— Die vereinigten Ausschüsse des Bundesraths für Zoll⸗ und Steuerwesen, für Handel und Verkehr und für echnungswesen traten heute zu einer Sitzung zusammen.
1 — Der Schlußbericht über die vorgestrige Sitzung des Reichstages befindet sich in der Ersten bez. Zweiten Beilage.
— In der heutigen (33.) Sitzung des Reichstages, welcher die Staats⸗Minister von Boetticher und Bronsart von Schellendorf sowie mehrere andere Bevollmächtigte zum Bun⸗ desrath und zahlreiche Kommissarien desselben beiwohnten, theilte der Präsident den Eingang eines Gesetzentwurfs, be⸗ treffend die Abänderung des Zolltarifs vom 15. Juli 1879, und eines Gesetzentwurfs, betreffend die Besteuerung des Zuckers, mit.
Der Abg. Richter (Hagen) benutzte diesen Anlaß, um den Präsidenten zu ersuchen, den Seniorenkonvent zu einer Be⸗ sprechung darüber zu berufen: wie viel Zeit der Reichstag auf die Erledigung der restirenden Vorlagen noch verwenden könne. Die Reihen des Hauses seien so gelichtet, daß die Mit⸗ glieder kaum über die Berathung des Unfallversicherungs⸗ gesetzes hinaus zusammenzuhalten seien.
Der Präsident versprach, dem Wunsche des Abg. Richter Folge zu geben.
Darauf trat das Haus in die Tagesordnung ein, deren erster Gegenstand die dritte Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend den Reingewinn aus dem von dem Großen Generalstabe verfaßten Werke: „Der deutsch⸗französische Krieg 1870/71“ war.
Der Gesetzentwurf wurde ohne Debatte unverändert nach
den Beschlüssen zweiter Lesung genehmigt.
Es folgte die dritte Berathung des Entwurfs eines Ge⸗
setzes, betreffend die Einziehung der mit dem Datum
vom 11. Juli 1874 ausgefertigten Reichskassenscheine,
auf Grund der in zweiter Berathung unverändert ange⸗
nommenen Vorlage.
Auch dieser Gesetzentwurf gelangte ohne Debatte zur
Annahme.
1 Hierauf ging das Haus zur zweiten Berathung des Ent⸗
wurfs eines Gesetzes über die Unfallversicherung der
. auf Grund des Berichts der VII. Kommission, er.
§. 1 lautet nach der Fassung der Kommission:
Alle in Bergwerken, Salinen, Aufbereitungsanstalten, Stein⸗ brüchen, Gräbereien (Gruben), auf Werften und Bauhöfen, sowie in Fabriken und Hüttenwerken beschäftigten Arbeiter und Betriebs⸗ beamten, letztere sofern ihr Jahresarbeitsverdienst an Lohn oder Ge⸗ halt zweitausend Mark nicht übersteigt, werden gegen die Folgen der bei dem Betriebe sich ereignenden Unfälle nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes versichert.
Dasselbe gilt von Arbeitern und Betriebsbeamten, welche von einem Gewerbetreibenden, dessen Gewerbebetrieb sich auf die Aus⸗ führung von Maurer⸗, Zimmer⸗, Dachdecker⸗, Steinhauer⸗ und Brunnenarbeiten erstreckt in diesem Betriebe beschäftigt werden.
Den im Absatz 1 aufgeführten gelten im Sinne dieses Gesetzes diejenigen Betriebe gleich, in welchen Dampfkessel oder durch elementare Kraft (Wind, Wasser, Dampf, Gas, heiße Luft u. s. w.) bewegte Triebwerke zur Verwendung kommen, mit Ausnahme der land⸗ und forstwirthschaftlichen nicht unter den Absatz 1 fallenden Neben⸗ betriebe, sowie derjenigen Betriebe, für welche nur vorübergehend eine nicht zur Betriebsanlage gehörende Kraftmaschine benutzt wird.
Im Uebrigen gelten als Fabriken im Sinne dieses Gesetzes insbesondere diejenigen Betriebe, in welchen die Bearbeitung oder Verarbeitung von Gegenständen gewerbsmäßig ausgeführt wird, und in welchen zu diesem Zwecke mindestens zehn Arbeiter regel⸗ mäßig beschäftigt werden, sowie Betriebe, in welchen Explosivstoffe oder explodirende Gegenstände gewerbsmäßig erzeugt werden.
Welche Betriebe außerdem als Fabriken im Sinne dieses Geseße⸗ seghufeten sind, entscheidet das Reichs⸗Versicherungsamt
Auf gewerbliche Anlagen, Eisenbahn⸗ und Schiffahrtsbetriebe, welche wesentliche Bestandtheile eines der vorbezeichneten Betriebe 11 finden die Bestimmungen dieses Gesetzes ebenfalls An⸗ wendung.
Für solche unter die Vorschrift des § 1 fallende Betriebe, welche mit Unfallgefahr für die darin beschäftigten Personen nicht verknüpft sind, kann durch Beschluß des Bundesraths die Ver⸗ sicherungspflicht ausgeschlossen werden.
Arbeiter und Betriebsbeamte in anderen, nicht unter Absatz 2 fallenden, auf die Ausführung von Bauarbeiten sich erstreckenden Betrieben können durch Beschluß des Bundesraths für versiche⸗ rungspflichtig erklärt werden.
Hierzu beantragten 1) die Abgg. Bebel u. Gen.: Der Reichstag wolle beschließen: Den §. 1 zu fassen wie folgt: 1
Alle gewerblichen, gegen Lohn und für Rechnung Anderer be⸗ schäftigten sowie alle forst⸗ und landwirthschaftlichen, ebenso alle in Fabriken und jeder Art von industriellen Betrieben, auf Werften und bei der Schiffahrt und Fischerei beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen werden gegen die Folgen der bei dem Betriebe sich ereignenden Unfälle nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Ge⸗ setzes versichert“;
im Falle der Ablehnung dieses §. 1 im §. 1 der Kommissions⸗ vörlage Absat 4 hinter den Worten „beschäftigt werden“ einzu⸗
alten:
„oder in denen Maschinen, gleichviel ob Bewegungs⸗ oder Arbeitsmaschinen, zur Verwendung gelangen“,
und im Absatz 8 desselben Paragrap Wortes „Bundesraths“ zu setzen:
„Reichs⸗Versicherungsamts“.
2) die Abgg. Dr. Barth u. Gen.: Der Reichstag wolle beschließen:
I. A. 1¹) In §. 1 Absatz 1 hinter dem Worte „Hüttenwerke“
folgende Worte einzuschalten: “ „bei der gewerbsmäßigen Besörderung von Personen und
Gütern zu Lande oder auf Binnengewässern“.
2) hinter diesen Wocten folgende Worte einzuschalten: „im Handwerke“,
3) hinter diesen Worten folgende Worte einzuschalten: „im Speicher⸗ und Kellereibetriebe“,
4) hinter diesen Worten folgende Worte einzuschalten: in der Land⸗ und Forstwirthschaft“.
5) dem Absatz 1 in §. 1 folgende Worte zuzufügen:
„Dasselbe gilt von Arbeitern und Betriebsbeamten, welche von einem Gewerbetreibenden, dessen Gewerbebetrieb sich auf die Ausführung von Bauarbeiten erstreckt, in diesem Betriebe beschäf⸗ tigt werden, sowie von sonstigen bei der Ausführung von Bauten beschäftigten Arbeitern und Betriebsbeamten, soweit dieselben nicht, ohne im Dienste eines Gewerbetreibenden der bezeichneten Art zu stehen, lediglich einzelne Reparaturarbeiten ausführen“, 8
und folgegemäß: 4 8
a. in dr Absatz 2 zu streichen, 9
b. in Absatz 3 Zeile 5 die Worte „der land⸗ und forstwirth⸗ scbaflichen, nicht unter Absatz 1 fallenden Nebenbetriebe, sowie“ zu reichen,
c. in Absatz 3 am Schlusse folgende Worte beizufügen;
„ferner diejenigen Betriebe, in welchen Explosivstoffe gewerbs⸗ mäßig erheugt oder verwendet werden“,
d. die Absätze 4, 5, 6, 7 und 8 zu streichen;
B. eventuell:
1) in §. 1 Absatz 3 die Worte „der land⸗ und forstwirth⸗ seeühhen, nicht unter Absatz 1 fallenden Nebenbetriebe, sowie“ zu
reichen,
2) in Absatz 4 §. 1 nach den Worten „gewerbsmäßig erzeugt“ die Worte: 8
„oder verwendet“ einzuschalten. 8
3) die Abgg. Dr. Buhl u. Gen.
Der Reichstag wolle beschließen: v “
1) Für den Fall der Ablehnung des Antrages I Dr. Barth und Genossen
in §. 1 Abs. 2 hinter „Brunnenarbeiten“ einzuschalten:
„auf Eisenbahnbauten und auf Wasserbauten“,
dem Abs. 2 beizufügen: G
): Fr- den von Schornsteinfegern beschäftigten Arbeitern“.
2) In §. 1:
a. den Eingang des Abs. 3 zu fassen, wie folgt:
Den im Absatz 1 aufgeführten gelten im Sinne dieses Gesetzes diejenigen Betriebe gleich, in welchen Explosivstoffe oder explodi⸗ rende Gegenstände gewerbsmäßig erzeugt werden, sowie Betriebe, in welchen Dampfkessel....;
b. Absatz 4 zu streichen;
c. Absatz 5 zu fassen, wie folgt:
Welche Betriebe als Fabriken im Sinne dieses Gesetzes an⸗ zusehen sind, entscheidet im Zweifelsfalle das Reichs⸗Versiche⸗ rungsamt.
3) Im Falle der Ablehnung des Antrages II:
den zweiten Absatz des §. 2 und den vierten Absatz des §. 3 der Regierungsvorlage wiederherzustellen.
Der Berichterstatter Abg. Dr. Freiherr von Hertling setzte den Unterschied der Kommissionsvorlage gegenüber der Regierungsvorlage auseinander und bekämpfte die ein⸗ gebrachten Anträge, die zum größten Theil schon in der Kommission vorgelegen hätten und von ihr abgelehnt worden seien. Namentlich müsse er dem sozialdemokratischen Antrage widersprechen, der die äußersten Konsequenzen ziehe und alle Lohnarbeiter versicherungspflichtig machen wolle. Die Tragweite desselben könne man nicht übersehen, und der Antrag passe nicht in die Vorlage hinein.
Der Abg. Kräcker vertheidigte den sozialdemokratischen Antrag. Mit großer Spannung sehe die gesammte Arbeiter⸗ welt dem Resultat dieser Woche entgegen. Leider schließe die Vorlage einen großen Theil der Arbefter von der Versicherung aus; es sei aber kein Unterschied zwischen Handwerkern und Fabrikarbeitern. Der kleine Gewerbetreibende bedürfe eines besonderen Schutzes, nicht minder der Arbeiter auf den Schiffen und Rheden. Alle Gewerbe könnten der Maschinen ebensowenig ent⸗ behren wie die Fabriken; es seien also dieselben Unfallgefahren vorhanden. Wenn es dem Reichstage wirklich mit dem Wohle der Arbeiter Ernst sei, wenn er die Sozialdemokratie wirksam bekämpfen wolle, so möge derselbe allen Arbeitern die Versiche⸗ rung zu Theil werden lassen.
Der Abg. Dr. Barth wies zunächst darauf hin, daß die Kommission die bedenklichsten Schwächen des Gesetzes, z. B. die dreizehnwöchentliche Karenzzeit, den Ausschluß der land⸗ und forstwirthschaftlichen Arbeiter und vor Allem den Versiche⸗ rungszwang aufrecht erhalten habe. Wenn er mit seinen Freunden diese Bestimmung amendiren wolle, so geschehe es nur, um aus der Zwangsversicherung bessere Konsequenzen zu ziehen, als es in der Vorlage geschehen sei. Man wolle nicht generell alle Arbeiter dem Gesetz unterstellen, sondern nur diejenigen, welche wirklich von Unfallgefahren bedroyt seien. Es stehe nichts im Wege, daß in der Spezialisirung der Gewerbebetriebe fortgefahren werde. Handwerker, Speicher⸗ und Kellerarbeiter liefen dieselben Gefahren wie die Fabrikarbeiter. Ein Schmied, dem ein Metallsplitter ins Auge fliege, ein Arbeiter der eine steile Treppe hinunter falle, sei von der Unfallversicherung ausgeschlossen, wenn er nicht in einer Fabrik beschästigt sei. Das sei eine Anomalie. Es gebe überhaupt kein Gewerbe, in dem kein Unfall möglich sei. Die Beschränkung der zu versichernden Betriebe entspringe nur der schlechten Organisation der Berufsgenossenschaften, denen man noch weitere Aufgaben aufbürden wolle. Es handete sich hier gar nicht um eigentliche Berufsgenosenschaften, denn sie könnten aus den heterogensten Betriebsunter⸗ nehmern bestehen, die sich den Majoritätsbeschlüssen zu fügen hätten. Es sei der größte Fehler, die Privatversicherungen einfach zu beseitigen. Der Vorwurf, daß diese Gesellschaften nur wegen hoher Dividenden beständen, sei ungerechtfertigt. Er kenne vier Privatversicherungen, die mit Verlust arbeiteten. Die Privatgesellschaften seien aber scheon deshalb den Zwangsversicherungen vorzuziehen, weil sie mehr individualisirten und eine bessere Gefahrenverhütung ge⸗ währleisteten.
Der Abg. Dr. Buhl bemerkte, daß er für die Zwangs⸗ genossenschaften der Vorlage keineswegs schwärme, aber wenn man einmal sich auf den Standpunkt der Zwangsversicherung stelle, dann müsse man Denjenigen, welche ander⸗ wärts keine Versicherung finden könnten, das ultimum refugium in den Berufsgenossenschaften gewähren. Vor dieser Konsequenz sollten auch die Freunde des Vor⸗ redners, welche sich auf den Boden der Zwangsversicherung stellten, nicht zurückschrecken. Redner empfahl darauf die von ihm beantragten Amendements.
Bei Schluß des Blattes ergriff der Staats⸗Minister von Boetticher das Wort.
— Ein Stoß gegen einen Anderen, welcher dadurch in das daneben befindliche Wasser fällt und so leicht hätte er⸗ trinken können, ist nach einem Urtheil des Reichsgerichts, II. Strafsenats, vom 8. April d. J., als qualifizirte Körperverletzung aus §. 223 a des Str.⸗G.⸗B. (Verletzung 8 einer das Leben gefährdenden Behandlung) zu be⸗ trafen.
— Der Staatsbauverwaltung ist durch Allerhöchste Ordre vom 4. Juni d. J. behufs Ausführung eines Durch⸗ stichs der Oste bei Niederochtenhausen im Landdrostei⸗ bezirk Stade das Enteignungsrecht zur Entziehung bezw. dauernden Beschränkung des Grundeigenthums bezüglich der erforderlichen Grundstücke verliehen worden.
— Der bisherige Königlich schwedisch⸗norwegische Gesandte Baron von Zildt hat Berlin mit Urlaub verlassen. Für die Dauer der Abwesenheit desselben fungirt als interimisti⸗ scher Geschäftsträger der Legations⸗Sekretär von Huitfeldt.
— Der General⸗Lieutenant Freiherr Pergler von Perglas, Commandeur der 26. Division (1. Königl. Württembg.), welcher zur Abstattung persönlicher Meldungen auf 8 Tage hier anwesend war, hat sich in seine Garnison Stuttgart zurückbegeben.
— Als Aerzte haben sich niedergelassen die Herren: Hülsmeyer, Dr. Rosenstein, Dr. Joseph, Dr. Trilling, Dr.
8
Margoniner, sämmtlich in Berlin, Dr. Nitschmann in Erfurt und Dr. Hermann in Weißensee.
— Der heutigen Nummer des „Reichs⸗ und Staats⸗ Anzeigers“ ist eine „Besondere Beilage“ (Nr. 5), enthaltend Entscheidungen des Reichsgerichts, beigefügt.
Baden. Karlsruhe, 14. Juni. (W. T. B.) Die Thronrede, mit welcher der Landtag heute von dem Großherzog geschlossen worden ist, weist auf die langen und mühevollen Arbeiten des Landtages und auf die treue und erfolgreiche Pflichterfüllung desselben hin, giebt der Be⸗ friedigung über die Erfüllung der Erwartungen Ausdruck, die bei der Eröffnung des Landtages in Bezug auf die Ausbildung der öffentlichen Einrichtungen und die Förderung der geistigen und materiellen Interessen des Volks ausgesprochen worden seien, und dankt den Ständen für ihre Einsicht, ihren patriotischen Sinn und ihre stete Bereitwilligkeit zum Zusammenwirken unter sich wie zum Zusammenwirken mit der Regierung. Fast alle dem Landtage gestellten Aufgaben hätten eine befriedigende Lösung gefunden, und den mannigfaltigen Bedürfnissen und Wünschen des Landes sei Rechnung getragen worden, ins⸗ besondere in Betreff der erweiterten Ausgestaltung der Rechts⸗ ordnung des Staatswesens, der inneren Organisation und der Selbstverwaltung der großen Kommunalverbände. Die Be⸗ rathungen über die landwir schaf’liche Enquête seien von großem Nutzen gewesen; die Regierung werde die bezüglichen Vorschläge und Anregungen unter Mitwirkung sachkundiger Kräfte einer abschließenden Behandlung entgegenführen. Eine gleiche Theilnahme und Fürsorge würden die Interessen des Kleingewerbes sinden. Durch die Steuerreform auf dem Wege der Besteuerung des Einkommens sei die Grundlage für eine gerechtere Vertheilung der Lasten gewonnen worden; die Verhältnisse aller Staatsdiener hätten durch das Relikten⸗ gesetz eine befriedigende Lösung erfahren. Am Schlusse heißt es: der Großherzog begleite die Abgeordneten mit dankbarer Gesinnung und mit treuen Wünschen in ihre Heimath; er hoffe, daß zu den Früchten der andauernden Arbeit auch der Segen des Himmels trete, und daß eine reiche Ernte den Fleiß des Volkes belohne.
Braunschweig. Braunschweig, 14. Juni. (W. T. B.) Der außerordentliche Landtag ist nach Erledigung der Eisenbahnvorlage heute wieder geschlossen worden.
DOesterreich- Ungarn. Wien, 15. Juni. (W. T. B.) Graf Ludwig Grünne ist heute Vormittag gestorben.
Pest, 15. Juni. (W. T. B.) Soweit bis jetzt bekannt, sind gewählt: 152 Liberale, 45 Kandidaten der gemäßigten Opposition, 44 Unabhängige, 9 Kandidaten der nationalen Partei, 13 Antisemiten und 8 keiner bestimmten Partei An⸗ gehörige.
Agram, 14. Juni. (Prag. Ztg) In der heutigen Sitzung des Landtages wurde die Spezialdebatte über den Antrag des Elfer⸗Ausschusses fortgesetzt. Miskatovic legte dar, daß Kroatien nur durch ein ruhiges, leidenschaftsloses Vorgehen auf dem politischen Gebiete etwas erringen könne. Er erblicke in dem Aushängen der inschriftslosen Schilder keine Ungesetz⸗ lichkeit. Anton Starcevic vertheidigte seine bekannten An⸗ sichten, Stojnovic warf der Majorität vor: sie wolle Tisza und den ungarischen Reichstag von den Vorwürfen reinigen. Er warnte vor der Annahme des Antrags Kussevic. Tkalcic interpellirte, warum die Regierung den Bürgermeister nicht in Disziplinaruntersuchung ziehe. Parcic interpellirte wegen der Einführung der ungarischen Sprache in Fiume bei den Gerichten, in den Schulen und bei der Verwaltung und fragte: ob die Regierung Schritte dagegen gethan habe.
Belgien. Antwerpen, 14. Juni. (W. T. B.) Das „Handelsblad“ meldet: das neue Ministerium sei nun⸗ mehr gebildet, und die betreffenden Ernennungen sowie die Auflösung des Senats würden morgen von dem „Moniteur“ veröffentlicht werden.
Großbritannien und Irland. London, 14. Juni. (W. T. B.) Der Prinz und die Prinzessin von Wales sind heute Nachmittag hier eingetroffen.
Frankreich. Paris, 14. Juni. (W. T. B.) Die Deputirtenkammer hat heute das Amendement Lanessan zu dem Rekrutirungsgesetz, dessen Inbetracht⸗ nahme am 12. d. M. beschlossen wurde, mit 293 gegen 201 Stimmen abgelehnt. Der Kriegs⸗Minister Campenon hatte das Amendement energisch bekämpft. Die Berathung des Rekrutirungsgesetzes wird am Montag fortgesetzt werden.
Spanien. Madrid, 14. Juni. (W. T. B.) Sieben Mitglieder der „Schwarzen Hand“ sind heute früh in Teres hingerichtet worden.
Rußland und Polen. St. Petersburg, 14. Juni. (W. T. B.) Heute TIg. 2 Uhr hat der feierliche Einzug der Prinzessin Elisabeth von Hessen statt⸗ gefunden. Die Großfürstliche Braut fuhr mit der Kaiserin in einer mit acht Pferden bespannten Galakutsche, welcher der Kaiser, der König von Griechenland, der Groß⸗ herzog von Hessen und die hier anwesenden Großfürsten zu Pferde, die Prinzessinnen Irene und Alice von Hessen und die Großfürstinnen in Galakutschen folgten. Die Newsky⸗ Perspektive, welche der Zug passirte, war überaus prächtig ge⸗ schmückt; Truppen bildeten Spalier und die zahlreich zusammen⸗ geströmte Bevölkerung begrüßte die Braut, den Kaiser und die Kaiserin mit enthusiastischen Zurufen.
Der General⸗Gouverneur von Rosenbach ist heute in Taschkent eingetroffen.
— 15. Juni, Abends. (W. T. B.) Die Feier der Trauung des Großfürsten Sergei mit der Prin⸗ zessin Elisabeth von Hessen ist programmmäßig ver⸗ laufen. Die Auffahrt vor dem Winterpalais begann bald nach 12 Uhr Mittags. Der Trauungszug begab sich feierlich nach der Kathedrale des Palais, woselbst unter glänzendster Assistenz die Trauung vollzogen wurde. Der evangelisch⸗ lutherische Theil der Trauung wurde von dem Pastor Dalton verrichtet. Nach der Trauung begaben sich die Majestäten mit den Neuvermählten und den hohen Gästen in die inneren Gemächer. Nachmittags 5 Uhr fand im Nicolaisaale großes Diner statt, bei welchem die Neuvermählten zwischen dem Kaiser und der Kaiserin saßen. Nach dem Diner wurde in dem goldenen Salon der Thee eingenommen, worauf die Cour begann. Um 10 ¼ Uhr
fuhren die Majestäten mit dem neuvermählten Paare in einem achtspännigen goldenen Wagen, von einem glänzenden Gefolge
begleitet, nach dem Palais des Großfürsten Sergei Alexan⸗ drowitsch, wo das Familiensouper stattfand.
Kairo, 14. Juni. (W. T. B.)
Afrika. Egypten. Dongola meldet heute, daß
Der Gouverneur von Berber gefallen sei. — 15. Juli, Abends. (W. T. B.) Offizielle Telegramme aus Wady Halfa melden, daß Khartum in Sicherheit sei. Trotz der Kapitulation von Berber besänden sich in der Umgegend der Quellen von Murad keine Aufständischen, doch sei der nach der Wüste führende Weg blockirt. Es ist Befehl ertheilt worden, Maßregeln zu ergreifen, um den Rück⸗ zug der Garnison von Dongola zu sichern. Die Nach⸗ richt von der Uebergabe Berbers hatte in Assuan große Erregung hervorgerufen, doch genügte die Anwesenheit von Kanonenbooten, um die Eingeborenen zu beruhigen.
Zeitungsstimmen
Die „Karlsruher Zeitung“ berichtet über die am 8. d. M. in Karlsruhe stattgehabte Landesversammlung der nationalen und liberalen Partei in Baden:
Die Versammlung war von hiesigen und auswärtigen Partei⸗ genossen sehr zahlreich besucht, als Schätzungsziffer wurden 2000 ge⸗ nannt. Landgerichts⸗Direktor Kiefer kommt in seiner Rede zunächst auf die Heidelberger und Berliner Kundgebungen zurück, die ganz dem ursprünglichen Programm der Partei entsprächen, wie es zuerst von Bennigsen aufgestellt habe. Redner bespricht dann die durch die Kaiserliche Botschaft inaugurirte Sozialreform, welche Frieden stiften wolle zwischen den verschiedenen Bevölkerungsklassen, ein Streben, das zu unterstützen die nationalliberale Partei durchaus bereit sei; gelinge das Werk, so könne es sich den im Kriege errun⸗ genen Erfolgen gleichstellen. Dieses Bestreben der Partei rechtfertigt auf der anderen Seite auch die Ergreifung von Repressivmaßregeln, wie sie im Sozialistengesetz beschlossen seien. Er rechtfertigt darauf die Politik der Partei, keine Prinzipienreiterei zu treiben, sondern Kom⸗ promisse zu schließen, um die nationalen Interessen zu fördern, auf die gewaltige Persönlichkeit des Kanzlers Rücksicht zu nehmen und sich darin durch den Hohn der „Frankfurter Zeitung“ nicht irre machen zu lassen. Wie in Baden die Katholiken volle Freiheit haben, so wolle man hier auch das Bemühen des Kanzlers unterstützen, durch die Verhandlungen mit der Kurie die Zustände der katholischen Kirche im übrigen Deutschland hefriedigend zu gestalten. Die Partei wolle das bisherige Budgetrecht des Reichstages, die geheime Abstimmung auf⸗ recht erhalten wissen, in diesen Punkten gäbe es keine Kompromisse. Die Partei habe eine große Zukunft vor sich, sie werde für den Ruhm, die Ehre und Größe des Reichs wirken und die sozialen Re⸗ formen energisch unterstützen. (Großer Beifall.)
Bankdirektor Eckhard wirft zunächst einen Rückblick auf die Ent⸗ wicklung der öffentlichen Verhältnisse in Baden von dem Erlaß der Verfassung im Jahre 1818 an, kommt dann auf die Ereignisse von 1866 und 1870, um daran die Mahnung zu knüpfen, in der Be⸗ urtheilung des Reichskanzlers mindestens mit der Billigkeit zu ver⸗ fahren, die das Ausland übe, das ihm unbedingt nachrühme, was der Fürst Reichskanzler thue, geschehe allein im Interesse der Sicherheit, der Größe und der Würde Deutschlands. Wie weit⸗ blickend der Kanzler sei, habe die Samoa⸗Frage gezeigt, damals habe die Volksvertretung dem Kanzler mit der Forderung von einer Million abgewiesen, jetzt dränge das deutsche Volk, daß die Kolonisationsfrage energisch gelöst werde. In der Frage der Subvention der deutschen Postdampfschiffsverbindungen mit überseeischen Ländern müsse der Kanzler unterstützt werden, denn er wolle die deutsche Flagge im Auslande zu Ansehen bringen. Man werfe dem Kanzler seine Ab⸗ neigung gegen parlamentarisches Regiment mit Unrecht vor, denn der Kanzler habe keine Partei gehabt, auf die er sich mit Erfolg hätte stützen können, auch die nationalliberale Partei habe zu Zeiten diese Stütze, weil sie zu sehr Rücksicht auf ihre Nachbarn genommen, nicht geboten. Das sei eine Mahnung, eine gemäßigte Haltung einzunehmen, wie es auch das Volk wünsche, das mit der jetzigen parlamentarischen Situation nicht zufrieden sei. Speziell für Baden handle es sich darum, voll und ganz zu erhalten, was hier in Baden seit 1860 und im Deutschen Reiche seit 1871 ge⸗ schaffen sei. Man dürfe den Ruf nicht mehr hören: Fort mit dem Reichskanzler, sondern müsse wünschen, daß er dem deutschen Volke noch recht lange erhalten bleibe. (Großer Beifall.) Redner bespricht dann das Heidelberger Programm bezüglich der Steuern. ...
Ohne sich für Schutzzoll oder Freihandel hier zu entscheiden, müsse er doch die Behauptung für eine Lüge erklären, daß der Schutz⸗ zöllner reaktionär, der Freihändler liberal sein müsse. Zum Schluß ersucht Redner die Anwesenden, in größeren und in kleineren Kreisen für die Partei zu wirken, sich nicht durch kleinliche örtliche Zänkereien davon abhalten, sich nicht von rechts oder links irre machen zu lassen, dann werde das schöne Ziel erreicht: das Deutsche Reich zu erhalten und ungeschwächt unsern Nachkommen zu hinterlassen. Mit diesem Gelöbniß müsse jeder die Versammlung verlassen. (Großer Beifall.) ..
Der Vorsitzende Lamey stellt die Frage, ob die Versammlung mit dem Heidelberger und Berliner Programm einverstanden sei, was einstimmig bejaht wird. Mit einem Hoch auf Se. Majestät den Deutschen Kaiser und Se. Königliche Hoheit den Großherzog wird die Versammlung geschlossen.
Der „Schlesischen Zeitung“ wird schlesischen Steinkohlenmarkte geschrieben:
Der Verkehr und der Absatz in Steinkohlen hat gegen die Vor⸗ woche eine wesentliche Aenderung nicht aufzuweisen. Wiewohl die Bezüge inländischer Konsumenten fortfahren, sich vorzuasweise auf die Abnahme der kleineren Sortimente zu erstrecken und Würfel⸗ wie Stückkohlen zu vernachlässigen, so ist dennoch die Thätigkeit auf den Gruben eine sehr rege sowie die Stimmung eine zuversichtliche, welche die bisherigen Preise behaupten läßt. Dieselbe wird unterstützt durch den sich mehrenden Absatz von Steinkohlen aller Art auf dem Wasserwege der Przemsa, durch be⸗ deutende Lieferungsabschlüsse zur Versendung von Kohlen nach Rumänien, sowie durch das Ergebniß der Ver⸗ handlungen über die Verfrachtung oberschlesischer Steinkohlen nach Stettin, aus welchen, wenn sie auch zunächst für eine Verhilligung der Tarife ein negatives Resultat gehabt haben, doch soviel hervor⸗ gegangen ist, daß die Kleinkohle oberschlesischer Gruben an Heizkraft der englischen Smallsteam⸗Kohle durchaus überlegen und daher nicht nur letztere, sondern selbst besseren englischen Kohlensorten Konkurrenz zu machen in der Lage sei. — Koks und Kokereiprodukte stehen in guter Nachfrage; die Kokerei⸗Anlage der Heinitz⸗Grube ist Seitens der Besitzer der Julienhütte bei Bobreck in Pacht genommen worden, wodurch diese Grube in das unter den früheren Besitzverhältnissen ge⸗ schaffene Absatzgebiet wiederum eintritt.
— Der „Wochenschrift für Spinnerei und We⸗ berei“ wird aus Chemnitz, 10. Juni, berichtet:
„Der Geschäftsgang am hiesigen Matze ist, wenn auch nicht als glänzend, so doch im Allgemeinen als zufriedenstellend zu betrachten. Der Maschinenbau hat entsprechend hinreichend Aufträge, in einigen Gattungen, z. B. im Turbinenbau, Webstuhlbau ꝛc., sogar über⸗ reichlich. Nur der Werkzeugmaschinenbau hat sich noch nicht voll⸗ ständig wieder erholt und im Maschinenbau für Abfallspinnerei und im Strumpfmaschinenbau ist eine Stagnation eingetreten; die Er⸗ zeugung von Abfallgespinnsten hat den Konsum bedeutend überstiegen und im Strumpfstuhlbau sind so viel neue, wenn auch kleine Fabri⸗ ken entstanden, daß es momentan zu viel geworden ist, zumal einige große Strumpffabriken ihre nach eigenen Patenten konstruirten Ma⸗ schinen selbst bauen. Der Strickmaschinenbau hingegen geht lebhaft. „Die Kammgarnspinnerei hat schon seit mehreren Jahren eine günstige Periode und die Baumwollspinnerei behauptet einen nor⸗
vom ober⸗
den Berliner Bahnhöfen Fuhren erhielten. Diese Zahl betrug
malen ruhigen Gang, wenn auch der Verdienst, wie das bei einem solchen Halbfabrikat und Massenartikel nicht anders sein kann, nur ein bescheidener genannt werden muß. 1
Die Weberei, welche sich bei uns in der Hauptsache mit Erzeu⸗ gung von Möbelstoffen, Geweben aus Jutegarnen und einigen an⸗ deren Spezialitäten befaßt, ist ausreichend beschäftigt; ebenso die Wirkeret. Die letztere, welche sich schon seit Jabren in zwei Abthei⸗ lungen gespalten hat, Strumpffabrikation und Handschuhfabrikation, ist in ersterer Branche etwas weniger stark engagirt, in letzterer aber so gut beschäftigt, daß die Aufträge kaum zu bewältigen sind.
Amtsblatt des Reichs⸗Postamts. Nr. 27. — Inhalt: Verfügungen: vom 9. Juni 1884. Postverbindungen nach Norderney. — Vom 9. Juni 1884. Anwendung des Eisenbahn Postgesetzes auf das ehemalige Posen⸗Kreuzburger Eisenbahnunternehmen.
Statistische Nachrichten.
Das öffentliche Fuhrwesen Berlins. (Stat. Corr.) Für die Entwickelung der modernen Großstädte ist die Gestaltung des öffentlichen Fuhrwesens von nicht geringer Bedeutung. Während man ehedem fast ausnahmslos selbst in den größten Städten die weitesten Entfernungen zu Fuß zurück zu legen pflegte und die Benutzung eines Fuhrwerks als Zeichen der Bequemlichkeit oder des Luxus galt, ist heute der Verkehr zu Wagen oder zu Schiff für die Bewohner von Groß⸗ und selbst von Mittelstädten unentbehrlich geworden. Haben ursprünglich die zunehmenden Entfernungen das öffentliche Fuhrwesen in den Städten geschaffen und ausgebildet, so ist neuerdings die stete Vervollkommnung dieses letzteren in richtiger Wechselwirkung wieder eine Ursache der progressiven Ausdehnung der Städte geworden.
Die berufliche Beförderung der Menschen in großen Städten ge⸗ schieht fortschreitend durch Droschken (Miethswagen), Omnibus, Pferdeeisenbahnen, ober⸗ oder unterirdische Dampfeisenbahnen und Dampfschiffe. In der deutschen Reichshauptstadt sind diese Verkehrs⸗ arten sämmtlich, mit Ausnahme der unterirdischen Eisenbahnen, ver⸗ treten. Ein Kommunikationsmittel hat hierbei nicht das andere ver⸗ drängt; alle haben sich vielmehr neben einander entwickelt, wenn auch in Folge der wohlfeileren Beförderung durch Pferde⸗ und Dampf⸗ eisenbahnen im Droschkenfahrwesen eine bemerkenswerthe Verschiebung eingetreten ist.
Nach den Ermittelungen des Königlichen Polizeipräsidiums zu Berlin betrug nämlich
die Gesammtzahl der beförderten Personen: im Jahre im Omnibus mit Pferdebahn mit Stadt⸗ und Ringbahn 1873 14 367 048 3 783 130 4 1875 14 130 207 18 319 772 — 1877 13 515 455 28 725 575 1879 12 076 973 40 088 006 1881 9 960 774 58 487 055 . 1882 13 696 560 65 218 792 9 420 000 1883 15 193 805 70 554 748 12 428 484.
Die Gesammtzahl aller durch den Omnibus, die Pferdebahn und die Stadt⸗ und Ringbahn beförderten Personen war 1883 also mehr als fünfmal so groß als vor 10 Jahren, obwohl sich die Bevölkerung Berlins im gleichen Zeitraume nur um 37,5 % vermehrt hatte. Gegenwärtig ist die Pferdebahn bei Weitem am stärksten am Per⸗ sonentransporte in Berlin betheiligt; sie hat 1883 beinahe fünfmal so viel Personen als die Omnibusgesellschaft und fast sechsmal soviel als die Stadt⸗ und Ringbahn befördert. Auf Grund dieser That⸗ sache hat sich die Gesammtzahl der Droschken vom 1. Januar 1874 bis dahin 1884 nur von 4167 auf 4292 vermehrt, und zwar entfällt die Vermehrung ausschließlich auf die Droschken I. Klasse, während die Zahl der Droschken II. Klasse wesentlich abgenommen hat, wie aus folgenden Angaben hervorgeht. Es betrug:
die Zahl der Droschken Droschken I. Klasse I. Klasse 1874 831 3336
1876 1031 3027
1878 1228 2931
1880 1508 3101
1882 1651 2810
1883 1466 2662
1884 1630 2510
Die Zahl der Droschken II. Klasse hat sich demnach im letzten Jahrzehnte um 33,7 % verringert, während sich diejenige der Droschken I. Klasse verdoppelt hat, ein Zeichen, daß dem Transportbedüefnisse der Bevölkerung Berlins durch die Erweiterung des Pferdebahnnetzes, sowie durch Stadt⸗ und Ringbahn weit zweckmäßiger entsprochen wird, als durch die Droschken II. Klasse, während anderseits auf Grund des wachsenden Wohlstandes der Bevölkerung, sowie der An⸗ forderungen, welche von internationaler Seite an die öffentliche Personenbeförderung der Hauptstadt des Deutschen Reiches gestellt werden, das bequemere und schnellere Transportmittel der Droschken I. Klasse sich fast stetig vermehrt hat. Die starke Abnahme der Personenbeförderung durch Droschken II. Klasse ist deutlich in der Verminderung der Zahl derjenigen Droschken ausgeprägt, welche auf
m 1. Januar 1
883
auf dem Bahnhofe: 1873 48 068
. .(8
11. . 122 082 Niederschlesischen 98 820 Ostbahnhofe. 87 125 Stettiner. 105 663 amburger. 62 557 47 551 6168611 57 534 lexanderplatz.. . riedrichstraße.. . . — — 103 784 8 Zusammen. 658 444 530 307 447 059. Das Berliner öffentliche Fuhrwesen hatte am 1. Januar 1884 einen Pferdebestand von 11 220 Pferden aufzuweisen, 1160 Pferde mehr, als zu Beginn des Jahres 1874; derselbe vertheilte sich auf die einzelnen Zweige der öffentlichen Personenbeförderung in folgender Weise. Es waren vorhanden Pferde
70 843 18 706 96 003 22 907 70 692 61 054 85 017
Porsdamer. Dresdener 1e Anhalter. 97 245
19 619
30 063
82 784 34 072 18 371 13 053
am 1. Januar 1874 1884 bei den Droschken I. Klasse 1600 2360 „ Droschken II. Klasse 6300 3990 „ Gepäckdroschken. L11 350 „ Omnibus. .14350 1149 „ Thorwagen 450 580 „ der Pferdebahhn . 360 2841 Die Anzahl der Pferdebahn⸗Waggons stieg von 54 zu Beginn des Jahres 1874 auf 625 zu Anfang 1884, diejenige der Omnibus dagegen ging in derselben Zeit von 188 auf 135 zurück, obwohl letz⸗ tere im Jahre 1883 826 757 Personen mehr beförderten, als im Jahre 1873. Trotz des weit in die Umgebung Berlins vorgedrungenen Pferdebahn⸗Betriebes ist die Gesammtzahl der Thorwagen in den letzten 10 Jahren von 257 auf 350 gewachsen, wobei sich die Ein⸗ spänner nur von 82 auf 83, die Zweispänner dagegen von 175 auf 267 vermehrten. 1 Die Zahl der durch öffentliche Fuhrwerke in Berlin herbei⸗ geführten Unfälle, soweit dieselben zu polizeilicher Kenntniß gelangt sind, ist in den letzten 10 Jahren auf mehr als das Fünffache ge⸗ stiegen; es wurden nämlich Personen 1 im Jahre br 1 — 3 9 2
176
1
letzten betrug, war sie 10 Ja
Während also 1873 die Zab⸗ der Getödteten 6,06 % aller Ver⸗ hre später auf 2,22 % herabgegangen.
Kunst, Wissenschaft und Literatur.
Das Gesetz über die eingeschriebenen Hülfskassen vom 7. April 1876 ist durch das Gesetz vom 1. Juni d. J. durch⸗ greifend geändert worden; beispielsweise sind die §§. 9, 11, 14, 23 gänzlich aufgehoben, an Stelle anderer Paragraphen (z. B. 10, 12, 25, 26, 27, 33, 34) sind neue getreten, und mehrere Paragraphen (19a — d, 35 a) neu eingeschaltet worden. Um den Interessenten die Unbequemlichkeit zu ersparen, bei der Informirung beide Gesetze zur Hand nehmen und mit einander vergleichen zu müssen, ist in der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt, Berlin SW., Wil⸗ helmstr. 32, eine sorgfältig redigirte Textkausgabe des Gesetzes vom 7. April 1876 (mit Sachregister) erschienen, in welcher alle durch das neue Gesetz bestimmten Aenderungen und Zusätze berücksichtigt sind, so daß diese Ausgabe das Vergleichen beider Gesetze entbehrlich macht. Dieselbe ist an der genannten Stelle zum Preise von 20.₰ zu beziehen.
— Im Verlage von J. J. Weber in Leipzig ist erschienen: „Naturgemäße Gesundheitslehre auf physiologischer Grundlage“ Siebzehn Vorträge, von Dr. Fr. Scholz, Di⸗ rektor der Kranken⸗ und Irrenanstalt zu Bremen, mit 7 in den Text gedruckten Abbildungen (20 Bogen gr. 8. Preis geh. 3 ℳ, geb. 4 ℳ) — Der Verfasser hat es versucht, in populärer, leicht faß⸗ licher und, bei Vermeidung gelehrten Beiwerkes, doch möglichst er⸗ schöpfender Darstellung ein hygieinisches Haus⸗ und Familienbuch für Jedermann zu schreiben, und dabei in erster Reihe an die Lehrerwelt gedacht, die dadurch in den Stand gesetzt werden soll, Unterricht in der Gesundheitslehre in Volksschulen zu ertheilen. Diesem Bedürf⸗ niß entgegenzukommen ist das Buch ebenso bestimmt wie überhaupt Sinn und Interesse für hygieinische Fragen in weiteren Kreisen zu wecken. Der Inhalt desselben ist: 1) Einleitung: Geschichtliche Skizze. — 2) Aufgaben der Gesundheitslehre. — 3) Luft, Licht, Wärme. — 4) Boden und Wasser. — 5) Klima. — 6) Wohnung. — 7) Nahrung. — 8) Sterblichkeits⸗ und Krankheitsziffer. — 9) Von dem Wesen der Krankheiten, ihrem Verlauf und ihren Aus⸗ gängen. — 10) Von den Krankheitsursachen. — 11) Von den Seuchen. — 12) Von der Körperpflege im Allgemeinen. — 13) Pflege der Verdauungs⸗, Athmungs⸗ und Cirkulationsorgane. — 14) Hautpflege und Kleidung. — 15) Pflege der Bewegungs⸗ und Sinnesorgane. — 16) Pflege des Kindes. — 17) Zur Seelendiütetik.
— Soeben erschien eine Zeitschrift für deutsche Segler, unter dem Titel „Ahoi!“, von denen das erste und zweite Heft uns in einer eleganten und sehr geschmackvollen Ausstattung vorliegt. Der Herausgeber, G. von Glasenapp, gedenkt durch dieses Werk einem längst gefühlten Bedürfniß abzuhelfen, welches alle auf Segelsport be⸗ zughabenden Verhältnisse einer eingehenden Betrachtung unterziehen wird. Der Inhalt des Doppelheftes ist ein so reichhaltiger und origineller, daß schon diese beiden ersten Nummern auf die Viel⸗ seitigkeit und den Umfang des Unternehmens schließen lassen. Dasselbe hat sich die verschiedenartigsten Aufgaben gestellt, deren Endzwecke stets das Interesse des deutschen Seglerwesens bildet. Zunächst will der „Ahoi“ ein Organ für alle deutschen Segler sein, welches ihre gemeinsamen Interessen des Segelsports in der Praxis und Theorie vertritt, welches den frischen, tröhlichen Seglergeist för⸗ dert und zum unentbehrlichen Inventar der Kajüte jeder deutschen Yacht gehören soll. Wenngleich der „Ahoi“ nicht den Interessen eines bestimmten Vereins angehören will, so wird er trotzdem selbst⸗ verständlich mit allen Kräften für eine Förderung der Vereinsthätigkeit im Segelsport eintreten, den Gedankenaustausch vermitteln und neue An⸗ regung bieten; ebenso wird er den Prüfungen des Seglers und seines Materials, den Regatten, eine ganz besondere Aufmerksamkeit widmen. Den deutschen See⸗Offizieren will der „Ahoi“ ein Organ sein für alle ihre Interessen, außer den rein dienstlichen und militärischen. „Ahoi“ betrachtet das See⸗Offiziercorps als die gegebene Basis des deutschen Segelsports; er will diesen Sport und die Fischerei⸗Inter⸗ essen in diesem Sinne vertreten und bescheiden mitarbeiten an der idealen Aufgabe des Segelsport — der Stärkung unserer maritimen Wehr⸗ und Handelskraft. Wie weit „Ahoi“ der deutschen Handels⸗ marine, den Rhedern, deutschen Kolonialinteressen dienstbar und nütz⸗ lich sein kann und wird, läßt sich vorerst nicht übersehen und muß von der geistigen Unterstützung abhängen, welche ihm diese Kreise ange⸗ deihen lassen, denen er sich hier gern zur Verfügung stellt. Der „Ahoi“ beabsichtigt ferner, mit allen Kräften für das Rettungswerk an den Küsten einzutreten. Aber nicht allein das Segeln wird der „Ahoi“ als eine richtige Fachschrift für alles, was auf Wasser Bezug hat, behandeln, sondern auch das Rudern, ohne jedoch auf die Details des sich bei uns erfreulicherweise entwickelnden Sportszweiges einzugehen, da er nur die Resultate des regen Vereinslebens, die Regatten u. s. w. des Inlandes und Auslandes in großen Zügen zur allgemeinen Orientirung zur Kenntniß seiner Leser bringen will. Sodann giebt er eine allgemeine Orientirung über die Gebiete der Fischzucht, des Angelns, Schwimmens, des Eissports und der körperlichen Uebungen. Vor allen Dingen wird der „Ahoi“ alle Bestrebungen zur Hebung der deutschen Hochsee⸗ und Küsten⸗Fischerei aufmerksam verfolgen und, soweit dies in seinen Kräften steht, fördern. Hieran mitzuarbeiten hält der „Ahoi“ für sein ideales Ziel. Er erkennt, daß die deutsche Fischerei noch sehr darniederliegt im Vergleich zu derjenigen anderer Nationen, und daß dieses Gebiet der deutschen Volkswirthschaft und des Nationalwohlstandes bedeutender Verbesserung bedürftig ist. Er erkennt die Mittel zur Abhülfe in der Durchführung folgender drei Heuptpunkte: Staatliche Hülfe durch internationale Verträge, Schut der Fischerei durch Kriegsmarine, amtliche Fischerei⸗Statistik, Staatsprämien, Fischerschulen, meteorologische Stationen, Eisen⸗ bahnverbindungen, Aufmunterung privater Bestrebungen u. dergl. m. Ferner durch Privathülfe, namentlich durch Interessirung des Binnen⸗ landes, Heranziehung des Kapitals zu großen Fischerei⸗Unter⸗ nehmungen, Einrichtung von Märkten u. s. w. Ferner durch Hebung der Fischer⸗ und Küstenbevölkerung in materieller und geistiger Be⸗ ziehung, staatliche und privare Prämien u. s. w. In dem Wunsch, an der Ausführung dieses Programms an seinem Theile als Journal mitzuarbeiten, hat der „Ahoi“ die folgende Eintheilung seiner Spalter. getroffen: Segelsport, Fischerei, Rettungswesen, Kriegsmarine, Handels⸗ marine, Kolonisation, Kleinerer Sport, und beabsichtigt, diese Ge⸗ biete in oben näher dargelegter Weise zu behandeln. Die genauere Inhaltsangabe des Oktober⸗Novemberheftes 1884 weist folgende Kapitelüberschriften auf: Literatur, Bibliographie, Nautische Journalistik, Kleine Mittheilungen, Redaktion, Segeln, Fischerei, Rettungswesen, Kriegsmarine, Handelsmarine, Schiffbau, Nautik, Kolonisation, Dampfen, Angeln, Schwimmen, Eissport, Hygiene, Industrie und Technik, Patentertheilungen, Ver⸗ schiedenes, Expedition, Correspondenz, Briefkasten. Das Doppelheft ist so reichhaltig, daß der Raum verbietet, alle die kleinen willkom⸗ menen Beigaben einzeln aufzuführen. Erwähnt seien nur noch acht sauber ausgeführte Croquis der hauptsächlichsten Segel⸗Regattabahnen Deutschlands, welche den Lesern ermöglichen, die Berichte über die Regatten des Sommers verfolgen zu können. Ueber hundert sorg⸗ fältig und geschmackvoll ausgeführte Illustrationen in Holzschnitt sowie ein Bildniß des Prinzen Adalbert in Lichtdruck tragen wesentlich dazu bei, den gefälligen Eindruck des Buches zu erhöhen. — Das Unternehmen, welches in so vielversprechender Weise in die Welt tritt, verdient in jeder Weise angelegentlich empfohlen zu werden. Nicht nur die Freunde des Wassersports, welche denselben lediglich zum Vergnügen betreiben, werden vielseitige Anregung und hoffentlich volle Befriedigung finden, sondern auch den Seeleuten von Fach dürfte es Freude bereiten und eine angenehme belehrende Lektüre bieten. Dasselbe verdient überdies durch die ernsteren Ziele, welche es verfolgt, eine größere Verbreitung in weiteren Kreisen, welche sich für die in ihm behandelten wirthschaftlichen und nationalen Fragen interessiren. Der „Ahoi“ erscheint am 1. jedes Monats. Redaktionelle Beiträge and Correspondenzen sind zu richten an „Ahoi!“ Redaktion, Berlin W., Kurfürstenstr. 9. Der Abonnementspreis be⸗ trägt 3 ℳ pro Quartal im Weltpostverein. Abonnements und In⸗ serate nimmt ferner an der Kommissionsverlag, die General⸗Agentur