1884 / 70 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 21 Mar 1884 18:00:01 GMT) scan diff

miission.

erreicht habe. Das nenne er sehr optimistisch. in zwei Jahren werde die Regierung kraten nicht mürbe machen. Es müßten also

mitgewirkt haben, die sich der Oeffentlichkeit entzogen. ständen jetzt die Chancen eigenthümlich. Weltbekannt sei es, Centrum liege. Am 12. Dezember v. 1 Windthorst auf eine Provokation bezüglich zum Sozialistengesetz geäußert, eine solche Erklärung, er habe halten. Diese Aeußerung habe

ihn bei

zu einer so zweideutigen Erklärung komme, daß man sich die Entscheidung vorbehalten ein politisches Handelsgeschäft zu machen. Verfahren sei ihm bei seiner

habe, Ein

gesprochen habe.

Man erlebe es ferner, daß die Herren,

Gründe, die das Centrum vorführen werde, in der That sehr gespannt. Es sei gesagt, die Sozialdemokraten könnten reden wie die Engel, es werde Alles vergeblich sein. Seine Partei könne demgegenüber nichts machen. Sie werde ertragen, was das Haus beschließe. Aber sei man versichert: die Sozial⸗

demokraten seien heute, was sie gewesen seien, und sie würden

mmer bleiben, was sie heute seien. Hierauf ergriff der Staats⸗Minister von Puttkamer

das Wort. (Wir werden morgen diese Rede im stenographi⸗ chen Wortlaute bringen.) Der Abg. Dr. Windthorst beantragte, im eigenen Namen

nd im Namen der fast an Einstimmigkeit grenzenden Mehr⸗ zahl seiner politischen Freunde, die Vorlage einer Kommission von 21 Mitgliedern zu überweisen. Die bisherigen Redner hätten darauf hingewiesen, daß die Centrumsfraktion hier entscheidend sei. Er wolle diese Wendung nicht abweisen, sie zu einer gewissen Genugthuung, denn Welt, daß das Centrum es doch ver⸗ Dank der Kontinuität seiner Wähler, sich eine

geachtete Stellung im Reich zu gewinnen, welche man ihm nicht immer habe gewähren wollen. Wenn aber die Herren heute ihre Neugierde befriedigen wollten, wie das

Centrum denn schließlich stimmen werde, so sei er nicht

in der Lage des Abg. Marquardsen, welcher bereits ganz

bestimmt ohne Reserve erklärt habe, wie derselbe und seine

Freunde stimmen würden, in gleicher Weise das auszusprechen.

Wozu wären dann Verhandlungen im Hause noch nöthig?

Dann brauchte man nur einfach zusammen zu treten, und die

Beschlüsse verkünden. Die Regierung hätte alsdann gar nicht

Gelegenheit, auf die Beschlüsse des Hauses einzuwirken, und

die ganzen parlamentarischen Verhandlungen würden sich in

Cliquenwesen auflösen. Man müsse doch der Belehrung

zugänglich bleiben. Eben weil man sich so viel Mühe gebe,

zu erfahren, was seine Partei denke, wolle sie es noch nicht aussprechen. Zu seinem Antrag habe nur das Folgende bestimmt. Er glaube, daß die Regierung in der Lage sein werde, der Kommission ein ausgiebigeres Material vorzulegen, welches die Nothwendigkeit der Fortdauer dieses Gesetzes an die Hand gebe, und daß sie gewisse Untersuchungen, nament⸗ lich wegen Frankfurt, nicht so ohne Weiteres der Oeffentlich⸗ keit übergeben wolle. Der Minister habe allerdings nicht an⸗ gedeutet, daß derselbe noch irgendwelches Material habe, der Minister habe vielmehr nicht undeutlich zu verstehen gegeben, daß er eine Entscheidung sofort erwarte. Der Minister habe sich namentlich auf das Bebel’'sche Buch berufen. Eine solche theoretische Schrift sei doch an sich nicht geeignet, eine Maß⸗ regel, wie die gesetzliche Verlängerung des ozialistengesetzes zu begründen. Die Lehren dieses Buches seien allerdings durchaus verwerflich, und auf's Aeußerste zu bekämpfen.

Ebenso verwerflich sei aber noch eine ganze Reihe anderer

Bücher von Professoren, die den Materialismus frank

und frei überall verkündeten, die Unsterblichkeit der Seele leugneten, die Erlösung eugneten, und den Menschen vom

Affen abstammen ließen. Wenn man die Quellen des Sozialismus reichlich fortfließen lasse, ja sie unterstütze, dann könne man doch eine einzige unglückliche Geburt nicht zur Grundlage einer Vertheidigung eines derartigen Gesetzes machen. Wenn es auf die Prävention staatsgefährlicher und namentlich religionsgefährlicher Unternehmungen ankäme, so würde er wahrscheinlich sehr energische Mittel in Anwendung zu bringen haben gegenüber der preußischen Regierung, welche systematisch die kirchlichen Verhältnisse verwirre, und noch heute Anstand nehme, Remedur zu schaffen. So lange also die Sozialdemokratie auf dem Gebiete der reinen Reform stehen bleibe, könne man ihr nicht mit einem solchen Gesetz entgegentreten. Mache die Sozialdemokratie aber ihre für die Individuen und die Gesellschaft verderblichen Lehren thatsächlich geltend durch Gewalt, dann allerdings sei die Vertheidigung der Gesellschaft, die Abwehr solcher Gewalt durch Gewalt geboten. Man habe sehr genau zu untersuchen, wie weit die Sozialdemokratie in Deutschland die Linie der Diskussion und reiner Reformbestrebungen inne⸗ gehalten habe, und noch innehalte. Und wenn man entdecke, daß dieser Boden verlassen sei oder verlassen werden solle, oder nach den Grundsätzen der Sozialdemokratie nothwendig verlassen werden müsse, werde man überlegen müssen, welche Maßregeln zu ergreifen seien. Es lasse sich nicht leugnen, daß die Aeußerungen des Abg. Liebknecht hier im Hause es sehr in Frage stellten, in wiesern der Boden der Reform inne⸗ gehalten werden solle. Damals, 1883, hätten s ehr bestimmte Aeuße⸗ rungen aus den Reihen der Sozialdemokratie vorgelegen, welche direkt auf Revolution gegangen seien. Heute seien die Herren sehr viel ruhiger, und sie hätten sich ausnahmslos auf den Boden der reinen Reform zurückgezogen, und wenn er die Garantie hätte, daß die ganze Partei so dächte, so könnte er beruhigt sein. Das zu untersuchen sei eben Sache der Kom⸗ Für ihn sei es gar nicht zweifelhaft, daß dieses Gesetz unter keinen Umständen eine dauernde Institution im Deutschen Reiche werden dürfe. Man müsse vielmehr danach

gereiche dem Centrum

Auch die Sozialdemo⸗ Motive Nun für die Verlängerung des Gesetzes sehr daß der Ausschlag beim habe der Abg. seiner Stellung daß es noch zu früh sei, für sich viele Thürchen offen ge⸗ einem Manne und einer Partei, die sich eine christliche nenne, etwas überrascht. Wenn man bei einem Gesetze, durch welches eine ganze Klasse von Staatsbürgern zu Bürgern zweiter Klasse degradirt werde, so schließe er, um solches Auffassung von Moral unnd Christlichkeit absolut unverständlich. Er sei sehr da⸗ rauf gespannt, die weiteren Gründe des Centrums zu hören. Das Verhalten der Herren sei um so merkwürdiger, als das Centrum selbst seit Jahren unter Ausnahmegesetzen gelitten und bei verschiedenen Gelegenheiten offen gegen Ausnahmegesetze Neue Gründe habe die Regierung für das Gesetz nicht vorgebracht und die alten Gründe seien abgeblaßt. welche das Sozialisten⸗ gesetz ins Leben gerufen hätten, auf Grund der Erfahrungen mit dem Scozialistengesetz entschlossen seien, gegen das Gesetz zu stimmen, und nun wollten die Herren vom Centrum die Geburtshelfer der neuen Verlängerung sein? Er sei auf die

1“ 1114141412426424“*“ ““

zurückzukehren, und, sollte dies nicht möglich sein, das letzter in passender Weise zu ergänzen.

genau zu erwägen sein, wie man entweder sofort

Parteien acceptirt werden, würde er eine gänzliche

mungen bis zur Ergänzung des allgemeinen müsse. Das werde genügen, dieses Mittel. Wie man

zu den den wieder kommen

ordentlichen

Wie groß diese aber sei, Reichstag wie zu den Kommunen gesehen. der Bewegung wäre wirklich jeder anderen Partei zu wün⸗ schen. Er verhehle sich freilich nicht, daß viel vorliege, was die Bewegung wachsen lasse. Er erinnere an den Rückgang des Handwerks und des Kleingewerbes überhaupt; dann scheine es ihm nicht glücklich, daß man in letzter Zeit eine Reihe sozialpolitischer Gesetze geschaffen und solche Ideen verfolht habe, deren Grenze mit den Zielen der Sozialisten nicht genau festgestellt werden koͤnne. Der Staat selbst habe Evolutionen gemacht, welche sehr stark nach dem sozialdemokratischen Rezept schmeckten. Denke man an die immer mehr hervortretende Staatsomnipotenz, welche die Verstaagtlichung aller menschlichen Thätigkeit bezwecke. Er habe hier schon ost Vorschläge gemacht, aber gehört sei er nicht worden, im Gegentheil, die freiwillig gouvernementale Presse habe das als ultramontane Politik hingestellt, die immer Gespenster an die Wand male. Er glaube, das thue die Regierung doch auch. Man könne den Spieß auch umdrehen. Die Bestrebung und Bewegung der sozial⸗ demokratischen Partei in Deutschland, in Europa, ja in der ganzen Welt sei ein welthistorisches Ereigniß, dem man die vollste Aufmerksamkeit widmen müsse. Man müsse hier er⸗ wägen, welche heilenden und versöhnenden Mittel man anzu⸗ wenden habe. Eines aber thue vor Allem Noth: Fest und ent⸗ schieden müsse man auf den Boden der christlichen Welt⸗ anschauung zurücktreten. Der Minister habe aus der Schrift des Abg. Bebel dessen Ansichten über die Ehe, die ohne Staat und Priester geschlossen werden solle, mitgetheilt. Nun, er glaude, ganz so weit sei der Staat nicht gegangen, aber weit entfernt sei das Civilstandsgesetz von einem solchen Zustand nicht, und der sei gefährlich! Wenn der Reichskanzler die Bestrebungen der Sozialdemokraten nur als Selbst⸗ vertheidigung auffasse, so werde dieser Vorlage jeder Boden entzogen. Selbstvertheidigung sei immer erlaubt, sofern sie nur mit erlaubten, gesetzlichen Mitteln geführt werde. Wenn letzteres der Fall sei, so müsse man nach dieser Theorie die Sozialdemokraten in Ruhe lassen. Mit den beabsichtig⸗ ten sozialen Reformen sei allein es nicht gethan, es müsse das in Erfüllung gehen, was der Kaiser gesagt habe: „es müsse dem Volke die Religion wiedergegeben werden“, und wo sie noch vorhanden sei, dürfe sie nicht zerstört werden. In Preußen sei bisher nicht nach diesem Grundsatze verfahren worden, er freue sich daher, daß der Reichskanzler wieder gesund sei und er hoffe, daß seine Rückkehr dazu dienen werde, auf diesem Boden mit Energie Wandel zu schaffen.

Demnächst nahm der Reichskanzler Fürst von Bismarck das Wort: Meine Herren! Es lag nicht in meiner Absicht, nach dem er⸗ schöpfenden Vortrage, den mein Kollege zur Rechten über die Sache gehalten hat, überhaupt das Wort zu nehmen; ich bin nur dazu ver⸗ anlaßt durch einige Bemerkungen, in denen meine Thätigkeit und meine Aeußerungen berührt worden sind, und namentlich durch den Appell, den der verehrte Herr Vorredner in diesem Augenblick an mich gerichtet hat in Bezug auf den Vorschub, den seiner Meinung nach die preußische Gesetzgebung der Sozialdemokratie so, wie sie Hr. von Puttkamer Ihnen geschildert hat, leistet. Ich möchte ihm da die Frage stellen, ob er mit der kirchlichen Gesetzgebung in Oesterreich seinerseits auch unzufrieden ist, ob da die⸗ selben Ursachen obwalten, und ob sie auch dort als Erklä⸗ rung für die bedauerlichen Verbrechen, die in neuester Zeit zum Durchbruch gekommen sind, gelten können. Ich habe mich bisher immer gefragt, und es ist ja als Maßstab für mich auch wünschenswerth und nothwendig, das zu wissen —, ob es richtig ist, daß, wenn die katholische Kirche in Preußen so gestellt wäre, wie in Oesterreich, Sie (zum Centrum) ganz zufrieden sein würden. (Rufe im Centrum: Nein!) Also auch dann noch nicht? Welches sind nun die Gründe, weshalb die Sicherheit, die Fort⸗ schritte zur rechten Ordnung, die bei uns vermißt werden, und deren Abwesenheit, deren Nichtvorhandensein der Herr Vorredner zum Theil wenigstens mit unserer kirchlichen Gesetzgebung in Verbindung bringt, dort in Oesterreich auch etwas viel zu wünschen lassen? Ich möchte der Ueberschätzung entgegentreten, die ich bei man⸗ chen Katholiken gefunden habe, daß nämlich gerade ihr Glaube stärker gegen die sozialdemokratischen Verirrungen wäre, daß er ein sicherer, festerer Schild dagegen wäre als andere christliche Konfessionen. Gehen Sie die Geschichte der Völker durch, und Sie finden die eigenthümliche Erscheinung, daß gerade vorzugsweise die Katholiken sich durch ihre innere Einigkeit, durch innere Oednung und inneren Frieden nicht ausgezeichnet haben. Neh⸗ men Sie die Polen, nehmen Sie die Irländer, nehmen Sie die romanischen Völker, das allerchristlichste Frankreich: sie sind durch innere Streitigkeiten zerrissen worden. Die italienischen Zustände werden auch dem katholischen Bedürfniß nicht vollständig genügen. Die katholischen Republiken von Südamerika bieten nicht dasselbe Bild eines geordneten und degehäce Friedens wie die nordameri⸗ kanischen Freistaaten; in England sind die Verhältnisse viel günstiger als in Irsand, und die bisher fast ausschließlich evangelischen Staaten wie Holland, Dänemark und Schweden lassen in Bezug auf ihren sozialen Frieden kaum etwas zu wünschen übrig. Ich will keine Polemik beginnen, keinen Streit darüber, welche Form unseres Bekenntnisses zu Gott die richtigere und wirksamere auf diesem Felde sein wird; ich will nur gewissermaßen in der Abwehr auf diese Seite der Sache hinweisen, in der Abwehr gegen die Vorwürfe, als ob ich Mittel, die anderweit zur Sicherheit des ruhigen und friedlichen Bürgers getroffen wären, bei uns hinderte, angewandt zu werden. Ich habe auf diesem Gebiete überhaupt keine so subjektive, vorgefaßte Meinung, daß ich darüber nicht der Diskussion zugänglich wäre, aber man muß doch die That⸗ sachen prüfen. Ich habe bei den katholischen Ländern Spanien nicht erwähnt; Sie werden aber auch da finden, daß die Erscheinung der sogenannten „schwarzen Hand“, die den russischen Nihilisten und unseren Sozialdemokraten der nicht parlamentarischen Art am ähn⸗ lichsten ist, auch dort durch den großen Einfluß der Priesterschaft nicht hat gehindert werden können.

„Ich glaube also nicht, daß wir auf diesem Gebiet allein die Mittel zu suchen haben, um den Uebeln, mit denen wir kämpfen, entgegenzutreten, und ich glaube überhaupt nicht, daß es Mittel giebt, die sehr rasch und schnell wirken.

Wenn hier mehrfach von dem ersten Redner und auch wieder von dem Hrn. Abg. Windthorst darauf Gewicht gelegt ist, daß wir nur

trachten, vom Ausnahmegesetz wieder zum allgemeinen Recht

eine zweijährige Verlängerung gefordert hätten, und daraus der

In der Kommission werde oder allmählich aus dem Ausnahmezustand komme. Er meine wohl, ein allmähliches Heraustreten aus demselben müßte von allen und wenn es auf ihn ankäme, so Aufhebung des §. 28 jenes Gesetzes, oder doch eine Abänderung in den wesentlichsten Theilen desselben vorschlagen, an dessen Stelle man andere Bestim⸗ Rechtes setzen und empfehle er der Kommission Zustän⸗ solle, sei freilich schwer zu sagen, da man die geheime Thätigkeit der Sozialdemokraten nicht kenne. habe man bei den Wahlen zum Die Intensität

stand zu leisten im Stande die Verantwortung dafür Denjenigen zu, welche die Zügel zwischen

die 1n. werfen, sie werden inzwischen ruhig laufen, warten wir es ab.

e vorwärts zu kommen mit der Heilung der Krankheit, so erlaube ich

mir doch, die Aufmerksamkeit

diese außerordentlich schwierige sondern daß sie lediglich dem rität des Reichstages zu der Art, machten benutzen werde, zu danken ist. sich überzeugen wollen, ob auch nicht

die Fortschrittspartei oder sonst wo abspritzen könnte.

gestimmt habe, so ist es in der Ueberzeugung gescheben, dadurch erleichtert werden würde, überzeugen kann,

oder nicht. Daß wir in 2 entfernt gedacht.

damals mich für 2 ½ Jahre ausgesprochen und

in dieser kurzen Frist etwas zur Heilung des Uebels zu thun. Di positiven Bestrebungen, auf dem einen Theil ihres Bodens zu entziehen den ganzen ihnen zu ent⸗ ziehen, das lassen wir uns nicht, aber doch die, das Uebel zu vermindern —, die positiven Be

schaft, die mir hier vorliegt, wo Se. Majestät gesagt hat: Schon im Februar dieses zeugung aussprechen lassen, daß

Ausschreitungen, sondern

derung des Wohles der Arbeiter zu suchen sein werde.

Also schon 1881 wird von der Sache gesprochen als von etwas Zukünftigem, was erst kommen wird. das Versicherungsgesetz gegen die Und dann heißt es weiter:

Aber auch Diejenigen, welche durch Alter oder Invalidität erwerbsunfähig werden, haben der Gesammtheit gegenüber einen begründeten Anspruch auf ein als ihnen bisher hat zu Theil werden können.

Sie sehen, daß dort von der Anwendung der Mittel, von denen wir uns eine Besserung versprechen, doch nur als von etwas Zukünf⸗ tigem, Langsamen gesprochen ist, und daß wir weit entfernt sind von so sanguinischen und optimistischen Hoffnungen, als könnten wir mit einem so tiefgreifenden Krankheitszustand in so kurzer Zeit fertig werden. Wenn ich den Hrn. Abg. Windthorst richtig verstanden habe, so hat er die Regierung getadelt darüber, daß sie mit ihren Bestre⸗ bungen das sozialistische Gebiet beträte, den sozialistischen Zielen ziem⸗ lich nahe träte. Ich bin zweifelhaft gewesen, ob ich nach der sonstigen Stellung des Hrn. Abg. Windthorst diese Kritik, daß wir im Sozia⸗ lismus zu weit gehen, auf unsere Reformvorlagen beziehen muß. Beim Abg. Bebel bin ich nicht im Zweifel. Er hat mich willkommen geheißen in dem ihm vertrauten Element und gesagt, auf dem Ge⸗ biete würde ich der Lehrling sein und er der Meister. Nun, meine Herren, ich fürchte, dieser Meister wird an seinem Lehrling nicht sehr viel Freude erleben. Ich möchte auch den Herrn Abgeordneten bitten, zu überlegen, daß, wenn ich mich auf dem Wege der Gesetzgebung bemühen will, Uebel zu bekämpfen, ich den Trägern dieser Uebel in irgend einer Form näher treten muß, und daß meine Pflicht immer bleibt, zu untersuchen, ob ich einen Theil der Beschwerden, die der Krankheit zu Grunde liegen, für gerecht halte, ob ich ihm abhelfen kann, und inwieweit. In diesem Sinne bin ich jedem Gegner nahe getreten, in diesem Sinne bin ich nicht blos den Sozialisten, sondern auch der Fortschrittspartei, jg selbst den ausländischen Gegnern nahe getreten unter Umständen, wie man einer Krankheit nahe tritt, um zu sehen, wie man sie heilen kann. Der Abg. Bebel hat überhaupt kein Recht, mein ziemlich bewegtes politisches Leben in der Weise durchzugehen, als ob ich einmal dies und dann wieder sehr viel anderes gewollt bätte. Ich habe schon öfter erklärt, daß ich in jeder Periode meines Lebens das gewollt und erstrebt habe, was ich für das Vaterland und den Herrn, dem ich diene, am nützlichsten hielt. Es war nicht in jeder Periode dasselbe. Ich habe nicht in jeder Periode für Alles Zeit gehabt. Es ist unmöglich, dafür die Gründe auseinanderzusetzen, sie sind mit unserer hohen auswärtigen will ich sagen Politik eng verknüpft. Ich habe bis zu den Jahren 1876 und 1877 überhaupt nicht Zeit ge⸗ habt, mich um andere Angelegenheiten sehr viel zu bekümmern, son⸗ dern bin genöthigt gewesen, dieselben in den Händen Derer zu lassen, denen sie anvertraut waren. Sie werden mir zugeben, daß in den meisten Ländern, in den meisten Staatswesen großer Nationen, und namentlich in solchen, die in der Mitte von Europa liegen und die Koalitionen und Angriffen anderer, wie die Geschichte nachweist, mehr ausgesetzt sind als jede andere, die Last der auswärtigen Angelegen⸗ heiten allein ausreicht, um die Thätigkeit eines Mannes vollständig zu absorbiren, und daß für die inneren Angelegenheiten so sehr viel Zeit nicht übrig bleibt. Daher habe ich auch in Bezug auf die inne⸗ ren Angelegenheiten, soweit ich für sie Zeit hatte, doch mich nicht viel mit dem Prüfen der Fehler, die etwa in unserem sozialen und wirthschaftlichen Wesen versteckt sein konnten, befassen können. Es sind stets die nothwendigsten Neubildungen gewesen, mit denen ich mich befassen mußte. Kurz, ich bin erst seit sieben Jahren ungefähr zu der Muße von anderen mir wichtiger scheinenden Geschäften ge⸗ langt, daß ich überhaupt in unsere wirthschaftlichen Fragen mich hin⸗ einarbeiten konnte. Sie werden mir die Anerkennung nicht versagen, daß ich, seitdem ich erklärt habe, Zeit dazu zu haben, ununterbrochen mit der Verbesserung der wirthschaftlichen Zustände in irgend einer Richtung mich beschäftigt habe.

Die erste Nöthigung in dieser Beziehung hat für mich einerseits in den Gefahren gelegen, mit welchen 1878 die agitatorische Auf⸗ regung, die sich der Sozialdemokratie bemächtigt hatte, unsere Ruhe bedrohte, andererseits in den Verbrechen, die gegen das geheiligte Haupt Sr. Majestät des Königs begangen wurden und die den ur⸗ sprünglichen Ausgangspunkt der Gesetzgebung bilden, die uns heute beschäftigt, die heute noch besteht. Sind die Herren überzeugt, haben Sie die volle Sicherheit, daß dergleichen sich nicht wiederholen werde, nun, dann werden Sie auch mit gutem Gewissen gegen die Verlänge⸗ rung dieses mäßigen Schutzes sich aussprechen und gegen die Wieder⸗ kehr solcher Erscheinungen diesen geringen Schild wegwerfen. Aber Sie werden sich auch darüber nicht täuschen können, daß Sie damit eine erhebliche Verantwortlichkeit auf sich nehmen, die vielleicht durch den Erfolg nicht gerechtfertigt sein könnte. Dies kann um so mehr sein, als wir bisher, Dank der Politik Sr. Majestät, uns in friedlichen und ruhigen Verhältnissen bewegen; nehmen Sie an, daß statt dessen Kriegsgefahren, Gefahren innerer Unruhen, kurz und gut Arbeitslosigkeit und Brotlosigkeit bei uns auftreten Ge⸗ fahren, denen wir in der Zeit der Blutarmuth, der Anämie, im Jahr

1877 ziemlich nahe waren, und die ich zwar für einen glücklich über⸗

Unfälle vorgelegt.

wundenen Standpunkt für den Augenblick ansehen darf, die aber können nehmen Sie an, daß Arbeitslosigkeit eintritt und da Hungers und Mangels an Arbeit treten, sind Sie ganz gewiß daß die Regierung, die dann am Ruder sein wird, die Zügel, die Sie ihr jetzt aus der Hand nehmen, wieder

zu den wenigen wirklichen Beschwerden viele Gründe des

zu ergreifen und Wider⸗ sein wird? Ich weiß es nicht, ich schiebe

8

Der Herr Vorredner hat es noch nicht an der Zeit gefunden, der

Schluß gezogen worden ist, als hofften wir in zwei Jahren merklich

Sache jetzt näher zu treten; er will

Zeit gewinnen zur Ueber⸗

des Reichstages darauf zu verweisen, daß diese Fristbestimmung überhaupt von Hause aus gar nichts mit dem Gedanken zu thun hat, als ließe sich in einer absehbaren Zeit und großartige Aufgabe lösen, Ausdruck des Mißtrauens der Majo⸗ wie die Regierung ihre Voll⸗- 8 Sie haben alle paar Jahre von der Schärfe des Ein⸗ schreitens gegen die Sozialdemokratie irgend ein ätzender Tropfen auf . Sie haben uns auf 2 Jahre limitirt, um uns kontroliren zu können; einen anderen Grund hat es gar nicht, und wenn ich diesen 2 Jahren zu⸗

die mein Kollege Hr. von Puttkamer auch aussprach, daß manchem die Zustimmung daß er nach 2 Jahren sich wieder ob die Regierung sich den Instruktionen und der Vollmacht, die sie durch das Gesetz erhalten hat, entsprechend verhält

Jahren etwas erreichen könnten, habe ich nicht 4 Ich berufe mich darauf ich glaube, es war die Schlußäußerung in der Session im Oktober 1879 —, daß ich schon hinzugefügt habe, Niemand könne glauben, daß wir uns mit der Hoffnung schmeichelten,

Wege der Reform den Agitationen nicht träumen, die Hoffnung haben wir

strebungen haben eigentlich erst im Jahre 1881 oder 1880 ich weiß es nicht genau begonnen mit der damaligen Kaiserlichen Bot⸗

Jahres haben Wir Unsere Ueber⸗ sprechen die Heilung der sozialen Schäden nicht ausschließlich im Wege der Repression sozialdemokratischer gleichmäßig auf dem der positiven För⸗

In Bezug hierauf wird zunächst von den verbündeten Regierungen

höheres Maß staatlicher Fürsorge,

denke ich mir durch eine Verweisung der Sache in eine ne * er sagt: durch die bloße Androhung von vr thaten, wie sie in einem Buche stehe, werde sein Herz noch nich ge⸗ rührt, er muß Blut sehen. Ich finde darin die 2 preußischen Landrechts von der Nothwehr einigermaßen reproduzirt. Nach dem preußischen Landrecht, so viel ich mich erinnere, war man eigentlich zur Abwehr eines Angriffs erst dann berechtigt, wenn spät war, wenigstens wenn man wehrlos war; man konnte 12 2 Ungleichheit der Abwehrwaffen, deren man sich auf Angriffe e, in die größte Unannehmlichkeit gerathen. Ich habe einen unschul⸗ igen Menschen in Ermangelung anderer Räume im Zuchthause gesehen, lediglich, weil er bei nächtlichem Einbruch in die Kasse des Herrn den Ladestock in die Brust gerannt dem, der im Dunkeln mit dem Messer einbrach. Man hatte den Mann nachher wegen Ueberschreitung der Nothwehr auf ein Jahr ins Zuchthaus gesteckt. 8 Der Hr. Abg. Windthorst wird ja seine juristischen Gründe Haben, aber ich bin so weit nicht Jurist, daß ich mich darauf einlasse, Ich halte doch da, wo es sich um so große Gegenstände und so große Interessen handelt, wie dies der innere Friede der gesammten deut⸗ schen Nation ist, prophylaktische Einrichtungen, wenn sie so wohlfeil sind wie die jetzt vorliegenden, wenn ein so mäßiger und aaenen Gebrauch davon gemacht wird, für nothwendig und will nicht ab⸗ warten, daß die Sache größere Dimensionen annimmt. 8s Der Hr. Abg. Windthorst hat sich dabei der Wahrnehmung nich verschlossen, daß die Gefahr im Vergleich mit früher eigentlich zuge⸗ nommen hat; er hat gesagt er führte verschiedene Beispiele an, Hamburg, Meiningen, ich weiß nicht, ob noch andere —, 9 sei ein zunehmendes Wachsthum der Sozialdemokratie bemerkbar; aber wenn er damit die Besorgniß Anderer hat anregen wollen, so scheint doch die seinige nicht wach zu sein diesem Gedanken gegenüber. Er g mehr Muth als wir Anderen, er sieht die Gefahr kommen, Fabeh die Sozialdemokratie wachsen, er fürchtet sich aber nicht, er 8 ab. warten, bis sie Feuer giebt, möglicherweise mit Dyvnamit oder Pe⸗ troleum, und dann erst einschreiten. Ich halte das doch mit meinem Gefühl von Gewissenhaftigkeit und Unparteilichkeit nicht verträglich, und ich möchte die Herren dringend bitten, die Sache einfach 18 machen und ihr nicht in dem Maße die Wichtigkeit beizulegen, die sie von Seiten der Gegner erfährt. Dem Staate geschieht kein er⸗ h r Schade. b“ nun trotz dieses Gesetzes die Zahl der Sozialdemokraten wächst, wenn die Organisation vorsichtiger geworden ist, wenn, wie der Hr. Abg. Bebel anzunehmen schien, eigentlich unter der Aegide dieses Gesetzes eine Art Eldorado für die sozialdemokratischen Be⸗ strebungen eingetreten ist, die nirgend besser prosperiren als in dem Treibhaus dieses Spezialgesetzes, dann sollte er doch zufrieden sein, dann, hoffe ich, stimmt er selbst dafür, damit die Vortheile der Sozialdemokratie nicht verloren gehen; hoffentlich thut er 8s; wenn er es nicht thut, so kann ich sein Verhalten mit seiner Rede nicht ; gen. . h die eestesasne eehe at 82 5. 8 er Abschwächung ihrer Agitation, die sie erleid Sencp ensn hee fortwährend sich im Wachsthum befunden hat, wenn die Zahl der Unzufriedenen sich mehrt, so liegt das nicht in der Wirkung des Gesetzes, sondern daran, daß der Sozialdemokratie noch die Agitationsbestrebungen anderer Parteien zur Seite stehen, die fortschrittliche Agitation gegen die Regierung, die Verdächtigung der Regierung in der fortschrittlichen Presse, die Verächtlichmachung der Regierung, wodurch Mißtrauen gegen die Regierung, ja selbst gegen die Intentionen Sr. Majestät, wie sie in der Botschaft aus⸗ gesprochen sind, wachgerufen wird. Das Alles muß die Zahl der Unzufriedenen vermehren, die Zahl Derjenigen die von dieser Regie⸗ rung nichts erwarten, zu ihr kein Vertrauen haben und zum Kaiser nicht. Ohne das Vertrauen aber bei den Arbeitern zu wecken, ist es unmöglich, daß wir mit unseren Reformbestrebungen etwas bei ihnen ausrichten. Wenn der sozialistisch angehauchte Arbeiter in seiner eigenen Zeitung es ist vielleicht eine fortschrittliche Zei⸗ tung oder eine andere, es braucht nicht eine sozialistische zu sein liest, was die verbündeten Regierungen, nicht blos die sogenannte Reichsregierung und die Regierung Sr. Majestät des Kaisers und Königs, für üble Menschen sind, was sie für schmutzige Nebenzwecke haben bei der Politik, die sie verfolgen, was für unredliche und der Freiheit wie der Verfassung gefährliche Leute sie sind, so muß er uns doch für eine Sammlung der elendesten Bösewichte halten, die sich zufällig der Unterschrift des Kaisers bemächtigt haben, und die zu be⸗ seitigen das Recht jedes ehrlichen Bürgers ist. Wenn ein Arbeiter, dessen Bildungsgrad ihn nicht in den Stand setzt, die gesammten Verhältnisse unseres Vaterlandes zu übersehen, hört, daß in Wahl⸗ reden Herren, die die Zierde der Wissenschaft sind, aber in der Politik hisher etwas dem Lande Nützliches nicht ausgerichtet haben, Herren von hoher Bildung und angesehenem Namen, von den Trägern der Staatsgewalt, von der Regierung mit einer Geringschätzung sprechen und mit einer nachtheiligen Beurtheilung wie soll der Arbeiter da nicht denken: Mein Gott, was sollst du von denen erwarten, die treiben, um mit dem Organ des Hrn. Abg. Richter zu sprechen, „Schnapspolitik“, das heißt, die Brennereien und die theueren Schnapspreise: das sind die eigentlichen Zwecke, die der Reichskanzler verfolgt. Wenn solche Worte in die Masse ge⸗ worfen werden wo soll das Vertrauen herkommen, dessen die Massen bedürfen, um der Regierung zu folgen 8 Die fortschrittlichen Bestrebungen untergraben das Vertrauen zur Regierung und sind die wichtigsten Vorarbeiter zur Verbreitung der Sozialdemokratie, und der fortschrittlichen Presse schreibe ich den numerischen Zuwachs, den die Sozialdemokratie erhalten hat unter der Wirkung dieses Gesetzes, zu. Die Leute müssen ja mit Haß und Verachtung gegen die Regierung erfüllt werden, wenn sie diese ungerechten und verlogenen Deklamationen hören und lesen. Ich könnte dem Wort „Schnapepolitike des Herrn Abgeordneten, dem es zugeschrieben wird, ganz ähnliche Begriffe gegenüberstellen. Wenn diejenigen Herren, die von der Presse vorzugsweise leben und die im Preßgewerbe ihr Einkommen vund ihre Nahrung finden, vorzugsweise bemüht gewesen sind, unsere Preßgesetz⸗ gebung so zu gestalten, daß das Preßgewerbe möglichst einträglich ge⸗ worden ist und sie wenig genirt werden, wenn sie das mit Erfolg erreicht haben, ist es da unsereinem eingefallen, von Preßbengel⸗ politik zu sprechen? Wäre das nicht ebenso berechtigt gewesen, wie die freche Beleidigung, die in dem Worte „Schnapspolitik“ liegt? Meine Herren, der Hr. Abg. Windthorst will erst einschreiten, wenn zur That geschritten ist, aber Derjenige, der zur That verführt, der die Unzufriedenheit dahin treibt, indem er durch Versprechungen nothleidende Leute aufmuntert, sich selbst zu helfen und, wenn sie endlich dazu gebracht sind, dann nicht da, sondern irgend wo anders ist und ruhig wartet, daß die Saat aufgeht, die er gesät hat, 88 der fortschrittliche Abgeordnete um Gotteswillen! kein Abgeordneter, der fortschrittliche Zeitungsschreiber will ich sagen; das wird nie ein Abgeordneter thun der seinerseits die Absichten der Regierung als Fegoistisch, als Unsinn, als freiheitsfeindlich darstellt, der in Wahl⸗ reden natürlich wird er nicht gewählt, denn es soll ja von keinem jetzigen Abgeordneten gesagt werden der Wahrheit ins Gesicht schlägt und von Dingen erzählt, die er besser weiß, und der nachher, wenn man ihn wegen Injurien belangt, sagt, so hätte er es nicht gemeint, der trägt eben so gut zur Vergiftung des gemeinen Mannes bei wie der Hr. Abg. Bebel, dessen Werk eben verlesen ist. Sie sind bloß weniger faßbar, und ich klage vor Deutschland die Fortschrittspartei an, daß sie in ihren Reden, Preßorganen und dächtigungen gegen die Regierung die Unzufriedenheit im Lande nähr und schürt. (Bravo! rechts. Lachen links). Lachen kann ein Jeder, aber besser machen kann ers nicht. Das erinnert mich an den e. major; Sie machen keinen Eindruck mit diesen ie verabredeter Art sind lassen Sie es sein! Als Hr. von Putt 1g. sprach, hat sich eine Gruppe in der Gegend von dem 8 truve ich weiß nicht, wo er zu sitzen pflegt gebildet, die hr unartikulirte Töne den Redner zu unterbrechen suchte. Wider 8 Sie mich, aber lachen wie leicht ist das! Sie glauben gar nicht, wie ich lache, wenn Sie nicht dabei sind.

1 ühren; er bedarf zu seiner Ausführung eines Zeitraums von Se eef her hatten 82 bleüaßs, die Lage der Arbeiter nach drei Richtungen hin zu verbessern: einmal, indem wir zu einer Zeit, wo die Arbeitsgelegenheit gering und die Löhne niedrig geworden waren, zum Schutze der vaterländischen Arbeit Maßregeln getroffen haben gegen Konkurrenten, mit anderen Worten, Schutzzölle eingeführt haben zum Schutze der inländischen Arbeit. In Folge dieser Maßregeln hat sich eine wesentliche Besserung der Löhne vollzogen und eine Ver⸗ minderung der Arbeitslosigkeit. Die Arbeit hat sich seitdem immer mehr wieder eingefunden, und Sie bemühen sich vergebens, andere Gründe dafür zu suchen. Ich glaube, im Gegentheil, diese Erscheinung muß eine erhebliche Rückwirkung auf die Beruhigung der sozialistischen Bestrebungen haben. Wer noch die Erinnerung an die Zeit von 1877 bis 1878 hat, an die damaligen Zustände, der wird nicht leugnen, daß doch selbst in den ausländischen Schriften die Hoffnung, an die Unzufriedenheit der Arbeiter mit ihrem Schicksal Umsturzpläne zu knüpfen, einigermaßen vermindert ist. Also Nutzen hat dieses schutz⸗ zöllnerische System zu dem Zweck gehabt. Ein zweiter Plan, der im Sinne der Regierung liegt, ist die Verbesserung der Steuerverhältnisse, indem eine geschicktere Verthei⸗ lung derselben gesucht wird, wodurch namentlich die drückenden Steuerexekutionen wegen kleiner Beträge, wenn nicht abgeschafft, so doch wesentlich vermindert und vielleicht einer weiteren Verminderung entgegengeführt werden. Die Steuerexekutionen haben sehr viel kleine Existenzen im Arbeiterstande früher vernichtet und umgeworfen, und die wenigen Groschen, die für die Steuer am bestimmten Termine aufzubringen waren, sind auch oft der Grund gewesen, warum eine Familie, die nicht gerade auf der untersten Stufe der Wohlhabenheit stand, zurückgeworfen wurde in das Elend. Sie sagen nun, wir hätten mit der einen Hand ge⸗ geben und mit der anderen genommen, wir hätten in indirekten Steuern den Arbeitern sehr viel mehr auferlegt als in den direkten. Das ist eine falsche Berechnung, eine Unwahrheit, die dem Arbeiter leicht aufzuhängen ist, die aber doch nicht wahr ist. Wenn Sie dem Arbeiter vorrechnen, was er für Oel und Petroleum und Getreide jetzt an Eingangszoll bezahlen muß und für Speck und was weiß ich, so verschweigen Sie ihm immer, daß weder das Brod noch das Petroleum einen Pfennig theurer geworden sind, im Gegentheil, sie sind trotz der vorigen, ich kann wohl sagen Mißernte, die wir im Lande gehabt haben, noch wohlfeiler als früher. Dies beweist, daß die Rechnung nicht richtig ist, wenn Sie sagen, daß dem Arbeiter 60 speziell auferlegt worden sind; aber selbst wenn dadurch eine Vertheuerung stattfand, so ist ganz sicher, daß es der Arbeiter nicht in letzter In⸗ stanz bezahlt. Er bezahlt sie vielleicht das erste Mal, aber die Ab⸗ wälzung dieser Summe auf den Arbeitgeber und von dem Arbeitgeber auf den Konsumenten ist ja eine ganz zweifellose. Das sogenannte eherne Lohngesetz, daß ein einfacher Arbeiter nie mehr verdienen kann, als er zur nothwendigen Erhaltung und zur Bestreitung seiner noth⸗ wendigen Lebensbedürfnisse braucht, hat eine gewisse Wahrheit, ist aber doch cum grano salis zu verstehen. Diese Wahrheit wechselt nach Zeit und Ort. Das, was ein Arbeiter an Nothwendigem ge⸗ braucht, ist der Zeit nach verschieden. Wer von uns fünfzig Jahre zurückdenken kann, der wird wissen, daß der ganze Lebensstand eines Arbeiters, die Nahrung, die er zu sich nahm, die Woh⸗ nung, die Kleidung, die er und seine Kinder trugen, heut zu Tage besser geworden sind als damals, und daß heut zu Tage, zu dem, was der Arbeiter nothwendig gebraucht, eine bessere Kleidung, eine bessere Nahrung, eine bessere Wohnung als damals gehören. Ebenso örtlich: Ich beschäftige Arbeiter in Holstein und in Pom⸗ mern. In Holstein ist der Tagelohn um 50 % höher als in Pom⸗ mern, weil die Landessitte dahin geht, nicht daß das Geld dort weniger werth wäre. Es liegt überhaupt nicht am Wechsel der Ab⸗ nahme des Geldwerthes, sondern es liegt daran, daß der holsteinische Arbeiter gewohnt ist, ein höheres Maß von Wohlleben, als noth⸗ wendig ist zu seinem Bestande, zu haben, und was bleibt mir als Ar⸗ beitgeber anderes übrig, als daß ich diese Nothwendigkeit befriedige? Es ist das also der klarste Beweis, daß der Arbeiter das, was er zu seinem Lebensbedarf gebraucht und nothwendig hat, auch auf den Arbeitgeber abwälzt und daß das eherne Lohngesetz in Bezug auf die Höhe des Lohnes ganz unzweifelhaft nicht richti ist. Es ist ganz unmöglich, daß auf die Dauer ein Betrieb fortbesteht, dessen Arbeiter nicht das bekommen, was sie zu ihrer üblichen und gebräuchlichen Existenz brauchen; denn wenn sie es nicht bekämen, würden sie ein⸗ fach diesen Betriebszweig aufgeben oder nach Amerika auswandern, was ja ganz leicht ist; es muß ihnen die Lohnerhöhung gewährt wer⸗ den, die den steigenden Brotpreisen entspricht. Man nehme die Be⸗ dürfnisse, die wir Alle befriedigen: Schuhzeug, Kleider u. s. w. Wenn Jemand zurückdenkt, was er vor fünfzig, vierzig und dreißig Jahren für ein Paar Stiefel bezahlt hat und was er dafür geben muß, so wird er sich sagen: der Werth des Geldes is etwas gefallen, aber so viel nicht; dagegen lebt der Schuhmacher, von dem wir die Stiefel bekommen, besser, seine Frau ist besser ange⸗ zogen, seine Kinder werden besser erzogen, sie streben höher hinauf. Der Schuhmacher ist also im Stande, das, was er nach seiner jetzigen Ueberzeugung mehr braucht, als er vor fünfzig, vierzig oder dreißig Jahren brauchte, von seinen Kunden wieder einzuziehen, und wir bekommen keinen Stiefel, wenn wir das nicht bezahlen. Darin aber besteht der große Trugschluß, der den Arbeitern gegenüber gemacht wird, der Trugschluß, daß sie die Erleichterung, die ihnen durch Abschaffung der Klassensteuer geworden ist, vielfach bezahlen müßten durch Auflagen auf die nothwendigsten Lebensbedürf⸗ nisse, deren Preisen die Arbeiter nichtsgewachsen sind. Ich i nur, daß es möglich wäre, auch in den kommunalen Abgaben, Preußen namentlich in den übermäßigen Ansprüchen, die an die c⸗ meinden für Schulzwecke gestellt werden, eine anderweitige Entlastung eintreten zu lassen. Das ist aber nur möglich, wenn Staatsmittel überwiesen werden können, und um diese überweisen zu können, müssen sie durch anderweitige Zuschüsse gedeckt werden. Bei diesen weitigen Zuschüssen von indirekten Steuern auf Luxusgegenstände haben wir uns aber bisher, um mich englisch auszudrücken, einer obstruction, einer Obstruktion gegenüber befunden; es ist uns die ö und die Lizenzabgabe verweigert worden, und wir können hier ers helfen, wenn Sie uns Geld bewilligen; denn selbst können wir es Zweig der Reformen, die wir erstreben, liegt in der direkten Fürsorge für die Arbeiter. Die Frage won Arbeitszeit und Lohnhöhe ist durch staatliche Einwirkung, überhaupt durch Gesthe außerordentlich schwierig zu lösen. Durch irgend eine Pltsetun,. ie man macht, läuft man Gefahr, in die persönliche reiheit, seine Dienste zu verwerthen, sehr erheblich und unnütz einzugreifen; denn wenn man die milchgebende Kuh oder die eierlegende Henne mit Male schlachtet, so geht damit die Industrie ein, aum g es sich handelt, weil sie die ihr aufzulegende Last der kurzen Arbeit für hohe Löhne nicht tragen kann; dann leidet darunter der Arbeiter ebenso wie der Unternehmer. Das ist also die Grenze, die geboten ist, und vor der jede gesetzliche Einwirkung Halt machen muß. Ich habe darüber auch nur lokale Klagen gehört, der eigentliche Beschwerdepunkt des Arbeiters ist die ö heit seiner Existenz; er ist nicht sicher, daß er immer Arbeit zal en wird, er ist nicht sicher, daß er immer gesund ist, und er sieht pößhe aus, daß er einmal alt und arbeitsunfähig sein wird. Verfä er aber der Armuth auch nur durch eine längere Krankheit, so ist er darin nach seinen eigenen Kräften vollständig hülflos, und die Gesell⸗ schaft erkennt ihm gegenüber bisher eine eigentliche Verpflichtung außer der ordinären Armenpflege nicht an, auch wenn er noch so treu und fleißig die Zeit vorher gearbeitet hat. Die ordinäre Armenpflege läßt aber viel zu wünschen übrig, namentlich in den großen Städten, wo sie außerordentlich viel schlechter als auf dem Lande ist. Wenn wir in den Berliner Zeitungen lesen von Selbstmord aus Nahrungssorgen, von Leuten, die direkt Hungers gestorben sind und sich aufgehängt haben, weil sie nichts zu essen gehabt haben, von Leuten, die in der

Zeitung ankündigen, sie wären obdachlos hinausgeworfen und hätten kein Unterkommen, so sind das lauter Dinge, die wir vom Lande nicht kennen und nicht verstehen. Da würde sofort der Landrath und

dem Hungernden durch Exekution zu Speise und Trank verhelfen. sind da gar nicht möglich. Nun scheint es aber, daß diejenige landräthliche Behörde, die die Aufsicht über Berlin hat, nicht mit gleicher Schärfe verfährt wie die übrigen in der Provinz. Indessen für den Arbeiter ist das immer eine Thatsache, daß der Ar⸗ muth und der Armenpflege in einer großen Stadt zu verfallen gleich⸗ bedeutend ist mit Elend, und diese Unsicherheit macht ihn feindlich und mißtrauisch gegen die Gesellschaft. Das ist menschlich nicht unnatürlich, und so lange der Staat ihm da nicht entgegen kommt, ode so lange er zu dem Entgegenkommen des Staates kein Vertrauen hat, so lange ihm dies Vertrauen zur Ehrlichkeit des Staates durch die Verdächtigungen der Regierung genommen wird, da wird er, wo er ihn finden mag, immer wieder zu dem sozialistischen Wunderdoktor laufen, wie das Hr. von Puttkamer vorhin uns verlesen hat, und ohne großes Nachdenken sich von ihm Dinge versprechen lassen, die nicht gehalten werden. Deshalb glaube ich, daß die Unfallversicherung, mit der wir vorgehen, sobald sie namentlich ihre volle Ausdehnung bekommt auf die gesammte Landwirthschaft, auf die Baugewerke vor Allem, auf alle Gewerke, wie wir das erstreben, sie doch mildernd auf die Besorgniß und auf die Verstimmung der arbeitenden Klassen wirken wird. Ganz heilbar ist die Krankheit nicht, aber durch die Unterdrückung äußererer Symptome derselben durch Zwangsgesetze halten wir sie nur vg treiben sie nach innen. Darauf allein ich nicht einlassen. 8 michn noch g ondere Bemerkung des Herrn Vorredners resumiren. Derselbe behauptete, ich hätte von der „Selbstvertheidi⸗ gung der Sozialdemokratie“ gesprochen. Mir ist der Wortlaut nich genau erinnerlich, ich habe auch den Bericht darüber nicht bei de Hand. Sollte ich aber das wirklich gesagt haben, so würde ich mich unrichtig ausgedrückt haben. Gemeint habe ich die „Selbstvertheidi gung des Arbeiters“, die doch auch beschränkt ist. Es können durch dies 9. unter Umständen ganz ähnliche Bestrebungen zur Ver⸗ besserung des Looses der Arbeiter, die mit denen des Staates nich nothwendig im Kampfe stehen, getroffen werden, und d 1 habe ich allerdings gesagt: unser Recht, die Ausnahmegesetze fortbestehen zu lassen, schöpfen wir aus der Pflicht und au der Erfüllung der Pflicht einer christlichen Gesetzgebung. Nennen Sie es sozialistische Gesetzgebung auf der Fortschrittsseite, ich ziehe den Ausdruck christlich vor. Der Sozialismus der Zeit der Apostel ging noch sehr viel weiter. Wenn Sie die Bibel vielleicht einmal lesen wollen, werden Sie Verschiedenes aus der Apostel⸗ geschichte darüber finden. So weit gehe ich in unseren heutigen Zeiten nicht. Den Muth aber zu Repressionsmaßregeln schöpfe ich nur au meinem guten Willen, daran zu arbeiten, daß die wirklichen Be schwerden, die wirklichen Härten des Schicksals, über die die Arbeiter zu klagen haben, soweit eine christlich gesinnte Staatsgemeinschaft es vermag, gemildert werden und ihnen abgeholfen wird. Wie weit. j das ist Sache der Ausführung; aber durch die Schwierigkeit der Aus sührung wird die Pflicht, zu thun, was man für Pflicht erkannt hat, nicht aufgehoben, 28 5 o neulich sagte, vom Erfolg ist Vorgehen vollständig unabhängig. 8

Uhebeeth 9. Maͤnnigfaltigkert des Stoffes in der Erwide rung nicht in der Lage gewesen, auf das System der eigentliche Vorlage einzugehen, und ich habe auch gefürchtet, Ihnen noch einmal zu sagen, was Hr. von Puttkamer Ihnen schon besser gesagt hat. Ich will deshalb schließen mit der Bitte: nehmen Sie die Vorlage einfach an. Verweisen Sie sie an die Kommission, gut, so wird sich ja darin auch darüber reden lassen; ich würde es aber bedauern; ist nicht gerade direkt eine Ablehnung, aber ich prognostizire daraus schon die Ablehnung und sehe sie voraus. Ich würde also das als eine ungünstige Aufnahme ansehen, wenn sie in die Kommission verweisen. Wir können ja dem Hrn. Abg. Dr. Windthorst, der selbst doch 8 sehr zweifelhaft über seine Stellung zur Sache war, nicht wissen, wie sie aus der Kommission wieder herauskommt. Aber vor allen Dingen möchte ich diejenigen Parteien, die nicht zur Sozialdemokratie ge- hören, und die angeblich von der Entwicklung derselben dieselben Be⸗ fürchtungen, wie alle übrigen haben, bitten, daß sie aufhören mit Verdächtigungen der Regierung in den Augen des gemeinen Maͤnnes, und daß sie nicht ein Feuer anzünden, das sie selbst zu löschen ganz ußer Stande sind. 8 8 14 8 Der Nia Dr. Windthorst erklärte, seine politischen Freunde und er seien bestrebt, die Regierung nach .““ zu unterstützen; das Unfallversicherungsgesetz rechne er nicht zu denen, in welcher die Grenze nach der Sozialdemokratie hin überschritten sei. In den Evolutionen der offizibsen Presse, in der ersten Vorlage mit dem Reichszuschuß sei diese Grenze nicht immer inne gehalten. Es fehle ihm nicht an Muth, aber er habe nicht das Bedürfniß, Blut zu sehen. Das Werk des Abg. Bebel, welches der Minister kritisirt habe, enthalte keine Drohungen mit Revolution oder 88 Gewaltmitteln, soweit er es aufgefaßt habe. Sol he theoretische Erörterungen könnten die Frage nahe legen ob man die Censur wieder einführen wolle, niemals könne darauf hin der Strafrichter einschreiten Solche Utopien und Narrheiten würden vom gesunden Menschenverstand von dem das deutsche Volk einen großen Vorrath besitze, trotzdem man sehr viel thue, ihn zu verderben überwunden werden. Seine Partei habe berathung gewünscht, um zu überlegen, was weiter zu thun sei: benes antk der Polizei und mit Gewalt allein werde di Sozialdemokratie niemals überwunden werden. Er glaube auch nicht, daß die Kirche allein sie besiegen könne, aber man müsse ihre Hülfe in Anspruch nehmen, sie frei machen, daß sie helfen könne. Dazu sei auch nicht allein der Katholizismus befähigt, sondern auch in wirklich gläubigen Ländern könne man von der Kirche eine Bekämpfung der⸗ selben erwarten. Es handele sich darum, den Unglauben zurück⸗ zudrängen. Er wolle nicht an den 18. März und was sich an diesem Tage in Berlin abgespielt habe, erinnern; das sei geschehen 8 wo der Katholizismus nicht herrschte. In Frankreich habe Lud⸗ wig XIV. den Grund zum Unglauben gelegt, derselbe sei der stärkste Autokrat und Imperator gewesen, er habe eine gall 8 kanische, eine Nationalkirche schaffen wollen, und habe Lb die Wurzeln der Thätigkeit der Kirche untergraben. Derselbe sei der Begründer der Revolution, welche seine Nachkommen auf das Schaffott gebracht habe. Das möchten alle Diejenigen bedenken, welche die Autokratie nicht hoch genug stellen könn⸗ ten, und Autokrat könne man auch mit parlamentarischen Formen sein. In Oesterreich sei die Kirche 89, Josefinismus lahm gelegt worden; die dortige Gesetzge ung gefalle ihm gar nicht. Man brauche gar nicht nach aus⸗ wärtigen Staaten zu gehen. In Bayern sei die e des kleinen Belagerungszustandes noch gar nicht nöthig * 24 in den preußischen katholischen Landestheilen auch nich in Sozialdemokraten hätten auch anerkannt, daß die ae Mache katholischen Kirche ihr Aufblühen verhindert d- n b man der Maigesetzgebung ein Ende, gebe man 8 Freiheit, gebe man ö u 3 ee 4 man kein Gesetz und keine Gen z. r I allen keinolischen Bezirken würden dann keine S ten aufkommen. Die Preßverhältnisse habe der Reich hen gestreift; derselbe scheine sie aber doch nicht begen zu een ich Wenn der Reichskanzler nicht Gelegenheit un * e damit zu beschäftigen, so möge derselbe einmal einen seiner Räthe beauftragen, die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung sn lesen. Die maßlosen Angriffe gegen alle Parteien und gegen alle

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Der Plan der Reform, den wir nach dem Willen des Kaisers und der vhlan, der Regierungen befolgen, läßt sich ja nicht in kurzer

die Polizei erscheinen und den etwa Ermittirten wieder einsetzen und 8.

Personen, die das Unglück hätten, einmal anderer Meinung zu.