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Sund Bettwäsche, gebrauchten Kleidern, Hadern und Lumpen aller Art erlassen worden ist, angewiesen, jenes Verbot zum 1. Februar d. J. wieder aufzuheben.
Niederlande.
Durch Erlaß des Königlich niederländischen Ministers des Innern vom 24. Januar 1885 sind die italienischen und französischen Häfen — mit Ausnahme der noch für verseucht geltenden Häfen von Tunis und Algier — für frei von Cholera erklärt worden.
Belgien. 1) Königliche Verordnung vom 19. Januar 1885. A. Quarantänemaßregeln. .
Art. 1. Für die von den nördlichen und westlichen Häfen Spaniens und von allen mittelländischen Häfen Afrikas anlangenden Schiffe wird die Quarantäne beibehalten.
Die Gesundheitsbehörden können jedoch, wenn sie es ohne Ge⸗ fährdung der öffentlichen Gesundheit für zulässig erachten, diese Qua⸗ rantäne in gewissen Fällen für die aus den vorstehend genannten Häfen kommenden Schiffe ermäßigen. 8 8
Art. 2. Für die direkt aus italienischen und französischen Häfen kommenden Schiffe ist die Quarantäne aufgehoben. Diese Schiffe unterliegen der einfachen Durchsuchung. 8
Art. 3. Alle aus den oben bezeichneten Häfen kommenden Schiffe, welche einen reinen Gesundheitspaß mit dem Visum des Konsuls und der Bescheinigung, daß keine der Verbreitung der Cholera verdächtige oder fähige Waare an Bord befindlich ist, nicht vorzeigen können, werden ohne Rücksicht auf die Dauer ihrer Reise einer 24 stündigen Beobachtung unterworfen.
B. Eingangs⸗ und Durchgangsverbot.
Art. 4 Der Eingang und Durchgang von Hadern und Lumpen, Bettzeug, getragener Wäsche, gebrauchten Kleidern und Kleidungs⸗ stücken (mit Ausnahme des Reisegepäcks), welche aus einem der Cholera verdächtigen Lande kommen, sind bis auf Weiteres noch verboten.
Art. 5. Ebenso bleiben der Eingang und der Durchgang von Hadern und Lumpen untersagt, welche aus Ländern kommen, in denen die Cholera während des Jahres 1884 herrschte und gegenwärtig er⸗ loschen ist. 8 1 1
Jedoch werden neue Abfälle, welche direkt aus Spinnereien, Webereien oder Anstalten zur Verfertigung von Kleidungsstücken kommen, zum Ein⸗ und Durchgange unter der Bedingung zugelassen, daß diese Abstammung durch eine schriftliche Erklärung des Inhabers der Ursprungswerkstatt nachgewiesen wird; diese Erklärung muß durch die Ortsbehörde oder durch den belgischen Konsul des Abfertigungs⸗ orts als richtig bescheinigt und bestätigt sein. 1
Art. 6. Bettzeug, getragene Wäsche, gebrauchte Kleider und Kleidungsstücke, welche aus den im Art. 5 genannten Ländern kom⸗ men, werden ohne besondere Genehmigung oder Desinfizirung zum Ein⸗ und Durchgange zugelassen, wenn sie mit einer Bescheinigung der Ortsbehörde versehen sind, aus welcher hervorgeht, daß seit dem 1. Januar 1884 kein Fall von Cholera vorgekommen ist.
In Ermangelung dieser Bescheinigung werden die gedachten Gegenstände nur mittels der Eisenbahn oder zur See zur Einfuhr zugelassen und den Betheiligten nur nach vorausgegangener Desinfektion verabfolgt.
Diese Desinfektion muß in einem Orte an welchem sich ein öffentliches Waarenlager befindet, auf Veranlassung der Gemeinde⸗ behörde und auf Kosten der Betheiligten geschehen. 8
Art. 7. Hadern und Lumpen, Bettzeug, getragene Wäsche, ge⸗ brauchte Kleider und Kleidunzsstücke, welche aus nicht im Jahre 1884 von der Cholera befallenen Ländern kommen, werden nur, nachdem ihre Abstammung im Interesse der Zollverwaltung nachgewiesen wor⸗ den ist, zum Ein⸗ und Durchgange zugelassen.
Art. 8. Alle Uebertretungen der vorstehenden Vorschriften wer⸗ ven nach Maßgabe der betreffenden Gesetze und Verordnungen be⸗
raft.
Art. 9. Durch Erlaß Unseres Ministers des Innern und des öffentlichen Unterrichts werden die Länder oder Gebiete bezeichnet werden, auf welche diese Verordnung ganz oder theilweise Anwen⸗ dung findet.
Art. 10. Unser Minister des Innern und des öffentlichen Un⸗ terrichts ist mit der Ausführung dieser Verordnung beauftragt, welche am achten Tage nach ihrer Veröffentlichung im „Moniteur“ in Kraft tritt.
2) Erlaß des Königlich belgischen Ministers des Innern und des öffentlichen Unterrichts vom 19. Januar 1885.
Der Art. 4 der Königlichen Verordnung vom 19. Januar 1885 findet auf die aus Indien, Algerien und Spanien, und die Art. 5 und 6 finden auf die aus Italien, Frankreich und Egypten kom⸗ menden Schiffe Anwendung.
Griechenland.
Durch Erlaß der Königlich griechischen Regierung vom 9./21. Ja⸗ nuar 1885 ist die über die Provenienzen zus Algier verhängte Quarantäne („R.⸗A.“ Nr. 306 vom 30. Dezember 1884) vom 7./19. Januar d. J. ab auf eine 24stündige Beobachtungsquarantäne herabgesetzt worden.
Marokko.
Die aus Italien und den französischen Häfen am Mittelmeere kommenden Schiffe werden in Marokko wieder zum freien Verkehr zugelassen.
Berlin, 6. Februar 1885.
Mit dem Bazar, welcher zum Besten eines Asyls zur Be⸗ schäftigung entlassener Strafgefangenen gestern im großen Saale der Kriegs⸗Akademie eröffnet wurde, ist eine Lotterie ver⸗ bunden, in deren erster Abtheilung einige der von Ihren König⸗ liche Hoheiten dem Prinzen und der Prinzessin Wilhelm für den Bazar gemalten Bilder besonders zum Ausspielen kommen. Prinz Wilhelm hat eine ganze Anzahl Marinen übersandt, die von Ihm selbst mit kunstgewandter Hand in Federzeichnung auf Holz ausgeführt sind und die als Deckel zu Schreibmappen u. dergl. praktische Ver⸗ wendung finden können. Peinzessin Wilhelm hat für den Bazar reizende Sachen auf Holz gemalt und auf sammetenen Photographirrahmen mit dem der Hohen Frau eigenen Geschick Arrangements aus Edelblumen befestigt. Für die zweite Abtheilung bilden die nicht zum Verkauf gelangten Gegenstände die Gewinne. Der Verkauf der Loose zum Preise von 1 ℳ erfolgt in dem Bazar selbst, wo auch die zur Verloosung bestimmten Bilder ausgestellt sind. Eine lange Tafel, welche die westliche Querwand einnimmt, ist ausschließlich mit Gaben Allerhöchster und Höchster Herrschaften bedeckt. Die Kaiserlichen Majestäten haben eine Fülle reizender Sachen geschenkt Von den Gaben Ihrer Majestät erwähnen wir nur eine kostbare Schale, die das Bildniß von Schloß Babelsberg zeigt, und zwei große Majolika⸗Krüge mit dem deutschen Adler. Ihre Kaiserliche Hoheit die Frau Kronprinzessin hat ihrer Theilnahme für das Unternehmen durch Uebersendung eines selbst gemalten Bildes, eine Kapelle bei Meran darstellend, Ausdruck gegeben. Fürstlich ist der Bazar von den Großherzoglich sächsischen Herrschaften bedacht worden. Der Großherzog sandte u. A. ein Oelgemälde und eine werthvolle Vase. Der Großherzog von Baden schickte eine Majolikavase, die dem heimathlichen Ursprungsort, einer Fabrik im Schwarzwald, alle Ehre macht. Prinz Friedrich Karl hat einen kostbaren Spiegel, Bronzen, Majoliken und Ledersachen; auch die Prinzessin Elisabeth von Sachsen⸗Weimar und die Erb⸗ prinzessin von Reuß haben dem edlen Zwecke Gegenstände aller Art gewidmet. Zwei weitere Tafeln sind angefüllt mit denjenigen Sachen, die den Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften direkt für den Bazar zugegangen sind.
„Im Laufe des gestrigen Tages besuchten den Bazar die Kron⸗ prinzlichen Herrschaften, die Prinzessin Wilhelm und, im Auftrage Ihrer Ma estät der Kaiserin, die Gräfin Hack 1
Im weiteren Verlauf der gestrigen — des Deutschen Landwirthschaftsraths referirte der stellvertretende Vorsitzende des Landeskulturraths der zweiten sächsischen Ständekammer, Guts⸗ besitzer Uhlemann, über die „Eisenbahntariffrage“. Ein An⸗ trag des Frhrn. von Nordeck zur Rabenau: „Die Delegirten des Landwirthschaftsraths bei dem Verkehrsausschuß der Eisenbahntarif⸗ Kommission zu ersuchen, folgenden Antrag in der] Kommission ein⸗ zubringen, daß für Robhstoffdünger inkl. Kalk, Fäkalstoffe ꝛc. eine Preisermäßigung der Güterfracht auf den deutschen Eisenbahnen allgemein — also auch für die kleinen Leute in Stückgutverkehr — eingeführt werde,“ — wurde angenommen. 1 .
Sodann brachte Oekonomie⸗Rath Dr. Bürstenbinder⸗Braun⸗ schweig den Rechnungsabschluß pro 1883/84 zum Vortrag, und wurde nach Konstatirung der richtigen Rechnungslegung die erbetene De⸗ charge ertheilt. Der Etat pro 1884/85 stellt 22 116,42 ℳ in Ein⸗ nahme und 15 900 ℳ in Ausgabe auf.
Der hierauf zur Diskussion gestellte Antrag des Vorsitzenden, Hrn. von Wedell⸗Malchow: „Der Ausschuß ist berechtigt, aus den Kreisen der Wissenschaft für die jeweilige Wahlperiode 3 Mit⸗ glieder zu kooptiren, welche dadurch für die gleiche Dauer als stimmberechtigte Mitglieder dem Deutschen Landwirthschafts⸗ rath hinzutreten“, rief einen lebhaften Meinungsaustausch hervor, wurde aber nach verschiedenem Für und Wider mit einem kleinen Amendement des Frhrn. von Nordeck zur Rabenau, hinter die Zahl 3 das Wort „außerordentliche“ einzuschieben, mit 27 gegen 21 Stim⸗ men angenommen.
MNiach einer kurzen Pause eröffnete der Graf von Lerchenfeld⸗ Köfering an Stelle des anderweit in Anspruch genommenen ersten Vorsitzenden die weiteren Verhandlungen und ertheilte zunächst dem General⸗Sekretär von Mendel⸗Oldenburg das Wort zum Referat „über die deutsche Kolonialpolitik“. Referent empfahl folgende Resolution zur Annahme: „Der Deutsche Landwirtbschaftsrath erkennt die von der deutschen Reichsregierung eingeleitete Kolonialpolitik (in Afrika und auf den Südsee⸗Inseln) als eine kulturhistorische Nothwendigkeit an, deren Berücksichtigung dem Bestande und der gesunden Fortentwickelung, vor Allem des deutschen Handels und Gewerbes, aber auch direkt und indirekt der deutschen Landwirthschaft zu dienen verspricht. Er giebt ferner der Ueberzeugung Ausdruck, daß, sollen die Früchte dieses Vorgehens der Nation ganz zu Gute kommen, einerseits rückhaltslose Unter⸗ stützung der Bestrebungen der Reichsregierung und andererseits eine nüchterne Auffassung der Thatsachen sowie die Unterdrückung aller abenteuerlichen Illusionen im Volke nöthig erscheinen“ — Die Dampfersubveniion anlangend, empfahl Referent die Resolution: „Der Deutsche Landwirthschaftsratb giebt der Ueberzeugung Ausdruck, daß die Einrichtung regelmäßiger, vom Reiche subventionirter Dampferlinien nach Ostasien, Afrika und Australien ein Bedürfniß ist, welches durch die nationalen, handels⸗ politischen und rein geschäftlichen Anforderungen der Gegen⸗ wart begründet wird. — Die Auswanderung betreffend, wurde folgender Antrag zur Annahme empfohlen: „Der Deutsche Landwirthschaftsrath beschließt, an die Reichsregierung die Bitte zu richten, daß in Erwägung gezogen werde, ob nicht mit gewissen über⸗ seeischen Ländern (besonders den südlich des Aequators gelegenen in Südamerika) Verträge abgeschlossen werden können, welche die deutsche Auswanderung nach jenen Gebieten in der Weise regeln, daß dort die Erhaltung des deutschen Elements gesichert erscheint und eine gewisse Wechselbeziehunng mit dem Mutterlande gewährleistet bleibt.“ — Anknüpfend an das Vorangehende kam Referent auch auf die Verproviantirung der deutschen Marine zu sprechen, und stellte hierzu den Antrag: „die Reichsregierung zu bitten, daß selbe dahin wirke, daß bei der Verproviantirung der deutschen Kriegsmarine in Zukunft noch mehr wie bisher darauf gesehen werde, die betreffenden Artikel, besonders Butter, deutschen Ursprungs seien, indem dadurch nicht allein der deutschen Produktion direkt gedient, sondern die einheimischen landwirthschaftlichen Produkte durch die nach allen Welttheilen gehenden Schiffe auch dort am besten ein⸗ geführt werden können.“ Diese Anträge des Referenten riefen eine eingehende Diskussion hervor, und wurden sämmtlich mit Vorbehalt einiger kleinen redaktionellen Aenderungen einstimmig angenommen.
Hierauf berichtete der General⸗Sekretär Müller Namens der Kom⸗ mission bezüglich der „Feuerversicherung“ und beantragte im Anschluß an den über die Ausführung der Beschlüsse der letzten Plenarversammlung erstatteten Bericht: „Der Deutsche Landwirth⸗ schaftsrath wolle beschließen: 1) Der Deutsche Landwirthschaftsrath erklärt seine Beschlüsse aus der XII. Plenarversammlung durch die Verhandlungen der Kommission mit den Versicherungsgesellschaften im Allgemeinen für erledigt, beauftragt jedoch die Kommission wegen der Ausdehnung der summarischen Versicherung aus der Kompensation auf das lebende Inventar nochmals mit den Gesellschaften auf Gegenseitigkeit in Verhandlung zu treten. 2) Der Deutsche Landwirthschaftsrath beschließt: „In Erwägung, daß vom Verbande deutscher Feuerversicherungs⸗Aktien⸗ gesellschaften eine Revision der allgemeinen Versicherungsbedingungen angeregt ist, eine solche aber ohne einheitliche gesetzliche Regelung des Versicherungswesens den erwarteten Erfolg nicht verspricht, die Kom⸗ mission zu beauftragen, im Anschluß an die früheren Verhandlungen einen Antrag auf Erlaß eines Reichs⸗Versicherungsgesetzes für die nächste Plenarversammlung vorzubereiten.“ Diese beiden Anträge wurden ohne Debatte mit großer Majorität angenommen. — Zum Schluß referirte der Oekonomie⸗Rath Schaffer⸗Kirchberg über Hagel⸗ versicherung und theilte mit, daß die Verhandlungen der Kom⸗ mission mit den Hagel⸗Versicherungsgesellschaften zu einem günstigen Ergebniß geführt haben. Er beantrage demnach: „Der Landwirth⸗ schaftsrath erachtet die Beschlüsse der vorjährigen Plenarversammlung durch die Verhandlurgen der Kommission, mit Ausnahme einzelner Punkte, für erledigt und erklärt: Auch in Bezug auf das Hagel Ver⸗ sicherungswesen ist der Erlaß eines Reichs⸗Versicherungsgesetzes drin⸗ gend wünschenswerth.“ — Nach langer Debatte gelangte dieser Antrag zur “ worauf gegen 4 Uhr Nachmittags die Sitzung vertagt wurde.
— In der heutigen Sitzung, die von dem zweiten Vorsitzenden, Grafen von Lerchenfeld (Köfering), eröffnet wurde, erschien gleich bei Beginn der Minister für Landwirthschaft, Dr. Lucius, und wurde von den Versammelten durch Erheben von den Sitzen begrüßt. Der Minister hielt an die Versammlung folgende Ansprache: —
Meine Herren! Gestatten Sie mir, Sie im Namen der Königlich preußischen Staatsregierung zu begrüßen. Ihr Zusammentritt fällt in eine sehr ereignißreiche Zeit. Derselbe Gegenstand, den Sie auf Ihre Tagesordnung gesetzt haben, beschäftigt gegen⸗ wärtig auch den Deutschen Reichstag. Die verbündeten Regierungen haben geglaubt, den aus allen Gegenden des deutschen Vaterlandes über die Lage der Landwirthschaft an sie gelangten Klagen Folge geben zu muͤssen, indem sie dem Reichstage eine Tarifnovelle für landwirthschaftliche Produkte vorlegten. Da Sie sich mit demselben Gegenstande beschäftigen, so gewinnen Ihre Verhandlungen ein er⸗ höhtes Interesse. Unzweifelhaft werden Ihre Verhandlungen auch für die Berathungen des Deutschen Reichstages von größter Bedeutung sein. Ich wünsche, daß Ihre Berathungen wie bisher, auch diesmal Fr 8en Landwirthschaft zum Heile gereichen mögen. (Lebhaftes
ravo.
Der zweite Vorsitzende, Graf von Lerchenfeld (Köfering), dankte dem Minister Namens des Deutschen Landwirthschaftsraths und theilte mit, daß im Auftrage des Reichsamts des Innern der Geh. Regierungs⸗Rath von Woedtke, im Auftrage des landwirth⸗ schaftlichen Ministeriums der Regierungs⸗Assessor Dr. Hermes und im Auftrage der Königlich bayerischen Regierung Ministerial⸗Rath Dr. Hermann der heutigen Verhandlung beiwohnten. Im Weiteren theilte Graf von Lerchenfeld mit, daß der Gesandte der Argentinischen Re⸗ publik den Deutschen Landwirthschaftsrath zu einer im Jahre 1886 ö“ stattfindenden landwirthschaftlichen Ausstellung einge⸗ aden habe.
Den ersten Gegenstand der Tagesordnung bildete die Unfall⸗ versicherung. Der diesbezügliche Referent, Rittergutsbesitzer Graf
ven Pückler (Schedlau b Falkenberg O.⸗S.) beantragte Namens einer in dieser Angelegenheit gewählten Kommission folgende Resolution:
„Der Deutsche Landwirthschaftsrath wolle beschließen:
I. Der Deutsche Landwirthschaftsrath erklärt seine volle Be⸗ friedigung über die Vorlegung eines Gesetzes, betreffend die Unfall⸗ versicherung der land⸗ und forstwirthschaftlichen Arbeiter.
II. Insbesondere ist er einverstanden mit der Einbeziehung aller überhaupt in landwirthschaftlichen Betrieben gegen Lohn beschäftigten Arbeiter unter das Gesetz.
III. In Verfolg seines Beschlusses vom Jahre 1883 hält der Deutsche Landwirthschaftsrath aber daran fest, daß die Ausdehnung der obligatorischen Krankenversicherung auf die land⸗ und forstwirth⸗ schaftlichen Arbeiter eine dringende Nothwendigkeit ist und betrachtet die Heranziehung der Gemeinden zur Krankenversorgung während der ersten dreizehn Wochen eines Unfalls nur als einen Nothbehelf, um das Zustandekommen des Gesetzes, betr. die Unfallversicherung, nicht zu verzögern.
IV. In Bezug auf die Organisation hält der Deutsche Landwirth⸗ schaftsrath die Bildung von Berufsgenossenschaften zwar für richtig, ist aber der Ansicht, daß die Bildung dieser Genossenschaften im An⸗ schluß an die bestehenden kommunalen Verbände der einzelnen Bundes⸗ staaten erfolgen soll.
V. Der Deutsche Landwirthschaftsrath spricht schließlich seine An⸗ sicht dahin aus, daß eine Vertretung der Arbeiter so lange nicht be⸗ rechtigt erscheint, als eine Krankenversicherung, zu welchen der land⸗ wirthschaftliche Arbeiter Beiträge zu zahlen hat, nicht besteht.“
Das bereits angekündigte große Gemälde von J. von Payer:
„Die Bai des Todes“, wird von Sonnabend, den 7., ab im Salon des Vereins Berliner Künstler, Kommandanten⸗ straße 77/79, täglich von 10— 4 Uhr ausgestellt sein.
Die 8. Ausstellung des Deutschen Vereins für Vogelzucht und Akklimatisation „Aegintha“ ist heute Vormittag in den großen, hellen Räumen des ersten Stockwerks des Haufes Kommandantenstr. 70 mit einer Ansprache des 2. Vorsitzenden, Schriftstellers Lackowitz, er⸗ öffnet worden. Die Ausstellung übertrifft, sowohl was die Reich⸗ haltigkeit wie auch was die übersichtliche wissenschaftliche Gruppirung des ausgestellten Materials betrifft, alle Sing⸗ und Schmuckvögel⸗ Ausstellungen, die Berlin bisher gesehen. Naturgemäß treten auf der Ausstellung, die von 66 Ausstellern beschickt ist und 1922 Nummern mit miadestens 8000 Vögeln umfaßt, die Sänger der heimischen Fluren und Wälder besonders hervor. Entsprechend der praktischen Thätigkeit der „Aegintha“, die Anlagen der Residenz mit Singvögeln zu bevölkern und den Bewohnern der Großstadt die Freude an der Vogelwelt zu erschließen, hat sich der Verein angelegen sein lassen, ein möglichst umfassendes Bild der heimischen Sänger zu bieten, und zwar in Zusammenstellungen, welche die nahe Verwandtschaft der ein⸗ zelnen Familienglieder auch dem ungeübten Auge sofort zu erkennen geben.
Im Königlichen Opernhause setzte Frl. Fritsch gestern Abend ihr Gastspiel als „Zerline“ im „Don Juan“ fort. Die Vor⸗ züge dieser jungen Künstlerin kamen auch bei dieser Vorstellung zu vollkommenster Wirkung. Das Spiel war lebendig und frisch, wenn auch nicht gerade eine fesselnde Originalität darin zum Durchbruch kam; namentlich entwickelt die Dame eine bedeutende schauspielerische Gewandtheit und Beweglichkeit, welche durch die zierliche Erschei⸗ nung und das gefällige Benehmen auf das Beste unter⸗ stützt werden. Der Gesang zeigte dieselbe Accuratesse und Glätte, die schon an der Rolle des Aennchen gelobt werden durfte, und erfreute durch die vollen klaren Töne besonders in den oberen Lagen; aller⸗ dings fehlt der ebenmäßigen, kunstvollen Vortragsweise noch das eigentlich mächtig wirkende Element, die ursprüngliche be⸗ seelende Gestaltungsgabe, welche die Hörer fascinirt. Frl. Fritsch erzielte nach dem Vortrage der meisten ihrer Gesangs⸗ nummern reichen und wohlverdienten Beifall; auch an Blumenspenden mangelte es nicht. Von den heimischen Kräften ist in erster Linie Fr. von Voggenhuber zu nennen, deren glänzende Leistung als „Donna Anna“ bekannt ist; die Künstlerin hatte aber gestern einen besonders guten Tag. Ihre Tongebung war so berückend, ihr Spiel so eindring⸗ lich wie nur je. Der begeisterte Beifall des Publikums nach der großen „Rachearie“ im ersten und der „Briefarie“ im zweiten Theil bestätigte das Urtheil. Frl. Horina fand sich mit der Rolle der „Donna Elvira verhältnißmäßig gut ab und erfreute durch ihren gewandten Vortrag. Der „Don Juan“ des Hrn. Oberhauser entwickelt sich mehr und mehr zu einer vollendeten Gestalt, bei welcher dem Sänger auch seine äͤußeren Gaben trefflich zu Statten kommen. Hr. Biberti führte die Partie des „Masetto“ sehr geschickt durch und wirkte einnehmend durch den sympathischen Klang seiner tiefen Stimme und durch die Einfachheit seiner Darstellung, Auch Hrn. Krolops „Leporello“ verdient Lob, und Hr. Rothmühl endlich erntete als „Octavio“ durch den Vortrag seiner Arien reichen Beifall.
Der schnell rühmlichst bekannt gewordene Pianist, Hr. Emil Sauer, veranstaltete gestern im Saale der Sing⸗Akademie ein Concert, in welchem er wiederum mit bewunderungswürdiger Aus⸗ dauer sämmtliche Vorträge allein übernommen hatte. Wir freuen uns, daß diesmal auch die Klassiker berücksichtigt wurden. Die Fis-dur-Sonate von Beethoven, allerdings ein weniger bedeutendes Werk dieses Meisters, sowie die im großartigsten Style angelegte sogenannte „Wanderer⸗Phantasie“ von Schubert spielte der jugendliche Concertgeber mit einer so geistreichen Auffassung und sicheren Beherrschung der technischen Schwierigkeiten, wie wir sie selten gehört haben. Von den neueren Kompositionen war die be⸗ deutendste und umfangreichste die „Bergfahrt“ von Philipp Schar⸗ wenka: ein charakteristisches Tongemälde, welches eine Reihe von anmuthigen Bildern, Erlebnisse einer Gebirgreise, in Tönen zu schildern sucht. Am gelungensten erschien davon „Zigeuner in der Waldschenke“ und das Finale „Am Ziele“. Sowohl dieses Wer als auch einige andere Stücke von Chopin, Leßmann und Xaver Scharwenka führte Hr. Sauer mit Meisterschaft aus. Das. zahlreich erschienene Publikum zollte ihm auch an diesem Abend reichliche wohl⸗
verdiente Beifallsspenden.
Morgen, Sonnabend, Abends 7 Uhr, findet im Saale der Sing⸗Akademie die zweite musikalische Aufführung der „Neuen Akademie der Tonkunst“ des Hrn. Prof. Frans Kullak statt. Dem Programm zufolge werden sich Schüler un Schülerinnen aller Klassen (Klavier, Solo⸗Gesang, Violoncello, Chorgesong, Komposition, Deklamation) des INüctitnth hören lassen und das Philharmonische Orchester in dem Concer mitwirken.
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Die von dem Schnöpf'schen Gesangverein beabsichtigt Aufführung des „Messias“ von G. F. Händel, zum Besten 1 durch Erdbeben heimgesuchten Bewohner ZE findet in Folge Allerhöchster Genehmigung Sr. Majestät des Kaise am 20. Februar in der Garnisonkirche, unter Mitwirkung 898 Frl. Martha Ramm, Frl. Hel. Wegener, Hrn. Professor ee F Marx Friedländer, statt. Den orchestralen Theil hat die Berline
Sinfonie⸗Kapelle übernommen. 8 8
Redacteur: Riedel.
Verlag der Expedition (Scholz). Druck: W. Elsner. 8 Fünf Beilagen einschließlich Börsen⸗Beilage).
Staats⸗An
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Deutsches Reich.
der in den deutschen Münzstätten bis Ende Januar 1885 stattgehabten Ausprägungen von Reichs⸗Gold⸗ und ⸗Silbermünzen.
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—
Goldmünzen
Silbermünzen
1) Im Monat Januar
d geprägt wor⸗ Doppel⸗ 2* Kronen Kronen
ℳ ℳ ℳ
Kronen
*
Halbe auff Fünf⸗Zwei⸗ Ein⸗
rivatrech. markstücke Markstücke Markstücke Pfennik. — Pfennig⸗ ℳ
Fünfzig⸗ Zwanzig⸗
ℳ ℳ ℳ ℳ ℳ ₰
Berlin.
2 420 660 — — Hamburgg. H . — — —
2 420 660
Summe 1 2 420 660
2 420 660
) Vorher waren geprägi-). 1438 301 380,155 745 30027.969 925 601 575.58071.653 095,102 515 678,168 707 229 71 486 552 — 35 717 92280 z) Gesammt⸗Ausprägung .1..7722 070755 725 300.27 960 925 603 906 24071 653 005102 515 678168 707 220 71 486 552 — 35 717 922 80
1 944 — 8000 886 80
4) Hiervon wieder einge⸗
wogen . 644 940⁄ 494 060 7 480
— 4 475 4 958 4 015
EEEmEEEe
5) Bleiben. 2512 1923 290 785 ℳ
*) Vergl. den „Reichs⸗Anzeiger“ vom 7. Januar 1885 Nr. 5.
in, den 5. Februar 1885. 11““
— 6SS627102 510 720168 7035 2171SISeü36— 2061198 ℳ
Biester.
““ -SHaupibuchhalterei des Reichs⸗Schatzamts.
Preußen. Berlin, 6. Februar. Im weiteren Ver⸗
lauf der gestrigen (42.) Sitzung des Reichstages begann das Haus die erste Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffkend den Beitrag des Reichs zu den Kosten des Anschlusses der freien Hansestadt Bremen an das deutsche Heelet Der Abg. Dr. Witte erklärte, das Gefühl des ganzen Hauses sei dieser längst erwarteten Vorlage gegenüber ein einmüthiges, da der Deutschfreisinnigen Stellung zu dieser Vorlage eine ganz andere sei, als sie seiner Zeit zu der Frage des Zollanschlusses von Hamburg gewesen sei. Damals habe es sich um die Erörterung und Entscheidung der prinzipiellen Frage gehandelt, ob Hamburgs Anschluß an den Zollverein im wirth⸗ schaftlichen Interesse der Nation, ob dies Interesse so groß und zwingend sei, um die großen Opfer des Reiches und die noch größeren Hamburgs zu rechtfertigen. Die dafür ange⸗ führten politischen und nationalen Momente hätten für die Mehrzahl seiner Freunde nicht die durchschlagende Kraft be⸗ sessen, um die sehr gerechten wirthschaftlichen Bedenken seiner Partei gegen die Vorlage und das Vorgehen der Reichs⸗ regierung zu beseitigen, und nach den seitdem ein⸗ getretenen Vorgängen und nach der Stellung Hamburgs zum Reiche und der deutschen Industrie müsse er noch heute sagen, daß seine Ueberzeugung nicht erschüttert sei, das da⸗ malige Vorgehen sei nicht zu billigen gewesen, hätte vielmehr abgelehnt werden müssen. Denn Alle in diesem Hause wüßten, daß in Hamburg genau derselbe Zustand, wie derselbe bisher ge⸗ wesen sei, wenn auch in verkleinertem Maßstabe, wieder her⸗ gestellt werde, daher auch in den wirthschaftlichen Verhältnissen und speziell in den Beziehungen Hamburgs zum Binnenlande in der That kaum etwas, in keinem Falle etwas Wesentliches sich ändern oder gar bessern könne. Ganz anders aber sei die Stellung seiner Partei zu der Bremen betreffkenden Vorlage. Hamburg sei einbezogen, und alle Welt habe gewußt, daß dies nur eine Etappe für den späteren Anschluß Bremens gewesen sei und habe sein sollen. Freilich enthielten die Motive den ihn befremdenden und eine andere Meinung ausdrückenden Passus: „möge es immerhin zweifelhaft sein, ob gegenwärtig, nachdem der Zollanschluß Hamburgs für nahe Zeit sicher gestellt sei, der Zollanschluß Bremens für die Entwickelung des nationalwirthschaftlichen Lebens doch nicht die gleiche Bedeutung habe, wie vordem.“ Im Gegentheil, seine politischen Freunde und wohl das ganze Haus habe von Anfang an die Einbeziehung Hamburgs und Bremens für untrennbar gehalten, und in diesem Sinne habe die Mehrheit die Mittel für Hamburg bewilligt. Der Anschluß Bremens sei von Niemand in Frage gestellt worden. Der⸗ selbe habe in der That nur als eine Frage der Zeit gegolten. Darum seien seine politischen Freunde und er der Vorlage durchaus günstig gestimmt, und seine Partei werde sie ge⸗ nehmigen, nachdem sie in der Budget⸗ oder einer besonderen Kommission eingehend geprüft sei. Die Vorlage entspreche im Text des Gesetzes durchaus der früheren Hamburg betref⸗ fenden Vorlage. In der Motivirung müsse aber ein Umstand auffallen und zu einem interessanten Vergleich Anlaß geben: Bremen sei im Gegensatz zu Hamburg aus⸗ drücklich die Bewilligung eines Freihafens abgelehnt worden, und zwar eines Freihafens, in welchem die Bewegung der Schiffe, die von jeder Zollkontrole befreit seien, und die Anlegung der industriellen Großbetriebe gestattet sein solle. Dies letztere sei der Kernpunkt. Es sei ja ein ganz erhebliches Terrain für die freie Bewegung der Schiffe und Waaren ausgeschieden, womit dem Verlangen Bremens genügt werde. Dagegen sei der Fortbetrieb der industriellen Großbetriebe von diesem Terrain ausgeschieden. In Hamburg sei seiner Zeit ausdrücklich diese Bedingung des Fort⸗ betriebes gestellt und mit Recht erfüllt. In Hamburg würden also auf den Export angewiesene Industrieen in größerem Umfange betrieben werden als in Bremen. Es seien in der orlage die Betriebe aufgezählt, welche für Bremen in dieser eziehung in Betracht kommen könnten und es sollten den bestehenden industriellen Betrieben, welche auf die zollfreie Verarbeitung ausländischer Stoffe angewiesen seien, die thun⸗ lichsten Erleichterungen gewährt werden. Unter richtiger Aus⸗ legung und Benutzung der vorhandenen Zollvorschriften innten, worauf in der That sehr viel ankomme, diese Be⸗ triebe fortgesetzt werden. Die Höhe des Reichszuschusses von 12 bis 25 ½ Millionen Gesammtkosten sei durchaus gerecht⸗
fertigt. Aber obwohl die Vorlage sehr gründlich mit zuver⸗
lässigen und hervorragenden Kaufleuten und Industriellen an rt und Stelle ausgearbeitet sei, so würden sich doch nach
Aüchrichten, die ihm zugegangen seien, die Unkosten der Stadt
remen wesentlich höher belaufen, als sie in der Vorlage
hätten angenommen werden können. Im Uebrigen könne die Vorlage auf unbedingte Annahme rechnen, da sie im Großen und Ganzen das enthalte, was die Kaufleute Bremens und vor Allem sein Senat für nothwendig erachtet hätten, um be⸗ friedigende Zustände herbeizuführen.
Der Abg. Staudy bemerkte, er freue sich, daß auch der Vorredner der Vorlage sympathisch gegenüberstehe. Dessen Motivirung könne er sich aber nicht ganz anschließen. Es sei in Hamburg seit dem Beschluß über den Zollanschluß viel besser geworden, so daß sogar Zweifel darüber laut geworden seien, ob, wenn man das seiner Zeit vorausgesehen hätte, der Zuschuß von Seiten des Reichs bewilligt worden wäre. Es sei aber nicht blos für Hamburg, es sei auch für das deutsche Vaterland besser geworden. In dieser Hoffnung, daß der Zoll⸗ anschluß Hamburgs rationell und wirthschaftlich vortheilhaft wirken würde, habe seine Partei sich auch seiner Zeit für den⸗ selben interessirt. Seine Partei stehe heute auf demselben Standpunkte gegenüber Bremen. Der Vorredner habe darin Recht, daß das Verhältniß, das Deutschland früher zu Ham⸗ burg eingenommen habe, es Bremen gegenüber binde, wenn auch durch jenen Anschluß bereits das Hauptsächlichste gethan sei. Die verbündeten Regierungen hätten auch denselben Standpunkt eingenommen, indem das Reich heute die Hälfte des Kostenanschlages für den Anschluß in der Höhe von 12 Millionen als Zuschuß offerire, wie das Reich damals die Hälfte der Kosten mit 40 Millionen beigesteuert habe. Er bedauere aber, daß die Vorlage bezüglich der Vornahme der nothwendig werdenden Aenderungen in Bremen, der erforderlichen Anlagen ꝛc. dem Hause nur sehr dürftige Mittheilungen mache. Es werde daher das Geeig⸗ netste sein, dieselbe einer Kommission zu überweisen. Wenn freilich blos die Kostenfrage in Betracht käme, dann würde sich die Ueberweisung an die Budgetkommission empfehlen. Wenn aber auch die sonstigen Abmachungen mit Bremen materiell ge⸗ prüft werden sollten, so würde eine solche Menge von Arbeit ent⸗ stehen, daß, wie bei der Hamburger Vorlage, eine besondere Kommision nothwendig würde. Es scheine ihm indessen schwer, an den vereinbarten Abmachungen irgend etwas ändern zu wollen, wie ja auch Hamburg gegenüber seiner Zeit durch die Kommission daran nichts geändert worden sei. Wenn man also diese Abmachungen für feststehend ansehe, so sei es das Geeignetste, die Vorlage an die Budgetkommission zu über⸗ weisen, und er beantrage dies hiermit.
Der Abg. von Benda erklärte, seine politischen Freunde seien der Meinung, daß in der Vorlage die Interessen des Reiches ebensowohl wie die Bremens völlig gewahrt seien, wenn das letztere auch keinen Freihafen erhalte; er wünsche deshalb auch, daß das Gesetz zu Stande komme. Mit Rück⸗ sicht darauf aber, daß die Budgetkommission im Augenblick mit anderen Dingen beschäftigt sei, schlage er eine besondere Kommission vor.
Hierauf ergriff der Staatssekretär des Reichs⸗Schatzamts von Burchard das Wort:
Meine Herren! Bei der sympathischen Aufnahme, welche die Vorlage auf allen Seiten des Hauses gefunden hat, kann ich mich vollständig enthalten, eine nähere Begründung der einzelnen Vorschläge hier zu geben. Es wird von allen Seiten anerkannt, daß der Zoll⸗ anschluß Bremens ein erwünschter ist. daß er im Interesse des ge⸗ sammten Reiches liegt und ebenso auch im Interesse Bremens, und daß der Reichszuschuß von 12 Millionen weder zu hoch noch zu niedrig gegriffen ist, daß auch in dieser Beziehung Anstände nicht zu erheben sind. m
Ich habe mich deshalb nur noch mit einzelnen Ausstellungen zu beschäftigen, die Seitens der Herren Vorredner gegen die Vorlage erhoben worden sind. Wenn zunächst der Hr. Abg. Witte davon ausgeht, daß seine Ueberzeugung nicht erschüttert sei, S-. er nach den wirthschaftlichen Vorgängen, — wie er sich ausdrückte, — den Hamburgs nicht für gerecht⸗ fertigt ansehe, so muß ich sagen, daß ich dies nicht verstehe; denn, so viel ich weiß, ist selbst in Hamburg ein wesentlicher Umschwung in den Anschauungen eingetreten. Auch dort neigt man sich immer mehr der Ueberzeugung zu, daß der Zollanschluß Hamburgs ein rich⸗ tiger Schritt gewesen ist, der den Interessen Hamburgs entspricht.
Was dann die Bemängelung der Motive betrifft, und zwar des⸗ wegen, weil gesagt sei, es möge zweifelhaft sein, ob gegenwärtig, nachdem der Zollanschluß Hamburgs für nahe Zeit sicher gestellt sei, der Zollanschluß Bremens für die Entwicklung des nationalen Wirth⸗ schaftslebens noch die gleiche Bedeutung habe, wie vordem, so ist das eben nur als ein zweifelhafter Punkt hingestellt, und ich enthalte mich, jetzt auf eine nähere Begründung dieser Worte einzugehen; bei ruhiger Erwägung wird es nicht zweifelhaft sein können, daß man beim Zollanschluß Hamburgs ein weitergehendes Interesse unseres Wirthschaftslebens wohl annehmen konnte.
Wenn ich dann zu den Bemerkungen des Hrn. Abg. Staudy, übergehe, so hat der geehrte Herr bemängelt, daß die Vorlage nur dürftige Details über die Einrichtungen, die nothwendig seien, gebe. Dieser Vorwurf ist nicht näher begründet, und ich bin daher nicht in
der Lage, ihn zu widerlegen. Nach meiner Ansicht sind die Mit⸗ theilungen der Vorlage nicht dürftig und ich möchte namentlich hervor⸗
heben, wenn der Herr Vorredner vermißt, daß die Voranschläge dermalen noch nicht vorliegen, daß ein solcher Voranschlag geraume Zeit er⸗ fordert, und daß es nicht richtig gewesen wäre, wenn deshalb, weil die Voranschläge noch nicht fertig waren, die Vorlage aufgeschoben worden wäre. Es kam damals nicht darauf an, genau fixirte Kosten⸗ voranschläge zu haben, man wollte nur das Prinzip prüfen, wonach der Reichszuschuß festzustellen ist. Dabei hat man sich angeschlossen an das Prinzip, das bei Bewilligung des Reichszuschusses an Hamburg maßgebend gewesen war, nämlich die Hälfte der Gesammtkosten bis zu einem gewissen Maximalbetrage. Dasselbe Prinzip ist auch bei Bremen angewendet worden, und es wird sich ergeben, daß es das Richtige gewesen sei.
Der Hr. Abg. Staundy ging dann auch, wie ich meine, von einer unzutreffenden Voraussetzung aus, wenn er sagte, es läge hier ein Kontrakt vor zwischen Bremen und, ich weiß nicht, dem Bundesrath oder einem anderen Factor. Es ist in die Hände des Bundesraths gelegt, diejenigen Erleichterungen, Einrichtungen und Aenderungen der Regulative, welche im Interesse Bremens als nothwendig sich er⸗ weisen werden, zu beschließen. Insofern liegt also nicht etwa cin formulirter Kontrakt vor, an dem irgend ein Wort nicht zu ändern wäre, sondern es liegt hier nur die Vereinbarung der Grundsätze vor, welche der künftigen Gestaltung der Verhältnisse Seitens d Bundesraths zu Grunde gelegt werden sollen.
Bitte aussprechen, die Vorlage nicht der Budgetkommission zu überweisen, sondern dafür eine besondere Kommission von 14 Mitgliedern zu wählen. Die Budgetkommission habe in den letzten Wochen viel arbeiten müssen und habe noch täglich Sifung. Er bitte deshalb, Arbeitstheilung vornehmen zu wollen. Der Abg. Staudy bemerkte, er müsse gegenüber den Ausführungen des Staatssekretärs dabei bleiben, daß A gesichts einer Forderung von 12 Millionen Mark die Motive nicht genügendes Material enthielten. Es würde sich doch empfohlen haben, wenn auch nicht Kostenanschläge, so doch weniastens irgend einen Ueberschlag zu geben. Er habe aber im Uebrigen ja selbst zugegeben, daß auch eine nähere Prüfung wohl ergeben würde, daß mit dem Zuschuß von der Hälfte der veranschlagten Kosten das Richtige getroffen sei. Die Abmachungen seien nicht gerade ein Vertrag, aber e seien doch eben Vereinbarungen. Seine Bemerkung, daß an den Dingen voraussichtlich nichts geändert werden könne, hab nur auf die geschäftliche Behandlung der Vorlage Beziehun Der Staatssekretär von Burchard erwiderte, er möchte sich gestatten, in Bezug auf die letzten Worte des Vorredners darauf hinzuweisen, daß auf Seite 12 der Vorlage ganz ge⸗ nau angegeben sei, was nach Auffassung derjenigen Kom⸗ mission, welche die Verhältnisse an Ort und Stelle geprüft habe, nothwendig sein werde, um den Zollanschluß unter solchen Bedingungen zu bewirken, wie es dem bremischen Interesse entspreche. Es heiße dort: es werde vorzusehen sein: der Bau der erforderlichen Zolldienst gebäude in Bremen und Bremerhaven, die Umgrenzung des Zollausschlußgebietes zu Bremerhaven sowie die Einrichtung desselben, namentlich durch Herstellung der etwa erforderlichen weiteren Räume für die provisorische Lagerung von Waaren, die Herstellung eines Güterbahnhofs für den Verkeh in dem zollinländischen Theil von Bremerhaven, die zollsichere Umgrenzung des zollabgeschlossenen Bezirks in Bremen und die Einrichtung der erforderlichen Hafenanlagen und Lagerräume in demselben. Hiermit sei genau bezeichne welche Anlagen nothwendig sein würden. Wieviel dieselben kosten würden, sei die Kommission außer Stande gewesen, genau zu bestimmen. Dazu gehörten Kostenanschläge, und die hätten nicht beschafft werden können, ohne die Vorlage wesent⸗ lich zu verzögern. Die Vorlage wurde einer besonderen Kommission von 14 Mitgliedern überwiesen. . Es folgte die erste und eventuell zweite Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend einen Zusatz zu §. 12 des Gesetzes wegen Erhebung der Tabacksteuer vom 16. Juli 1879. Die Novelle zum Tabacksteuergesetz vom 16. Juli 1879 enthält einen Zusatz des §. 12 dieses Gesetzes, welcher lautet: „Die obersten Landes⸗Finanzbehörden sind ermächtigt, aus⸗ nahmsweise zu gestatten, daß die Gewichtsermittelung erst nach dem 31. März, jedoch spätestens bis zum 31. Mai des auf das Erntejahr folgenden Jahres, geschehe.“ Der Abg. Müller (Marienwerder) bemerkte, die Vorlage solle einem Bedürfniß namentlich in den Gegenden abhelfen, wo Taback auf Moor⸗ und Torfboden gewonnen werde. Dieser Taback trockne schwerer, als das bisherige Gesetz voraussetze, derselbe verlier in der Zeit vom 31. März bis 31. Mai etwa ¼ seines Ge⸗ wichts; und wenn das Gewicht schon am 31. März ermittelt werde, müsse der Pflanzer 2 bis 2 ½ ℳ pro Centner zu viel Steuer zahlen. Er empfehle daher den Entwurf zur Annahme, wenn er auch glaube, daß der Entwurf allein noch nicht genügen werde, um den Tabackbau in den fraglichen Gegenden, wo seine Lebensfähigkeit ernstlich gefährdet sei, zu erhalten. Der in ländische Tabackkonsum sei in Folge der hohen Steuer bereits erheblich zurückgegangen. Er halte es mindestens noch für nöthig, daß auch §. 19 des Tabacksteuergesetzes geändert werde, welcher bestimme, daß die Steuer deim erstmaligen Verkauf erhoben werde, wenn dieser bis zum 15. Juni statt⸗ finde; sei der Taback bis dahin noch nicht verkauft, so müsse der Tabackbauer die Steuer bezahlen, ehe derselbe den Kaufpreis erhalten habe. Es seien dadurch für den Tabackbauer leicht ernste Verlegenheiten entstanden, und derselbe sei der Ausbeutung der Händler preisgegeben, denen dessen Zwangs⸗ lage bekannt sei. Er behalte sich daher einen Antrag vor dahin, daß die Frist des §. 19 über den 15. Juni hinaus verlängert werde. 1 t Die Vorlage wurde darauf in erster und ohne Debatte in zweiter Lesung angenommen. Es folgten Wahlprüfungen. 8 Die Wahl des Abg. Lorenzen (3. Schleswig⸗Holstein) be⸗ antragte die Kommission für gültig zu erklären, gleichzeitig aber folgende Resolution zu fassen: „den Reichskanzler zu ersuchen, veranlassen zu wollen, daß die Mitglieder des Wahlvorstandes zu Alt⸗Duvenstedt, der Gemeinde⸗ vorsteher Speck, Lehrer Stahl, Jürgen Peters, Johann Harder
und Franz Möller, verantwortlich darüber vernommen werden, ob am 28. Oktober v. J. zu Alt⸗Duvenstedt während der Wahl⸗
Der Abg. Rickert erklärte, er möchte nur die dringende