1885 / 33 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 07 Feb 1885 18:00:01 GMT) scan diff

welche die Reichsregierung gegenüber den Privatausstellungen im All⸗ gemeinen einnehmen müssen zu sollen glaubte. 8

Nun bemerke ich rücksichtlich der Antwerpener Ausstellung noch, daß wir überhaupt gar keine offizielle Einladung empfangen haben. Deshalb hatte auch die Regierung gar keine Veranlassung und der Vorwurf ist ihr zwar nicht heute aber früher schon gemacht worden, daß sie zu spät erst mit der Frage der Reichsbetheiligung sich be⸗ schäftigt habe die Regierung hatte deshalb gar keine Veranlassung, sich mit der Frage der Bewilligung einer Subvention und der Er⸗ nennung eines Reichskommissars zu befassen, da uns eben eine offizielle Einladung nicht zugegangen war. Es liegt dies voraussichtlich daran, daß die belgische Regierung den Standpunkt, den wir zur Ausstellungs⸗ frage einnehmen, bereits kennt und also wußte, daß eine Einladung von uns schwerlich angenommen werden würde.

Meine Herren, ich bitte Sie, den Antrag Ihrer Kommission anzunehmen. Es ist für uns aus veller Ueberzeugung unmöglich, den Standpunkt aufzugeben, den wir eben als den richtigen erkannt haben. Wollten Sie das Säckel des Reiches für alle solche Unternehmungen und darauf mache ich Sie aufmerksam, irgend welche Interessenten finden sich immer, die Ihnen mit Petitionen kommen, und die Ihr Interesse in Anspruch nehmen ich sage, wollen Sie das Säckel des Reiches für alle solche Unternehmungen öffnen, dann glaube ich kaum, daß die verbündeten Regierungen den dringenderen und allge⸗ meineren Aufgaben des Reiches gegenüber ihre Zustimmung dazu er⸗ theilen würden. 8

Was nun den Wunsch, dem der Herr Referent am Schluß seines Vortrages Ausdruck gegeben hat und den auch der Herr Vorredner, der Hr. Abg. Sedlmayr berührt hat, anlangt, daß nämlich, soweit das unter den gegenwärtigen Verhältnissen möglich ist, den Ausstellern in Antwerpen der Schutz, der konsnlarische und gesandtschaftliche, und die konsularische und gesandtschaftliche Förderung ihrer Interessen zu Theil werden soll, so kann ich rücksichtlich dieses Wunsches bemerken, daß dem im vollen Maße Genüge geschehen wird. Es wird den deutschen Ausstellern in Antwerpen, ebenso wie allen anderen im Auslande lebenden Deutschen der konsularische und gesandtschaftliche Schutz in vollem Maße zu Theil werden; weiter aber können wir nicht gehen, weiter können wir namentlich der Hypertrophie der Aus⸗ stellungen gegenüber uns nicht engagiren.

Der Abg. Broemel erklärte, für die zuletzt von dem Staats⸗Minister kundgegebene Bereitwilligkeit der Reichs⸗ regierung, soweit es angehe, mit den vorhandenen Kräften und Mitteln in Antwerpen die Zwecke der deutschen Aussteller zu fördern, könnten auch diejenigen sich nur dankbar einver⸗ standen erklären, welche in der Kommission den völlig ab⸗ lehnenden Standpunkt der Reichsregierung bekämpft haben. Auch für die Freunde der Wünsche der Petenten sei es ja klar, daß im jetzigen Stadium eine energischere offizielle Be⸗ theiligung nicht mehr recht thunlich sei, und so habe sich auch die Minderheit der Kommission dem Kommissionsantrag selbst angeschlossen, aber die Diskussion habe doch zu recht wichtigen allgemeinen Ergebnissen geführt. Allerdings habe auf dem Gebiete des Ausstellungswesens in den letzten Jahren eine Art von Ueberproduktion stattgefunden, und erscheine eine gewisse Zurückhaltung in der amtlichen Betheiligung auf diesem Gebiete rathsam; aber dieser Grundsatz der Zurückhaltung habe nach den Erklärungen der Regierung eine Form angenommen, die der allerernstesten Beachtung weiterer Kreise werth sei. Mit vollem Recht habe der Staats⸗Minister erklärt, daß die Reichs⸗ regierung doch nicht jeder Unternehmung privater Initiative eine Subvention aus Reichsmitteln durch Unterstützung der deutschen Aussteller gewähren könne; etwas anderes sei es aber doch, ob die Reichsregierung mit dieser Darlegung einen absolut ablehnenden Standpunkt allen Unternehmungen gegen⸗ über einnehme, welche nicht von Staatswegen und nach vor⸗ aufgegangener Vereinbarung zwischen den betreffenden Staaten ins Werk gesetzt würden. Das wäre nicht mehr eine Reserve, das wäre völlige Abstinenz. Bisher habe die Regierung damit Sonderliches nicht erreicht, noch weniger werde sich diese Stellungnahme den deutschen Exportinteressen⸗ ten für die Zukunft förderlich erweisen. Die Reichs⸗ regierung müsse jeden einzelnen Fall prüfen, ob in der That ein Eintreten des Reiches nützlich und nöthig sei oder nicht. Das Beispiel der Antwerpener Ausstellung und ähnlicher Unternehmungen zeige, wie die Sache meistens gegangen sei: es hätten sich aus privater Initiative eine Reihe von In⸗ dustriellen zusammengefunden, um die Ausstellung zu beschicken. Das eigene Interesse, welches von den Opfern berührt werde, welche diese Privatbetheiligung erforderten, würde auch die beste Schranke gegen eine unnütze und thörichte Betheiligung an allzu zahlreichen Unternehmungen sein. Für Antwerpen hätten sich die deutschen Industriellen sehr zahlreich und unter bedeutenden Opfern engagirt; somit hätte dieses Unternehmen wohl eine bessere Behandlung verdient als diese prinzipiell ablehnende Reserve. Dazu komme noch die Rücksicht, welche die deutsche Industrie auf das konkurrirende Ausland zu nehmen habe; es wäre doch eigenthümlich, wenn demnächst die konkurrirenden Länder unter Aufwendung erheblicher Staatsmittel überall auf dem Platze seien, während die Deutschen entweder gar nicht er⸗ scheinen könnten, oder nur in der beschränkten Weise, wie es ihre privaten Mittel gestattet hätten. Auf die Dauer würde durch diese Prinzipientreue der Reichsregie⸗ rung die deutsche Exportindustrie wesentlich schlech⸗ ter als die ausländische gestellt werden. Gerade dieser Gesichtspunkt spreche auch für Antwerpen mit; auch hier hätten eine Anzahl fremder Regierungen ausgiebige Unterstützungen gewährt. Bei zeitiger Inangriffnahme der Sache hätte sich aber auch mit geringeren Mitteln etwas erreichen lassen, was noch neben der französischen Ausstellung sich hätte sehen lassen können. Er möchte außerdem Auskunft darüber erbitten, welche Kosten die Betheiligung an der Amsterdamer Aus⸗ stellung verursacht habe. Die augenblickliche Finanzlage müsse ja immerhin mit in Betracht gezogen werden; aber er wieder⸗ hole, der angemessenere Standpunkt für die Reichsregierung wäre seines Erachtens der, daß sie in jedem einzelnen Fall eine sachliche Prüfung eintreten lassen müsse.

Demnächst nahm der Staats⸗Minister von Boetticher das Wort:

Der Herr Vorredner hat meine Ausführungen sehr mißverstan⸗ den, wenn er annimmt, daß sich die Regierung jeder Prüfung eines Ausstellungsprojektes für überhoben erachtet blos aus dem allgemeinen Gesichtspunkte, weil sie die internationalen Ausstellungen der deutschen Industrie nicht für günstig ansähe. Das habe ich keineswegs sagen wollen und meines Wissens auch nicht in meine Worte gelegt. Die Pflicht der Regierung wird es natürlich sein, in jedem einzelnen Falle, in welchem ein Ausstellungsprojekt an sie herantritt, zu prüfen, ob wirklich die Betheiligung der deutschen Industrie über⸗ wiegende Vortheile verheißt, und wenn sie zu der Ueberzeugung kommt, daß die Verhältnisse der Ausstellung so gelagert sind, daß in der That ein erheblicher Theil der 1 Industrie ein großes Interesse daran hat, so wird die Regierung keineswegs abgeneigt sein,

das zu thun, was zur Förderung dieses Interesses und zu seiner Geltendmachung nothwendig ist. g dieses Interess zu seine

Meine Herren! Der Herr Vorredner und das ist mir sehr interessant gewesen hat dem. Gedanken der Staatshülfe,

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raschend deutlichen Ausdruck ’1

gegeben, daß ich mich der Hoffnung nicht

kommen, die Staatshülfe nicht vollständig zu perhorresziren. Das wird er mir doch zugeben müssen, daß, wenn es sich hier um einen Beitrag des Staates handelt, die Kreise, die von diesem Beitrag profitiren, sehr viel mehr in der Lage sind, in die eigene Tasche greifen zu können als viele andere Leute, die mit bescheidenen An⸗ sprüchen an den Staat herantreten.

Er hat mich dann gefragt, was die Amsterdamer Ausstellung der Regierung für Kosten verursacht habe. Hierauf kann ich ihm er⸗ widern, daß die Ausstattung auf der Amsterdamer Ausstellung etwa einige 40 000 ich glaube es sind 44 000 absorbirt hat. Diese Ausstattung ist aber nach dem Urtheil aller Besucher der Amster⸗ damer Ausstellung eine so dürftige gewesen, daß das Wort „pauvre“ nicht bloß in französischen, sondern auch in deutschen Zeitungen zu lesen war, und wenn ich wieder für eine Subventionirung der Ausstattung von deutschen Ausstellungsräumen auf internationalen Ausstellungen mich zu erklären haben werde, so werde ich daran die Bitte knüpfen, die Summe etwas ausgiebiger zu bemessen, damit etwas geleistet werden kann, was den Leistungen andrer Staaten ebenbürtig ist.

Also, meine Herren, wir sind darin einig, wir werden jeden Fall prüfen und, wenn sich wirklich ein überwiegendes Interesse für uns ergiebt, uns auch nicht absolut ablehnend verhalten. Dieser Ausstellung gegenüber, und ich sage geradezu allen ähnlichen gegen⸗ über, glauben wir es nicht verantworten zu können, den Reichssäckel zu belasten; wir glauben vielmehr, daß die Interessenten selber in die Tasche greifen können, um den Ausstellungsraum so zu dekoriren, wie es nothwendig ist und ihren Interessen entspricht. Den diplomatischen wie den konsularischen Schutz werden wir ihnen wie bei den bis⸗ herigen, so auch auf künftigen Ausstellungen angedeihen lassen.

Der Abg. Sedlmayer erklärte, er sei dem Minister sehr dankbar dafür, daß derselbe die in der Kommission ausge⸗ sprochene Ansicht etwas modifizirt habe, dahin, daß in jedem einzelnen Falle eine Prüfung eintreten solle.

Der Abg. Broemel bemerkte, die heutige Erklärung des

Ninisters widerspreche den Aeußerungen der Regierungsvertreter in der Kommission, welche sich prinzipiell ablehnend zu der Petition erklärt hätten. Uebrigens hätten weder seine Parteigenossen noch er sich jemals als Gegner jeder Staatshülfe überhaupt be⸗ zeichnet; die Auslegung, die der Minister seinen Worten ge⸗ geben habe, sei eine völlig irrige und ergebe nicht seine (des Redners) wirkliche Meinung, sondern eine Karrikatur derselben. Er billige dagegen völlig die Worte des Ministers über das Greifen in die eigene Tasche. Die Frage, wann die In⸗ teressenten in den Reichssäckel, und wann sie in die eigene Tasche greifen sollten, werde das Haus nächstens bei anderer Gelegenheit noch etwas näher zu erörtern haben.

Der Abg. von Vollmar befürwortete eine Subventionirung der Antwerpener Ausstellung. Hier sei einmal ein Punkt, wo die Reichsregierung ihre so vielfach proklamirten Be⸗ strebungen zur Förderung der Gewerbe und der Industrie be⸗ wahrheiten und dem deutschen Gewerbefleiß in seinem schweren und bisher ruhmvoll mit dem Auslande geführten Konkurrenz⸗ kampf einigermaßen zur Seite stehen könne.

Der Antrag der Kommission wurde angenommen.

Es folgte die erste Berathung eines vom Abg. Dr. Porsch gestellten Antrages auf Abänderung des §. 370 der Strafprozeßordnung.

Der Antrag lautet:

Der Reichstag wolle beschließen:

dem nachstehenden Gesetzentwurfe die verfassungsmäßige Zu⸗ stimmung zu ertheilen:

Gesetz, betreffend die AbänSrang 8. Strafprozeßordnung. Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen ꝛc. verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths und des Reichstages, was folgt:

An die Stelle des §. 370 der Strafprozeßordnung tritt die nachstehende Bestimmung:

„Ist bei dem Beginn der Hauptverhandlung weder der Ange⸗ klagte, noch in den Fällen, wo solches zulässig, ein Vertreter desselben erschienen und das Ausbleiben nicht genügend entschuldigt, so ist über die Berufung zu verhandeln oder die Vorführung oder Verhaftung des Angeklagten anzuordnen.“

Der Abg. Dr. Porsch befürwortete seinen Antrag. Es sei eine Forderung der Gerechtigkeit, ebenso wie im civilprozessua⸗ lischen Verfahren, so auch im strafprozessualischen eine Be⸗ stimmung zu treffen, daß eine Verurtheilung bei Versäumniß des Termins nicht mehr erfolgen könne. Der jetzt im Be⸗ rufungsverfahren in Strafsachen wie ein Damoklesschwert über Alle hängende Mangel könne nicht fortbestehen. Redner führte einen Fall an, in welchem ein Beamter zu 6 Wochen Gefäng⸗ niß in erster Instanz verurtheilt worden sei, bei der Verhand⸗ lung vor der Berufungsinstanz einige Minuten zu spät er⸗ schienen sei und dem zu Folge das Urtheil erster Instanz, obwohl die unumstößlichsten Beweise der Unschuld des Ver⸗ urtheilten vorgelegen hätten, habe bestätigt werden müssen. Nur wenn der Nachweis hätte geführt werden können, daß dies nicht rechtzeitige Erscheinen durch elementare Ereignisse ꝛc. veranlaßt worden sei, hätte eine nochmalige Revision statt⸗ haben können. Ein solches Kontumazialverfahren zu beseitigen, sei der Zweck seines Antrages. Er bitte, denselben anzu⸗ nehmen.

Der Staatssekretär des Reichs⸗Justizamts Dr. von Schelling entgegnete, was die Bedürfnißfrage anlange, so könne er dem Antragsteller für die Anregung nur dankbar sein und er werde auch seinerseits anerkennen, daß der Antrag in der That einen Punkt in der Strafprozeßordnung berühre, welcher der Reform bedürftig sei. Der Abg. Dr. Porsch habe selbst angedeutet, daß es verschiedene Wege gebe, um dem Be⸗ dürfniß gerecht zu werden. Er möchte aber bezweifeln, daß dieser Weg der richtige sei und enthalte sich aus einem schon vom Vorredner angeführten Grunde, näher darauf einzugehen, da nämlich die Frage der Einführung der Berufung gegen Strafkammerurtheile zur Erörterung stehe. Es scheine ihm deshalb gegenwärtig nicht zeitgemäß, einen einzelnen Punkt des Berufungsverfahrens im gesetzlichen Wege zu regeln und es werde deshalb nicht nöthig sein, auf seine Stellung zu dem Antrage näher einzugehen.

Der Abg. Klemm äußerte sich wesentlich in dem Sinne des Antrages. Der Abg. Dr. Horwitz meinte, daß die von dem Antragsteller berührte Frage besser in Verbindung mit einer allgemeinen Revision der Strasprozeßordnung zu regeln sei. Das Haus beschloß, die zweite Berathung des Antrages im Plenum vorzunehmen. Es folgte die erste Berathung des vom Abg. Payer ein⸗ gebrachten Antrages, betreffend Ermäßigung der Gerichts⸗ kostengebühren. lautet: Der Reichstag wolle beschließen:

„Anknüpfend an die Resolution des Reichstags vom 14. Juni 1884 und an den Beschluß desselben vom 15. Dezember 1881 aber⸗ mals die Erwartung auszusprechen, daß die verhündeten Regie⸗

der ihm doch sonst nicht so sympathisch ist, einen so über⸗

ganz entschlagen kann, er werde auch noch auf anderen Gebieten dazu.

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schläge machen werden, welche eine durchgreifendere Ermäßt Gerichtsgebühren herbeiführen, als 5 das Neihräß guna der 2 1482 I e I mit der Revision e eri ostengesetzes eine solche der Gebühren⸗ Rechtsanwälte verbinden.“ üähren⸗Ordnung fur

Der Abg. Payer befürwortete seinen Antrag. Das Be⸗ dürfniß nach einer Ermäßizung der Gerichtskosten werde allenthalben auf das Lebhafteste empfunden, und schon früher habe sich der Reichstag mehrfach in diesem Sinne ausgespro⸗ chen. Anfangs habe die Regierung finanzielle Bedenken ent⸗ gegengestellt und habe das Haus auf das Ergebniß statistischer Erhebungen vertröstet. Jetzt wieder sage man, daß man diese Frage nicht allein regeln wolle, sondern im Zusammenhang mit einer allgemeinen Reform. Man denke dabei zugleich an eine Resorm des ganzen Gerichtsvollzieher⸗ und Zustellungs⸗ wesens. Diese Reform wäre ihm sehr sympathisch, aber bis zu ihrer Durchführung werde noch viel Zeit vergehen und so lange könne man mit der Herabsetzung der Gerichtskosten nicht mehr warten. Das Gerichtskostengesetz sei im Jahre 1879 zugleich mit dem Zolltarif in Kraft getreten. Es sei aber viel schwieriger, die wirthschaftlichen Folgen des Zoll⸗ tarifs zu übersehen als die des Gerichtskostengesetzes; und wenn man jetzt schon mit Aenderungen des Zolltariss komme so sei es jedenfalls viel weniger bedenklich, das Gerichtskosten⸗ gesetz zu ändern. Er freue sich, daß der Staatssekretär in Aussicht genommen habe, das kleine unnöthige Beiwerk bei den Anwaltsgebühren zu beseitigen. Noch viel nothwendiger sei aber eine Beseitigung dieses Beiwerkes bei den Gerichts⸗ kosten. Für die Reform der Anwaltsgebühren sollten ja die Vorarbeiten schon im Gange sein; besonders freue es ihn, daß man zu diesen Arbeiten im Reichs⸗Justizamt sachverständige Abgeordnete zuziehen wolle. Man werde mit großer Rücksicht gegen den Anwaltsstand verfahren, so daß für den⸗ selben auch ferner angemessene Existenzbedingungen bleiben würden. Sei der Anwaltstand nicht so ge⸗ stellt, daß er sich selbst achten könne, und daß Andere denselben achten könnten, so leide die ganze Rechtspflege. Andererseits würden gleichwohl die Anwaltsgebühren im All⸗ gemeinen nicht zu erhöhen, sondern herabzusetzen sein. Er persönlich meine, daß eine solche Herabminderung namentlich für das Privatklageverfahren am Platze sei, für die Reise⸗ kosten, für das Konkursverfahren, für das Mahnverfahren und besonders für die Berathungsgebühr, welche letztere so hoch sei, daß so leicht kein Anwalt hier den Tarif bei kleinen Konsultationen zur Anwendung bringe. Ferner müßten auch bei Alimentenprozessen die Gebühren herabgesetzt werden. In⸗ dessen sei erste Bedingung, daß überall auch die Gerichtskosten ermäßigt würden, welche meist in viel stärlerem Verhältniß nach den Werthsklassen stiegen als die Anwaltsgebühren. Der Anwaltsstand selber habe kein persönliches Inter⸗ esse an der von ihm (Redner) vorgeschlagenen Reform; wenn die Anwalte aber alle diese Reform wollten, so beweise wohl schon dieser Umstand, daß Mißstände vorhanden seien, die beseitigt werden müßten. Er bitte, auch jetzt, sowie schon früher, seinem Antrag zuzustimmen und damit zu dokumentiren, daß das Haus nicht zurückstehen wolle, wo wichtige und drin⸗ gende Reformen in Frage ständen.

Der Abg. Dr. Hartmann erklärte, seine Partei sei mit dem Payerschen Antrag vollkommen einverstanden. Auch er wolle eine Revision des Gerichtskostengesetzes und der Ge⸗ bührenordnung für Rechtsanwälte und zwar im Sinne einer Ermäßigung der Kostensätze. Daß bei der Herabsetzung der Rechtsanwaltsgebühren auf die Erhaltung der Integrität des Anwaltstandes Rücksicht genommen werden müsse, sei von ihm wiederholt, zuletzt am 12. Dezember vorigen Jahres betont worden. Bezüglich der Ge⸗ bührenordnung habe der Abg. Payer dem Hause Detail⸗ vorschläge gemacht, die einen besonderen Werth dadurch er⸗ halten hätten, daß derselbe in seinem Civilverhältniß diesen Dingen sehr nahe stehe. Aber er wolle auf dieselben jetzt nicht eingehen, es genüge ihm, baß diese Vorschläge überhaupt gemacht seien. Nur der Ton, in welchem der Antrag gehalten

daktion mit betheiligt gewesen wäre, so würde es denselben zu beseitigen gesucht haben. Aber das solle für seine Partei kein Hinderniß sein, dem Antrage zuzustimmen. Er begegne sich mit dem Abg. Payer auch in der Ansicht, daß ein Be⸗ dürfniß obwalte, dieser Meinung Ausdruck zu verleihen. Die Haltung der Regierung sei entgegenkommender geworden, und inzwischen hätten sich finanzielle Bedenken erhoben, welche Schwierigkeiten bereitet hätten. Es sei statistisch nach⸗ gewiesen worden, daß die Einnahmen aus den Gerichtskosten in so bedenklicher Weise zurückgegangen seien, daß die Zu⸗ schüsse zur Justizverwaltung immer größer geworden seien. Die Regierung habe mit Recht auf diese Erscheinung hinge⸗ wiesen, aber Sache des Hauses sei es, zu erklären, daß die finanziellen Bedenken vor höheren Rücksichten zurücktreten müßten, welche für eine Ermäßigung der Gerichtskosten sprechen. Dadurch werde der Regierung das Eingehen auf das Re⸗ visionswerk erleichtert werden, denn ein Theil der Verant⸗ wortlichkeit werde für dasselbe dann von dem Hause über⸗ nommen. In diesem Sinne werde seine Partei dem Antrag Payer zustimmen.

Der Abg. Brünings erklärte sich mit dem Antrag Payer einverstanden, der durchaus dem entspreche, was seine Partei in Bezug auf das Gerichtskostengesetz und die Gebührenordnung für Rechtsanwälte zu beantragen beabsichtigt habe. 1

Der Abg. Dr. Horwitz bemerkte, der Abg. Hartmann habe die Details acceptirt, welche der Abg. Payer in Bezug auf die Revision der Gebührenordnung in Vorschlag gebracht habe. Er halte es aber schwer, dieselben vor der Versammlung pro et contra so zu erwägen, daß ein rechtes Facit zu Stande kommen würde. Der Abg. Hartmann habe dann noch gesagt, demselben gefalle der Ton des Antrages nicht, wohl aber die Weise. Er (Redner) finde sie etwas metallischen Beigeschmacks; man müsse sie auf ihren Feingehalt noch genauer prüfen. Der Abg. Payer habe sich bei seinen Vorschlägen auf seine Erfahrungen berufen. Der Abg. Payer habe dieselben in einem eng begrenzten Kreise gemacht. Die Erfahrungen aber, die man in Preußen gemacht habe, hätten bewiesen, daß 8 schwierig sei, diese Frage einheitlich zu regeln. Das Bild werde sich immer verschieden gestalten, je nachdem man die Stellung der Rechtsanwälte ins Auge fasse, welche sich in den großen Verkehrscentren befänden, und die Stellung Derer, welche sich in armen, industrielosen Bezirken befänden, und die oft nur so viel verdient hätten, daß sie mit Nolh ihre Existenz behaupten könnten. Er (Redner) könne sich in dieser Beziehung insofern wohl ein Urtheil exlauben, als er in den verschiedensten Provinzen thätig gewesen sei.

rungen spätestens in der nächsten Session des Reichstages Vor⸗

Der Anwaltszwang, der die Zahl der Anwalte vermehrt habe,

sei, scheine ihm etwas sträflich; wenn das Haus bei der Re⸗

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önen Augen der Anwalte willen eingeführt, sei nicht 2„ 5 eine Folge des neuen Gerichtsverfahrens. e dans habe also auch die Verpflichtung, den Anwalten 4 lche Stellung zu bewahren, die ihnen eine anständige 2 so Das sei ein Gesichtspunkt, der Berücksichti⸗ verdiene, und er behaupte, daß das Durchschnitts⸗ gundit der Anwalte nicht über Das hinausreiche, was geha die Eristenz eines rechtschaffenen Mannes sichere. zug auf einzelne Positionen werde eine Aende⸗ ich, ja nöthig sein. Man dürfe übrigens nicht ver⸗

n, daß einen unliebsamen Koeffizienten bei den Anwalts⸗ sesen⸗die Gerichtskosten bildeten. Klagen über hohe Rechts⸗ kosten sgebühren seien nicht zum Wenigsten darauf zurück⸗ anühren daß die Gerichtskosten so hoch geworden seien. Auch ii dngen Spezifikationen der Rechtsanwalte machten einen vies bsamen Eindruck. Er glaube entschieden, daß nicht an P sondern nur an den oberen Werthsklassen eine

den unteren, 8 Dankb bab 9 vorgenommen werden könne. ankbar habe 88 vErklärung des Staatssekretärs acceptirt, daß

, Revisi die von der Reichsregierung in Aussicht ge⸗ 2 nicht in anwaltfeindlichem Sinne stattfinden dole und daß zu derselben auch Anwalte hier aus dem Hause neagezogen werden sollten. Er glaube, daß mit Ausnahme weniger Punkte an dem bestehenden System nichts zu ändern

wenn man nicht den Anwaltsstand beträchtlich

sein werde, un Füchti ädi oletariat schaffen wolle, das für eine schädigen und ein Proleta schaff 1

htepflege sehr gefährlich werden könne. gur⸗ bcs vflis vergessen, daß zu der lohnenden Ar⸗ beit des Rechtsanwalts eine Menge von Armensachen als nobile officium für denselben hinzuträten, welche viel Mühe und Arbeit, aber keinerlei Gewinn brin⸗ en. Wenn statistisch festgestellt werden könnte, welche Menge * Arbeit den Anwälten gerade hierdurch erwachse, so würde man finden, daß durch dieselbe der Ertrag jeder lohnenden Arbeit bedeutend herabgesetzt werde. Dagegen glaube er, daß die Reisekosten nicht herabgesetzt werden könnten. Es sei festgestellt, daß für den niedrigen Satz, der jetzt bewilligt werde, für die Arbeit, welche der Rechtsanwalt zu leisten habe, kaum noch eine Entschädigung übrig bleibe. Auch ständen die Reisekosten der Rechtsanwalte hinter denen der Beamten zurück. Nach dem alten Gesetz seien die Anwalte in dieser Beziehung viel besser gestellt gewesen. Daß durch die Frei⸗ gebung der Advokatur das Arbeitsfeld für die Anwalte be⸗ deutend eingeschränkt sei, müsse auch noch erwogen werden. Er mache darauf aufmerksam, daß er nur in seinem Namen gesprochen habe.

Der Abg. Bock (Gotha) machte darauf aufmerksam, daß durch die Höhe der Gerichtskosten und Anwaltsgebühren den Arbeitern die Möglichkeit genommen werde, das Recht zu suchen. Man habe diese Thatsachen, auf die er immer hin⸗ gewiesen habe, bestritten, mit der Hinweisung auf das Armen⸗ recht, aber davon hätten die kleinen Leute keine Kenntniß. Klagen über die Höhe der Gerichtskosten seien wohl an den Staatssekretär nicht gelangt, aber sie seien doch zahlreich vor⸗ handen. Er werde in seinem gothaischen Wahlkreise über⸗ laufen mit Klagen von Leuten, die versicherten, daß sie ihr Recht nicht haben erlangen können. Hiergegen helfe also auch das Armenrecht nichts. Der Abg. Porsch habe neulich das Lied vom armen Rechtsanwalt gesungen, aber in seiner Heimath habe noch niemals ein Rechtsanwalt bankerott gemacht. Dieselben nähmen dort eine ausgezeichnete Lebens⸗ stelung ein und hätten sich zum Theil in kurzer Zeit ein großes Vermögen erworben. Das einzige Mittel, die Anwälte vor einer Verschlechterung ihrer Lebensstellung zu bewahren, wäre die Anstellung der Anwälte von Staatswegen „Juristen, böse Christen“ sei ein altes Sprüchwort, das nicht von ungefähr gekommen sei, das Volk müsse böse Erfahrungen gemacht haben. Deshalb stimme er dem Antrage Payer zu.

Der Abg. Dr. Hartmann erklärte, der Vorredner habe behauptet, die Armen wüßten nichts vom Armenrecht. Dem widerspreche er. Der Abg. Bock habe sodann gesprochen, als ob nur dessen Partei ein Herz für die kleinen Leute habe. Auch dieser Behauptung trete er entgegen. Seine Partei habe immer ein warmes Herz für die Arbeiter gehabt; seine Wähler, die Vertrauen zu ihm gehabt hätten, seien gerade die kleinen Leute.

Der Abg. Dr. Horwitz entgegnete, das Lied vom armen Rectsanwalt sei von ihm nicht angestimmt worden. Wenn der Abg. Bock behauptet habe, daß die Anwälte in dessen Kreise wohlsituirt seien und keiner Bankerott gemacht habe, so sei das ja erfreulich; jedoch sei das Bankerottmachen kein nothwendiges Attribut des armen Mannes. Der Vorschlag, die Anwaltschaft zu verstaatlichen, sei schön, aber nicht neu. Schon Ende des vorigen Jahrhunderts habe mon staatlich besoldete Anwalte gehabt, die sogenannten Assistenz⸗Räthe. Aber man sei bald von dieser Einrichtung wieder abgekommen. Der Abg. Bock und seine Partei würde wohl am übelsten dabei fahren, wenn jetzt wiederum staatliche Anwälte nach Art der früheren Assistenz⸗Räthe eingeführt werden sollten.

Der Alg. Bock wies auf die Schwierigkeiten hin, welche die Erlangung des Armenrechtes mache. Jemand, der ein Häuschen im Besitz habe, werde niemals dieser Vergünstigung theilhastig werden können, und doch werde ein solcher Mann oft nicht im Stande sein, die Gerichtskosten zu bestreiten; diesem sei also die Beschreitung des Rechtsweges von vorn⸗ herein unmöglich gemacht. Der Abg. Horwitz habe gesagt, seine Partei würde am schlechtesten fahren, wenn die Anwälte wieder vom Staate besoldet würden. Aber man habe jetzt auch schon üble Erfahrungen mit den Anwälten gemacht, wenn auch nicht mit allen. Der Anwalt des armen Mannes werde immer schlechter sein als der des reichen. Es fehle demselben das Feuer, mit dem der Anwalt des Reichen für seine Sache ein⸗ trete, der wisse, daß alle seine Mühen reichlich entschädigt würden.

Der Abg. Dr. Porsch erklärte, das Lied vom armen Rechtsanwalt sfei von ihm nicht angestimmt worden. Er habe nur darauf hingewiesen, daß die Organisation des Gerichts⸗ verfahrens schwieriger geworden sei. Ein großer Theil der Anwälte würde recht wohl mit den früheren niedrigeren Gebührensätzen zufrieden sein, wenn man das frühere einfachere Berfahren zurückbekommen würde. Das Armenrecht werde hier sehr leicht verliehen, und die Anwälte hätten nicht geringe Lasten davon. Aber die Anwälte hätten dieselben gern über⸗ nommen, wenn sie von der Gerechtigkeit der Sache überzeugt gewesen wären. Sollten die Armen sich beeinträchtigt glauben, so stehe ihnen übrigens der Rekurs an die Anwalts⸗ ammern offen. Belastend seien nach seiner Ueberzeugung in erster Linie die hohen Gerichtskosten. Daß er aber auch in

in 8 Eristenz sichere.

Abg. Bock übereinstimme, habe er durch seine Unterschrift unter dem Payerschen Antrage kundgethan.

Die Diskussion wurde hierauf geschlossen.

Im Schlußwort bemerkte der Abg. Payer, der Abg. Hor⸗ witz habe gemeint, daß es nur ein eng umgrenztes Gebiet sei, auf welchem er seine Erfahrungen gesammelt habe. Er blicke mit großem Respekt auf seinen Kollegen Horwitz. Aber des⸗ halb fürchte er sich nicht, auch seine persönlichen Erfahrungen vor⸗ zutragen. Er habe immer geglaubt, daß auch diese schätzens⸗ werth seien. Der Abg. Hartmann habe den Ton seines An⸗ trages als einen sträflichen erachtet. Er glaube, daß solche kriminalistischen Ausdrücke nicht in dieses Haus gebörten. Er wenigstens werde den Abg. Hartmann alle Zeit für unsträf⸗ lich erachten.

Der Antrag wurde einstimmig angenommen.

Die sächsisch⸗böhmische Dampfschiffahrtsgesellschaft und die deutsche Elbschiffahrtsgesellschaft „die Kette“ bitten um Wieder⸗ erstattung der Reichsstempelsteuern, die von ihnen bei Aus⸗ gabe neuer Aktien an Stelle defekt gewordener zwangswei se beigetrieben sind. Die Kommission beantragte, beide Peti⸗ tionen dem Reichskanzler zur Berücksichtigung zu überweisen. Das Haus trat diesem Beschluß bei.

Hierauf vertagte sich das Haus um 4 ½ Uhr auf Sonn⸗ abend 1 Uhr.

Im weiteren Verlauf der gestrigen (15.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten erklärte bei fort⸗ gesetzter erster Berathung des Gesetzentwurss, betreffend die Beschaffung von Mitteln für die Erweiterung und Ver⸗ vollständigung des Staatseisenbahnnetzes, der Abg. Dr. Wehr: er gönne allen Vorrednern, daß ihre Wünsche baldigst erfüllt würden, wenn nur zuvörderst seine Wünsche Erfüllung fänden. Er habe sich aber nicht gemeldet, weil ihm die Vorlage nicht weit genug ginge, sondern weil sie ihm in einem Punkte zu weit ginge. Er sei zweifelhaft darüber, ob man gut thue, die Ausgaben für Bahnhofs⸗ gebäude in diese Vorlage hineinzubringen, ob es nicht etats⸗ mäßig richtiger sei, dieselbe in das Extraordinarium des Eisenbahnetats einzustellen. Das sei ein gewaltiger Unterschied, denn im Extraordinarium des Eisenbahnetats hätte man nicht diese ganze Summe auf einmal zu bewilligen brauchen, sondern nur ratenweise. Dann hätte man noch Mittel zur Verwen⸗ dung für andere Sekundärbahnen übrig behalten. Außerdem würde der Eisenbahnetat ein falsches Bild geben, wenn man diese Summen in eine besondere Vorlage hineinbrächte. Die Budgetkommission, welcher er die Vorlage zu überweisen hiermit beantrage, werde genau zu prüfen haben, ob nach Lage der Dinge der Sitz der Direktion in Bromberg auf die Dauer verbleiben könne. Der Abg. von Minnigerode rufe ihm zu „Danzig!“ das gebe ihm Gelegenheit, einer irrthümlichen Auffassung, die in der vorigen Session, in Folge einer Aeußerung von ihm entstanden sei, entgegen zu treten. Danzig sei nach den augenblicklichen Verhältnissen nicht der Ort dazu und er spreche nicht für die Verlegung der Direktion von Bromberg nach Danzig, sondern nach Königsberg, obwohl die Interessen von Königsberg und Danzig kollidirten. Den Sitz in Bromberg halte er für die Dauer nicht für haltbar. In dem Bromberger Direktionsbezirk seien die Verhältnisse so heterogen, daß es ganz unmöglich sei, daß eine Direktion diese Verhältnisse auf die Dauer übersehen könne. Eine Theilung sei unumgänglich nothwendig, und zwischen den Zeilen in den Motiven der Vorlage lese er, daß diese Theilung auch nicht außer dem Bereiche der Möglichkeit liege. Es heiße nämlich darin, daß das jetzige Bauprojekt doch nicht allen Anforderungen genügen werde, und daß ein Theil der Bromberger Direktion wo anders werde untergebracht werden müssen. Wenn für die nächste Zeit von der Theilung oder Verlegung der Brom⸗ berger Direktion gar keine Rede sein sollte, so würde er das auf das Tiesste bedauern. Jedenfalls werde die Kommission diese Verhältnisse genau zu prüfen haben. Wenn der Abg. Berger im Hause minutiöse Rechnungen über die Rentabilität verlange, so solle man diese doch nicht auf die letzten 5 Jahre gründen, sondern um 25 Jahre zurück⸗ greifen, dann würde sich die Rentabilitätsberechnung durchaus nicht so sehr zu Gunsten des Westens gegenüber dem Osten stellen. Dadurch, daß früher nur der Westen bedacht worden sei, seien die östlichen Provinzen schwer geschädigt worden. Wenn der Osten schon vor 10 Jahren die Sekundärbahnen gehabthätte, dann wären schon damals die Zuckerfabriken gegründet worden, die jetzt in die schwere Krisis hineingekommen seien. Das sei ein bedeutender Unterschied für die wirthschaftliche Lage. Er hätte gewünscht, daß auch in dieser Vorlage Ost⸗ und Westpreußen mehr be⸗ rücksichtigt worden wäre, aber in den letzten Jahren sei für dieselbe bereits so viel geschehen, daß dieser Mangel diesmal erklärlich erscheine. Nur eine Bahn, die ganz geringe Kosten ver⸗ ursachen würde sie läge aber nicht in seinem Wahlkreis hätte er gern gewünscht, nämlich von Terespol nach Schwetz. Die Stadt Schwetz, welche stets den Ueberschwemmungen ausgesetzt und von zahlreicher Arbeiterbevölkerung bewohnt sei, müsse all⸗ mählich vollständig zu Grunde gehen, wenn ihr nicht in irgend einer Weise geholfen werde. Die Provinzialbehörden hätten das auch längst anerkannt. Er behalte sich für die zweite Lesung einen dahingehenden Antrag vor. Da das Direktionsgebäude in Bromberg doch nicht in einem Jahre gebaut werden könne, so „könnte von der dafür ausgeworfenen Summe vorläufig etwas für diese Bahn verwendet werden. Er habe noch eine ganze Menge anderer Wünsche, wolle sie aber für die Zukunft zurückstellen. Er hoffe, daß sich die Regierung durch die Ausführungen des Abg. Berger nicht abhalten lassen werde, dem Hause weitere Vorlagen zu machen. Nachdem der Staat die Eisenbahnen monopolisirt, habe er sogar die Pflicht, dem Hause Vorlagen zum weiteren Ausbau unseres Eisenbahnnetzes zu machen. Er freue sich, daß der Minister den Standpunkt vertreten habe, daß man sich hier nicht von Rentabilitäts⸗Rücksichten leiten lassen dürse, und er bitte ihn, dem Hause im nächsten Jahre wieder eine solche Vorlage zu machen.

Ver äbg. Martinius meinte, man solle zunächst stets die Gegenden berücksichtigen, wo eine nothleidende Industrie vorhanden sei, und dann erst neue Industrien durch die Bahnen zu schaffen suchen. Redner dankte dem Minister, daß auch der Regierungsbezirk Cassel in der Vorlage berücksichtigt worden sei, und bat, im nächsten Jahre bessere Verbindung für Schmalkalden herzustellen, damit die Steinkohlentransporte

einen besseren Weg geleitet werden könnten.

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der Minister dabei verfahren sei. Denn das Prinzip, daß die gerade Linie der kürzeste Weg zwischen zwei Punkten sei, werde nicht angewandt, das beweise die Bahnlinie Deutsch⸗Crone Callies, die im gewaltigen Bogen gebaut werde. Man baue wie es scheine, immer erst die Bogen und dann die Sehne Durch die Callieser Bahn werde der Industrie in dem betreffenden Kreise nicht geholfen. Wozu diese Linie über haupt sei, verstehe er nicht. Man fahre mit ihr doch nur nach Westen, d. h. nach Berlin, denn von Westen nach Osten fahre ja so wie so Niemand! Der Kreis Arnswalde, den die Bahn mit 4 km durchlaufe, habe sehr wenig davon. Die Wünsche der Gegend habe man nicht berücksichtigt, indem man ihre Verhältnisse so glänzend geschildert hätte, daß jene Gegend für diejenige hätte gehalten werden müssen, wo die Citronen blühten. Die Kommission er empfehle eine be⸗ sondere von 21 Mitgliedern möge überlegen, ob die Linie nicht besser statt nach Callies nach Arnswalde gelegt werde. Der Abg. Rübsam dankte für Einsetzung der Linie Fulda— Hersfeld. 1 Der Abg. Frhr. von Minnigerode führte aus, daß Zweisel an der Rentabilität der Sekundärbahnen im Osten nicht im mindesten berechtigt seien. Sekundärbahnen im Osten hätten sich erfahrungsmäßig ganz besonders rentirt. Er empfehle Ueberweisung der Vorlage an die Budgetkommission, als der objektivsten. Der Abg. von Eynern bedauerte, daß nicht auch die Ver⸗ vollständigung der sogenannten Oberwupperthalbahn in die Vorlage genommen sei, und bat um Verweisung der Vorlage an die Budgetkommission. Der Abg. Graf von Baudissin wendete sich gegen den Abg. von Meyer (Arnswalde) und trat im Interesse der Be⸗ wohner von Callies für die Legung der Bahn nach dorthin und nicht nach Arnswalde ein. Der Abg. Rumpff bat, im nächsten Etat auch die Linie Elberfeld Bodenberg und Wülfrath— Velde einzusetzen. Der Abg. Hahn erhob Widerspruch gegen die Vorschläge des Abg. Dr. Wehr und dessen Einwendungen gegen Brom⸗ berg. Die Vorschläge, wie sie die Regierung gemacht habe, seien die zweckmäßigsten. Die Budgetkommission werde sich ihnen wohl anschließen. Als besonders nothwendig stellte Redner die Fortführung der Linie Gnesen Nakel in nördlicher Richtung dar. ““ Der Abg. Knebel wollte auch den Hunsrück berücksichtigt sehen, während der Abg. von Kleinsorgen für weitere Bahnen im Sauerland plädirte. Der Abg. Dr. von Cuny schloß sich den Wünschen des Abg. von Eynern bezüglich der Oberwupperthalbahn an. Einer besonderen Berücksichtigung empfehle er auch die Stadt und Gegend von Remscheid. Die Diskussion wurde geschlossen. Persönlich bemerkte der Abg. Dr. Wehr, daß ihn der Abg. Hahn mindestens nicht recht verstanden habe. Die Vorlage wurde an die Budgetkommission, welche zu diesem Zweck um 7 Mitglieder verstärkt wurde, überwiesen. Der Bericht über die Verwendung des Erlöses für ver⸗ kaufte Berliner Stadtbahn⸗Parzellen wurde durch Kenntniß⸗ nahme ohne Debatte erledigt. Der Bericht, welcher alljährlich zu erstatten ist, weist in den letzten Jahren als Erlös für einen zu dem fiskalischen Grundstück Königstraße Nr. 33 gehörig gewesenen Keller 2800 ℳ, als Anzahlung auf den überhaupt 2 320 000 be tragenden Kaufpreis, für den zwischen der Königstraße, der Neuen Friedrichstraße, der Panoramastraße und dem Bahnhofsvorplatze des Bahnhofs Alexanderplatz bele⸗ genen, 70,21 a großen Grundstückskomplex 350 000 (der Rest des Kaufgeldes im Betrage von 1 970 000 ist kreditirt und wird in Höhe von 1 001 848 mit 4 ½ Proz. und in Höhe von 968 152 mit 5 Proz. verzinst), als Erlös für den 107 qm großen, vor dem Grundstück Koppen⸗ straße Nr. 9 belegenen Terrainstreifen 40 000 ℳ, als Erlös für das 4,42 a große Grundstück, Kleine Präsidentenstraße Nr. 1, 108 300 ℳ, zusammen 501 100 auf. Das Extraordinarium des Etats der Bauverwaltung wurde durchweg unverändert nach unerheblicher Debatte be⸗ willigt; ein Antrag des Abg. Graf Clairon d'Haussonville, für Anlegung eines Fischerboothafens bei Leba eine erste Rate von 50 000 zu bewilligen, ging nach kurzer Debatte, an welcher sich der Antragsteller und der Abg. Frhr. von Hammer⸗ stein sowie die Regierungskommissare, Ministerial⸗Direktor Schultz und Geheime Ober⸗Finanz⸗Rath Germar betheiligten, an die Budgetkommission. 8 Hierauf vertagte sich das Haus um 4 Uhr auf Montag 11 Uhr.

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Centralblatt für das Deutsche Reich. Nr. 6. In- halt: Allgemeine Verwaltungssachen: Herausgabe des Handbuchs für das Deutsche Reich auf das Jahr 1885. Zoll⸗ und Steuerwesen: Veränderungen in dem Stande oder den Befugnissen der Zoll⸗ und Steuerstellen. Konsulatwesen: Ernennungen; Exequatur⸗Ertheilung. Polizeiwesen: Ausweisung von Ausländern aus dem Reichsgebiete.

Armee⸗Verordnungs⸗Blat:. Nr. 2. Inhalt: Schützen⸗ abzeichen bei brandenburgischen Aermel⸗Aufschlägen. Rekrutirung der Armee für 1885/86. Lehr⸗Infanterie⸗Bataillon; Zusammen⸗ setzung und Zusammentritt im Jahre 1885. Beschaffung von Kaffeebrennern und Kaffeemühlen für die Menageküchen der Truppen. Abänderungen des Preisverzeichnisses, betreffend den Verkauf von Waffentheilen, Werkzeugen, Leeren ꝛc. in den Königlichen Gewehr⸗ fabriken zu Spandau, Erfurt, Danzig. Ecläuterung der Bestim⸗ mungen über Berechnung der Reise⸗ und Umzugskosten vom 27. April 1881. Herausgabe einer Schießinstruktion für die Jäger und Schützen. Nachweis der Fouriere in den Servisliquidationen. Ausgabe von Nachträgen. 8 der 1“ Er⸗ öffnung neuer Eisenbahnen. Wohlthätigkeit. 8 1

stiz⸗Ministerial⸗Blatt. Cäö Inhalt: Allge⸗ meine Verfügung vom 2. Februar 1885, betreffend die Wieder⸗ einziehung der Kosten, welche bei den von der Verwaltung des Innern ressortirenden Straf⸗ und Gesängnißanstalten entstehen. 1 3

Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie. Heft I. Inhalt: Die indirekten oder ge näherten Auflösungen für das Zweihöhenproblem. Von Prof. Dr G. D. E. Weyer (Fortsetzung). Fernando Po. Nach dem Bericht S. M. Kr. „Möwe“, Korv.⸗Kapt. Hoffmann. Hydrographische Forschungen der Nordenstjöldschen Expedition nach Grönland 1883. Bemerkungen über Loma Loma in der Viti⸗Gruppe. 8 (Mitthei⸗ lung von der Deutschen Seewarte). Die Paracel⸗Infeln. Be⸗ schreibung und Segelanweisung derselben. Bericht üder die Temperatur⸗Koöfficienten der im Winter 1883— 84 geprüften Chrono meter. Die internationale Konferenz zu Washington behufs An⸗- nahme eines gemeinsamen Ausgangs⸗Meridians und Einführung einer Universalzeit. Eingänge von meteorologischen Journalen bei der Deutschen Seewarte im Monat September 1884. Vergleichende

Der Abg. von Meyer (Arnswalde) sagte dem Minister für die Berücksichtigung der Provinz Brandenburg besten

Bezug auf die Herabsetzung der Anwaltsgebühren mit dem

Dank, trotzdem es ihm nicht klar sei, nach welchen Prinzipien

Uebersicht der Witterung des Monats Oktober 1884 in Nordamerika und Fehtokenrope (Mittheilung von der Deutschen Seewarte) Kleine hydographische Notizen. Berichtigung. Tabellen.