1884 / 142 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 19 Jun 1884 18:00:01 GMT) scan diff

Rente bekommen muß, darüber wird nach diesem Gesetze ein Streit nicht mehr entstehen können, und wenn der Herr Vorredner von der Coulanz und Incoulanz gesprochen und gemeint hat, wer gebe denn Garantie dafür, daß nun die Berufsgenossenschaften die Sache cou⸗ lanter abwickeln würden, wie die Privat⸗Versicherungsgesellschaften, so kann hier nach der Konstruktion dieses Gesetzes von Coulanz oder Inkoulanz garnicht die Rede sein. Der Unfall wird unter Mitwirkung der Polizeibehörde festgestellt, die Ent⸗ schädigung wird sodann durch den Vorstand der Berufsgenossenschaft bestimmt. Darüber kann nun allerdings ein Streit entstehen, ob die Lohnberechnung richtig aufgestellt ist, ob der Verletzte nicht mehr zu beanspruchen hat, als der Vorstand der Berufsgenossenschaft ihm zuweist. Aber, wenn er mit der Festsetzung nicht zufrieden ist, so bedarf es nicht des langen und kostspieligen Weges eines Prozesses, um sein Recht zu erstreiten, sondern da ist das kurze Verfahren vor dem Schiedsgericht geeignet, ihm zu seinem Rechte zu verhelfen, und wenn er dort nicht Recht bekommt, so hat er die zweite Instanz, das Versicherungsamt.

Der Herr Vorreonec hat gemeint, ich hätte zum Beweise dafür, daß das Privat⸗Unfallversicherungsgeschäft auch ferner gesichert sei, soweit das Bedürfniß der Unfallversicherung durch das gegenwärtige Gesetz nicht gedeckt werde, auf die Ankündigung der Lebensversicherungs⸗ gesellschaft „Victoria“ mit Unrecht Bezug genommen. Ich glaube mit Fug und Recht, diese Ankündigung der „Victoria“ herangezogen zu haben, nur um nachzuweisen, daß auch innerhalb des Kreises der Privat⸗Versicherungsgesellschaften die Meinung als eine berechtigte an⸗ erkannt wird, daß auch nach Erlaß dieses Gesetzes auf dem Gebiete der Unfallversicherung noch ein großer und lohnender Kreis der Thätig⸗ keit für die Privatgesellschaften übrig bleiben wird.

Meine Herren! Der Herr Vorredner hat weiter gemeint, daß, wenn das Gesetz angenommen werde, Tausende von Menschen außer Brod gesetzt wuͤrden, und daß der Gesetzgeber nicht die Berechtigung habe, so weit zu gehen, daß er Leuten, die in einer bestimmten Branche bisher beschäftigt gewesen seien, diese Branche entziehe. Ja, meine Herren, mit dieser Argumentation kann man jeden Fort⸗ schritt auf wirthschaftlichem Gebiete bekämpfen. Brauchen wir neue Institutionen, so brauchen wir neue Kräfte, und indem wir neue Kräfte brauchen, machen wir alte entbehrlich, aber damit ist nicht gesagt, daß diese alten Kräfte nicht auch für die neuen Institutionen verwerthbar wären. Ein großer Theil dieser Kräfte, die bei den Privat⸗Versicherungsgesellschaften entbehrlich wer⸗ den was ich übrigens für das nächste Stadium der Entwickelung des Unfallwesens bestreite ich sage: ein großer Theil der Kräfte, die entbehrlich werden, werden in den neuen Betrieben ihre Verwen⸗ dung finden.

Dann hat der Herr Vorredner gemeint, daß die Privat⸗Versiche⸗ rungsgesellschaften selbst ein Recht auf Weiterexistenz hätten, und daß der Staat, indem er diese Vorlage acceptirt, auch da der verwerflichen Theorie huldige, wonach der Bürger des Staates wegen da sei und nicht der Staat des Bürgers wegen. Nun, meine Herren, wo in aller Welt ist diese Theorie ausgesprochen worden? Ich glaube nicht, daß der Herr Vorredner im Stande sein wird, auch nur einen Schritt der Gesetzgebung zu bezeichnen, aus dem sich er⸗ giebt, daß die verbündeten Regierungen der Meinung wären, daß der Bürger des Staates da wäre, und wie in aller Welt, wenn irgend Jemand dieser Theorie huldigt, kommt der Herr Vorredner dazu, bei dieser Vorlage die Existenz einer solchen Theorie darzulegen, hier, wo der Staat absolut gar nicht weiter implizirt ist, als mit einer wie ich vorhin bemerkt habe schließlich als Dekoration im Hintergrund stehenden Garantie, wo er der betheiligten Industrie die Regelung des Versicherungswesens allein überläßt, wo er gar nichts in die Hand nimmt und nur eine Kontrole übt? Wie kann da die Theorie, daß der Bürger des Staates wegen da sei, als an⸗

ewandt betrachtet werden? Nein, meine Herren, das klingt nach außen

fehr schön, aber Derjenige, welcher sich mit diesen Dingen eingehend beschäftigt, kann unmöglich glauben, daß das richtig ist; im Gegen⸗ theil, wenn wir nach der Meinung der Herren (links) die Privat⸗ gesellschaften für die Befriedigung der Zwangsversicherung zulassen wollten, dann würden wir für die Privatgesellschaften ein Monopol statuiren, und das würde den wirthschaftlichen Grund⸗ sätzen, die uns von jener Seite (links) gepredigt werden, erst recht widersprechen.

Ich habe aber auch noch einen andern Grund, weshalb ich Ihnen empfehlen muß, bei der Komposition der Berufs⸗ genossenschaften, wie die Vorlage sie Ihnen vorschlägt, stehen zu bleiben, und das ist der: keine Form der Versicherung ist so geeignet, der Unfallverhütung zu dienen, wie diese. Man hat vorhin davon gesprochen, daß gerade die Privat⸗Versicherungs⸗ gesellschaften dazu führten, daß die nöthigen Vorrichtungen zur Ver⸗ hütung von Unfällen in den einzelnen Betrieben vorgenommen würden, daß, weil die Privat⸗Versicherungsgesellschaften die Risiken mehr individualisiren könnten, nun die einzelnen Betriebsunternehmer ein Interesse daran haben müßten, den Betrieb rücksichtlich der Unfall⸗ verhütung so günstig auszustatten wie nur möglich, damit er bei der —“ in eine möglichst niedrige Klasse omme. Ich habe schon in der Kommission des Weiteren ausgeführt, daß ich es nicht verstehe, weshalb bei der Geschäftsverwaltung durch die Berufsgenossenschaft nicht eine ebenso gewissenhafte und sorg⸗ fältige Individualisirung der Risiken eintreten könnte wie bei den Privatgesellschaften. Es liegt auf der Hand, daß die Berufsgenossen⸗ schaften ebensoviel Kategorien, ebensoviel Prämienabstufunzen in ihrem Tarif machen können wie die Privatgesellschaften.

Uebrigens giebt es einen Grund, weshalb das direkte Interesse der Privat⸗Versicherungsgesellschaften nicht so intensiv darauf gerichtet sein kann, die Unfallverhütung zu begünstigen, und das ist der: Je mehr Einrichtungen zur Verhütung der Unfälle getroffen werden, je wirksamer diese Einrichtungen sich erweisen, um so weniger Unfälle kommen vor, um so niedriger sind die Prämien, die zu zahlen sind, und um so niedriger sind auch die Dividenden. Bei den Berufsgenossenschaften dagegen, die aus Genossen derselben Berufsart bestehen, bei denen keine dritte Person erxistirt, die ein Interesse an den Resultaten des Geschäfts hat, wo das Interesse des Vorstands das Interesse der Genossenschaft ist, mit diesem koinzidirt: da werden Sie auch eine wirksamere Unfall⸗ verhütung herbeiführen können, als es bei den andern Gesellschaften möglich ist.

Meine Herren! Ich werde mich jetzt nur noch mit ein Paar Worten zu dem Antrage des Hrn. Abg. von Maltzahn wenden. Ich kann erklären, daß die verbündeten Regierungen voraussichtlich gegen die Annahme dieses Antrages nichts einzuwenden haben werden. Er verdankt seine Entstehung der Parallele mit einem anderen ähnlichen Gesetze, dem Krankenkassengesetze, in welchem es vermieden worden ist, zu sagen, daß die Krankenkassen die Rechte juristischer Personen haben, weil nämlich die Rechte juristischer Personen in den einzelnen deutschen Ländern verschiedenartig gestaltet sind. Deshalb ist es besser, die Rechte, welche die Genossenschaften haben sollen, hier anders zu formuliren. Das beabsichtigt der Antrag des Hrn. Abg. von Maltzahn und ich kann Ihnen deshalb nur rathen, den Antrag anzunehmen.

Der Abg. Dr. Buhl betonte, der Abg. Richter sei in seinen Angriffen gegen ihn auf eine Rede zurückgegangen, die er zur Vertretung des gemeinschaftlichen Antrags im Jahre 1882 ge⸗ halten habe. Auf den unkommentmäßigen Hieb gegen ihn, daß die Thatsache, daß jener Antrag nach seinem Namen be⸗ nannt sei, nur daher rühre, weil er in der alphabetischen Reihe der Unterzeichner zuerst gestanden habe, erwidere er, daß er damals dringend gewünscht, der Antrag möchte einen anderen Namen bekommen. Bei einer Materie nun, wie die vorliegende, sei der Zeitraum von 1882 bis heute ein sehr langer, und es sei ganz unabwendbar, daß man sich im Laufe des Jahres überzeugt habe, daß Ansichten, die man gehabt habe, nicht mehr genau in derselben Form zu vertreten seien. Wenn er sich aber damals gegen das sta

liche Versicherungsmonopol ausgesprochen habe, so handele es sich hier doch um ganz andere Bildungen. Darin habe er allerdings seine Anschauungen seit dem Jahre 1882 wesentlich geändert, daß er damals für den Arbeiterzuschuß lebhaft ge⸗ sprochen, während er jetzt auf eine bessere Regelung der Ka⸗ renzzeit besonderen Werth legen zu müssen meine. Wenn er sodann in der ersten Lesung dafür eingetreten sei, daß man neben den Zwangsverbänden auch noch der freien Ver⸗ sicherung Spielraum lasse, namentlich den Gegen⸗ seitigkeitsgesellschaften der Aktiengesellschaften habe er nur nebenher gedacht —, so sei er durch den Gang der Kommissionsberathungen dahin gebracht worden, von dieser Forderung abzulassen. Es habe sich ergeben, daß die Rettung dieses Antrages vollständig unmöglich sei. Er habe sich in Folge dessen mit den Leitern der größten deutschen Gegen⸗ seitigkeitsgesellschaften in Verbindung gesetzt und sie gefragt, was er unter diesen Verhältnissen thun könnte, um ihren Geschäftsbetrieb zu retten, und habe von ihnen hierauf den Paragraphen, den er jetzt als §. 30 a vorlege, erhalten; sie selbst seien die Verfasser dieses Antrages. Habe er also in dieser Frage vorsichtiger sein können? Habe er persönlich in dieser Frage seinen Standpunkt seit 1882 so sehr geändert? Er sei 1882 für die Gegenseitigkeitsgesellschaften in erster Linie eingetreten, und ebenso in der ersten Lesung; und in der Zwischenzeit habe er in derselben Richtung mit den in dieser Beziehung sachverständigsten Leuten den jetzt vor⸗ liegenden Antrag formulirt. Dem Hrn. Abg. Payer könne er darin nicht Recht geben, als ob die Arbeiter, was die Ent⸗ schädigungszahlung betreffe, dabei interessirt seien, ob die Privatversicherungen erhalten würden oder nicht. Das sei für den Arbeiter nach dieser Richtung einerlei. Denn die Privat⸗ versicherungen wie die Genossenschaften würden die Entschädi⸗ gung genau nach den Bestimmungen des Gesetzes zu bezahlen haben. Wenn die Arbeiter, sobald die Privat⸗ versicherungen zugelassen würden, die Wahl hätten, dann läge die Sache anders. Aber der Arbeitgeber habe zu bestimmen, wo die Versicherung genommen werden müsse, und da liege doch die Gefahr nahe, daß die Arbeitgeber Versicherungen suchen würden, die möglichst billig mit ihnen arbeiteten. Ob dies im Interesse der Arbeiter unter allen Umständen liege, sei ihm wenigstens zweifelhaft. Ein berechtigter Vorwurf gegen die neue Organisation wäre es freilich, wenn durch das Gesetz die Unfallverhütungsvorschrift so sehr in den Hintergrund ge⸗ drängt würde, wie behauptet worden sei. Er meine aber, durch die Bestimmung des §. 28, wonach die Genossenschafts⸗ Versammlung den Unternehmern nach Maßgabe der in ihren Betrieben vorgekommenen Unfälle für die nächste Periode Zuschläge auflegen oder Nachlässe bewilligen könne, sei für den Arbeitgeber der Antrieb gegeben, dafür zu sorgen, daß möglichst wenig Unfälle vorkämen. Er sei überzeugt, wenn der Central⸗Verband der deutschen Industriellen sich neulich für die Möglichkeit der Beibehaltung der freien Kassen in der einen oder anderen Form ausgesprochen hätte, daß auf einen derartigen Antrag Rücksicht genommen worden wäre. Es sei das aber in keiner Weise geschehen, und er glaube, daß ge⸗ rade darin der Grund liege, daß die Diskussion hier nicht den Erfolg habe, den er so gerne wünschen würde. Es sei endlich gesagt worden, daß seine Partei bereits erklärt habe, dem Gesetze zuzustimmen. Seine Partei habe aber in der Kommission ausdrücklich erklärt, daß, da sie zur Zeit nicht in der Lage sei, mit ihren politischen Freunden sich zu be⸗ rathen, sie mit ihrem Votum ihre Partei in ihrer künftigen Stellungnahme durchaus nicht vinkuliren wolle. In dieser Beziehung sei absolut nichts Neues dazwischengetreten, und seine Partei werde am Schlusse der dritten Lesung zu über⸗ legen haben, ob die Vortheile, die dem Arbeiter durch das Gesetz geboten würden, derartige seien, daß seine Partei die vielen und schweren Bedenken, die sie auf der anderen Seite habe, aufgeben könnten.

(Während dieser Rede war der Reichskanzler Fürst von Bismarck in den Saal getreten.)

Der Abg. Schrader bemerkte, in der Kommission hätten doch bei der Schlußabstimmung die Nationalliberalen für das Gesetz votirt, obwohl nach ihrer eigenen Erklärung eine Reihe der wichtigsten Punkte ihren Intentionen widersprechend ge⸗ regelt worden seien, man werde also abzuwarten haben, wie die Partei im Plenum sich bei der entscheidenden Abstimmung stellen werde. Nach dem Vorredner wäre die Partei von ihrem ursprünglichen Standpunkt zurückgetreten, weil die In⸗ dustriellen nicht gewollt hätten. Bei einem für die Arbeiter bestimmten Gesetz könne es aber doch nicht nur allein auf das ankommen, was die Arbeitgeber dazu sagten, wenigstens sollten sich die Volksvertreter nicht auf einen so einseitigen Stand⸗ punkt stellen. Daß seine Partei den nationalliberalen Anträgen erst Opposition gemacht und sie dann selbst aufgenommen habe, könne doch kein Vorwurf für dieselbe sein. Seine Partei habe die nationalliberalen Anträge als nicht weit genug gehend be⸗ kämpft, zunächst loyal für ihre weiter gehenden Anträge ge⸗ stimmt und darauf die nationalliberalen Anträge acceptirt. Wenn seiner Partei überhaupt vorgehalten werde, daß sie ungerechte Vorwürfe erhebe, wie sei es denn gekommen, daß plötzlich in der Kommission in noch nie dagewesener Weise eine Koalition aufgetaucht sei, daß seine Partei gewissermaßen mundtodt gemacht sei? Nur daher, daß die nationalliberale Partei mit einem Mal unter allen Umständen acceptiren wollte; von Bennigsen habe am 18. Mai gesagt, er hoffe, Niemand werde so thöricht sein, das Gesetz abzulehnen, auch wenn es nicht allen Wünschen entspreche. Seine Partei möchte ja gern mit den Nationalliberalen zusammengehen, aber dieselbe hätte selbst in Heidelberg den Ruf gegen seine Partei er⸗ hoben, er seinerseits habe alles gethan, um den Frie⸗ den zu erhalten (Rufe rechts: Zur Sache!) er verlasse dieses Gebiet, um dem Minister von Boetticher zu antworten. Der Minister habe den Ausschließungsgründen den einen „wich⸗ tigsten“ hinzugefügt, daß nur auf diese Weise absolute Sicher⸗ heit für die Arbeiter und ihre Rente erreicht werden könne. Absolute Sicherheit gebe es aber bei menschlichen Einrichtungen überhaupt nicht, nicht durch Berufsgenossenschaften, nicht ein⸗ mal durch die Staatsgarantie sei sie zu erreichen. Die Rechte erkenne ja von den Berufsgenossenschaften selber an, daß sie nicht sicher seien; kein Industrieller würde ihnen beitreten, wenn nicht die Reichsgarantie dahinter stände. Wenn die Reichsgarantie nur „dekorativ“ sein solle, wozu solch' schöne Dekoration schaffen? Die Berufsgenossenschaften würden das, was sie leisten sollten, nicht thun, schon deswegen nicht, weil aus dem Gesetze ganze Kategorien von Arbeitern ausgeschlossen seien. Man sollte nur den Versuch bilden, eine neue Organi⸗ sation der Gesellschaft zu schaffen. Mit ihrer Freiheit sei es auch nicht weit her, sie bestehe darin, das zu thun, was vor⸗ geschrieben sei. Die Angriffe gegen die Privatgesellschaften

Seitens des Ministers diskreditirten diese, wenn Zahlen nur zur Hälfte angeführt würden, so weit sie gerade zur Argu⸗ mentation paßten. Würde man die Privatgesellschaften kon⸗ kurriren lassen, dann wäre es jedenfalls möglich, das Gesetz eher zur Ausführung zu bringen, als zum 1. Oktober 1886. Im Allgemeinen bedauern er, daß der Weg der Berufs⸗ genossenschaft eingeschlagen worden sei, gegen welche seine Partei sich ganz entschieden erklären müsse, wenn neben ihnen die Privatgesellschaften ausgeschlossen werden sollten.

Demnächst nahm der Staats⸗Minister von Boetticher das Wort:

Meine Herren! Ich bedaure, daß ich genöthigt bin, zum dritten Mal zu Ihnen zu sprechen, ich hätte mir das selbst gern geschenkt, aber der Herr Vorredner hat wieder so mißverständliche Auffassungen an die Erklärungen, die ich abgegeben habe, geknüpft, daß ich diese Auffassungen unmöglich unberichtigt ins Land gehen lassen kann. Dabei kann ich die Bemerkung mir nicht ersparen, die ich schon dem Hrn. Abg. Löwe gegenüber gestern gemacht habe, daß ich erwartet hätte, daß die Kommissionsberathungen und die dort gepflogenen Verhandlungen doch bei ihm mehr Boden gefaßt hätten, als dies thatsächlich der Fall gewesen ist.

Ich frage den Herrn Vorredner und erwarte den Beweis, wo in der Kommission und von wem die Erklärung abgegeben ist, daß die Begründung der Berufsgenossenschaften zum Zwecke der Unfallversicherung gar nicht das Unfallversicherungswesen im Auge hat, sondern daß es der Anfang einer Organisation ist, welche die Rettung der in Grund und Boden zerrütteten Gesellschaft bezweckt. Auch nicht mit einem Titelchen ist bei den Regierungen davon die Rede gewesen; im Gegentheil, die Berufsgenossenschaften haben davon ihren Ausgangspunkt genommen, daß man eben erwogen hatte, daß es die zweckmäßigste und beste Form der Regelung des Unfallversicherungswesens sei, und ich möchte den Herrn Vorredner bitten, ruhig abzuwarten, was sich für weitere Aufgaben an die Berufsgenossenschaften knüpfen werden; zunächst haben sie noch nicht den Zweck, die „in Grund und Boden zerrüttete Gesellschaft“ zu retten.

Dann frage ich weiter, wo und von wem die Erklärung abge⸗ geben ist, daß das neue Gesetz erst zum 1. Oktober 1886 in Wirk⸗ samkeit treten wird. Es ist diese Erklärung von Niemandem, wenizstens von keinem Vertreter der verbündeten Regierungen, abge⸗ geben worden, und wenn aus der Mitte der Kommission die Ver⸗ muthung ausgesprochen ist, daß die Organisation einen Zeitraum er⸗ fordern werde, der es erst gestattet, am 1. Oktober 1886 die Unfall⸗ versicherung in Kraft treten zu lassen, so kann ich dieser Vermuthung die bestimmte Versicherung entgegenhalten, daß wir früher mit der Organisation fertig werden.

Nun hat der Herr Vorredner gemeint, die berufsgenossenschaft⸗ liche Organisation kranke schon daran, daß sie nicht fähig sei, das erweiterte Unfallversicherungsbedürfniß für andere Kategorien von Arbeitern zu befriedigen. Ich habe in dieser Beziehung allerdings gestern und vorgestern gesagt, daß, wenn der Kreis der Versicherten über den §. 1 hinaus erweitert werden wird, wir für einzelne Ge⸗ werbszweige Modifikationen in der durch die Vorlage vorgesehenen Organisation werden vornehmen müssen. Daß aber auch diese Orga⸗ nisation in der Hauptsache eine berufsgenossenschaftliche wird sein können, das ist eine Ueberzeugung, an der wir festhalten.

Dann hat mir der Herr Vorredner den Vorwurf gemacht, ich hätte bei der Betrachtung der Geschäftsergebnisse der Unfallversiche⸗ rungsgesellschaften nur die eine Hälfte der Zahlen genannt und zwar diejenige Hälfte, die in meinen Kram passe. Nun, ich gebe zu, daß ich eine Periode gewählt habe, in der sich die Dividenden der Versicherungsgesellschaften in steigender Tendenz bewegten. Aber, meine Herren, die andere Hälfte konnte ich mir schon um deswillen ersparen, weil der Hr. Abg. Dr. Barth sie dem Hause mitgetheilt und er deducirt hatte, daß die Versicherungsgesellschaften keineswegs eine hohe Dividende abwerfen, daß sie theilweise sogar mit Unter⸗ bilanz arbeiten. Daran erlaubte ich mir die Bemerkung zu knüpfen, die ich hier wiederholen kann: dann mögen sie den Gesetz⸗ geber segnen, der sie von diesem wenig lukrativen Geschäft befreite. Aber wir sind überhaupt nicht der Meinung, daß die Unfall⸗ versicherung zum Gegenstande des Dividendenbezuges gemacht werden soll, und aus diesem Grunde schließen wir die Versicherungsgesell⸗ schaften von der Theilnahme an diesem Zweige der wirthschaftlichen Thätigkeit aus.

Nun hat der Herr Vorredner gemeint, ich hätte die Privat⸗Versiche⸗ rungsgesellschaften diskreditirt und das sei von Jemand, der der Stellvertre⸗ ter des Reichskanzlers sei und Stellvertreter des Handels⸗Ministers in Preußen, etwas ganz Unerhörtes. Ich appellire an das ganze Haus: ich habe die Privat⸗Versicherungsgesellschaften nicht diskreditirt; ich habe überhaupt kein Urtheil über ihr Geschäftsgebahren ausgesprochen, sondern ich habe dem Hause einfach die Zahlen vorgeführt, die sich aus den Geschäftsberichten der Versicherungsgesellschaften ergeben. Aber, meine Herren, wenn es Ihnen auf eine Kritik ankommt, so brauche ich meine persönliche Auffassung darüber Ihnen gar nicht vorzutragen, ich bitte Sie, sich nur die Jahrgänge der Berichte der Fabrikinspektoren, die Ihnen allen zugänglich gemacht sind, zur Hand zu nehmen, und nur das Inhaltsverzeichniß zu lesen und nachzuschlagen, wo in den einzelnen Berichten über die Thätigkeit der Privatgesellschaften Urtheile gefällt sinꝛd, dann wer⸗ den Sie allerdings mit mir die Ueberzeugung gewinnen, daß das bis⸗ herige Verfahren der Privat⸗Versicherungsgesellschaften an Coulanz sehr viel zu wünschen übrig läßt. Noch heute Morgen ist aus der

rovinz mir ein Blatt zugegangen, in dem ein ganz haarsträubender Fall von Behandlung eines Unfallsentschädigungsanspruchs sich ver⸗ zeichnet findet. Ich will das Haus nicht damit behelligen, diesen Fall des weiteren zu entwickeln, eben so rein wie die Engel, sind die Privat⸗Versicherungsgesellschaften nicht, und mir genügt die Erklärung eines Direktors einer unserer hervorragendsten Gesellschaften, die er mir gegenüber abgegeben hat: „ja, ich gebe Ihnen zu, Exeellenz, es ist viel gesündigt worden“. 5”.

Nun hat der Herr Vorredner weiter gesagt, die Organisation die wir jetzt vorschlagen, wird das nicht leisten, was sie leisten soll. Ich hätte gewünscht, daß der Herr Vorredner für diese seine An⸗ schauung, ich will ja gar nicht sagen, ein thatsächliches Moment vor⸗ gebracht hätte, denn das kann er natürlich nicht angesichts einer Organisation, die erst in der Zukunft liegt, daß er wenigstens eine durch gute Argumente begründete Vermuthung aufgestellt hätte: er ist ja sonst mit Argumenten und Voraussetzungen nicht sparsam gewesen. Er hat gemeint, die Privatgesellschaften würden ja selbst⸗ verständlich Rückversicherungen nehmen, sie würden ja alle Garantien leisten, um den Arbeiter in den Bezug seiner Entschädigungsrente sicher zu stellen; aber er hat nichts für diese Behauptung beigebracht und dieser Umstand enthebt mich eigentlich schon, nochmals auf die Sache ein⸗ zugehen. Aber ich frage die Herren: weshalb soll die Berufs⸗ genossenschaft, die zusammengesetzt wird aus etwa ein⸗, sechs⸗, zehntausend Unternehmern, nicht in sich ganz dasselbe leisten wie eine Privat⸗ Versicherungsgesellschaft, die aus keiner größeren Zahl von Unterneh⸗ mern besteht und die das große Heer von Agenten und von Beamten zu besolden hat, die hier bei der Organisation der Berufsgenossen⸗ schaften vollständig in Wegfall kommen? Wie man da die Behaup⸗ tung aufstellen kann, die Berufsgenossenschaften werden das nicht leisten, was sie leisten müssen, ist mir in der That mehr als unver⸗ ständlich. 8

Weiter, meine Herren, ist daran erinnert, es sei eine ganz büreaukratische Organisation. Das Ding nehme sich auf dem Papier vortrefflich aus, insofern als man ihm das Mäntelchen der Selbst⸗ verwaltung umgehängt habe, aber schließlich, wenn man sich die ein⸗ zelnen Paragraphen ansehe, werde man doch zu der Ueberzeugung kommen, daß in letzter Linie das Reichs⸗Versicherungsamt und der Bundesrath die entscheidenden Faktoren wären, daß sie die Zange in der Hand haben, mit der sie die Berufsgenossenschaften zucecht⸗ schmieden, und daß schließlich nichts ohne den Willen dieser beiden Organe geschehen könne. Nun, meine Herren, habe ich in der Kommission die Herren von der freisinnigen Partéz

mit

würden.

auf die Entscheidung ganz gleichgültig. 9 do einmal die staatliche Invalidenversorgung bei der Militär⸗

aufgefordert, Vorschläge zu machen, wie die Kompetenzen des Reichs⸗Bersicherungsamts und des Bundesratbs eingeschränkt werden könnten nach ihrer Meinung, und ich habe dabei an die Spitze den Satz gestellt: es kommt uns nur darauf an, die staatliche Kontrole soweit in Kraft zu setzen, als sie nothwendig ist, um den Zweck des Gesetzes sicherzustellen, um dem Arbeiter seine Rente zu geben. Aber, meine Herren, die Herren von der freisinnigen Partei haben auch nicht ein Titelchen eines Abänderungsvorschlags in Bezug auf die Kompetenzbestimmungen beigebracht. Wenn Sie die Güte baben wollen es ist heute noch nicht zu spät revidiren Sie an diesen Bestimmungen, wir lassen in diesem Punkt durchaus mit uns han⸗ deln, wenn Sie nur mit uns die Grenze anerkennen, daß es noth⸗ wendig ist, Sicherbeit zu schaffen für die Rechte des Arbeiters.

Also, meine Herren, der Hr. Abg. Schrader scheint mich, wie ich glaube, nicht widerlegt zu haben, und ich kann Sie nur wiederholt bitten, weisen Sie alle Anträge zurück mit Ausnahme des Antrags von Maltzahn und nehmen Sie die Vorlage an.

Der Abg. Richter (Hagen) erklärte, der Abg. Oechelhäuser meine, er (Redner) greife die nationclliberale Partei gewohnheitsmäßig an. Je mehr es bei dieser Partei zur Gewohnheit werde, liberale Interessen preiszugeben, umsomehr werde er unter denen sein, welche die Partei angriffen. Uebrigens sollte doch eine Partei, die die Losung ausgebe, gegen seine (des Redners) Partei auf der ganzen Linie zu avanciren, sich nicht gleich nervös zeigen, wenn von ihm ein kleines Scharmützel mit ihr angefangen werde. Jeder Versuch des Abg. Oechelhäuser, ihn in seiner Partei zu isoliren, sei völlig verhallt. Er wisse ja, daß der Abg. Oechelhäuser aus Ueberzeugung spreche; aber was er demselben vorwerfe, sei der häufige Wechsel in seiner Ueberzeugung. Die Schwenkung des Abg. Oechelhäuser datire erst von den freundlichen Worten des Reichskanzlers her, als derselbe sich daran erinnert habe, daß sie früher persönliche und politische Freunde gewesen seien. Da sei auf einmal Leben in die ganze Partei gekommen und da habe das Avanziren nach der anderen Richtung begonnen. Der Abg. Buhl werfe seiner Partei vor, daß sie jetzt für seinen früheren Antrag stimme. Wenn der Antrag der Nationalliberalen besser sei als nichts, so stimme seine Partei dafür; sie nehme das Gute, wenn sie es bekommen könne; und könne sie es nicht bekommen, so nehme sie selbst einem kleinen nationalliberalen Bischen vorlieb. Die nationalliberale Partei gebe ihren eigenen Antrag heute preis, und daher dürften die Nationalliberalen es seiner Partei nicht verübeln, daß sie an den früheren Positionen der Nationallberalen festhalte. Wenn die nationalliberale

Partei sage, es sei eine feste Mehrheit ihr gegenüber gewesen, sie hätte nicht anders, als geschehen, handeln können, so ser

das doch nicht richtig. Sie hätte sehr wohl für manche Ab⸗ stimmung einen anderen Ausfall herbeiführen können. Aber sie habe eben zu früh ihre Position geräumt. Der Reichs⸗ kanzler sei gewiß nicht ein Staatsmann, der mit dem Kopf durch die Wand renne, aber derselbe wisse genau zu unterscheiden, ob die Wand aus hartem Stein bestehe oder nur von Pappe sei.

Es sei ja möglich, daß die nationalliberale Partei sich die

Sache noch einmal überlege; und wenn sie wirklich in Kon⸗

sequenz ihrer mit seiner Partei früher gemeinschaftlichen An⸗

schauungen zu einem „Nein“ komme, dann wolle er reuig ab⸗ bitten, nicht nur was er heute, sondern auch, was er früher den Nationalliberalen vorgeworfen habe; aber er fürchte sehr, daß die Nationalliberalen ihn nicht in diese Lage bringen Der Minister von Boetticher meine nun, es würden keine Prozesse mehr vorkommen. Streitigkeiten würden immer vorkommen, nur werde das Tribunal ein anderes sein, ob man es nun ,Schiedsgericht“, oder ‚„Reichsversicherungsamt“ nenne. Für den, der im Streite liege, sei das in Bezug Sehe man sich doch

verwaltung an! Dort werde gewiß mit Wohlwollen ver⸗ fahren, und doch, wie viel Prozesse würden in allen Instanzen geführt! gesagt worden, daß eine einmalige Verurtheilung durch das Reichsgericht noch nicht genüge, um das Ministerium zu einem

Es sei ihm sogar einmal vom Kriegs⸗Ministerium

anderen Standpunkt in der Auszahlung von Geldern zu bringen, und daß man erst wiederholte Entscheidungen oder Plenarbeschlüsse des Reichsgerichts erwarte. Dafür treffe die Behörde kein Vorwurf; das sei alles Folge der Organisation; und je komplizirter die Organisation sei, desto büreaukratischer werde die Verwaltungsschablone, desto weiter werde das Feld für die Prozesse. Nun sage der Minister, die Unfallversiche⸗ rungsgesellschaften lebten von den Unfällen und je mehr Un⸗ fälle, desto mehr verdienten sie; deshalb könnten die Privat⸗ esellschaften nicht das Interesse haben, Unfälle zu verhüten. Diese Logik wäre hinreichend, um die Aerzte zu verstaatlichen. Die Aerzte lebten bekanntlich auch von Krankheiten. Je länger der Mann krank sei, desto öfter mache der Arzt Besuche, desto größer würde die Rechnung. Verstaatliche man daher die Aerzte, damit die Krankheit nicht zu sehr hinausgezogen werde. Im Gegentheil, das Interesse der verschiedenen konkurrirenden Gesellschaften zwinge sie, nicht nur billiger, sondern auch besser das Publikum zu bedienen; es zwinge sie, zur Ermöglichung eines billigen Preises die Risiken zu individualisiren und dem, der Vorkehrungen gegen Unfälle treffe, eine Prämie zu ge⸗ währen. Es sei das ebenso mit der Feuerversicherung, auch hier müßte man zur Verstaatlichung gelangen. Die Angaben, betreffs der hohen Dividenden des unverhältnißmäßig großen Nutzens aus den Unfällen, hätten sich als ganz haltlos her⸗ ausgestellt. Ein gewagtes Geschäft, wie eine Ver⸗ sicherung, müsse immer einen höheren Gewinn ab⸗ werfen, als ein sicheres. Gelder in Privatunternehmen angelegt, brächten mehr, als Staatspapiere. Wenn ein Direktor einmal durchgehe, so mache man großen Lärm. Man müßte dann auch die ganze Staatsinstitution verurtheilen, wie viel werde bei der Staatsbank oder bei der Post häufig genug defraudirt? Einerseits sollten die Versicherungen viele Prozente geben; werde denn ein Rittergut nicht oft auch mit 10 Proz. Nutzen verkauft? Werde denn andererseits nicht ebenso oft, wie eine Gesellschaft zu Grunde gehe, ein Ritter⸗ gut subhastirt? Sei das ein Grund zur Verstaatlichung der Rittergüter? Sie müßten ja schließlich das ganze Bankwesen verstaatlichen, weil unter dem Staate die von den Bürgern angelegten Gelder sicherer seien. Wolle man die Sicherheit des Staates erhalten, so müsse man ihn nicht zu Ausgaben veranlassen, die ihm nicht zugehörten, oder zu Aufgaben ver⸗ anlassen, die nicht seine Sache seien.

Hierauf nahm wiederum der Staats⸗Minister von Boet⸗ ticher das Wort:

Meine Herren! Nur wenige Worte. Ich habe neulich schon Gelegenheit genommen, die Art und Weise des Herrn Abg. Richter zu charakterisiren, die darin besteht, daß er sich die Dinge und die Deduktionen seiner Gegner so zurechtlegt, wie er es für seine Zwecke braucht.

Er hat auch heute wieder mir Dinge untergelegt, von denen ich gar nicht gesprochen habe, und nur auf die Berichtiaung dieser Dinge kommt es mir an. Ich stelle dem Herrn Abg. Richter mein un⸗ korrigirtes Stenogramm zur Disposition und setze eine Prämie von beliebiger Höbe aus, wenn er mir aus diesem Stenogramm nachweist, daß ich das Wort „Verstaatlichung“ in den Mund genommen habe. Ich babe absolut nicht davon gesprochen.

Der zweite Punkt ist der. Er hat gesagt, ich hätte von einem durchgebrannten Direktor einer schweizerischen Gesellscaft geredet zu dem Zwecke, um den Nachweis zu jühren, daß die Privatgesellschaften nicht in den Kreis dieses Gesetzes einbezogen werden könnten, weil man der Gefahr der Unter⸗ schlagung Seitens ihrer Beamten ausgesetzt sei. Meine Herren, ich hätte das sagen können, gewiß, denn insofern besteht auch ein wesent⸗ icher Vortheil auf Seiten der Berufsgenossenschaften gegenüber den Privatgesellschaften, als die Beamten mit den Kassen nicht durch⸗ gehen können, weil erst nach Ablauf des Jahres die Beiträge umgelegt verden, und eine Kasse in der Hauptsache nur geführt wird für den Reserve⸗ fonds. Ich habe davon aber gar nicht gesprochen, sondern ich habe gesagt, die Winterthurer Gesellschaft hat im Jahre 1877 und 1878 die und

die Dividende gegeben, dann bin ich weiter fortgefahren: demnächst ist allerdings die Dividende weggefallen, und das lag daran, daß der Direktor durchgebrannt ist. Daß ich diesen Direktor angezogen habe, um damit die Privatgesellschaften zu verdächtigen, das ist mir ga nicht eingefallen.

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Ich bitte Sie also, daraus neue Belege für die Kampfeswe Hrn. Abg. Richter zu entnehmen.

Der Abg. Frhr. Langwerth von Simmern erklärte, er stehe in dieser Frage noch durchaus auf dem Boden wie vor drei Jahren und werde also gegen §. 9 und für den Eventual⸗ antrag Barth stimmen. Damals habe es sich um die Frage gehandelt, ob die Ersetzung der Reichsversicherung durch die der Einzelstaaten schon für ihn genüge, um in einen Aus⸗ schluß der Privatversicherung zu willigen, und ob er bei einem solchen Ausschluß für das Gesetz stimmen könne. Er verneine das und müsse heute ebenso die Frage verneinen, daß die Substituirung der Zwangsgenossen⸗ schaften genüge. Die Erfahrung habe ihn leider gelehrt, daß alle diese modernen Organe der Selbstverwaltung sehr wenig innere Kraft besäßen und daher nothwendig unter die Herr⸗ schaft des Beamtenthums gerathen würden. Im vorliegenden Falle werde nach seiner Ueberzeugung dafür werde schon das Reichs⸗Versicherungsamt sorgen trotz Allem eine Reichsversicherung aus diesen Zwangsgenossenschaften stehen. Er fühle sich deshalb verpflichtet, gegen den Ausschluß der Privatgesellschaften und für den betreffenden Eventual⸗ antrag Barth zu stimmen, und müsse seine Zustimmung zu dem Gesetz von der Zulassung der Privatgesellschaften, wie nicht minder von dem Wegfall der Reichsgarantie abhängig machen.

Von der rechten Seite wurde der Schluß der Diskussion beantragt.

Der Abg. Richter (Hagen) verlangte darüber die nament⸗ liche Abstimmung, da dieser Schlußantrag lediglich den Zweck habe, ihm die wenigen Worte, die er dem Staatssekretär von Boetticher zu erwidern habe, abzuschneiden.

Der Schlußantrag wurde nicht zurückgezogen und mit 128 gegen 104 Stimmen angenommen.

(Während dieser Abstimmung verließ der Reichskanzler den Saal.)

Der Abg. Richter bemerkte persönlich, der Minister von Boetticher nehme jetzt die Gewohnheit an, am Schluß der Diskussion, wenn derselbe zur Sache nicht mehr spreche, einen Wortstreit zu erheben. Der Minister suche es so darzustellen, als ob er (Redner) persönlich die Methode befolgen wollte, die Aeußerungen des Ministers falsch wiederzugeben. Was sollte er daran wohl für ein Interesse haben? Es liege dem Hause ja der stenographische Bericht vor, und alle seien ja Zeugen von dem, was der Minister gesagt habe. Allerdings habe der Mi nister nicht ausdrücklich von Verstaatlichung gesprochen er habe das aber auch gar nicht behauptet, sondern nur gesagt, daß die hier vorgeschlagene Unfallversicherung gleichbedeutend mit Verstaatlichung sei. Den Kassendefekt bei der Winter⸗ thurer Gesellschaft habe der Minister allerdings im Zusammen⸗ hang mit einer Kritik der Privatgesellschaften erwähnt. Auch die konservative Seite habe durch ihre Zurufe zu erkennen ge geben, daß sie jene Erwähnung als einen Angriff auf die Privatgesellschaften auffasse; und er habe es ebenso aufgefaßt, wie die Konservativen.

Nach einem Schlußwort des Referenten Abg. Dr. Frhr. von Hertling, in welchem er die Kommission gegen den Vor⸗ wurf in Schutz nahm, daß die Minderheit mundtodt gemacht sei, wurde zur Abstimmung geschritten.

Der Antrag Barth sub A auf unveränderte Fassung des Ab⸗ satz 1 wurde abgelehnt, ebenso in namentlicher Abstimmung mit 170 gegen 68 Stimmen der Antrag Barth sub B auf Ein⸗ fügung eines neuen §. 9a.

Der Antrag Maltzahn auf Aenderung des Absatzes 4 wurde angenommen, alle anderen Amendements abgelehnt und der Antrag Grad zurückgezogen.

Der ganze §. 9 wurde in der nach dem Antrage Maltzahn geänderten Fassung angenommen.

Hierauf vertagte sich das Haus Donnerstag 11 Uhr.

x* u““ für den Deutschen Reichs⸗ und Königl. Preuß. Staats⸗Anzeiger und das Central⸗Handels⸗ register nimmt an: die Königliche Expedition des Deutschen Reichs⸗Anzeigers und Königlich Preußischen Staats-Anzeigers:

Berlin SW., Wilhelm⸗Straße Nr. 32. 8 *

.Steckbriefe und Untersuchungs-Sachen.

2. Subhastationen, Aurgebote, Vorladungen u. dergl.

Verkäufe, Verpachtungen, Submissionen ete.

4. Verloosung, Amortisation, Zinszahlung u. s. w. von öffentlichen Papieren.

Deffentlicher Anzeiger.

5. Industrielle Etablissements, Fabriken und

Grosshandel.

.Literarische Anzeigen. 8. Theater-Anzeigen. b 9. Familien-Nachrichten.

8. Verschiedene Bekanntmachungen.

In der Börsen- beilage. R

Inserate nehmen an: die Annoncen⸗Expeditionen des „Invalidendank“, Rudolf Mosse, Haasenstein & Vogler, G. L. Danbe & Co., E. Schlotte, Büttner & Winter, sowie alle übrigen größeren Annoncen⸗Bureaux.

Steckbriefe und Untersuchungs⸗Sachen.

[28674] Bekanntmachung. 8 17) In der Untersuchungssache wider von Pressenthin und Genossen J. IV. c. 629. 83 ist durch rechtskräftiges Erkenntniß der Strafkammer III. des Könialtchen Landgerichts I. Berlin vom 23. April 19) 884

1) der Wilhelm Otto Rudolph von Pressen⸗ thin, geboren am 25. September 1862 zu Hölken⸗ wiese, Kreis Bublitz,

2) der Friedrich Gustav Heinrich Harder, am

16) Conrad

Sternberg,

Richard Franz Mallien, geboren am 6. Februar 1855 zu Charlottenburg,

Gustav Goldmann, geb

1852 zu Namslau,

18) Carl Friedrich Haube, geboren am 13. Ja⸗ nuar 1854 zu Kienbaum, Kreis Niederbarnim, Ferdinand 14. September 1860 zu Stuttgardt,

20) Hugo Guttmanu, geboren am 2. März 1860 1 zu Polnisch⸗Wartenberg, den obengenannten Untersuchungsakten anzuzeigen. 21) Louis Anton Malasson, 1857 zu Sangerbausen geboren,

oren am 7. März einer Geldstrafe von 200 ℳ,

substitutren, verurtheilt worden.

Julius Adam, geboren am

Kreis Ost⸗ den ergebenst ersucht, im anlassen,

am 9. November Berlin, den 29. Mai 1884.

wegen Entziehung der Militärpflicht Vergehen gegen §. 140 Abs. 1 Nr. 1 Strafgesetzbuchs zu welcher

mögensfalle eine Gefängnißstrafe von 20 Tagen zu

Der Aufenthalt der vorgenannten Personen ist unbekannt. Die Gerichts⸗ und Polizeibehörden wer⸗ Betretungsfalle behufs Beitreibung der Geldstrafe das Erforderliche zu ver⸗ oder den Aufenthalt des

helm und Ludwig Westhoff und des Lohgerbers Wilhelm Rasche hier, als Bevollmächtigter der Wittwe Philipp Munkenbeck, Louise, geb. Munken⸗ beck, zu Düren, wird das an Siebelswiese belegene Grundstück Flur V. Nr. 155/8 der Katastral⸗ gemeinde Schwerte, Wiese, in Größe von 39 Are 86 Qu.⸗Mtr., hierdurch öffentlich aufgeboten.

Alle Diejenigen, welche Eigenthumsansprüche oder dingliche Berechtigungen an das genannte Grund⸗ stück geltend machen wollen, werden aufgefordert, ihre Rechte und Ansprüche auf das Grundstück spä⸗ testens bis zum Aufgebotstermine,

am 13. August er., Morgens 9 Uhr,

im Unver⸗

Ermittelten zu

ent⸗

4. April 1861 zu Zinzow, Kreis Anklam, geboren,

3) Paul Otto Alwin Kirschke, geboren am 4. Oktober 1859 zu Goldberg, Regierungs⸗Bezirk Liegnitz,

4) Hermann Theodor Paul Koch, geboren am 26. März 1854 zu Berlin,

5) Ferdinand Heinrich Spriugboru, geboren am 4. Mai 1852 zu Wilhelmshof, Kreis Prenzlau⸗,

6) Carl Friedrich Hoffmann, geboren am 20. Juli 1856 zu Roßbach, Kreis Querfurt,

7) Carl Arnold Willy Schmidt, geboren am 29. September 1853 zu Krummpohl, Kreis Dt.⸗ rone,

8) Max Georg Schneider, geboren am 14. Sep⸗ tember 1856 zu Görlitz,

9) Paul Eugen Liske, geboren am 13. April 1859 zu Görlitz,

10) Franz Robert Ernst Habeker, geboren am .September 1852 zu Angermünde,

11) Carl Hermann Spranger, geboren am 10. März 1852 zu Netzschkau, Gerichtsamt Reichen⸗ a

12) Oskar August Hugo Peters, geboren am 15. Juli 1857 in Berlin,

13) Julius Katz, geboren am 3. Juni 1856 zu Stenschewo, Provinz Posen,

14) Friedrich Wilhelm Richard Krause, geboren am 1. Februar 1855 zu Berlin,

15) Heinrich Sperling, geboren am 26. Jan 1854 zu Abscherningken, Kreis Darkehmen,

22) Schaul Schymek (richtig Syymmeck), ge⸗ boren zu Mur⸗Gostin, Kreis Obornik, am 14. März 1861,

23) Hillel Hillel, geboren am 11. Juli 1862 zu Rogasen, Kreis Obornik,

24) Carl Ludwig Friedrich Bussian, geboren am 19. Oktober 1860 zu Pollnow, Kreis Schlawe,

25) Adolf Kaplau, geboren am 1. Mai 1856 zu Gostyn, Kreis Kröben,

26) Wolff Kaplan, geboren am 4. August 1859 zu Gostyn, Kreis Kröben, ¹

27) Sigismund Schüler, geboren am 27. Januar 1855 zu Marsow, Kreis Schlawe,

28) Christian Ferdinand Stüwe, geboren am 28. September 1857 zu Neu⸗Bewersdorf, Kreis Schlawe, .

29) Cigarrenmacher Isaak Tisch, geboren am 9. April 1859 zu Ostrowo, Kreis Adelnau, b

30) Gustav Albert Krause, geboren am 29. Juni 1859 zu Brandenburg a. H.,

31) Carl Friedrich Wilhelm Hermann Werner, geboren am 22. September 1860 zu Fürstenfelde, Kreis Königsberg N⸗M.,;

32) Paul Emil Max Schimmeier, geboren am 30. August 1860 zu Cüstrin,

33) Jacob Diemant, geboren am 13. Januar 1860 zu Schwerin a. W.,

34) Adolph Wilhelm Morbock, 22. Januar 1860 zu Pforzheim,

geboren am

Staatsanwaltschaft bei köl ses Landgericht I. 1 Lippert.

[2867621

Der geboren am 8. November 1859 in Sawade, Kreis Grünberg, zuletzt daselbst wohnhaft, wird beschuldigt, als beurlaubter Reservist ohne Erlaubniß ausgewan⸗ dert zu sein, Uebertretung gegen §. 360 Nr. 3 des Strafgesetzbuchs.

Lupke wird auf Anordnung des Königlichen Amts⸗ gerichts hierselbst auf den 19. September 1884, Vormittags 10 Uhr, vor das Königliche Schöffengericht hier zur Haupt⸗ verhandlung geladen.

Bei unentschuldigtem Ausbleiben wird derselbe auf Grund der nach §. 472 der Strafprozeßordnung von dem Königlichen Bezirks⸗Kommando zu Frey⸗ stadt ausgestellten Erklärung verurtheilt werden.

Grünberg, den 14. Juni 1884.

Mewe, 3 1 Gerichtsschreiber des Königlichen Amtsgerichts.

Subhastationen, Aufgebot

18 ladungen u. dergl. Aufgebot.

Auf Antrag des Zimmermeisters Friedrich Stoecker hier, als Vormund der Minorennen Wil⸗

Vor⸗

Bauersohn Johann Ernst Reinhold Lupke,

anzumelden, widrigenfalls dieselben durch Ausschluß⸗ urtheil mit ihren Ansprüchen und Rechten auf das gedachte Grundstück ausgeschlossen werden. Schwerte, den 12. Juni 1884.

Königliches Amtsgericht.

[28719] Aufgebot.

Auf Antrag des Kaufmanns Ernst Schulte gent. Noelle zu Schnee bei Witten und des Lohgerber⸗ meisters Wilhelm Rasche von hier, für sich und als Bevollmächtigter der Wittwe Philipp Munkenbeck, Louise, geb. Munkenbeck, zu Düren wird das an Siebelswiese belegene Grundstück Flur V. Ner. 154/8, Katastralgemeinde Schwerte, Wiese, in Größe von 37 a 23 qm hierdurch öffentlich aufgeboten.

Alle Diejenigen, welche Eigenthumsansprüche oder dingliche Berechtigungen an das gedachte Grundstück geltend machen wollen, werden aufgefordert, ihre Rechte oder Ansprüche auf das Grundstück spätestens bis zum Aufgebotstermin am

13. Augnst er., Morgens 9 Uhr, anzumelden, widrigenfalls dieselben durch Ausschluß⸗ urtheil mit ihren Ansprüchen und Rechten auf das gedachte Grundstück ausgeschlossen werden.

Schwerte, den 22. Juni 1884.

Königliches Amtsgericht.