1884 / 286 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 04 Dec 1884 18:00:01 GMT) scan diff

wurde Superintendent Dieckmann in Verden mit 64 Stimmen gewählt, zum zweiten, weltlichen, Landes⸗Oekonomie⸗Rath von Kaufmann⸗Steuerwald mit 53 Stimmen.

Pastor Greve⸗Hannover überreichte in Gemeinschast mit em Senator Liebrecht eine Petition von Gemeindemitgliedern nd Kirchenvorständen der Stadt Hannover: die Landes⸗ ynode dahin möge wirken, daß der Allerhöchste Erlaß vom 6. August, die Bildung der Schloßkirchengemeinde zu Han⸗

nover betreffend, zurückgenommen werde. Bei der Ueber⸗ reichung der Petition sprach Hr. Greve die Ansicht aus, daß in den nächsten Tagen wahrscheinlich noch Petitionen gleichen Inhalts an die Synode gelangen würden, denn dieser Erlaß habe in der Stadt Hannover viel Aufsehen gemacht und die Gemüther erregt; er bitte, die etwaige Berathung der Petition schon morgen auf die Tagesordnung zu setzen.

Die Petition fand genügende Unterstützung in der Synode, wird also zur Berathung gestellt werden.

Nach Erledigung einer Anzahl von Urlaubsgesuchen wur⸗ den die eingegangenen Schriftstücke verlesen. Von Pastor Hoppe⸗Osterholz ist eine Petition, betreffend die Geltend⸗ machung des der Landessynode durch Erwiderungsschreiben vom 17. Februar zugestandenen Rechtes in Bezug auf die Trauungsliturgie.

Es entspann sich eine Geschäftsordnungsdebatte über die Frage: ob der Gesetzentwurf, die Umgestaltung der Konsistorial⸗ behörden der Provinz betreffend, bereits morgen zweckmäßig auf die Tagesordnung gesetzt werde. Abt Uhlhorn theilte mit, daß der Minister der geistlichen Angelegenheiten den Wunsch geäußert habe, die Synode möge noch vor Weih⸗ nachten sich über den Entwurf erklären. Er (Redner) bitte deshalb, den Entwurf möglichst bald zu berathen; es sei doch vielleicht eine Kommission zur Vorberathung nöthig, und so liege die Gefahr nahe, daß die Beschlußfassung bis nach Weihnachten sich verzögere, was er zu vermeiden bitte.

Dr. Brüel hätte zwar eine frühzeitigere Einberufung der Synode lieber gesehen, aber er ist damit einverstanden, daß der Entwurf bereits morgen im Allgemeinen berathen, indeß noch keine Beschlüsse über ihn gefaßt werden, weil die von der Kirchenregierung etwa werdenden Erklärungen zu dem⸗ selben das Urtheil der Synode nur klären könn⸗ ten. Zur Beschlußfassung sei aber reiflichere Ueber⸗ legung nöthig. Nachdem Abt Uhlhorn sich damit ein⸗ verstanden erklärt hatte, wurde die Sitzung geschlossen. Der Plan der Königlichen Regierung über die Umgestaltung der Konsistorialbehörden für die evangelisch⸗lutherische Kirche der Provinz Hannover, welche mit dem 1. April 1885 in Wirksamkeit treten soll, hat folgenden Wortlaut: I. Es besteht die Absicht, durch kirchenregimentlichen Erlaß des Landesherrn zu verordnen: A. daß die Konsistorien zu Osnabrück (A. C.), Stade und Otterndorf, der evangelische Magistrat zu Osna⸗ brück und das Kloster Loccum aushören, als Konsistorial⸗ behörden für die evangelisch⸗lutherische Kirche zu fun⸗ giren, B. daß die kirchlichen Zuständigkeiten dieser Behör⸗ den betreffs der evangelisch⸗lutherischen Kirche künftig wahr⸗ genommen werden: 1) bezüglich des Bezirks des Klosters Loccums durch das Konsistorium zu Hannover, 2) bezüglich des das Herzogthum Arenberg⸗Meppen und die Niedergraf⸗ schaft Lingen umfassenden Theils des Konsistorialbezirks Osnabrück durch das Konsistorium zu Aurich, 3) bezüglich des übrigen Theiles des Konsistorialbezirks Osnabrück, sowie bezüglich des Bezirks des evangelischen Magistrats zu Osnabrück und der Konsistorien zu Stade und Otterndorf durch ein neu zu errichtendes Konsistorium, als dessen Sitz Verden in Vorschlag gekommen ist, C. daß auf das letztgedachte Konsistorium auch die kirchlichen Zuständigkeiten übergehen, welche das Konsi⸗ storium zu Hannover gegenwärtig in den General⸗Diözesen Lüneburg⸗Harburg und Hoya⸗Diepholz ausübt.

8 Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 2. Dezember. (Presse.)

Die österreichisch⸗ungarische ollkonferenz hatte heute Mittags unter dem Vorsitz des Sektionschefs Szögyenyi eine mehrstündige Berathung, in welcher die Feststellung eines Entwurfs der Instruktionen für die demnächst beginnenden Vertrag sverhandlungen mit der Regierung Griechenlands in Angriff genommen wurde. In den morgen fortzusetzenden Berathungen dürfte eventuell auch die Frage erörtert werden, welche Maßnahmen Angesichts der geplanten Zollerhöhungen in Frankreich nothwendig erscheinen würden, nachdem die von der gemeinsamen Regierung im Namen der beiderseitigen, in dieser Frage völlig einmüthig vorgehenden Handels⸗Ministerien schon vor einigen Monaten in Paris gemachten Vorstellungen nur die Wirkung hatten, daß die französische Regierung die schon damals geplanten Zollerhöhungen auf Mehl, Getreide und Hornvieh blos ver⸗ tagte, nunmehr aber dennoch durchführen will, und jetzt neuer⸗ liche diplomatische Schritte kaum irgend einen Erfolg haben würden.

Hermannstadt, 2. Dezember. (Wien. Ztg.) Das hiesige evangelische Landes⸗Konsistorium hat heute den Beschluß gefaßt, eine Petition an das Abgeord⸗ netenhaus zu richten: dasselbe möge im Sinne der allge⸗ meinen, den siebenbürgischen Landeskirchen gesetz⸗ lich gewährleisteten Gleichberechtigung anläßlich der Beschlußfassung über den Gesetzentwurf, betreffend die Organisation der Magnatentafel als Oberhaus die evangelische Landeskirche, nach den gleichen Grund⸗ sätzen wie die römisch⸗katholische Kirche des lateinischen und griechischen Ritus, die orientalische und unitarische Kirche dieses Landes behandeln und dieselbe, was das Vertretungs⸗ recht im Oberhause anbelangt, nicht hinter die anderen Kirchen Siebenbürgens stellen.

Pest, 2. Dezember. (Wien. Ztg.) Bei Fortsetzung der Budgetdebatte im Abgeordnetenhause entwarf der Abg. Wolf (Hermannstadt) ein düsteres Bild der finanziellen und wirthschastlichen Zustände Ungarns und sagte: der Unterrichts⸗Minister habe selbst die Ueberzeugung ausgedrückt, daß Ungarn zu Grunde gehe, wenn es nicht zu einem industriellen Staate werde. Trotzdem werde das Kleingewerbe durch die österreichische Fabriksindustrie zu Grunde gerichtet. Ungarn sei das ärmste und nach der Türkei meist besteuerte Land. Redner klagte über die Unterdrückung der Nationali⸗ täten und die Außerachtlassung der Bestimmungen dieses Ge⸗ setzes. Er acceptire das Budget, ohne jedoch hierdurch eine Vertrauenskundgebung für die Regierung zu beabsichtigen. Bela Grünwald plaidirte für die Verwirklichung der Idee des ungarisch⸗nationalen Staates, wofür sich aber der Minister⸗Präsident nicht begeistere. Er werde zwar nicht gegen die Spezialberathung des Budgets stimmen,

dieser Regierung aber vermöge er dasselbe nicht zu votiren. Jul. Lukäcs plaidirte für den Beschlußantrag der äußersten Linken. Eugen Gaël unterzog die Finanz⸗ politik der Regierung einer abfälligen Kritik und schloß mit einer ähnlichen Erklärung wie Grünwald. Hierauf nahm Minister⸗Präsident von Tisza das Wort, wies in glän⸗ zender polemischer Rede auf die Seitens der Regierung zur Hebung der Landwirthschaft bereits getroffenen Maßnahmen hin und erklärte, daß die Regierung seit Jahren mit dem Gedanken der Ablösung des Schankregals beschäftigt sei, sich aber den geeigneten Moment vorbehalten müsse. Der Minister⸗Präsident trat entschieden für das gemeinsame Zollgebiet ein, nachdem ein abgesondertes Zollgebiet ebenso der ungarischen Landwirthschaft wie der Industrie abträglich wäre, und wies endlich in wirksamer Weise die Behauptungen zurück, daß er jemals in dunkelen Kammern Politik gemacht habe, ferner, daß er im Interesse des ungarischen Staates und der ungarischen Nation mit rücksichtsloser Tyrannei vorgehe und sich über Alles hinaus⸗ setze. Der Minister⸗Präsident erklärte Grünwald gegenüber, er wolle auch jetzt keine Gewaltpolitik befolgen und stimme der Ansicht zu, man müsse das Uebel im Keime ersticken. Er verwahrte sich aber dagegen, daß, wenn er vom Hause die nöthigen Vollmachten verlange, um die sichtbaren Keime des Hasses zwischen den Rassen und Nationalitäten zu ersticken, die Opposition behaupte, daß dies ein grundloses Verlangen und nur der Vorwand sei, um Ausnahmemaßregeln zu erpressen. Der Minister bat das Haus, nicht abzuwarten, bis die Hora⸗ Kloska oder eine anderartige Feier in Flammen die Gegen⸗ wart des Uebels anzeige, sondern ihm die Mittel zu ge⸗ währen, dasselbe im Keime zu ersticken. Er sei sich bewußt, stets ein Ziel vor Augen gehabt und mit allen Bemühungen angestrebt zu haben: die Verwirklichung und Konso⸗ lidirung der ungarischen Staatsidee. Lebhafter, langanhaltender Beifall folgte der Rede des Ministers.

Schweiz. Bern, 2. Dezember. (Bund.) Der Beschluß des Bundesraths in der Tessiner Angelegenheit lautet:

In Betracht, daß die Regierung des Kantons Tessin den Auf⸗ forderungen des Bundesrathes schließlich dadurch nachgekommen ist, daß dieselbe die Fortsetzung der ungültig erklärten Vollstreckung ein⸗ stellte, daß sie ferner dem Herrn Enderlin die Steigerungssumme von 3100 Fr. anbot, mittelst welcher derselbe durch das tessinische Gesetz in den Stand gesetzt war, das Grundstück zurückzukaufen, und endlich daß die Regierung sich gegenüber dem Bundesrathe sogar anheischig machte, den Hrn. Enderlin, wenn nöthig, mit Gewalt wieder in den Besitz seines Eigenthums zu setzen. In Betracht, daß die Anerbietungen des Staatsrathes bei denen derselbe behaftet bleibt bis jetzt darum erfolglos geblieben sind, weil einerseits der Käufer des Grundstückes unterdessen Klage bei dem Bundesgerichte erhob und anderseits Hr. Enderlin die Annahme der Kaufsumme verweigerte, wenn ihm nicht vorher eine Eatschädigung für die Besitzstörung bezahlt werde. In Betracht, daß dieses Entschädigungsbegehren bei dem Bundesrathe nicht gestellt und von ihm nicht zu erledigen ist. In Betracht, daß unter diesen Um⸗ ständen jedes weitere Verfahren, soweit es sich auf die Restitution des Grundstückes bezieht, von Seite der politischen Behörden einge⸗ stelt werden muß. In Betracht, daß der Staatsrath des Kantons Tessin für alle Folgen verantwortlich bleibt, welche aus seiner Weige⸗ rung, die wiederholten Suspensionsbeschlüsse des Bundesrathes recht⸗ zeitig zu vollziehen, entstanden sind, beschließt der Bundesrath: 1) Der Staatsrath des Kantons Tessin bleibt für alle Folgen seines Verhaltens, gemäß den in dieser Angelegenheit ergangenen Beschlüssen des Bundesrathes, verantwortlich. 2) Die von dem Staats⸗ rath auf Anordnung des undesrathes verfügte Einstellung des Vollstreckungsverfaͤhrens egen die Munizipalität von Lugano wird aufrecht erhalten und es steht der in Händen des Staatsrathes liegende Kaufpreis zur Verfügung der Be⸗ theiligten. 3) Der Bundesrath behält sich den Entscheid in der Hauptsache vor, sobald der Nationalrath über die Gültigkeit der Wahl entschieden haben wird. 4) Der vorliegende Beschluß wird dem Staatsrathe von Tessin, sowie der Munizipalität von Lugano durch den eidgenössischen Kommissär eröffnet. Hr. Kommissär Karrer wird ermächtigt, nach stattgefundener Notifikation des vorstehenden Be⸗ schlusses an den Staatsrath des Kantons Tessin und an die Munizi⸗ palität von Lugano für einmal aus dem Tessin zurückzukehren. Gleichzeitig erhält das Militär⸗Departement den Auftrag, die ange⸗ ordnete Piketstellung wieder aufzuheben.

Großbritannien und Irland. London, 2. Dezember. (Allg. Corr.) Die Königin enthüllte gestern in der St. Georgskapelle des Schlosses Windsor das Grabmal des verstorbenen Dechanten von Windsor, Dr. Wellesley.

In der gestrigen Sitzung des Unterhauses unter⸗ breitete der Premier Gladstone dem Hause die Vorlage für die Neueintheilung der Wahlkreise. In seiner einleitenden Rede erklärte der Premier: Das Haus werde sich erinnern, daß er vor 14 Tagen andeutete, daß wenn die Regierung es möglich fände, hinreichende Versicherungen zu zu erhalten, daß die Wahlreformvorlage unverzüglich erledigt werden würde, die Regierung nicht abgeneigt sein würde, eine Bill für die Neueintheilung der Wahlbezirke einzubringen und dieselbe so rasch als möglich zu erledigen. Er freue sich, mittheilen zu können, daß die Regierung hin⸗ reichende Versicherungen, daß das Oberhaus die Wahl⸗ reformvorlage erledigen werde, empfangen habe, und indem er jetzt dem Hause die versprochene Bill für die Neueintheilung der Wahlbezirke unterbreite, freue er sich, daß ein Streit, der das Land erregt und gespalten habe, in befriedigender Weise beigelegt worden sei. Der Premier erläuterte sodann die Details der Vorlage: Städte und Wahlflecken, deren Ein⸗ wohnerzahl nicht 15 000 übersteigt, sollen in den Landbezirken aufgehen. Städte mit 15 000 50 000 erhalten einen, Städte mit 50 000 165 000 erhalten zwei Vertreter. Die Ver⸗ tretung von London erfährt eine durchgreifende Veränderung: In der Nachbarschaft der Metropole werden sieben neue Wahl⸗ flecken geschaffen, welche unter sich acht Mitglieder wählen, wodurch London 37 Vertreter im Unterhause erhält. Liver⸗ pool erhält 6 neue Mitglieder, Glasgow und Birmingham je 4, Manchester 3, Leeds und Sheffield je 2. Die City von London wählt, da ihre Bevölkerung des Nachts nicht 165 000 Seelen übersteigt, nur zwei Vertreter. Das Gesammtresultat der Neueintheilung erhöht die Zahl der Mitglieder des Hauses der Gemeinen um 12, giebt England 6, Schottland 12 neue Sitze und läßt die Vertretung von Irland und Wales beim Alten. Im Weiteren kündigte der Premier an, daß eine Kommission zur Eintheilung der Wahlflecken und Feststellung der Land⸗ bezirke bereits ernannt sei. Die Arbeiten der Kommission würden wahrscheinlich zwei Monate in Anspruch nehmen und rechtzeitig zum Abschluß gedeihen, um ihre Ergebnisse nach den Weihnachtsferien des Parlaments der Bill einzuverleiben. Nach kurzer Debatte über gewisse Details der Vorlage

wurde dieselbe zum ersten Male gelesen und die zweite Lesung auf nächsten Donnerstag anberaumt.

los finden,

Vormittag ein

Italien.

zu verlangen,

nur bespreche.

richtete daraufhin den wahren Sinn seiner Note vom 22. Juli näher präzisirte und jede andere Interpretation zurückwies. In dieser Note erklärte der Minister, wie der „Osservatore“ weiter meldet: die gegenwärtige Regierung werde immer wie ihre Vor⸗ gängerinnen handeln und auch das geringste Recht des Vatikans achten. beträchtlicher Theil der politischen Elemente Spaniens nie aufgehört habe, einer weltlichen Macht des Papstes günstig Die Regierung des Königs Alphons sei fest entschlossen, die gegenwärtig bestehenden guten Beziehungen zu den Mächten aufrecht zu erhalten; sie werde aber auch, wenn dies noch möglich sei, die Bande kindlicher Anhänglichkeit des und seiner katholischen Unterthanen an den Papst noch mehr zu befestigen trachten. Die Note gab schließlich den Ministers für die der ganzen Welt nothwendige Unabhängigkeit des Papstes Ausdruck. Nach diesen Auf⸗ klärungen erklärte sich der Vatikan vollständig befriedigt.

Konstantinopel, 4. Dezember. (W. T. B.) Der englische Geschäftsträger Windham hat gestern der Pforte eine Cirkularnote überreicht, welche die von in Folge der Mission Northbrooks bezüglich Egyptens formulirten Vorschläge enthält.

Salonichi, rische Protestanten aus dem Distrikt Strumnitza in Macedonien, die von einigen orthodoxen Bulgaren beschuldigt worden waren, gewisse Briganten be⸗ herbergt zu haben, wurden hier vor fünf Wochen ein⸗ tzt ist ihnen vor einem Kriegsgericht unter Commandeurs en chef Hassan Pascha der zeß gemacht worden. 1 g der Angeklagten, da der Gerichtshof die gegen sie erhobene Anklage falsch und bös⸗ d nur deshalb erhoben wurde, um Andere vom g zum protestantischen Glauben durch Einschüchterung

gesinnt zu sein.

Gefühlen des

geliefert, und je dem Vorsitz des

Freisprechun ermittelte, daß willig war, un

Amerika. Kongreß

Die „Times“ sagt über die Bill: „Der in der gierungsmaßregel verkörperte Plan ist einigermaßen verwickelt obwohl die leitenden Prinzipien klar genug sind. Der Ein⸗ druck, welchen Mr. Gladstone durch seine Analyse der Be⸗ stimmungen der Bill erzeugte, kann nicht in einige überstürzte Phrasen zusammengefaßt werden. Mit sehr wenigen Aus⸗ nahmen sind die tonangebenden Männer beider Parteien vor⸗ bereitet, den Plan im Geiste der Einführungsbemerkungen des Premier⸗Ministers aufzunehmen, und es wird sich zweifel⸗

daß weder unter den vordersten Reihen der Opposition, noch auf den Ministerbänken die Neigung vorhanden ist, auch nur ein einziges Wort zu äußern, welches Parteigefühle oder Befürchtungen anregen, oder auf irgend eine Weise die Erinnerung an frühere Kämpfe zurückrusen Aber während derartige Erwägungen wahrscheinli die Debatten des Parlaments begleiten werden, dürfte die Wirkung der Bill von unabhängigen Politikern mit ge⸗ mischten Gefühlen betrachtet werden, und über ihre Wirkung im Detail muß das öffentliche Urtheil vorläufig ausgesetzt

Der Finanz⸗Sekretär des Schatzamts, Courtney hat sein Amt niedergelegt, weil das in der Bill für die Neueintheilung der Wahlkreise vorgeschlagene System, der Mehrzahl der Wahlbezirke nur einen Vertreter zu geben, nicht gehörige Sicherheit für die Vertretung der Minoritäten biete.

Frankreich. Paris, 3. Dezember, Nachmittags. (W. T. B.) In parlamentarischen Kreisen glaubt man daß die Dringlichkeit für die Senats⸗Wahlreformvor⸗ lage zurückgezogen werden wird. Der Gesetzentwurf würde alsdann in fünf Tagen zur zweiten Lesung gelangen. Falls dabei das Kabinet die Vertrauensfrage stellen sollte, wäre die Verwerfung des Amendements Floquet wahrscheinlich. Zwischen den Ministern und den Parteiführern gegenwärtig Besprechungen statt. Die Kom⸗ mission für die Senats⸗Wahlreform und die Gruppe der republikanischen Union traten heute zu einer gemein⸗ samen Berathung zusammen. Die Lage ist bis jetzt unver⸗ ändert; eine Verständigung erscheint wahrscheinlich.

3. Dezember, Abends. (W. T. B.) Aus der heutigen Berathung der Kommission für die Senatswahl⸗ reform geht hervor, daß die Kommission das Amendement Floguet als eine Erklärung von lediglich prinzipieller Natur, ohne wirklich praktische Bedeutung ansieht. Die Mehrheit in der Kommission ist den Ansichten der Regierung gZünstig. Die republikanische Union erkannte einstimmig an, daß das Votum über das Amendement Floquet durchaus keine Kabinetsfrage involvire. Der Ministerrath hält heute Abend noch eine weitere Berathung.

Der „Temps“ sagt in einer Besprechung der engli⸗ schen Anträge in der egyptischen Angelegenheit: dieselben kämen in der That der Errichtung des englischen Protektorats über Egypten gleich. Dasselbe Blatt demen⸗ tirt die Nachricht von dem Auftreten der Cholera unter den französischen Truppen auf Formosa. Das Jour⸗ nal „Paris“ sagt: der Marine⸗Minister habe heute Telegramm des Admirals Courbet erhalten, welches melde, daß der Gesundheitszustand auf allen Schiffen ein befriedigender sei.

4. Dezember, früh. rath trat gestern Abend 9 Uhr im Palais Elysée zusammen, um über die Lage zu berathen. Die Berathung dauerte bis gegen Mitternacht. sidenten

(W. T. B.) Der Minister⸗

Auf dringendes Ansuchen des Prä⸗

Grévy und der Minister erklärte sich der Minister des Innern bereit, auf seinem Posten zu bleiben. Der Ministerrath entschied sich gleichzeitig dafür, die Wahlreformvorlage im Senat einzubringen und von Letzterem die Annahme des von der Kommission der Deputirtenkammer Minister⸗Präsident und der Minister des Innern werden heute in der Kommission der Kammer erscheinen.

Rom, 3. Dezember. „Osservatore Romano“ schreibt: Die Einleitung der Note des spanischen Ministers des Auswärtigen, vom 22,. Juli d. J, an die italienische Regierung, anläßlich Pidal⸗Affaire, veranlaßte den Madrid, von dem Minister des Auswärtigen Aufklärungen da die offizielle italienische Presse diese Note dahin interpretire, daß Niemand unter den spanischen Katho⸗ liken die weltliche Macht des Papstes vertheidige oder selbst Der spanische Minister des Ausvärtigen

acceptirten Systems zu verlangen. Der

(W. T. B.) Der

Nuntius in

eine Note an den Nuntius, worin er

Die Regierung erkenne selbst an, daß ein

30. November. (A. C.) Neun bulga⸗

Das Verfahren endete mit der

Wäshington, 1. Dezember. (Allg. Corr.)

ist die Botschaft des Präsidenten

Arthur übermittelt worden. In ihrem Eingange lenkt die⸗

selbe im Hinblick auf den Ernst der jüngsten Präsidentenwahl die Aufmerksamkeit des Kongresses auf die Nothwendigkeit enauerer und definitiver Regulative für die Zählung der

PWahlstimmen. Dann fährt die Botschaft fort: „Die Beziehun⸗

en der Vereinigten Staaten mit fremden Ländern sind sreundschaftlicher Natur. Die Feindseligkeiten zwischen Frank⸗ reich und China bilden fortgesetzt eine Verlegen⸗ heiten vereitende Phase unserer östlichen Beziehungen. Die füngste Erwerbung der großen chinesischen Handelsflotte Sei⸗ lens der Vereinigten Staaten hat unseren kommerziellen Ein⸗ im Osten wesentlich erhöht.“ Im Weiteren empfiehlt die Botschaft die Wiederherstellung eines General⸗Konsulats der Vereinigten Staaten in Cairo auf der früheren Basis und ladet den Kongreß ein, Schritte zur Vollendung des Sockels von Bartholdi's Statue der Freiheit zu thun. Ferner schlägt sie die Anknüpfung von Unterhandlungen für einen ganz Deutschland umfassenden einzigen Aus⸗ lieferungsvertrag vor. Den Zwischenverkehr mit Groß⸗ britannien bezeichnet die Botschaft als höchst freund⸗ lich. Sie begünstigt die Fortdauer des mit Hawaii be⸗ stehenden Gegenseitigkeitsvertrages für weitere 7 Jahre. Die Botschaft sagt: es würde angezeigt sein, zu erwägen, ob der Unterschied, der gegenwärtig zu Gunsten der Erzeugnisse amerikanischer Künstler im Auslande gemacht werde, nicht die thatsächliche Ausschließung amerikanischer Maler und Bild⸗ hauer von den Vortheilen, die sie bislang im Auslande ge⸗ nossen, zur Folge haben dürfte. Mit Nicaragua sei ein Ver⸗ trag geschlossen worden, welcher die Anlegung eines Kanals, einer Eisenbahn und eines Telegraphen querüber Nicaragua Seitens der Vereinigten Staaten autorisirt. Der Nicaragua⸗ See und 69 Meilen des Flusses San Juan werden einen Theil des projektirten Unternehmens bilden, wodurch für die An⸗ legung des Kanals nur 17 Meilen am Ufer des Stillen Ozeans und 36 Meilen am Ufer des Atlantischen Ozeans verbleiben. Die Botschaft sagt ferner, daß die Beamten der Regierung angewiesen worden sind, Verletzungen der Neutralitätsgesetze gegen Kuba in Key⸗West und anderwärts in der Nähe der kubanischen Küste zu verhindern. Der spa⸗ nisch⸗amerikanische Handelsvertrag werde dem Kongreß bal⸗ digst unterbreitet werden, und die Unterhandlungen für den Abschluß eines kommerziellen Gegenseitigkeitsvertrages mit Dominica seien zu einem erfolgreichen Abschluß gebracht worden. Gewisse Fragen mit der Türkei harrten noch der Lösung, und den Beschwerden amerikanischer Bürger sei kein befriedigender Redreß von der Pforte zu Theil geworden, die dem amerikanischen Handel das Recht der Behandlung der meist begünstigten Nation vorenthalte. Mit Bezug auf die an Amerika erlassenen Einladungen, an internationalen Ausstel⸗ lungen sich zu betheiligen, namentlich an der, welche im Mai 1885 in London abgehalten werden soll, empfiehlt die Bot⸗

schaft, dem Präsidenten allgemeine discretionäre Gewalten zu

verleihen, dieselben anzunehmen und Ehren⸗Kommissare zu ernennen. Die Botschaft befürwortet die Einführung revidirter internationaler Bestimmungen für die Verhinderung von

Schiffszusammenstößen auf offenem Meere und eines inter⸗

nationalen Verlagsrechtes. Ferner empfiehlt sie eine Erweit⸗ rung des Spielraumes der Neutralitatsgesetze, um alle in Amerika verübten offenen Akte der Feindseligkeit, die gegen befreundete Nationen gerichtet sind, zu decken. Der moderne Erfindungsgeist liefere die Mittel, Feindselig⸗ keiten ohne offenen Rekurs zu armirten Schiffen oder Kreuzern zu organisiren; allein es sei kein Grund vor⸗ handen, warum offene Vorbereitungen in Amerika für die Verübung verbrecherischer Handlungen nicht strafbar sein sollten, gleichviel ob dieselben in Amerika oder in einem fremden Lande, mit welchem die Vereinigten Staaten in Frieden leben, verübt werden sollen. Die Botschaft fügt hinzu, daß die prompte und gründliche Behanvlung dieser Frage die nationale Ehre eng berühre, und daß die Naturali⸗ sationsgesetze einer Revision bedürfen. Sie stimmt überein mit dem Vorschlage des Schatzsekretärs MeCulloch auf eine unverzügliche Suspendirung der Prägung von Silberdollars und Ausgabe von Silbercertifikaten und theilt auch dessen Anschauungen über die Silberfrage. Die Botschaft sagt: Sollte Silber die Metallwährung werden, so kann die Handelsstörung und die Gefährdung des nationalen Kredits, die dadurch veranlaßt werden würde, kaum geschätzt werden. Während Handelsdollars aufgehört haben, ein Element thätiger Störung in unserem Geldumlaufssystem zu sein, sollte irgend welche Fürsorge für deren Uebergabe an die Regierung ge⸗ troffen werden. Die Botschaft befürwortet wiederholt die Ab⸗ schaffung der Accisesteuer, ausgenommen auf destillirte Spirituosen und hebt hervor, daß die Einkünfte nicht allein hinreichen würden, vernünftige Ausgaben zu bestreiten, sondern auch einen genügenden Ueberschuß zu gewähren, um eine räthliche Tarifreduktion zu gestatten. Die Botschaft stimmt mit Mr. Me Culloch überein betreffs der Schiffahrts⸗ frage und der Ernennung einer Kommission zur Erwägung der Mittel zur Hebung des ausländischen Handels. Sie be⸗ tont die Wiederherstellung der Marine und die Ergreifung von Maßregeln zur Abschaffung der Vielweiberei in Utah. Sie deutet die allgemeinen Prinzipien an, welche den An⸗ strengungen zur Ausbreitung des ausländischen Handels zu Grunde gelegt werden sollten. Die Botschaft dringt auf die Ergreifung von Maßregeln gegen die Einschleppung der Cholera und empfiehlt schließlich, dem General Grant eine Pension auszusetzen.

3. Dezember. (W. T. B.) Dem Senat ist eine Vorlage, betreffend die Suspendirung der Prägung von Silberdollars, zugegangen.

Afrika. Egypten. Kairo, 1. Dezember. (Allg. Corr.) Lord Wolseley hat den nachstehenden Tagesbefehl an die Front gesandt, mit der Weisung, denselben an der Spitze jedes Regiments und Bataillons, vor jeder Batterie und jedem abgesonderten Truppenkörper an drei hintereinander folgenden

agen zu verlesen:

„An die Soldaten und Meatrosen der Nil⸗Expedition! Der Entsatz General Gordons und seiner Garnison, die so lange in Khartum belagert sind, ist die rühmliche Aufgabe, mit der die Königin uns betraut hat. Es ist ein Unternehmen, welches das Herz jedes Soldaten und Matrosen, der glücklich genug itt, sich daran beiheiligen zu dürfen, stärker klopfen macht. Ja, die

röße der vor uns liegenden Schwierigkeiten spornt uns nur zu er⸗ ten Anstrengungen an.

Wir Alle sind stolz auf General Gordons tapfere, selbst auf⸗ opfernde Vertheidigung von Khartum, welche, wenn dies möglich ist, seinen bereits großen Ruf noch erhöht hat. Er kann sich nicht viele

onate länger halten, und verlangt von uns die Rettung seiner Garnison. ein Heldenmuth und Patriotismus sind sprichwörtlich, wo immer unsere prache gehört wird, und seine Sicherheit ist nicht nur eine Sache

von nationaler Bedeutung geworden, sondern die Kenntniß, daß ein tapferer Kamerad hülfsbedürftig ist, drängt uns auch dazu, mit doppelter Energie vorzudringen. Weder er noch seine Garnison dürfen dem traurigen Geschick überlassen bleiben, welches seinen tapferen Waffengefährten, Oberst Stewart, ereilte, der bei der Ausführung eines mit ungewöhnlicher Gefahr verknüpften Unternehmens grausam und verrätherisch hingemordet wurde. Wir können, und mit Gottes Hülfe werden wir General Gordon vor einem solchen Tode retten.

Unsere Bewegung diesen Fluß aufwärts erfordert unge⸗ heuere Anstrengungen, und dieselben ohne Murren zu tragen, erfordert die höchsten soldatischen Eigenschaften jene Verachtung der Gefahr, und jene Entschlossenheit, Schwierigkeiten zu überwinden, welche in früheren Feldzügen sämmtliche Rangstufen in Ihrer Majestät Armee und Marine in so hohem Grade ausgezeichnet haben. Die phy⸗ sischen Hindernisse, welche unser rasches Vorrücken beeinträchtigen, sind beträchtlich; doch wer legt darauf allzu großes Gewicht, wenn wir daran denken, daß General Gordon und seine Garnison in Gefahr sind? Nächst Gott liegt deren Sicherheit jetzt in Eueren Händen und, komme was da wolle, wir müssen sie retten. Es ist unnöthig, bri⸗ tischen Soldaten und Matrosen mehr zu sagen.“

(W. T. B.) Das „Reutersche Bureau“ meldet in Be⸗ zug auf die von ihm über den Tod des Mahdi gebrachte Nachricht, daß, nach einer Depesche aus Kairo vom 3., bis jetzt weder dem Khedive noch dem General⸗Konsul Baring von Wolseley oder von dem Mudir von Dongola eine Nachricht über den Tod des Mahdi zugegangen sei.

Zeitungsstimmen.

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In der „Berliner Börsen⸗Zeitung“ lesen wir:

Folgendes wird aus Friedberg gemeldet: Am 28. November war eine größere Anzahl nationalliberaler Gesinnungsgenossen in der Wirthschaft des Hrn. Franz Steinhäußer, dem alten Stammquartier unserer Partei am hiesigen Platze, am „runden Tisch“ zum Abend⸗ schoppen vereinigt. Das Gespräch bildete Bismarcks letzte Rede, und machte sich der Wunsch geltend, an den Reichskanzler, der mit alt⸗ bewährter Meisterschaft die Gegner so glänzend abgefertigt hatte, ein Beglückwünschungstelegramm zu entsenden. Dieser Vorschlag fand all⸗ seitigen Anklang und wurde ein solches Telegramm unter Bezugnahme auf den Pyrrhussieg, den die Deutsch⸗Freisinnigen und ihr Kandidat der Vereinigung der heterogensten Elemente zu danken haben, alsbald ab⸗ gesandt. Der Reichskanzler beantwortete dieses Telegramm alsbald mit folgendem Schreiben: 1

„Hrn. Franz Steinhäußer, Wohlgeboren zu Friedberg. Für die freundliche Begrüßung durch Ihr Telegramm danke ich verbindlichst, und hoffe, daß die Herren vom runden Tische sich durch die erlittene Niederlage nicht den Muth nehmen lassen, für die wirthschaftliche und politische Kräftigung des Reiches mit Erfolg fortzuwirken.

Berlin, 30. November 1884. von Bismarck.“

Die „National-⸗Zeitung“ sagt in einer Be⸗ sprechung der gestrigen Reichstagssitzung in Betreff des An⸗ trages des Centrums auf Aufhebung des Reichsgesetzes über die Internirung und Ausweisung von Geistlichen:

... Ueber den mit 217 gegen 93 Stimmen angenommenen Antrag selbst braucht kaum noch etwas gesagt zu werden. Wir haben ihn, seit er zuerst vor drei Jahren gestellt wurde, immer als die bloße Demonstration zu Gunsten des Cen⸗ trums betrachtet und bekämpft, als die Fürst Bismarck ihn heute er sprach drastisch von einem aufgesteckten Geßlerhut, der begrüßt werden solle kennzeichnete. Das Gesetz ist seit Jah⸗ ren nicht angewendet worden, und die ganze Situation spricht gegen die Vermuthung, daß seine Wiederanwendung bevorstehen könnte. Alle davon betroffenen Personen sind amnestirt worden bis auf 27, die, wie der Kanzler heute sagte, verschollen sind, betreffs deren die Aufhebung der Folgen des Gesetzes weder von ihnen selbst, noch von einem Bischof beantragt worden. Die formelle Abschaffung ge⸗ rade dieses Gesetzes ist also sicher nicht eilig. Dazu kommt, daß die verschiedenen Bestimmungen desselben keineswegs gleichmäßig zu beurtheilen sind; manche gehen unbedingt zu weit, andere dagegen sind für den Fall erneuter, konsequenter Gesetzverachtung Seitens des Klerus durchaus der Beibehaltung werth. Und endlich ist es doch eine höchst seltsame Prozedur, das zum Vollzug der preu⸗ ßischen kirchenpolitischen Gesetze bestimmte Mittel ohne Rücksicht darauf zu beseitigen, wie weit diese selbst noch in Kraft bleiben. Wenn Angesichts dieses Standes der Dinge der Antrag Windthorst uns immer als die Demonstration zur Erhöhung des klerikalen An⸗ sehens und zur Verstärkung der vatikanischen Prätentionen erschien, als die der Reichskanzler ihn heute darstellte, so haben wir es immer bedauert, daß zuerst ein Theil der Linksliberalen, dann sie allesammt dem Antrag ihre Unterstützung liehen. Inmitten der Wirren einer solchen Lage müssen unseres Erachtens blos taktische Erwägungen, wie sie die Opposition wohl zur Zustimmung zu dem Antrage führen können, in den Hintergrund gedrängt werden durch die Ueberzeugung von der Schädlichkeit des Dominirens der klerikalen Partei in unserm öffentlichen Leben und demgemäß von der Nothwendigkeit, die Re⸗ gierung zu unterstützen bei jedem Versuche, den sie macht, auf der Bahn der Zugeständnisse an den Klerikalismus einzuhalten. Man braucht, um solche Unterstützung zu leisten, sich durchaus keiner Selbsttäuschung über die Unsicherheit derartigen Haltmachens hinzu⸗ geben: aber ebenso mißlich, wie solche Illusionen, dünkt es uns, durch die Betheiligung an Demonstrationen für die klerikalen Ansprüche irgend eine Verantwortlichkeit für weitere Befriedigung derselben zu übernehmen...

Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ schreibt:

Die „Neue Freie Presse“ in Wien ist ein unverdächtig⸗ freihändlerisches Organ; diesem Blatte erstattete sein Londoner Cor⸗ respondent kürzlich folgenden Citybericht, betreffend die deutsche Kon⸗ kurrenz auf dem Weltmarkte, der den in Pessimismus schwelgenden Organen der deutschen Freihandelsschule zur Beachtung empfohlen zu werden verdient:

„Ein ganz eigenthümliches Gefühl der Unbehaglichkeit macht sich in allen Citykreisen, oder, wenn ich mich richtiger ausdrücken will, in allen Geschäftskreisen und Mittelpunkten des Handels, sowie der Industrie Großbritanniens bemerkbar. Dieses Gefühl kann nicht nur als eine vorübergehende Aufwallung, als eine Erregung „von gestern auf heute“ bezeichnet werden, welche wieder ebenso schnell verschwinden könnte, sondern als eine weit tiefer sitzende Empfindung der Unsicher⸗ heit, der Besorgniß bezüglich der leitenden Stellung Englands, welche dasselbe bis heute auf den Märkten der Welt eingenommen hat. Die Befürchtung, daß Großbritannien diese Position ver⸗ lieren könne, ergreift immer größere Kreise, und Hunderte von Anzeichen kommen zum Vorschein, daß die Besorgniß keine ganz grundlose ist. Die kommerzielle Weltherrschaft Großbritanniens ist ernstlich bedroht, und der große Rivale, der England in den Schatten zu stellen, zu verdunkeln sich anschickt, ist Deutschland Der britische Kaufmann kann in den letzten Jahren keinen Bericht irgend eines englischen Konsuls aus irgend welchem Theile der Welt in die Hand nehmen, ohne darin die ominösen Klagen zu lesen, daß der deutsche Handel dem englischen daselbst die gefährlichste Konkurrenz bereite. Aus China und Japan wie von Australien nnd dem Kap lauten diese Berichte immer gleich in demselben Sinne, und heute zufällig finde ich in der offiziellen „Gazette“ wieder Konsularklagen des nämlichen Inhalts aus Tanger in Marokko, aus Guatemala und Brasilien. Ueberall ist der Deutsche auf dem besten Wege, dem Engländer den Rang abzu⸗ laufen, wenn nicht gar den Letzteren von dem Markte zu verdrängen. Die Berliner Börse beginnt die Führung auf einem Gebiete des Geldweltmarktes, nämlich dem der auswärtigen Staatsanlehen, zu übernehmen, welches bisher fast das ausschließliche Monopol des Londoner Geldmarktes war, und die Thatsache, daß gerade jetzt in Berlin die Kongo⸗Konferenz eröffnet wurde, muß dem britischen Kauf⸗

manne gar deutlich den Beweis vor die Augen führen, daß auch auf einem Felde, auf dem noch bis vor ganz kurzer Zeit der englische Ein⸗ fluß allein und ausschließlich entscheidend war, eine andere Macht die Führerrolle übernommen hat. Aus allen diesen Gründen, zu welchen noch das Bewußtsein der Inferiorität der englischen Kriegsflotte sich gesellt, machen heutzutage die Berichte von dem Mangel an Be⸗ schäftigung der Arbeiter sämmtlicher Schiffswerften Englands und

Schottlands, die Meldungen des schlechten Geschäftes von Bristol

bis Dundee einen viel tieferen Eindruck auf die City, auf die Ge⸗ schäftswelt Englands überhaupt, als in früheren Zeiten. Man er⸗ blickt in diesen Berichten nur weitere Symptome eines Zurückgehens des englischen Handelsprestiges überhaupt, und der britische Löwe wird alle seine Kräfte anstrengen müssen, um nicht von seinen Ri⸗ valen, die ihm gar scharf auf den Fersen sitzen, ganz aus dem Felde geschlagen zu werden.“

Dazu bemerkt die „Deutsche volkswirthschaftliche Cor⸗ respondenz“:

„Wir sind hegierig, ob unsere Freihändler es auch fernerhin noch wagen werden, die Wirthschaftspolitik des Reichskanzlers als eine ver⸗ fehlte hinzustellen, und uns in allen Dingen das Vorbild Englands zur Nachahmung zu empfehlen. Daß übrigens die oben citirten Be⸗ richte der englischen Konsuln Aufnahme in die freihändlerische „N. F. Pr.⸗ gefunden haben, beweist, daß dieses Blatt sich trotz aller seiner sonstigen Sünden ein größeres Maß von Objektivitat und

Unparteilichkeit bewahrt hat, als jene Zahl freihändlerischer deutscher

Blätter, welche ihre Spalten am liebsten mit solchen Nachrichten und Betrachtungen füllen. welche in grober Fälschung der Thatsachen ein Zeugniß gegen die Richtigkeit der Politik des Reichskanzlers enthalten.“

Centralblatt der Bauverwaltung. Nr. 48. Inhalt: Nichtamtliches: Die Wasserversorgung des Bahnhofes Limburg a. d. Lahn. Die Seine⸗Speicher in Paris.

Statistische Nachrichten.

Die überseeische Auswanderung Deutscher über deutsche Häfen und Antwerpen betrug in der Zeit von Anfang Januar bis Ende Okkober 1884 135 090 Personen, d. i. 18 304 Personen weniger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres, während dessen 153 394 solche Aus⸗ wanderer gezählt wurden, während deren Anzahl sich in den ersten 10 Monaten des Jahres 1882 auf 179 443 und des Jahres 1881 auf 194 801 belief.

Den „Nachrichten über Industrie, Handel und Verkehr“, welche von dem statistischen Departement des österreichischen Handels⸗ Ministeriums herausgegeben werden, entnehmen wir folgendes aus der Statistik des österreichischen Telegraphentm Jahre 1883. Die Gesammtlänge der Staats⸗, Eisenbahn⸗ und Privat⸗Telegraphen⸗ linien des österreichischen Staatsgebiets betrug Ende 1883 36 464,89, jene der Drähte 95 965,46 km, davon entfielen auf die Staatsver⸗ waltung 23 769,47 km Linien (+ 224,77 km) resp. 64 509,80 km Drähte (+ 984,61 km), auf die Eisenbahngesellschaften 12 428,62 kmg Linien (+. 194,72 km) resp. 30 502,69 km Drähte (+ 592,87 km), auf die Privat⸗Telegraphengesellschaft 266,80 km Linien (+ 1,60 km) resp. 552,97 km Drähte (— 5,63 km). Von den Staatslinien waren 41,86 % mit 1 Draht, 22,88 % mit 2 Drähten, 12,04 % mit 3, 5,67 % mit 4, 5,70 % mit 5, 3,80 % mit 6, 2,78 % mit 7, 2,03 % mit 8, 0,88 % mit 9, 1,05 % mit 10, 0.65 % mit 11, 0.20 % mit 12 und 0,46 % mit mehr als 12 Drähten versehen. Es waren in 1883 1282 Staats⸗, 1406 Eisen⸗ bahn⸗ und 96 Privat⸗, also im Ganzen 2784 Telegraphenstationen im Betriebe. Bei den Staats⸗Telegraphenstationen standen in 1883 1988 Morse⸗, 75 Hughes⸗, 5 Multiplex⸗Apparate von Meyer und 2 d'Arlincourtsche Translatoren im Betriebe; gegen 1882 bedeutet das eine Vermehrung um 67 Morse⸗ und 2 Hughes⸗Apparaten. Die Telegraphenstationen der Eisenbahnen arbeiten im Korrespondenzver⸗ kehr mit ca. 1700, jene des Privattelegraphen in Nieder⸗Oesterreich mit 140 Morse⸗Apparaten. Im Korrespondenzverkehr wurden auf den Staatslinien an gebührenpflichtigen Telegrammen aufgegeben 3 700 241 interne und 863 777 internationale, zusammen, 4 564 018 Telegramme; die Zahl der angekommenen internationalen Telegramme betrug 940 570, also die Gesammtzahl der gebührenpflichtigen 5 504 588. Mit der internationalen Transit⸗Korrespondenz (525 572 Stück) und den 36 795 auf Eisenbahn⸗Telegraphenlinien ohne Ver⸗ mittelung von Staatsstationen gewechselten Telegrammen beträgt die Gesammtsumme der gebührenpflichtigen Telegramme 6 066 955 Stück; hiervon zählt der inländische Verkehr 3 737 036 und der Verkehr mit dem Auslande 2 329 919 Tele⸗ gramme. Der Vergleich der aufgegebenen, angekommen und transiti⸗ renden Telegramme zeigt gegen 1882 (6 136 286 Stück) eine Abnahme von 69 331 Stück oder 1,14 %. Die aufgegebenen Telegramme haben um 44 824, die angekommenen internationalen um 61 554 Stück argenommen, der internationale Transitverkehr hat sich um 37 047 Telegramme vermehrt. Im Ganzen sind auf den öster⸗ reichischen Telegraphenstationen in 1883 19 407 428 (1882 19 607 189) Telegramme oder um 1,2 % weniger als im Vorjahre bearbeitet worden. Von den aufgegebenen Telegrammen entfallen auf 1000 Bewohner 1883 206, 1882 209, 1881 198, 1880 184, 1879 178 Telegramme. Die Gesammteinnahme des Staats⸗Telegraphen der im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder belief sich in 1883 auf 4 030 866 Fl. (1882 4 191 650 Fl.), hat also gegen das Vorjahr um 3,83 % abgenommen. Es entfallen hiervon 3 800 572 Fl. oder 94,28 % auf die Staats⸗ und Privat⸗Correspondenz und 230 294 Fl. oder 5,72 % auf die übrigen Einnahmen. Die Betriebs⸗ einnahmen (Gebührenantheile) des Eisenbahn⸗Telegraphen betrugen 1883 112 993 Fl. (—.2387 Fl.). Die Brutto⸗Einnahme bei den Stationen der Privat⸗Telegraphen⸗Gesellschaft in Wien be⸗ trug in 1883 532 979 Fl., davon entfielen auf die Betriebseinnahme der Gesellschaft 130 000 Fl. (— 3897 Fl.). Die Gesammtausgaben des Staats⸗Telegraphen betrugen 1883 3 623 907 Fl., darunter 286 115 Fl. außerordentliche (1882 3 531 372 Fl., davon 223 320 Fl. außerordentliche), die Ausgaben haben daher gegen das Vorjahr um 2,62 % zugenommen. Von den ordentlichen Gesammtausgaben ent⸗ fielen 2 164 956 Fl. oder 64,86 % auf die persönlichen und 1 172 836 Fl. oder 35,14 % auf die sächlichen Ausgaben.

8 Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Das Dezemberheft der „Deutschen Rundschau“ (Verlag von Gebr. Patel in Berlin) mit seinem geschmackvollen, doppelfarbigen Weihnachtsanzeiger und seinen zahlreichen literarischer Beilagen gleicht fast einem Buch, in welchem man mit Vergnügen blättern wird, ehe man an den eigentlichen Text gelangt. Der letztere wird durch den Schluß der spannenden Novelle von Wilhelm Berger: „Das Kind aus Asien“ eröffnet. Der Erzählung schließt sich die zweite Hälfte des Aufsatzes: „Raphaͤels Ruhm in vier Jahrhunderten“ von Hermann Grimm an, der die Entwickelung des Raphaelschen Ruhmes in unserem Jahrhundert schildert und zeigt, wie bedeutend und einschneidend hier die deutsche Forschung, an ihrer Spitze Goethe, eingegriffen hat. In Orto Benndorfs, des hervorragenden öster⸗ reichischen Archäologen, Skizze über das „Erdbeben von Scio“ erhalten wir ein in lebhaften Farben ausgeführtes Gemälde der grauenvollen Schreckenstage, welche das sonst so glückliche Eiland vor drei Jahren betroffen hat. Professor G. M. Afher giebt in dem Aufsatz „Die

Stätten des Elends in London“ den getreuen Revers der glänzenden

Medaille einer Millionenstadt, ein tief ergreifendes Abbild des die innersten menschlichen Saiten bewegenden sozialen Elends, wie es sich in London zeigt. Einem Lebensbilde Wilhelm von Hum⸗ boldts, von R Bruchmann, folgt ein äußerst anregender Essay aus der Feder des Professors F. Max Müller: „Damals und jetzt“, in welchem der hochverdienstvolle Gelehrte eine geistvolle Parallele zwischen dem „Damals“ seiner, der orientalistischen Wissenschaft, d. b. jener Zeit

Hor fünfzig Jahren, als er noch ein Schüler Schellings war, und