1885 / 16 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 19 Jan 1885 18:00:01 GMT) scan diff

welchem Umsatz mindestens gleich große Zufuhren gegenüber stehen. Heute zeigt sich wieder regere Frage und beträgt der Umsatz bis Mit⸗ tag 300 Ballen. Der Preisstand weist keinerlei Veränderung auf. Gesucht sind feine Hallertauer zu 90 95 und gute grüne Mittel⸗ hallertauer und Württemberger zu 83 88 ℳ. Außerdem werden auch farbige Mittel⸗Elsässer zu 66 68 gekauft. Für Export sind leichte grüne Hopfen, 1 n 60 kosten dürfen, mäßig ge⸗ ragt. Die Stimmung ist ruhig. e 17. Januar. (W. T. B.) Der Aufsichtsrath der Deutschen Grundkreditbank hat beschlossen, die Frist für die Annahme von Konversions⸗Anmeldungen bis zum Ende dieses Monats zu verlängern und der Staatsregierung den Antrag wegen Erlasses des zur endgültigen Durchführung der Konvertirung nöthigen Gesetzes u unterbreiten. 1 8 8 Glasgow, 17. Januar. (W. T. B.) Die Vorräthe von Roheisen in den Stores belaufen sich auf 579 600 Tons, gegen 87 500 Tons im vorigen Jahre. Zahl der im Betrieb befindlichen Hochöfen 93, gegen 101 im vorigen Jahre. New⸗York, 18. Januar. (W. T. B.) Der Werth der Waareneinfuhr in der letzten Woche betrug 6 250 000 Dollars, avon entfallen 2 250 000 Dollars auf Manufakturwaaren. Die Reserve der hiesigen Clearingbouse⸗Banken beträgt gegen⸗ wärtig 51 Millionen, es ist dies mehr, als das Gesetz erfordert, und überhaupt die größte Reserve, die die Banken jemals besessen haben. Von einem Mitgliede der falliten Firma Oliver Brothers & Phillips wird angegeben, daß ihre Passiva 2 ½ Mtllionen nicht überstiegen; die Oliver’'schen Wechsel im Betrage von 250 000 Doll. efänden sich in den Händen Londoner Häuser, doch soll die Firma och anderweitige große Verbindlichkeiten im Auslande haben. Buenos⸗Ayres, 17. Januar. (W. T. B.) Infolge aber⸗ maligen Fallens des Wechselcourses auf Europa ist die Goldprämie auf 20. % gestiegen. ö“

Verkehrs⸗Anstalten.

In Oesterreich⸗Ungarn werden fortan die den Postauf⸗ trägen aus Deutschland beigeschlossenen stempelpflichtigen Wechsel, Quittungen u. s. w., auf welchen die österreichisch⸗ungarischen Stempel nicht bereits verrechnet sind, durch Vermittelung der Postanstalten versteuert werden. Dies wird in der Weise geschehen, daß die Postanstalten den Betrag der Stempelgebühren von dem auf Grund des Postauftrags eingezogenen Betrag einbehalten und nur den ge⸗ kürzten Betrag mittelst Postanweisung an den Auftraggeber einfenden.

Hamburg, 18. Januar. (W. T. B.) Der Postdampfer „Westphalia' der Hamburg⸗Amerikanischen Packetfahrt⸗ Aktiengesellschaft hat, von New⸗Jork kommend, heute Morgen 4 Uhr Lizard passirt.

19. Januar. (W. T. B.) Der Postdampfer „Al⸗ bingia“ der Hamburg⸗Amerikanischen Packetfahrt⸗ Aktiengesellschaft hat, von Westindien kommend, gestern Lizard passirt.

Sanitätswesen und Quarantänewesen.

Portugal.

Durch Erlaß des Königlich portugiesischen Ministeriums des Innern, vom 9. Januar 1885, sind die Häfen Englands, Hollands, Deutschlands und Belgiens als von der Cholera frei (limpos) erklärt worden. In Folge dessen ist die gegen die Provenienzen aus diesen Ländern seiner Zeit eingeführte dreitägige Observationsquaran⸗ täne aufgehoben.

Schiffe, von Alicante kommend, welche bisher nicht zugelassen wurden, sollen in Zukunft nach Abhaltung strenger Quarantäne wieder Eingang in die portugiesischen Häfen finden. (Vergl. „Reichs⸗ Anzeiger“ Nr. 13 vom 16. Januar 1885.)

Berlin, 19. Januar 1885.

Preußische Klassenlotterie. (Ohne Gewähr.)

Bei der heute fortgesetzten Ziehung der 4. Klasse 171. Königlich preußischer Klassenlotterie fielen:

1 Gewinn von 30 000 auf Nr. 88 056.

4 Gewinne von 6000 auf Nr. 56 464. 68 181. 76 534. 91 531.

39 Gewinne von 3000 auf Nr. 3112. 3538. 5179. 9869. 0. 18 870. 21 457. 22 223. 23 918. 25 106. 28 048. 29 064. 31 772. 38 333. 40 990. 42 031. 42 063. 46 139. 47 938. 51 649. 52 411. 52 834. 53 141. 55 623. 57 677. 65 222. 66 186. 66 370. 66 890. 67 196. 69 475. LVTVbbö666897ä777186. 79 266. 79 714. 80 677 86 617.

51 Gewinne von 1500 auf Nr. 117. 976. 1984. 2503. 2734. 2893. 5169. 8541. 9138. 9268. 13 649. 15 418. 17 438. 19 328. 21 640. 23 596. 23 920. 24 126. 24 907. 26 341. 27 802. 28 324. 28 579. 34 933. 35 303. 35 690. 36 482. 37 295. 40 534. 43 047. 44 592. 45 682. 47 098. 49 875. 54 371. 54 454. 55 306. 56 271. 57 992. 62 064. 63 076. 63 563. 67 226. 67 401. 72 334. 73 078. 78 595. 79 636. 81 528. 88 176. 94 552.

74 Gewinne von 550 auf Nr. 398. 607. 1194. 2025. 2277. 2538. 2878. 6135. 9175. 16 433. 16 872. 17 214. 23 441. 28 502. 29 290. 29 294. 30 371 30 931. 34 208. 39 415. 39 741. 39 843. 40 472. 40 500. 41 067. 44 628. 45 798. 46 058. 46 792. 47 344. 47 551. 49 855. 50 058. 50 140. 52 459. 53 630. 54 022. 55 571. 56 003. 56 606. 57 524. 57 557. 58 037. 60 370. 63 477. 64 143. 66 322. 67 359. 68 693. 70 568. 71 705. 73 006. 75 701. 76 067. 76 129. 76 819. 77 558. 79 082. 79 633. 79 944. 82 046. 82 178. 84 049. 85 444. 87 496. 88 408. 90 953. 91 707. 93 134. 93 252. 93 591. 93 764. 93 765. 94 401.

Unter den neueren Erwerbungen der Berliner Gemälde⸗ Galerie hat neben dem Dürerschen Porträt des Hieronymus Holz⸗ schuher und dem „Jüngsten Gericht“ des Fiesole ein bei seinem be⸗ scheidenen Umfange minder hervorragendes, dabei aber meisterlich vollendetes Bildchen, das in dem kleinen Kabinet an der Nordseite des östlichen Flügels aufgestellt ist, bisher kaum die verdiente Beach⸗ tung gefunden. Aus dem Besitz des kürzlich verstorbenen Kunst⸗ forschers Thausing stammend, bereichert es die Sammlung um eine der ausgezeichnetsten Arbeiten des 1578 in Frankfurt a. M. geborenen, 1620 in Rom gestorbenen Adam Elsheimer, des weitaus eigen⸗ artigsten und tüchtigsten deutschen Meisters des 17. Jahrhunderts, dessen bedeutsamer Einfluß auf die Entwickelung der idealen Land⸗ schaft, wie sie in Claude Lorrain zur Blüthe gelangt, sich auch hier unverkennbar ausspricht. Das Bild zeigt eine still ab⸗ geschiedene, von warmem Sonnenschein erfüllte, idyllisch anmuthende Waldlandschaft, die von einem ruhigen Wasser quer durchzogen wird. Als Staffage derselben dient das Figürchen des vorn zur Linken im rothen, um die Hüften geschlagenen Mantel auf einem Stein da⸗ sitzenden Johannes des Täufers mit dem neben ihm auf den Wiesen⸗ grund gelagerten Lamm. Die Bäume und blühenden Sträucher, die im Rücken dieser Gruppe aufragen, das dichte Grün der Bäume auf dem jenseitigen Ufer des Wassers und das hellere Buschwerk der dahinter ansteigenden Höhen sind mit der größten Feinheit sorglich durchgeführt, die Details aber wieder der ein⸗ fachen Harmonie der Linien und Tonmassen völlig unter⸗ geordnet. Bei tiefem und klarem Schmelz der Farbe und bei meisterlicher Geschlossenheit der Stimmung erzielt das Bild eine

ichte Größe der Wirk die bei dem klei

Format der fast

mit der Hand zu bedeckenden Tafel doppelt bewundernswerth ist. Wie die Landschaft Elsheimers die deutsche, so hat ein weibliches Brustbild des Palma Vecchio die italienische Abtheilung der Galerie um ein für den Meister charakteristisches Werk bereichert. Es zeigt eine ruhig dasitzende blondhaarige juͤgendliche Frauengestalt von jener vornehmen Ueppigkeit der Erscheinung, in der sich das venetianische Schönheitsideal der Renaissance verkörpert. Den Kopf leicht nach der rechten Schulter gewandt und nach linkshin aus dem Bilde herausschauend, hält die Dargestellte, der das faltige weiße Hemd von der Schulter herabgeglitten ist, mit beiden Händen das über den Schooß gebreitete, leuchtend rothe, mit schwarzer Seide gefütterte Gewand gefaßt, das die erhobene Rechte zur Brust empor⸗ zieht. Bei breiter und weicher Modellirung in voll auffallendem, die Schatten klar durchleuchtendem Licht wird die Wirkung des goldig warmen Tons noch durch den dunkleren Fond erhöht, von dem die Figur sich abhebt. Seiner Entstehungszeit nach dürfte das Bild zwischen dem einer früheren Periode angehörigen männlichen Portrait und dem weiblichen Brustbilde verwandter Art, welche das Museum 8 der Hand Palma's bereits von früher her besitzt, in der Mitte stehen.

Am Mittwoch, den 14. d. M, seierte in Schwerin der General der Infanterie, Ober⸗Kammerherr und Ober⸗Hofmeister Adolph Freiherr von Sell, Excellenz, das seltene Fest des 70jährigen Dienstjubiläums. Im 88. Lebensjahre stehend, hat der am 15. August 1797 in Ludwigslust als Sohn des weil. Obersten Baron von Sell geborene Jubilar vier mecklenburgischen Großherzogen mit Aus⸗ zeichnung gedient. Er begann seine Militärkarriere am 14. Januar 1815, an welchem Tage er als Volontär beim Kaiser Franz Garde⸗Grenadier⸗ Regiment Nr. 2 in Berlin eintrat. Zum Offizier befördert, machte der junge Lieutenant den Feldzug des Jahres 1815 mit und wohnte dem Einzuge in Paris bei. 15 Jahre später schied er aus dem Königlich preußischen Dienste in Folge seiner Ernennung zum Gou⸗ verneur des damaligen Erbgroßherzogs Friedrich Franz von Mecklen⸗ burg⸗Schwerin aus. Von 1830 —- 1842 leitete der, mit dem Hochseligen Grofherzog Paul Friedrich, dem Gemahl der Prinzessin Alexandrine von Preußen, erzogene Baron Sell die Erziehung und Studien des Erbgroßherzogs. Nach dessen Regierungs⸗ Antritt (7. März 1842) begleitete der inzwischen zum Major und Kammerherrn avancirte Jubilar den Großherzog als Reisemarschall auf größeren Reisen. Er durchlief auch die höheren Militärchargen schnell (Oberst 1844, General⸗Major 1850) und fungirte 13 Jahre als Ober⸗ Hofmeister bei der am 3. März 1862 verstorbenen Frau Großherzogin Auguste. Nach deren Tode ging er unter Ernennung zum General⸗ Lieutenant als außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Mi⸗ nister der beiden Großherzoglich mecklenburgischen Höfe nach Berlin, wo er am 14. Januar 1865 sein 50jähriges Jubiläum feierte, zu welchem der König von Preußen, unseres jetzigen Kaisers Majestät, ihm den Rothen Adler⸗Orden erster Klasse verlieh. Nach seiner Rückkehr aus Berlin ward Excellenz von Sell Ober⸗Hofmeister der Frau Groß⸗ herzogin Marie und als solcher im Jahre 1874 vom Großherzog Friedrich Franz II. zum General der Infanterie ernannt. Vor zwei Jahren erhielt er an Stelle des verstorbenen Grafen von Bülow auf Kühren die Würde eines Ober⸗Kammerherrn. Seit 1868 ist Freiherr von Sell auch Commendator des Johanniter⸗Ordens. An seinem Ehrentage (14. Januar) wurden dem greisen General mannig⸗ fache Auszeichnungen zu Theil. Die Großherzoglichen Herrschaften gratu⸗ lirten durch ein Telegramm aus Cannes, und der Großherzog ließ Sr. Excellenz durch den General⸗Adjutanten, General⸗Lieutenant Freiherrn von Brandenstein, das Miniaturporträt des hoch⸗ seligen Großherzogs zu dem Großkreuz des Großherzoglichen Haus Ordens der Wendischen Krone überreichen. Die Frau Groß⸗ hberzogin⸗Mutter und die Frau Großherzogin Marie geruhten, in Person dem treuen Diener ihres Hauses Gluück⸗ wünsche auszusprechen, und der Herzog Johann Albrecht, sowie die Großherzoglichen Herrschaften von Meecklenburg⸗ Strelitz gratulirten telegraphisch. Außerdem erschienen eine Reihe von Deputationen von der Schweriner Generalität und den mecklen⸗ burgischen Truppentheilen. Auch kam aus Berlin eine Deputation des Kaiser Franz Garde⸗Grenadier⸗Regiments Nr. 2, bestehend aus dem Sohne des Jubilars, welcher bei diesem Regiment als Major steht, dem Major von Gaudy, dem Hauptmann von Rosenberg und dem Premier⸗Lieutenant von Quast. Nachmittags concertirten während des Familiendiners die Schweriner Musikcorps vor der Wohnung des Generals, der sich geistig und körperlich noch großer Rüstigkeit und Frische erfreut.

Der Jerusalemsverein, welcher schon seit Jahren unter dem hohen Protektorat Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin steht, feierte gestern Abend im überfüllten Dom sein 43. Jahresfest. Dem vom Hofprediger D. Strauß erstatteten Bericht zufolge konnte ein allgemeines Wachsthum der Arbeit konstatirt werden. In Jerusalem selbst wirken die Diakonissenanstalt mit dem Krankenhause und der Erziehungsanstalt Talita Kumi, das Johanniterhospital, das Schnellersche Knaben⸗Waisenhaus, mit dem jetzt die erste Blindenanstalt im Heiligen Lande verbunden ist, das Aussätzigenhaus, das Marienstift für kranke Kinder und die deutsche Schule mit steigendem Erfolg. An die letztere ist, aus Mitteln des Collek⸗ tenfonds des Jerusalemsstifts, Dr. Lepsius, ein Sohn des bekannten Egyptologen, als Erster Lehrer und zugleich als Hülfsprediger der dortigen Gemeinde berufen worden. In Bethlehem, wo die Schule um eine Klasse vermehrt werden konnte, ist an Stelle des Missionars Müller Pfarrer Schneller getreten. In Hebron, der Patriarchen⸗ stadt, ist eine neue Station mit Klinik und Schule errichtet. In Betschaba wird in Betsaal und Schule günstig gewirkt, in Beirut entfalten Johanniterhospital und Diakonissenanstalten, in Alexandria das Diakonissenhaus eine ersprießliche Thätigkeit. In Kairo hat sich trotz der Schwierigkeiten die treffliche Schule er⸗ balten, und hat das neue Diakonissenhospital eröffnet werden können. Was die allgemeine Lage im Heiligen Lande anlangt, so konnte so⸗ wohl Hofpredizer D. Strauß wie auch Lie. Dr. Reinecke⸗Wittenberg, der 8 Jahre in Jerusalem gewirkt hat, konstatiren, daß die evan⸗ gelische Kirche im Heiligen Lande entschieden im Wachsen be⸗ griffen ist. Die Zahl der Juden hat sich namentlich durch Einwanderung deutscher Juden vermehrt; in Jerusalem leben jetzt 18 000, also mehr als die Hälfte sämmtlicher Einwohner. Ihrer Einwanderung ist es zuzuschreiben, daß die deutsche Sprache immer mehr die italienische und französische als Um⸗ gangssprache verdrängt. Die Kassenverhältnisse des Vereins sind leider nicht so günstige gewesen; es mußten zur Bestreitung der Aus⸗ gaben 5000 aus dem Bestande entnommen werden. Neu in den Vorstand sind Hofprediger Bayer, Geheimer Regierungs⸗Rath Tappen, Major Freiherr Senfft von Pilsach und Regierungs⸗ und Schulrath Trinius eingetreten. Der Letztgenannte hielt alsdann noch in An⸗ schluß an Jes. 40, 11 eine Ansprache an die Festgemeinde. Ein Schlußwort des Ober⸗Hofpredigers D. Kögel beendete die Feier.

Vor uns liegt das erste Heft des neunten Jahrganges 1885 von „Hirths Formenschatz“ (G. Hirths Verlag in München und Leipzig), das uns willkommenen Anlaß bietet, Künstler und Kunst⸗ handwerker auf dieses gediegene, klassische Vorlagenwerk aufmerksam zu machen. Hirths „Formenschatz“ ist eine Quelle der Belehrung und künstlerischer Anregung für alle Freunde stilgerechter Schönheit und bringt mustergültige Vorbilder aus den Werken der hervor⸗ ragendsten Meister aller Zeiten und Völker. Das erste Heft für 1885 enthält auf 16 Tafeln (h. 4⁰) eine Fülle der schönsten und in⸗ struktivsten Blätter für Kunst und Kunsthandwerk; Martin Zasinger, Peter Flötner, Antoine Watteau, J. A. Meissonnier und andere Meister der Renaissance und des Rococo sind vertreten. Jeder Jahrgang des „Formenschatz“ umfaßt 12 Hefte mit etwa 180 Tafeln hoch 40; der Preis des Hefts ist nur 1,25 Durch die umsichtige Auswahl, die treffliche Ausstattung und den mäßigen Preis verdient Hirths „Formenschatz“ allgemeine Verbreitung. Jeder Zweig der reichen kunstgewerblichen Thätigkeit ist durch mustergültige Vor⸗ lagen bedacht; neben Prachtstücken finden wir eine Menge der schönsten

ierlichsten kleineren Gegenstände, in denen überall die kunstvolle —. sich auf die einfachste und natürlichste Weise mit dem

praktischen Zweck verbindet.

ie beiden Novitäten, welche das Königliche Schauspiel⸗ h am Sonnabend zur ersten Aufführumg brachte, fanden bei dem zahlreich versammelten Publikum eine ungleiche Aufnahme. Den Anfang machte Otto Franz Gensichens „Lydia“, eine anmuthige Plauderei in 1 Akt, welche allseitig die herzlichsten Sympathien er⸗ weckte. Der Verfasser hat den Stoff zu derselben einer Ode des Horaz entnommen und hat daraus eine unterhaltende dramatische Kleinigkeit geformt, welche in zierlichen Versen eine Eifersuchts⸗ und Liebesszene zwischen dem klassischen römischen Dichter und seiner in seinen Liedern verherrlichten Lydia behandelt. Das reizvolle kleine Werk zeigt wieder die Vorzüge des Verfassers in glänzenden Farben. Der Wohllaut der Sprache, die Glätte der Verse, der geistreiche Dialog, das anmuthig dargestellte Wechselspiel der Gefühle erhalten die Zuschauer dauernd in angenehmer Erregung und unter dem Banne einer wohl⸗ thuenden Harmonie, welche die kleine Plauderei durchfluthet. Daß das Hauptgewicht auf den feinsinnigen Dialog und weniger auf eine hervortretende Handlung gelegt ist, gereicht der Dichtung nicht sehr zum Schaden. Die Darstellung war, dem Werke entsprechend, auf das Beste durchgeführt. Frl. Meyer (Lydia) bewegte sich in dem klassischen Kostüm mit vollendeter Grazie und brachte die aufbrausende Leidenschaft, die schalkhafte Schelmerei treffend zum Ausdruck. Die Rolle des „Horaz“ fand in Hrn. Ludwig einen gewandten Vertreter, sowohl im Spiel wie durch den Vollklang der Sprache. Weniger wollte Hrn. Franz die Verkörperung des einfachen, harmlosen „Calais“ glücken; er vergriff sich manchmal in dem erregten Tone des entflammten Jünglings und konnte die Rede nicht immer mit dem inneren Empfinden in Einklang bringen. Die glücklich entworfene episodische Figur des „Sklaven“ wurde durch Hrn. Krause musterhaft wiedergegeben. Reicher Beifall folgte am Schluß der abgerundeten und gefälligen Darstellung. Weniger günstig verlief die erste Aufführung der „Vier Temperamente“, Lustspiel in 3 Akten von Lothar Clement. Das Stück ist bereits im Druck bei Breitkopf und Härtel in Leipzig erschienen und weist dort 5 Akte auf. Die Kürzung hat dem Werke keinen Eintrag gethan, denn man vermißt nichts Bedeutendes bei der Auf⸗ führung; nur der Eindruck ist ein ganz verschiedener beim Lesen und beim Sehen und Hören. Bei dem Leser war die Wirkung eine ungleich günstigere und gleichmäßigere. Das vorgestrige Theater⸗ Publikum brachte dem ersten und auch noch theilweise dem zweiten Akte Anerkennung und Sympathien entgegen. Im dritten Akte jedoch, welcher die Wandlungen der Seelen und Herzen in die Erscheinung treten lassen soll, wird es klar, wie oberflächlich die Fabel des Stückes gerade nach der psycholo⸗ gischen Seite hin erdacht und erfaßt ist, wie unvermittelt und unmotivirt sich jene Wandlungen vollziehen. Der Absicht des Ver⸗ fassers entgegen, welcher es auf eine ernste Auffassung absieht, wirken diese Szenen eher komisch; und an dieser unfreiwilligen Komik scheiterte der Erfolg mehr noch als an dem fühlbaren Mangel an Handlung. Uebrigens zeigt das Stück einen geschickt geführten, zu⸗ weilen geistreichen Dialog, der manche witzige Bemerkungen enthält. Die Darstellung auch dieses Lustspiels war eine vorzügliche im Ganzen und im Einzelnen. An erster Stelle machte sich Frl. Bar⸗ kany (Ottilie) durch ihr frisches, lebendiges Spiel bemerkbar; sie traf den Ton des Uebermuths und lebhaften Scherzes mit großer Geschicklichkeit und verhalf dadurch der Rolle zu hervorragender Be⸗ deutung. Die phlegmatische „Bertha“ wurde von Frl. Abich einfach und natürlich dargestellt; ihre in trockenem Tone in die Gespräche Anderer eingesprengten Bemerkungen erregten häufig laute Heiter⸗ keit. Der cholerische Lieutenant „Leo“ des Hrn. Müller würde noch kräftiger gewirkt haben, wenn unter dem hastigen, über⸗ stürzenden Sprechen nicht manchmal die Deutlichkeit der Aussprache gelitten hätte. Hr. Oberländer charakterisirte den lustigen lebens⸗ klugen Onkel „Holleben“ mit großer Gewandtheit. Die anderen Mit⸗ wirkenden (Hr. Nesper, Hellmuth⸗Bräm und Frau Frieb⸗Blumauer) fanden in ihren kleinen Rollen wenig Gelegenheit zur Bethätigung ihres Könnens. Die Darsteller wurden zum Schluß jeden Aktes ge⸗ rufen.

Victoria⸗Theater. Das phantastische Ausstattungsstück „Sulfurina“ kam gestern bei vollem Hause bereits zum 25. Male zur Aufführung und erfreut sich noch allabendlich des regsten Besuches und Beifalls. Frl. Meyerhoff, die graziöse Darstellerin der Titel⸗ rolle, tritt jedoch nur noch in dieser Woche auf, da anderweitig ein⸗ gegangene Verpflichtungen die Künstlerin von hier abrufen.

Im Residenz⸗Theater kamen gestern Abend zwei Novitäten mit gutem Erfolge zur Aufführung. Das die Vorstellung eröffnende einaktige Lustspiel „Die Schulreiterin“ von Emil Pohl belustigte durch die Komik der Situationen, den flotten Gang der Handlung und durch einen witzigen, durchschnittlich in vornehmem Stil gehal⸗ tenen Dialog. Der Stoff, welcher der kleinen dramatischen Arbeit zu Grunde liegt, ist außerdem glücklich erfunden. „Die Darstellung fand lebhafte Anerkennung. Frl. Wismar führte ihre Rolle sehr ge⸗ schickt durch und stellte besonders den Uebergang von wohlberechtigtem Aerger zu heiterem Frohsinn vortrefflich dar. In Hrn. Worlitsch fand sie einen angemessenen Mitwirkenden, welcher natürlich und ein⸗ fach die Rolle des etwas derben aber herzensguten Krautjunkers spielte. Stürmischer, anhaltender Beifall folgte der Vorstellung dieses anregenden kleinen Lustspiels. Nicht ganz so glücklich gestaltete sich die Aufnahme der zweiten Novität „Die Ehestandsinvaliden“, Schwank in 3 Akten von Domino und Lafargue. Die Fabel des Stückes ist in kurzen Worten folgende: Hr. Baginet verheirathet sich nach zwanzig in tollem Saus und Braus verlebten Jahren endlich, um sich in der Ehe auszuruhen, mit einem jungen Mädchen aus der Provinz, deren Mutter, welche in ihrer Ehe auch wenig vom Leben genossen hat, mit ihrer Tochter erst das Leben kennen lernen möchte. So wartet statt der Ruhe stete Unruhe und Aufregung des Ehe⸗ mannes, bis derselbe durch einen lustigen Streich in Paris seine Be⸗ quemlichkeit, das Endziel seiner Wünsche, erkämpft hat. Die komische Figur dieses Ehemannes wird noch kräftiger hervorgehoben durch mehrere andere Gatten desselben Schlages, welche in ihrer Gesammt⸗ heit Veranlassung zu vielen überaus komisch wirkenden Szenen geben. Der Schwank baut sich auf der lustigen Grundidee sehr ge⸗ schickk auf und bietet viele erheiternde Situationen und witzige treffende Bemerkungen, so daß die Theilnahme des Publikums nie ganz ermatten konnte. Doch nahmen manchmal die Gespräche einen zu großen Raum in Anspruch und wirkten dann hemmend auf die Handlung und drückten auf die Stimmung der Zuschauer. Gün⸗ stiger würde sich der Eindruck des amüsanten Stückes gestalten, wenn die Längen des Dialogs zu Gunsten der Aktion etwas beschnitten würden. Unter den Darstellern zeichnete sich vor Allem Hr. von Hoxar (Baginet) durch die hübsche Charakterisirung des hervorragendsten Ehestands⸗ invaliden aus. Hr. Wallner (Bougerolles) spielte das Gegenstück zu dem erstgenannten, einen jungen, das Leben in vollen Zügen ge⸗ nießenden Ehemann, mit vieler Bonhomie und Laune. Die Schwiegermutter fand in Fr. Wank eine treffliche, zungengewandte Vertreterin. In kleineren Rollen thaten sich Frl. Hagen (Amalie) und Frl. Jolanda (Irma) und die Herren Reicher (Pomard), Mügge (Courtin), Bornemann (Montandin) und Valéro (Francastel) durch treffliches Spiel hervor. Die Darsteller wurden jedem Akt

Redacteur: Riedel.

Berlin:

.“ Verlag der Expedition (Scholz). Druck: W. Elsner

Fünf Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage).

weunreiger und Königlich Prrußüche

Erste Beilage

Berlin, Montag, den 19. Januar

Staats⸗Anzeiger. 1885.

Aiichtamtliches.

Preußen. Berlin, 19. Januar. Im weiteren Ver⸗ lauf der vorgestrigen (27.) Sitzung des Re;chstages wurde die zweite Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, be⸗ treffend die Feststellung des Reichshaushalts⸗Etats das Etatsjahr 1885/86 (Verwaltung des Reichsheeres), auf Grund mündlichen Berichts der Budgetkommission fort gesetzt.

Zur Debatte standen einmalige Ausgaben Titel 7 für ein neues Magazin-⸗Etablissement in Allenstein als erste Rate⸗ 220 000

Der Abg. Freiherr von Huene bat, diese Forderung zu streichen.

Der Abg. Dr. Möller erklärte, das Städtchen Allenstein sei in einem sehr erheblichen Aufschwung begriffen. Es wür den dort Eisenbahnen, Chausseen, Kasernen auf einmal ge⸗ baut und gegenwärtig errichte man dort eine große Provinzial⸗ Irrenanstalt. Die Ziegeleien der Umgegend seien schon jetzt dem Bedarf an Baumaterial nicht gewachsen. Das Letztere müsse von weit her per Bahn herangeholt werden und sei in Folge dessen erheblich theuerer als zu anderen Zeiten. Er meine daher, daß die Militärverwaltung mit ihren Magazinen recht wohl noch einige Jahre warten könne, bis die Materialien⸗ preise in Allenstein wieder eine mittlere Höhe erreicht haben würden. Der Bau würde dann veit billiger werden als gegenwärtig. Er bitte, den Antrag von Huene anzunehmen.

Der Bundeskommissar, Wirkl. Geheime Kriegsrath Gadow erwiderte, das Magazin solle gerade im fiskalischen Interesse gebaut werden. Es würden durch dasselbe nach einer ange stellten Berechnung der Militärverwaltung in jedem Jahre mindestens 45 000 erspart werden, und außerdem würde man zahlreiche Nachtheile, die aus unpünktlicher Lieferung der Naturalien u. s. w. für die Verpflegung der Truppen entstehen könnten, vermeiden können. Der Bau sei lediglich eine Konsequenz der Truppendislokation im Osten, derselbe sei kein Luxusbau, sondern ein dringendes Bedü fuiß.

Der Abg. von Wedell⸗Malchow bemerkte, er werde nach diesen Erklärungen für die Position stimmen.

Der Abg. Dr. Möller erklärte, die Truppendislokationen seien noch gar nicht ganz durchgeführt, Allenstein habe noch

nicht seine volle Garnison. Um so eher könne sich das Militär

daselbst noch einige Jahre auch ohne ein Magazin bequem mit Brot versehen.

Der Staatsminister Bronsart von Schellendorff entgegnete, die Militärverwaltung habe bisher den entgegengesetzten Grund⸗ satz befolgt. Dieselbe pflege zuerst die Garnisoneinrichtungen zu schaffen und dann die Garnison hinzubringen. Nach dem Prinzip des Abg. Möller würden weder jemals die Garnison⸗ einrichtungen fertig werden, noch Garnisonen hinkommen können.

Nach einigen weiteren Erörterungen wurde die Position in einer Auszählung mit 129 gegen 103 Stimmen abgelehnt.

Ebenso wurde auf Antrag des Abg. Frhrn. von Huene Tit. 8 abgelehnt, in welchem für ein Magazin in Riesenburg als erste Rate 163 000 gefordert wurden, nachdem der Abg. Dirichlet betont hatte, daß für Ablehnung dieses Titels dieselben Grüünde in erhöhtem Maße sprächen, welche zur Ab⸗ lehnung des vorigen geführt hätten.

Der Abg. Frhr. von Huene empfahl hierauf die Annahme folgender Resolution:

„den Bundesrath zu ersuchen, eine Revision der in den Motiven zum Kasernirungsplan angeführten Kostenüberschläge auf Grunk der notorisch billiger gewordenen Preise vornehmen zu lassen und das Resultat der Ermittelungen dem Reichstage bis zur nächsten Session vorzulegen.“

Der Antragsteller führte aus, die Resolution solle haupt⸗ sächlich eine Handhabe bieten, dem Luxus, der mit den Kasernenbauten vielfach getrieben worden sei, zu steuern. Er erinnere sich selbst, eine Kaserne gesehen zu haben, die mit dem theuersten Sandstein ornamentirt gewesen sei⸗ Später habe man diesen Sandstein dann roth üb rstrichen; und er (Redner) würde diese Röthe für Schamröthe gehalten haben, wenn man sich damals des Luxus der Kasernenbauten überhaupt schon geschämt hätte.

Der Abg. von Wedell⸗Malchow erklärte sich mit der Re⸗ solution einverstanden.

Der Staats⸗Minister Bronsart von Schellendorff er⸗ widerte, es sei möglich, daß sich früher zu Zeiten die Militär⸗ bauverwaltung von der vollsten Sparsamkeit nicht ganz frei⸗ gehalten habe. Aber schon seit mehreren Jahren haben Bestimmungen bestanden, welche die äußerste Sparsamkeit zur Pflicht gemacht hätten; und er sei Willens, diesen In⸗ tentionen seines Vorgängers in vollstem Maße zu folgen.

Der Abg. von Schalscha erklärte, obwohl die Approxima⸗ tivsätze, welche 1874 für Militäarbauten festgesetzt worden seien, bereits außerordentlich hoch gewesen seien, seien dieselben doch nur in den seltensten Ausnahmen innegehalten und meist er⸗ heblich überschritten worden. Dabei habe der Fiskus nicht nur theuer, sondern theuer und schlecht gebaut. Einem neu⸗

gebauten Kavalleriestall habe schon nach einigen Jahren der

Einsturz gedroht; die Pferde hätten nur mit Mühe bei Nacht gerettet werden können. Bei einer neuen Kavalleriekaserne hätten nach kurzer Zeit alle Thürfutter so eingeschossen, daß man bequem zwischen der Wand und den Thüren mit der Hand habe hindurchgreifen können. Bei einem Kasernen⸗ bau in Neisse seien allein für eine ganz unnütze Sandsteinornamentirung 67 000 verausgabt worden. Eine hiesige Garde⸗Infanterie⸗Kaserne im Südosten der Stadt sei mit wahrhaft unnatürlichem Luxus ausgestattet; es befinde sich auf derselben z. B. eine enorme Masse von Sandstein⸗ adlern, obwohl doch bekanntlich der Adler die Geselligkeit nicht liebe und jährlich nur ein Junges ausbrüte. Obwohl seit 1874 die Kosten an Material und Arbeitslohn sich vielfach um 50 Proz. verringert hätten, seien dennoch keine Ersparnisse bei den Bauten vorgekommen. Er bitte die Militärverwaltung dringend, mehr als bisher dem intensiven Drängen der Archi⸗ tekten zu widerstehen, welche überall ganz unangebrachter Weise Monumentalbauten aufführen wollten .““

Hierauf ergriff der Staats⸗Minister Bronsart von Schellendorff das Wort:

Der Herr Abgeordnete, der soeben gesprochen, hat der Militär⸗ verwaltung sehr verschiedenartige Vorwürfe gemacht.

Er hat im Allgemeinen die Bauten als mangelhaft bezeichnet und auch an Beisptelen nachweisen wollen, daß es auch thatsächlich so w Die einzelnen Fälle sind mir nicht bekannt; aber selbst wenn si Lurchaus richtig waren, so würde ich immer meinen, man könnte zus solchen eimnzelnen Fällen bei einer so umfangreichen Verwaltung, wie es vie Mititärverwaltung ist, doch nicht den Schluß ziehen, daß sie wirklich im ganzen in dieser Beziehung schlecht wäre.

Ailso der Fall vamentlich von dem Pferdestall, dem gewisser⸗ moßen der Umsturz gedroht hat, und aus dem man über Nacht die Pferde hätie berauszteben mäuͤssen, ist mit effektiv nicht bekannt; aber wenn er guch vorgekommen märe: gewohnheitsmäßig ist derartiges bei unserer Verwaltung jedeofalls nicht.

Nun den Luxns! Ich habe ja schon erklärt, daß ich dem Luxus entgegentreten will. Aber ich möchte doch auch hier die Frage er⸗ börtern, ob es denn angemessen ist, bei derartigen großen, ins Auge tallenden Gebäuden jede Rucksicht auf einen gewissen, wie ich gerne ane fenne, auch nur zeringen Schmuck ganz außer Acht setzen zu lassen. Ich glaube, daß das nicht erwünscht ist; und wenn das mit einem gonz geringen Mehraufwand von Kosten geschieht, so meine ich, doß es wohl gestattet erscheint. Wenn natürlich große Ausgaben für Sanelteimocaden gemoacht worden sind, so billige ich das absolut nicht.

Der Herr Abmordnete ist dann hier auch auf den Fall, betreffend die Kaserne des 3 Garde⸗Regiments, gefom men, wo Adler auf den DPachern angebracht sind. Er hat dann namentlich diese Frage unter dem Gesichtspunkte der geselligen Eigenschaften dieses Vogels betrach⸗ ten Für uns kommt, wenn wir Kasernen mit dem Adler schmücken, ein anderer Gesichtspunkt in Frage: das ist die Bedeutung des preußischen Ablers. In dieser Beziehung, glaube ich, können wir vavon absehen, ob gerade naturgeschichtlich alles richtig gegriffen ist

Nun die allgemeinen Mängel in der Bauverwaltung, die der Herr Abgeordnete auch gestreift hat! Er hat da nicht bloß die Mititärverwalteng speziell genannt. Da möchte ich doch sagen, meine Herren: wir wirthschaften mit Baumeistern, die aus den allgemeinen Bildungsanstalren des Landes für Baumeister hervorgegangen sind, und wir sind gar nicht in der Lage, diese Herren so absolut auf andere Wege zu weisen als auf diejenigen, die sie in den Unterrichtsanstalten des Land’s, aguf die sie angewiesen sind, beschritten haben. Den Luxus will ich je gewiß vollständig beschränken, aber, im Ganzen genommen, wird die Militärverwaltung in Bezug auf Zweckmäßigkeit, Zuverlässigkeit, Solidttät betrachtet werden müssen unter den Gesichtspunkten der allgemeinen Bauverwaltung, weil wir keine Institute haben, auf denen wir besondere Militär⸗Baumeister ausbilden könnten.

Wir haben früher theilweise die Garnisonbauten in die Hände des Ingenieurcorps gelegt; wir sind aber davon zurückgekommen, weil diese Bauten keine Aufgabe des Ingenieurcorps sein können.

Wenn hier wirklich Mängel bestehen, die mir in dem Maße, wie sie hier vorgetragen sind, übrigens nicht bekannt geworden sind, so glaube ich, wür de es darauf ankommen, unseren Unterrichtsinstitu⸗ ten bei Ausbildung von Architekten eine andere Richtung zu geben. Das liegt aber nicht auf dem Gebiete der Militärverwaltung.

Der Abg. Richter (Hagen) erklärte, der Minister habe heute selbst anerkannt, daß mehrfach theurer gebaut worden sei, als es gerechtfertigt gewesen sei. Er seinerseits sei von vornherein bemüht gewesen, als die ersten Forderungen an das Haus gekommen seien, auf sparsameres Bauen und Reduktion der Anschläge hinzuwirken. Damals sei man aber leider etwas von der Detailberathung militärischer Vorlagen entwöhnt gewesen. Erst allmählich sei es namentlich seinen Bemühungen gelungen, das nothwendige Interesse für solche Kritiken wieder zu erwecken. Wenn jetzt bei den bedeutend heruntergegangenen Löhnen und Materialienpreisen eine Revision des Bawonschlagswesens vorgenommen werde, so werde es vielleicht gut sein, auch sonst nach mancher Richtung hin die Normativbestimmungen für Kasernenbauter zu ändern und statt des Luxus bei Offizierkasinos ꝛc. lieber im Interesse der Gesundheit der Soldaten für bessere Wasserversorgung und Ventilation in den Kasernen zu sorgen. Er wisse nicht, ob sich die Militärverwaltung die neuesten Fortschritte der Technik auf diesem Gebiet zu eigen gemacht habe. Man könne übrigens jede abstoßende Uniformität bei den Bauten recht wohl vermeiden, ohne doch Luxus treiben zu wollen.

Der Bundeskommiisssar, Oberst⸗Lieutenant Schulz erwiderte, daß in neuerer Zeit weit mehr als früher auf gute sanitäre Einrichtung der Kasernen gehalten werde. Während früher jede Kaserne nur einige wenige Badewannen besessen habe, werde gegenwärtig keine mehr ohne ausreichende Douchebade⸗ anstalt errichtet, in der ein ganzes Bataillon in kürzester Zeit abgebadet werden könne. Auch für gutes Trinkwasser, Kana⸗ lisation, Ventilation werde stets bestens gesorgt. Die daraus erwachsenen Mehrkosten würden durch den besseren Gesundheits⸗ zustand der Truppen reichlich aufgewogen, der bereits eine erhedliche Verminderung der Ausgaben beim Lazarethwesen bewirkt habe.

Der Abg. von Helldorff bemerkte, die hohen Kosten der modernen Bauten erklarten sich zum großen Theil daraus, daß die modernen Techniker es verlernt hätten, den Gebäuden in den Baulinien selbst einen gewissen Schmuck zu verleihen. Die Letzteren suchten denselben in Aeußerlichkeiten und dergleichen anzubringen. Wie weit man in dieser Bezie⸗ hung hinter der Baukunst selbst des vorigen Jahchunderts zurückstehe, davon könne sich jeder leicht überzeugen, der geneigt sei, derartigen Dingen seine Aufmerksamkeit zu schenken. Er glaube übrigens, daß es vergeblich sein werde, auf dem Wege des Budgetrechts Ersparnisse in dieser Richtung zu machen. Man werde dann erst wieder anfangen, billiger zu bauen, wenn die Verwaltungsbeamten sorgsamer vorgebildet würden und davon abgelassen hätten, ihr Urtheil über Bau⸗ ausführungen ohne weiteres von denen der Techniker ab⸗ hängig zu machen.

Der Abg. von Schalscha entgegnete, es sei richtig, daß die Verwaltungsbeamten froh seien, wenn dieselben durch die Techniker der Verantwortlichkeit über ein Bauprojekt enthoben würden. Von dem Kriegs⸗Minister habe er erwartet, daß derselbe dem Hause erklären würde, Fälle, wie er sie vortrage, mißbilligen zu wollen, wenn dieselben sich bewahrheitet hätten. Er könne übrigens in dieser Beziehung versichern, daß er seine Angaben nur auf Grund ganz zuverlässiger Thatsachen, die ihm zur Verfügung gestellt seien, gemacht habe.

Der Staats⸗Minister Bronsart von Schhellendorff erwiderte, der Vorredner habe ihn aufgefordert, daß er seine

Mißbilligung aussprechen solle über Fälle, welche der Vor⸗ redner vorgetragen habe. Das sei ganz selbstverständlich.

Der Abg. Kayser bemerkte, man rede hier so viel über den Luxus und den Schmuck, der an öffentlichen Gebäuden angebracht werde. Er glaube, man solle sich nicht so prin⸗ zipiell gegen die schöne Gestaltung öffentlicher Bauten erklären. Es sei ja nicht nothwendig, daß die Bankiers allein in Prachtbauten wohnten. Uebrigens solle, wenn das Reich baue, darauf gesehen werden, daß den Arbeitern ihr Recht werde, in dieser Beziehung werde viel gesündigt. Zwar sei ja die Regel, daß das Reich seine Bauten an Unternehmer über⸗ trage, während es nach seinem Standpunkte am besten wäre, wenn das Reich selbst baue. Aber darauf könne auch jetzt schon gesehen werden, daß nicht, wie es bei Militärbauten öfter der Fall sei, von den Unternehmern die Löhne dadurch gedrückt würden, daß ausländische Arbeiter vor einheimischen bevorzugt würden. Gerade sei das in der letzten Zeit wiederholt eingetreten. Er fordere, daß bei staatlichen Bauten zunächst die beschäftigungslosen Arbeiter herangezogen würden, denn sie hätten ein Recht darauf, weil sie Steuern zahlen und die schwere Last des Militärdienstes ertragen müßten.

Die Diskussion wurde hierauf geschlossen. Ueber de Antrag von Huene wird erst in dritter Lesung abgestimmt werden. 8

Tit. 12 enthält die Forderung von 300 000 für der Neubau eines Kasernements nebst Zubehör für die zweite Ab⸗ theilung des 2. Garde⸗Feld⸗Artillerie⸗Regiments in Berlin.

Der Staats⸗Minister Bronsart von Schellendorff bat, di Pofition, welche die Kommission abzulehnen vorgeschlage habe, mit Rücksicht auf die Vortheile hin zu genehmigen, welche die Vereinigung der gesammten Garde⸗Feld⸗Artillerie⸗ brigade biete.

Die Position wurde abgelehnt.

In Tit. 27 werden als erste Rate die Ausstattung einer evangelischen Garnis 10 000 verlangt.

Die Kommission beantragte die Streichung der Forderung.

Der Bundeskommissar, Oberst⸗Lieutenant Schulz wies au die Ausführungen hin, mit denen schon im Vorjahr der Neu⸗ bau begründet worden sei. Der bauliche Zustand der alten Kirche sei inzwischen noch schlechter geworden. Für gewisse kirchliche Handlungen sei nicht einmal der erforderliche Raum vorhanden.

Der Abg. Hermes erklärte, gegen diese Position wie gegen eine andere ähnlicher Art stimmen zu wollen, und zwar nicht nur aus finanziellen Gründen, sondern auch deshalb, wei man den Soldaten freilassen solle, die Civilkirchen zu be⸗ suchen.

Tit. 27 wurde gestrichen.

Titel 31 enthält die Forderung von 60 000 als zweite Rate für den Neubau und Ausstattung einer evangelischen Garnisonkirche zu Neisse.

Die Kommission beantragte, die Forderung zu bewilligen.

Der Abg. Horn konstatirte, daß die Verhältnisse in Neisse so lägen, daß der Bau einer Garnisonkirche erforderlich sei. Auch er könne deshalb die Bewilligung der geforderten Summe nur empfeylen.

Der Abg. Hermes erklärte, seine Partei werde auch diese Forderung ablehnen. Ein Bedürfniß für dieselbe sei nur vorhanden, weil die Soldaten zum Goltesdienst kommandirt würden. Gestatte man denselben, die Civilkirchen zu besuchen, so werde eine Veranlassung zu einem Neubau nicht vorliegen.

Der Abg. Horn entgegnete, die militärische Behörde habe die Pflicht, die Soldaten zum Kirchenbesuch anzuhalten. Das sei alte militärische Sitte, und er ersuche den Kriegs⸗Minister, hierin keine Aenderung eintreten zu lassen.

Der Staats⸗Minister Bronsart von Schellendorff bemerkte, die mililitärischen Behörden hätten es stets für ihre Pflicht erachtet, den Soldaten auch in religiöser Hinsicht zu erziehen. Daran werde auch weiter festgehalten werden.

Der Abg. Richter (Hagen) erklärte: Auch seine Partei wünsche, daß den Soldaten Gelegenheit gegeben werde, den Gottesdienst zu besuchen, aber nicht in besonderen Garnisonkirchen. Die Sonderung nach Berufsklassen solle nicht über das unmittelbar Militärische hinausgehen. Der Soldat habe denselben Gott wie der Civilist. Darum trete er prinzipiell jeder Forderung dieser Art entgegen. Dies sei die erste Garnisonkirche, für welche Gelder vom Reichstag erbeten würden. Er bestreite, daß es eine Pflicht der Militärbehörden sei, die Soldaten zum Gottesdienst anzuhalten; man müsse doch unterscheiden zwischen mündigen und unmündigen Personen. Die Militär⸗ behörde habe kein Recht, in Bezug auf den Kultus den Sol⸗ daten Befehle zu ertheilen; das widerspreche der sonst in kirch⸗ lichen Dingen herrschenden Freiheit. Gerade das Centrum möchte sich hüten, solche Positionen gut zu heißen; er erinnere nur an den Fall, wo katholische Soldaten gezwungen worden seien, dem Gottesdienst eines altkatholischen Geistlichen beizuwohnen.

Demnächst nahm der Staats⸗Minister Bronsart von Schellendorff das Wort:

Der Herr Abgeordnete hat zunächst bemängelt, daß ein getrennter Gottesdienst zwischen Soldaten und der Bürgerschaft eintrete. Meine Herren, wir können nicht überall einseitigen Militärgottesdienst ein⸗ führen, sonst würden wir es thun weil wir nicht überall Militärgeistliche haben; wir halten es aber entschieden für einen Vorzug, wenn der Militärgottesdienst ganz bestimmt auch darauf berechnet ist, dem Soldaten auch seine militärischen Pflichten, die er übernommen hat, einzuschärfen gelegentlich des Gottesdienstes. Meine Herren, wir vereidigen keinen Soldaten, ohne daß er von dem Geistlichen seiner Religion auf die Bedeutung dieses Eides hinge⸗ wiesen wird, und ebenso findet sich sehr häufig eine Veranlassung für den Militärgeistlichen, in Ausübung seines Amtes als Geistlicher dem Soldaten die Erfüllung seiner militärischen Pflichten nahe u legen.

Wenn nun der Herr Abgeordnete weiter gesagt hat wenn ich richtig verstanden habe —: wir haben keine Veranlassung, oder, wir wollen der Militärverwaltung das Recht nicht gewähren, die Mann⸗ schaften zum Gottesdienst zu kommandiren, so, meine Herren, han⸗ delt es sich hier garnicht um die Gewährung eines neuen Rechtes. Dieses Recht besitzen wir bereits; wir besitzen dieses Recht auf Grund der Stellung, welche Se. Majzstät der König der Armee gegenüber einnimmt und auf diesem Gebfete, soweit evangelische Soldaten in Frage kommen,

. Neubau und

r onkirche in Spandau