denn auf den 19. Januar der große Ausfall beschlossen. Derselbe sollte dem Hauptquartier des am Tage zuvor proklamirten Deutschen Kajisers in Versailles gelten. Die ganze wehrfähige Mannschaft der Hanuptstadt wurde unter die Waffen gerufen, und früh am Morgen zogen über 100 000 Mann aller Waffengattungen, die Linientruppen voran, in der Richtung auf Meudon, Seovres und St. Cloud zum Entscheidungkampf aus. Den linken Flügel befehligte General Vinoy, den rechten Ducrot, während Trochu von der Sternwarte aus die ganze Schlacht leitete. Mit großem Muthe drang Vinoy mit iner Angriffskolonne gegen das V. Armee⸗Corps des Generals Kirch⸗ bach vor, und es gelang ihm auch, sich der von der 9. Division unter General Sandrart heldenmüthig vertheidigten Schanze von Montre⸗ toöut durch die überlegene Truppenzahl zu bemächtigen und sie eine Zeit lang zu behaupten. Da aber Ducrot, durch die Barrikaden des be⸗ nnenden Commnne⸗Aufstandes aufgehalten, nicht rechtzeitig zur Unterstützung herbeikam, so wurde der Angriff nach :stündigem, furchtbarem Kampfe von den deutschen Belagerungstruppen zurück⸗ geschlagen. Mit einem Verlust von 7000 Todten und Verwundeten traten die Franzosen am Abend den fluchtähnlichen Rückzug nach der Stadt an. Am folgenden Tage begehrte General Trochu einen Waffenstillstand, um die auf dem weiten Schlachtfelde gefallenen Nationalgardisten zu beerdigen. Aber guch die Belagerer hatten manchen tapferen Mann zu bestatten: 39 Offiziere und 616 Mann waren in den Verlustlisten zu verzeichnen. Das Schicksal der Stadt war damit besiegelt: Trochu wurde zur Abdankung gezwungen, am 28. Januar erfolgte die Kapitulation, und am 29. wurde in Folge der Konvention von Ver⸗ sailles der gefürchtete Mont Valérien durch unsere Garde⸗Pioniere und das 46. Infanterie⸗Regiment besetzt. Das ist in Kürze, was die Weltgeschichte über den Vorgang verzeichnet.
Ueber die militärischen u1“ Speziellen entnehmen wir dem großen Generalstabswerk Folgendes:
Auf Pha. Seite standen am 19. in der Stellung des V. Armee⸗Corps in vorderster Linie rechts die 17., links die 20. Infanterie⸗Brigade. Die Observatorien bei Ville d Aoray und La Jonch dre hatten bis 8 ½ Uhr Morgens nur melden können: „Dichter Nebel!“ Unmittelbar darauf erfolgte der feindliche Angriff. Da man bald erkannte, daß es sich um eine ernstliche Unternehmung des Geg⸗ ners handelte, ließ der auf dem rechten Flügel befehligende General von Bothmer alarmiren. Die Hauptreserven des Corps erhielten Befehl, nach Jardy und Beauregard abzurücken. General von Kirch⸗ bach verfügte sich nach Le Butard zur 9. Infanterie⸗Division. Der Kronprinz beorderte für alle Fälle sechs Bataillone Garde⸗Landwehr sowie eine Brigade des 2. bayerischen Corps nach Versailles, wies das VI. Armee⸗Corps an, erforderlichen Falls das 2. baye rische zu unterstützen, und ritt nach Hospice Brezin vor, von wo aus in dem unübersichtlichen Terrain die Leitung der Truppen am ebesten möglich war. Se. Majestät der Kaiser und König begab sich nach dem Wasser⸗ thurm bei Marly. — Ohne den Angriff durch Artillerie vorzubereiten, waren etwa fünfzehn französische Bataillone in drei Kolonnen, An⸗ fangs verdeckt durch den Nebel gegen das Nordende von St. Cloud, gegen die Schanze von Montretout und die Höbe nordöstlich Garches vorgeschritten. Sie trafen nur auf Patrouillen und einzelne Beobach⸗ tungsposten, die sich nach Montretout zurückzogen. Die dortige Schanze war ein von den Franzosen erbautes Werk, welches nach der Ende September erfolgten Besitznahme deutscherseits umgewendet und in der neuen Kehle geöffnet worden war. Nachdem einige voreilende Soutiens die Schanze erreicht hatten, sammelten sich in derselben 89 Mann vom Regiment Nr. 58 und vom Jäger⸗ Bataillon Nr. 5, unter Lieutenant von Kauffungen, welche lediglich auf ihre Kräfte angewiesen, gegen die unverhältnißmäßige Ueberzahl zähen Widerstand leisteten. Erst um 9 ¾ Uhr, nachdem der Feind in St. Cloud vorgedrungen, wurde der Posten aufgegeben. Die kleine Schaar, die Offiziere und Unteroffiziere an der Spitze, bahnte sich mit dem Bajonet den Weg und verlor dabei eine Anzahl zum Theil verwundeter Gefongenen. Die Franzosen besetzten die Schanze mit zwei Bataillonen und detachirten nach St. Cloud und dem Parke von Montretout Dem mörderischen Feuer der in erster Linie und zwar meist verdeckt stehenden Infanterie gegenüber gerieth der französische Angriff ins Stocken und verwandelte sich um Mittag auf der ganzen Front in ein stehendes Feuergefecht.. .. Gegen 2 Uhr entschloß sich der Feind zu erneutem Angriff, aber auf dem rechten Flügel der Franzosen war die Kraft des Angriffs gebrechen. Schon um 3 Uhr machten sich dort rückgängige Bewegungen bemerkbar. Um 5 Uhr wurde der Feind unter Hurrahrufen aus seinen Stellungen zwischen der Bergerie und Maison du Curé geworfen. Die Angriffsdispositionen für den rechten Flügel waren dem General von Bothmer überlassen worden. Ein auf seinen Be⸗ fehl mit fünf Compagnien auf die Montretout⸗Schanze unternomme⸗ ner Angriff mißlang. Bei der Wichtigkeit, welche der ungestörte Besitz von Montretout für die Sicherheit des rechten Flügels hatte, bestimmte General von Kirchbach, daß dieser Posten unter allen Umständen genommen werden solle, sei es noch am Abend oder in der Frühe des folgen⸗ den Tages. General von Sandrart entschied sich für sofortige Ausführung und stellte dem General von Bothmer das Regiment Nr. 46 und die ersten Bataillone der Regimenter 47 und 88 als Verstärkung der sechs bereits in St. Cloud und Montretout kämfenden Compagnieen zur Verfügung. Um 8 Uhr Abends rückten drei Kolonnen zum um⸗ fassenden Angriff vor. Die von Garches vorgehende linke und die mittlere Kolonne, letztere unter Oberst⸗Licutenant von Eberhardt, fanden die Schanze nur noch von wenigen Franzosen besetzt, welche gefangen genommen wurden.
Die in dem Panorama dargestellte Episode spielt sich etwa um Mittag des 19. Januar ab. Der Besucher befindet sich, auf der obersten Stufe der Treppe angelangt, auf dem Belvedere eines Hauses in dem Dorfe Montretout. Vor sich hat er die von den Belagerern besetzten Häuser von Montretout, dahinter den Park von St. Cloud mit der mächtigen Rauchsäule des in Brand geschossenen Schlosses. Am Fuße des Hauses nach rechts steigt die Straße nach Buzanval und La Bergerie hinauf, und in der den Park von St. Cloud begrenzenden Schlucht sind die äußersten Häuser von
Garches zu sehen; an jener Straße liegt die Schanze von Montretout, welche von den Franzosen soeben besetzt worden ist, weiter oben La Briqucterie, dann die Meierei La Fouilleuse und Rueil; jenseits der Höhen der Wald von St. Germain, dessen dunkle Massen hinter dem Mont Valérien verschwinden. Den letzteren mir seinen dominirenden Formen hat der Beschauer im Rücken.
Links breitet sich das Häusermeer von Paris aus, in welchem man die Kuppeln des Panthéon und des Invalidendoms, die flachen
Zwillingsthürme von Notre Dame, die ihnen ähnlichen Doppelthürme
von St. Augustin, den Arc de Triomphe de !'Etoile und dahinter den Montmartre besonders deutlich unterscheidet, darüber mehr im Hintergrunde die Forts von Bicétre, Montrouge, Vanves und Issy, vorn, zwischen Villen und Gärten, die Seine mit ihren grünlichen Fluthen, auf dem anderen Ufer die Rennbahn von Longchamps, zwischen dieser und dem Häusermeere lang sich hinstreckend das Bois de Boulogne,
weiter rücwärts im Seinethale, auf dem diesseitigen Ufer des Flusses aber die Vororte von Paris: Grenelle, Billancourt, Point du
Jour, Boulogne, Auteuil, Passy, Courbevoie, Puteaux, Suresnes.
1 Die Situation ist nun ungefähr folgende: Dem linken Flügel der Ausfallstruppen unter dem General Vinoy ist es gelungen, die
Belagerer zum Verlassen der Schanze zu zwingen. Der General ist soeben angekommen und hält zu Pferde mit seinem Stabe am Fuße derselben. Er läßt, wie wir sehen, 4 Kanonen nach der Redoute hinauffahren, ein Befehl, dessen Ausführung unter dem Feuer der
eutschen Geschütze manche Opfer an Offizieren und Mannschaften f fgeweichten Boden nur mit äußerster Anstrengung
3 und Vieh möglich ist. Die Batterien des Mont Valsrien suchen inzwischen durch ihr Feuer den Marsch der heranrückenden Reserven zu beschützen. Auf der ihm zugewendeten Seite des Hauses ist das 4. Regiment der Nationalgarde, welches General Bixio kommandirt, im Begriff, sich neu zu formiren, und auf
er Straße, welche im Seinethale aus der Hauptstadt herausführt, marschirt soeben die Kolonne des Generals Noöl auf St. Cloud vor. An ihrer Tote sehen wir Franctireurs und Mobilgarden, welche
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““ “““ in heftigem Gefecht vorgehen, während die Forts im Hintergrunde sie unterstützen. Rechts greifen Scharfschützen des 139. Linien⸗Regi⸗ ments und der Mobilgarde, hinter Gartenmauern, Hecken, Düngerhaufen und in Gräben Schutz suchend, die Häuser von Montretout an, aus welchen sie von den Preußen mit einem furchtbaren Gewehrfeuer überschüttet werden. Noch verheerender aber wüthet der Kampf auf dem mittleren Flügel, weiter oben nach Garches und Bergerie zu. Hier ist das 4. Zuaven⸗ Regiment mit den Deutschen engagirt, und die langen bläulichen g bezeugen die Heftigkeit des Gefechts, das denn
ier auch mit der schließlichen Wiedereinnahme der Schanze von Montretout gegen Abend zum Austrage gebracht wurde. Schon werden die Reserven herangeführt, da sich die Reihen der Tapferen mehr und mehr lichten, wie die nicht geringe Zahl der Verwundeten beweist, welche in die schützenden Baracken der Verschanzungen transportirt werden. Der rechte Flügel unter dem Kommando des Generals Ducrot, dessen Spitzen man von den Abhängen des Mont Valsrien herab in weiter Ferne heranrücken sieht, muß aber zu spät eintreffen, um noch wirksame Hülfe zu bringen.
Auf dem Bilde sieht die Lage der Ausfallstruppen freilich nicht so verzweifelt aus, wie sie ist, weil man eben den Gegner — von einzelnen Gefangenen und Ver⸗ wundeten in der Schanze abgesehen — gar nicht zu Gesicht bekommt, also auch seine Stärke nicht beurtheilen und höchstens seine unge⸗ fähren Positionen aus der Richtung errathen kann, in welcher man sich die französische Schlachtlinie vorwärts bewegen sieht. Der fran⸗ zösische Maler hat eben aus begreiflichem Patriotismus denjenigen Aspekt des Schlachtfeldes gewählt, welcher ihm im Interesse seiner Landsleute als der günstigste erschien. Man mag ihm daher Partei⸗ lichkeit vorwerfen, wird ihn jedoch deshalb eigentlich noch nicht der Unwahrhaftigkeit zeihen dürfen: um Mittag des 19. Januar 1871 kann in der That, auch nach der Schilderung des Generalstabs⸗ werks, das Bild des Schlachtfeldes von dem Standpunkt des Be⸗ schauers aus schwerlich ein anderes, für die Belagerer günstigeres gewesen sein. Daß der errungene Vortheil über sie aber nur ein vorübergehender war, konnte der Maler in dem gewählten Moment noch nicht und wollte er auch offenbar nicht einmal andeuten. Eine andere Frage ist es freilich, ob ein derart einseitig aufgefaßtes Bild in das so⸗ genannte „National⸗Panorama“ der deutschen Reichshauptstadt gehört.
Indessen, wie auch die Beantwortung dieser Frage ausfallen mag, wenn man das Rundgemälde als Kunstwerk betrachtet, so muß man seinen malerischen Qualitäten Gerechtigkeit widerfahren lassen. Trotz seiner Eigenschaft als Schlachtbild fesselt den Beschauer das Land⸗ schaftliche zuerst fast mehr als der kriegerische Vorgang. Der regen⸗ schwere, eintönig graue Himmel, die noch laublosen, nur hie und da von Nadelgehölz unterbrochenen braungrünen Wald⸗ und Parkpartien, mit den darüber schwebenden blauen Pulverwolken, die mannigfaltigen Terrainformen mit ihrer in allen Tönen von lehmgelb bis dunkelgrün wech⸗ selnden Decke, die perspektivisch vorzüglich gemalten Villen⸗Architekturen und zerschossenen Häuserüberreste, die weite duftige Fernsicht über das düstere Häusermeer von Paris und die die Hauptstadt umkränzenden Forts, der plastisch hervortretende Mont Valérien mit seinen buschi⸗ gen Abhängen und das anmuthige Thal der smaragdgrün schimmern⸗ den Seine mit den weithin sich ausbreitenden freundlichen Vororten der Weltstadt — das Alles vereinigt sich zu einem bezaubernden Bilde, das man immer wieder um seiner selbst willen gern auf sich wirken läßt, und über das man einige linear⸗-perspek⸗ tivisch nicht ganz geglückte Partien in den Vordergründen, schon in Anbetracht der Schwierigkeiten, die eine solche Auf⸗ gabe bietet, gern übersieht. Das Figürliche tritt schon wegen des hohen Standpunkts, der dem Beschauer angewiesen ist, dagegen sehr zurück und wirkt weniger im Einzelnen als durch die übersichtliche Anordnung und umfassende Gruppirung der Massen. Die größeren Einzelfiguren im Vordergrunde am Fuße des Hauses lassen die plastische Modellirung, die charakteristische Individualisirung und die große Sorgfalt in allen Details, welche wir auf dem Hünten⸗ Simmlerschen Gemälde der Schlacht bei St. Privat an derselben Stelle zu bewundern Gelegenheit hatten, freilich vermissen, wie denn überhaupt das Philippoteauxsche Bild in dieser Beziehung schon des⸗ halb mit dem vorgenannten nicht verglichen werden kann, weil wir darauf den Gegner gar nicht zu sehen bekommen, und demgemäß auch einer ähnlichen meisterhaften Schilderung des erbitterten Einzelkampfs jeder Boden entzogen ist. 3
Bevor der Besucher übrigens zu dem großen Rundbilde empor⸗ steigt, zeigt sich ihm gleich beim Eintritt unten ein sehr effektvoll ge⸗ maltes Diorama: „Die besiegte Commune“. Dasselbe stellt mit dramotischem Pathos eine Episode aus dem schreckensreichen Commune⸗Aufstande dar: eine auf dem Hügel des Friedhofs Père la cha’'se aufgeworfene Schanze, welche nach sichtlich überaus blutigem Kampfe von der Nationalgarde eingenommen worden ist. Die über⸗ einandergehäuften Leichen der Communarden und ihrer Weiber geben davon furchtbares Zeugniß. Trotz des äußersten Realismus im Ein⸗ zelnen ist das Ganze künstlerisch komponirt, wenn auch ein wenig theatralisch kontrastirt. Auf der Brüstung weht die Tricolore der Sieger, und daneben hält ein Posten, auf sein Gewehr gestützt, Wache und schaut melancholisch auf die unter ihrer rothen Fahne gebetteten Gefallenen herab. Im Hintergrunde aber lodern als Leichenfeuer die Paläste der Hauptstadt in mächtigen Beänden auf, deren Flammen sich grell leuchtend von dem dunkelen, sternbesäten Nachthimmel ab⸗ heben und sich hoch aufbäumen, die verruchten Urheber bei dem Höchsten anklagen zu wollen scheinen. Die bleichen Leichensteine und Grabmonumente, welche die Schanze umgeben, die Ruhe des Todes im Vordergrunde und das wüthende Element über der schweigend unten liegenden Stadt geben ebenso wirksame Kontraste wie die kolo⸗ ristische Stimmung durch künstlerisches Gegeneinanderabwägen derselben eine ergreifende einheitliche Geschlossenheit erhalten hat. Die Lichteffekte (Sterne und Feuer) sind mittelst durchscheinender Beleuchtung in ihrer Wirksamkeit erhöht. — Nur eines wäre zu wünschen: nämlich daß dieses Diorama dem Beschauer nach dem Panorama geboten würde, wie es ja auch die historische Folge der Ereignisse verlangt, indem die am Mont Valsrien verlorene letzte Ausfallsschlacht das Signal zu dem Ausbruch des Aufstandes gab.
Darmstadt, 26. April. (Köln. Ztg.) Heute fand auf dem Friedhofe hierselbst die feierliche Enthüllung des dem Kom⸗ ponisten Friedrich von Flotow von seiner Familie errichteten Denkmals statt. Das Comits hatte nichts verabsäumt, um den Akt, welchem die Wittwe nebst Tochter und ein Sohn Flotows, sowie ein außerordentlich zahlreiches Publikum beiwohnten, zu einem wür⸗ digen, auch musikalisch durch Instrumental⸗Einleitung der Hofmusik und Gesang hiesiger Vereine gehobenen zu gestalten. Hoftheater⸗Di⸗ rektor Wünzer von hier hielt die Festrede, der sich die Enthüllung des Denkmals und die Niederlegung von Kränzen an dessen Fuß — dar⸗ unter solche von dem Großherzog, dem hiesigen Hoftheater, den Theatern in Berlin, München, Dresden, Leipzig, Schwerin, Mannheim, Cassel, Braunschweig u. s. w. sowie von zahlreichen Vereinen anschlossen. Das vom Bildhauer Prosessor König hierselbst entworfene und aus⸗ geführte Denkmal ist meisterhaft gelungen. Auf breiter Grundlage erhebt sich ein stattlicher Aufbau von schwärzlichem Granit mit einer Bronzeguß⸗Portalthür, in welche eine edle Frauengestalt von weißem Tiroler Marmor mit einem Lorbeerkranz — die „Verehrung“ dar⸗ stellend — einzutreten im Begriff steht. Der Aufbau, der Geburts⸗ und Todestag sowie das Wappen des Verstorbenen (Rabe mit Ring) und die Sinnbilder der Musik trägt, ist gekrönt durch die sprechend ähnliche Büste Flotows, der gerade heute vor 72 Jahren zu Teuten⸗ dorf in Mecklenburg das Licht der Welt erblicktt. I
1
Portsmouth, 28. April. (W. T. B.) Die hiesige neue, im Bau befindliche Kavallerie⸗Kaserne ist heute eingestürzt, wobei sämmtliche als Arbeiter beschäftigten Sträflinge unter den Trümmern begraben wurden. Zwölf derselben und zwei Wächter haben Verletzungen davongetragen. ““
Die Fledermaus“ in Scene.
1“
New Sast. 28. April. (W. T. B.) Der Staat Ohio sst von einem Orkan heimgesucht worden, der sehr großen Schaden angerichtet hat; ob, wie man befürchtet, auch Menschenleben um⸗ gekommen sind, ist noch nicht festgestellt.
Victoria⸗Theater. Die Lufttänzerin Frl. Grigolatis deren Produktionen in Wien und am Königlichen Theater in Wiesbaden mit außergewöhnlichem Beifall aufgenommen wurden tritt am Donnerstag, den 1. Mai, in „Excelsior“ auf. Die für dieselbe dazu komponirten zwei Einlagen finden im San Francisco⸗Bilde ihren Plaß und versprechen nach den stattgehabten Proben mit dressirten 10 Tauben, deren sich Frl. Grigolatis in der Einlage: „Die Tauben der Venus“ bedient, den größten Erfolg. Die „Excelsior“⸗Vorstellungen schließen definitiv am 3. Juni d. J. und werden in Berlin auch nicht wieder neu aufgenommen werden, da ein Verkauf des ganzen Dekorations⸗ und Requisitenmaterials für eine andere Weltstadt in diesen Tagen mit Hrn. Direktor Scheren⸗ berg perfekt wird. Das Gastspiel mit „Excelsior“ in London scheiterte daran, daß die darin auftretenden 40 Kinder wegen ihrer Schulpflichtigkeit nicht mitreisen können. „ —
Die letzte Novität des Neuen Friedrich⸗Wilhelm⸗ städtischen Theaters in dieser Saison wird eine jüngst in Wien und Pest erfolgreich aufgeführte Operette des Wiener Komponisten Roth sein, welche den Titel „Der Marquis von Rivoli“ führt. Die Direktion hat für eine hübsche Ausstattung (die Handlung spielt in den Tagen der Pompadour) Sorge getragen. Die Hauptrollen liegen in den Händen der Damen Collin und Koch und der Herren Wellhof, Swoboda und Szika. Die Premidre ist auf Freitag dieser Woche angesetzt. — Die Sonntagsvorstellung des „Bettelstudenten“ fand wiederum vor ausverkauftem Hause statt. Heute geht „Eine Nacht in Venedig“, morgen wieder „Der Bettelstudent“ und am Donnerstag
Literarische Neuigkeiten und periodische Schriften,
Deutsches Adelsblatt. Wochenschrift für die Interessen des deutschen Adels beider Konfessionen. Nr. 17. — Inhalt: Was ist Konstitutionalismus? — Das Hauptmittel zur Verhütung der so⸗ zialen Revolution. — Vier Fragen. — Die Abstammung des meck⸗ lenburgischen Adels. — Aus den Papieren eines Augenzeugen. — Sport. — Aus dem Kunstleben. — Familiennachrichten. — Brief⸗
kasten. — Inserate. 8
Die Umschau auf dem Gebiete des Zoll⸗ und Steuerwesens. April⸗Nummer. — Inhalt: Die Kunst amtlich zu dirigiren, von A. Schneider, Rügenwalde. — Zoll⸗ und Steuer⸗ Technisches: Tarazuschlag für Wein in Cisternen⸗Waggons in Oester⸗ reich. — Festsetz., Erheb. und Kontrol. der Zölle ꝛc. Bundesraths⸗ beschlüsse vom 13. 3. cr. Beschlüsse verschied. deutscher Central⸗ behörden über die Taravergütung für gepreßte Glaswaaren in Kisten und über die Abfertigung von Bau⸗ und Nutzholz. — Zölle. Tarif⸗ fragen: Eiserne Cylinder und Walzen, Schuhmacherwaaren aus loh⸗ garem, geschwärztem, geglättetem Leder. — Waarenkenntniß ꝛc. Bieg⸗ same Perlmutterstoffe. Bestandtheile der Seidenfaser. Teppiche aus Papierfäden. — Fensterläden aus Papier, Imitation von Hölzern, Neues Appreturverfahren. — Steuern: Malzaufschlag in Bayern, Malzschrotmühlen mit Meßapparat von Reck und Joachim in Schweinfurt. — Befüllung des Henzedämpfers am Tage vor der Einmaischung in Bavern; Gewerbliches, Betriebskenntniß: Neuk Centrifugalkühlmaschine. — Neuer Maischbottig. — Neues Verfahren zur Gewinnung des Zuckers und der Melasse — Kassen⸗ und Rech⸗ nungswesen. — Entziehung der Abgaben. Gerichtliche Erkenntnisse: Wegen Verletzung des Reichsstempelgesetzes. — Wegen Brausteuer⸗ defraude. — Wegen Branntweinsteuerdefraude. — Prozeßwesen, Einzug von Strafgeldern. — Wünsche, Verbesserungsvorschläge. — Verkehr mit dem Auslande. — Verschiedenes. — Briefkasten. — Personalnachrichten. 8
Blätter für höheres Schulwesen. In Verbindung mit zahlreichen Standesgenossen herausgegeben von Dr. Friedrich Alvy, Magdeburg. Verleger: Friedr. Weiß Nachf. Verlag (Hugo Söder⸗ ström), Grünberg i. Schl. Erscheint am 1. jeden Monats. Nr. 4.— Inhalt: Dr. Reinhardt (Oels), Zur Ueberbürdung auf höheren Lehr⸗ anstalten. — Direktor Neubauer (Erfurt), Die (lateinlose) höhere Bürgerschule. (Schluß). — Dr. Görbig (Magdeburg), Die Steno⸗ graphie auf den höheren Schulen. II. III. — Schmidt (Breslau), Das Reliktengesetz und die Lehrer an nichtstaatlichen Anstalten. (Schluß folgt). — 11. Generalversammlung des Provinzialvereins Pommern. (Schluß). — S., Provinzialverein Berlin. — Unsere Schulbücher. — Kleine Mittheilungen. Bücherschau. — Personalia (vom 11. Februar bis 14. März). — Vakanzenliste. —
Archiv für rationelle Städte⸗Entwässerung. Re⸗ digirt und herausgegeben von Charles T. Liernur, Ingenieur⸗Kapitän a. D. II. Heft. Berlin 1884. R von Deckers Verlag (Marquardt u. Schenck. — Inhalt: Schreiben Sr. Exeellenz des Ministers der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinal⸗Angelegenheiten, Hrn. Dr. von Goßler, die Anwendung des Liernursystems betreffend, mitgetheilt von dem Geh. Komm.⸗Rath L. Schwartzkopff, Mitglied der Königlichen Akademie des Bauwesens, General⸗Direktor der Berliner Maschinen⸗ bau⸗Aktiengesellschaft ꝛc. — Die Berliner Schwemmkanalisation und Spüljauchenrieselung von Alexander Müller. .
Deutsche landwirthschaftliche Presse. Nr. 33. — In⸗ halt: Die Fleischschafzucht des Hrn. Amtsraths Hildebrand in Sko⸗ rischau bei Namslau in Schlesien. Von Schäfereidirektor Moser⸗ Königsberg i Pr. — Dampfdreschmaschine von Klinger in Altstadt (mit Abbild.). — Correspondenzen: Stralsund. Proskau. Dresden. Darmstadt. Wien. — Verpachtung Königlicher Domänen. — Rund⸗ schau. — Sprechsaal. — Handel und Verkehr. 6
Milch⸗Zeitung. Nr. 17. — Inhalt: Ueber das Nachsäen auf Kleefeldern und Weiden. Von P. Nielsen, ref. von Th. von Neergard. — Der Milchkeller. Von E. H. Hoffmann. — Ansteckende Hausthierkrankheiten. Rußland. Rinderpest. — Ausstellungen. Deutsch⸗ land. Molkerei⸗Ausstellung in München. — Beschickung der inter⸗ nationalen landwirthschaftlichen Ausstellung in Amsterdam aus Deutsch⸗ land. — Schleswig⸗Holsteinische Molkerei⸗Ausstellung in Kiel. b Niederland. Internationale landwirthschaftliche Ausstellung in Amsterdam 1884. — Allgemeine Berichte. Hebung des Molkerei⸗ wesens in Böhmen. — Ein neuer Futterstoff. — Wiener Schlacht⸗ vieh⸗Angelegenheit. — Einige durch Gährung der Milch erzeugte Genußmittel. — Erfahrungen in der Praxis. Stachelginster. — Bei⸗ träge zur Analyse und Zusammensetzung der Milch. — Wurmfraß ꝛc. — Schädlichkeit von Baumwollensaatmehl. — Untersuchungen von Milch, Rahm, Büttermilch ꝛc. — Gehalt der Milch von holländischem Vieh. — Milchverwerthung in der Genossenschaft Culmsee. — Ver⸗ schiedene Mittheilungen. Deutschland. Bullenstationen und Stier⸗ haltungs⸗Genossenschaften in der Provinz Hannover. — Verkaufs⸗ Genossenschaften im Herzogthum Oldenburg. — Körordnungen. — Bullenstationen und Stierhaltungs⸗Geno enschaften. — Amerika. „Holstein Cattle“. — Litteratur. „Untersuchungen über die Zer⸗ setzungen der Milch durch Mikroorganismen“. — „Jahresbericht der Kgl. Landw. Gesellschaft“ zu Celle. — „History of the Clydes dale Horse“, — „The Cattie Fields of the Far Westa. — Sprechsaal. Einmachen von Grünfutter. — Fütterung von Diffusion⸗Schnittlingen mit Milchkühen. — Marktberichte.
8— 8 Redacteur: Riedel. Berlin Verlag der Expedition (Scholz). Druck: W. Elsner⸗ Sechs Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage).
III. Württemberg
8 88
zum Deutschen Reichs⸗
Anzeiger und
1
Erste Beilage
Königlich
Berlin, Dienstag, den 29. April
8 88
Staats⸗
11“
Deutsches Reich. — Nachweisung 18 “
der Einnahme an Wechselstempelsteuer im Deutschen Reiche für die Zeit vom 1. April 18 des Monats März 1884.
— 2 2 .
2 —₰.
Einnahme im Monate März
Hierzu Einnahme in den Vormonaten
ℳ 84 ℳ 1. ℳ 3
ö—
SZI1“ 1 5. 6.
8 Einnahme in dem⸗ c—* Zusammen selben Zeitraume In 1883/84 des Vorjahres †+ mehr — weniger
(Spalte 4).
I. Im Reichs⸗Postgebiete.
1) Königsberg 2) Gumbinnen 3) Danzig.
9 Berlin.
5) Potsdam.. 6) Frankfurt a./O. Stettin 1 9) Posen.. 10) Bromberg. 11) Breslau 12) Liegnitz. 13) Oppeln. 14) Magdeburg 15) Halle a./S. 16) Frfurt LWEIE “ ..1.1.“ 387 ö1111AAA“*“ 1 32 30 177525 ““ 3 10 ö11141XA2XAX“ 5 50 ““ 1 8 40 23) Frankfurt a./M. . . . . ““ 23 849 — ö11I1X1X“ v“ 15 009 50 25) Aachen. 6 683 70 26) Coblenz 3 123 20 27) Düsseldorf. 34 254 40 28) Trier 1 998 40 29) Dresden 11 256 30 30) Leipzig. 37 734 05 31) Karlsruhe. 16 076 20 32) Konstanz 6 097 20 33) Darmstadt. 10 826 80 34) Schwerin i./M.. 2 679 10 35) Oldenburg 3 633 50 36) Braunschweig 4 974 30 37) Bremen.. 16 330 10 38) Hamburg . 64 628 80 39) Straßburg i./E. 18 125 90 det ““ 4 093 20
Oboe⸗= n 8 ;SSU⸗=” ˙ -5
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304 564 166 003
381 562
128 724 401 991 200 475
123 684 95
185 073 693 910 90
200 018 20 41 621 60
137 790 30 34 842 90 134 910 45 819 572 25 37 335 10 74 442 — 91 067 70 19 067 40 54 587 70 41 680 60 168 275 65 90 923 30 59 473 30 177 467 50 78 891 5 85 632 60 130 866 20 65 110 80 63 695 80 23 023 70 52 141 80 189 415 40 49 247 80 328 413 95 18101 83 452 65 37 972 90 415 816 70 27937 50 139 9881 — 439 725 80 216 5525 64 725 30 134 511 75 27 082 15 41 758 20 66 149 20 201 403 45 758 539 70 218 144 10 45 714 80
151 390 55 32 661 7 147 357 75 712 708 58
36 417 30 74 734 05 85 415 55 19 275 60 51 667 85 38 568 80 172 441 45 88 037 — 62 666 50 176 405 05 86 216 85 121 169 30 70 588 60 61 365 35 21 720 50 55 037 40 191 327 45 44 811 30 331 141 40 174 907 95 84 871 80 38 126 50 425 459 50 28 737 85 140 134 10 441 501 75 214 576 50 65 347 85 135 295 — 27 965 60 41 936 45 62 937 80 185 292 — 788 028 10 218 791, 20 47 01
31 365
34 246 68 605 82 788 17 107 49 131 38 141
82 914 54 664
60 312 58 808 21 291 48 148 73 800 45 375
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Summe I. II. Bayern. 11“
5 534 115 85 83 00 8 — 221 223 60
56029 4672 20 526 143 35 240 399 —
5 954 046
8 75 417 503 765 6 22 377 3
22 37
A.. 11IT.!
Ueberhaupt
erlin, im April 1884.
6 238 347 45
Haupt⸗Buchhalterei des Reichs⸗Schatzamts.
5 229 166 35 11 232 3
6 796 005 75 6 686 978 8 + 109 027
Biester.
Nichtamtliches.
Preußzen. Berlin, 29. April. Im weiteren Ver⸗ laufe der gestrigen (19.) Sitzung des Reichstages begann die zweite Berathung des Gesetzes, betreffend die Anfertigung und Verzollung von Zündhölzern.
§. 1, welcher lautet:
„Die Anfertigung von Zündhölzern unter Verwendung von weißem Phosphor darf nur in Anlagen stattfinden, welche aus⸗ schließlich für die Herstellung von Zündhölzern benutzt werden.“
wurde ohne Debatte unverändert angenommen.
§. 2 bestimmt, daß Räume, in welchen das Zubereiten der Zündmasse, das Betunken der Hölzer und das Trocknen der letzteren erfolgt, von jugendlichen Arbeitern nicht betreten werden dürfen; in Räumen, welche zum Abfüllen der Hölzer und ihrer ersten Verpackung dienen, soll Kindern der Aufent⸗ halt untersagt sein.
Der Abg. Dr. Frege erklärte, seine politischen Freunde und er ständen der Vorlage und speziell ihrem §. 2 schon deshalb sympathisch gegenüber, weil seine Partei von jeher alle auf die Unfallversicherung gerichteten Bemühungen mit Freuden begrüßt, und ihren Standpunkt zur Arbeitergesetz⸗ gebung in diesem Sinne bei jeder Gelegenheit dokumentirt habe. Aber er vermisse doch in dem Entwurf und besonders in den Motiven mehrere Momente. So habe man bei der Erschwerung der Fabrikation der Zündhölzer aus weißem Phosphor ihre große Feuergefährlichkeit nicht genug beachtet. Die Vereinigung der öffentlichen Feuerversicherungsanstalten habe sich seit etwa 10 Jahren mit dieser Gefahr beschäftigt, und am 11. April 1874 ein Gesuch an das Reichskanzleramt gerichtet, welches auf das Verbot dieser Phosphorzündhölzer hinausgegangen sei, und abschlägig beschieden sei, weil die Ver⸗ wendung dieser Streichzündhölzchen bereits in Abnahme und die der amorphen sog. schwedischen im Wachsen begriffen sei. Leider sei aber diese Voraussetzung in der That nicht richtig, wie die vorliegende Statistik jener Gesellschaften bewiesen habe, denn bis Ende des vorigen Decenniums sei der Verbrauch der Phosphorzündhölzer noch wesentlich im Steigen gewesen. Es sei auch von Interesse, zu sehen, in wie naher Beziehung ihre Verwendung zu den Bränden in Deutschland stehe. Nach der im Jahre 1868 publizirten Statistik hätten entschädigte Brände allein aus Veranlassung des Spielens mit Zündhölzchen von Kindern und schwachsinnigen Personen stattgefunden: 740 Brände in den Jahren 1862— 64, 1011 Brände in den Jahren 1865 — 67, 1631 von 1868 — 71, in Summa 3382 Brände, von denen 985 nicht hätten entschädigt werden können; durch⸗ chnittlich also 600 Brände per Jahr, mit einem Schaden für den Nationalwohlstand von 2 830 000 Thalern in 10 Jahren, abgesehen von dem Mobiliarschaden, den jene nur von Immobiliar⸗Feuerversicherungs⸗Gesellschaften publi⸗ zirte Statistik gar nicht in Bewacht gezogen habe. r habe aber schon bhis Ende 1878 2913 Brandfälle wegen dieser Zündhölzer nachgewiesen, welche 5254 Gehöfte
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zerstört haͤtten, und bei denen über 4000 sogar theilweise hätten unentschädigt bleiben müssen, weil der Schaden durch leicht⸗ sinniges Gebahren hervorgerufen sei. Also 24 Millionen Schäden in 7 Jahren und so und so viel Menschenleben, die dabei verloren gegangen seien! Allein im Königreich Sachsen seien in 7 Jahren 14 verbrannt, in den Herzogthümern 13 Kinder in Folge des leichtsinnigen Verfahrens mit Zündhölzern. Der Wunsch, daß die weißen phosphorhaltigen Zündhölzer über⸗ haupt verboten werden möchten, sei daher wohl berechtigt, und in diesem Sinne habe sich der Reichstag schon im Jahre 1879 ausgesprochen. Die verbündeten Regierungen hätten nun einen Vermittelungsantrag vorgelegt, indem sie vor Allem die Fabri⸗ kation streng kontrolliren wollten, was man natürlich schon aus gesundheitspolizeilichen Gründen nur mit Freuden begrüßen könne. Aber man müsse dies Gesetz nur als Abschlagszahlung bhis zu dem hoffentlich in nicht zu ferner Zeit bevorstehenden Verbot der weißen phosphorhaltigen Zündhölzer, die in der That doch nicht mehr große Bedeutung hätten, seitdem die Technik so wesentlich fortgeschritten sei, und die Fabrikation von amorphen Streichhölzern sich so außerordentlich vermehrt habe. Nach den Motiven hätten die verbündeten Regierungen mit Rücksicht auf den bedeutenden Export von dem Verbot abgesehen. Aber wenn Deutschland auch wirklich die billigsten
Zündhölzer in Europa fabrizire — auf diese Waare passe, wenn auf irgend eine das Reuleauxsche Wort „billig und schlecht“, so werde ihr Export das Ansehen Deutschlands
Man habe daher
auf dem Weltmarkt wahrlich nicht fördern. keinen Grund, auf ihn großes Gewicht zu legen. Auch verbessere sich die Fabrikation amorpher Streichhölzer von Jahr zu Jahr, so daß das schlechte, unheilvolle Material, das schon so viel Schaden angerichtet habe, mit der Zeit vom deutschen Markt verschwinden werde. Der⸗Unterschied im Preise sei doch keig so großer, da sich der⸗ selbe durchschnittlich einerseits auf 14, andererseits auf etwa 11 ₰ stelle. Was das Gutachten der Forstakademie zu Ebers⸗ walde anbelange, nach welchem es Deutschland an geeignetem Holz fehlen solle, so scheine es ihm, daß dieses Gutachten wohl am grünen Tische, nicht aber im grünen Walde ent⸗ standen sei. Pappelholz solle das beste sein. Die Pappel gehöre aber zu den am schnellsten wachsenden Hölzern, ihre Anzucht zum Zwecke der Zündholzfabrikation dürfte also nicht so besonders schwer sein. Man müsse darnach trachten, so weit zu kommen, wie Dänemark und die Schweiz, welch letztere sich auf bem besten Wege besinde, nur den Gebrauch sog. schwedischer Zündhölzer zu gestatten. Vor allen anderen müßte man die Hausindustrie verringern, und die Anfertigung von Phosphorhölzern mittels weißen Phosphors ganz in die Fabriken verweisen. Bezüglich der Besteuerung der Zünd⸗ hölzer und der damit etwa verbundenen Vertheuerung glaube er, daß eine gute Hausfrau und ein gutes Dienstmäochen die
etwa dadurch ins Schwanken gebrachte Bilanz des Haushalts⸗ etats leicht wieder herstellen können werd
§. 2 wurde angenommen, ebenso wurden die §§. 3 und 4, welche die Strafbestimmeengen für Zuwiderhandlungen ent⸗ halten, ohne Debatte genehmigt.
§. 5 lautet:
„Auf die zur Zeit des Erlasses dieses Gesetzes bestehenden Be⸗
triebe finden die Bestimmungen desselben erst nach Ablauf eines Jahres Anwendung.“*
Hierzu stellte der Abg. Dr. Baumbach folgenden Antrag: Der Reichstag wolle beschließen:
Zu §. 5 der Vorlage:
Statt der Worte „erst nach Ablauf eines Jahres“ die Worte zu setzen: „erst nach Ablauf von zwei Jahren“.
Der Abg. Dr. Baumbach befürwortete seinen Antrag. Der Gesetzentwurf solle, wie er mit dem Abg. Frege glaube, den Anfang zu einer vollständigen Abschaffung der Fabrikation von Zündhölzchen mit weißem Phosphor bilden. Durch §. 5 werde die Hausindustrie in dieser Fabrikationsbranche be⸗ seitigt, was auch er für dringend wünschenswerth halte. Allein die Frist von einem Jahr erscheine doch zu kurz. Es handele sich um einen Fabrikationszweig, der sich hauptsächlich in den Händen ganz armer Leute besinde, welche in den Thälern und an den Abhängen des Erzgebirges, des Thürin⸗ ger⸗ und Frankenwaldes, zum Theil auch des Harzes davon ihren Lebensunterhalt gewönnen. In Thüringen seien über hundert Familien mit dieser Hausindustrie beschäftigt, die sie traditionell betrieben, ohne je etwas anderes gelernt oder getrieben zu haben. Zu einem anderen Industrie⸗ zweig überzugehen, möchte für diese armen Leute sehr schwierig sein; einmal übersteige in Thüringen in allen wichtigeren Branchen das Angebot die Nachfrage, wenn nicht in einzelnen bereits eine Ueberproduktion stattgefunden habe, andererseits hätten die armen Leute eben keine Beiriebsmittel für den Betrieb neuer Industriezweige übrig. Es werde ihnen also nichts übrig bleiben, als 20 bisherige Hausindustrie in Fabrikindustrie umzuwandel n. * Dazu seien aber neue, beson⸗ dere Räume erforderlich, welche in einem Jahre kaum herge stellt werden könnten, wenn, wie in jenen Gebirgsgegenden die Bausaison nur die Monate Mai bis September umfasse Aus diesen Gründen habe er die Verlängerung der Frist auf zwei Jahre beantragt.
Hierauf nahm der Bevollmächtigte zum Bundesrath. Geheime Ober⸗Regierungs⸗Rath Lohmann das Wort:
Meine Herren! Ich bin ja nicht in der Lage, im Einzelnen die Darlegungen kontroliren bezw. widerlegen zu können, welche von dem Hrn. Abg. Dr. Baumbach soeben vorgetragen worden sind. Ich muß nur das konstatiren, daß diejenigen Bundesregierungen, in deren Territorien diese Hausindustrie überhaupt eine Rolle spielt, das Be⸗ dürfniß, die Frift s §. 5 auf 2 Jahre zu verlängern, in keiner Weise hervorgehosichte vielmehr mit der jetzigen Bestimmung des §. 5 1 sich einverstanden lärt haben. 8
Der Antrag Baumbach und darauf der §. 5 wurde an⸗ genommen. §. 6 lautet:
„Der Nr. 5 e des Zolltarifs zu dem Gesetze vom 15. Juli⸗ 79, betreffend den Zolltarif des deutschen Zollgebiets ist folgende Bestimmung beizufügen:
„Anmerkung zu e:
Zündhölzer und Zündkerzchen 10 ℳ für 100 kg.““
Dieser Zollsatz tritt mit dem 1. Juli d. J. in Kraft“
Der Abg. Dr. Reichensperger (Crefeld) machte auf die⸗ 1 Gefahr aufmerksam, die dem Vaterlande durch Einführung von aus weißem Phosphor angefertigten Streichhölzern, und das dadurch beförderte Umsichgreifen der Phosphor⸗ nekrose drohe. Zu beklagen sei, daß die Motive des Gesetzentwurfs statt des Wortes „Nekrose“, welches wohl den Meisten unverständlich sei, seiner Ansicht nach aber mit „Ab⸗ sterben“ zu übersetzen wäre, nicht ein deutsches entsprechendes Wort angewandt hätten. Redner wandte sich sodann gegen die Begünstigung, die den feineren Sorten Zündhölzern, die meist aus dem Auslande kämen, insofern gewährt werde, als man dieselbe auch nur zu demselben Zollsatze wie die gewöhn⸗ lichen Streichhölzer in das Land hinein lasse. Namentlich⸗ kämen hierbei die aus Wachs hergestellten Zündkerzchen in Betracht, welche hauptsächlich aus Italien kämen. Wollte man das Wachs und die Baumwolle, aus dem diese hier sehr ver⸗
breitete Waare gefertigt sei, besteuern, so würde man min⸗
destens zu einem dreifach höheren Zollsatze gelangen. Er bitte sonach ebensowohl einen höheren Zoll auf den Phosphor wie 1n die unter Mitanwendung desselben hergestellten Fabrikate zu legen.
Der Abg. von Massow erklärte, wenn er auch dem Vor⸗ redner auf das Gebiet der Rechtsfrage nicht folgen wolle, so⸗ könne er sich doch im Allgemeinen mit dessen Ausführungen einverstanden erklären. Bei der ersten Lesung dieses Gesetz⸗ entwurfs hätten die Vertreter der liberalen Partei im Hause gegen die Erhöhung des Zolls, wie sie im §. 6 vorgeschlagen
werde, von 3 auf 10 ℳ gesprochen. Im Interesse der ein⸗ heimischen Industrie möchte er das Haus bitten, seine Bedenken bei Seite zu lassen, und für die vorgeschlagene Zollerhöhung zu stimmen. In den Motiven seien die Gründe für die Zoll⸗ erhöhung seiner Ansicht nach erschöpfend angegeben. Es sei von der linken Seite der Widerspruch erhoben worden, daß durch die Zollerhöhung eine Preiserhöhung der Waare stattfinden werde. Die einheimische Fabrikation der schwedischen Zündhölzer sei aber eine so au edehnte, daß zur Zeit sogar eine Ueberproduktion vorhanden sei. Sie liefere eine so gute Waare, daß sie das ersetze, was aus Schweden geliefert werde, und es handele sich hier darum, den Markt vor Ueberschwem⸗ mung mit ausländischem Fabrikat zu schützen. Er gebe zu, daß die Zollerhöhung noch nacht die Einfuhr schwedischer Züno⸗ hölzer ganz verhindern könne. Denn in Schweden seien die Tagelöhne sehr viel geringer, und zweitens seien da nur in beschränktem Maße die Bestimmungen vorhanden, welche in Deutschland die Anlage von Fabriken verböten. Es werde dort mit viel geringerem Material gearbeitet, außerdem seien die Gehälter der Beamten in den Fabriken viel geringer, als die, welche in Deutschland bezahlt würden. Betreffs der Materialien heiße es in den Motiven, daß in Süddeutschland, namentlich in Bayern, das Aspenholz, welches in erster Linie verwendet werde, nicht mehr genügend vorhanden sei, während ein Fabrikant aus
dem Norddeutschen sage, daß das Aspenholz noch für lange