. Löwe (Bochum) bemerkte, es handele sich nicht allein um den Verzicht auf diese vier Millionen, sondern das Haus müsse die Regierung auffordern, im Bundesrath und Reichstag ein Gesetz vorzulegen, durch welches alle Lotterien
in Deutschland aufgehoben würden. Er habe diesen Weg zu⸗
erst schon vor drei Jahren angedeutet. Nach den entgegen⸗ kommenden Erklärungen der Regierung habe er geglaubt, daß dieselbe diesen Weg betreten würde. Da dies nicht der Fal sei, so erkläre er offen, daß er die Alternative des Abg. Ster
für die richtige halte.
Der Abg. Dr. Windthorst bemerkte, den Antrag, den der Abg. Löwe (Bochum) ankündige, werde er mit Freuden unter⸗ stützen; für eine Vermehrung der Loose, die die Spiellust nur immer von Neuem erregen würde, könne er sich unter keinen Umständen erklären. Es müsse eben bei der jetzigen Misere bleiben, bis die Einsicht überall durchgedrungen sei, daß nur das Verbot sämmtlicher Lotterien Abhülfe schaffen könne.
Der Abg. Dr. Seelig führte aus, wenn man auf eine Verminderung der Spielneigung in Wirklichkeit hinwirken wolle, so müsse man vor Allem den Privatlotterien nicht den großen Spielraum gewähren, der ihnen gerade in der letzten Zeit immer freigebiger gewährt worden sei. Wie auf diesem Gebiete schon die sogenannten Wohlthätigkeitslotterien mehr Nachtheile als Vortheile für das staats⸗ und volkswirthschaftliche Wohl mit sich brächten, so würden jetzt auch gelegentlich von Ausstellungen direkte Geldlotterien veranstaltet und genehmigt; so sei bei einer Hundeausstellung in Berlin nicht weniger als 100 000 Loose abzusetzen erlaubt. Das sei denn doch eine Ermunterung der Spielsucht in der allerstärksten Weise, die sich mit dem Grund⸗ satz, die Ausübung des Spiels mit gewissermaßen erziehend wirkenden Garantien zu umgeben, nicht mehr vereinen lasse.
Der Abg. Dr. Stern erklärte, er habe nicht die Ver⸗ mehrung der Loose verlangt, sondern die Aufhebung des Ver⸗ bots des Spielens in ausländischen Lotterien; er habe hinzugefügt, daß, falls diese Aufhebung nicht beliebt w logischer Weise die Regierung die Vermehrung der Lo Antrag bringen müßte.
Der Abg. Götting bemerkte, wenn die Lotterie an sie verwerflich sei, dann dürfe man auch auf die letztere Eventuali⸗ tät nicht eingehen. Wäre lediglich der Geldpunkt entscheidend, dann ließe sie sich allerdings in Betracht ziehen. Jede Lotterie aber wirke demoralisirend, sie werde weiten Volkskreisen nicht blos zur Plage durch die Händler, sondern die Demoralisation werde direkt in die Familie hineingetragen. Aus persön⸗ licher Erfahrung wisse er, daß Händler, um ihre Loose abzu⸗ setzen, sich in Abwesenheit des Mannes hinter die Frauen steckten; nachher, wenn es zur Zahlung kommen solle und der Gewinn ausgeblieben sei, gelange die Sache doch zur Kennt niß des Eheherrn, und der häusli bedenklicher Sachlage solle man der der Widerwille gegen die Institution trage.
Der Abg. Dr. Löwe (Bochum) kündigte an, daß er, um größere Klarheit auf dem in Rede stehenden Gebiete zu er⸗ reichen, zur dritten Lesung den Antrag einbringen werde, die preußische Regierung aufzufordern, beim Bundesrathe dahin zu wirken, daß im ganzen Reich die Lotterien aufgehoben würden. u“
Der ganze Etat der Lotterie wurde im Weiteren debattelos genehmigt.
Im Etat der Seehandlung ist als Einnahme aus dem Leihamt, den Bromberger Mühlen, der Flachsgarn⸗ Maschinen⸗Spinnerei in Landeshut und aus dem Geld⸗ und
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0 status quo festhalten, bis an sich den Sieg davon⸗
che Zwist sei fertig. Bei s 1 i on
Effektenverkehr die Summe von 2 339 000 ℳ aufgeführt.
Der Abg. Uhlendorff erklärte, nach den Erläuterungen zu diesem Etat solle der Gewinn der Bromberger Mühlen 0,16 Proz. betragen. In Wirklichkeit sei dies aber kein Ge⸗ winn, sondern nur ⅛ Proz. von dem in den Bromberger Mühlen beschäftigten Kapital von 1 014 247 ℳ Wieviel dieses ⅛ Proz. betrage, werde nicht mitgetheilt. Da bei der Flachs⸗ spinnerei in Landeshut einige 60 000⸗ verdient seien, in der Allgemeinen Einnahme⸗Uebersicht aber nur 23 210 ℳ als Einnahmen aus den sämmtlichen gewerblichen Etablissements aufgeführt seien, so hätte man doch klarer und übersichtlich sich so ausgedrückt: Die Mühle zu Bromberg sei verpflichtet, an die Kasse der Seehandlung zunächst 4 Proz. Zinsen des Kapitals mit 40 510 ℳ zu zahlen, sie habe also mit einem Verlust von ca. 38 000 ℳ gearbeitet. Die für das Etablissement in Landeshut gegebene Erläute⸗ rung besage, daß nach Abzug der 4 Proz. im Betrage von 44 464 ℳ noch 62 199 ℳ Gewinn verbleibe, auch sei eine Bilanz beigefügt, die bei den Bromberger Mühlen fehle. Der den Staatsfinanzen aus der Bromberger Mühle erwachsende Verlust sei aber eigentlich viel größer; hätte man das in den siebziger Jahren gemachte Gebot von 1 800 000 ℳ für das Mühlen⸗Etablissement acceptirt, so hätte man im Ganzen ein NRehr⸗Einnahme von 110 948 ℳ gehabt. Moti virt werde das Ergebniß in Bromberg durch die un⸗ günstigen Konjunkturen; das könnte er verstehen, wenn unter diesen ungünstigen Konjunkturen die Lage gemeint sei, in welche man die gesammte Müllerei gebracht habe. Nun sei aber bekanntlich nach einer früher dem Hause zugegangenen Denkschrift der Mühlenadministration jede Spekulation unter sagt. Trotzdem habe die Administration auch jetzt, wie schon in den vorhergegangenen Jahren, immer enorme Vorräthe an Weizen wie an Roggen aufgehäuft, weshalb diese so starken Lager bei dem schwachen Absatze? Auf seine (des Redners) früheren Anfragen in dieser Richtung habe er nie Antwort er⸗ halten; vielleicht habe man das Anerkenntniß vermeiden wollen, daß die Administration in Bromberg in der That. zeitweise spekulirt habe. Neben fehlgeschlagenen Spekulationen ser dann auch der schwache Absatz ein Hauptgrund für die schlechte Rentabilität. Der für Weizen beschästigte Theil des Etablissements habe nur 116 Betriebstage gehabt, an 184 Betriebstagen habe die Arbeit geruht. Damit falle auch die Bemerkung, die voriges Jahr der Regierungskommissar hier gemacht habe, daß das Etablissement für die Militärverwal⸗ tung von Werth sei. Er unterschätze die wegen der Schiff fahrtsverhältnisse einer Veräußerung der Mühlen entgegen⸗ stehenden Bedenken nicht, aber es ließe sich doch bei eventueller Verpachtung dem Pächter die betreffende Rücksicht auf diese Verhältnisse ausdrücklich auferlegen. Jedenfalls sei Verkauf
oder Verpachtung ins Auge zu fassen. Einen bestimmten . “ 8 116.“