1884 / 280 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 27 Nov 1884 18:00:01 GMT) scan diff

Gebirgshopfen 90 100 ℳ; Aischgründer 70 95 ℳ; Württem⸗

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direktion für Gesundheit und Wohlthätigkeit vom 10. November d 11öe 9 22. 1 unter Ziffer 1 ist die 1en. b anzösischen Gr

enze von 10 Tagen auf 7 Tage

klar, faßlich und jedem Laien verständlich geschrieben. den großen und wichtigen Aufgaben d den Grundzügen 8 Reichsseuchengesetze

1 Seuchenpolizei, der allgemeinen Seuchenlehre, vom 23. Juni 1880 aufgeführten den sog. Gewährsfehlern oder Hauptmängeln. versteht man eine auf eine gleiche Ursache zurückzuführende Krankheit, welche rasch nach einander eine größere Anzahl von Thieren ergreift. Die Ursache der Seuchen liegt nicht etwa im Mangel nothwendiger Lebensbedingungen, sondern in einem von außen in den Körper ein⸗ dringenden iftstoff. Man hat es hierbei nicht mit einem unbelebten Gifte, sondern mit einem belebten Gifte (sog. Pilze) zu thun. Beim Milzbrand. Rotz und bei der Tollwuth hat man im Blute der er⸗ krankten Thiere solche Pilze (Bakterien genannt) gefunden, und ohne Zweifel werden auch bei andern Seuchen solche Pilze vorhanden sein. Da der einzelne Viehbesitzer sich nicht wirksam gegen die Seuchen, welche oft rasch seinen ganzen Viehstand vernichten und da⸗ durch dem Volkswohlstande große Gefahren bereiten, zu schützen ver⸗ mag, so mußte es eine wichtige Aufgabe der Staatsregierung sein, auf dem Wege der Gesetzgebung für wirksamen Schutz gegen die Seuchen und rasche Tilgung derselben zu sorgen. Während bezüglich der Rinderpest schon durch zwei Reichsgesetze vom 7. April 1869 mit einer revidirten Instruktion vom 9. Juni 1873 und vom 21. Mai 1878 einheitlicher Schutz geschaffen war, fehlte ein derartiges einheitliches Reichsgesetz für alle übrigen Seuchen. Demgemäß wurde, nachdem von verschiedenen Seiten auf die Noth⸗ wendigkeit eines solchen Gesetzes hingewiesen worden, am 20. Juni 1880 das Reichsgesetz, betreffend die Abwehr und Unterdrückung von Vieh⸗ seuchen, erlassen und trat mit dem 1. April 1881 in Kraft; dazu kamen noch eine Instruktion vom 24. Februar 1881 und Vollzugsverordnung der Einzelregierungen (in Baden Verordnung vom 17. März 1881). Nach einer Einleitung, welcher wir das Vor⸗ stehende entnommen haben, bespricht der Verfasser das Reichsseuchen⸗ gesetz vom 23. Juni 1880, welches im Anhange zu diesem Buche wörtlich abgedruckt ist. Dann folgen die Abschnitte: 1) Abwehr der Einschleppung aus dem Auslande, 2) Unterdrückung der Viehseuchen im Inlande: a. Allgemeine Vorschriften, b. besondere Vorschriften für einzelne Seuchen, c. besondere Vorschriften für Schlachtviehhöfe und öffentliche Schlachthäuser, d. Entschädigung für getödtete Thiere. 3) Strafvorschriften. Im folgenden Kapitel behandelt der Verfasser diejenigen Seuchen, welche im Reichsseuchengesetz als anzeigepflichtig angegeben, sind, sowohl deren Ursachen, als deren Behandlung: 1) den Milzbrand, 2) die Tollwuth und 3) den Rotz. Für diese 3 Krankbeiten und für die Lungenseuche und Schafpocken schlägt der Verfasser als bestes eil⸗ resp. Vorbeugungsmittel die Impfung gesunder Thiere mit der ymphe der von seuchekranken Thieren gezüchteten Pilze vor. Besonders beim Milzbrand, bei der Lungenseuche und bei Schafpocken haben sich die Impfungen sehr bewährt und die gesunden Thiere trotz Berührung mit kranken Thieren vor der Seuche geschützt. Es folgen 4) Maul⸗ und Klauenseuche des Rindviehs, der Schafe, Ziegen und Schweine. 5) Lungen⸗ seuche des Rindviehs. 6) Pockenseuche der Schafe. 7) Beschälseuche der Pferde und Bläschenausschlag der Pferde und des Rindviehs. 8) Räude der Pferde, Esel, Maulthiere, Maulesel und Schafe. Der 2. Theil hat folgenden Inhalt: Währschaftsgesetzgebung und Gewähr⸗ fehler. I. Die Währschaftsgesetzgebung. II. Die Grundsätze der Gewähr⸗ leistung nach gemischtem Recht: 1) Verkauf und Uebergabe, 2) Pflicht der Nachgewähr, 3) Gewährleistungsklage, 4) Gerichtsbarkeit und Gerichts⸗ stand, 5) Fristen. Dann folgt die Beschreibung der einzelnen Gewähr⸗ fehler: a. bei Pferden: Koppen, Augenleiden, Rotz, Dämpfigkeit, Koller, fallende Sucht; b. beim Rindvieh: Tragsack und Scheide⸗ vorfall, Lungen⸗ und Perlsucht, Lungenseuche, fallende Sucht; c. bei Schafen: Räude und Fäule; d. bei Schweinen: Finnen. Der Anhang am Schlusse enthält: 1) das Reichsgesetz, betreffend die Ab⸗ wehr und Unterdrückung von Viehseuchen vom 23. Juni 1880; 2) die 1n. a. RE11“ für Mängel d uften Sache (französisches Civilrecht). b. Da ähr⸗ schaftsgesetz vom 23. April 1859. 18 uö“

und Handel. Nürnberg, 25. November. (Hopfenmarktbericht von Leopold Held.) Das rege Geschäft der Vorwoche setzte sis gestern fort, so daß bei einer Zufuhr von 400 Säcken über 900 Ballen die Eigner wechselten. Heute ist die Frage bis Mittag mäßiger gewesen. Zugebracht wurden ca. 250 Ballen vom Lande und etwa 500 von der Bahn. Die Frage erstreckte sich auf feine Hopfen und ganz billige Waare. Mittelsorten waren weniger beachtet. Die Stimmung ist ruhig. Die Preise sind unverändert: Markthopfen 68 85 ℳ;

berger prima 100 110 ℳ, do. mittel 80 90 ℳ, do. ge⸗ ringe 70 78 ℳ; Hallertauer prima 100 105 ℳ; do. mittel 80*— 88 ℳ, do. geringe 70 77 ℳ; Elsässer 68 82 ℳ; Posener 95— 120 ℳ; Wolnzacher und Auer⸗Siegelgut 112 125 ℳ; Spalter Landhopfen 115 130 ℳ; Bessere Lagen 135 140 ℳ; Moos⸗ bach, Stirn 170 180 ℳ; Spalter Stadt 185 195 Amsterdam, 26. November. (W. T. B.) Die heute durch die niederländische Handelsgesellschaft abgehaltene Kaffeeauktion eröffnete für Nr. 1 zu 29 ¾ à 30, Nr. 4 36 ¾ à 37 ⅛, Nr. 6 30 ¼ à 30 ½, Nr. 9 30 ½, Nr. 12 29 ¾ à 30, Nr. 15 46 à 48, Nr. 17 28 ¾ à 29 ¼, Nr. 19 28 ¼, Nr. 24 32 ¾ à 33 ½ Cent.

2 London, 26. November. (W. T. B.) Aus Halifax in Füheslhire grar⸗ die Zahlungseinstellung der Wollspinner und

abrikanten Scarborough Brothers gemeldet. Die Passiva werden auf 130 000 Pfd. Sterl. angegeben. Als Grund der Zahlungs⸗ ““ EE deis elheeise bezeichnet. kondon, ovember. .T. B.) Bei der gestri

auktion waren Preise unverändert. 1 Ke eggel- 1

8 amburg, 26. November. T. B.) Der Postda „Bavaria“ der Hamburg⸗ Pne aesade E Aktiengesellschaft ist, von Hamburg kommend, heute in St. Thomas, und der Postdampfer „Wieland“ derselben Gesellschaft von Hamburg kommend, heute Morgen in New⸗Pork eingetroffen. 1 Fiume, 27. November. (W. T. B.) Gestern ist der neue Leuchtthurm im hiesigen Hafen in Funktion getreten.

Sanitätswesen und Quarantänewesen. CeEE1ee“ au nordnung des K. K. inisteriums des Innern vor 12. November d. J. haben im Hinblick auf die shereceere Besse⸗ rung der Gesundheitsverhältnisse in Italien und insbesondere in den an die österreichisch⸗ungarische Monarchie grenzenden venetianischen Provinzen die Länderchefs von Triest, Klagenfurt und Innsbruck die Weisung erhalten, daß die aus Anlaß des Fortschreitens der Cholera in Italien seiner Zeit getroffene Maßregel, betreffend die sanitäre Revision der auf Landwegen in das dortige Verwaltungsgebiet über⸗ tretenden Reisenden und ihres Gepäcks „R.⸗A.“ Nr. 250 vom 23. Oktober nunmehr außer Anwendung zu setzen sei.

Alle übrigen hinsichtlich des Eisenbahnverkehrs nach Italien ge⸗ troffenen Maßregeln werden vorläufig noch aufrecht erhalten.

8 ö panien. 1 Nachdem Schiffe, welche aus nicht inficirten Ländern direkt ommend in spanische Häfen einlaufen, vom 14. November ab frei zugelassen werden („R.⸗A.“ Nr. 276 vom 22. November) soll die einzige Beschränkung für ungehinderte Landung von Waaren und Pngiern aus solchen Schiffen fortan darin bestehen, daß die

aaren nachweislich nicht aus Frankreich kommen und die Passagiere

ein Certifikat vorzeigen müssen, aus welchem hervorgeht, daß sie seit Ausbruch der Cholera in Paris Frankreich nicht berührt haben.

In Abänderung des Erlasses der Königlich spanischen General⸗

Dasselbe hat den Zweck, den Landwirth eingehender bekannt zu machen: 3 mit und Aö.. 1 2. . einzelnen Seuchen; 2) mit den gesetzlichen Bestimmungen beim Thierkauf und Unter einer Seuche

Tod, das Alles ist dem Komponisten in der musikali

Ferkesich Aeküngen eͤfinden in der 4-⸗ 188 lschen Zelchnnng n .— Die Darstellung war im All

weiblichen Hauptrollen eine ausgezeichnete. eFaeiegn eige getetien

welche die umfangreiche und schwierige Partie der

Berlin, 27. November 1884.

Der Verein „Kinderhort“, der sich die Beaufsichtigung und Beschäftigung schulpflichtiger Kinder unbemittelter Eltern in der schulfreien Zeit zur Aufgabe gestellt hat, hielt gestern Abend unter

orsitz des Stadt⸗Schulinspektors Dr. Zwick im Restaurant „Zum Roland“ seine Jahresversammlung ab. Der im Juni vorigen Jahres begründete Verein zählt bereits 635 Mitglieder und verfügte im ersten Jahre seines Bestehens über eine Einnahme von 2429 ℳ, die ihm gestattete, im Oktober v. J. einen „Knabenhort“, im April d. J. einen „Mädchenbort“ zu eröffnen. Bei Einrichtung der Anstalten galt als leitender Gesichtspunkt: das Zusammenleben der Kinder in den einfach ausgestatteten Wohnräumen demjenigen in der Familie möglichst ähnlich zu machen. Der Aufenthalt in der Anstalt um⸗ faßt die Zeit von 2 bis 7 Uhr Nachmittags. Der Knaben⸗ hort wurde mit 25 Knaben eröffnet; die Zahl derselben stieg allmählich bis über 50, hat sich dann aber wieder etwas ver⸗ mindert. Der Mädchenhort wurde von durchschnittlich 24 Mädchen besucht. Zur Veranstaltung von Bewegungsspielen war den Anstalten, die in der Gerichts⸗ bezw. Fennstraße gelegen sind, ein Platz im Humboldthain zur Verfügung gestellt. Während der beißen Monate erhielten die größeren Knaben Badekarten. Da sehr viele der Kinder durchaus mangelhaft ernährt waren, wurde mit der 9. Volksküche ein Abkommen getroffen, demzufolge die Küche während des Winters die Lieferung nahrhafter Suppen übernahm. Vom Dezember bis März sind auf diese Weise 1730 Portionen Suppe vertheilt wor⸗ den; je 2 Portionen waren für 3 Knaben ausreichend. Während des Sommers trat im Knabenhort an Stelle der Suppe abgekochte Milch, von der 1560 1 verbraucht wurden; die Mädchen erhielten auch im Sommer Suppe. Eine große Schwierigkeit bildete die zweckmäßige Beschäftigung namentlich der Knaben. Man hat zu⸗ nächst die Anfertigung gewöhnlicher Papparbeiten vorgenommen und will in diesem Winter nun auch Flickschneiderei treiben. Das Ministerium des Innern unterstützte die Bestrebungen des Vereins durch einen Beitrag von 300 Mit dem 1. Oktober ist der Knaben⸗ hort nach der Pankstraße 1 a. übergesiedelt, während der Mädchenhort sich auch fernerhin Fennstraße 2 befindet. Die Gesammtausgabe des sich auf 2387 ℳ, so daß ein Bestand 2

eben ist. .

Das „Leipziger Tageblatt“ veröffentlicht einen Aufru Beiträgen, um zu Ehren des ersten deutschen I Carl Rudolf Bromme bei Gelegenheit der 25 jährigen Wieder⸗ kehr seines Todestages (9. Januar 1885) an dessen Geburts⸗ hause in Anger bei Leipzig eine Gedenktafel zu stiften. Bromme, der die griechische Marine organisirt hatte, wurde in Folge seines im Februar 1848 in Berlin ver⸗ öffentlichten Buchs „Die Marine“ im Jahre 1849 nach Frankfurt a in die Reichsregierung berufen und brachte in der kurzen Zeit von 3 Monaten die Flotte so weit, daß er mit der Dampffregatte „Barbarossa“ (9 Geschütze) und den Dampfkorvetten „Hamburg“ und „Lübeck“ (je 4 Geöhchcnn) aus⸗ laufen konnte, um das erste Gefecht gegen die Dänen zu bestehen. Am 4. Juni erreichte er in der Nähe von Helgoland das aus 3 Fregatten, 1 Korvette und 1 Dampfschiff bestehende dänische Ge⸗ schwader. In dem Gefecht, das sich hier entspann, wurde die dänische Fregatte „Valkhyrien“ so übel zugerichtet, daß sie zur Ausbesserung nach Kopenhagen abgehen mußte. Es war das ein Ereigniß, das überall im deutschen Lande hohe Begeisterung hervorrief, und Bromme (oder auch Brommy, wie er sich aus amerikanischen Diensten her nannte) war in jener Zeit ein Held des Tages. Am 19. August ernannte ihn der Reichsverweser, Erzherzog Johann, zum Commodore und am 21. November 1849 unter ehrender An⸗ erkennung seiner Leistungen zum Contre⸗Admiral. Er hatte nach und nach eine Flotte geschaffen, die im Jahre 1850 aus 3 Dampf⸗ fregatten, 6 Dampfkorvetten, 1 Segelfregatte und 26 Kanonenbooten also 36 Schiffen mit insgesammt 115 Geschützen bestand. Die Be⸗ süänxans .“ und 1220 Unteroffizieren, Ma⸗ inisten un atrosen gebildet, wozu noch ein e in Stärke von 250 Mann trat. b 9 v

Wien, 26. November. (W. T. B.) Heute hat vor d

Ausnahmegericht der Prozeß gegen die 20 snarchisten 88 gonnen, welche anarchistisch revolutionäre Flugschriften mittelst einer geheimen Druckpresse erzeugten und verbreiteten.

Zwei Bazare zu wohlthätigen Zwecken haben heute ihre Pforten geöffnet. In den vorderen Sälen des Ar cet rhe hentkeihre ein Verkauf eingerichtet, dessen Ertrag für das Lazarus⸗Kranken⸗ haus bestimmt ist. Der zweite Bazar findet im Herrenhause statt, und zwar zum Besten der unter dem Protektorate Ihrer König⸗ lichen Hoheit der Herzogin Wilhelm von Mecklenburg⸗Schwerin stehenden Kindererziehungsanstalt „Zionshülfe“.

2 ei Eintritt des Winters bringt das Polizei⸗Präsidi berhütung von Unglücksfällen in Erinnerung, daß die der Eisbahnen zum Schlittschuhlaufen nur auf denjeni 1 gestattet ist, wo sich besondere Aufseher befinden

Die gestrige Novität des Königlichen Opernhauses, ei

dreiaktige Oper „Hero“, von Ernst Frank, stellt sich g4c als 1 Versuch einer Oper im großen Styl, der in fast allen Theilen ge⸗ lungen ist. Der Text, welcher der Musik zu Grunde liegt, ist nach Grillparzers Drama „Des Meeres und der Liebe Wellen“ nicht ge⸗ rade glücklich bearbeitet worden, hat aber immerhin den Vorzug einen tief poetischen Stoff zu behandeln, der unsere Sympathien im Voraus besitzt, aber auch für die Arbeit des Kom⸗ ponisten tief ergreifende und dankbare Momente aufweist Das Verdienst des Komponisten besteht in erster Linie eben darin, daß er solche Momente auch musikalisch ergreifend ausgestaltet hat, obgleich er nicht jene mächtigen und unvergänglichen Wirkungen erzielen konnte, die der große Meister der modernen Schule erreicht hat. Ernst Frank ist offenbar ein allseitig durch⸗ gebildeter Musiker, der auch von Richard Wagner viel gelernt hat; er ist ferner ein talentirter Komponist, aber seine Begabung scheint nach der lyrischen Seite hin zu überwiegen. In der That sind es die liedartigen Nummern und Partien, welche uns am meisten inter⸗ essiren und auch bei den Hörern den meisten Beifall finden; selbst das Erhabene und Heilige kleidet sich daher hier gern in das Gewand des Liedes. Tiefe und große Leidenschaft findet erst im zweiten und dritten Akt einen wahren und darum auch er⸗ greifenden Ausdruck, wie denn auch das ganze Werk, je mehr es sich seinem Ende naht, um so schönere und wirkungsvollere Elemente zeigt. Der erste Akt, welcher in seinem ersten Theil vor dem Tempel zu Sestos und dann in dem Tempelhain spielt, bietet kaum nennenswerthe dramatische Wirkungen, aber einige hübsche Melodien und zeigt schon, wie auch die in der Form knappe Ouverture, die orchestrale Meisterschaft des Komponisten. Im zweiten Akt gewinnt mit dem Texte auch die Musik an Bedeutung und innerem Leben; hier gestaltet sich Hero's und Leanders Zwiegesang im Thurmgemach zu einer überaus wirkungsvollen Scene, und diese wie weiterhin die Weise der Nerei⸗ den gewinnen die vollen Sympathien der Hörer. Der dritte Akt endlich führt uns an die Küste des Meeres bei Sestos. Hero erwartet den Geliebten und schlummert am Gestade ein; ein großer Sturm erhebt

nahme beigetragen, welche der neuen Oper durch das Publikum be⸗ reitet wurde; auch Frl. Hofmann (Janthe) that voll ihre Schuldigkeit. Von den mitwirkenden Künstlern sind Hr. Ernst (Leander), Hr. Biberti (Oberpriester) und Schmidt (Naukleros) mit Anerkennung zu nennen. Der Komponist wurde im zweiten Akte und am Schluß der Vorstellung wiederholt gerufen.

Krolls Theater. Während der Weihnachts⸗Aus⸗ stellung beginnt die Vorstellung des Weihnachtsstücks „Die Märchen meiner Amme“ um 6 ½ Uhr. Dieser frühere Beginn ist namentlich im Interesse der vielen Familien angesetzt, welche ihren Kindern das Vergnügen des Besuches verschaffen wollen.

„Belle⸗Alliance⸗Theater. Fr. Franziska Ellmenreich spielt übermorgen noch einmal ihre unvergleichliche „Donna Diana“ und tritt am Sonntag zum letzten Male als Katharina in „Bürgerlich und Romantisch“ auf, Am Dienstag gehen sodann mit ihr die letzten Novitäten des Gastspiels, „Eine alltägliche Geschichte“ und „Der letzte Zopf“, zum ersten Male in Scene.

Vor gut besetztem Saale und unter reichem Beifall haben vorgeste in der Sing⸗Akademie die Herren Emil Sauret 633 Grünfeld den 3theiligen Cyklus ihrer Abonnementsconcerte begonnen. Die erste Nummer des Programms bildete ein Quartett für Piano, Violine, Bratsche und Cello von Fr. Gensheim, dem als Komponist für Kammermusik mit Recht geschätzten Direktor des Kon⸗ servatoriums in Rotterdam. Auch dieses neue Werk ist außerordentlich interessant, wenn auch mehr wegen der ganz im modernen Styl ge⸗ haltenen Faktur als der nicht besonders originellen Erfindung der Themen. Jener dagegen wird durch Breite und Ueberschwänglichkeit der Modulationen die beschränkte Form des Quartetts häufig zu eng, so daß es sich zur Symphonie erweitern zu wollen scheint. An der Ausführung betheiligten sich außer den Concertgebern die Pianistin Fr. Anna Grosser und der Bratschist Hr. Viktor von Herz⸗ feld; sie war im Ganzen eine in Betracht der großen Schoierigkeiten des darum auch nicht gerade dankbaren Werks eine wohlgelungene, jedoch hätte der vom Komponisten bevorzugte Klavierpart nicht so diskret zurückgehalten zu werden brauchen, wie dies durch Fr. Grosser geschah. Die wohlberufene Pianistin schien überhaupt an dem Abend nicht so disponirt zu sein wie sonst; wenigstens hätte die doch so dankbare Rubinsteinsche 5. Barcarole viel mehr Wirkung erzielen können, als es der Fall war; das leidenschaftliche Tempo rubato und der harte Anschlag in der singenden Phrase, mit der Rubinstein stets so großen Effekt erzielt, kamen dem Vortrage wenig zu statten; auch das „Près du ruisseau“ aus Op. 99 von dem⸗ selben Komponisten hätte zarter und charakteristischer klingen können. Von den beiden Concertgebern fand Hr. Sauret namentlich in der „Rsverie“ von Vieuxtemps (trotz der ziemlich mangelhaften Klavier begleitung) wieder Gelegenheit, seinen prachtvollen Gesangston mit der ganzen mächtig packenden Innerlichkeit und Wärme zu entfalten, in der dieser Künstler beinahe unerreicht dasteht. Wer die häufig ge⸗ spielte „Réverie“ von einer unserer modernen Violin⸗Virtuosinnen gehört hat, und dazu war in dieser Saison öfter Anlaß, der wird den ungeheueren Abstand erkannt haben, der trotz aller gleich⸗ mäßig großen technischen Fertigkeit zwischen männlichem und weib⸗ lichem Virtuosenthum besteht. Hr. Sauret spielte außer⸗ dem noch eine von ihm besorgte Uebertragung des bekannten Klavierstücks von dem Norweger Edvard Grieg, worin derselbe einen ländlichen Brautzug musikalisch charakterisirt. Die Uebertragung dieses humoristischen Charakterbildes ist ihm vorzüglich gelungen und übertrifft an Wirksamkeit noch die des Originals; sie fand vielen Beifall und wurde auf Verlangen wiederholt. Auch Hr. Grünfeld bot zwei Solostücke für Cello mit Klavierbegleitung und entzückte namenlich in einer schwärmerischen „Mélodie polonaise“ von Philipp Scharwenka durch seelenvollen Ton und schönen Vortrag, wäh⸗ rend ein effektvoll rythmisirter spanischer Tanz von Pop⸗ per mit Imitation des Pitzicato's der Guitarre ihn auf der Höhe des Virtuosenthums zeigte. Dem lauten Beifall, welcher sich danach erhob, kam der Concertgrber durch eine weitere melodiöse Zugabe nach. Das reichhaltige Programm bot auch Ab⸗ wechselung in vokaler Hinsicht: Frl. Therese Zerbst sang mit ange⸗ nehmer Sopran⸗Stimme und gefühlswarmem Vortrage Lieder von Schubert, Schumann, Jensen, H. Riedel und A Zarzyzki. Besonders gut gelang ihr die Schumannsche Komposition des Heine’'schen Liedes „Du bist wie eine Blume“; dem Publikum aber gefiel am meisten das neckische Liedchen von Zarzyzki: „Zwischen uns ist nichts gescheben“, welchem die Sängerin auf Verlangen noch eine weitere Liedergabe folgen ließ. Den Schluß des Programms bildete eine dem Anschein nach ganz beson⸗ ders interessante Nummer, nämlich ein unbeendetes Trio für Violine, Bratsche und Cello aus dem Nachlaß von Franz Schubert, dessen Originalmanuskript sich im Besitz des Hrn. Nicolaus Dumba in Wien befindet. Wenn man sich aber unter diesem bisher unbekannten Werk des sang⸗ und melodienreichen Meisters ein wirklich durch den Tod unterbrochenes Opus aus seiner letzten reifsten Periode vor⸗ gestellt hatte, so wurde man doch einigermaßen enttäuscht, denn es zeigt nichts von dem großen elegischen Zuge, welcher seiner unvollendeten berrlichen H-moll- Symphonie eine so hobe ernste Schönheit verleiht, sondern ist noch ganz von der Naivetät und scherzfrohen Heiterkeit des Mozart⸗Haydnschen Styls erfüllt und dem entsprechend wahr⸗ scheinlich auch in einer früheren Periode der Schaffensthätigkeit Schuberts entstanden, dann aber unvollendet geblieben. Daß das Trio (zwei Sätze) von den Concertgebern nebst Hrn. von Herzfeld vortrefflich gespielt wurde, ist selbstverständlich; indessen wäre es doch vielleicht rathsamer gewesen, wenn, um eine richtigere Climax des Interesses herbeizuführen, das soviel einfachere und ältere Schubertsche Werk an den Anfang und das komplizirte, von allen fortgeschrittenen Mitteln der modernen Kompositionsweise so gehäuften Gebrauch machende Gernsheimsche Quartett an das Ende gesetzt worden wäre.

Trotz des Schnees und Regens hatten sich gestern Abend zu dem Concert des Hrn. Eugen dAlbert in der Sing⸗Akademie zahl⸗ reiche Zuhörer versammelt, die durch den gebotenen Genuß für die Ungunst der Witterung reichlich entschädigt wurden. Hr. d'Albert hat seit seinem ersten Auftreten sein Spiel noch in erfreulicher Weise vervollkommnet: er ist ruhiger, auch maßvoller in Verwendung der dynamischen Mittel geworden, was den klassischen Stücken sehr zu Gute kam. Alle polyphonen Schönheiten in der chromatischen Fantasie von Bach wie in der Beethovenschen Sonate, op. 111, ge⸗ langten sehr klar und verständlich zum Ausdruck, wenn auch wohl über die Wahl der Tempi und über den Gebrauch der Verschiebung im Piano mitunter zu rechten wäre, z. B. bei dem Eintritt des Fugen⸗ themas bei Bach. Die sehr schwierigen Variationen von Brahms, sowie die Wanderer⸗Fantasie von Schubert⸗Lißt trug der Concert⸗ geber mit wahrer Meisterschaft vor. Das letztgenannte Werk spielt ihm vielleicht kein lebender Pianist in diesem Tempo nach. Unter den kleineren Klavierstücken von Chopin, Rubinstein und Liszt gefielen besonders die Ballade des Ersteren und das Walzer⸗Impromptu von Liszt, das wegen seiner Originalität nnd Lebendigkeit zu den besten Klavierstücken des Meisters gehört. Schließlich sei noch erwähnt, daß Hr. d'Albert die 12 im Programm angeführten Piècen, von denen 5 6” 8 den ee Stunden einnahmen, auswendig und ohne die geringste Spur physischer Abspannung be⸗ wältigte. Das Publikum folgte diesen in 88 That

werthen Leistungen mit der gespanntesten Aufmerksamkeit bis zum späten Schluß und ehrte den Künstler durch 9. lebhaftesten Beisall

sich, Nereiden⸗ und Tritonen⸗Chöre übertönen di Ul Musik; Hero's Erwachen, die Auffindung der Leiche I

Fr. Sachse⸗Hofmeister, ero sang, ver⸗

dient alles Lob und hat im Verein mit den drei Nereid Is. Lei⸗ singer, Götze und v. Ghilany am meisten zu der seedegli hrn dar.

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Redacteur: Riedel.

Verlag der Expedition (Scholz). Druck: W. Elgner. Fünf Beilagen

Berlin:

e(einschließlich Börsen⸗Beilage

Verlaufe der gestrigen (3.) Sitzung des

zum Deutschen Reichs⸗Anz

Erste Beilage

Berlin, Donnerstag, den 27. November

eiger und Königlich Preußischen

v111A““

Nichtamtliches.

Berlin, 26. November. Im weiteren Reichstages wurde die erste Berathung des von den Abgg. Ausfeld und Gen. eingebrachten Gesetzentwurfs, betreffend die Abänderung des Art. 32 der Verfassung des Deutschen Reichs, fortgesetzt. Der Abg. Auer erklärte, wenn von der Reichsregierung so großer Werth darauf gelegt werde, daß der Reichstag diätenlos bleibe, so möge dem die Tendenz zu Grunde liegen, die Thätigkeit desselben als eine unproduktive darzustellen, die nicht bezahlt werden dürfe. Aeußerungen, die hierauf schließen ließen, habe der Reichskanzler ja mehrfach gethan; und seine Partei ihrerseits werde dem heutigen Antrag schon deshalb zustimmen, um auch nicht entfernt die Meinung aufkommen zu lassen, als ob seine Partei die Arbeiten des Reichstages unter die unproduktiven zähle. Was wolle denn sonst noch der Reichskanzler mit der Düätenlosigkeit? Der Reichskanzler wolle das Fernbleiben der Armen aus dieser Versamm⸗ lung; derselbe wolle hier nur Leute sehen, die wohl⸗ genährt und mit Glücksgütern gesegnet seien; ihm graue vor dem hohlen Blick der Armuth. Seiner Partei dürfe es nun aber nicht darauf ankommen, welche Art von Gesellschaft dem Reichskanzler die angenehmste sei; seine Partei habe vielmehr die ernste Pflicht, dem allgemeinen direkten Wahlrecht voll und ganz Geltung zu verschaffen; er und seine politischen Freunde bekämpften deshalb jede Maßregel, die dahin ziele, Leute, die nichts hätten, hier von Sitz und Stimme auszu⸗ schließen. Die Regierung betone jetzt immer die Nachtheile, die aus dem Fraktionswesen, dem Fraktionszwang, dem Be⸗ rufsparlamentarismus erwüchsen; sie wolle, wie sie sage, daß völlig unabhängige Männer hier säßen, und ferner, daß die Interessen des kleinen Mannes besser als bisher hier vertreten würden. Der kleine Mann aber habe nicht die Mittel, ohne Diäten hier in Berlin zu leben; derselbe werde daher gerade durch die Diätenlosigkeit gezwungen, sich unter den angeblichen „Bann der Partei“ zu stellen, indem derselbe sich aus Mitteln der Partei unter⸗ stützen lasse. So erreiche die Regierung mit der Diäͤten⸗ losigkeit das Gegentheil von dem, was sie zu erstreben vor⸗ gebe. Der Reichskanzler habe ferner wiederholt bedauert, daß die Männer des praktischen Lebens einen zu geringen Einfluß auf die Gesetzgebung hätten. Indeß an praktischen Leuten der Börse, praktischen Leuten des Großkapitals, an denen habe es ja bisher im Hause noch nicht gefehlt; aber wenn bisher die Zahl der Männer, die sich in praktischer Thätigkeit mühsam durchs Leben plagen müßten, hier noch viel zu gering gewesen sei, dann sei das eben gerade eine Folge der Diätenlosigkeit; denn Männer der letzteren Art könnten eben nicht Jahre lang ohne materielle Unterstützung in dem theueren Berlin leben. Wolle die Regierung wirklich dem kleinen Mann aufhelfen, wolle sie wirklich praktische Leute, die mitten im Volksleben ständen, zur Gesetzgebung heranziehen, dann müsse sie auch die von diesen Männern ge⸗ leistete praktische Arbeit angemessen bezahlen. Durch die Diäten⸗ losigkeit aber komme lediglich der Standpunkt zum Ausdruck, wonach die zur Vertretung des Volkes nothwendige Intelligenz und Einsicht nur bei den großen Geldsäcken gefunden werde. Seine artei ihrerseits stehe direkt auf dem entgegengesetzten Stand⸗ punkt; sie wolle auch solche Talente hier im Hause sehen, die icht mit irdischen Glücksgütern gesegnet seien. Nun sage Wenn Diäten gezahlt würden, so kämen noch mehr Sozialdemokraten in den Reichstag. So erfreulich es aber auch für ihn wäre, wenn die Majorität im Hause aus Sozial⸗ demokraten bestände, so glaube er doch nicht, daß, wenn die Abgeordneten Diäten bezögen, ein Sozialdemokrat mehr hier äre. Seine Partei habe bisher noch immer die Mittel ge⸗ funden, sich im Hause vertreten zu lassen, wenn sie von ihren Wählern berufen worden sei, und so werde es auch in Zukunft bleiben. Wenn man das allgemeine geheime Wahlrecht be⸗ seitigen wolle, so sage man das doch offen, und komme man nicht hinten herum! Die Regierung stelle sich bei allen der⸗ artigen Fragen auf einen erhabenen Standpunkt und zeige bei solchen Anträgen eine gewisse Empfindlichkeit, und doch habe auch die Opposition ihre großen Vortheile; würde man sonst z. B. ein Unfallgesetz in solcher Fassung wie das vorliegende erhalten haben? Die Herren, die hier so gegen die Diätengewährung seien, hätten in ihren entsprechenden Landtagen noch nie Schritte gethan, um dort die Diäten abzuschaffen. Für Spar⸗ samkeit sei auch er, aber an der richtigen Stelle. Gerade jetzt erhalte man Berufsparlamentarier, weil die Wähler eine so geringe Auswahl von Kandidaten hätten. Und sei denn der Beruf eines Parlamentariers ein schimpflicher? Wenn es wahr sei, daß die Politik den Charakter verderbe, wie stehe es denn mit den Berufspolitikern? Mit den Freifahrtkarten habe kein Mißbrauch getrieben werden können, weil gar kein Ge⸗ brauch vorgeschrieben gewesen sei. Wenn der Gebrauch der Karte zu einer Privatreise ein Mißbrauch sei, so sei es auch ein Mißbrauch, wenn er einen Brief auf Reichstagspapier an seine Frau schreibe. Es handele sich hier wieder einmal ledig⸗ lich darum, dem Reichstage zu beweisen, daß eine höhere Macht über ihm stehe. Es sei das lediglich eine Herabdrückung des Ansehens des Reichstages, ein Ansinnen, bei welchem seine Partei dem eisernen Reichskanzler stählernen Widerstand

entgegensetzen werde! Reichskanzler Fürst von Bismarck

Hierauf ergriff der das Wort:

Das Herunterdrücken der Würde des Reichstages durch die Be⸗ schränkung der Cirkulationsfreiheit auf den Eisenbahnen ist nicht von dem Herrn Vorredner zuerst behauptet worden, sondern, wenn ich nicht irre, von dem Hrn. Abg. von Stauffenberg, der die Diskussion eröffnet hat. Ich bin nun nicht der Ansicht, daß die Entziehung der Freiheit, nach Belieben, ohne Bezahlung auf privaten und öffentlichen Eisenbahnen hin und her zu fahren, die Würde des Reichstages irgendwie berühren, irgendwie beeinträchtigen sollte; ich bin vielmehr der Meinung, daß das, was der Herr Vorredner Gebrauch, was ich aber Mißbrauch dieser Karten nenne, dazu beitragen kann, den Reichs⸗ tag in dem öffentlichen Ansehen, wenigstens in der Gestalt einzelner

Preußen.

da fände auch kein Mißbrauch statt. Nun, der Gebrauch war nicht ausdrücklich vorgeschrieben, es war auch keine Strafbestim⸗ mung in Bezug auf die unrechtmäßige Benutzung dieser Karten gegeben, aber es waren die Karten doch nur in dem Vertrauen ausgestellt, daß sie wesentlich zur Ausgleichung der Ungleichheiten be⸗ nutzt werden würden, die die Entfernung des Wohnsitzes des Ab⸗ geordneten vom Sitz des Parlaments mit sich bringe. Es war aus⸗ drücklich darauf gerechnet, und ich glaube mich auch aus den früheren Diskussionen, die darüber gepflogen sind, zu erinnern, daß diese Kar⸗ ten es den Abgeordneten möglich machen sollten, jederzeit kostenfrei und ohne große Schwierigkeiten in ihre Heimath zu gelangen. Ob nun die Gebrauchsvorschriften in den Jedermann bekannten ver⸗ trauensvollen Voraussetzungen liegen oder unter Strafandrohung er⸗ lassen sind, das, glaube ich, macht keinen Unterschied. Ein Miß⸗ brauch, welcher zu einer Kritik, die auf den Reichstag und die In⸗ stitution zurückfallen kann, im Volke Anlaß giebt, ist es jedenfalls, wenn ein Abgeordneter während einer Gültigkeitszeit von 8Monaten mit dieser Freikarte über 17000 km auf den deutschen Eisenbahnen zurückgelegt hat ein einziger, und zwar kein Sozialdemokrat —; wenn andere Abgeordnete dem nahe gekommen sind mit 10⸗ bis über 12 000 km in der Zeit von 8 Monaten. Ich glaube doch nicht, daß Sie behaupten wollen, daß das mit der Intention, in welcher die Karten verliehen wurden, im Einklang stände, und daß hier ein Mißbrauch nicht vorläge. Ich selbst gehöre zu den ursprünglichen Anregern dieser Freikarte, allerdings nur in dem Sinne, wie sie heute noch besteht, daß sie freie Hin⸗ und Rückfahrt, so oft dies der Abgeordnete für nützlich hält, gewähren soll. Damals ist durch meinen Kollegen, den Minister Delbrück, die Sache bei mir angeregt worden, und ich habe mein Einverständniß soweit dazu gegeben. Die weitere Aus dehnung hat nie meiner Ansicht entsprochen, und ich würde sie eine Ungerech⸗ tigkeit, eine Verkürzung des Blöderen zu Gunsten Desjenigen nennen, dem die landesübliche Blödigkeit vollständig fehlt.

Ueber das Recht der Regierung, diese Sache aufzuheben, und den gänzlichen Mangel an Begründung in der Behauptung, daß damit das Budgetrecht verletzt würde, darf ich in einer Versamm⸗ lung, worin so viele juristische und budgetkundige Leute sitzen, kaum ein Wort verlieren. Der Regierung ist die Berechtigung, die Be⸗ fugniß ertheilt worden, bis zu einem gewissen Maximalbetrage Gel⸗ der für die freie Fahrt der Reichstagsmitglieder auszugeben, aber es ist keineswegs festgestellt und ihr die Verpflichtung auferlegt, noch hat sie eine solche eingegangen, von diesem Recht in einem bestimm⸗ ten Umfange für jeden Einzelnen Gebrauch zu machen. Wenn das der Fall wäre, wenn hier das budgetmäßige Recht vorläge, so wären die Herren vollständig berechtigt, dieses Recht vor dem Richter einzuklagen, und jeder Richter würde die Klage annehmen; indessen ich sehe der Klage mit Ruhe entgegen und werde abwarten, ob Sie irgend ein obsiegendes Erkenntniß erwirken.

Also eine Verpflichtung der Regierung liegt nicht vor. Wenn Sie sagen: kleine Geschenke erhalten die Freundschaft, ja, das ist ein anderes Gebiet, dazu muß die Freundschaft erst vorhanden sein.

Dann komme ich auf die Diäten, und darin bin ich mit meinem politischen Freunde, dem Redner von der konservativen Seite, nicht einverstanden. Ich würde von dem Grundsatz ausgehen, daß die Budget⸗ und Defizitfrage auf diesem Gebiet gar keine Rolle spielt. Wenn es überhaupt nützlich und gerecht wäre, Diäten zu geben, so würden die Summen, die hierfür oder für die freie Fahrt erforderlich sind, kein Hinderniß sein, auch wenn unsere Finanzen noch schlechter lägen, wie sie heute liegen; dann würde man sagen: was recht und billig ist, das zu bezahlen ist die deutsche Nation noch reich genug. Der Gedanke hat mir vollständig fern gelegen bei der Freikarten⸗ und ebenso bei der Diätenfrage, die uns eigentlich beschaͤftigt; die erstere habe ich nur inzidenter berührt, weil ich die Verantwortlichkeit dafür zu tragen habe, daß die Karten nicht mehr in dem Umfange bewilligt werden wie früher.

Was die Diätenfrage selbst anbelangt, so hat mich zuerst über⸗ rascht, daß der Antrag, der uns hier beschästigt, von so sehr viel Berlinern unterzeichnet ist. Es sind unter einigen 50 Antragstellern 24 Berliner. Es sind das die Herren Dr. Bamberger, Beisert, Broemel, Bunsen ich nenne Berliner, solche, die ihren üblichen Wohnort in Berlin haben Greve, Hermes, Hinze, Hoffmann, Meibauer, Meyer, Munckel, Parisius, Richter, Rickert, Schenck, Sie⸗ mens, Struve, Witt. Ich verlese die Namen, um, falls ich mich geirrt habe in der Ziffer und Jemand unter den Verlesenen seinen Wohnsitz nicht in Berlin hat, diesem Gelegenheit zu geben, zu reklamiren. Ich möchte glauben, daß gerade die Berliner am wenigsten der Diäten bedürftig sein sollten. Dieselben haben keine Reisen zu machen, ihre Wohnung auch nicht aufzugeben, ihre Familien nicht zu verlassen, sie sind nicht genöthigt, ununterbrochen auf den Betrieb ihrer Geschäfte zu verzichten; sie können aus ihrem Redaktionsbureau oder aus ihrem industriellen Etablissement oder von ihrem Katheder einfach hierher in die Leipzigerstraße gehen, sie koͤnnen sich zu den Abstimmungen oder zu den häuslichen Geschäften abrufen lassen. Kurz, das Abgeordnetersein ist für sie in keiner Weise ein Opfer von irgend einem Zeit⸗ oder Geldwerth, sondern einzig eine Abwechselung in ihrem Leben, eine der vielen Annehmlichkeiten, deren sich die Berliner vor den Be⸗ wohnern der Provinz überhaupt erfreuen.

Also wenn überhaupt Diäten bewilligt werden sollten und ich stehe gar nicht der Frage so verschlossen gegenüber, wie Sie glau⸗ ben mögen, so würde die erste Bedingung sein, daß Derjenige, der in Berlin wohnt, keine Diäten bezieht und noch viel weniger freie Fahrkarten erhält.

Zu welchem Zweck die freien Fahrkarten benutzt werden, darüber hat der Abg. Bamberger in einem von ihm herausgegebenen Buch

„Deutschland und der Sozialismus“ eine ganz richtige Ansicht aus⸗ gesprochen. Er sagte da: „So ist es gar keine Frage, daß die Ein⸗ führung der freien Eisenbahnfahrkarten zu Gunsten der Abgeord⸗ neten mit Erfolg verwandt wird zur Verkündigung der sozialistischen Lehren, und vielleicht dazu beigetragen hat, die Zahl ihrer Abgeordneten zu vergrößern.“ Der Herr Vorredner war nicht der Meinung, das mag er mit dem Hrn. Abg. Bamberger abmachen. Ich bin über diese Vergrößerung gar nicht unglücklich. Je⸗ größer die

ahl der sozialistischen Abgeordneten wird, desto mehr wird ihnen die Chrenpflicht obliegen, doch bald mit positiven Plänen hervorzutreten und zu sagen, wie sich in ihren Köpfen die Zukunft der Welt und die Verfassung gestaltet. Bisber sind sie damit im Rückstand ge⸗ blieben: Was besteht, ist Alles schlecht, das unterliegt ihrer Kritik, wird Alles verworfen. Es ist gar leicht, u sagen: alle menschlichen Einrichtungen sind unvollkommen im höchsten Maße, und am allermeisten die staatlichen Einrichtungen. Ja, weil so viel Leute dabei mitzuarbeiten haben, so kommen auch die Unvollkommenheiten der vielen Urheber dabei mit zur Geltung. Also die Kritik ist außerordentlich leicht; aber das Bessermachen! Wenn ich doch endlich einmal eine Verfassung, eine solche Gesetzgebung sehen könnte, wie die Herren Führer der Sozialdemokraten sie sich denken. Sie sind jetzt 25; das zweite Dutzend haben sie also; ich will ihnen noch das dritte geben, wenn sie aber 36 sind, erwarte ich mit Sicher⸗ heit, daß sie ihren vollen Operationsplan zur Verfassung, wie sie sein soll, entwerfen; sonst glaube ich, sie können nichts.

Bisher liegt uns nichts vor. Stellen Sie Anträge, wie die Verfassung sein soll, legen Sie Ihr Eldorado doch auf den Tisch des

es steckt Richtiges darin, und worüber ich mit Ihnen verhandeln kann, aber nicht Alles. Namentlich wenn Sie genöthigt sind, Ihre Pläne erst vor Ihren Wählern vollständig klarzulegen, wird sich deren Ürtheil klären, dann werden Sie dahinter kommen, daß nicht alle Leute, die sozialdemokratisch gewählt haben, dieserhalb alle Pläne der Führer billigen. Man unterschreibt Manches, was man nicht kennt; ich bin oft in der Lage. Die Leute, die jetzt für Sie stimmen, das ist die Summe Derer, die mit irgend etwas unzufrieden sind, die das Bedürfniß haben, ihre Lage zu verbessern, und die von den Zukunftspolitikern, deren 8 Pläne sie noch nicht übersehen können, die Aufbesserung alles irdischen Elends hoffen. Die Pläne des Altliberalismus, der liberalen Partei, der Fortschrittspartei denen haben sie schon auf den Grund ge⸗ sehen, von denen erwarten sie nicht mehr viel, aber die Sozial demokraten haben noch immer den Schleier des Propheten, den ich hier schon öfters citirt habe, der ein so häßliches Gesicht hatte, daß er sich Niemand zeigte, den haben sie noch vor dem Gesicht, den hüten sie sich zu lüften, dort ist noch eine dunkle Hoffnung, die Leute könnten ein Geheimniß haben, was mich von all meinem Elend. meiner Qual und Armuth befreit, kurz, die Zahl ihrer Wähler zeigt: wir sind materiell unzufrieden, wir sind solche Leute, die nicht blos eine Verbesserung ihrer Lage wünschen wer thut das nicht? —, sondern auch von den politischen Maßregeln, von der Gesetzgebung eine solche erwarten. Man muß aber doch schon sehr kindlich und vertrauensvoll sein, um von der Gesetzgebung eine Verbesserung der persönlichen Lage zu hoffen, alle diese kindlich Vertrauenden, diese Unzufriedenen stimmen mit ihnen, ohne eine Ahnung von dem zu haben, wohin sie wollen, es sind zum Theil sehr königstreue Leute, die mögen ja auch unter den Sozialdemokraten sein, aber ich möchte zur Beruhigung auch aller Derer, zu denen ich nicht gehöre, die die Sozialdemokratie als das größte bild der Zukunft betrachten, ich möchte zur Beruhigung aller Dieser sagen, wenn die Herren erst mit positiven Plänen herauskommen, werden sie viel zahmer werden als sie sind, auch in Kritik, und die Zahl ihrer Anhänger wird sich ganz außer⸗ ordentlich lichten. Ich wollte, wir könnten ihnen eine Provinz einräumen und ihnen in Entreprise geben, ich möchte sehen, wie sie wirthschaften; dann würde die Zahl ihrer Anhänger sich lichten, viel⸗ leicht über den Bedarf hinaus, denn die Sozialdemokratie ist so, wie sie ist, doch jmmer ein erhebliches Zeichen, ein Menetekel für die besitzenden Klassen dafür, daß nicht Alles so ist, wie es sein sollte, daß da Hand zum Bessern angelegt werden kann, und insofern ist ja die Opposition, wie der Herr Vorredner sagte, ganz außerordentlich nützlich. Wenn es keine Sozialdemokratie gäbe, und wenn nicht eine Menge Leute sich vor ihr fürchteten, würden die mäßigen Fortschritte, die wir überhaupt in der Sozialreform bisher gemacht haben, auch noch nicht existiren, und insofern ist die Furcht vor der Sozialdemo⸗ kratie in Bezug auf Denjenigen, der sonst kein Herz für seine armen Mitbürger hat, ein ganz nützliches Element. (Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Ja, sehen Sie, in etwas sind wir doch einver⸗ standen. 1

Der Grund, warum ich die Diäten bekämpfe, liegt mehr darin, weil sie weit entfernt sind, eine Gleichheit herzustellen, weil sie erst recht eine Ungleichheit unter dem Schein der Gleichheit schaffen. Für den Berliner, wie gesagt, sind die Diäten eine reine baare Zulage, ein Taschengeld, was ihm dafür, daß er sich in seiner äußeren Würde und Annehmlichkeit seiner Beschäftigung als Reichs⸗ tagsabgeordneter gehoben fühlt, noch zufließt. Für die übrigen, die nicht in Berlin wohnen, sind es ja zum großen Theil doch nicht die Kosten des Aufenthalts in Berlin, die ihnen das größte Opfer auf⸗ erlegen, sondern die Abwesenheit aus ihrem eigenen Beruf; sie ver⸗ lieren zu Hause viel mehr, sie haben ihre Wohnung, ihre Familie zu verlassen; ein Advokat ohne Praxis kann das mit Leichtigkeit, ein Arzt ohne Praxis mit noch größerer, für einen Arzt, der Praxis hat, ist es schon eine schwere Aufgabe, sich drei, vier Monate von seinem Domizil zu entfernen, ein Privat⸗ mann, der industrielle oder landwirthschaftliche Geschäfte hat, verliert vielleicht das Zehnfache der Diäten, die er bekommen kann, aber er wird als abgefunden angesehen, weil er hier 4 oder 5 Thaler Diäten bezieht. Das ist kein Vortheil. Die alleinigen Kosten des Auüfent⸗ haltes in Berlin sind so theuer nicht, das zeigen die Herren, die Parteidiäten, ich möchte sagen, die verschämte Diäten beziehen, denn es hat sich noch Keiner dazu bekannt, das Faktum, daß es geschieht, wird allgemein zugegeben, ich würde es für einen erfreulichen Beweis von Offenheit halten, wenn die Herren, die in der Lage sind, es offen erklärten und wenn die Herren Spender das auch sagten, damit man ungefähr beurtheilen kann: wird dadurch ein Abhängigkeitsverhältniß eines Abgeordneten vom anderen geschaffen? Wird dadurch eine Nöthigung geschaffen, so zu stimmen, wie der zahlende Abgeordnete es will? Ja, meine Herren, dann, glaube ich, möchte doch, wenn die Sache klargestellt wird, die Beziehung der Situation zum Strafrecht zweifelhaft werden; jedenfalls glaube ich, daß der Abgeordnete, der Diäten aus irgend einer Quelle bezieht, wenn es amtlich konstatirt wird, die Eigenschaft als Abgeordneter dadurch ipso iure, auf Grund der Verfassung verliert, und wenn es bei der Wahlprüfung konstatirt wird, daß er Diäten bezogen hat, meines Erachtens die Wahl für nichtig erklärt werden muß, weil der Abgeordnete die Bedingung, welche die Verfassung in Bezug auf seine Stellung im Leben von ihm fordert, nicht erfüllt.

Ist es denn überhaupt in unserem Deutschen Reich und im preu⸗ ßischen Staat so unerhört, daß Jemand gratis etwas leisten muß, ohne Diäten dafür zu beziehen? Welch ungeheuere Belästigung liegt in der Funktion als Geschworener, namentlich in dem übertriebenen Maße, in dem die Geschworenen citirt werden! In dreimal so großer Zahl wie erforderlich werden sie geladen und müssen wochenlang, fern von ihrem bürgerlichen Beruf, in dem Gerichtsort ihre Rekusation oder Citation abwarten, dem schärfsten richter⸗ lichen Verfahren ausgesetzt, wenn sie irgendwie ohne Urlaub sich entfernen. Wie nun, wenn sie Ürlaub nicht bekom⸗ men? Wenn sie in dem Gasthof einer kleinen Stadt zu bleiben gezwungen sind, die Heimath am Abend nicht erreichen können, wochenlang still liegen muͤssen, ohne einen Groschen zu beziehen? Und da hängt es nicht von Jemand ab, ob er Geschworner werden will, wie beim Abgeordneten; wir haben ja Abgeordnete, die zwei Mandate haben und doch nicht genug beschäftigt sind. Ebenso steht es mit den unbesoldeten Ehrenämtern, auf denen unsere Provinzial⸗ verfassung beruht; das sind ungeheuere Aufgaben, während hier die meisten Herren, die nicht gerade Referate übernehmen, doch ein sor⸗ genfreies Leben, otium cum dignitate genießen. Was aber den Ge⸗ schworenen recht ist, warum soll das nicht den Abgeordneten billig sein? 1

Was ich hier vertrete, ist ausschließlich die Reichsverfassung und ihre Gültigkeit. Es ist schon mehrfach erwähnt, daß die Verfassung in diesem Punkte 8 zu Stande gekommen ist und daß die Diätenkosigkeit ein Aequivalent für die weit ausgedehnte Wahl⸗ befugniß, die unser Wahlgesetz verleiht, geben sollte. In wieweit das erreicht wird, das ist eine andere Frage, über die ich hier nicht zu entscheiden habe; es ist eine Frage der Erfahrung. Thatsache ist, daß die Verhandlungen über die Verfassung die Beabsichtigung des Aequivalents ergeben. Nun sind Sie seit Jahren bemüht, einen von diesen Steinen, aus denen das Gewölbe der Verfassung künstlich und nicht ohne Mühe gefügt ist, herauszukratzen aus der Wand. Sind sie sicher, daß nichts nachfällt? sind Sie sicher, daß von der anderen Seite, wo

Hauses hin, damit jeder Andere ein Urtheil darüber bekommt. Ich

Mitglieder, die diesen Mißbrauch treiben, herunterzudrücken. Der Herr Vorredner hat gemeint, wo kein Gebrauch vorgeschrieben wäre,

bin überzeugt, es wird Vieles darunter sein, von dem ich sagen kann,

man vielleicht nicht mehr die Furcht vor der Bewegung von 1848, nicht mehr die Furcht vor einem in Waffen stehenden Preußen wie

ihrer

Schreck- 8