1884 / 80 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 02 Apr 1884 18:00:01 GMT) scan diff

„Die. Unterzeichner der Heidelberger Erklärung betreten den Mittelweg, indem sie die Zollpolitik vorläufig als abgeschlossen be⸗ trachten und die Bekämpfung derselben einer geeigneten Zeit vorbe⸗ halten, statt mit Eifer aufzusuchen, was die liberale Partei von der Reichsregierung trennt, sind sie vielmehr bemüht, das, was sie mit jener erbindet und eint, zu pflegen. Die Reichsregierung ist von der Richtig⸗ keit und Heilsamkeit ihrer sozialpolitischen Pläne so durchdrungen, daß ein Aufgeben derselben gar nicht zu erwarten ist, und ein großer Theil der liberalen Partei theilt ihre Ansichten, wenn sie auch in einzelnen Punkten verschiedener vr. ist. Deshalb gilt es, die Einigung über die von beiden als richtig erkannten Ziele anzu⸗ Nö“

Statistische Nachrichten.

Das Februarheft der vom Kaiserlichen Statistischen Amt herausgegebenen Monatshefte hat folgenden Inhalt: Vor⸗ läufiges Ergebniß der montanstatistischen Erhebungen im Jahre 1883. Ueberseeische Auswanderung aus dem Deutschen Reich über deutsche A und Antwerpen in der Zeit von Anfang Januar bis Ende Fe⸗ ruar 1884 und Vergleich mit dem entsprechenden Zeitraum der vor⸗ hergehenden Jahre. Dutcchschnittspreise wichtiger Waaren im Großhandel. Februar 1884. Ein⸗ und Ausfuhr der wichtigeren Waarenartikel im deutschen Zollgebiet für den Monat Februar 1884 und für die Zeit vom 1. Jauuar bis Ende Februar 1884. Ueber⸗ sicht über die von den Rübenzucker⸗Fabrikanten des deutschen Zoll⸗ gebiets versteuerten Rübenmengen, sowie über die Einfuhr und Aus⸗ fuhr von Zucker im Monat Februar 1884.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Das Osterprogramm des hiesigen Kgl. Luisen⸗Gym⸗ nasiums, mit welchem zum öffentlichen Eramen am Freitag, den 4. d. M., Vormittags, eingeladen wird, umfaßt die Schulnachrichten vom Direktor Dr. Schwartz uud die Abhandlung des ersten Ober⸗ lehrers Prof. Lic. Deutsch über „Luthers These vom Jahre 1519 über die päpstliche Gewalt.“ Die Frequenz betrug 489 Schüler, gegen 330 des Vorjahres und zwar in der Vorschule 169, im eigentlichen Gymnasium (bis U. II. inkl.) 320. Wegen der vom Kgl. Provinzial⸗ Schulkollegium veranlaßten Betheiligung des Gymnasiums an der Hygiene⸗Ausstellung wurde dasselbe mit einem Anerkennungsschreiben Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin beehrt.

Am 22. März gelangte die Kaisernummer der im Verlage von A. Haase's Buchhandlung (Max Babenzien) in Rathenow er⸗

scheinenden Wochenschrift „Die Sonntagsruhe“, zur Ausgabe,

welche den Zweck verfolgt, die schlechte Kolportageliteratur aus Haus und Familie zu verdrängen und dieselbe durch gute, Herz und Gemüth bildende Lektüre zu ersetzen. Die Kaisernummer dieser Wochen⸗ schrift zeichnet sich durch elegante Ausstattung, interessanten Inhalt und gute Illustrationen aus. Auf „Die Sonntagsruhe“ kann bei allen Postanstalteu und Buchhandlungen zum Preise von 75 pro Vierteljahr abonnirt werden.

Weimar, 1. April. (Thür. Corr.) Der Deutsche Ton⸗ künstler⸗Verein begeht nach neuesten Anordnungen seine Stiftungs⸗ versammlung hierselbst in den Tagen vom 23. bis 28. Mai, nicht, wie früher bestimmt war, Anfangs Juni.

Land⸗ und Forstwirthschaft.

Die ‚Schles. Ztg.“ berichtet über den Saatenstand: Die Frübjahrsbestellung in Schlesien hat an manchen Stellen in Folge der intensiven Regengüsse der letzten Zeit eine Unterbrechung erlitten; ein großer Theil der Sommerung auch Leinsamen ist jedoch bereits gesäet, auch sind schon Frühkartoffeln gesteckt worden. Der Rückschlag, welcher sich während einiger Tage in der Temperatur durch größere Kälte bemerkbar machte, war für die Wintersaaten von Vortheil, da er ein zu rasches Vorschreiten der Vegetation hinderte und die Pflanzen sich hierdurch kräftiger entwickelten. Aus Han⸗ nover wird berichtet, daß die Vegetation im Laufe des Winters eigentlich eine Unterbrechung nicht erfahren habe; es sei dies beson⸗ ders an den Roggenfeldern und den Wiesen bemerkbar. Der Stand der Wintersaaten in der Rheinprovinz ist in Folge des ungewöhn⸗ lich milden Winters ein guter zu nennen. Weder von Schnecken⸗ und Mänusefraß noch von verheerenden Ueberschwemmungen hatten sie zu leiden. Die Frühjahrswitterung ist auch bisher, wenigstens bis zu den letzten Tagen (Ende März), für die Sommersaatbestellung sehr günstig gewesen.

Gewerbe und Handel.

Dortmund, 31. März. (Rhein.⸗Westf. Ztg.) Im Eisen⸗ geschäft dauert eine regere Nachfrage und bessere Beschäftigung in verschiedenen Branchen an, aber weitere Preiserhöhuugen sind bisher nicht zu erzielen gewesen. Auf dem Roheisenmarkt sind vorzugs⸗ weise Puddel⸗ und Gießereieisen wegen der flotten Beschäftigung der Walzwerke und Gießereien in ziemlich reger Nachfrage geblieben und werden in diesen Roheisensorten auch die bisherigen Notirungen bei neuen Kontrakten behauptet Dagegen sind Bessemereisen und Spiegeleisen wieder matter geworden und billiger zu haben als vor einem Monat. In Maschineneisen, Bandeisen und Feinbleche hat sich der Bedarf auf der bisherigen Hän erhalten, während in Kesselblechen und Baueisen eine stetige Zunahme der Nachfrage zu konstatiren ist. Auch in Walzdraht, namentlich aber in Stahl⸗ draht, erhöht sich der Bedarf stetig und dem entsprechend auch die Beschäftigung der Drahtwalzwerke. Aber die Preise sind wegen der scharfen Konkurrenz auf dem bisherigen niedrigen Niveau verblieben und wird darin auch wohl kaum eher eine Besserung zu erwarten sein, bis wieder alle Drahtstraßen besetzt sind. In der Stahl⸗ industrie dauert die Flaue der Vorwochen an, da es derselben nach wie vor an ausreichender Beschäftigung in Stahlschienen und anderen Eisenbahnmaterialien aus Stahl, insbesondere aber an Export⸗ aufträgen fehlt. Die Lokomotiv⸗ und Waggonfabriken sind flott beschäftigt und auch in der Lage solchen Betrieb für längere Zeit aufrecht zu erhalten, da sie nicht allein bedeutende Be⸗ stellungen in Hänvden haben, sondern auch noch regelmäßig neue Ordres erhalten. Die Röhrenwalzwerke haben wegen verstärkter Zunahme der Aufträge die Preise erhöht. Auch die Kleineisenzeugfabriken, Maschinenbauanstalten und Gießereien sind befriedigend beschäftigt, während die Kesselschmieden und Brückenbauanstalten fortwährend über Mangel an genügenden Aufträgen klagen. In der Kohlen⸗ industrie werden die Preise fester behauptet und man erwartet eine weitere Besserung der Tendenz, wenn, wie kaum noch zu bezweifeln ist, die beschlossene Förderkonvention perfekt geworden ist.

New⸗York, 31. März. (W. T. B.) Weizenverschif⸗ fungen der letzten Woche von den atlantischen Häfen der Ver⸗ einigten Staaten nach Großbritannien 54 000, do. nach Frank⸗ reich —, do. nach anderen Häfen des Kontinents 3000, do. von Kalifornien und Oregon nach Großbritannien 50 000, do. nach dem Kontinent 10 000 Orts.

New⸗York, 1. April. (W. T. B.) Der Werth der Produktenausfuhr in letzter Woche betrug 4 638 000 Dollars.

E

Rio de Janeiro, 29. März. (W. T. B.) Der Ertrag der lächsten Kaffee⸗Ernte in Brasilien wird auf 5 Millionen Sack geschätzt. Die hiesigen Kaffee⸗Großhändler und diejenigen von Santos sollen sich, wie es heißt, dahin geeinigt haben, trotz des Preis⸗

ckgangs für Kaffee in Europa und Nordamerika ihren bisherigen Preisen festzuhalten. 6 8

Verkehrs⸗Anstalten. (W. T. B.) Der Dampfer des „Donau“ ist heute früh 2 Uhr in

1

Bremen, 2. April. Norddeutschen Lloyd Southhampton

Hamburg, 2. April. (W. T. B.) Der Postdampfer Rugia“ der Hamburg⸗Amerikanischen Packetfahrt⸗ Aktiengesellschaft ist gestern Abend 8 Uhr in New⸗York eingetroffen.

Berlin, 2. April 1884.

Preußische Klassenlotterie. (Ohne Gewähr.)

Bei der heute angefangenen Ziehung der 1. Klasse 170. Königlich preußischer Klassenlotterie sielen:

1 Gewinn von 9000 auf Nr. 79 166.

2 Gewinne von 3600 auf Nr. 62 161. 81 520.

4 Gewinne von 1500 auf Nr. 28 957. 37 459. 80 766. 84 238.

1 Gewinn von 300 auf Nr. 82 014.

Das Fahren auf Velocipeden ist durch eine Polizeiverord⸗ nung vom 24. v. M. auf den öffentlichen Fssser. * und Wegen innerhalb desjenigen Theiles des Polizeibezirks von Berlin verboten, welcher südlich durch den Schiffahrtskanal von der Bär⸗ waldstraße bis zur Charlottenburger Grenze, westlich durch den Stadt⸗ kreis Charlottenburg, sowie nördlich und östlich durch die Spree, von dem Austritt auf Charlottenburger Gebiet bis zur Herkulesbrücke, und durch die Straßen: Neue Promenade, Rosenthalerstraße, Neue Schön⸗ hauserstraße, Münzstraße, Alexanderstraße, Jannowitzbrücke, Brücken⸗ straße, Neanderstraße und Prinzenstraße begrenzt wird. Diese Straßen sind in das Verbot einbegriffen.

Ebenso ist das Fahren auf Velocipeden Straßen untersagt: Belle ⸗Alliancestraße, Breslauerstraße, Brunnenstraße bis zur Demminerstraße, Chausseestraße, Elsasserstraße, Kleine und Große Frankfurterstraße, Fried⸗ richstraße (außer der in Absatz 1 berührten Strecke auch zwischen Weidendammerbrücke und Oranienburgerthor), Garten⸗Ufer, Holamarküstraße, Invalidenstraße, Karlstraße, Neue Königstraße, Köpenickerstraße, Landsbergerstraße, Lothringerstraße, Lützowstraße, Lützow⸗Ufer, Louisenstraße, Oranienstraße, Oranienburgerstraße, Pionierstraße, Potsdamerstraße, Rosenthalerstraße (auch in dem nicht schon im 1. Absatz betroffenen Theile), Schlesische Straße, Schöne⸗ berger Ufer, Alte Schönhauserstraße, Tempelhofer Ufer.

Dagegen ist das Kreuzen dieser letztgedachten Straßen mit Velocipeden gestattet.

Das Fahren auf Velocipeden in den öffentlichen Straßen ist, soweit es zulässig ist, nur Personen gestattet, welche das 16. Lebens⸗ jahr vollendet haben. Das Wettfahren, Umkreisen von Fuhrwerken und ähnliche Handlungen, welche geeignet sind, den Verkehr zu stören oder Pferde scheu zu machen, sind verboten.

Uebertretungen vorstehender Bestimmungen werden mit Geldbuße von drei bis dreißig Mark, im Falle des Unvermögens mit ver⸗ hältnißmäßiger Haft bestraft.

Die Polizei⸗Verordnung tritt am 15. April 1884 in Kraft.

in nachfolgenden

Im Bürgersaale des Rathhauses begannen heute die Verhand⸗ lungen der zwölften Plenarversammlung des Deutschen Handells⸗ tages. Gleich bei Beginn der Sitzung erschien der Staats⸗Minister von Boetticher und äußerte sich etwa folgendermaßen: Meine Herren! Es gereicht mir zur großen Freude, daß ich auch heute die Ehre habe, den Deutschen Handelstag willkommen zu heißen, und zwar im Namen der Regierung, welcher ich anzugehören die Ehre habe. Als ich das letzte Mal zu Ihnen sprach, drückte ich die Hoffnung aus, daß sich die großen Reformen auf dem Gebiete des Handels und der Industrie bald vollziehen werden. Diese Hoffnungen sind zu meiner großen Freude zu einem großen Theil ihrer Verwirklichung näher gerückt. Steht auch noch nicht Alles auf dem Gebiete des Handels und der Industrie, wie es wünschenswerth wäre, so sind doch unter den Segnungen des Friedens, die uns unter der glorreichen Regierung unseres allverehrten Kaisers geworden sind, dem Handel neue Bahnen eröffnet und ihm Gelegenheit gegeben, sich weiter zu entwickeln. Die deutsche Industrie hat sich im Auslande große Anerkennung ver⸗ schafft und, ob freiwillig oder gezwungen, das Ausland vermochte der deutschen Arbeit die Palme nicht vorzuenthalten. Ich hoffe, daß wir nicht müde werden uns immer mehr zu verrvoll⸗ kommnen und daß wir vor allen Dingen den Gefahren entgegenarbeiten, welche eine Ueberproduktion mit sich führen dürfte. Streben wir danach, daß wir das, was wir leisten, gut herstellen, und daß unsere Leistungen den nöthigen Absatz finden. Nur auf diese Weise können wir der Gefahr einer Ueberproduktion vorbeugen, die ich für keine geringe erachte Wenn ich mich nun den Gegenständen zuwende, die Sie auf die Tagesordnung Ihrer dies jährigen Plenar versammlung gesetzt haben, so freut es mich ganz außerordentlich daß Sie auch der Aktien⸗Gesetzentwurf beschäftigen wird. Wenn auch der Gesetzentwurf bereits dem Reichstage zugegangen ist, so ist es doch noch kein abgeschlossenes Gesetz, und wenn auch der Standpunkt der Regierung ein gegebener ist, so werden wir das Gutachten des Deutschen Handelstages doch gern entgegen⸗ nehmen. (Bravo!) Aber nunmehr bitte ich Sie, lassen Sie den Vorwurf, der so vielfach laut geworden ist, bei Seite, daß die Vor⸗ lage vom Geist des Mißtrauens gegen den Handel diktirt sei. Es ist geradezu unmöglich, daß die deutschen Regierungen, die seit Jahren, ich möchte sagen, seit Jahrzehnten, bemüht sind, dem deutschen Unter⸗ nehmungsgeist die weitesten Bahnen zu eröffnen, plötzlich ein Miß⸗ trauen gegen diesen deutschen Unternehmungsgeist hegen und beab⸗ sichtigen, diesen Unternehmungsgeist durch ein von Mißtrauen erfülltes Gesetz zu unterbinden. Unter der Führung unseres großen Kanzlers ist für den deutschen Handel und die Industrie so viel geleistet worden, daß es geradezu hinfällig ist, die deutschen Regie⸗ rungen beabsichtigten aus kleinlichen Rücksichten, den deutschen Unter⸗ nehmungsgeist zu schädigen. Die Vorlage geht lediglich von der An⸗ sicht aus, dem Unkraut, das im deutschen Handelsstande leider auch nicht fehlt, zum Besten des soliden Handels zu begegnen. Im Uebrigen wird die Regierung Ihre Vorschläge auf Abänderung und Verbesserungen des Gesetzes sehr gern prüfen (Bravo!) Ich ersuche Sie, den Geist des Mißtrauens bei Ihren Berathungen schwinden zu lassen. Ich wünsche nun Ihren Berathungen den besten Erfolg, ich wünsche, daß dieselben uns sehr werthvolles Material liefern möchten. Gott segne die deutsche Arbeit! Der Vorsitzende des bleibenden Aus⸗ schusses, Geheimer Kommerzien⸗Rath Delbrück (Berlin) dankte hierauf dem Minister für sein Erscheinen und theilte mit, daß in Folge ergangener Einladungen von Seiten des Reichsamt des Innern Geheimer Finanz⸗Rath Schmidt und Geheimer Regierungs⸗Rath Magdeburg und von Seiten des Reichs⸗Justizamtes Geheimer Ober⸗Regierungs⸗ Rath Hagens, Geheimer Regierungs⸗ Rath Dr. Degen und Regierungs⸗Rath Dr. Kayser erschienen sind, um den Berathungen beizuwohnen. Der Vorsitzende des Aeltesten⸗Kollegiums der Berliner Kaufmannschaft, Geheime Kommerzien⸗Rath Mendel⸗ sohn begrüßte hierauf den Handelstag Namens der Berliner Kauf⸗ mannschaft. Alsdann wurden mit Akklamation Geheimer Kommerzien⸗ Rath Delbrück (Berlin) zum ersten, Senator Papendiek (Bremen) und Kommerzien⸗Rath Feustel (Bayreuth) zum dritten Vorsitzenden gewählt. Geheimer Kommerzien⸗Rath Delbrück brachte hierauf ein dreifaches Hoch auf Se. Majestät den Kaiser aus, in welches die Versammlung dreimal begeistert einstimmte. Direktor der Diskontobank, General⸗Konsul Nomsell sodann hierauf über den Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Kommandit⸗ Gesellschaft auf Aktien und die Aktiengesellschaften.

Im Jahre 1885 wird in Antwerpen eine Weltausstellung eröffnet werden. Dieselbe wird umfassen alle industriellen Erzeugnisse alle Waaren, welche Anlaß zum Handelsverkehr geben, alle Gegen⸗ stände oder Werkzeuge, welche irgend ein Interesse für die Schiffahrt bieten. Diese Ausstellung, durch Privatinitiative ins Leben gerufen hat sich des Schutzes Sr. Majestät des Königs Leopold II., der thätigen Beihülfe der belgischen Regierung und der sympathetischen Unterstützung der Stadt Antwerpen zu erfreuen. ur Organisation der Ausstellung bildete sich eine Gesellschaft, zu deren Kapital alle Klassen der Bevölkerung Antwerpens, bereitwilligst durch Aktien⸗Ein⸗ zeichnungen beisteuerten. Der Zweck dieser vereinten Austrengungen ist: die Handelsverbindungen Belgiens und speziell des afens von Antwerpen mit allen Ländern auszudehnen und wenn möglich zu ver⸗ mehren. Das Ansehen Antwerpens wird unfehlbar an Bedeutung zunehmen, wenn die Kaufleute und Fabrikanten aller Erdtheile sich persönlich überzeugen können von der großartigea Entwickelung und Einrichtung dieses Hafens, wofür die belgische Regierung und die Stadt Antwerpen seit 5 Jahren nahe an Hundert Millionen Franken verausgabt haben. Die günstige geographische Lage Antwerpens er⸗ leichtert einen Ausflug dorthin, eine gastfreundliche Aufnahme ist den Fremden gesichert und alle Ausstellungsgegenstände können gleichfalls rasch nach Antwerpen transportirt werden. Die Ausstellung soll im Mai 1885 eröffnet werden. Das Gebäude wird auf dem Terrain der früheren Citadelle errichtet, ganz in der Nähe der Schelde und der neuen Quais. Ein Theil des „Bassin du Batelage“ wird speziell für die Ausstellung von allen auf Schiffahrt Bezug habenden Gegenständen bestimmt, und soll der Südbahnhof als Maschinengallerie eingerichtet werden. Ferner soll mit dieser Weltausstellung noch eine Ausstellung von Kunstwerken verbunden werden, wozu die „Société d'Encouragement des Beaux Arts“ Künstler aller Nationen einladen wird. Der Belgische Gar⸗ tenbau wird durch Exposition seiner berühmten Erzeugnisse dazu beitragen, den Glanz dieses Festes noch mehr zu erhöhen. Ein großer Anziehungspunkt der Ausstellung wird die spezielle Abtheilung sein, wo die neuesten Erfindungen in Elektrizität vorgestellt werden sollen. Um neue Erfindungen zu schützen, soll in die Kammern in Brüssel ein Gesetzentwurf ein⸗ gebracht werden, welcher den Erfindern für sich und ihre Fabrik⸗ marken vollständigen Schutz gegen Nachahmungen gewähren soll. Das ausführende Comité beschäftigt sich nunmehr mit der Klassifi⸗ zirung der verschtedenen Produkte, auch mit den Reglements⸗Bedin⸗ gungen und ferneren Bestimmungen. Binnen Kurzem soll ein spe⸗ zielles Cirkular über diese Punkte nähere Auskunft ertheilen. Das ausführende Comité hat beschlossen, die Miethpreise für Räumlich⸗ keit in solcher Weise zu normiren, daß Besorgen, Unterbringen der Emballage, allgemeine Dekoration und Ueber chun 2 li begriffen sein werden. Stolze'scher Stenographen⸗Verein. Hauptversamm⸗ lung: Donnerstag, den 3. April, Abends 8 Uhr, im Restaurant Kurfürstenkeller, Poststraße 5, Hof, J. p. Tagesordnung: 1) Vor⸗ trag des Herrn Parlamentsstenograph A. Mantzel über die neueren deutschen Stenographiesysteme. 2) Vereinsangelegenheiten (Bericht der Statutenkommission).

Wiesbaden, 27. März. Das Ende der Wintersaison, das wir ach dem zeitigen Vorfrühling dieses Jahres als eingetreten ansehen dürfen, giebt Veranlassung, einen flüchtigen Blick auf die im Fluge dahingeeilten letzten Monate zu werfen, die neben den verschieden⸗ artigen Veranstaltungen auf dem Gebiete der Kunst eine solche Fülle gesellschaftlicher Vergnügungen aller Art in sich schlossen, daß sich die verflossene Saison zu einer der glanzvollsten der letzten Jahre ge⸗ staltete. Die nur vorübergehend in Wiesbaden weilenden Träger aristokratischer Namen und Mitglieder hoher Fürstenfamilien traten zu der ansäͤssigen Aristokratie in enge Beziehung und boten so die Hand zu einem gesellschaftlichen Verkehr, bei welchem Einheimische wie Fremde ihre Rechnung fanden, und der Wiesbaden nicht nur zu dines Kurstadt, sondern auch zu einer Gesellschaftsstadt ersten Ranges erhob.

Im Belle⸗Alliance⸗Theater giebt man nun auch den vier⸗ aktigen Schwank „O, diese Mädchen“ von Julius Rosen, welcher auf der Bühne des Wallner⸗Theaters vor nicht langer Zeit eine Reihe gut besuchter Vorstellungen erlebte. Die Mehrzahl der Darsteller ist von jener Bühne in dieses zweite Haus mit übergesiedelt und bewährt auch hier seine Anziehungskraft. Vor Allen sind die Herren Thomas (Kolbe) und Blencke (Bauer) im Besitze ihrer Rollen ge⸗ blieben und sichern mit ihrer wirksamen komischen Gestaltungs⸗ gabe das Gelingen der Wiederaufnahme des Schwankes an der neuen Heimstätte. Hr. Thomas als gelehrter, nur in Umschreibungen redender Universitätspedell und Hr. Blencke als schüchtern liebender und allezeit gefälliger Maler sind immer eines umfassenden Heiterkeitserfolges gewiß. Die beiden jugendlichen Lieb⸗ haberinnen „Bertha“ und „Camilla“ finden ebenfalls unverändert in den Damen Odilon und Meyer anmuthige und liebenswürdige Dar⸗ stellerinnen. Dagegen hat Fr. Schmidt die Rolle der „Johanna“ mit der der „Amalie Hinterhuber“, welche früher in den Händen der Fr. Carlsen lag, vertauscht. Das ältliche heirathslustige Mädchen wurde von Fr. Schmidt mit Gewandtheit und doch diskret zur Gel⸗ tung gebracht; sie verstand es, die lächerlichen Seiten des Charakters zu betonen, ohne dieselben in das Gebiet der Karri⸗ katur herunter zu ziehen. Die neu geadelte und in Folge dessen nach vornehmer Gesellschaft strebende Fr. Johanna von Selber wird jetzt von Fr. Wisotzki, dem mit Recht beliebten Mitgliede des Belle⸗Alliance⸗Theaters, angemessen in Ton und Hal⸗ tung wiedergegeben. Hr. Meißner, der prächtige Darsteller des bie⸗ deren Dieners „Wenzel“ ist durch Hrn. Achterberg ersetzt, welcher sich in der Darstellung dieser Rolle wieder als eine gewandte schauspiele⸗ rische Kraft auswies. Im Ganzen fand der lustige Schwank eine recht freundliche Aufnahme, welche freilich zum großen Theil der vor⸗ züglichen Darstellung zu danken ist; das Publikum befand sich in unausgesetzt heiterer Stimmung und zeichnete die Mitwirkenden durch reichen Beifall aus. Der Rosensche Schwank wird übrigens, wie die Direktion mittheilt, nur noch morgen und übermorgen zur Auf⸗ führung kommen; am Sonnabend geht die Posse „Unruhige Zeiten“ oder „Lietze's Memoiren“ mit Frl. Heßling als Natalie Krachstrebe und den Herren Thomas und Blencke als Lietze und Lauschke zum ersten Male in Scene.

Im Saale der Sing⸗Akademie findet morgen Abend 7 ½ Uhr ein Concert von Erik Meyer⸗Helmund unter Mitwirkung des Hrn. Professor Heinrich de Ahna statt. Auf dem Programm stehen: Vittoria von Carissimi, Doppelgänger von Schubert, 3 Wal⸗ zer von Hegar, Lieder a. d. Dichterliebe von Schumann, „Nur wer die Sehnsucht kennt“ von Tschaikofsky, „Gelb rollt mir zu Füßen“ von Rubinstein, „Das Nest“, „Hätt' es nimmer gedacht“, „Lieb Seelchen laß das Fragen“, „Es war ein alter König“, „Am Kreuz⸗ weg“, „Serenade des Troubadour“ von dem Concertgeber, Legende von Wieniawsky, zwei Capricen von Paganini, Spielmannslieder von Erik Meyer⸗Helmund. Billets zu 4, 3 und 2 sind in der Hof⸗ Musikalienhandlung von Ed. Bote & G. Bock zu haben.

Redacteur: Riedel.

Verlag der Expedition (Scholz). Druck: W Fünf Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage),

und das Postblatt Nr. 2.

Berlin:

Stabsoffiz. bei dems. Regt. ernannt.

Erste Beilage Anze

Berlin, Mittwoch, den 2. April

iger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

1884.

g

Personalveränderungen.

Königlich Preußische Armee.

Ernennungen, Beförderungen und Versetzungen. Im aktiven Heere. Berlin, 25. März. Graf v. Schlief⸗ fen, Oberst und Commandeur des 1. Garde⸗Ulan. Regts., unter Zurückversetzung in den Generalstab der Armee und unter Verleihung des Ranges als Brig. Commandeur, zum Abtheil. Chef im Großen Generalstabe ernannt. Prinz von Croy, Major und etatsmäß, Stabsoffiz, im Regt. der Gardes du Corps, mit der Führung des

1. Garde⸗Ulan. Regts., unter Stellung à la suite desselben beauf⸗ tragt. v. Bredow, Major, Commandeur der 3. Escadron und Chef der 5. Comp. im Regt. der Gardes du Corps, zum ctatsmäß.

v. Klösterlein, Major und Commandeur des Jäger⸗Bataillons Nr. 1, unter Belassung

Uniform dieses Bataillons, zu den Offizieren von der Armee versetzt. von dem Knesebeck, Major vom Infanterie⸗ Regt. Nr. 53, zum Commandeur des Jäger⸗Bats. Nr. 1 ernannt. Pentz, Major vom Kriegs⸗Ministerium, als Bats. Commandeur n das Inf. Regt. Nr. 53 versetzt. Serno, Hauptm. und Comp. Thef vom Inf. Regt. Nr. 91, unter Stellung à la suite dieses

Regts., zur Dienstleistung bei dem Kriegs⸗Ministerium kommandirt.

Rochlitz, Hauptm. à la suite des Inf. Regts. Nr. 25, unter Ent⸗

bindung von seinem Kommando als Adjut. bei der 13. Inf. Brig., als Comp. Chef in das Inf. Regt. Nr. 91 versetzt. v. Derschau,

Pr. Lt. vom Inf. Regt. Nr. 14, unter Stellung à la suite dieses

Regts., als Adjut. zur 13. Inf. Brig. kommandirt. Gentner,

Sec. Lt. vom Inf. Regt. Nr. 116, unter Beförderung zum Pr. Lt.,

in das Inf. Regt. Nr. 14 versetzt. Hiepe, Pr. Lt. vom Inf. Regt.

Nr. 116, zum Hauptmann und Comp. Chef befördert. Kramer, Pr. Lt. vom Füs. Regt. Nr. 39, in das Inf. Regt. Nr. 116 versetzt. Schüler, Sec. Lt. vom Füs. Regt. Nr. 39, zum Pr. Lt., Frhr.

v. Rheinbaben, Pr. Lt. vom Gren. Regt. Nr. 89, zum Hauptm.

und Comp. Chef, mit einem Patent vom 12. Februar cr., v. Ka⸗ meke, Sec. Lt. von dems. Regt., zum Pr. Lt., vorläufig ohne Patent, befördert. v. Frangois, Sec. Lt. vom 1. Garde⸗Regt. z. F., in das Gren. Regt. Nr. 89 versetzt. v. Wedell, Hauptm. aggr. dem

Füs. Regt. Nr. 38, unter Verleih. eines Patents seiner Charge, à la suite des Regts. gestellt. v. Denicke, Sec. Lt. vom Inf. Regt. Nr. 13, Graf v. Haslingen, Scec. Lt. vom Inf. Regt Nr. 62,

Lohde, Sec. Lt. vom Inf. Regt. Nr. 77, unter Belass. in ihrem Kommando als Erzieher bei dem Kadetten⸗Corps und unter Beförd. zu Pr. Lts., à la suite der betreff. Regtr. gestellt. von der Groeben, Pr. Lt. vom Inf. Regt. Nr. 43, unter Belass. in seinem Kommando als Erzieher bei dem Kadetten⸗Corps, mit dem 1. April cr. à la suite des Regts. gestellt. Paleske, Sec. Lt. vom Gren. Regt. Nr. 5, unter Beförder. zum Pr. Lt., in das Inf. Regt. Nr. 43 versetzt. Bergmann, See. Lt. von der Landw. Inf. des 1. Bats. Landw. Regts. Nr. 63, früher im Füs. Regt. Nr. 35, vom 1. April cr. ab mit einer Anciennetät vom 3. Dezember 1877 auf ein Jahr zur Dienstleist. bei dem Irf. Regt. Nr. 63 kommandirt.

Abschiedsbewilligungen. Im aktiven Heere. Berlin, 25. März. Weschke, Major g. D., zuletzt in der 3. Gensd. Brig.,

mit seiner Pens. zur Disp. gestellt. Oertinger, „Hauptm. g. D., zuletzt Pr. Lt. im Inf. Regt. Nr. 63, die Erlaubniß zum Tragen der Armee⸗Unif. ertheilt. 27. März. Graf v. Schwerin, Sec. Lt. à la suite des Ulan. Regts. Nr. 9, mit Pens. der Abschied bewilligt.

Im Beurlaubtenstande. Berlin, 27. März. Molitor, Pr. Lt. von der Landw. Inf. des Res. Landw. Regts. Nr. 40, mit

Pens. nebst Aussicht auf Anstellung im Civildienst und der Landw.

Armee⸗Unif. der Abschied bewilligt. Königlich Bayerische Armee.

Ernennungen, Beförderungen und Versetzungen. Im aktiven Heere. 27. März. Frhr. v. Müller, Pr. Lt. des 3. Feld⸗Art. Regts., vom 1. April cr. an die Funktionen des Pagen⸗ Hofmeisters an der Königl. Pagerie übertragen und demselben, unter Verleih. des Charakters als Hauptm., mit seiner bisher. Unif. zu den Offizieren à la suite der Armee versetzt. 8

Durch Verfügung des Kriegs⸗ Ministeriums. 29. März. Durocher, Sec. Lt. des 5. Chev. Regts., von seinem Kommando zur Intend. des II. Armee⸗Corps enthoben. Es wurden eingetheilt: Giehrl, HOberst⸗Lt., beim Generalstabe des II. Armee⸗Corps,

Kester, Birkhofer, Hauptlt., Letzterer kommandirt zum Königl. preuß. Großen Generalstabe, Beide bei der Festungs⸗Ingen. Direktion Ingolstadt, Lobinger, Hauptm., bei der Insp. des Ingen. Corps und der Festungen, Brug, Pr. Lt., beim 1. Pion. Bat. Rothamel, Pr. Lt. vom 1. Pion. Bat., zur Eisenb. Comp., Hofmeier, Sec. Lt. vom 2. Pion. Bat., zur Festungs⸗Ingen. Direktion Ingolstadt versetzt.

Nichtamtliches

Preußen. Berlin, 2. April. Im weiteren Ver⸗ laufe der gestrigen (70.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten trat das Haus in die zweite Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend den Betrieb des Hufbeschlaggewerbes.

Der Gesetzentwurf lautete nach der Fassung des Herren⸗

hauses:

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen ꝛc. verordnen, mit Zustimmung beider Häuser des Landtages, was folgt:

Der Betrieb des Hufbeschlaggewerbes ist von der Beibringung eines Prüfungszeugnisses

ur Ertheilung des Prüfungszeugnisses sind befugt: 8 8 8 die 8 Staate bestellten oder bestätigten Prüfungs⸗ kbommissionen, 2) die vom Staate eingerichteten oder anerkannten Hufbeschlags⸗ Lehranstalten, 3) die Militärschmieden, Pehsen die Befugniß beigelegt wird.

1t Die Bestimmungen über den Inhalt der Prüfungszeugnisse und die Voraussetzungen ihrer Ertheilung werden im Wege des Reglements erlassen.

Personen, welche das Hufbeschlaggewerbe bis zur Zeit des Inkrafttretens dieses Gesetzes selbständig oder als Stellvertreter §§. 45, 46 der Reichs⸗Gewerbeordnung) betrieben haben, bleiben

auch ferner dazu berechtigt.

§. 5. Die Minister für Handel und Gewerbe und für Landwirth⸗ chaft, Domänen und Forsten werden mit der Ausführung dieses Teis. beauftragt. 8 ieses Gesetz tritt mit dem 1. Januar 1885 in Kraft. Gegeben ꝛc. §. 1 wurde ohne Debatte unverändert angenommen.

Zu §. 2 beantragte der Abg. Metzner:

Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen: den 8 2, wie folgt, zu fassen: 8

„Zur Ertheilung des Prüfungszeugnisses sind befugt:

1) Innungen, welche sich auf Grund des Innungsgesetzes vom 18⸗ Juli 1881 für das Schmiedehandwerk gebildet oder organisirt

aben;

2) wo keine Innungen bestehen, die Militärschmieden und die vom Staate eingerichteten und anerkannten Hufbeschlags⸗Lehr⸗ anstalten, welchen die Befugniß beigelegt wird.

Den Innungs⸗Prüfungskommissionen hat Thierarzt anzugehören.“

Der Abg. von Krosigk beantragte, für den Fall der An⸗ nahme des Antrags Metzner in Nr. 2 vor „die Militär⸗ schmieden“ einzuschalten: „die vom Staate bestallten oder be⸗ stätigten Prüfungskormmissionen.“

Nach kurzer Begründung seines Antrages durch den Abg. Metzner, entgegnete

Der Regierungskommissar Geheime Regierungs⸗Rath Freytag, er halte die Annahme des Antrages Metzner nicht für gerechtfertigt. Es sei doch nicht wesentlich der Zweck dieses, Gesetzes die Innungen als solche zu heben, ganz ab⸗ gesehen davon, welche Sympathien man mit den Innungen und ihrer Entwickelung haben lönne. Es handele sich hier um ein hervorgetretenes spezielles Bedürfniß, welchem durch das Gesetz Abhülfe geschaffen werden müsse, und welches lediglich von den Schmiede⸗Innungen als solchen nicht be⸗ friedigt werden könne. Der Antrag Metzner schlage ja auch selber vor, daß der Innungs⸗Prüfungskommission ein approbirter Thierarzt angehbren solle. Daß die Innungen bei der Bildung der Prüfungskommissionen gänzlich unberücksichtigt bleiben würden, sei von der Regierung durchaus nicht beab⸗ sichtigt, aber er meine, wenn man mit dem Prinzip des Ge⸗ setzes einverstanden sei, so könne man füglich die Ausführung der Staatsregierung überlassen. In Bayern sei die Sache durch ein Gesetz geregelt, welches einen einzigen Artikel ent⸗ halte: „Der Betrieb des Hufbeschlaggewerbes sei von der Beibringung eines Prüfungszeugnisses abhängig. Die weiteren Bestimmungen würden durch Verordnung festgesetzt.“ Auch der gegenwärtige Entwurf sei in diesem Sinne aufgestellt. Er würde es deshalb fürzweckmäßig halten, nachdem auch das Herren⸗ haus zugestimmt habe, von weiteren Verbesserungen Abstand zu nehmen, und dieselben vielleicht in Form einer Resolution zu empfehlen.

Der Abg. Dr. Frhr. von Schorlemer⸗Alst sprach seine Verwunderung darüber aus, daß der Regierungskommissar sich so gegen den Antrag ausgesprochen habe, und es scheine ihm aus dieser abweisenden Haltung hervorzugehen, wie wenig Werth von Seiten der Regierung auf die Innungen gelegt werde. Diese Kompetenz könnte man den Innungen doch wohl zuerkennen. Wenn der Regierungskommissar sodann gesagt habe, man könne die weitere Ausführung ruhig der Regierung überlassen, so müsse er demselben darauf erwidern, daß er nicht einsehe, weswegen das Haus der Regierung in einer so einfachen Weise diskretionäre Vollmachten in die Hand geben solle.

Der Regierungskommissar Geheime Ober-⸗Regierungs⸗Rath Lohmann erklärte, er glaube, es würde doch den Interessen, die auch der Vorredner mit großer Wärme zu vertreten pflege, in keiner Weise dienlich sein, wenn der Antrag Metzner an⸗ genommen würde. Wenn der Antrag des Abg. Metzner an⸗ genommen würde, so würde jeder Innung, die sich auf Grund des neuen Innungsgesetzes reorganisirt habe, das Recht ver⸗ liehen, ohne weiteres zur Prüfung von Hufschmieden berechtigt zu sein. Auch sei zu bedenken, daß es durchaus nicht noth⸗ wendig sei, um eine Schmiede⸗Innung zu organisiren, daß in dieser Innung Schmiedemeister seien, welche den Hufbeschlag verständen. Der Vorredner werde zugeben, daß es eine große Zahl von Schmiedemeistern gebe, die den Huf⸗ beschlag nicht verständen; die Innung aber müßte zur Prü⸗ fung diejenigen Meister nehmen, welche jetzt vorhanden seien. Zu welchen Zuständen würde dies führen, wenn diese Innun⸗ gen Jahre lang Zeugnisse für Hufbeschlag ausstellten, während von den Meistern Niemand den Hußbeschlag verstehe? Dem wolle die Regierung entgegentreten. Die Königliche Staats⸗ regierung sei im höchsten Maße geneigt, den Innungen allen Vorschub zu leisten, wenn es mit den sachlichen Interessen verträglich sei, aber in dem vorliegenden Falle würde dieselbe der Landwirthschaft Unrecht thun. Er weise noch darauf hin, daß auch im Königreich Sachsen, wo bekanntlich die Regie⸗ rung den Innungen sehr wohlwollend gegenüberstehe, eine solche Befugniß nicht bestehe. Er bitte also dringend um Ab⸗ lehnung des Antrages.

Der Abg. Zelle glaubte, daß es nicht gerathen scheine, dem Antrag Metzner zur Annahme zu verhelfen. Die Gründe, die der Regierungskommissar in dieser Beziehung entwickelt habe, seien nach seiner Meinung schlagend. Aber auch an⸗ genommen, es gäbe eine Innung, die eine Prüfungs⸗ kommission nur aus solchen Meistern zusammengesetzt hätte, die das Hufb schlaggewerbe speziell erlernt hätten, so sei doch keine Garantie dafür gegeben, daß diese Kommission aus kenntniß⸗ reichen Hufschmieden bestehe. Als langjähriger Beisitzer von Innungen habe er die Bemerkung gemacht, daß häufig die Stellen in den Prüfungskommissionen als Altsitzerstellen für diejenigen Meister benutzt würden, welche keine rechte Praxis hätten. Wenn nun der Antragsteller auf seinen Antrag bestehe, so wiederhole er bei der schwierigen Beurtheilung der Frage den Antrag, die Vorlage an eine Kommission zu ver⸗ weisen.

88 Regierungskommissar, Geheime Ober⸗Regierungs⸗ Rath Dr. Thiel entgegnete, er wolle nur darauf hinweisen, daß der Antrag Metzner nicht als Verbesserung der Regierungsvorlage angesehen werden könne. In Alinea II dieses Antrages heiße es: daß ohne Weiteres sämmtliche Militärschmiede die Befugniß haben sollten, ein Qualifikations⸗

eugniß auszustellen, während die Regierungsvorlage diese Befugniß nur denjenigen Militärschmieden zugestehen wolle, denen sie ausdrücklich beigelegt sei. Diese Unterscheidung sei geboten, denn es gebe viele Schmiede, Regimentsschmiede, Schwadronenschmiede ꝛc., und viele von diesen hätten nur

ein approbirter

eine einseitige Ausbildumg, indem sie nur beschlagen hätten. Es werde aber auch einer Verständigung mit dem Kriegs⸗Minister bedürfen, denn man werde Bestim⸗ mungen über den Kopf des Reichs⸗Kriegs⸗Ministers hinweg dahin nicht treffen können, was die Militärschmiede thun oder unterlassen sollten.

Der Abg. Metzner erkärte, er halte sich für verpflichtet, auch hier die Innungskommission zur Ertheilung von Prüfungs⸗ zeugnissen für befähigt erklären zu lassen, weil entgegenge⸗ setzten Falls das Handwerk eine Schädigung erfahren würde, welche zum gänzlichen Ruin desselben führen müßte. In allen Innungen würden nur die besten Kräste zu Prüfungs⸗ meistern gewählt, und diese böten mindestens dieselbe Ga⸗ rantie, wie die staatlichen Prüfungskommissionen.

Der Regierungskommissar, Geheime Ober⸗Regierungs⸗ Rath Lohmann bemerkte, der Antrag gehe in seiner Allgemeins heit viel zu weit, derselbe hätte höchstens von den Innungen sprechen dürfen, die dazu die Befugniß besäßen. Die An⸗ nahme des Antrages würde nur zum Schaden der Landwirth⸗ schaft ausschlagen, und deshalb bitte er, denselben abzulehnen.

Der Abg. von Krosigk befürwortete ebenfalls den Antrag

Netzner mit seinem Amendement, da den Innungen in dem⸗ selben ein wichtiges Recht gewahrt werde.

Der Abg. Dr. Freiherr von Schorlemer⸗Alst beantragte, den Antrag Metzner zusammen mit dem §. 2 der Vorlage dahin zu präzisiren, daß als zur Prüfung kompetent gelten sollen: 1) die reorganisirten Innungen, 2) die Prüfungskom⸗ missionen, 3) die Hufbeschlags⸗Lehranstalten, 4) die Militär⸗ Hufschmiede mit der staatlichen Befugniß.

Mit diesem Amendement erklärten sich die Abgg. Metzner und von Krosigk einverstanden und zogen ihre Anträge zurück.

Der Regierungskommissar, Geheime Ober⸗Regierungs⸗ Rath Lohmann erklärte, die von ihm vorhin geltend gemachten Bedenken gälten auch für den eben verlesenen Antrag, der an dem Prinzip des Antrags Metzner nichts ändere; er bitte deshalb, auch diesen Antrag abzulehnen.

Der Antrag Zelle auf Ueberweisung an eine Kommission wurde abgelehnt, ebenso alle Amendements zu §. 2, und die Vorlage in §. 2 unverändert angenommen. Ebenso der Rest des Entwurfs.

Es folgte die erste Berathung des Gesetzentwurfs zur Er⸗ gänzung des Gesetzes vom 13. März 1878, betreffend die Unterbringung verwahrloster Kinder.

Der einzige noch übrige Artikel dieses bereits im Herren⸗ hause vorberathenen Entwurfs lautet:

Der zweite Absatz des §. 10 wird durch nachstehende Be⸗ stimmung ersetzt:

„In außergewöhnlichen Fällen kann das Recht der Zwangs⸗ erziehung auf den Antrag des verpflichteten Kommunalverbandes durch Beschluß des Vormundschaftsgerichts bis längstens zur Groß⸗ jährigkeit ausgedehnt werden.“ 8

In der bisherigen Fassung konnte die Zwangserziehung ausnahmsweise nur bis zum 18. Lebensjahre ausgedehnt werden.

Der Abg. Jungck beantragte dagegen, dem §. 10 des obigen Gesetzes folgenden besonderen letzten Absatz hinzu⸗ zufügen: 1

Erachtet der Kommunalverband den Erfolg der Zwangserziehung für gefährdet, wenn der Zögling bei Entlassung aus derselben in die Verhaltnisse zurückkehrt, aus welchen heraus er der Zwangs⸗ erziehung übergeben wurde, so soll der Kommunalverband zur Unterbringung des Zöglings in Lehre oder Dienst berechtigt sein und in ersterem Falle bis zur beendigten Lehrzeit, in letzterem bis zum vollendeten 18. Lebensjahre die Rechte des Vormundes (Pflege⸗ vaters) über denselben üben dürfen. 8

Der Abg. Zelle hielt den Zeitpunkt zu einer Revision des erst seit 1878 in Kraft bestehenden, im Ganzen sehr ersprieß⸗ lich wirkenden Gesetzes eigentlich für noch nicht gekon men, und gab seiner Befriedigung darüber Ausdruck, daß bereits das Herrenhaus den Artikel 1 der Novelle eliminirt habe. Diese Bestimmung würde unzweifelhaft eine Einschränkung der wohlthätigen Wirksamkeit des Gesetzes zur Folge haben. In Bezug auf Erhaltung und Ausbau dieses Gesetzes seien hier gewiß alle Parteien einig, und befänden sich auf diesem Boden in Frieden und Eintracht mit der Staatsregierung. Wenn daher auch dem Entwurfe eine große Majocität gewiß sei, so möchte er dem ungeachtet doch sich erlauben, vorzuschlagen, daß eine Kommission von 7 Mitgliedern mit der Vorberathung des Gesetzentwurfs betraut werde, einmal, weil ein Amende⸗ ment zu demselben bereits vorliege, welches eine Prüfung erheische, und sodann, weil das Haus es der Staatsregierung schuldig sei, doch auch denjenigen Artikek ins Auge zu fassen, den sie selber vorgeschlagen, den aber das Herrenhaus ab⸗ gelehnt habe. Er für sein Theil sei nicht dafür, den Artikel 1 wiederherzucellen. Als das Gesetz ergangen sei, seien zuerst allgemeine Klagen über den geringen Beifall und die geringe praktische Ausführung gekommen, die es zu finden scheine. Während man im ersten Jahre 9000 für Zwecke des Ge⸗ setzes ausgegeben habe, hätten sich dieselben in dem gegenwärtigen Etat auf 500 000 erhöht, ein Beweis, wie sehr die Wirk⸗ samkeit des Gesetzes in den 5 Jahren gewachsen sei. Es sei⸗ kein Grund vorhanden, das seit 5 Jahren bestehende Gesetz schon einzuschränken. Artikel 2 hätte das Herrenhaus ver⸗ bessert. Deshalb wünsche er, trotz seines Antrages auf Kom⸗ missionsberathung, daß der Gesetzentwurf aus der Kommission so herauskommen möge, wie ihn das Herrenhaus beschlossen

habe. 8 8 Hierauf ergriff der Vize⸗Präsident des Staats⸗Mini⸗ steriums, Staats⸗Minister von Puttkamer das Wort: Ich schließe mich dem Antrage des Herrn Vorredners, diese Vorlage trotz ihres einfachen übersichtlichen und klaren Inhalts an eine Kommission zu verweisen, durchaus an, da ich der Meinung bin. daß der Antrag des Hrn. Abg. Jungck allerdings einer sehr gründ⸗ lichen Vorberathung unterliegen muß. Ich muß offen gestehen die Motive werde ich ja noch erwarten aber so wie er liegt, ist es mir kaum möglich, eine Klarheit darüber zu gewinnen, ob dieser Antrag sich zweckmäßig in das System des Gesetzes wird einfügen lassen. Dieser Grund bestimmt mich dazu, auch schon, um. dem Hrn. Abg. Jungck gerecht zu werden, mich dem An⸗ trage auf Kommissionsberathung anzuschließen. Es wird ja dort Gelegenheit sein, diesen gewiß wohlgemeinten Verbesserungsantrag genau zu prüfen und den Versuch zu machen, ihn so zu gestalten,

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