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Die auf Grund dieses Gesetzes ergangenen Verfügungen von
Landes⸗Polizeibehörden verlieren ihre Gültigkeit.
Das gegenwärtige Gesetz tritt mit dem Tage seiner Verkün⸗
digung in Kraft. Der Abg. Dr. Windthorst wies darauf hin, daß der An⸗ trag wiederholt vom Parlamente angenommen, aber von dem Bundesrath stets abgelehnt worden sei. Dieses Verfahren habe auf das ganze katholische Volk einen schmerzlichen Eindruck — es habe aber auch das Ansehen des Parlamentes schwer geschädigt. Die Bemerkungen der ausländischen Presse hierüber zu lesen, müsse unser nationales Gefühl empfind⸗ lich verletzen. Durch das Gesetz werde über die gesammte katholische Geistlichkeit, die hohe wie die niedrige, ein Damokles⸗ schwert gehängt, und es sei dasselbe schlimmer als das des Sozia⸗ listengesetzes; denn letzteres kenne doch die Vertreibung aus dem Vaterlande nicht. Man sage, der Zeitpunkt sei nicht richtig gewählt für einen solchen Antrag. Wer das sage, wolle den Antrag überhaupt nicht. Der Grund für die Einbringung des Antrags sei, eine Beruhigung der Gemüther eintreten zu lassen; er komme eben aus der Heimath unter dem frischen Eindruck der Aufregung, welche der Beschluß des Bundesraths dort hervorgerufen habe. Ein fernerer Grund liege darin, daß die Centrumspartei bei den Wahlen die Weisung empfangen habe, für die verletzten Rechte der Kirche einzutreten. Die Kirche könne nur dann wirken, wenn sie auf festen Füßen stehe. Die Zeiten lägen so, daß die Autorität der Kirche gestärkt werden müsse. Denn wer die Autorität der Kirche stärke, der stärke zugleich die Autorität des Staats. Das seien die — die eine Wiedereinbringung des Antrags veranlaßt en. Der Abg. Graf von Behr⸗Behrenhoff gab Namens seiner Partei die Erklärung ab, daß dieselbe zur Zeit gegen den Antrag stimmen werde. Der Bundesrath habe denselben vor kurzer Zeit erst abgelehnt, und auf diesen anderen gesetzgeberischen Faktor müsse doch auch Rücksicht genommen werden. So wie der Antrag eingebracht sei, bedeute derselbe eine Demonstra⸗ tion, an der sich zu betheiligen die konservative Partei keine Veranlassung habe. Der Abg. Blos erklärte, mit seinen Parteigenossen für den Antrag stimmen zu wollen. Allerdings nicht aus Sym⸗ pathien für die Centrumspartei. Die Taktik desselben lasse sich in jeder Session in drei Abschnitte zergliedern. Im Be⸗ ginn zeige sich dasselbe demokratisch, dann komme die Periode der Hand.! politik und schließlich die Versöhnung. So sei es in der vorigen Session gegangen, und so hebe es auch jetzt wieder an. Das Centrum berühme sich seiner Leistungen auf sozialpolitischem Gebiete, es weise auch auf seinen jetzigen Antrag hin; aber derselbe enthalte doch nur an die Regierung die Aufforderung, Vorschläge zu machen. Ein Hort gegen die Sozialdemokratie werde die Centrumspartei nur so lange sein, als die Versöhnung mit der Regierung sich noch nicht voll⸗ zogen habe. Das beweise die letzte Wahlbewegung, und aus diesem Grunde könne seine Partei die Vollziehung dieser Aus⸗ 19 “ begrüßen. ei Schluß des Blattes ergriff der Re ü von Bismarck das Wort. griff 1““
— Die starken Schneefälle, welche, verbunden mit Sturm, in den letzten Tagen im Osten des Staates eingetreten sind, haben auf den Eisenbahnen in diesen Landestheilen erhebliche Betriebsstörungen verursacht.
So wird gemeldet, daß aus dieser Veranlassung am 1. und 2. d. M. auf den Strecken Schneidemühl — Dirschau, Greifenberg —-Colberg, Ruhnow- Konitz, Stolp — Danzig, Danzig— Neufahrwasser, Thorn — Marienburg, Güldenboden —
Mohrungen, Allenstein—Ortelsburg, Posen —Thorn, Alt⸗
damm-— Colberg der Eisenbahnbetrieb Unterbrechungen erlitten hat, welche trotz aufgewandter Mühe zum Theil noch nicht beseitigt werden konnten.
Leider sind die Störungen nicht überall ohne Unfälle abgelaufen, letztere scheinen indeß nicht schwerer Natur zu sein.
„— In bezüglicher Abänderung der mittelst Allerhöchster Kabinets Ordre vom 16. August 1881 genehmigten ö der Schiffe und Fahrzeuge der Marine zu der Ost⸗ beziehungs⸗ weise Nordseestation ist durch u. d. 25. November d. J. an
den Chef der Admiralität ergangene neuere Allerhöchste
Kabinets⸗Ordre bestimmt worden, daß S. M. Panzerkanonen⸗ boot „Camäleon“ fortan zur Nordsee⸗, S. M. Panzer⸗ kanonenboot ẽ „Natter“ zur Ostseestation gehört.
— Die Bestimmung des §. 343 Th. I Tit. 5 des Allgem. Landrechts, wonach die wegen 1 natürliche Fehler einer übernommenen
— Empfang der Sache beginnt, ist nach einem Urtheil des Reichsgerichts, V. Civilsenats, vom 15. Oktober d. J., in Bezug auf den Erwerb von Grund⸗ stücken dahin aufzufassen, daß die einjährige Verjährung mit dem Termin der Auflassung des fehlerhaften Grundstücks beginnt, auch wenn weit früher die thatsächliche Tradition des Grundstücks und ein darüber mündlich vereinbarter Ueber⸗ lassungsvertrag vorhergegangen ist.
— Der Königliche Gesandte am Großherzoglich badischen Hofe, von Eisendecher, hat einen ihm Allerhö 2 3 miliggen nrlan angetreten. b “ 8 ährend der Abwesenheit desselben von seinem Posten
ist der Legations⸗Sekretär bei der Königlichen Gefan defoften 5 Fetat gart deanon 8 n Leitung der gesandt⸗ schaftlichen Geschäfte in Karlsruhe als interimistischer Ge⸗ schäftsträger beauftragt. e“
Württemberg. Stuttgart, 1. Dezember. Wie dem St.⸗Anz. f. W.“ aus Nizza mitgetheilt wird, befinden beide Königliche Majestäten sich in erwünschtem Wohlsein,
ne leichte Erkältung abgerechnet, welche der König sich zu⸗ gezogen hat, wodurch Se. Majestät übrigens nicht verhindert . täglich zu Fuß und zu Wagen die freie Luft zu ge⸗
Baden. Karlsruhe, 1. Dezember. (Karlsr. Ztg. Der Großherzog und die “ sind 82
Nachmittag nach 5 Uhr zu dauerndem Aufenthalt hier ein⸗ getroffen.
Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach. Weimar, 2. Dezember. (Th. Corr.) Der Rechnun sausschuß 8s Han ts e. der alsbald nach dem Schluß der Session zu seiner vor⸗ geschriebenen Berathung zusammengetreten ist, wird seine Ar⸗
Sachsen⸗Colrg⸗Gotha. Coburg, 1. Dezember. Coburger Ztg bringt in ihrer heute ausgegebenen ummer an havfagender Stelle die Meldung von der am 29. November Schloß Primkenau in Schlesien er⸗ folgten Verlobum Ihrer Hoheit der Prinzessin Karo⸗ line Mathilde si. Schleswig⸗Holstein⸗Sonder⸗ burg⸗Augustenbog (Schwester Ihrer Königlichen Hoheit
der Prinzessin Wilsm von Preußen) mit Sr. Hoheit dem Prinzen Friedch Ferdinand von Schleswig⸗ Holstein⸗Sondemurg⸗Glücksburg.
Reuß ä. L. reiz, 1. Dezember. (Th. C.) Die Be⸗ wohner der hiesige Fürstlichen Gebäude haben eine eigene Gemeinde bildet und haben zu der Gemeinde Greiz keine Beziehungen mr, nachdem ein Gutachten der juristischen Fakultät in Jenä enhieden, daß sie alsdann zur Entrichtung städtischer Abgaben wt herangezogen werden könnten.
RNeuß j. L. Fera, 2. Dezember. (Thür. Corr.) Gestern erfolgte bei nchtigem Winterwetter der Einzug des neuvermählten rbprinzlichen Paares in unsere festlich geschmückte stadt. Die Erbprinzlichen Herrschaf⸗ ten hatten Morgen Leipzig verlassen und trafen gegen Mittag in Köstritz ei wo sie von den Behörden, Deputa⸗ tionen u. s. w. festli empfangen wurden. Nach kurzem Ver⸗ weilen ward die Fal nach Gera fortgesetzt. Auf dem Bahn⸗ hofe hier war eine Een⸗Compagnie des Infanterie⸗Regiments Nr. 96 aufgestellt. ach Bewillkommnung Seitens des Ober⸗ Bürgermeisters setzt sich der Zug in Bewegung: das junge Paar fuhr z einer sechsspännigen Gala⸗Equipage, an deren Schlägen Major von Treskow und Adjutant von Ohlhoff⸗Grote sten; es folgten die Equipagen mit dem Gefolge, den Deputionen u. s. w. Bei einer am Markt er⸗ richteten prächtigen hrenpforte fand die Begrüßung Seitens der städtischen Gemedebehörden, der Geistlichkeit, der Schulen und Korporationen itt; ebenso empfing die Gemeinde Unterm⸗ haus in festlicher Aise das hohe Paar bei der weiteren Fahrt nach Schloß Ostersti. Hier bewillkommneten die Fürstlichen Herrschaften dassel; worauf Empfaong der Hofstaaten, der Spitzen der Behden und des Offiziercorps stattfand. Nachmittags wurn die Abgesandten fremder Höfe, und zwar u. A. derköniglich preußische Gesandte Graf Dön⸗ hoff, der Königlic sächsische Gesandte von Minkwitz und der ngh, hshaer cedsBerararulte Ober⸗Jägermeister von
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Strauch, ferner Vertreter des Ober⸗Landesgerichts, der Generaldirekti des Thüringischen Zoll⸗ und Handels⸗ Vereins und der Ober⸗Postdirektion empfangen und zur Tafel gezogen. — der Fürst Reuß j. L. hat aus Veranlassung des Tages der Endt zum Bau der St. Johanniskirche und dur Vertheilung die Armen namhafte Summen überreichen assen.
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Oesterreichlngarn. Wien, 1. Dezember. Wie die „Wiener Abendpf“ meldet, wird der Einundzwanziger⸗ Ausschuß des arischen Abgeordnetenhauses den Bericht über d’e Gesetzentwurf, betreffend die Reform des Oberhauss, erst gegen Ende dieser Woche im Abge⸗ ordnetenhause eipringen, welches die Verhandlung des Gesetz⸗ entwurfes nach Bmdigung der Budgetberathung auf die Tages⸗ ordnung setzen wid. Da das Abgeordnetenhaus nach Erledigung des Budgets die Weihnachtsferien antreten wird, kann die Oberhaus⸗Riorm erst im Januar zur Verhandlung gelangen. 3
Pest, 1. Dsenber. (Wien. Abendpost.) In der heutigen Sitzung des Abgecrdnetenhauses wurde die General⸗ debatte über das Budget pro 1885 fortgesetzt. — Der Abg. Alb. Szentkirälyi besprach, als außerhalb der Parteien stehend, die staatsrechtiche Frage. Er finde, daß das Aus⸗ gleichsgesetz, auf dessen Basis auch er stehe, noch immer nicht durchgeführt würde r könne daher dasjenige, was bisher geschehen, nur as iin provisorisches Uebergangsstadium betrachten. Da eber ein solcher provisorischer Zustand nicht über Gebühr verlängert werden dürfe, ohne die in dem Gesetz wurzelnde Verfassung selbst zu gefährden, weil der Usus der gefährlichte Gegner des geschriebenen Gesetzes sei, so könne er auch ener Politik nicht zustimmen, welche einen solchen Zustand aufrchterhalte. Redner urgirte die Herstellung eines selbständigen mgarischen Heeres und behielt sich vor, seine Ansichten üer die außerhalb des Rahmens des G. A. XII. vom Jchre 1867 fallenden Fragen des wirth⸗ schaftlichen Ausgleches seinerzeit bei konkreter Ver⸗ anlassung darzuleger. Redner stimmte schließlich für den Beschlußantrag des Abg. Ugron. — Graf Eugen Zichy votirte das Budget und erklärte, daß er, obwohl außer⸗ halb der Parteien sehend, dennoch in die Regierung Ver trauen setze, deren sytematische Wirksamkeit und guten Willen er anerkenne. Rednr plaidirte für ein selbständiges Zoll⸗ gebiet. — Horansz'y unterzog die Politik der Regierung vom oppositionellen Standpunkt einer scharfen Kritik. Er nahm das Budget zu Basis der Spezialverhandlung an und behielt sich vor, die Vertrauensfrage bei dem Budgetgesetz auf⸗ zuwerfen. — Finan Minister Graf Szaͤpäry wendete sich gegen die Ausführungn der oppositionellen Redner, nament⸗ lich Horänszky's und Ewedi's, und wies auf Grund ziffermäßiger Daten nach, daß der Wranschlag ein reeller sei und daß sich die Budgetlage bedeutend gebessert habe. Der Minister erklärte, die günstige finanzielle Sitration werde in Zukunft durch Sparsamkeit ohne weitere Belastumg noch gebessert werden können, da viele Einnahmequellen, darunter die Eisenbahnen, das Taback⸗ monopol ꝛc. ꝛc., größeie Einkünfte abwürfen und sich auch die Investitionen künftighin vermindern würden. — Nach dem Finanz⸗Minister sprach Baron Andreänszki vom Stand⸗ punkt der Antisemitenpartei und unterbreitete im Namen seiner Gesinnungsgenossen einen Beschlußantrag, wonach die Regierung anzuweisen sei, noch im Laufe der Session eine Vorlage bezüglich der Besteuerung der noch steuerfreien Cou⸗ pons der Staats⸗ und Werthpapiere vorzulegen. Er lehnte das Budget ab.
„Schweiz. Bern, 1. Dezember. (Bund.) In der Sitzung vom Sonntag Vormittag hat der Bundesrath in der Tessiner Angelegenheit einen weiteren Beschluß gefaßt. Gemäß demselben unterbleibt bis nach dem Entscheide in der Hauptsache (d. h. bis nach Erledigung des beim Bundes⸗ rath anhängigen Rekurses des Gemeinderaths von Lugano) jede weitere Aktion des Bundesraths in der Sache. Ebenso wird die Piketstellung des Bataillons Nr. 45 aufgehoben und Kommissar Karrer bis auf Weiteres aus dem Tessin
beiten in den nächsten Tagen zum Abschluß bringen.
zurückberufen. In den Erwägungen zu vorstehendem Be⸗
schlusse wird ausdrücklich betont, daß die früheren bezüglichen Schlußnahmen des Bundesraths (Annullirung des Exeku⸗ tionsversahrens der Tessiner Regierung und Verantworllich⸗ keit derselben für alle Folgen ihres ungesetzlichen Vorgehens) “ erhalten bleiben. Damit wäre der Handel vorläufig erledigt.
Großbritannien und Irland. London, 2. Dezember (W. T. B.) In der heutigen Sitzung des Oberhauses vertheidigte der erste Lord der Admiralität, Lord North⸗ brook, den Zustand der englischen Flotte und er⸗ klärte: die Regierung sei entschlossen, die Flottensupre⸗ matie Englands aufrecht zu erhalten. England besitze weit mehr Schiffe als Frankreich. Die jetzigen Aus⸗ gaben Englands für den Bau von Panzerschiffen über⸗ stiegen diejenigen Frankreichs bedeutend. Die Regie⸗ rung betreibe die Fertigstellung der bereits im Bau begriffenen Panzerschiffe so viel wie möglich und beabsichtige 4 neue Panzerschiffe, 2 Torpedowidder, 5 Kreuzer, 10 Avisos und 30 Torpedoboote zu bauen. Die Kosten hierfür würden, ein⸗ schließlich der Armirung der Schiffe und der Befestigung der Kohlenstationen, auf 5 ½ Mill. geschätzt, welche auf die nächsten 5 Jahre zu vertheilen wären.
Im Unterhause erklärte der Premier Gladstone: es sei wenig Hoffnung vorhanden, daß das Resultat der auf die Regelung der egyptischen Finanzen bezüglichen Vorschläge dem Parlament noch vor dessen nächster Ver⸗ tagung mitgetheilt werden könnte, da auch noch die kleineren Mächte zu konsultiren wären und die in dem Liquidations⸗ gesetz vorzunehmenden Aenderungen ausgearbeitet werden müßten.
Durban (Süd⸗Afrika), 29. November. (Allg. Corr.) Die Ausschüsse des Afrikander⸗Bundes im Frei⸗ staat und im Transvaal haben für den 24. Dezember einen Kongreß nach Potchefstroom einberufen, um die Frage einer politischen Vereinigung oder einer engeren Ver⸗ bindung zwischen den beiden Rep ubliken zu erwägen.
Frankreich. Paris, 2. Dezember. (W. T. B.) Die Deputirtenkammer nahm heute, trotz dem Einspruch der Regierung, mit 372 gegen 135 Stimmen das von Perras eingebrachte Amendement zu dem Senats⸗Wahlgesetz an, nach welchem die Uebernahme eines Mandats als Senator unter denselben Bedingungen nicht statthaft sein soll, welche für die Verhinderung der Uebernahme eines Mandats als Deputirter gelten. Ferner wurde, ebenfalls gegen den Wider⸗ spruch der Regierung, mit 260 gegen 246 Stimmen ein Amendement Floquets angenommen: die Wahlen zum Senat mittelst des allgemeinen Stimmrechts und Listenskruti⸗ niums vorzunehmen. In Folge dieser beiden Abstimmungen gab Léon Renault seine Entlassung als Bericht⸗ erstatter der betreffenden Kommission. Die Berathung wird am Donnerstag fortgesetzt werden.
In Folge der Annahme des Amendements Floquets ist der Ministerrath auf morgen früh zu einer außer⸗ ordentlichen Sitzung zusammenberufen worden, um die durch .““ dieses Amendements geschaffene Situation zu prüfen.
In parlamentarischen Kreisen glaubt man nicht,
daß die Annahme des Amendements Floquet eine Ministerkrisis herbeiführen werde. Der Minister des Innern, Waldeck⸗Rousseau, hatte zwar ziemlich ernsthaft die Ab⸗ sicht, seine Entlassung zu nehmen, doch machten ihn die ihm nahestehenden Persönlichkeiten darauf aufmerk⸗ sam, daß er nicht persönlich angegriffen worden sei, und daß entweder das gesammte Kabinet zurücktreten oder intakt bleiben müsse. Man nimmt an, daß der auf morgen zusammenberufene Ministerrath sich dahin entscheiden werde, die Berathung der Vorlage über die Reform der Wahlen zum Senat durch die Kammer beendigen zu lassen. Voraus⸗ sichtlich wird die Vorlage im Senat movdifizirt werden, und dürfte alsdann die so modifizirte Vorlage von der Deputirten⸗ kammer angenommen oder das betreffende Gesetz vom Jahre 1875 aufrecht erhalten werden. Der „Liberté“ zufolge hätte sich der Minister⸗Prä⸗ sident Ferry darauf beschränkt, von den englischen Vorschlägen bezüglich Egyptens Akt zu nehmen, und sich vorbehalten, später seine Ansichten bezüglich derselben mit⸗ zutheilen.
In der heutigen Sitzung der Tarif⸗Kommission setzte der Minister des Ackerbaues, Méline, die Gründe für die Erhöhung der Getreidezölle aus⸗ einander und erklärte dieselben für das annehmbarste Maxi⸗ mum. Die Regierung beabsichtige keine weitere Erhöhung, sondern im Gegentheil eine Verringerung oder Abschaffung derselben, sobald die Umstände es erlauben würden.
— (Fr. C) Der Deputirte Wilson, der Schwieger⸗ sohn des Präsidenten der Republik, ist aus der Fraktion der gemäßigten Linken ausgetreten und hat sich bei der ra⸗ dikalen Linken einschreiben lassen.
Spanien. Madrid, 3. Dezember. (W. T. B.) Die amtliche Gaceta wird heute eine Verordnung publiziren durch welche die für Provenienzen aus Italien und Südfrankreich angeordnete Quarantäne aufgehoben wird. Nur Reisende, die direkt von Paris kommen, sollen noch einer dreitägigen Beobachtung unter⸗ worfen sein, auch diese Maßregel aber vom 20. d. M. ab in in Wegfall kommen.
Italien. Rom, 2. Dezember. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung der Deputirtenkammer erklärte der Minister des Auswärtigen: er werde die Interpella⸗ tion über die Kolonialpolitik der Regierung nach Beantwortung der übrigen den Ministern vorgelegten Fragen, also in etwa 14 Tagen beantworten. Die Kammer setzte sodann die Berathung über die Eisenbahn⸗Konven⸗ tionen fort.
Türkei. Konstantinopel, 30. November. (Allg. Corr.) Die Pforte hat ihren Botschafter in Paris, Essad Pascha, angewiesen, der französischen Regie⸗ rung kundzuthun, daß sich die Türkei ihre Anrechte auf die jüngst von den Franzosen besetzte Bai von Tad⸗ schura vorbehalte aus dem Grunde, weil dieses Terri⸗ torium einen Bestandtheil des ottomanischen Reiches bilde.
Die Anarchie in Macedonien dauert fort. Wegen Betheiligung an der Meuterei der Garnison von Monastir wurden 10 bis 15 Offiziere verhaftet. Viele Albanesen⸗ Chefs sind verhaftet worden, weil sie verdächtig sind, Maß⸗ regeln zu treffen, um sich für eine Einverleibung Albanieus in Griechenland zu erklären.
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Afrika. Egypten. Kairo, 2. Dezember. (W. T. B.) an dem Prozeß der Staatsschuldenkasse gegen die Regierung hat der Gerichtshof sein Urtheil dahin abgegeben, zaß die Handlungsweise der egyptischen Regierung eine ungesetzliche gewesen sei, insofern als das internationale en. allein kompetent war, das Liquidationsgesetz abzuändern. In Folge dieses Beschlusses werden alle Beamten, welche Gelder an die Regie⸗
,„anstatt an die Schuldenkasse zahlten, dieselben zurück⸗
werflatten haben. . (Allg. Corr.) Aus Kairo, 30. November, meldet Reuters Bureau“: In Massauah sind Duplikate von heneral Gordons letzter Depesche sammt einer anderen Depesche, datirt 28. August, eingegangen, in welcher der Ge⸗ neral erklärt: es sei im Interesse der Wohlfahrt und Ruhe Egyptens eine gebieteriscche Nothwendigkeit, daß der anze Lauf des Nils im Besitze Egyptens bleibe, und daß alle üblen Wirkungen, die entstanden sein mögen, den Worten „Preisgebung des Sudans“ zuzuschreiben seien. — der Khedive hat von Lord Wolseley ein Telegramm empfangen, welches meldet, daß dem Mahdi augen⸗ bliclich der Proviant knapp sei, und daß unter seinen regu⸗ lären Truppen Krankheiten grassiren und allgemeine Un⸗ zufriedenheit herrsch. Fünshundert Soldaten des Mahdi sollen in Chartum angekommen sein üͤnd sich dem General Gordon ergeben haben.
— (Allg. Corr.) In Dongola ist die Meldung einge⸗ laufen, daß der Mahdi fortfährt, den General Gordon zur Uebergabe aufzufordern, welches Ansinnen der General mit seinen Kanonen beantwortet. Die Rebellen verschanzen sich bei Wady Gamar. Lord Wolseley hat einen Preis von 1000 Pfd. St. ausgesetzt für das Regiment, welches die Bootreise von Sarras nach Debbeh am schnellsten
zurücklegt.
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In einem „Das Ansehen des Reichstages“ überschriebenen Artikel sagt die „Wiesbadener Zeitung“:
In der ersten ordentlichen Verhandlung, welche in dem neuen Reichstage am Mittwoch stattfand, hat das „Ansehen des Reichs⸗ tages“ eine große Rolle gespielt. Einer der freisinnigen Redner erblickke in der Einschränkung des Mißbrauchs der freien Eisen⸗ hahnfahrt „ein Glied in der Kette jener Maßregeln, welche dar⸗ auf hinzielen, das Ansehen des Reichstages auf einen mehr⸗ beschränkten Kreis zu verweisen“, ein anderer glaubte das Ansehen des Reichstages dadurch wahren zu müssen, daß er den Protest gegen jene ihm sonst unbedeutend erscheinende Maßregel in die Worte faßte: „Keine einseitige Abhängigkeit vom Herrn Reichskanzler und vom Bundesrath“, ein dritter endlich drückte sich etwas deutlicher aus, indem er die Stelle näher bezeichnete, welche es auf die Ver⸗ minderung des Ansehens des Reichstages abgesehen habe: nicht der Krone — sagte er — drohe jetzt Gefahr von der Volksvertretung, sondern das Umgekehrte sei der Fall.
Das Ansehen des Reichstages nicht nur ungeschmälert auf⸗ recht zu erhalten, sondern zu befestigen und zu erhöhen, ist in der That eine Nothwendigkeit im Interesse des Volks und des Reichs. Gleichwohl sehen wir, daß es im Vergleich zu den ersten Jahren nach Begründung des Reichs im Bewußtsein des Volks ab⸗ genommen und gelitten hat. Die Gleichgültigkeit gegen die Ver⸗ handlungen der hohen Körperschaft hat seit einer Reihe von Jahren um sich gegriffen. Die parlamentarischen Berichte werden nur ausnahmsweise, wenn es etwas Großes gegeben hat, gelesen. Bei den Wahlen zum Parlament betheiligen sich nur etwa zwei Drittel der wahlberechtigten Bevölkerung. Nach der Ehre, Abgeord⸗ neter zu sein, streben im Ganzen immer weniger Leute, und viele Männer, welche, von der Begeisterung für diese nationale Institution getrieben, sich einmal haben in den Reichstag wählen lassen, sind nicht zu bewegen, ein zweites Mal ein Mar dat anzunehmen.
Diese Erscheinung mag beklagenswerth sein, beklagenswerther aber sind ihre Ursachen, denn es giebt deren viele. Zunächst ist es die im Verhältniß zur Dauer große Unfruchtbarkeit der par⸗ lamentarischen Verhandlungen. Sodann aber namentlich die Art der Verhandlungen. Wenn man sieht, welche Anklagen, welche Beleidigungen von der Tribüne gegen die Gegner, gegen Außen⸗ stehende und vor Allem gegen die Räthe der Krone heute ge⸗ bräuchlich sind, für erlaubt gelten und durch die Würde des Par⸗ laments geschützt werden, dann ist es wohl erklärlich, daß sich die Sympathien der Bevölkerung für das Parlamentarische abkühlen. Dann das ganze parlamentarische Getriebe — wer einmal hinter die Koulissen gesehen, in das Fraktions⸗ und Cliquenwesen hinein⸗ geblickt und beobachtet hat, wie die Beschlüsse zu Stande kommen, wie der Einzelne seine Freiheit und Unbefangenheit, durch den zwin⸗ genden Einfluß des größeren Ganzen, dem er sich angeschlossen hat, verliert, — der wendet dem Parlament enttäuscht den Rücken. Nicht die Däätenlosigkeit ist es, welche viele bestimmt, eine Wiederwahl zum Reichstage abzulehnen, sondern — wie Hr. von Bennigsen auch einmal andeutete — die Scheu vor den bösen Erfahrungen, die das varlamentarische Leben mit sich bringt.
Wenn das Parlament in der angedeuteten Weise etwas im Course gesunken ist, so trägt hieran die Hauptschuld die sog. frei⸗ sinnige Opposition. Und doch sind diese Herren in Bezug auf das Ansehen des Reichstages außerordentlich empfindlich. Wir wollen ihnen dies nicht verübeln, sie suchen aber den Grund des Uebels an einer falschen Stelle. Was speziell die Eisenbahnfahrt⸗ und Diäten⸗ frage anbetrifft, so liegt es doch wohl auf der Hand, daß nicht die Finschränkung des Mißbrauchs der freien Eisenbahnfahrt, sondern dieser Mißbrauch selbst dem Ansehen des Parlaments einen Stoß versetzen muß, und daß diejenigen, welche sich aus ihrem Parteifonds Entschädigungen bezahlen lassen, am meisten zur Erschütterung des Ansehens des Abgeordneten beitragen und kein Recht haben, dafür einzutreten.
Das — wie zugegeben ist — im Ganzen gegen früher verminderte Ansehen des Reichstages wird weder von der Regierung oder gar der Krone im Allgemeinen, noch durch eine einzelne Maßregel erschüttert, kann aber auch nicht durch möglichst kräftige und scharfe Angriffe gegen die Regierung, oder durch Einführung von Diäten und noch weniger — wie man sich einbildet — durch Erweiterung der ver⸗ fassungsmäßigen Rechte des Parlaments, am wenigsten aber durch eine dic⸗ Debatte, wie sie aus Anlaß der Eisenbahn⸗ und Diätenfrage am d ittwoch geführt wurde, wiederhergestellt und erhöht werden. Erst wenn as Parlament sich seiner hohen nationalen Aufgaben und Pflichten be⸗ wußt ist und sich im Einzelnen nur von solchen Rücksichten leiten läßt, erst wenn das Fraftions⸗ und Parteiwesen in den Hintergrund ritt, und an Stelle desselben eine ruhige sachliche Behandlung der braktischen nationalen Aufgaben tritt, dann wird sich das Ansehen es Reichstages gemäß der Bedeutung, die ihm als eke ne en
W“ des deutschen Volkes zukommt, zu seinem eigenen Vortheil n.
— In der „Wiener Abendpost“ lesen wir: Die epochemachenden Erklärungen, welche der deutsche Reichs⸗ Fäöeler Fürst Bismarck jüngst im deutschen Reichstage abgegeben hat, ilden, wie leicht erklärlich, den hervorragendsten Gegenstand der jour⸗ nalistischen Diskussion. Das „Fremden⸗Blatt“ schreibt: „Es ist keine Versündigung
gegenübersteht, je erkennt und beklagt. In solchen Momenten blickt wohl auch das deutsche Volk mit doppeltem Vertrauen zu einem Staatsmanne empor, dessen Name, dessen Vergangenheit und Thatkraft dafür bürgt, daß er trotz eines Parlamentarismus, der nicht selten mehr beengend als fördernd auf die Staatspolitik wirkt, das Ruder des Staates mit fester Hand führen und mit der Kraft seines eigenen Wollens und Handelns, mit klarem Blicke und unfehlbarem Geschicke das Reich über alle inneren Schwierigkeiten hinwegleiten wird, wie er es groß und ge⸗ waltig gemacht hat in Europa.“
„— Der „Schwäbische Merkur“ äußert sich über die Reichstagsverhandlungen, wie folgt:
Mit einem schönen Morgen, welcher einen ungetrübten Tag ver⸗ spricht, läßt sich der Beginn der Reichstagsthätigkeit nicht vergleichen. Das schon so oft eingebrachte der Bestimmung der Verfassung wider⸗ sprechende Gesuch um Diäten wurde, trotz der früheren Ablehnungen und sicher Seitens der meisten dafür Eintretenden mit Gewißheit des Mißerfolgs, dennoch wieder zu Beginn der Wahlperiode erneuert. Die zu Hütern der Verfassung Bestellten begannen ihre Thätigkeit mit einem Rütteln an derselben. Daß in der Debatte geltend gemacht werden wollte, Diäten würden das Ansehen des Reichstages erhöhen, ist doch in völligem Widerspruch damit, daß geleistete Opfer mehr Anspruch auf Anerkennung haben, als bezahlte Dienste. Der Nutzen der Debatte war indeß insofern kein geringer, als Fürst Bismarck mit der ihm eigenen energischen Offenheit den Parlamentariern den Stand⸗ punkt darüber klar machte, daß es ihren Bestrebungen weder jetzt, noch in Zukunft gelingen werde, die Verschiebung der Kaiserlichen Machi in eine Parlamentsregierung durchzusetzen. Während im Bundesrathe trotz der von den Fürsten dem Reiche gebrachten Opfer Einigkeit und gegenseitiges Wohlwollen herrscht und er sich als einigendes Band der Nation darstellt, kann leider vom Reichstage zur Zeit das Gleiche nicht behauptet werden. Zwietracht und Hader der Parteien unter sich und nur Vereinigung der in ihren Zielen am weitesten Auseinandergehenden, wenn es sich darum handelt, die Pläne der Reichs⸗ regierung zu durchkreuzen, dies ist leider und unwidersprechlich die Signatur des Reichstages. Aber nicht genug, daß ein wohlwollendes Entgegenkommen der Regierung gegenüber keine feste Mehrheit findet, sogar Elemente, welche das Bestehen des Reichs anfeinden und dessen Zusammenbruch mit Freuden begrüßen würden, finden sich dort. Was ist aus der Hoffnung geworden, der Reichstag werde ein erhebendes Bild deutscher Eintracht und ein alle seine Glieder in gleicher Liebe zu Kaiser und Reich umspannendes Band werden? Vorderhand hat sich diese Hoffnung getrübt. Es ist nur gut, daß die Zeiten sich auch wieder ändern können. Hoffentlich geschieht dies, ohne daß erst die Noth den Anlaß zum Insichgehen giebt.
— Die deutsche „St. Petersburger Zeitung“ schreibt:
Das „Journal de St. Pötersbourg“ bespricht heute an einer Stelle, an der wir sonst offiziösen Auslassungen in den, Rußland tangirenden Fragen der internationalen Politik zu begegnen pflegen, das Vorgehen der Freisinnigen in der Diätenfrage. Unser diplo⸗ Blatt spricht sich darüber recht offen und rückhalts⸗ os aus.
„Jeder für sich — ist eine jener Elementarregeln, welche im Privat⸗ und selbst im öffentlichen Leben zulässig sind, aber von Par⸗ lamenten nur mit Unrecht allzu dringend auf sich selbst angewandt werden. Die Majorität des Deutschen Reichstages hat Unrecht gehabt, wie uns dünkt, indem sie den Reichsboten Entschädi⸗ gung zusprach, und hat ihr Unrecht durch den Umstand noch erschwert, daß der Reichstag mit diesem Votum seine Arbeiten begonnen hat. Praktisch genommen ist das Votum ohne Gültigkeit; die, welche so votirt haben, wissen das sehr wohl, denn der Beschluß ist schon manches Mal erneuert worden und der Bundesrath hat sich immer geweigert, ihn zu billigen. Den Erwä⸗ gungen, die Fürst Bismarck entwickelt hat, um den Antrag zu be⸗ kämpfen, hätte er hinzufügen können, daß in dem Moment, wo die Zahl der sozialistischen Mitglieder sich verdoppelt hat, der Vorwand unstatthaft ist, das Fehlen einer pekuniären Entschädigung hindere die unteren Volksklassen, sich ver⸗ treten zu lassen. — Es ist nicht an uns, in diesen Kampf uns zu mengen, aber wir können nur unserem Erstaunen Ausdruck geben, daß die Fortschrittler sich keine Rechenschaft von der Unpopularität geben, die von ihrem Drängen auf sie zurückprallen muß. Man könnte sagen, daß sie keine Kenntniß von dem Nachtheil haben, den die berüchtigten 25 Fr. per Tag den Gliedern der fran⸗ zösischen Assemblbe von 1851 brachten, die „das Volk“ ihnen am 2. Dezember nur allusehr vorwarf. Aber die Parteien haben ihre Steckenpferde, welche sie Prinzipien nennen, und von dem Moment an, als die ersten Fortschrittler des ersten norddeutschen Parlaments Besoldung forderten, haben alle ihre Nachfolger sich verpflichtet geglaubt, die Forderung zu wiederholen. Fürst Bismarck hat seinen Gegnern harte Worte zu hören gegeben. Angenommen — was kaum wahrscheinlich ist, wie wir uns beeilen hin⸗ zuzufühen — aber angenommen, daß die Regierungen sich entschließen, den Reichstag sofort aufzulösen: glaubt man, daß den Fortschrittlern und ihren Schildknappen vor ihren Wählern ein guter Dienst erwiesen würde, wenn man ihnen ins Gedächtniß ruft, daß die erste Frage, bei der sie, die Fortschrittler, einen Konflikt geschaffen und die einzige, die sie zur Diskussion gebracht, diejenige ihrer eigenen Entschädigung auf Kosten des Steuerzahlers war.“
— Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ be⸗ spricht den kürzlich erschienenen 10. Jahrgang des „Statistischen Jahrbuchs der Stadt Berlin“ und sagt:
.. Der Abschnitt V. des Jahrbuchs: „Handel und Industrie“ ist der umfangreichste und übertrifft hierin noch denjenigen, welcher die Armenpflege ꝛc. behandelt. Er bietet aber auch zugleich die er⸗ freulichsten Aufschlüsse über das Emporblühen zahlreicher und aus⸗ gedehnter Industriezweige. Es trifft dies die ietaluoh ge Pro⸗ duktion, die Bierbrauerei, die landwirthschaftlichen Fabrikate fast eben so sehr, als die Halb⸗ und Ganzfabrikate der Textil⸗ industrie (worunter Teppich⸗e, Tuch⸗ und Shawkfabrikation eben so begriffen ist, wie Konfektion von Wäͤsche und Herren⸗ und Damenkleidung); ferner die Fabrikate der Papier⸗, der Leder und der Holzindustrie. Besonders wichtig ist im V. Abschnitt auch die Uebersicht der Lohnverhältnisse, welche nach den hundertfältigen Gewerben und Beschäftigungen tabellarisch geordnet ist. In Verbindung mit dem Abschnitt VII. des Jahrbuchs, welcher das Versicherungswesen und die Anstalten für Selbsthülfe behandelt, bietet jene Uebersicht ein erwünschtes zuverlässiges Material zur Be⸗ urtheilung manches brennenden Punktes in den sozialen Fragen. Professor Boeckh ist für die in Abschnitt V. aufgenommenen Er⸗ mittelungen aus den Hirsch⸗Dunckerschen Gewerksvereinen, welche ihm von den Vorständen zur Verfügung gestellt worden sind, besonders dankbar und fordert andere Genossenschaften und Vereine angelegentlich auf, das Jahrbuch durch solche im allgemeinsten Interesse liegende Mittheilungen zu fördern. Wir können uns diesem Wunsche nur anschließen, möchten aber demselben noch einen anderen hinzufügen, den nämlich: daß das überaus reiche, in 10 Abschnitten übersichtlich geordnete Material des Statistischen Jahrbuchs der Stadt Berlin nicht blos von den Interessenten und Fachkundigen benutzt, sondern daß sein Inhalt auch von der Presse in den weitesten Kreisen verbreitet werde. Nichts kann in der That in unseren öffentlichen Zuständen ersprießlicher wirken, als eine Beleh⸗ rung auf Grund zuverlässiger thatsächlicher Angaben über Verhält⸗ nisse, in denen sich so Viele von falschen Voraussetzungen oder von einseitigen Parteiansichten leiten lassen.
Marineverordnungsblatt. Nr. 24. — Inhalt: S. M.
g. Ersatzleistung für Verluste an B heimischen Stationsbereichen. — Unterstützung in Noth befindlicher Schiffe. — Schulverzeichnisse. — Personalveränderungen. — Benach⸗ richtigungen.
ESttatistische Nachrichten. 8 n
Ueber den Erwerb und Verlust der Reichs⸗ und Staats⸗ angehörigkeit, soweit er durch Ertheilung einer Aufnahme⸗ bezw. Entlassungsurkunde auf Grund des Gesetzes vom 1. Juni 1870 er⸗ folgt ist, enthält das neueste Monatsheft zur Statistik des Deutschen Reichs eine Nachweisung für das Jahr 1883, in der sowohl die aus⸗ gestellten Urkunden als auch die Personen, auf welche sie sich bezie⸗ hen, beziffert werden. Danach haben in den deutschen Bundesstaaten stattgefunden: 1) Aufnahmen (Deutscher aus Zahl der Urkunden 4 080, anderen Bundesstaaten) — „ Personen 12 630, - Urkunden 795,
2) Wiederaufnahmen Personen 1 837,
3) Naturalisationen (Außer-⸗ † „ „ Urkunden 1 462,
deutscher) „1616161611 4) Entlassungen nach deutschen „ „ Urkunden 418,
.„881II1I1I1“
5) Entlassungen nach dem Aus-⸗ „ „ Urkunden 18 954,
lande 1 „ „ Personen 33 848. Den Umfang der thatsächlich vorgekommenen Wanderungen lassen diese Zahlen, die eben ausschließlich die beurkundeten Fälle betreffen, nicht ersehen. Ebensowenig ist festzustellen, welcher Bruchtheil der Wandernden eine Urkunde genommen hat. Daß dies aber jedenfalls nur ein geringer ist, geht daraus hervor, daß in der Statistik der überseeischen Auswanderung für das Jahr 1883 als über deutsche Häfen und Antwerpen nach den Vereinigten Staaten von Amerika ausgewandert 159 894 Personen nachgewiesen sind, während nur 27 220 nach denselben entlassen wurden. Wenn man also auch an⸗ nehmen wollte, daß alle nach den Vereinigten Staaten ausgewanderten Deutschen über deutsche Häfen oder Antwerpen gegangen seien, so würde die Zahl derjenigen dieser Auswanderer, welche mit Ent⸗ lassungsurkunden versehen waren, doch nur 17 % betragen. In Wirk⸗ lichkeit wird sie noch geringer gewesen sein.
— Das soeben erschienene Oktoberheft zur Statistik des Deutschen Reichs enthält das endgültige Ergebniß der Erhebungen über die Produktion der Bergwerke, Salinen und Hütten im Deutschen Reich und in Luxemburg für das Jahr 1883. Die betreffenden Uebersichten sind in Folge des Bundesrathsbeschlusses vom 8. November 1883 (§. 424 der Protokolle) auf einen erheblich geringeren Umfang zusammengedrängt, als die für die Vorjahre ver⸗ öffentlichten entsprechenden Nachweisungen, enthalten jedoch die in kürzerer Form gemachten Angaben gegen die Vorjahre in sofern voll⸗ ständiger und richtiger, als zwei Eisenwerke von hervorragender Bedeu⸗ tung ihre Produktion, welche bisher stets nur in sehr unvollkommener Weise geschätzt werden konnte, für 1883 erstmals selbst mitgetheilt haben. Da nunmehr diejenigen Werke, welche eigene Angaben über ihre Produktionnicht gemacht haben, im Vergleich zur Gesammtheit der betreffenden Werke nur von geringem Umfange sind, so ist die Statistik der Eisenverarbeitung, welche bisher an Zuverlässigkeit sehr zu wünschen übrig ließ, wesentlich besser geworden. Mit Einschluß der Schätzungen über die Produktion dieser Werke stellt sich, wenn Menge und Werth aller bei der Weiterverbreitung des Roheisens gewonnenen verkäuflichen Produkte, also der Roh⸗, Halb⸗ und Ganz⸗ fabrikate zusammengerechnet werden, die Gesammtsumme davon auf 661 163 t Eisengußwaaren zweiter Schmelzung im Werthe von fast 121 Millionen Mark, 1 573 411 t Schweißeisenfabrikate im Werthe von fast 233 Millionen Mark und 1 060 609 t Flußeisenfabrikate im Werthe von etwas über 169 Millionen Mark.
Im Uebrigen ist die Produktion der hauptsächlichen Bergwerks⸗, Salinen⸗ und Hüttenprodukte für die Jahre 1883 und 1882 folgender⸗ maßen angegeben:
Es betrug
Staaten
sddie Menge der Pro⸗ bei den folgenden duktion in Tonnen zu 1000 kg
Produkten: 1888 1882
Steinkohlen. 55 943 004 52 118 595 Braunkohlen . 14 499 644 13 259 616 Steinsalz. . .336 401 322 442 Kainit und andere Kali⸗
— 1 189 63 1201 392
salze e . 8 756 617 8 263 254 Zinkerze. 677 794 694 711 Bleierze. 169 754 177 656 D 613 211 566 509 16 069 14721 Silber⸗ und Golderze 25 302 22 977 4 400 4 331 Kochsalz.. 1 468 851 459 499 12 617 12 423 Chlorkalium 147 496 148 403 19 666 19 978 Roheisen. 3 469 719 3 380 806 184 984 195 708 116 854 113 418 33 730 35 950 90 732 92 591 21 928 25 192 17 936 16 292 24 384 22 627 g kg
235 063 214 982 35 088 32 763
.1 376 1 051
der Werth der Pro⸗ duktion in 1000 ℳ
1888 1882 293 628 267 859 39 007 36 156 2 0900 2108 11 62 11 673 39 319 39 182 8 890 11 912 18 091 20 621
Kupfer Silber Gold. Schwefelsäure u. rauchen⸗
des Vitriolöl . . .
457 t t
297 437 286 953
14 307
Von der vollständig umgearbeiteten und mit Abbildungen und Karten auf besonderen Tafeln und im Text reich ausgestatteten 13. Auflage des Brockhausschen Konversations⸗Lexikons, das in 16 Bänden oder 240 Heften im Verlage von F. A. Brock⸗ haus in Leipzig erscheint, sind vor Kurzem wiederum 5 Hefte, Heft 131 — 135, veröffentlicht worden. Dieselben führen den Text von „Inthronisteren“ bis zu „Kades“ fort und bringen außerdem 4 Bildertafeln (Hirsche, Insekten, Industriepflanzen II, 2e. Insekten) und 6 kolorirte Kartenblätter (Isothermen, Ober⸗ und Mittel⸗Italien, Italien, Unter⸗Italien, das alte Italien, Jerusalem). — Mit dem 135. Hefte ist der 9. Band von Brockhaus’ Konver⸗ sations⸗Lexikon zum Abschluß gelangt. Derselbe geht von Hede⸗ bis zum Stichwört „Kades“ und enthält im Ganzen 6486 Artikel, über 4000 mehr als derselbe Band in der vorigen Auflage. Allen Fächern und Wissensgebieten ist diese bedeutende Ver⸗ mehrung zu gute gekommen, vornehmlich aber den Natur⸗ wissenschaften. der Medizin, der Technologie und Mechanik, denjenigen Gebieten also, auf welchen unsere Zeit die gewal⸗ tigsten Fortschritte zu verzeichnen hat; auch die Darstellung des mo⸗ dernen Heerwesens ward durch zusammenhängende Artikel und tabel⸗ larische Uebersichten vorzugsweise bereichert Stoffe aus dem Leben der Gegenwart behandeln die Artikel über: Heimathsrecht, Hülfs⸗ kassen, Hypnotismus, Impfung, Internationale, Irredenta, wogegen Abhandlungen wie die über Fndien, Irland, Italien, Japan, den Islam, die Juden, abgerundete historisch⸗geographische Gemälde ent⸗ rollen. Zur Erläuterung und Illustrirung des Textes dienen 152 Fi⸗ guren in Holzschnitt, 17 besondere Bilderkafeln und 8 in Farbendruck ausgeführte Karten. Sehr beachtenswerth erscheinen auch die Tafeln mit Abbildungen aus den Gebieten der Zoologie und Botanik, die in der naturgetreuen Wiedergabe die Hand bewährter Fachmaler und in der Ausführung eine vollendete künstlerische T chnik bekunden.
— Die vor Kurzem bei Scholtze in Leipzig erschienene Schrift
5 den konstitutionellen Prinzipien, zu denen wir alle uns bekennen, enn man mit offenem Auge den Auswüchsen und Gebrechen des
1“ X““
Panzerkanonenboote „Camäleon“ und „Natter“. — Schiffsgattungen, Zutheilung der Schiffe und Fahrzeuge zu denselben. — Werftdienst⸗
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„Die Rückstände der Oelfabrikation als Futtermittel