mündlier Abg. Frhr. von Huene den domlaßgabe des Etats paritätischen Anstalt etatsmäßig vorgesehezne⸗ bältnickatholische Geistliche angestellt sei oder nicht; aus welchere-. 8 b 8 ob dand diRechtsanwaltskosten stellten sich zu den Gerichtskosten wie 8.
hier Aufnahme und Verwendung findet, was ganz richtig ist, doch
Nützlichkeit ja vielleicht von dem einen oder anderen der Herren be⸗ stritten wird, aber es besteht doch einmal — die Militärverwaltung doch verpflichtet, ein solches Institut im Interesse der Armee so weit
wie möglich auszunutzen. Nun sagt der Herr Abgeordnete: ja, das Manko an Offizieren nimmt ja mit der Zeit ab. Ja, doch mit Hülfe des Kadettencorps; wenn wir nicht mehr junge Leute aus dem Kadettencorps in die Armee überführen, wird doch immer ein erhebliches Manko bleiben, und Sie mögen darüber denken, wie Sie wollen, die Er⸗ änzung des Offiziercorps durch das Kadettencorps ist ein wesentlicher heil unserer Ergänzung, und wenn wir das beschneiden und ab⸗ schneiden, wird dadurch ein Element aus der Gesammtergänzung unseres Offiziercorps herausgenommen, welches nicht zu entbehren ist. Was nun den Antrag, den der Herr Abgeordnete stellen will, anbetrifft, so setze ich voraus, und es wird auch wohl hier aus dem Hause irgend Jemand den Wunsch haben, daß wir die Sache nicht im Plenum zu Ende bringen, sondern auch vielleicht in der Bludgetkommission erörtern. Ich habe gar nichts dagegen, ich meine nur, wenn der Antrag des Herrn Abgeordneten Gesetz wird, dann werden wir ja sehr oft in der Lage sein, wieder Manquements unter Umständen in den Pensionärs⸗ stellen zu haben und sie nicht anderweitig decken zu können. Ich glaube, daß das doch nicht im Interesse der Sache liegt, nachdem das Institut einmal besteht mit seinen großen Einrichtungs⸗ und General⸗ kosten. Ich meine, wir treffen doch auch vom finanziellen Stand⸗ punkt aus das Richtige nur dann, wenn wir sagen: wir werden für manquirende Pensionäre so viel etatsmäßige Kadetten einstellen dürfen, daß, wenn wir berechnen, welche Kosten nun durch die mehr⸗ eingestellten Kadetten erforderlich sind, se Kosten auch
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diese durch die mehr eingehenden Pensionsbeiträge im Ganzen gedeckt wer⸗ den, und daß wir im Einzelnen dann auch in ähnlicher Weise ab⸗ n, wie wir überhaupt bei den Pensionssätzen abstufen. Das würde meiner Meinung nach eine Lösung sein, die in der Billigkeit läge, und wo es angemessen wäre, der Militärverwaltung eine derartige Ermächtigung zu ertheilen. Der Abg. von Vollmar bemerkte, seine Partei habe stets gegen das Kadettenwesen sich erklärt, weil es eine ganz ein⸗ seitige Erziehung darstelle, welche seine Partei ebenso wie bei den Unteroffizierschulen und ähnlichen Anstalten durchaus be⸗ kämpfe. Er habe nur auf die Ausführung des Kriegs⸗ Ministers eingehen wollen, wonach Zurückweisungen „wegen der sozialen Stellung der Familien“ erfolgt seien. Es könne kein Zweifel darüber bestehen, was unter diesem Ausdruck gemeint sei. Begreiflich sei, daß man im Allgemeinen die Söhne von Adligen, Offizieren und vom höheren Bürgerstande vorzüglich oder ausschließlich in die Kadettenanstalten auf⸗ nehme; Handwerker⸗ und Arbeitersöhne seien zweifellos aus⸗ geschlossen; sie gehörten eben in die vorher genannte Kate⸗ gorie. Er habe auch gar nichts dagegen, daß sie nicht auf⸗ genommen würden; aber es sei doch ganz gut, wenn hierbei wieder einmal konstatirt werde, daß die Organe einer Regierung, welche mit Vorliebe vom kleinen Mann preche, welche heutzutage von Arbeiterfreundlichkeit überfließe, hier derartige Klassenunterschiede aufrecht erhalte, mit ver⸗ chiedenem Maß nach der sozialen Stellung messe, die Söhne von Arbeitern und Handwerkern anders behandele, als die Söhne der höheren Stände, beziehungsweise die ersteren als nicht anständig genug betrachte, um zu Offizieren erzogen zu rden. Der Abg. Kalle beantragte, den Antrag Richter der Budget⸗ ommission zu überweisen. Das Haus beschloß demgemäß und erledigte darauf eine ange Reihe von Titeln desselben Kapitels ohne Debatte. Bei dem Titel „Militär⸗Knabenerziehungs⸗Institut zu Annaburg, einschließlich der Unteroffizierschule daselbst“ fragte an, ob der an dieser nach
Gründen event. die Anstellung unterblieben sei, anderweit für den Religionsunterricht der katholischen Kinder gesorgt sei, resp. ob katholische Kinder in der Anstalt nicht vorhanden oder etwa zurückgewiesen seien.
Der Bundeskommissar, Major Haberling erwiderte, wegen der geringen Zahl der gegenwärtig in der Anstalt aufgenom⸗ menen katholischen Knaben sei der etatsmäßige katholische Geistliche nicht angestellt. Die Knaben seien aber behufs Be⸗ friedigung ihrer religiösen Bedürfnisse in katholischen Waisen⸗ häusern untergebracht. Die Aufnahmebedingungen seien für die evangelischen wie für die katholischen Knaben ganz dieselben.
Der Titel wurde bewilligt.
In Kap. 36, Militärgefängnißwesen, ist eine Mehrforde⸗ derung von 3600 ℳ beantragt, indem von den 8 Stellen für Hauptleute 1. Klasse à 3600 ℳ vom Aufsichts⸗ und Verwal⸗ tungspersonal der Festungsgefängnisse 2 in Stabsoffizierstellen à 5400 ℳ umgewandelt werden sollen. Nach den Erläute⸗ rungen soll durch diese Kreirung von Stabsoffizierstellen der dienstlichen Bedeutung, Erfahrung und Verantwortlichkeit, welche für die Stellen der Vorstände der Festungsgefängnisse zu Cöln und Spandau erforderlich sind und die Besetzung durch ältere, als Compagniechefs erprobte Offiziere verlangen, Rechnung getragen werden.
Der Abg. Richter (Hagen) hielt diese Mehrforderung An⸗ gesichts der Finanzlage und auch sachlich für ungerechtfertigt und beantragte ihre Ablehnung. Man solle lieber statt der aktiven solche Offiziere zum Gefängnißdienst verwenden, die in Folge leichter körperlicher Gebrechen sonst schon in jüngeren Jahren pensionirt würden.
Demnächst ergriff der Staats⸗Minister Bronsart von Schellendorff das Wort:
Meine Herren! Die neue Organisation des Militärgefängniß⸗ wesens ist von außerordentlich gutem Einfluß auf die Sache selbst gewesen. Unzweifelhaft, — das ergeben die alljährlichen Berichte des General⸗Auditoriats, — bessern sich die Verhältnisse im Militär⸗ gefängnißwesen zusehends insofern, daß die Leute nicht bloß ihre Strafe absitzen, sondern auch wirklich gebessert werden, und insofern, daß viel weniger Bestrafungen im Gefängniß selbst jetzt vor⸗ kommen und viel weniger harte Bestrafungen als früher. Das ist im Wesentlichen auch eine Folge davon, daß wir in neuerer Zeit be⸗ L“ sind, tüchtigere Kräfte an die Spitze der Gefängnisse zu stellen.
Der Herr Abgeordnete hat ganz recht, wenn er sagt, man könnte ja ein Militärgefängniß nicht wie ein Bataillon betrachten. Es ist z. B. volle Felddienstfähigkeit nicht ein Bedürfniß für den Vorstand eines Festungsgefängnisses, das ist vollständig zuzugeben; es erfordert aber doch ganz erhebliche Qualifikationen des Geistes und des Charakters. Nun haben wir, um dem Militärgefängnißwesen aufzuhelfen, sogar ganz besonders hervorragend qualifizirte Offiziere aus dem Frontdienst in das Gefängnißwesen übergeführt, um diesen gewissermaßen verirrten Mannschaften, deren weitere Disziplinirung und Erziehung ja eine schwierigere Aufgabe ist, als im Frontdienst, auf den richtigen Weg zu helfen. Gewiß, meine Herren, lassen wir solche Offiziere dann auch, wenn sie voll⸗ kommen dienstfähig sind, wieder in den Frontdienst zurücktreten; wir wollen doch aber uͤberhaupt nur vollständig für den Zweck geeignete Personen anstellen und wollen doch auch, wenn Jemand, wie der Herr
2 8 8 auch den Herren eine gewisse Aussicht auf Avancement noch eröffnen, daß sie den Rang und die Kompetenzen eines Staboffiziers noch erreichen können. Ich glaube, daß das eben alles hier Personen trifft, welche, wenn sie nicht mit einem leichten körperlichen Gebrechen, was sie sich auch in der Mehr⸗ zahl der Fälle im Dienste zugezogen haben, behaftet wären, eine ganz gute und vortreffliche Aussicht auf Avancement in der Armee ge⸗ habt bätten.
Unter diesem Gesichtspunkte, meine Herren, haben wir nun für die beiden größten Gefängnisse — und da motirirt sich's ja einiger⸗ maßen, daß man an die schwierigsten und umfangreichsten Posten auch Offiziere von höherem Range stellt — für derartige Persönlich⸗ keiten zwei solche Stellen in Aussicht genommen. Ich möchte also hiernach dem Reichstage die Bewilligung dieser Position empfehlen, im Interesse auch der Freudigkeit des Dienstes, damit auch diesen Offizieren, die in das Gefängnißwesen, in diese Partie dauernd über⸗ gehen müssen, doch auch eine gewisse Aussicht zu einem immerhin be⸗ scheidenen Avancement bis zum Stabsoffizier noch gewahrt bleibt.
Der Abg. von Benda erklärte, die nationalliberale Partei halte die beantragte Erhöhung nicht für allzudringlich und werde mit Rücksicht auf den Etat für dieses Jahr dagegen stimmen.
Die Mehrforderung wurde darauf abgelehnt, der Titel im Uebrigen bewilligt, desgleichen die übrigen auf der Tages⸗ ordnung stehenden Titel des Militäretats.
Die zweite Berathung des Etats der Verwaltung des Reichsheeres soweit er nicht der Budgetkommission überwiesen war, war damit erledigt.
Es folgte der Etat der Reichs⸗Justizverwaltung (fortdauernde Ausgaben Kap. 65 Tit. 1).
Bei Kap. 65 Tit. 1 (Staatssekretär) brachte der Abg. Payer die Frage einer Revision des Gerichtskostengesetzes in Anregung. Der Reschstag habe sich schon früher für eine Ermäßigung der Gerichtsgebühren ausgesprochen und auch eine Herabsetzung der Anwaltsgebühren für wünschenswerth erklärt. Am 15. De⸗ zember 1881 sei dann der Reichstag aufs Neue mit großer Majorität für diese Forderungen eingetreten und habe zugleich die Erwartung ausgesprochen, daß eine durchgreifendere Er⸗ mäßigung der Gerichtsgebühren bald herbeigeführt werden möchte, als sie durch die Novelle zum Gerichtskostengesetz ge⸗ währt werde. Am 21. Januar 1883 habe der Staatssekretär im Reichs⸗Justizamt die Erklärung abgegeben, daß dem Reichs⸗Justizamt in kurzer Zeit eine statistische Zusammen⸗ stellung der Ergebnisse des Gerichtskostengesetzes im Jahre 1882 zugehen werde, und daß alsdann eine Entschließung werde ge⸗ troffen werden, in welcher Weise eine Revision des Gesetzes vollzogen werden könne. Und noch im Zuli vorigen Jahres sei vom Staatssekretär von Schelling diese Zusicherung wieder⸗ holt worden, indem derselbe hervorgehoben habe, daß dem Hause demnächst eine Denkschrift mit den Ergebnissen der Jahre 1881 und 1882 zugehen werde. An Aufforderungen und Versprechungen 5* es also in dieser Frage nicht ge⸗ fehlt. Aber trotzdem sei dieselbe in der letzten Zeit um nichts gefördert worden. Es sei daher wohl nicht unbescheiden von ihm, wenn er anfrage, wie es jetzt mit dieser Reform aus⸗ sehe, Er würde auch jetzt wieder einen selbständigen Antrag eingebracht haben; aber er habe einige Notizen in der Presse dahin verstanden, daß dem Hause in nächster Zeit eine Vorlage in diesem Sinne zugehen werde, und daher beschränke er sich auf die bloße Anfrage.
Der Abg. Dr. Hartmann bat, auch die Gebührenordnung der Rechtsanwälte zu revidiren, da die Gebühren, namentlich wenn in einem Prozeß zwei Rechtsanwälte thätig gewesen seien, oft unerschwinglich seien. Hier und in der Presse werde immer nur von der Höhe der Gerichtskosten gesprochen, man brauche den Ausdruck gleichbedeutend mit Prozeßkosten. Die
In das Armenrecht hinein zu gehen, scheuten die selbst wenn sie es bekommen könnten, des Ehrenpunktes wegen. Diesen Leuten sei dann der Rechtsweg vollständig verschlossen. Andererseits könnte man den Rechts⸗ anwälten viel Zeit sparen, wenn man über die Termine be⸗ züglich der Zeit besser disponirte. Oft müßten die Anwälte stundenlang auf den Korridoren verweilen, vielleicht nur, um dann zu erfahren, daß der Termin aufgehoben sei. Weiter glaube er, daß der Stand der Rechtsanwälte überfüllt sei. Die Herren seien vielfach nur einen kleinen Theil ihrer Zeit be⸗ schäftigt. Eine Selbstregulirung sei hier nicht möglich, bei einer Revision werde aber dieser Punkt ebenfalls berücksichtigt werden müssen. Ferner komme die Beschränkung des Anwalts⸗ zwanges in Betracht. Er wünsche, daß die Revision der Ge⸗ bühren der Rechtsanwälte zugleich mit der Revision der Ge⸗ richtskosten vorgenommen werde. Eine getrennte Behandlung wäre fehlerhaft. Er bitte den Staatssekretär, recht bald dem Hause eine Vorlage in dieser Richtung zu machen.
Hierauf ergriff der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Stantssekretär des Reichs⸗Justizamts Dr. von Schelling das Wort:
Meine Herren! Was zunächst die Anfrage des Hrn. Dr. Payer anlangt, so möchte ich glauben, daß er sich bei Stellung derselben wohl selbst nicht dem Gefühl verschlossen hat, daß diese Anfrage keine zeitgemäße war. In einem Augenblick, wo zu einer erheblichen Stei⸗ gerung der Matrikularbeiträge der Bundesstaaten geschritten werden muß, da ist es wohl nicht angezeigt, den Landesregierungen, in deren Kasse die Gerichtskosten fließen, eine Verkürzung dieser Einnahmen zuzumuthen, nachdem diese Einnahme schon empfindlich Herührt worden ist durch die Gerichtskostennovelle von 1881. Ich möchte glauben, daß der Herr Abgeordnete sich einen aktuellen Erfolg von seiner Anfrage über⸗ haupt nicht verspricht, daß es ihm nur darauf angekommen ist, das Prinzip einer Verminderung der Gerichtskosten aufrecht zu erhalten. Ich bin nun sehr gern bereit, auch auf die prinzipielle Frage ein⸗ zugehen und halte es für sehr natürlich, 85 gerade der Hr. Abg. Dr. Payer hier die Führung in dieser Sache übernommen hat; denn in seinem engeren Heimathslande, in Württemberg, bestanden vor 1879 so niedrige Kostensätze, daß die Rechtspflege als eine annähernd unentgeltliche bezeichnet werden konnte. Die Regierung des Kögig⸗ reichs Württemberg und die Vertreter Württembergs im Reichstage haben damals diese Eigenthümlichkeit geopfert im Interesse des Zu⸗ standekommens eines gemeinsamen deutschen Gerichtskostengesetzes. Nun, meine Herren, glaube ich, es ist doch gut gewesen, daß die Sache nicht den umgekehrten Gang genommen hat, daß wir nicht etwa die Gerichtskostensätze Württembergs auf das Reich übernahmen. Die Gerichtskosten müssen in gewissem Maße etwas Abschreckendes haben, der Prozeß muß den Betheiligten als ein Uebel erscheinen, was sie nach Möglichkeit zu vermeiden suchen. Wenn das nicht der Fall ist, wenn die Gerichtskosten vielleicht so niedrig sind, daß sie nicht einmal die Zinsen der Zwischenzeit decken: was entsteht daraus? Eine große Unpünktlichkeit in der Erfüllung schwebender Verbindlich⸗ keiten, ein Borgsystem, welches sich zuletzt bis auf die geringsten Viktualien erstreckt, wie wir das alles in Preußen unter der Herrschaft der früheren niedrigen Bagatellkosten erlebt haben. Seitdem die Kosten, wenigstens in den niederen Werthstufen, einen höheren Charakter “ haben, ist eine bemerkbare Besserung der Kreditverhält⸗
zu 5. meisten Leute,
ein kleines
nisse eingetreten. Der Gewerbetreibende ist vorsichtiger geworden in der ½
einer Prozeßführung werden sorgfältiger erwogen, namen tlich der Richtung der Zahlungsfähigkeit des Verklagten und aus 8 diesem hat sich ergeben eine sehr erhebliche Verrninderun al Prozesse, eine Erscheinung, welcher ich nur eine überwiegend 8 8 Bedeutung beilegen kann. usti Nun, meine Herren, mißverstehen Sie mich aber nicht, als w ich alles in der Prozeß⸗ und Kostengesetzgebung als in bester Ordnmn befindlich ansehe. . Klagen über den der letzten Zeit merklich nachgelassen haben, einen intergrund von Berechtigung sind. wenien bemittelte Mann ist in der That manchmal in einer schwierigen 8 wenn er sein Recht vor Gericht verfolgen, noch mehr, wenn 8 vertheidigen soll, und namentlich wenn der Prozeß vor dem Landger zu führen ist. Ich habe dabei nicht etwa die arme Partei im E der Prozeßordnung im Auge; ich glaube im Gegentheil, daß „ Armenrecht in unserer Gesetzgebung vielleicht einen zu weite Raum einnimmt und den Anwaltstand mehr als bile belästigt. Ich spreche von derjenigen Klasse der Bevölkern⸗ welche das Armuthzeugniß nicht erlangen kann oder will, aber dan in ihrem wirthschaftlichen Verhältniß denjenigen Personen nahesteh welche sich mit dem Armenrecht ausstatten zu lassen pflegt. Wett beruht nun aber die Schwierigkeit der Rechtsverfolgung und Rechit vertheidigung für die unbemittelte Klasse? Ich muß ja zugeben dnß viele Bestimmungen unserer Gebührengesetzgebung zu 6 gehen, aber der Weg, den der Hr. Abg. Payer beschreitt will zur Abhülfe der hervorgetretenen Uebelstände, der 8 doch ein zu einseitiger. Er will von unserer ganz Gebührengesetzgebung nur einen Theil, nämlich das Gerichtskoftan gesetz mit Ausschluß der Anwalts⸗ und Gerichtsvollzieher⸗Gebühren ordnung in der Richtung einer Verminderung geändert wissen. 1 einem so einseitigen Vorgehen werden sich, glaube bündeten Regierungen in keinrm Falle entschließen.
Nun möchte ich aber auch noch die Meiaung aussprechen, daß a nicht so sehr die Höhe der einzelnen Gebühr oder die Höhe der einzelne Auslagevergütung ist, welche den wirthschaftlich Schwachen bei d Prozeßführung bedrückt, sondern das vorzugsweise Beschwerenze ist die Vielfältigkeit der zu entrichtenden Gebühren. Und worin ht diese ihren Grund? Diese hat ihren Grund, daß die Partei, um n ihrem Rechte zu kommen, zwei Orgare, den Richter und den Gerichtz⸗ vollzieher, und wenn es sich um einen Prozeß vor dem Landgeritt handelt, ein drittes Organ, den Anwalt in Bewegung setzen mis Die Häufung der in Anspruch zu nehmenden Organe muß notz⸗ wendig auch eine Häufung der Kosten und eine vielfältig lästige Nachforderung von Kosten im Gefolge haben. Dr Erwägungen, welche der Herr Reichskanzler in Bezug auf das Cirll⸗ verfahren anzuregen in Begriff steht und welche ich gestern die Ehn⸗ hatte, dem hohen Hause mitzutheilen, sind ja auch wesentlich dahin gerichtet, die von mir geschilderte Kostspieligkeit des Verfahrens in vermeiden und den Rechtsgang für eine unbemittelte Partei zu a⸗ leichtern. Sie zielen insbesondere auf eine Vereinfachung unsertz Zustellungswesens hin und sie werden wahrscheinlich dahin führen daß die Zustellungsgebühren, über deren Höhe jetzt hauptsächlich Klag geführt wird, in Zukunft entweder ganz in Wegfall kommen ode doch eine sehr erhebliche Ermäßigung erfahren.
Ich möchte noch mit einigen Worten auf den von dem Hrn. Albg⸗ Dr. Hartmann berührten Gegenstand eingehen, nämlich auf die An⸗ waltsgebühren. Es sind Vorarbeiten zur Revision derselben bereitz im Gange, aber bevor der Reichstag mit einer Vorlage befaßt wir, würde ich es doch für sehr wünschenswerth erachten, daß die Revision nicht in ihre Erscheinung trete als eine dem Anwaltstande feindliche, daß sie vielmehr zum Abschluß gebracht werden könnte im Einver⸗ ständniß und unter der Mitwirkung derjenigen Mitglieder des An⸗ waltstandes, welche diesem hohen Hause angehören. Es fängt doch an, mehr und mehr im Anwaltstande das Gefühl sich zu regen, daß die Länge der Kostenrechnungen, zu welchen das gegenwärtig⸗ System nöthigt, den Anwalt in kein erwünschtes Verhältniß zu seinee Partei und der Gegenpartei bringt, daß es dem Ansehen des Anwalt⸗ standes förderlicher wäre, wenn das Pauschquantum strenger dur⸗ geführt würde, wenn die Liquidation sich auf einige kurze Sätz, welche von den Parteien kontrolirbar sind, beschränkte. Sollte, meim Herren, diese Anschauung in den betheiligten Kreisen dieses hohen Hauses Anklang finden, so glaube ich, wird es an der Bereitwillig⸗ keit der verbündeten Regierungen nicht fehlen, derselben im Wege der Gesetzgebung Rechnung zu tragen.
Druck der Prozeßkosten, die übrigens
und er beklagten es lebhaft, daß Seitens der Regierung die Aussichten auf eine Vorlage, welche die Reform der Gerichts⸗ kosten herbeiführe, sehr in die Ferne gerückt seien. Er bellage es, weil seine Partei nicht der Ansicht sei, daß die Grünze der Regierung durchschlagende seien. Seine Partei glaube, daß dem Staate, dem in der FJetztzeit ungebührlich neu⸗ Pflichten aufgelastet würden, bei der Erfüllung seiner dringendsten Aufgabe, des Rechtsschutzes und der Rechtspflege, der finanzielle Gesichtspunkt allein nicht maßgebend sein dürfe. Die Sache habe auch noch eine volkswirthschaftliche Seite, durch die Höhe der Gerichtskosten werde auch das Bewußtsein der Rechtssicherheit im Volke zerstört. Am 9. Dezember 1885 sei eine Erkläruag abgegeben, wonach Erhebungen gemacht werden sollten, in welchem Maße eine Aenderung der Kosten nothwendig sei. Er sei nun weit entfernt, den Anwaltsstand, den Grundpfeiler einer guten Justiz, in seinem Einkommen verringern zu wollen, aber es würden auch die Anwalts⸗ gebühren künftig revidirt werden müssen.
Der Abg. Dr. Porsch hob hervor, es sei ja nur noch eine Frage der Zeit, daß eine Novelle zu dem Gerichtskostengeset und zur Gebührenordnung für Anwalte das Haus beschäftigen werde. Die Höhe der Gerichtskosten hindere die Leute, ihr Recht zu verfolgen, wenn es zweifelhaft sei und wenn der Rechtsuchende wisse, daß vom Gegner weder das Streitobjelt noch die Kosten zu erlangen seien. Die Höhe der Gerichts⸗ kosten erkläre sich nur zum Theil aus der zu hohen Bemessung derselben, sie werde auch bedingt durch die Kostspieligkeit des seit 1. Oktober 1879 eingeführten Verfahrens überhaupt Er begrüße daher mit Freuͤden die Aeußerung des Staatssekretärs, wonach man überhaupt das Verfahren, besonders das Zustellungswesen, vereinfachen und verbillige wolle. Die Anwaltsgebühren würden auch nicht so hach sein, wenn nicht die Gerichte förmlich mit der Zeit der An⸗ walte ein Spiel trieben. Hierin sei allerdings eine gewist Remedur durch die Verfügung des preußischen Justiz⸗Minister schon eingetreten, wonach die Termine auch zur angegebenen Zeit abgehalten werden sollten. Man müsse ferner bei 18 Kostenrechnung der Anwalte unterscheiden, was beziehe 9 Anwalt wirklich und was lege derselbe nur aus. „Hiernn werde ersichtlich sein, daß der Anwalt für seine Bemühungen, nicht zuviel erhalte, höchstens könnte man die Kosten für sun ferenzen herabsetzen. Er müsse nur erklären, die altpreußische Anwälte wären mit einer Herabsetzung der Gebühren . einverstanden, wenn sie nur auch das frühere einfache
Verfahren bekommen könnten. 3 rnen Der Abg. Payer erklärte, er habe sich allerdings ein aktuellen Erfolg von seiner Anregung versprochen. Er 89 allerdings gewünscht, daß das Votum des Reichstages bei vl Regierungen mehr Beachtung gefunden hätte. Finanzan Noth solle eine Minderung der Gerichtskosten zurückha 78 Und doch bringe man eine Dampfersubventions⸗Vorlage en⸗
Abgeordnete sagt, um eines leichten körperlichen Gebrechens willen
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Gewährung von Kredit. Die Erhebung frivoler Ansprüche, die frivole Bestreitung berechtigter Ansprüche vermindert sich. Die Chancen
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die viele Millionen erfordere. Die Zeche für diese Vorlag⸗
Ich muß meinerseits vielmehr zugeben, desn
Der Abg. Brünings erklärte, seine politischen Freundeß
solle aus der Tasche der Einzelstaaten genommen werden, und dafür solle die Rechtspflege vertheuert werden! Die Ver⸗ theuerung der Rechtspflege sei ein Unglück, sie verlege dem armen Manne den Rechtsweg. Die Klagen seien nicht er⸗ loschen, sie seien auch durch den Reichstag, als offiziellen Vertreter des Volkes, bei jeder Gelegenheit vorgebracht worden. Eine Reform hier allein wolle er auch nicht, sondern er wolle ebenso die Herabsetzung der Rechtsanwaltskosten, wie der Abg. Hartmann, aber man müsse diese beiden Bedürfnisse nicht in Zusammenhang bringen. Daher sei es gekommen, daß man jetzt so gut wie gar nichts erreichen werde. Wenn man den Anwaltszwang und das Gerichtsvollzieherwesen in Süd⸗ deutschland, wo es früher nicht bestanden habe, wieder ab⸗ schaffen würde, so würde ein Sturm der Freude durch das Land gehen. Er werde den Reichstag nun doch, was er anfangs nicht gewollt habe, vor die Frage stellen, ob derselbe sich mit den vom Regierungstische gegebenen Erklärungen begnügen, oder ob derselbe das Votum früherer Reichstage: neben der Herabminderung der Kosten auf anderen Gebieten der Justiz die Herabsetzung der Gerichtskosten vorzunehmen, — wieder⸗
n wolle. vn Der Abg. Kavyser bemerkte, die Justiz solle keine melkende Kuh sein, aus der die Verwaltung Früchte für sich ziehe, sondern vielmehr so eingerichtet sein, daß Jedermann, der sich in seinem Rechte gekränkt fühle, auch die Rechtspflege in Anspruch nehmen könne. Als Vertreter der armen Leute wende er sich beson⸗ ders lebhaft gegen die Erklärungen des Staatssekretärs von Schelling, daß die hohen Gerichtskosten von Prozessen ab⸗ schrecken sollten. Das heiße: die Leute sollten auf ihr Recht verzichten, weil sie nicht Geld genug hätten, einen Prozeß ein⸗ zuleiten. Seine Partei sei deshalb für Herabsetzung der Ge⸗ richtss und auch der Anwaltskosten. Der Abg. Dr. Porsch habe dem Hause den Anwalt doch gar zu sehr als armen Mann vorgeführt. Ihm sei bekannt, daß für Konferenzen von fünf Minuten, wobei es sich um ganz geringe Be⸗ träge gehandelt habe, 20 ℳ gefordert worden seien. Die Kosten müßten um so mehr niedrig bemessen werden, da man den Anwaltszwang habe, und die Richter die korrigtren⸗ den billigeren Rechtskonsulenten als Vertreter nicht zuließen. Der Staatssekretär habe gesagt, daß die Prozesse sich deswegen vermindert hätten, weil jetzt weniger geborgt werde. Das Borgsystem habe aber mit den Gerichtskosten gar nichts zu thun, das sei noch nicht vorgekommen, daß die wirthschaftlichen Verhältnisse nach der Justizgesetzgebung sich richteten, das Umgekehrte müsse der Fall sein. Er wünsche nicht blos eine Reform, wie sie der Staatssekretär in Aussicht gestellt habe, sondern eine Reform der ganzen Rechtspflege. Es wäre z. B. auch nöthig eine Reform des Kostenwesens beim Strafprozeß, wo jetzt die Kosten nach der Höhe der Verurtheilung berechnet würden. Bei der Civilrechtsreform würde er namentlich wünschen, daß man den Schuldnern ein Minimaleigenthum in Händen lasse. Was jetzt in der Prozeßordnung stehe, sei gar nichts werth, sie lasse dem Schuldner nicht das, was zu einer wirthschaftlichen Selbständigkeit nothwendig sei. Finanzgründe sollten also bei der Justiz nicht gelten. Auch das Armenrecht, das man habe, helfe nicht aus. Der Handwerker und Arbeiter, der Ehr⸗ gefühl habe, wolle dieses Recht nicht in Anspruch nehmen. Es bleibe in gewissem Sinne auch dabei wahr, daß Armuth schände. Denn wer vom Armenrecht Gebrauch mache, ver⸗ liere seine politischen Rechte auf zwei Jahre. Er wolle, daß es dem kleinen Mann eben so möglich werde, seine kleinen Beträge eben so einzuklagen, wie dem Millionär die großen.
Demnächst nahm der Staatssekretär des Reichs⸗Justizamts, Dr, von Schelling, das Wort:
Ich möchte nur einer thatsächlichen Behauptung des Hrn. Abg. Payer widersprechen, die ich nicht für richtig halte, nämlich die Behauptung, daß die Rechtspflege vertheuert sei. Das mag für sein engeres Vaterland zutreffen, für
andere Länder z. B. für Elsaß⸗Lothringen ist in Folge des Gerichts⸗ kostengesetes eine Verringerung des Kostensatzes einge⸗ treten. In anderen Staaten, z. B. in Preußen sind die Kostensätze, wenn man von den alleruntersten Werthklassen absieht, so ziemlich auf demselben Niveau geblieben, wie früher. Selbst aber, wenn gegen früher eine Vertheuerung vorhanden wäre, so würde sich doch daraus nimmermehr der von dem Hrn. Abg. Kayfer gezogene Schluß rechtfertigen, daß die Regierung das Gerichtskostengesetz als eine finanzielle Quelle betrachte. Gerade das Umgekehrte ist der Fall. Während die Kosten der Gerichtsverwaltung gestiegen sind seit dem Jahre 1879, zeigen die Gerichtskosten⸗Einnahmen, soweit sich in dierer Beziehung überhaupt eine vergleichende Kontrole ermöglichen läßt, einen Rückgang. Ich kann beispielsweise auf die Zahlen für die älteren preußischen. Provinzen hinweisen, wo ja die maß⸗ gebenden Verhältnisse vor 1879 und nach 1879 analog waren, und kann konstatiren, daß gegen die Gerichtskosteneinnahme des Jahres 1877/78 eine Mindereinnahme in Preußen sich gezeigt hat, im Jahre 1881/82 von 30,72 %, im Jahre 1882/83 — es zeigt sich jetzt der Einfluß der Gerichtskostennovelle — eine Minder⸗ einnahme von 42,05 %, im Jahre 1883/84 ein ziemlich konstantes Verhältniß, nämlich eine Mindereinnahme von 41,42 %. 1
Ich habe mich auf diese thatsächlichen Bemerkungen beschränkt.
Der Abg. Dr. Windthorst erklärte, es würden leider noch allenthalben recht viel Klagen, über zu hohe Gerichtskosten laut. Die Leute trügen vielfach Bedenken, einen Prozeß ledig⸗ lich wegen der zu hohen Gebühren zu beginnen; denn auch, wenn das Recht noch so klar liege, unsicher bleibe der Richter⸗ spruch immer. Solche Zustände könnten nicht zur Aufrecht⸗ erhaltung des Rechtsgefühls im Volke beitragen. So wenig es erwünscht sei, daß man unnöthige Prozesse führe, so wenig sei es andererseits heilsam, wenn vielfach das gute Recht blos mit Rücksicht auf die etwaigen Prozeßkosten nicht verfolgt werde. Auch sonst gebe es gewiß Mißstände im Justizwesen, die zu beseitigen wären; nur müsse man unter allen Umständen bei einer Revision sehr vorsichtig zu Werke gehen. Dem Abg. Kayser gegenüber bemerke er doch, daß nicht seine Partei allein die Armen vertrete, sondern daß alle Parteien Reich und Arm hier gleichmäß verträten.
Der Abg. Klemm machte auf die Mißstände aufmerksam, die sich für Anwälte und Parteien daraus ergäben, daß von den Gerichten häufig zu viel Sachen auf eine und dieselbe Terminsstunde anberaumt zu werden pflegten.
Der Abg. Günther (Sachsen) bemerkte, auch er protestire ausdrücklich gegen die Behauptung, daß die Sozialdemokratie allein die Vertreterin der armen Leute sei. Daß sie das für sich in Anspruch nehme, wisse er allerdings aus den Wahl⸗ versammlungen; und daß es im Publikum geglaubt werde, dem verdankten die Sozialdemokraten ihre Erfolge. Er hätte aber nicht gedacht, daß die Herren es wagen würden, auch im Reichstag so etwas zu behaupten. Er bestreite dem Abg. Kayser das Recht dazu und glaube, daß im ganzen Saal kein Mitglied vorhanden sei, dem die armen Leute weniger am Herzen lägen, als dem Abg. Kayser.
sei, halte er das vorhin von ihm (dem Redner) Gesagte vollkommen aufrecht. Allerdings verträten einzelne Parteien im Hause vorzugsweise bestimmte Interessen und Richtungen. Wenn der Abg. Günther immer so stark bei den Wahlen sich als Vertreter der bäuerlichen Interessen aufgespielt habe, so hätte er (Redner) von seinem heutigen Standpunkte aus ihm dazu ebenfalls das Recht bestreiten können. Die Liebe des Abg. Günther für die Armen sei bisher sehr platonisch; sie habe immer nur so weit gereicht, als es nichts gekostet habe und sich stets nur in Reden, nicht in Thaten geäußert. Der Abg. Günther und seine ganze Partei habe am aller⸗ wenigsten das Recht, sich Vertreterin der Armen zu nennen; (Zwischenruf des Abg. Prinzen Carolath) und der Abg. Prinz Carolath, der das bestreite, sollte sich doch lieber erinnern, daß er sein Mandat mehr seinem Land⸗ rathsamt, als der Vertretung der armen Leute verdanke. Die Antwort des Staatssekretärs von Schelling habe gar nichts gegen seine Behauptung bewiesen, daß die Regierungen das Gerichtskostengesetz als Finanzgesetz gebrauchten. Wenn sich die Einnahmen aus den Gerichtskosten vermindert hätten, so liege das eben nur daran, daß wegen zu hoher Kosten viel weniger Prozesse als früher geführt würden. Die Regierung habe sich hier ebenso verrechnet als bei den indirekten Steuern; Gerichtskosten wie indirekte Steuern, wenn sie im Mißver⸗ hältniß mit der wirthschaftlichen Leistungsfähigkeit der großen ständen, brächten um so weniger ein, je höher sie eien. Der Abg. Günther erklärte, er sei nicht erst heute ein Freund der armen Leute geworden, sondern sei es stets ge⸗ wesen, wie er durch seine Abstimmungen auch oft bewiesen habe. Aber die sozialistischen Bestrebungen unterstütze er gerade deshalb nicht, weil sie nicht den wahren Interessen der Armen dienten. Das Kapitel wurde hierauf bewilligt. Die Titel 3, 4, 6 und 7, welche Mehrforderungen ent⸗ hielten, wurden auf Antrag des Abg. Rickert der Budget⸗ kommission überwiesen. Bei den Ausgaben für die Kommission zur Ausarbeitung eines bürgerlichen Gesetzbuches richtete der Abg. Dr. Meyer (Jena) unter besonderer Anerkennung der Sorgfalt und Gründ⸗ lichkeit der Kommissionsarbeiten an den Staatssekretär im Justizamt die Frage, wie weit diese Arbeiten gediehen seien, da eine Aeußerung eines früheren Kommissionsmitgliedes ver⸗ breitet sei, nach welcher dieselben sich noch bis zum Jahre 1900. hinziehen dürften. Wiederum nahm der Staatssekretär des Reichs⸗Justizamts Dr. von Schelling das Wort: Ich freue mich bezeugen zu können, daß die Arbeiten der deut⸗ schen Civilgesetzbuch⸗Kommission in bestem Fortgang begriffen sind. Der allgemeine Theil des Obligationenrechtes ist bereits in erster Lesung festgestellt. Die Kommission ist zur Berathung des Sachen⸗ rechts übergegangen, und ich kann mittheilen, daß auch bereits die schwierigsten und wichtigsten Theile des Sachenrechts erledigt sind, und in den ersten Monaten des nächsten Jahres die Feststellung dieses Theils in erster Lesung vollendet sein wird. Was sodann die Prognose anlangt, auf welche der Herr Vor⸗ redner hingewiesen hat, nämlich die Prognose, wann wohl das deutsche Civilgesetzbuch in Kraft treten werde, so glaube ich ist das eine Frage, die wohl Niemand zu beantworten im Stande ist. Wenn er da gemeint hat, nach einer gefallenen Aeußerung sollten die Arbeiten der Civilgesetzbuch⸗Kommission bis zum Jahre 1900 andauern, so muß ich dem entgegentreten. Die Arbeiten der Civilgesetzbuch⸗Kommission in einem bedeutend früheren Zeitpunkt zu ihrer Endschaft ge⸗ angt sein. Der Abg. Dr. Windthorst erklärte, es könnte den Anschein
haben, als ob in der vom Abg. Meyer angezogenen Aeuße⸗ rung ein leiser Vorwurf gegen die Kommission läge. Er verfolge die Arbeiten mit großem Interesse und müsse sagen, daß die Kommission sehr gründlich und fleißig gearbeitet habe. Wer geglaubt habe, daß die Aufgabe in kurzer Zeit würde erledigt werden können, habe für die Sache gar kein Ver⸗ ständniß. Nichts sei schwieriger, als ein allgemeines Civil⸗ gesetzbuch für Deutschland zu machen; es habe dies seinen Grund namentlich in der Verschiedenheit der jetzt in Deutsch⸗ land geltenden Rechte. Er wünsche lebhaft, daß man sobald als möglich fertig werde, aber man solle nicht drängen. Man könnte sonst bei dem Civilgesetzbuch leicht noch schlimmere Er⸗ fahrungen als bei der Civilprozeßordnung machen. .
Der Abg. Dr. Meyer (Jena) bemerkte, er habe die Gründlichkeit der Kommissionsarbeiten ausdrücklich anerkannt; es habe ihm fern gelegen, einen Vorwurf zu erheben; er habe nur den Staatssekretär um eine authentische Auskunft bitten wollen.
Der Titel wurde bewilligt. 8
Hierauf vertagte sich um 4 ½ Uhr das Haus auf Sonn⸗ abend 1 Uhr.
STDcogogebiet und Biafra⸗Bai. (Aus der dem Reichstag vorgelegten Denkschrift.)
(Fortsetzung und Schluß.) Nr. 11. (Uebersetzung.) Britische Botschaft, Berlin, den 29. August 1884. err Minister.
Ich beehre nich. Frene Excellenz mitzutheilen, daß ich von Ihrer Majestät Staatssekretär für Auswärtige Angelegenheiten folgende Nachrichten über die Beziehungen Ihrer Majestät Regierung zu den eingeborenen Häuptlingen verschiedener Städte und Dörfer im Oel⸗ flüsse- und Kamerungebiet erhalten habe und beauftragt bin, dieselben zur Kenntniß der Kaiserlichen Regierung zu bringen.
Vor einigen Jahren haben diese Häuptlinge Ihre Majestät um Gewährung Ihres Schutzes gebeten und den dringenden Wunsch aus⸗ gesprochen, sich unter englische Hoheit zu stellen. Petitionen in diesem Sinne wurden unter Anderen von König Bell und König Aqua nebst anderen Kamerun⸗Häuptlingen am 7. August 1879 und am 6. No⸗ vember 1881 eingereicht. Dieselben wurden im März 1882 benach⸗ richtigt, daß die Angelegenheit geprüft und ihnen weitere Mittheilung gemacht werden würde. Ihrer Majestät Konsul für das gedachte Gebiet, welcher damals beurlaubt war, wurde demgemäß beauftragt, die näheren Umstände zu ermitteln, um Ihrer Majestät zur Ent⸗ scheidung über die Angelegenheit in den Stand zu setzen. Er besuchte das Gebiet im November 1882. Während seines dortigen Aufenthalts wurden auch seitens der Eingeborenen von Bimbia Gesuche um Annektirung an ihn gerichtet. Im April 1883 schrieben die Könige Bell und Aqua von Neuem: „Wir können nicht zulassen, daß eine andere als die britische Regierung unser Land annektire, da wir diese Regierung freiwillig eingeladen haben, uns und unser Land unter ihren Schutz zu nehmen. Wir erwarten fast täglich unsere Wünsche erfüllt zu sehen.“ ““ 8
Umstände verhinderten die Rücckehr Ihrer Majestät Konsuls zur
(Auszug.)
zugleich das Gebiet der Ambas⸗Bay, wo seit langer Zeit eine britische Niederlassung besteht, unter den Schutz und die Aufsicht der britischen Krone zu stellen.
Indem ich mir die Ehre gebe, diese Thatsachen zu Euer Excellenz Charles Scott. ch
Kenntniß zu bringen, benutze ich ꝛc.
An den Unterstaatssekretär des Auswärtigen Amts Herrn Dr. B
Klein⸗Eloby, den 16. August 1884. Ew. Durchlaucht beehre ich mich, den nachfolgenden Bericht
über meine Thätigkeit in der Biafra⸗Bai ganz gehorsamst zu unter⸗ breiten. 8
Nachdem wir am 8. Juli die Rhede von Waidah verlassen hatten,
wendeten wir uns der Biafra⸗Bai zu und trafen am 11. Juli am späten Nachmittage vor
er Mündung des Kamerunflusses ein. In der Mündung des Kamerunflusses stießen wir auf zwei
Woermann’sche Dampfer, von denen der eine Kohlen für S. M. S.
„Möwe“ nach dort gebracht hatte, und der andere, der kleine Küsten⸗-
dampfer „Mpougwe“, von Bimbia kam und zu unserer großen Freude den Kaiserlichen Konsul Herrn Emil Schulze, den Agenten von C. Woermann in Kamerun, Herrn E. Schmidt und Herrn Woermann, einen jüngeren Bruder des Herrn Adolph Woermann, an Bord hatte.
Von diesen Herren erfuhren wir zunächst, daß die im Auftrage
des Herrn Adolph Woermann in den in der Biafra⸗Bai gelegenen
Distrikten getroffenen Vorbereitungen für eine etwaige Inbesitznahme Deutschlands Aussichten auf Erfolg böten. 8 Kaum waren wir am nächsten Vormittag vor den dicht neben einander liegenden Residenzen der Könige Bell und Aqua angelangt, als die Agenten von C. Woermann und von Jantzen & Thormählen an Bord kamen und meldeten, daß der Häuptling Dido und seine Unterhäuptlinge am gestrigen Tage einen Vertrag mit ihnen ab- geschlossen habe. Der Tag ging mit Verhandlungen mit dem König Bell und dem König Aqua, welcher letzterer erst am Abend eingetroffen war, hin. Schließlich führten dieselben zu dem Ergebniß, daß auch die Könige Bell und Aqua nebst ihren Leuten einen Vertrag unter⸗ zeichneten, durch welchen sie den Firmen C. Woermann und Jantzen & Thormählen sämmtliche Hoheitsrechte abtraten. In den mit den Kamerunhäuptlingen abgeschlossenen Verträgen sind seitens der letzteren folgende Reserven ganz besonders stipulirt worden: 1) Rechte Dritter sind vorbehalten; 1 2) Handels⸗ und Freundschaftsverträge sollen Gältigkeit ehalten; 3) der Grund und Boden der Städte und Ortschaften und ihrer Bewohner soll das Eigenthum derselben bleiben; 4) JE““ sollen ihre Abgaben erheben dürfen wie bisher; 5) in der ersten Zeit sollen die Sitten und Gebräuche de Eingeborenen respektirt werden. 8 8 Somit konnte die Oberhoheit Sr. Majestät des Kaisers über das ganze Kamerungebiet als gesichert betrachtet werden, und es herrschte am Abend des 12. Juli große Freude unter den dortigen Deutschen Am anderen Tage kamen die Eingeborenen aus den entfernteren Ort schaften in ihren buntbemalten oft 20 Meter langen Kanoes, um ihrer Freude über den Anschluß an Deutschland Ausdruck zu geben und die Angesehenen unter ihnen drängten sich zur Unterzeichnung des Vertrages. Nur der lokale Häuptling von Ekre⸗ (engl. Hikory⸗) Town, Lock Preso, war auf einer Handelsreise abwesend, und sein Stell vertreter wagte nicht für ihn zu zeichnen. Da aber Lock Preso, wen auch nicht ohne ein gewisses Anfrhen und eine gewisse Selbständigkeit, doch weit entfernt davon ist, eine Stellung einzunehmen, wie etwa äuptling Dido, sondern unter der direkten Oberhoheit King Bell’'s teht, so glaubte ich Ekre⸗Town ohne Weiteres als zu dem in den Verträgen behandelten Gebiete rechnen zu dürfen, indem ich für di geeignete Hinzuziehung Lock Preso's nach seiner Rückkehr bei meine Abreise die nöthigen Anweisungen zurückließ. Nachdem ich durch einen von den Vertretern der genannten Ham⸗ burger Firmen und mir unterzeichneten Akt die von denselben gemachte Erwerbung unter den Schutz des Deutschen Reichs gestellt und di 3 Uebernahme der Allerhöchsten Schutzherrlichkeit über das Kamerungebiet erklärt hatte, wurde am 14. Juli in den Residenzen der Häuptlinge Bell, Aqua und Dido der Akt des Flaggenhissens vorgenommen. Da die angestrengte Reise S. M. S. „Möwe“ unter beständigem Dampf bis Kamerun eine längere Ruhe der Maschine erheischte, und da be⸗ ständige starke Regenfälle die dringend nothwendig gewordene Revision der Effekten sehr erschwerten, so konnten wir erst am Sonntag den 20. Juli Kamerun verlassen. 1 Da durch diesen Vorgang in Kamerun die englischen Interessen in Mitleidenschaft gezogen wurden — es sind daselbst fünf englische Firmen vertreten —, so erließ ich ein Cirkular an die betreffenden Agenten, um dieselben über ihre Handelsinteressen zu beruhigen und machte einen Besuch in der dort bestehenden Baptistenmission, um auch diese des ungestörten Fortgangs ihrer Thätigkeit zu versichern. Bei der Mannigfaltigkeit der kommerziellen Intereffen und der politischen Verhältnisse in Kamerun war es außerdem dringend geboten, in irgend einer Weise für die Begleichung etwaiger Differenzen der Fremden mit den Eingeborenen Sorge zu tragen. Zu diesem Zwecke funktionirt seit Jahren der unter dem Vorsitz des englischen Konsuls tagende sogenannte Court of Equitg. Ich glaubte also ein zweites Cirkular an die Agenten der dortigen englischen Handelsfirmen, welche mit den Vertretern von C. Woermann⸗ und Jantzen & Thormählen und mit den eingeborenen. Häuptlingen den Sourt of Equity zusammensetzen, erlassen zu sollen, in welchem ich sie um ihre Mitwirkung bei einem Schiedsgericht bat, das ganz wie der Court of Equity, nur unter deutschem Protektorat, zu funktioniren⸗ hätte, bis die Kaiserliche Regierung weitere Bestimmungen getroffen haben würde. In einer Berathung, zu welcher die englischen Herren sich bereitwilligst einfanden, erklärten dieselben, daß sie eventuell nicht verfehlen würden, an einem provisorischen Gerichtshof der genannten Art, wie zuvor am Court of Equity, mitzuwirken, daß sie aber den natürlichen Wunsch hätten, zunächst mit dem englischen Konsul, der demnächst erwartet werden könne, zu konferiren. In dieser Berathung zog ich meinen in dem erwähnten Cirkular gemachten Vonschlag, den modifizirten Gerichtshof unter dem Vorsitz des von mir zurück⸗ zulassenden interimistischen Kaiserlichen Vertreters tagen zu lassen, zurück und schlug vor, daß ein unter den Mitgliedern zu wählender Chairman, als durch seine Kenntniß der lokalen Verhältnisse besser dazu geeignet, die Sitzungen leiten möchte, verlangte aber, daß der interimistische Kaiserliche Vertreten den letzteren beiwohnen und die Entscheidungen sanktioniren sollte. Im Allgemeinen fand ich bei den in Kamerun etablirten Engländern ein anerkennenswerthes Entgegen⸗ kommen. b 2 b
Am Sonnabend den 19. Juli Nachmittags lief das englische Kanonenboot „Flirt“ in den Kamerunfluß ein. Der an Bord befind⸗ liche Konsul Hewett ließ noch selbigen Abends die Häuptlinge Bell und Aqua bitten, an Bord zu kommen, welcher Aufforderung jedoch nur der Erstere Folge leistete. Herr Hewett machte ihm Vorwürfe, daß er über das Land verfügt hätte, ohne die Antwort der groß⸗ britannischen Regierung abgewartet zu haben, theilte ihm mit, daß er Geschenke der Königin für ihn an Bord habe, und fragte ihn, o er nicht doch noch vielleicht in der Lage sei, mit ihm einen Vertrag abzuschließen. King Bell verhielt sich ablehnend, berief sich darauf, daß er lange genug vergeblich die Antwort der englischen Regierung erwartet und schließlich die sichere Gelegenheit ergriffen hätte, seinem Lande die Segnungen einer starken Regierung unter einem mächtigen Souverän und der Civilisation einer hochentwickelten Nation zu verschaffen.
Am nächsten Vormittage machte der Konsul Hewett mit dem Kommandanten der „Flirt“ an Bord S. M. S. „Möwe“ mir, während ich an Land war, einen Besuch, den ich unverzüglich erwiderte. Bei dieser Gelegenheit protestirte Herr Hewett in freundlicher pageöns mündlich gegen die Unterstellung des benannten Gebietes unter die
Der Abg. Kayser bemerkte, obwohl der Abg. Günther mit einem Mal ein sosgroßer Freund der armen Leute geworden
Küste bis zum Mai dieses Jahres. Er ging fort mit der Weisung, unter gewissen Bedingungen die Abtretung Kameruns anzunehmen und
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Oberhoheit Sr. Majestät des Kaisers, da die Häuptlinge durch