überschreiten, wenn wir näher in die Details dieses interessanten, die jetzt auf der Tagesordnung stehende Bauernfrage behandelnden Buches eingehen wollten, wir müssen uns daher damit begnügen, einige Auszüge aus dem Inhalt desselben zu bringen
Auf dem platten Lande kamen in 1856 an Besitzungen zwischen 30 — 300 Morgen auf die Quadratmeile in ganz Preußen 72,4, in der Provinz Posen aber 80,3 und an Besitzungen zwischen 300 — 600 Morgen im Staate 2,80, in Posen 1,80 und zusammen Besitzungen zwischen 30 — 600 Morgen im Staate 75,23, in der Provinz Posen 82,1 auf die Quadratmeile; nach dem Bericht hat sich in diesen Verhält⸗ nissen nichts wesentlich geändert; da nun der durchschnittliche Reinertrag der in Privatbesitz befindlichen Liegenschaften in Posen nur 2,2 ℳ, während derselbe in den sechs östlichen Provinzen Preußens 3,3 ℳ beträgt, so ergiebt sich nach dem Bericht der wenig erfreuliche Schluß, daß die Provinz Posen viele kleine und arme Bauern besitzt. Trotz⸗ dem gab es nach dem Bericht in der Provinz Posen, besonders in den ganz deutschen Kreisen Birnbaum und Meseritz einen verhältniß⸗ mäßig großen Theil unverschuldeter Bauerngüter und stieg die Verschuldung in diesen Kreisen nur ausnahmsweise über ½ des Werthes, während in den übrigen Kreisen die Verschuldung bis „, ia im Kreise Inowrazlaw bis zum vollen Werth stieg. Eine Aufsaugung der Bauerngüter durch die größeren Grund⸗ besitzer fand in Posen wenig statt, da die letzteren meist mit sich genug zu thun haben.
In der Provinz Hannover vertheilt sich der landwirthschaftlich benutzte Boden unter die verschiedenen Klassen von Grundbesitzern annähernd folgendermaßen: 1) Größere Güter (Domanium und Rittergüter 11,4 %, 2) bäuerliche Besitzungen (über 15 hannoversche Morgen) 77,5 %, davon entfallen eiwa 20 % auf Höfe über 120 Morgen, etwa 30 % auf Höfe zwischen 60 — 120 Mor⸗ gen Größe). 3) Besitzungen unter 15 Morgen 11,1 %. Ganz eigen⸗ thümlich ist aber und für die Verhältnisse der Provinz Hannover charakteristisch, daß von dem Areal fast jeder Wirthschaft ein sehr erheblicher Theil Pachtland ist. Im Kreise Göttingen sind: 1) alle Wirthschaften über 7,5 ha mehr oder weniger hypothekarisch ver⸗ schuldet, die Schulden schwanken zwischen über ½— vom Werthe des Bodens; 2) von den kleineren Wirthschaften sind verschuldet 53 % der Wirthschaften zwischen 2,5 und 7,5 ha mit durchschnittlich etwa ¼ vom Werthe des Bodens; 66 % der Wirth⸗ schaften zwischen 1,25 und 2,5 ha mit durchschnittlich etwa vom Werthe des Bodens. 3) von 28 Haushaltungen mit cinem Besitze unter 1,25 ha sind nur 4 als verschuldet bezeichnet; bei den übrigen besteht der Hauptbesitz in Wohnhäusern, deren Belastung icht als sicher festgestellt werden konnte. Wenn man sich nun vergegenwärtigt, daß zu diesen Schulden noch andere — auf Handschein, Buch⸗ und Wechselschulden — hinzutreten, daß ferner die Schuldverhältnisse namentlich in allen Bergdörfern ungünstiger liegen, so ist das Er⸗ gebniß, welches man gewinnt, zwar leider kein erfreuliches, aber eine allgemeine Ueberschuldung ist dennoch nicht vorhanden, zumal den Gesammtschulden nicht unerhebliche in den Sparkassen an⸗ gesammelte Beträge als Forderungen gegenüberstehen. Von den größeren Höfen sind diejenigen zur Zeit nur mäßig verschuldet, welche früher Pachtmeierhöfe waren, da diese Höfe von den Besitzern vor Kurzem erst billig, d. h. nicht nach ihrem Verkauftwerthe, sondern nach ihrem (mäßig geschätzten) Ertragswerthe erworben sind. Von den mittleren und kleinen Wirthschaften ist ein erheblicher Theil bis zu einer Grenze verschuldet, die ohne Eefahr für die Existenz der Besitzer nicht überschritten werden kant; ein Theil derselben schlägt sich schon jetzt nur mit knapper Noth durch, und bei jeder schlechten Ernte fällt ein gewisser, vorläufig noch geringer Prozentsatz der Verarmung und den Güterschlächtern anheim. Im Kreise Lüneburg fand ein Güterhandel selten statt; der Erbgang ist bei den Bauern meist folgender: Ein Kind erbt das Gut, gewöhnlich der älteste Sohn; derselbe erhält eine Vorzugs⸗ portion; häufig wird das Gut bei Lebzeiten des Vaters übergeben. Der Altentbeil wird entweder von dem abtretenden Wirthe selbst oder von Sachverständigen festgesetzt, nach der Ertragsfähigkeit und Belastung des Gutes. Die Verkaufs⸗ und Pachtpreise der Grund⸗ stücke sind seit Mitte der 70 er Jahre um 20 — 30 % gefallen. Güter⸗ schlächterei wurde Ende der 70 er Jahre versucht, mißlang aber bei der allgemein herrschenden Unlust, neue Grundstücke zu erwerben.
Ueber die allgemeinen bäuerlichen Verhältnisse in Bayern, speziell in Mittelfranken, ist zu sagen, daß sich um 1865 für eine bäuerliche Familie ein durchschnittlicher Besitz von ca. 17 bayerischen Tagwerken, oder, da in Mittelfranken etwas über vier Seelen auf die Familie treffen, von 4,16 Tagwerk auf den Kopf berechnete. Dort läßt sich die Zunahme der Zersplitterung aus dem Umstande ermessen, daß im Jahre 1821 noch etwa 5,8 Tagwerke auf den Kopf trafen. In Oberfranken berechnen sich für dieselbe Zeit auf eine Familie 15,78 auf den Kopf, 4,0 Tagwerke. Aus diesen Zahlen ergiebt sich, daß, abgesehen von Rheinpfalz, in Oberfranken die Bevölkerung am dichtesten ist. Nächst Unterfranken ist dort der Grundbesitz auch am Meisten, zer⸗ splittert. Und in diesen beiden Momenten liegt die Nothwendigkeit eines engeren industriellen Lebens, wie es sich in Oberfranken gegen⸗ über den übrigen diesrheinischen Kreisen besonders auch in der Form der Hausindustrie vorfindet. In Unterfranken ist die Zersplitterung des Grundbesitzes bekanntlich am größten. Dort dienten im Jahre 1865 1 196 028 Tagwerke dem Acker⸗, Wein⸗, Hopfen⸗ und Garten⸗ bau, 230 984 Tagwerke waren Wiesen und 54 021 Tagwerke Vieh⸗ weiden. Von diesem ganzen Areal befinden sich in Besitz von Stif⸗ tungen, Gemeinden und Korporationen 258 931 Tagwerke, im Besitz der Distrikte, des Kreises und des Staats 58 440 Tagwerke, und 3 656 570 Parzellen an 177 847 vertheilt. Hiernach beträgt also die durchschnittliche Größe des Privatgrundbesitzes 7,38 Tagwerke und der durchschnittliche Flächeninhalt der Parzelle ist gleich 0,358 Tagwerke. Güter über 1000 Tagwerke giebt es nur wenige, von 300 — 1000 Tag⸗ werke dagegen eine nicht geringe Anzahl; dieselben befinden sich vor⸗ zugsweise in den Händen des Adels, der Stiftungen und Korpo⸗ rationen. Der bäuerliche Grundbesitz erreicht in einzelnen Distrikten
tunter, wenn auch selten, die Höhe von 200 Tagwerke. Diese Ver⸗ hältnisse können auch nach dem Bericht als im Ganzen zutreffend bezeichnet werden, doch dürfte die Parzellirung der Grundstücke ehe u⸗ als abgenommen haben, von einer Arrondirung derselben ist nir⸗ gends die Rede.
In den Oberämtern Stuttgart, Böblingen und Herren⸗
erg vertheilten sich nach der Aufnahme von 8 Klassen folgender⸗ maßen: in Stuttgart bis 0,25 ha 1222 Wirthschaften und 172 Areale, von 0,25 — ¹ ha 3012 Wirthschaften und 2297 Areale, von 1,5 — 5 ha 2176 Wirthschaften und 5900 Areale, von 5—10 ha 348 Wirth⸗ chaften und 2299 Areale, von 10—20 ha 42 Wirthschaften und 536 Areale, von 20 — 100 ha 8 Wirthschaften und 198 Areale, von 100 und mehr Hektare 3 Wirthschaften und 511 Areale, zusammen 6811. Wirthschaften und 11 914 Areale. — In Böblingen bis 0,25 ha 856 Wirthschaften und 121 Areale, von 0 25 — 1 ha 2150 Wirth⸗ schaften und 1751 Arecale, von 1,5 — 5 ha 2256 Wirthschaften und 6082 Areale, von 5 — 10 hs 462 Viirthschaften und 3001 Areale, von 10 — 20 ha 48 Wittschaften und 623 Arrale, von 20 — 100 ha 8 Wirthschaften und 270 Areale, von 100 und mehr Hektaren 4 Wirthschaften und 521 Areale, Summa 5714 Wirthschaften und 12 368 Areale. In Herrenberg: bis 0,25 ha 444 Wirthschaften und 68 Areale, von 0,25 —- 1 ha 1730 Wirthschaften und 1447 Areale, von 1,5 - 5 ha 2200 Wirthschaften und 5346 Areale, von 5—10 ba 658 Wirthschaften und 4383 Areale, von 10 — 20 ha 146 Wirthschaften und 1970 Areale, von 20 — 100 ha 24 Wirthschaften und 675 Areale, von 100 und mehr Hektaren 1 Wirthschaft und 249 Areale, Summa 5212 Wirthschaften und 15 136 Areale. Ein großer bäuerlicher Besitz gehört in diesen Bezirken zu den großen Seltenheiten; dagegen ergaben die ein⸗ gezogenen Erkundigungen, daß seit 1873 keine wesentlichen speziell den Mittelbesitz gefährdenden Veränderungen vorgekommen sind. Diese Stabilität ist, wie der Bericht ausführt, gewiß merk⸗ würdig, zumal sie sich auf dem Boden der unbedingten Theilbarkeit und Verkehrsfreibeit behauptet hat.
Die Lage der bäuerlichen Bevölkerung Baden schildert der Bericht folgendermaßen:
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im Großherzogthum Offenbar greift in
Baden eine sehr weitgehende Theilung des Grundbesitzes Platz; fast ein Drittel des landwirthschaftlichen Geländes fällt in die unterste Besitzgruppe, deren Angehörige fast drei Viertel aller landwirthschaft⸗ lichen Haushaltungen bilden, und wegen der Kleinheit ihres land⸗ wirthschaftlichen Besitzes vorwiegend oder nebenbei ihren Lebens⸗ unterhalt in anderen Beschäftigungen (Gewerbe, Handel, Tagelohn⸗ arbeit) suchen müssen. b Großgrundbesitz ist in Baden nur sehr schwach vertreten: in die Gruppe über 100 Morgen fallen nur 1200 Betriebe mit 9,0 % der landwirthschaftlichen Fläche. Die eigentlichen bäuerlichen Betriebe, in welchen also der Schwerpunkt der Landwirthschaft und des land⸗ wirthschaftlicen Standes in Baden liegt (Gruppen von 10 — 100 Morgen und von 3,6 — 36 ha), bilden 27 % der Gesammtzahl und bewirthschaften 59,9 % oder erheblich mehr als die Hälfte des landwirthschaftlichen Areals. Bei den rein landwirthschaftlichen Betrieben nimmt die Ver⸗ schuldung in den Besitzgruppen von 10 ha an rasch ab, und ver⸗ schwindet in der großbäuerlichen Gruppe nahezu ganz; am stärksten verschuldet ist der kleine Besitz bis 2 ha, und zwar fast ausschließlich aus Kauf, indem „s. Zt. auf Borg gekaufte Grundstückchen noch zur Hälfte, oft bis über ein Drittel mit Restkaufgeldern belastet sind; die Schulden aus Erbtheilung sind in allen Besitzgruppen von unter⸗ geordnetem Belang; ein Wechsel des Besitzes findet nur selten statt. In Mecklenburg⸗Schwerin sind von der gesammten land⸗ wirthschaftlichen Kulturfläche nur 28,25 % in den Händen des Groß⸗ betriebes, während 65,60 % von Bauern, Büdnern, Häuslern, Müllern, Schmieden ec. bewirthschastet werden, und endlich noch 6,17 % als Dotationen für Pfarrer, Schullehrer, Forst⸗ und Ver⸗ waltungsbeamte zu kleinen Wirthschaftskomplexen vereinigt sind, oder als Parzellen verpachtet werden, so daß thatsächlich beinahe drei Viertel des ganzen landwirthschaftlichen Kulturlandes nicht im Groß⸗, sondern im Kleinbetriebe bewirthschaftet werden. Auf die bäuerlichen Erbpachtstellen entfallen 8 203 084 Qu.⸗Ruth., oder 4,24 % der gesammten landwirthschaftlich benutzten Fläche, auf die bäuerlichen Hauswirthstellen 79 358 009 Q.⸗R. oder 41,4 % der gesammten landwirthschaftlich benutzten Fläche. Von nahezu 2000 Bauerstellen im Rostocker Distrikt, wie sie noch Ende des vorigen Jahrhunderts vorhanden waren, sind nur noch 1424 übrig geblieben; mehr als ein Viertel des damaligen Bestandes der Bauerstellen ist von den Rittergutsbesitzern ihren Gütern zugelegt worden, die von der ihnen gesetzlich zustehenden Befugniß, die Bauerstellen zu legen und zum Hoffeld einzuziehen, reichlich Gebrauch gemacht haben; ähn⸗
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lich verhält es sich mit den Bauerstellen in den übrigen Distrikten
von Mecklenburg⸗Schwerin. Gewerbe und Handel.
New⸗York, 14. Dezember. (W. T. B.) Baumwollen⸗ Wochenbericht. Zufuhren in allen Unionshäfen 280 000 B. Ausfuhr nach Großbritannien 72 000 B., Ausfuhr nach dem Konti⸗ nent 36 000 B., Vorrath 1 187 000 B.
Verkehrs⸗Anstalten.
Triest, 14. Dezember. (W. T. B.) Der Lloyddampfer
„Helene’“ ist gestern aus Konstantinopel hier eingetroffen.
Berlin, 15. Dezember 1883.
8 Konsulatsberichte.
10. Dezember 28. November 1883. prar 111114A4“ der Getreidepreise für den Monat November 1883 pro Pud = 16,38 kg zum Course von 204 ℳ pro 100 Rubel. A. Kowno.
R. Kop. ℳ
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Kowno, den
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Kop. 1) Weizen 45 bis 2) Roggen 99 „ 3) Gerste .. 4) Erbsen öe6. 5) Hafer 18, B.
Kop. 1) Weizen 50 2) Roggen — 3) Gerste 78 4) Erbsen 20 5) Hafer 80
Kop. 1) Weizen 40 2) Roggen 90 „ 3) Gerste 0 „ „ 4) Erbsen “ „ 5) Hafer , 6
Am Montag, den 17. d. M., findet Königliche Par⸗ force⸗Jagd statt. Rendezvous: Mittags 1 Uhr zu Jagd⸗ schloß Grunewald.
Ursprung der sieben Wochentage. (A. Woldts wiss. Corr.) Hr. Ingenieur E. Meyer aus Posen giebt in der Zeitschrift der deutschen morgenländischen Gesellschaft eine von ihm gemachte Entdeckung des Ursprungs der sieben Wochentage, welche vielleicht auch für weitere Kreise Interesse haben dürfte. Es ist eine längst bekannte Thatsache — sagt er — daß die urältesten Völker die sicht⸗ baren Einflüsse von Sonne und Mond auf den Wechsel der Jahres⸗ und Tageszeiten und auf die ganze Natur schon in frühesten Zeiten auch den anderen Gestirnen, namentlich den Planeten, zuschrieben; daß sie alle lebenden und leblosen Dinge, sowie alle Eigenschaften, Naturerscheinungen, Lebensschicksale u. s. w. unter die Herrschaft der sieben mit bloßem Auge sichtbaren Wandelgestirne als regierenden Gottheiten vertheilten; und daß in einer natürlichen Consequenz hieraus die Astrologie entstand, die vermeintliche Kunst, durch Be⸗ rechnung aus dem Laufe der Gestirne Ereignisse und Lebensschicksale vorherzusagen.
Bei dieser astrologischen Vertheilung der Himmelreabschnitte, besonders der Ekliptik und der damit zusammenhängen Zeitabschnitte unter die Herrschaft der sieben Planeten, worunter Sonne und Mond mit einbegriffen, finden wir diese immer in der naturgemäßen Reihen⸗ folge ihrer Umlaufszeiten geordnet, wobei selbstverständlich die Sonne an die Stelle kommt, die in unserem Planetensysteme die Erde ein⸗ nimmt. Diese Reihenfolge lautet: C¶̃ Mond, 8 Merkur, 2 Venus, O Sonne, ꝙ Mars, * Jupiter, b Saturn.
Gegenüber dieser Reihenfolge erscheint die Ordnung der sieben Wochentage mit ihren, aus den noch heut giltigen Benennungen der⸗ selben allgemein bekannten Vorstehern auffallend unregelmäßig, denn es folgen bekanntlich aufeinander: O Sonntag,) Montag, Dienstag (Mardi), 2 Mittwoch (Mercredi), 24 Donnerstag (Jeudi), 2 Freitag (Vendredi), 2 Sonnabend (Zaturday). Nach astrologischer Annahme hatte nicht nur jeder Wochentag seinen bestimmten Vorsteher, sondern jede der 24 Stunden des Tages hatte gleichfalls ihren Vorsteher aus der Reihenfolge der 7 hier genannten Himmelskörper. Daher kommt es, daß innerhalb 24 Stunden jeder Planet der Reihenfolge dreimal zur Herrschaft kam, und drei von ihnen auch Vorsteher einer vierten Stunde wurden.
„Wenn man sich nun für horoskopische Zwecke eine Uebersichtstafel für alle 7 ✕ 24 Stunden der Woche anlegt, wie die alten Astrologen sich solche anzufertigen pflegten, und hierbei jeder Stunde ihren Vor⸗ steher giebt, so wird man in einer Woche die Reihenfolge der 7 Pla⸗
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Hneten 24 Mal hintereinander vorkommen sehen. Wir beginnen mit
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der ersten Stunde des Sonntag, die wir unter die Herrschaft der S Sonne stellen; dann steht die zweite Stunde des Sonntag unter der Herrschaft der 2 Venus — wir müssen rvämlich die Reihenfolge von rechts nach links lesen — die dritte unter Merkur, die vierte unter dem Mond, die fünfte unter Saturn, die sechste unter Jupiter die siebente unter Mars, die achte wieder unter der Sonne, die neunte wieder unter Venus u. s. w., die fünfzehnte sowie die 22. Stunde abermals unter der Sonne, die 23. unter Venus, die 24. unter Merkur und die darauffolgende Stunde, welche die erste des nächsten Tages ist, unter) dem Mond, welcher zugleich Beherrscher des ganzen Tages des Montags ist. In der Reihenfolge nimmt der Mond, von der Sonne aus nach links gerechnet die vierte Stelle ein, was gang in Uebereinstimmung damit steht, daß die 24 Tagesstunden die Reihen⸗ folge 3 & erschöpfen und noch drei Planeten dazu beanspruchen, so daß die erste Stunde des folgenden Tages immer dem in der Reihenfolge vierten Planeten (vom Beherrscher des vorigen Tages an berechnet) zukommt. Auf diese Weise erhalten wir unsere heutige Woche: Der erste Tag war S Sonntag, der vierte Planet links davon ist der Mond, es folgt also der 5 Montag; der vierte Planet links von diesem ist Mars, es folgt also der Tag des Mars; der Mardi oder Dienstag, als vierter von diesem der Tag des Merkur, der Mercredi oder Mittwoch u. s. f. Daraus geht — so schließt Hr. E. Meyer seine interessante Mittheilung — die siebentägige Woche als astro⸗ logische Zeiteintheilung von selbst hervor; ein neues Beispiel des wesentlichen Einflusses, den die mythologischen und besonders die astrologischen Lehren und Bräuche der Vorzeit auf viele der heutigen Einrichtungen und Gebräuche ausgeübt und noch nach Jahrtausenden bewahrt haben.“
Bremen, 14. Dezember. (W. T. B.) Die Rettungs⸗ station Neuharlingersil der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger telegraphirt: Am 13. Dezember von dem auf dem Oststrande von Spieckeroog gestrandeten eng⸗ lischen Dampfer „Verona“, Kapitän Stark, 7 Personen durch das Rettungsboot „Frauenlob“ gerettet. Sturm aus NW. Das Rettungsboot war 12 Stunden unterwegs.
Im Königlichen Schauspielhause fand gestern die erste Aufführung von Wildenbruchs „Karolinger“ statt. Wenn⸗ gleich es gewagt erscheint, an einem früher schon im Victoria⸗Theater mit Beifall aufgenommenen Stücke nachträg⸗ lich eine Kritik zu üben, so sei doch die Bemerkung gestattet, daß wir die „Karolinger“ auf keinen Fall zu den besten Werken Wildenbruchs rechnen können. Abgesehen von dem Aufbau des Dramas, läßt sich den einzelnen Rollen eine gewisse Schwächlichkeit nicht absprechen; vergebens sieht man sich in dem ganzen Stück nach einem Helden, nach einer Person um, für welche man sich erwärmen könnte. Der Graf Bernhard von Barcelona ist eine Figur, welche das tragische Mitleid von vornherein durch ihre Unwahrheit in Charakter und Handlung ver⸗ liernt; sie entspricht wenig oder garnicht den Anforderungen, welche Lessing in seiner Hamburgischen Dramaturgie an einen tragi⸗ schen Helden stellt, wenn derselbe fortwährend sich eine Reihe von unedlen Handlurgen und Lügen zu Schulden kommen läßt, die unsere Verachtung statt unser Mitleid oder Interesse wachrufen. Ein Stück, welches auf einer so kleinlichen, unedlen Natur basirt, ruht doch auf sehr schwachen Stützen. Die Unklarheit und Unsicherheit Bernhards in seinen ganzen Handlungen, sein Verrath an der Maurin, die nebenbei gesagt ganz und gar aus dem Stücke wegbleiben konnte, seine Liebe zur Kaiserin Judith, einer sehr wenig sympathischen Figur, sein heuchlerischs Vorgeben, daß alles, was er thue, lediglich aus Sorge für das Wohl des fränkischen Reiches geschähe, sowie sein, ziemlich unmotivirtes Eintreten für den Sohn Judiths bilden ein so schwaches Gewebe von Unwahrscheinlichkeiten und Zu⸗ fälligkeiten, und regen so wenig an, daß man der Strafe, welche den Verräther ereilt, gleichgültig zuschaut, falls man nicht überhaupt an dem Umstande, daß eine ganze Versammlung mit gezückten Schwertern auf den Helden des Stückes eindringt und ihn nieder⸗ schlägt, Anstoß nimmt. Die Karolinger selbst, d. h. die Söhne Ludwigs, spielen eine so untergeordnete, figurantenhafte Rolle, daß sie kaum zur Geltung kommen. — Was die Besetzung der Rollen an⸗ betrifft, so war diejenige des Bernhard, welche Hr. Ludwig gab, jedenfalls nicht in den geeigneten Händen. Das immerhin Dämonische und Intriguante, welches Bernhards Charakter⸗ eigenthümlichkeit bildet, und welche, richtig hervorgekehrt, die schwache Handlung heben könnte, wurde von Hrn. Ludwig keineswegs erschöpfend dargestellt, in Hrn. Kahles Händen hätte diese Rolle ent⸗ schieden gewaltiger gewirkt. Hr. Berndal gab den schwachen, schwan⸗ kenden Ludwig sehr getreu; dem Frl. Stolberg hätten wir als Kaiserin mehr Würde und in ihrem Liebesverhältniß zu Bernhard mehr Leidenschaftlichkeit gewünscht. Frl. Meyer fand sich mit der Rolle als Karl namentlich in den letzten Akten in durchaus zufrieden⸗ stellender Weise ab; für Hrn. Kahle war der Abdallah eine zu gering⸗ füpgige Rolle. Hr. Hellmuth⸗Bräm als Wala sei lobenswerth hervor⸗ gehoben.
— Das Repertoire des Deutschen Theaters bringt in dieser Woche, außer Wiederholungen von „Don Carlos“ „Die Karlsschüler“ und „Feenhände“, neu: am Dienstag, den 18., „Das Lügen“, von Benedix“, und am Sonnabend, den 22., „Der Probepfeil“ von Oskar Blumenthal.
— Residenz⸗Theater. Hr. Carl Mittell, der vorgestern unter vielem Beifall ein Gastspiel in dem Lustspiel „Der Veilchenfresser“ begonnen hat, wird auch heute und morgen (Sonntag) noch in dieser Rolle auftreten. Am Montag findet dann die erste Aufführung des neuen fünfaktigen Schwanks „Ihr Lebensretter“ von Frau Hartl⸗ Mitius, der bekannten Verfasserin mehrerer Stücke in bayerischer Mundart, statt. Das neueste Werk der Verfasserin spielt übrigens im Salon und ist hochdeutsch geschrieben.
— Belle⸗Alliance⸗Theater. Zu der morgen stattfinden⸗ den 77. Aufführung der Gesangsposse „Ein gemachter Mann“ hat Ed. Jacobson neue Couplets geschrieben, welche Hr. Emil Thomas (Rentier Pasewalk) morgen zum ersten Male singen wird. Bei dem unverminderten Zuspruch, den die heitere Posse noch immer findet, ist die 100. Aufführung derselben mit Sicherheit zu erwarten.
Die Königliche Akademie der Künste gab gestern in der Sing⸗ Akademie ihr 5. Abonnements⸗Concert unter der Leitung des Hrn. Professor Rudorff und unter Mitwirkung des Kammervirtuosen Faver Scharwenka. Das Concert wurde eröffnet mit Webers „Duvertüre zu Euryante“, und Beethovens B-dur-⸗ Symphonie Nr. IV. machte den Beschluß; der Vortrag dieser beiden Meister⸗ werke wurde mit jener gewissenhaften Genauigkeit und liebevollen Hingebung ausgeführt, welche das Resultat fleißigster Einstudirung und sorgfältigster Leitung ist und erregten den ungetheilten Beifall des sehr zahlreich versammelten Publikums. Außer diesen klassischen Kompositionen kamen zwei Werke moderner Künstler zur Aufführung. Das erste war ein Concert Nr. II. (0-moll) von X. Scharwenka, in welchem der Kom⸗ ponist selbst die Klavierbegleitung übernommen hatte und dieselbe mit vollendeter, glänzender Technik und reicher Empfindung zu Gehör brachte. Durch diese eindrucksvolle Wiedergabe, welche vom Orchester trefflich unterstützt wurde, kam das ansprechende Tonstück auf das Schönste zur Geltung und erwarb sich allgemeine Anerkennung. Glinka's „Kamarinskaja“, eine Fantasie für Orchester über zwei russische Volkslieder, überrascht durch die Anmuth und den kraftvollen musikalischen Gehalt der Arbeit, welche einen nachhaltigen Eindruck auf das Auditorium sichern.
Redacteur: Riedel.
Verlag der Expedition Kesf seh. Druck: W. Elsner.
Fünf Beilagen 8 (einschließlich Boͤrsen⸗Beilage).
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der
Minister es so unumwunden und offen gesagt habe,
gewiß schon neulich die
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zum Deutsche
No. 295.
chs⸗Anzeiger und
Berlin, Sonnabend, den 15. Dezember
niglich Preußischen
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Nichtamtliches. 8
Preußen. Berlin, 15. Dezember. Im weiteren Verlaufe der gestrigen (16.) Sitzung des Hauses Abgeordneten wurde die zweite Berathung des Entwurfs des Staatshaushalts⸗Etats für 1884/85 mit der Diskussion des Etats des Ministeriums des Innern (Kap. 83 der Ausgaben Tit. 1 Ministergehalt) fortgesetzt.
Der Abg. Rickert erklärte, selten habe eine Verhandlung, und zwar, veranlaßt durch den Minister des Innern, eine solche Bedeutung erlangt, wie die über den Antrag Stern. Die Wirkung der Erklärungen des Ministers werde nicht aus⸗ bleiben und zwar nicht nur in Beamtenkreisen. Die Linke werde hoffentlich den Antrag auf geheime Abstimmung so lange wiederholen, wie die Regierung die abgelehnten Vorlagen, bis
der geheimen Abstimmung durch das Gewicht der Gründe zum
Siege verholfen sei. Ueberraschend sei ihm die Erklärung des Ministers bezüglich der Beamten nicht dadurch gewesen, daß der⸗ selbe so denke und als Chef der konservativen Partei so handele (Lachen rechts) — freue die Rechte sich doch, daß sie einen so machtvollen Chef in der Regierung habe — sondern daß 5 zuma
nach den Vorgängen im Reichstag überraschend, daß man den Protest gegen solche Erklärungen nur einem Theil der linken Seite des Hauses überlassen habe. Hier beim Etat sei die Stelle, wo die Volksvertretung in dieser Frage ein Wort mitzusprechen habe. Wenn ein Minister erkläre, daß er nur den Beamten, welche ein ihm genehmes politisches Verhalten bei den Wahlen zeigten, die Vortheile zuwenden werde, über die er die freie Verfügung habe (Zuruf rechts: „Hat der Minister nicht gesagt!“), dann werde man sich zu fragen haben, ob man einem solchen Minister noch Fonds zu Remu⸗ nerationen und Gratifikationen zur freien Verfügung ge⸗ währen könne. Sollte der Minister wirklich nichts davon wissen, daß Beamte, weil sie liberal gestimmt hätten, nicht befördert seien? Der Minister habe ja ganz offen erklärt, die Regierung könne keinen Beamten zur Beförderung vor⸗ schlagen, der sich einer notorischen Stellungnahme gegen die Regierung schuldig gemacht habe; und on einer anderen Stelle: kein Beamter solle sich der Illusion hingeben, daß, wenn derselbe in dauernder Opposition gegen die Regierung sei ihm Vortheile zugewendet würden. Was das be⸗ eute, sei doch wohl klar genug. Soweit also sei man schon
gekommen, daß vom Ministertisch der Grundsatz proklamirt
ei, daß Remunerationen und Gratifikationen nicht lediglich nach der amtlichen Leistung und Tüchtigkeit der Beamten, sondern nach ihrem Verhalten bei den Wahlen vertheilt werden sollten, obwohl Verfassung und Gesetze das verböten. Nun wie anders solle man denn deuten, was der Minister gesagt habe? Möge der Minister denn heute seine Erklärung anders auslegen; derselbe habe sich doch Tragweite seiner Worte sehr wohl überlegt. Er nehme ausdrücklich an, daß der Minister nicht nur im Namen der Staatsregierung, sondern auch im Einverständniß mit dem Reichskanzler diese wichtige Erklärung abgegeben habe. Um so mehr aber müsse man er⸗ wägen, ob die linke Seite dieses Hauses es ruhig hinnehmen solle, daß die Remunerationen an die Beamten aus den
Mitteln des Landes nach solchen Grundsätzen vertheilt werden
sollten. Das wäre ein schreiender Mißstand; da wären diese Fonds Wohlthätigkeitsfonds für eine bestimmte politische Partei⸗ richtung. So sei es in Preußen nie gewesen, alle Parteien müßten dagegen Protest erheben, und er hoffe, die Linke werde darin zugleich mit dem Centrum vorgehen. Die dritte Lesung biete gewiß Gelegenheit dazu. Man müsse wenigstens versuchen, das Remunerationswesen auf einer Basis zu regeln, welche solche Mißbräuche verhüte. Die Sache habe übrigens ihre Geschichte. Schritt für Schritt sei die Regierung weiter gegangen. Noch im März 1881 habe der Reichskanzler im Neichstage erklärt, er könne für alle mög⸗ lichen Wahlumtriebe nicht verantwortlich gemacht werden, er sei darin viel tugendhafter wie man annehme. Der Reichs⸗ kanzler habe nie Andeutungen gegeben, die Wahlen zu beein⸗ flussen. Derselbe habe wohl die Neigung dazu gehabt, aber er unterlasse es aus Vorsicht, und Vorsicht sei die Mutter der Weisheit. Der Minister von Puttkamer babe es, wie man gesehen, sowohl in dieser Vorsicht, als auch an dieser Weieheit mangeln lassen. Aber er sei dem Minister für diesen Mangel sehr dankbar. Der Minister habe den Liberalen schon vielfach geholfen, noch neuerdings in Torgau⸗Liebenwerda in anz hervorragender Weise. Der Minister werde hoffentlich auch weiter helfen. Seinen (des Redners) Parteigenossen könne der Minister nicht besser dienen, er danke dem Minister aufrichtig. Im Dezember 1881 habe der Minister im Reichstage in einer Rede, die auch in der srei⸗ konservativen Presse gemißbilligt sei, die nachdrückliche Unter⸗ stützung der Beamten bei den Wahlen verlangt, und habe ihnen dafür den Dank ihres Kaiserlichen Herrn zugesichert. Unter dem lebhaften Beifall der Linken und des Centrums habe da⸗ mals von Bennigsen gegen diese Nede protestirt, welche für eine gefährdete Regierungspolitik den Schild der Person des Monarchen zu beanspruchen wage. Am 24. Januar 1882 habe dann der Reichskanzler eine Erklärung abgegeben, welche in einem entschiedenen Widerspruch zu der des Ministers von Puttkamer stehe. Nach dieser Erklärung (welche Redner ver⸗ las) habe der Allerhöchste Erlaß vom 4. Januar 1882 von den unpolitischen Beamten eigentlich nichts verlangt. Aber auch die politischen Beamten sollten nach der Erklärung des Reichskanzlers bei ihrer eigenen Wahl ganz srei sein. Nie⸗ mals werde man gegen einen Beamten wegen seiner Abstim⸗ mung einschreiten. Man würde sich schon geniren, das zu thun. Der Reichskanzler habe ausdrücklich erklärt, der Allerhöchste Erlaß schreibe für die unpolitischen Beamten nichts vor, der⸗ selbe drohe nicht, er stelle keine Nachtheile in Aussicht. Diese Erklärung habe den Minister von Puttkamer zu einem Rückzug in der Sitzung vom 25. Januar 1882 veranlaßt. Wie stimme nun aber die letzte Erklärung des Ministers mit der des Reichskanzlers? Heute sei man auf der schiefen Bahn schon bedeutend weiter gekommen; heute spreche der Minister im Sinne des Reichs⸗ kanzlers. Er wolle nicht weiter auf diese Sache eingehen,
sondern nur die Frage an den Minister richten, ob derselbe diese seine letzte Aeußerung in Betreff der Remuneration der Beamten aufrecht erhalte? Niemand schade der Autori⸗ tät der Beamten und des ganzen Beamtenthums mehr, als der Minister selbst. Offen stimmten die Beamten für, geheim gegen die Regierung, das schade dem Ansehen der Regierung ganz enorm. Durch solche Mittel nütze der Minister der Herrschaft der Konservativen nicht. Sei man denn, um auf das Wort „antimonarchisch“ des Ministers näher einzu⸗ gehen, in Preußen schon so weit gekommen, daß die Interessen des Ministers von Puttkamer identisch sein sollten mit den dauernden Interessen der Krone? Wolle man die Beamten, die unter einem Ministerium Delbrück ergraut seien, mit einem Ministerium Puttkamer aber nicht gehen könnten und wollten, antimonarchische nennen, und ihnen die Remuneration entziehen? Das gehe doch über alles Maß! Die dauernden Interessen der Krone hätten nichts zu thun mit den Interessen eines Ministeriums Puttkamer. Er sei auch Anhänger der Monarchie, so gut wie der Minister von Puttkamer. Die Linke sei so gut und besser, wie die Rechte, Anhängerin der Monarchie, denn die Linke wolle keine Aemter und Stellungen von der Politik haben. Seine Partei sei für die Monarchie, schon weil sie in ihrer Hand die höchste Macht und den Schutz der Gesetze sehe. Dabei lasse sich seine Partei die Freiheit nicht nehmen, sie brauche nicht bei dem Minister von Puttkamer anzufragen, welches die wahren Interessen der Krone seien. Gegen die Identität dieser Interessen mit denen des Ministeriums werde die Linke stets Protest erheben! Redner erinnerte an das Schreiben des Prinz⸗Gemahls von England an den Prinz⸗Regenten im Jahre 1858, das Königthum bedürfe eines unabhängigen und charakter⸗ vollen Beamtenthums, das nicht zu Agenten der Regierung herabgewürdigt werde. Die Linke werde fortgesetzt laut da⸗ gegen protestiren, wenn man dem Volke einzureden bemüht sei, daß die dauernden Interessen der Krone mit den Interessen des Ministeriums Puttkamer identisch sein sollten..
Hierauf ergriff der Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums, Staats⸗Minister von Puttkamer das Wort:
Meine Herren, die sehr große Heftigkeit des Angriffes, der soeben gegen mich gerichtet ist, die zum Tieil, wie mir schien, in eine Art Siedehitze überging, wird mich inkeiner Weise aus meiner Ruhe und Gelassenheit, mit der ich heute die Dinge vor Ihnen zu besprechen denke, herausbringen. Ich werde den brandenden Wogen des Zornes des Hrn. Abg. Rickert denjenigen Gleichmuth entgegensetzen, den ein gutes Gewissen, das Bewußtsein, eine gerechte Sache zu vertheidigen, und ein klarer fester Wille mit sich bringt. 3
Nun wäre es ja verführerisch, als das erste, was ich aus seiner Rede einer Erörterung unterziehen möchte, den letzten Theil derselben zu erwählen, der ja voll Emphase war; ich glaube aber berechtigt zu sein, dabei nach meiner Wahl zu verfahren und so will ich lieber zunächst an das anknüpfen, was der Hr. Abg. Rickert, als er sich noch in einer etwas ruhigeren Stimmung befand, im Eingange gegen meine Person anzuführen für gut fand. Also, ich soll der Chef der konservativen Partei im Lande sein und daraus folgt dann, wie das O auf das A, daß ich eine Parteiregierung repräsentire. Ja, ich habe schon bei früheren Gelegenheiten Anlaß gehabt, mich über diesen Vorwurf auszusprechen und dem Hrn. Abg. Rickert zu sagen, daß Parteiregierung doch schließlich nur ein ‚Name ist und Alles auf den Begriff ankommt, den man damit verbindet, und auf den Inhalt, den man dieser Form geben will. Heute hat nun der Hr. Abg. Rickert es für gut befunden, die Sache von der Seite anzugreifen, daß ich als Chef einer Partei natürlich auch eine Parteiregierung führen müsse. Ein größerer Irrthum ist wohl nicht möglich und in diesen Räumen wohl kaum ausgesprochen worden. Gerade mit Rücksicht auf die letzten Ausführungen des Hrn. Abg. Rickert, mit denen ich ja in gewisser Beziehung — natürlich mit großen Vorbehalten — mich einverstanden erklären daß in Preußen ein Parteiregiment ganz unmöglich sei, weil wir eine starke Monarchie haben, die über den Parteien steht, gerade deshalb kann ich auch niemals Chef einer Partei sein, abgesehen davon, — da wird vielleicht Hr. Abg. Rickert mit mir einverstanden sein — daß möglicherweise meine geistigen Kräfte nicht einmal an eine solche Aufgabe heranreichen. Aber ich will ja einräumen, daß meine Beziehungen zur konservativen Partei allerdings intimer sind, als die zum Hrn. Abg. Rickert. (Abg. Rickert: Gott sei Dank! Hei⸗ terkeit.) Ja, Gott sei Dank, und ich meine die Erklärung dafür läge doch so nahe, daß ich kaum noch nach Motiven für die weitere Ausführung zu suchen brauche. Der Hr. Abg. Rickert hat zwar heute das Wort nicht ausgesprochen, aber in seinen letzten Aeußerungen lag es ja — er hat mir schon öfter ein formelles Mißtrauens⸗ votum gegeben. Es gab eine Zeit, wo mich dies schmerzlich berührte, es war dies die Zeit, deren ich mich gern erinnere, wo Sie (auf den Abg. Rickerk deutend) ein maßvoller Politiker waren, wo Sie noch auf Bahnen wandelten, mit denen eine Regierung wie die, welche ich zu vertreten habe, in Einverständniß und Harmonie sein kann. Das ist anders geworden; der Hr. Abg. Rickert hat es vorgezogen, diese maßvollen Bahnen zu verlassen, er hat — man kann auch den Zeitpunkt, seit wann, ungefähr bestimmen, seit der Wandlung der Wirthschaftspolitik ungefähr, — sich immer mehr und mehr zu einem ganz entschiedenen, grundsätzlichen Gegner der Regierung entpuppt, und damit natürlich die Grenzlinie, die zwischen meinen Anschauun⸗ gen und den seinigen liegt, so tief und so bestimmt gezogen, daß ich allerdings sagen kann: eine unüberbrückbare Kluft liegt wohl in den meisten Beziehungen zwischen ihm und mir. Aber ich muß ja die Bedeutung des Hrn. Abg. Rickert anerkennen und sagen, 8 er ein keineswegs verächtlicher Gegner ist, namentlich auch in Bezug auf Wahlagi⸗ tationen. Er hat in dieser Beziehung Ungewöhnliches geleistet, allerdings, meine Herren, bei den letzten Wahlen zum Abgeordnetenhause ungewöhnlich Ersprießliches zu Gunsten der Regierung; denn die Art und Weise, wie er öffentlich aufgetreten ist, schriftlich sowohl wie in Versammlungen — er hat, glaube ich, kurz vor den Wahlen eine Art von Reisepredigerrolle in dieser Beziehung übernommen — die Art und Weise seines Auftretens kann ich ganz genau verfolgen, sie kulminirt darin, daß überall, wo der Abg. Rickert mit diesen leidenschaftlichen Angriffen gegen die Regierung, die wir auch heute wieder von ihm haben wiederholen hören, öffentlich aufgetreten ist, die Wählerschaft sich von ihm abwandte und der Erfolg der war, daß man glaubte, selbst in denjenigen Kreisen, die der Regierung kühl egenüberstanden — (Abg. Rickert: Torgau) Meine Herren, sbeeche von den Wahlen zum Abgeordnetenhause — solchen Angriffen gegenüber für die Regierung Partei nehmen zu müssen, weil man sich nicht denken konnte, daß sie berechtigt waren. Ich könnte dem Hrn. Abg. Rickert Städte nennen, wo sein Auftreten — (Abg. Rickert: Pyritz!) ja, Pyritz unter anderen, zur Folge gehabt hat, daß, während er glaubte, einen triumphalen Einzug zu halten, schließlich nicht ein einziger Wahlmann für seine Partei gewählt wurde. Ich führe das hier nur an, um den ersten Satz des Hrn. Abg. Rickert, daß es sich in meiner Person um einen Chef der konservativen Partei handele, auf das richtige Maß zurückzuführen. Ich will mich übrigens der Ehre, einen gewissen Einfluß auf konservative Kreise, von denen
ich annehme, daß sie im Großen und Ganzen mit den Zielen der Regierung übereinstimmen, auszuüben, dieser Ehre und Bürde will ich mich in keiner Weise entziehen, im Gegentheil, ich bin stolz darauf.
Nun, meine Herren, nach dieser etwas mehr persönlichen Ausein⸗ andersetzung, die aber wohl ihre Berechtigung hat, komme ich auf das eigentliche Thema dessen, was der Abg. Rickert gegen mich anzu⸗ führen gehabt hat. Meine allgemeine Haltung dem Antrage Stern gegenüber hier noch mal zu rekapituliren, halte ich nicht für nötbig; namentlich die Frage, die der Abg. Rickert auch nur ganz oberflãchlich und am Eingang seiner Ausführungen streifte, ob es in der That richtig gewesen ist, daß ich mich in der geschehenen Weise über die Vorzüge der öffentlichen Stimmabgabe geäußert habe, lasse ich außer Betracht, denn sie ist auch von ihm nur als sekundäre behandelt worden. Die Hauptsache spitzte sich also zu auf das Verhältniß der Regierung zu den Beamten, und da hat der Abg. Rickert natürlich, um sich die Sache leicht zu machen, von vornherein meine Worte verdreht und hat meine ganzen Aus⸗ führungen so dargestellt, als wenn ich mich zum Apostel des Satzes gemacht hätte, daß die Beamten zu Wahlmaschinen der Regierung herabgedrückt werden sollen, daß nur solche Beamte, welche sich zu Wahlagenten der Regierung bergeben, befördert wer⸗ den oder Auszeichnungen erhalten sollten, eines Satzes, der, wie ich durchaus anerkenne, eine beklagenswerthe Korruption des Beamten⸗ standes in sich schließen würde, wenn er wahr wäre. Er hat dann meine Aeußerungen in diesem Punkte in den beliebten, wie es scheint, chronisch gewordenen Gegensatz zu bringen versucht mit dem Herrn Reichskanzler und mit dessen Aeußerungen, resp. mit dem Allerhöchsten Erlaß vom 4. Januar 1882. Nun, wenn sich der Herr Abg. Rickert immer noch nicht von der Illusion frei machen kann, daß ich zu weit gegangen und dann desavouirt worden bin, dann kann ich ihm nicht helfen. Ich denke, die Vertrauens⸗ stellung, die ich dauernd einnehme, wird ihn darüber eines Beässeren belehren, und ich möchte ihn bitten, mit solchen Urtheilen so lange zurückzuhalten, bis sich in meiner persönlichen Stellung einmal eine Wandlung vollzogen hat, dann können wir privatim darüber sprechen. Aber einstweilen glaube ich doch, daß die Sache hier so liegt, daß der Abg. Rickert meine übrigens durch ihn provozirte Aeuße⸗ rung in hohem Maße verdreht und umgedeutet hat. Er sagt, ich würde wohl mit großem Bedacht und nach sorgfältiger Vorbe⸗ reitung meine Aeußerungen über das Verhalten der Regierung zu den Beamten am 6. Dezember ausgesprochen haben. Nun, meine Herren, von Vorbereitung konnte doch keine Rede sein. Ich war in der That erstaunt über den Ausfall, den der Abg. Rickert in dieser Richtung ganz unprovozirt damals auf mich machte, indem er mir sagte: Weiß denn der Minister nicht, daß erhebliche Nachtheile einen Beamten getroffen haben, der nicht für die Regierung gestimmt hat? Weiß denn der Minister nicht, daß die Beamten zu Wahl⸗ maschinen herabgewürdigt sind? Ich war in der That auf solche Angriffe nicht gefaßt, weil sie thatsächlich unbegründet sind, und die Geschichte unserer letzten Wahlbewegung bewiesen hat, daß sie un⸗ begründet sind, und wenn ich, auf diese Provokation des Hrn. Abg. Rickert mich äußernd, in kurzen abgerissenen Sätzen den Standpunkt Ihnen zu entwickeln versuchte, den meiner Auffassung nach jede — und ich wiederhole hier trotz der feurigen Proteste des Abg. Rickert das Wort ganz ungescheut, den Standpunkt, den eigentlich jede monarchische Regierung aufrecht erhalten muß, — wenn ich diesen Standpunkt hier in kurzen Sätzen zu entwickeln versuchte, wird es mir wohl vergönnt sein, hier jetzt einmal den organischen Zusammen⸗ hang dieser Aeußerungen in ihrer Gesammtheit, wie er bona fide vor uns liegt und von jedem, der die Angelegenheit bona fide behandeln will, aufgefaßt werden muß, vor Ihnen zu entwickeln. Es wird dabei allerdings noch eine tiefe Differenz zwischen mir und den Anschauungen des Abg. Rickert übrig bleiben, das erkenne ich ja vollkommen an.
Also, meine Herren, ich habe gesagt, und das habe ich wiederholt betont, daß keinen Beamten wegen seiner Abstimmung irgend ein positiver Nachtheil treffen soll. Das entspricht der Allerhöchsten Ordre vom 4. Januar, und das entspricht auch der authentischen Interpretation, die der Herr Reichskanzler in der bekannten Rede im Reichstage gegeben hat. Dann habe ich allerdings ferner gesagt und dabei bleibe ich stehen, daß eine Regierung freilich gegen das Gesetz und ihre Pflicht verstoßen würde, wenn sie einen Beamten wegen seiner Abstimmung verfolgen und ihm Nachtheile zufügen würde, daß aber hiervon doch himmelweit verschieden ist die andere Frage, ob sie einen besonderen Vertrauensbeweis einem Beamten geben soll, der sich einer Agitation und notorischen Stellungnahme gegen die Regierung befleißigt und auf Grund dieser Gesammtrich⸗ tung in dauernder in die thatsächliche Erscheinung tretenden und demgemäß sich manifestirenden Opposition zu der Regierung steht. Ob die Regierung verpflichtet ist, einem solchen Beamten diejenigen Auszeichnungen zu Theil werden zu lassen, über die sie gesetzlich zu verfügen hat, das ist keine bloße Frage der Autorität, nein, es ist zugleich eine Frage des Vertrauens. Aller⸗ dings auch eine Frage der Autorität, zwar nicht in dem Sinne, daß eine Regierung, die nicht in dauernder Uebereinstimmung mit allen Beamten steht, sich nicht aufrecht erhalten könne, davon ist keine Rede, aber ich bin allerdings der Meinung, daß ein Verhalten der Regierung aus dem hervorginge, daß ihr die politische Haltung des gesammten Beamtenstandes vollkommen indifferent wäre, woraus bervorginge, daß sie auch Demjenigen, der sich als ihr prinzipieller Gegner durch offenkundige Thatsachen täglich und bei jeder Gelegen⸗ heit manifestirt, ihr besonderes Vertrauen, welches ja thatsächlich sich darin wiederspiegelt, daß man einen Beamten befördert oder auszeichnet, entgegenbringt, zu gerechtfertigten Zweifeln über die Festigkeit der Anschauungen der Regierung Veranlassung geben müßte.
Sie müssen bedenken, daß es doch eine öffentliche Stimmung im Lande giebt, und daß es wesentlich ist, daß diese öffentliche Stimmung darüber orientirt ist, welche politische Haltung die Regierung im All⸗ gemeinen einnimmt. Wenn die Regierung also durch eine inkonsequente und unklare Haltung dieser as hen Frage gegenüber die öffentliche Meinung im Lande gewissermaßen verwirrt und ihr den festen Boden des ruhigen, richtigen Urtheils nimmt, dann begeht sie allerdings meiner Auffassung nach einen großen Fehler in Bezug auf die ihr innewohnende und für sie doch zu fordernde Autorität. Ferner ist diese Frage auch im Wesentlichen eine Frage des Vertrauens. Ich kann mir ja sehr wohl denken, daß ein Beamter, welcher dauernd und agitatorisch durch Thatsachen nicht bloß bei den Wahlen, son⸗ dern durch sein gesammtes Verhalten, seine grundsä glliche Opposition gegen die Regierung zu erkennen giebt, doch im ebrigen eine ge⸗ nügende Qualifikation hat; aber ceteris paribus muß ich sagen: Wie soll der betreffende Verwaltungschef, dem die Verantwortung obliegt für die Arbeiter eines großen Ressorts, zu einem solchen Be⸗ amten, von dem er sich sagen muß, daß er in den wichtigsten Fragen der Beurtheilung der öffentlichen Zustaͤnde der gesammten Politik das diametrale Gegentheil verfolgt und für richtig hält, wie der Chef, wie soll der Letztere dazu kommen, zu einem. solchen Beamten in ein Vertrauensverhältniß zu gelangen, oder in einem solchen Vertrauens⸗ verhältniß zu bleiben, welches ihm gestattete, mit voller Zuversicht demselben eine höhere Stellung oder überhaupt eine Aufgabe anzuver⸗ trauen, zu der ein besonderes Maß von Vertrauen von Seiten des Chefs nöthig ist. Also, meine Herren, in allen diesen Beziehungen bitte ich doch zu bedenken, daß es Pflichten und Grenzen für die Staatsregierung giebt, über welche hinaus sie eine prinzipielle, ihrer