82 2
feuchten Elements den vollen zu erreichen, in dem Festhalten der eigen⸗ und Luftstimmungen bis fast an die Grenze des Möglichen vorzudringen. Was der Kunst Aiwasowski's
ber fehlt, ist die innere Vertiefung in den Gegenstand der Darstellung und das feinere Empfinden für das intime
Leben der Natur. Wie seine Schilderungen an der Ober⸗ fläche der Dinge haften bleiben, so zeigen sie eine bis zur Un⸗ leidlichkeit gestelgerte Sucht, die Wirkung des Kunstwerks nicht auf seine von innen heraus überzeugende Wahrheit, sondern vielmehr auf die denkbar forcirtesten äußeren Effekte zu gründen. Bei größter Mannigfaltigkeit der behandelten Motive wirkt die Produktion des Künstlers daher in hohem Grade einförmig, und dies umsomehr, als mit der verflachenden Auffassung eine mangelnde Durchbildung und eine manierirte Vortragsweise Hand in Hand gehe. Die so häufig gegen den genialen Ed. Hildebrandt erhobenen Vorwürfe ind hier in ungleich höherem Maße am Platz, nur mit dem Unter⸗ chied, daß das Können oft genug hinter dem Wollen erheblich zurück⸗ bleibt. In Bezug auf die rein malcrischen Ausdrucksmittel fehlt es dem Künstler an der freien und sicheren Beherrschung der Farbe. In den heller getönten Bildern, unter denen sich die weitaus ge⸗ lungensten finden, sieht man über ihre Keaftlosigkeit am leichtesten hinweg, sofern nicht etwa, wie bei der Flotte des Perxes bei Salamis, eine grelle Buntheit den mangelnden Reichthum der Palette zu ersetzen sucht; schwer und hart wirkt sie dagegen da, wo tiefe und satte Tönungen erstrebt werden, wie etwa in der Küfte von Trapezunt mit einer aus dunklen Baumgruppen herrvor⸗ ragenden Moschee. Noch empfindlicher indeß als diese kolo⸗ ristische Schwäche ist der Mangel an Kraft der Auffassung, der da zu Tage tnitt, wo die Aufgabe die bildliche Herausgestaltung eines bedeutenderen Inhalts, die Veranschaulichung der entfesselten Gewalt der Elemente oder die Darstellung eines historischen Vor⸗ gangs im Rabmen der landschaftlichen Scenerie fordert. Wird schon in dem Bilde eines Felssturzes die Wirkung des hochgehenden trans⸗ parenten Wassers, auf dessen Schilderung sich der eeedawe besten versteht, durch die kleinliche Bebandlung der splitternden S einmassen beeinträchtigt, so konnte dem Bilde, das die Schrecken eines Sturmes im Schwarzen Meere schildert, kaum eine unglücklichere, den Ernst der Situation dürftiger ausprägende Staffage gegeben werden, als das ängstlich die Klippen emporkletternde Figürchen eines Schiff⸗ brüchigen, das der ärmsten künstlerischen Phantasie entstammt. In ganz ähnlicher Weise fehlt es dem kolossalen Gemälde, das die Lan⸗ dung des Columbus auf San Salvador darstellt, an jedem tiefergehenden historischen Ernst der Auffassung Mit seinen theatralisch bewegten Figuren und mit dem rosigen Licht, das auf die Gruppen der Landenden und auf die weiter zurück ankernden Schiffe fällt, das die blauen Wogen streift und den Urwald der Küste durchschimmert, erzielt es eine durchaus opernhafte Wirkung, die nichts von der beabsichtigten poetischen Größe des Ausdrucks hat. An denselben Eindruck streifen, trotzdem sie in der ganzen Anlage der Komposition eines gewissen kühnen Wurfs nicht entbehren, die beiden anderen Columbusbilder, ein Schiffsbrand in dunkler durch den wolkenverhüllten Mond kaum erhellter Nacht und ein dem Schiff jähen Untergang drohender Sturm auf hoher See. Aber auch vor einfacheren architektonisch⸗landschaft⸗ lichen Scenerien, wie vor dem Palazzo Casa Dora mit den in grünlichem Licht schimmernden Fagçaden, vor der aus dunstiger Luft auftauchenden Moschee Top⸗Gane in Konstantinopel, bei dem Blick auf die von blaugrünem Mondlicht übergossene Promenade des Anglais zu Nizza zꝛc. fühlt sich der Beschauer unwillkürlich an Bühnendekorationen erinnert, die durch gekünstelte Effekte den Eindruck der einfachen Natur zu übertrumpfen suchen. Die letztere in ihrer ruhigen, alltäglichen Erscheinung vorzuführen, unternimmt Aiwasowsti nur selten einmal, und bei der Richtung seiner Kunst ist es nicht zu verwundern, daß er dann über eine nüchterne, inhaltleere Illustration am wenigsten hinauskommt. Um sich als Maler zur Geltung zu bringen, bedarf es des Ungewöhnlichen und Ueberraschenden, der durch interessante Seltsamkeit frappirenden Motive, die er in den unter besonderen Bedingungen sich über dem Wasser entwickelnden eigenthümlichen Licht⸗ und Luftphänomenen findet und mit aus⸗ gesprochener Vorliebe studirt. Hier ist er auf seinem eigensten Gebiet, und hbier gelingt es ihm, sofern er sich auf die Schilderung des Wassers selber ohne Staffage und reichere landschaftliche Scenerie sowie auf die Wiedergabe jener atmosphärischen Vorgänge, der seltsamen Beleuchtungseffekte unmittelbar vor und nach Sonnenauf⸗ und Niedergang, der auf den Wellen lagernden oder eben unter dem Einfluß des warmen Lichts sich lösenden Nebelschleier ꝛc. beschränkt, den Beschauer durch einen allerdings nicht immer rein künstlerischen, sondern zugleich stofflichen Reiz zu fesseln. In der Gruppe derartiger Bilder begegnet man denn auch ab zu zu,. wie etwa in der Aussicht auf das gegen das Felsenufer fluthende Schwarze Meer mit den wie dunstiges Gewölk über die Fläche der See wallenden weißlichen Nebeln, einem Werk, das nicht blos durch die virtuose Behandlung, sondern auch durch lebendige Erfassung eines eigenartigen landschaftlichen Charakters anzieht. Nicht selten aber verwechselt der Künstler, was freilich begreiflich genug erscheint, gerade bei solchen Motiven die Anforderungen der Studie und die der bildmäßigen Wirkung in so hohem Grade, daß er trotz der forgfältigen Durch⸗ führung doch keineswegs ein abgerundetes, in sich selber ruhendes
5 e,
son eben nur die Vorarbeit zu einem solchen bietet.
Spezialität gepflegten Schilderung des chein der Wirklichkeit hümlichsten Licht⸗
Internationale Ausstellung von Arbeiten aus edlen Metallen und Legirungen.
Zu den anziehendsten und interessantesten Partien der am 15, Junt zu eröffnenden internationalen Ausstellung von Arbeiten aus edlen Metallen und Legirungen in Närnberg wird sicher die historische Abtheilung gehören, die eine alle Erwartungen übertreffende Ausdehnung und Bedeutsamkeit gewonnen hat. Schon der Raum, n welchem dieselbe hauptsächlich untergebracht wird, der große Mit⸗ usstellungsgebäudes, wird durch Zusammenwirken der Edelmetallschläger, Blattmetall⸗-, Bronze⸗ und Bronzefarbenfabrikanten Nürnbergs eine an Glanz und Farbenpracht alle übrigen Räume über⸗ ragende Ausstattung erhalten; er wird als „goldener Saal“ an sich ein Gegenstand der Bewunderung sein. Noch ungleich werth⸗ voller und sehenswerther aber wird der Inhalt dieses gol⸗ denen Saales werden. Hier wird man auf einem verhältniß⸗ mäßig engen Raume Alles beisammen finden, was die verschiedenen Völker und Zeiten aus den edlen Metallen und Legi⸗ rungen zu gestalten wußten, angefangen von der prähistorischen Zeit bis herauf zu unseren Tagen, Dank dem freundlichen Entgegenkommen Seitens der Vorstände öffentlicher Sammlungen, Seitens der Ge⸗ nossenschaften, Seitens vieler Privatpersonen und Antiquare. Eine Aufzählung des Einzelnen würde zu weit führen; es genüge vorläufig ein summarischer Ueberblick, und dieser muß sich für heute auf die Gegenstände aus privaten und öffentlichen Sammlungen beschränken. Zu dem Sehenswerthesten werden die Gegenstände aus der Silber⸗ kammer des Großherzogs von Hessen gehören, ferner die Emaille⸗ und kirchlichen Gegenstände aus dem 11. bis 16. Jahrhundert, welche Fürst Carl Friedrich zu Oettingen⸗Wallerstein ausstellen wird; die Silber⸗ und Goldgefäße aus dem Besitze des Frhrn. Wilh. von Löffelholz, des Oberst Frhrn. von Löffelholz, der Freiherren von Tucher und von Haller, des Regierungs⸗ Rathes von Braun, des Landgerichts⸗Rathes Dr. Cnopf, sämmtlich in Nürnberg; ferner die Emaille, Kupferarbeiten, Bronzen, Silbergefäße und Goldschmiede⸗Probirnadeln des Domvikarz Schnitgen in Cöln, die antiken Schmuckgegenstände des Barons Spinelli in Neapel, die chinesischen Bronzen, welche vom deutschen Konsulat in Canton ausgestellt werden. Außerordentlich zahlreich und mannig⸗ faltig ist sodann die Betheiligung der Museen, öffentlichen Sammlungen, Kirchenverwaltungen. So wird das Museum in römische und merovingische Schmuckgegenstände, rö⸗
Bronzen und Renaissance⸗Messingarbeiten bringen. —
Das Museo Civico in Bologna wird durch etruskische Bronzen ver⸗
inn⸗ und Kupfergeschirre aus dem 16. Jahrhundert, das mährische Zewerbe. Museum in Brünn durch Silber⸗, Kupfer⸗, Bronze⸗ und Zinngefäße der Renaissance, das Herzogliche Museum in Potha durch äußerst interessante Silbergefäße und Geräthe, die theilweise mit Email und Edelsteinen besetzt sind, sowie durch Schmuckgegenstände der Renaissance und hervorragende Arbeiten von Dinglinger. Der Kunstgewerbeverein in Graz bringt Goldfiligran⸗, Schmuck und Bronze⸗, Zinn⸗ und Silberarkeiten, die Landesgewerbehalle in Karlsruhe egyptische und indische Schmuckgegenstände, die Lübecksche Gewerbekammer 13 Silbergegenstände, theil⸗ weise mit Email geschmückt, aus dem 12. bis 18. Jahrhundert, und 12 Gegenstände aus Messing, Kupfer und Bronze, welche namentlich für die Geschichte der nordischen Metalltechnik interessant sind. Die ethnographischen Sammlungen in München werden mit prähistorischen Alterthümern aus alten Indianergräbern und bayerischen Pfahlbauten, ferner mit arabischen, indischen, chinesischen und japanischen Bronzen erscheinen. Kirchliche Geräthe und Gefäße werden die siebenbürgischen Kirchen durch den Superintendenten Dr. von Teutsch in Hermannstadt und die Verwaltung des protestantischen Kirchen⸗ vermögens ausstellen lassen. Die protestantische Kirchenverwaltung in Nördlingen wird das Kleinod der Meistersinger und Bronzeschilde bringen, die württembergischen Staatssammlungen werden durch Silbergegen⸗ stände, das Großherzogliche Museum in Weimar durch Silber⸗ und Bronzearbeiten, das orientalische Museum in Wien durch eine Reihe orientalischer Metallarbeiten, die Fürstlich Liechtensteinschen Samm⸗ lungen in Wien durch vorzügliche Bronzen, Emaillen und bronze⸗ montirte orientalische Porzellanvasen und endlich das von Wagnersche Kunstinstitut in Würzburg durch 23 Bronzen und Emaillen des Mittelalters und der Renaissance vertreten sein. Nicht minder interessant ist, was verschiedene Genossenschaften und die große Zahl der Privaten und Antiquare ausstellt. Der Verein für das Wohl der aus der Schule ent⸗ lassenen Jugend hielt gestern Abend unter dem Vorsitz des Rektors Geßler seine 18. Jahresversammlung ab. Der Perein, der es sich zur hauptsächlichsten Aufgabe stellt, die aus der Schule Entlassenen in tüchtigen Lehr⸗ und Dienstverhältnissen unterzubringen, hat auch im letzten Jahr eine reich gesegnete Thätigkeit entfalten können. Die Schwierigkeit, stets geeignete Lehrmeister zu finden, wird freilich, wie der Vorsitzende konstatiren mußte, von Jahr zu Jahr größer. weil durch die Spezialitäten, in welche sich die einzelnen Handwerke zer⸗ legen, es kaum noch möglich ist, einen Meister zu finden, der im Stande ist, den Lehrling allseitig auszubilden. Der Verein hat sich deshalb an die hiesige Gewerbe⸗Deputation gewendet und um deren Unterstützung nachgesucht, und die Gewerbedeputation hat denn auch sämmtliche Innungen auf den Verein aufmerksam gemacht. Die erfreuliche Folge war, daß sich 124 Handwerksmeister neu den Be⸗ strebungen desselben angesthlossen haben Im Laufe des Jahres mel⸗ deten sich 938 Knaben behufs Unterbringung in Lehrstellen, gegen 741 im Vorjahr; es scheint somit, als ob der Wunsch, in das Hand⸗ werk einzutreten, wieder reger wird. 600 stellten sich persönlich dem Vorstande vor. Von den Gemeldeten wünschten 107 Lehrstellen bei Schlossern, 77 bei Mechanikern, 44 bei Gürtlern, 41 bei Graveuren, 39 bei Buchbindern, ebensoviel bei Lithographen und 36 bei Tischlern. Für die kaufmännische Karriere hatten sich 48 entschieden, während sich 92 Kaufleute behufs Ueberweisung von Lehrlingen an den Verein gewendet hatten. Beim Handwerk lag das umgekehrte Verhältniß vor. Die Gesammtzahl der Lehrherren betrug nämlich nur 256, aller⸗ dings 66 mehr als im Vorjahr, aber immer noch lange nicht ge⸗ nügend, um allen Anforderungen zu entsprechen. — Die Dienstver⸗ mittelung für Mädchen hat sich im letzten Jahre nicht günstiger ge⸗ staltet als früher; vor Allem sind es die Eltern der Mädchen, die sich dagegen sträuben, ihre Kinder in Dienst zu geben, da ihnen Fabrikarbeit u. dgl. nutzbringender erscheint. Im Ganzen waren es nur 47 Mädchen, die durch Vermittelung des Vereins vermiethet wurden, gegen 59 im Vorjahr. Recht erfreulich ist dagegen das Be⸗ streben des Vereins aufgenommen worden, denjenigen Mädchen, die nach der Konfirmation im Elternhause verbleiben, den unentgelt⸗ lichen Besuch der Fortbildungsschule zu ermöglichen. Im Laufe des Jahres wurden 37 Mädchen dieser Vergünstigung theilhaftig. — Das gemeinsam mit der Diesterweg⸗Stiftung erlassene Preisausschrei⸗ ben für eine die Wahl des Berufs erleichternde Schrift hat die Ein⸗ sendung von 22 Arbeiten veranlaßt. Den Preis erhielt die Schrift des Ingenieurs v. Fragstein „Was foll der Junge werden?“ Das Vereinsorgan „Haus und Schule“ erscheint jetzt in zwanglosen Heften. Die Zahl der Mitglieder ist auf 390 angewachsen, die Einnahmen des Vereins beliefen sich auf 2032 ℳ Die Ausgaben erreichten eine Höhe von 965 ℳ; es verbleiben somit 1067 ℳ Ueberschuß gegen 680 ℳ im Vorjahre. Die ausscheidenden Vorstandsmitglieder wur⸗ den wiedergewählt, Bildhauer Wenzel trat neu in den Vorstand.
Vor ungefähr sechs Jahren wurde in den Kreisen der Stenographen der Gedanke angeregt, dem Erfinder jener Kunst, welche es ermöglicht, das gesprochene Wort im Fuge zu fesseln und der Vergessenheit zu entreißen, dem Erfinder der Stenographie, Franz Xaver Gabels⸗ berger, in seiner Geburtsstadt München ein Denkmal zu setzen. Zur Verwirklichung dieses Gedankens wurde ein Ausschuß aus Männern aller deutschen Gaue sowie anderer Nationen niedergesetzt. Nachdem nun die Errichtung des Denkmals gesichert ist, erläßt das Comité an die Künstler die Einladung zu einer freien Konkurrenz um dieses Denkmal. Dem ausführenden Comité ist anheimgegeben, je nach den verfügbaren Mitteln Geldpreise für beste Leistungen zu ertheilen. Die Prüfung und Begutachtung der eingesandten Entwürfe nimmt die Königlich bayerische Akademie der bildenden Künste im Vereine mit Mitglie⸗ dern des ausführenden Comités zur Errichtung eines Gabelsberger⸗ Denkmals vor. Letzteres Comité beschließt über die endgültige Zu⸗ theilung der Arbeiten zur Ansführung. Das Denkmal soll als Standbild in Erz den Erfinder der Stenographie porträt⸗ ähnlich wiedergeben. Das Denkmal wird in München an der Kreuzung der Otto⸗ und Barerstraße aufgestellt. Für die Modelle ist ein solcher Maßstab zu wählen, daß die Stand⸗ figur eine Höhe von 50 cm erhält. Außerdem ist eine Porträtbüste Gabelsbergers mindestens in. Lebensgröße einzusenden. Die Modelle Eund die eventuell dazugehörigen Skizzen und Zeichnungen sind bis längstens 1. Juli 1885 unter Beigabe eines Molto an das ausführende Comité in München einzusenden; dieses Motto ist als Angesse einem zweiten verschlossenen Schreiben anzufügen, welches den Nämmnen und Wohnort des Künstlers enthält. Letzteres Schreiben wird erst nach Fällung des Urtheils der Prüfungskommission geöffnet. Der Einsendung des Modells ist zugleich ein detaillirter Kostenvoran⸗ schlag beizufügen. (Erdaushub, Fundament, Sockel, Erz, Guß, künst⸗ lerische Thätigkeit für Herstellung des Modells, für Herstellung des Standbildes in seiner wirklichen Größe ꝛc.). Je nach Möglichkeit wird nach Schluß der Konkurrenz eine öffentliche Ausstellung der ein⸗ gesandten Entwürfe stattfinden. Das Comité trägt die Haftung für die eingesandten Entwürfe vom Tage des Eintreffens bei ihm bis zur Absendung und für entsprechende sichere Verpackung. Die Kosten der Zusendung der Modelle mit Zubehör hat der Einsender zu tragen; die Kosten der Rücksendung werden von der Denkmalskasse über⸗ nommen. Bis längstens 1. Januar 1886 erfolgt die Zutheilung der Ausführung des Denkmals an den durch das ausführende Comité mit derselben betrauten Künstler. Bis längstens 1. August 1889 muß das Denkmal vollständig fertig auf dem genannten Platze aufgestellt sein. Für die Ausführung des Denkmals werden circa 30 000 ℳ aufgewendet werden. Weitere Auskunft, insbesondere über den für das Denkmal bestimmten Platz ertheilt das ausführende Comité in München, Frauenhoferstraße 28/2.
„Augustin Hirsvogel als Töpfer.“ Seine Gefäß⸗ entwürfe, Oefen und Glasgemälde. Von Carl Fried⸗ rich, Bibliothekar am Bayerischen Gewerbemuseum in Nürnberg. — Dieses Werk, welches bald nach Ostern erscheinen soll, wird, dem darüber ausgegebenen Prospekt zufolge, zunächst eine „viel Neues ent⸗
eten sein, dass Museum schlesischer Alterthümer in Brezlau durch
“
Monographie Augustin Hirsvogels darbieten. Dann abe
auch die Werke dieses hervorragenden Künstlers, nachdem sie Flblen darin lang der Vergessenheit anheimgefallen waren, wieder ans Tageslicht gebracht und gezeigt werden, wie viel gewöhnliche Töpferarbeit bish
fälschlich unter seinem Namen verbreitet wurde. Besonders soll 8 darin epochemachend in Bezug auf die Ofenfabrikation uns selbst von nachhaltigstem Einfluß auf die Kreussener Gefäß⸗ industrie erscheinen. Es würden uns in dem Werk d ganz neue, höchst interessante Resultate geboten werden. Aber es soll uns den Meister auch noch in einer anderen Richtun
thätig zeigen, indem „es zum ersten Male eine Reihe hervorragenden Glasgemälde Augustin Hirsvogels an das Licht bringt, die dem Künstler eine ganz andere Bedeutung vindiziren, als man ihm bisher zugestehen wollte“. Das Buch wird eine reiche illustrative Aus⸗ stattung erhalten, behufs welcher der Verfasser sämmtliche Gefäͤß⸗ entwürfe Hirsvogels (u. a. sogar die im britischen Museum in London aufbewabhrten), ferner die Glasgemälde, die ra⸗ dirten Ornamentzeichnungen für Goldschmiede, die landschaft⸗ lichen und figürlichen Zeichnungen des Künstlers gesammelt hat Der Verfasser verspricht also, uns den vielseitigen Meister in allen Zweigen seiner Thätigkeit vorzuführen, und zwar in Wort und Bild. Auch will er darin manche andere Fragen, wie z. B. über die An⸗ wendung des Zinn⸗Emails, über den Meister J. 8. P., über das Ge⸗ burtsjahr des Künstlers und seine Reise nach Venedig, zu lösen oder doch deren Lösung zu fördern suchen, und hat andererseits, wie er behauptet, Irrthümer und Fabeln, welche über Hirsvogel verbreitet waren, ein für alle Mal, abgethan. Der Verfasser hofft, daß sein Buch bei Künstlern, Kunstgewerbetreibenden und Kunstfreunden Interesse finden werde, damit ihm die Herausgabe möglich sei und „der Name Augustin Hirsvogel in seinem vollen Glanze am Sternenhimmel deutscher Kunst wieder aufgehen könne.“ Er eröffnet daher eine Subskription darauf und macht bekannt, daß das Buch in Quartformat erscheinen und mehr als 40 Tafeln mit Ab⸗ bildungen enthalten soll. Der Preis ist, damit die Ausstattung würdig und der Bedeutung des Künstlers entsprechend hergestellt werden kann, auf 20 ℳ für das Exemplar festgesetzt. Die Liste der Subskribenten soll dem Buche beigegeben und das letztere nur in einer der Zahl der Unterzeichner entsprech Auflage gedruckt werden. 1““ 8
London, 14. Februar. (W. T. B.) Der Tunnel unter dem Mersey⸗Flusse, welcher Liverpool mit Birkenhead ver⸗ bindet, ist gestern eröffnet worden.
des hiesigen Armen⸗Irrenhauses sind, nach den bisherigen Er⸗ mittelungen 28 Personen ums Leben gekommen.
Das Königliche Schauspielhaus brachte gestern den „Tar⸗ tuffe“ von Molisre neu einstudirt zur Aufführung. Die heitere Muse des großen französischen Komödiendichters hat bei ihrem gestrigen Er⸗ scheinen nach so langer Unterbrechung wieder eine große Wirkung ge⸗
Publikums den Charakter einer dramatischen Novität. Vor gefülltem Hause, welches von dem reichen jedem Aktschluß widerhallte, wurde die lustige Satire in gebotenem schnellem Tempo abgespielt. Die Darstellung war eine recht gute; in der schwierigen Rolle des scheinheiligen Heuchlers „Tartuffe“ zeigte Hr. Kahle seine schauspielerische Originalität in ganzem Umfange. Er zeichnet die Figur in weichen Contouren vermeidet durch seine fein pointirte und doch gemäßigte Darstellung die häufig sehr nahe liegende Klippe der Karrikatur. Schon äußerlich deutet er durch das lang herabwallende Haar, durch die weiche, blass Maske mit den selten erhobenen, oft nur verstohlen a filitenden Augen den glatten salbungsvollen Heuchler an. Daß der Künstler bei de Allem sich vor Uebertreibung hütete, macht mit aus. Die übrigen Mitwirkenden boten ebenfa Leistungen. Hr. Oberländer (Orgon) zeichnete den umgarnten Ehe⸗ mann und Vater mit kräftigen und frischen Pinselstrichen; seine liebenswürdige Partnerin, Fr. Kahle⸗Keßler (Elmire) spielte die leb- hafte und, intriguirende junge Frau mit Geist und Diskretion. Eine allerliebste Leistung war die des Frl. Conrad als „Dorine“. Die Künstlerin gab das schelmische und kluge Kammermädchen so gefällig und anmuthig, wie es dem Dichter nu⸗ vorgeschwebt haben kann. Die heitere Laune, der bei jeder Gelegen heit in unerschrockenen Reden zu Tage tretende gesunde Menschen verstand standen ihr allerliebst zu Gesicht. Auch die kleineren Rollen kamen durch die Damen Fr. Frieb⸗Blumauer (Mad. Pernelle) und Frl. Abich (Marianne) und durch die Herren Hellmuth⸗Bräm (Kleanth), Dehnicke (Damis), Müller (Valère) und Krause (Loyal vollkommen zur Geltung. Das Publikum unterhielt sich trefflich und gab seiner Anerkennung für die gelungene Darstellung durch wieder⸗ holten warmen Beifall Ausdruck.
Das Deutsche Theater veranstaltet am nächsten Dienstag, den 17., einen „Heyse⸗Abend“. Zur Aufführung gelangen 3 einaktige Stücke von Paul Heyse. Zwei derselben, nämlich das Trauerspiel „Ehrenschulden“ und das Lustspiel „Unter Brüdern“ erscheinen als Novitäten, während das sich anschließende Lustspiel „Im Bunde der 8 Dritte“ bereits in der vorigen Saison mit Erfolg gegeben wurde. Der Dichter ist bereits gestern Abend hier eingetroffen und wird den 8 letzten Proben beiwohnen. — In der morgen, Sonntag, stattfindenden Aufführung des „Fiesko“ wird Hr. Sommerstorff zum ersten Male die Titelrolle spielen. Am Montag werden auf vielfachen Wunsch „Die Räuber“ gegeben. Im Uebrigen bringt das Repertoire der nächsten Woche außer den Wiederholungen des Heyse⸗Abends noch Wiederholungen von „Fiesko“ und „Der Weg zum Herzen“.
Im Walhalla⸗Operetten⸗Theater hat der „Feld⸗ prediger“ bereits die sechsunddreißizste Wiederholung erlebt, ohne 1 an Zugkraft nur im geringsten eingebuͤßt zu haben. Die frische, von patriotischem Geist getragene Handluna verleiht dieser Operette einen eigenen Reiz, der durch die gefällige Millöckersche Musik noch erhöht wird; es ist erfreulich, statt der in diesem Kunstgenre leider oft stark vorherrschenden Frivolität, hier einem ernsteren Gedanken Ausdruck gegeben zu sehen, und die glückliche Lösung der Aufgabe, welche sich die Autoren gestellt hatten, beweist, daß auch Operetten edleren Zwecken dienstbar gemacht werden können. Die Glanzpunkte des vortrefflich inscenirten Stückes finden nach wie vor die lebhafte Anerkennung des Publikums; insbesondere ruft der Schluß des zweiten Aktes mit seinem prächtigen Bilde stets die allgemeine Bewunderung hervor, und trägt der künstlerischen Leitung des Etablissements jeden Abend neue Anerkennung ein. Die Besetzung der Rollen ist im Wesentlichen dieselbe geblieben. An Stelle des Frl. Jenny Stubel als Rosetta ist Frl. Lehmann getreten, welche durch graziöses Spiel und hübschen Vortrag sich allgemeinen Beifalls zu erfreuen hat, was sich in gleicher Weise von Frl. Erdösy als Minna sagen läßt. Hr. Link und Hr. Steinberger wirken nach wie vor als Amtmann und Gemeindediener zusammen und erzjielen an jedem Abend durch ihre drastische Komik neue Lach⸗ erfolge; der Vorwurf, daß Beide ein wenig übertreiben, kann ihnen jedoch nicht erspart bleiben. Die gefällige Operette dürfte noch lange das Repertoire des Walhalla⸗Operetten⸗Theaters beherrschen und die durch ein volles Haus reichlich für ihre Anstrengungen be⸗ ohnen.
9
Redacteur: Niedel. Verlag der Expedition (Scholz). Druck: W. Elsner. Sechs Beilagen “ 6
Berlin:
haltende, die Gang und Gäbe gewordenen Irrthümer korrigirende“
(einschließlich Börsen⸗Beilage).
1u
Philadelphia, 13. Februar. (W. T. B.) Bei dem Brande
habt; fast gewann die Vorstellung in Bezug auf das Benehmen des Beifall der Zuschauer nach
III Württemberg
Reichs⸗An
raeamnmm
Berlin, Sonnabend, den 14. Februar
zeiger und Königlich Preußisch
Staats⸗Anz
n Auzeiger.
Deutsches
a chweisung . vom 1. April 1884 bis zum
N an Wechselstempelsteuer im Deutschen Reiche für die Zeit
Reich.
Schlusse des Monats Januar 1885.
der Einnahme
8 Mgas Pens 2. 3. 11“ 8 * 8— 1“
Einnahme im Monate Januar
Ober⸗Post⸗Direktions⸗Bezirke. ℳ
Hierzu Einnahme in den Vormonaten.
4. b. 6.
Einnahme in dem⸗ selben Zeitraume In 1884/5 des Vorjahres b ö — weniger ℳ ₰
Zus ammen.
s I. Im Reichs⸗Postgebiete.
) Königsberg ) Gumbinnen ) Danzig.
1 2 3 4) Berlin. 5)
6
68 492 90 3 298 30 6 316 40 6 471 70
4 572 3 361 14 790 7 349 5 536 15 080 7 377 11 254 5 816 5 992 1722 4 763 18 555 4 250 28 731 14 766 8 609 3 690 35 645 2 185 12 944 37 375 21 744 5 207 10 806 3 822 7 196 14 294 64 455
otsdam . * rankfurt a./O.. Biettin . 8) Cöslin. 9 ½ 10)
1) 1
2) Legnitz.
3) Oppeln.. 14) Magdeburg 15 8 a./S. 16) Erfurt. EEe11“] 18) Hannover. 19) Münster 20) Minden 21) e 22) Casse vb 29) Frankfurt a./M. EE1“”“; 2) Aachen.
26) Coblenz.
N) Düsseldorf.
28) Trier
29) Dresden
30) Leipzig.
31) Karlsruhe.
32) Konstanz
33) Darmstadt . 34) Schwerin i./ M.. 35) Oldenburg
36) Braunschweig
37) Bremen 1 38) Hamburg
39) Straßburg i./E. 40) Metz. “
3 217
102 651 27 999
. 542 218 10 3 70 18 179 14349 971 70 10
427
116 030 31 939 111 742 682 722 32 520
— SE
0bo* ⸗ 80
—₰ —
ZSSSB8BESS —2— 888*
48423 45 37 793 40 144 135 90 77 312 40 50 168 70 15 80 90/ 110 295 20 55 378 70 53 164 40 19 394 40 10 40 40 b“ 3 70 50 60 86 58 887 80 991 80 60 2702 50 40 27 20 05 15 25 15 80 30 10 * 60 80 80 53 10
9⁰ 2S 8
28
—,—
ddodo*⸗ — bObdodd—o — —- —
185 681 992 *
1 504 529 30
1 270 20
6 189 55
32 701 60
15 469 70
3 546 20
50 35 509 20
522 004 49 849
Summe I. ““ 24 212
II. Bayern.
4 489 146 25 410 230 70 186 839 65
56 054 90 24 085 50 9 464 70
5 067 v5 435 994 201 587
501711521 — 460 080 40 211 052 05
596 066
Ueberhaupt Berlin, im Februar 1885.
5 086 216
Haupt⸗Buchhalterei des Reichs⸗Schatzamte. 8 Biester.
Amwacmicmtmuamem cm
60 5 682 283 45 5 704 788 V 22 504 V 70
Aicchtamtliches.
reußen. Berlin, 14. Februar. In der gestrigen 68) Elnneg des Reichstages begann das Haus die erste Berathung des von dem Abg. Lenzmann eingebrachten 17 entwurfs, betreffend die Entschädigung für verurthei te und im Wiederaufnahmeverfahren freigesprochene e Abg Lenzmann befürwortete seinen Antrag. Der Gegenstand, den sein Antrag betreffe, habe das Haus 1G mehrfach, ja derselbe habe die gesammte Kulturwelt schon 8 Jahrhunderten beschäftigt. Deutschland sei in der legisla 88 rischen Entwickelung dieser Frage hinter den meisten Kultur⸗ staaten zurückgeblieben; es liege dies theils an der Vorliebe der Deutschen für bloße theoretische Erörterungen, theils auch an der ablehnenden Haltung des Reichskanzlers und des preußi⸗ schen Justiz⸗Ministers. Daß zunächst die moralische Pflicht des Staates zur Entschädigung unschuldig Verurtheilter und Ver⸗ hafteter vorhanden sei, werde Niemand bestreiten, zumal in der heutigen Zeit, wo mehr und mehr die Verpflichtung des Staates gesetzlich fixirt werde, solche Personen, die im öffent⸗ lichen Interesse Nachtheile erlitten hätten, dafür schadlos zu halten. In dieser Richtung bewege sich die ganze sozialpoli⸗ tisce Gesetzgebung des Reiches. Auch das „Deutsche Adels⸗ blatt“ habe sich ganz kürzlich in seinem Sinne ausgesprochen, es habe gesagt, es handle sich hier um einen ritterlichen Kampf. Er hoffe deshalb, die ritterlichen Herren von der Rechten würden seinen Antrag unterstützen. Die von den Gegnern seines Antrages geltend gemachten Gründe seien nicht stichhaltig; die vorhandenen Schwierigkeiten müßten sich überwinden lassen. Wenn die Festsetzung der Entschä⸗ digungspflicht dazu beitrage, unnöthige Verhaftungen zu verhůüten, so würde das nur ein Gewinn sein; allerdings werde der Richter vorsichtiger werden, wo es sich um Verhaftungen handele; andererseits werde aber kein Richter so fiskalisch denken, um eine nothwendige Verhaftung wegen der eventuellen Entschädigungspflicht des Staates zu unter⸗ lassen. Betrügerischen Manipulationen Seitens Verurtheilter, ie man befürchte, wenn sein Antrag Gesetz würde, konnte man leicht durch geeignete Maßregeln vorbeugen; übrigens könne kein Gesetz ganz vollkommen sein; irgend welche Um⸗ gehungen würden immer vorkommen, aber man müsse vor Allem die dringendsten Mißstände beseitigen. Daß die Re⸗ jerung stets erklärt habe, finanzielle Bedenken ständen benem Antrage nicht entgegen, erfülle ihn mit Genugthuung; enn zur Entschädigung unschuldig Verurtheilter müsse die große deutsche Nation Geld übrig haben. Daß sich ein verdrecherisches Gewerbe herausbilden könnte, sich unschuldig verurtheilen zu lassen und dann Entschädigung zu en ei umsoweniger zu befürchten, als Betrüger und Spitzbuben urch andere Verbrechen viel bequemer sich Geld verschaffen
könnten, als auf jenem umständlichen und gefährlichen Wege.
Andererseits hätten sich die Fälle, wo Unschuldige zu lang⸗ jährigen Zuchthaus⸗ und Gefängnißstrafen verurtheilt seien, sortwährend gemehrt; seit einem Jahre seien wieder 13 Fälle vorgekommen, nachdem in den beiden vorhergehenden Jahren in 18 solchen Fällen zusammen auf 80 Jahre Frei⸗ heitsstrafen erkannt worden sei. Aus der in Ee Session in der Kommissionsberathung gegebenen Statisti habe sich ergeben, daß innerhalb zweier Jahre nicht weniger als 258 Verurtheilungen stattgefunden hätten, die später als unberechtigt erkannt worden seien. In diesen Fällen würde die spätere Freisprechung ja oft eingetreten sein, wenn zum Beispiel beim ersten Verfahren der Angeklagte nicht erschienen sei. Was nun seinen Antrag betreffe, so wünsche er nichts sehnlicher, als daß derselbe in keiner Kommission geprüft und dann womöglich noch in dieser Session erledigt werde. Es sei zum dritten Male, daß er diesen Antrag einbringe. Alles inzwischen erhaltene Material habe er eingehend geprüft und seinen Antrag danach modifizirt. Was er dem Hause jetzt als seinen Antrag vorlege, sei nichts Anderes, als die Beschlüsse der Kommission der vorigen Session. Die Motive, welche für diese Kommissions⸗ beschlüsse maßgebend gewesen seien und die in öö“ missionsbericht niedergelegt seien, mache er sich sämmtlich zu eigen. Sein Antrag wolle jetzt nicht mehr die Entschädigung unschuldig Verhafteter, sondern nur die Entschädigung un⸗ schuldig Verurtheilter. Auch die Verhaftung Unschuldiger könne den Betreffenden Nachtheil und Schaden bringen, aber doch nicht in dem Maße, wie die Verurtheilung. Der Ent⸗ schädigung unschuldig Verurtheilter stelle sich, wie es in der Kommission in voriger Session geheißen habe, auch die Regierung sympathisch gegenüber. Aber einen Unterschied machen zwischen vollständiger und unvollständiger Freisprechung, wie die Abgg. von Schwarze und Hartmann verlangt hätten, das gehe doch nicht an. Wer freigesprochen sei, gelte als unschuldig. Ebenso müsse eine Entschädigung eintreten, wenn die Wiederaufnahme des Verfahrens zur Anwendung eines milderen Strafgesetzes oder bei einer Gesammtstrafe zu einer theilweisen Frei⸗ sprechung geführt habe und die nunmehr erkannte Strafe ge⸗ ringer sei als die bereits vollstreckte. Um dem Einwurfe der Regierung zu begegnen, setze §. 3 seines Antrages fest, 25 dem Verurtheilten, der seine Verurtheilung absichtlich Sn⸗ geführt habe, ein Anspruch auf Entschädigung nicht zustehen solle. Dem Vorschlage der Regierungsvertreter, die Entschädi⸗ gung auf dem Gnadenwege erfolgen zu lassen, könne er nicht zustimmen. Er wolle nicht Gnade, sondern Recht. Es dürfe doch nicht übersehen werden, welche Faktoren bei 87 Gnadenertheilung oft mitsprechen würden, 8 wie 88 moralische Würde des Betreffenden den Ausschlag ge 8 und diese moralische Würde oft nach dem religiösen un politischen Standpunkt gemessen werde. Auch dem Vorschlage,
zweckmäßiger, den Anrag an das im Wiederaufnahme⸗
verfahren erkennende Gericht zu richten. Er wolle durch den verfähae im Plenum die Regierung zwingen, aus ihrer Reservestellung heraus zu treten. Denn die letztere habe erklärt, daß sie erst zu positiven Gesetzesvorschlägen übergehen werde, wenn ein Beschluß des Plenums vorliege. Erinnere man sich ber Königlichen Worte Ludwig XVI., der sich seinem Minister gegenüber gewundert habe, daß in seinem Königreich kein Gesetz bestehe, welches die humane Pflicht der Ent⸗ schädigung unschuldig Verurtheilter erfülle. Die Gesammtheit des Staates sei ebenso verpflichtet, Gerechtigkeit zu üben, als der Einzelne. Er bitte, diese Pflicht durch Annahme seines Antrages anzuerkennen.
ierauf ergriff der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Staasetruhr des Reichs⸗Justizamts Dr. von Schelling das Wort: 8 8 f1. eea Meine Herren! Das Gefühl, aus welchem der gegenwärtige An⸗ trag hervorgegangen ist, wird auch von den verbündeten Regierungen getheilt. Dieselben begen ebenso sehr wie das hohe Haus den Wunsch, daß etwaige Irrthümer der Strafjustiz an dem unschuldigen Opfer derselben nach Möglichkeit wieder gut gemacht werden. Sie sind auch meines Wissens, wenn sie im einzelnen Falle die Ueber⸗ zeugung von der Unschuld eines Verurtheilten erlangt haben, nach Möglichkeit bemüht gewesen, demselben eine Entschädigung zu ge⸗ währen, so weit die zu diesem Zweck zur Disposition stehenden Mittel das gestatten. Wenn nun an die Stelle des freien Ermessens, welches bisher auf diesem Gebiet waltet, feste Rechtssätze hingestellt werden sollen, so ist ja dieses Streben im Allgemeinen als ein berechtigtes anzusehen; aber es wird doch bei allem Interesse für den unschuldig Verurtheilten, bevor man sich zu einer solchen Einrichtung entschließt, immerhin die Rückwirkung nicht aus den Auzen gelassen werden dürfen, welche eine solche Einrichtung auf die Strafrechtspflege im Allgemeinen zu äußern geeignet ist. Ich fürchte, daß nach dieser Richtung hin dem Antrage Bedenken im Schoße des Bundesraths entgegentreten werden. Ich habe 18. besondere darauf aufmerksam zu machen, daß der nothwendige Zusammenhang, in welchen die Herren Antragsteller die Entschä⸗ digung mit der Thatsache der Freisprechung im Wiederaufnahmever⸗ fahren bringen, über das Ziel hinausgeht. Das Wiederaufnahme⸗ verfahren kann eingeleitet werden nicht blos, wenn neue “ hervortreten, sondern schon dann, wenn geeignete neue Beweismitte neu erbracht werden. Ist aber das Wiederaufnahmeverfahren ein⸗ geleitet, dann hat der Richter in dem neuen Verfahren nach seinem eigenen Ermessen zu entscheiden. Das frühere Urtheil, die Feststellung desselben, existirt dann für ihn nicht mehr. Der Richter des Wie⸗ deraufnahmeverfahrens muß freisprechen, wenn er nach Lage hess vor ihm stattgehabten Verhandlung die Ueberzeugung von der Schulz des Verurtheilten nicht mehr zu theilen vermag. Nun, meine Herren, liegt es doch in der Natur der Sache, daß die Umrisse des Beweis⸗ verfahrens in dem neuen Verfahren mit geringerer Deutlichkeit er⸗ scheinen als in dem ersten. Liegt etwa gar ein ööö von mehreren Jahren oder von Jahrzehnten dazwischen, so stei⸗ gert sich diese Undeutlichkeit bis zur Lückenhaftigkeit: die vaen lastungszeugen sind verstorben; sie sind ausgewandert oder sonß verschollen; in dem Gedächtniß der noch vorhandenen Zeugen ist der Vorfall vielleicht bis zur Unkenntlichkeit verwischt. „Ein solches nach Jahren wieder aufgenommenes Verfahren wird in häufigen Sees zu einer Freisprechung führen. Kann nun daraus, daß der neue Richter zu der Ueberzeugung von der Unschuld des Angeklagten nicht hat ge⸗ langen können, gefolgert werden, daß das vor 10 oder 20 Jahren gefällte Strafurtheil nach Maßgabe der damaligen ö gerecht gewesen sei? Kann sonach die Freisprechung in Folge der Wie⸗ deraufnahme des Verfahrens keine Garantie dafür gewähren, daß 5 Freigesprochene wirklich unschuldig sei, so läuft man, wenn 8-e. Voraussetzung der Entschädigung so formalisirt, wie im S.- Antrag geschehen ist, Gefahr, daß die Entschädigung auch solchen Verurtheilten zu Theil wird, von deren Unschuld die Volksmeinung keineswegs überzeugt wird, die vielleicht im Kreise ihrer ö und nächsten Freunde immer noch für schuldig gehalten werden. Das wäre eine arge Schädigung des Rechtsbewußtseins. 8. Ich habe geglaubt, diese Bedenken besonders hervorhe sollen; doch ist es nicht meine Meinung gewesen, damit die möglie en Bedenken des Bundesraths zu erschöpfen; ich glaube, den gen des Herrn Vorredners gegenüber dies hervorheben zu so 8 8* bin ja heute nicht in 8 ““ Motive des Bundesraths irgen
n oder zu beschränken. 1
wie 2 binden edüsch das statistische Material anlangt, 8 Herr Vorredner gewünscht hat, so wird dasselbe, wenn der Antrag
an eine Kommission verwiesen wird, mit größter Bereitwilligkeit zur
ü gestellt werden. 3 — M ä bemerkte, er sei mit dem Antrage ein⸗ verstanden, namentlich auch deswegen, weil derselbe die üe. derung der Entschädigung auf die unschuldig Fveener⸗ ten beschränke. Prinzipiell würde er allerdings auch einer Ausdehnung der Entschädigung auf die Haft gutgeheißen haben, aber man wisse, daß ein so cher 8 trag die Zustimmung der verbündeten Regierungen 8 erlangt haben würde. Trotzdem werde der Antrag vorliegenden Form wohl nicht eine Grundlage für die 8. 8 Berathung im Plenum bilden können. Der Antrag s8 e einmal an formellen Mängeln, die nur von einer Fachkom⸗ mission zu beseitigen seien. Dann fehle noch, 18 hauptsächlich Gewicht lege, eine Bestimmung über 8 8 schlimmsten Fall, wo Jemand unschuldig zum Tode verur beiht und hingerichtet sei. Derartige traurige Fälle seien Ee nicht oft vorgekommen, aber so lange die 8 85 haupt noch im deutschen Strafgesetzbuch steye, wür : ie Fälle nicht ganz zu vermeiden sein. “ 8 wolle ein Recht der Entschädigung nur für den vn-. 3 selbst feststellen. Von dem österreichischen Abgeordne 5 sei die Bestimmung zum Gesetz erhoben, daß 8 e F 3 wo Jemand unschuldig hingerichtet sei, die “ 8 berechtigten Angehörigen einen Anspruch auf Entschä igung haben sollten. Er glaube, daß das greegee 85 Tiefste verletzt werden würde, wenn das Haus nicht in as jetzt vorgeschlagene Gesetz eine gleiche Bestimmung beee schreiben wolle. Allerdings werde das eine Aufgabe diffizi er Natur sein. Er schlage deshalb vor, den Antrag Lenzmann an dieselbe Kommission zu verweisen, die bereits mit der rathung des ““ eeg. “ des Ge⸗
icht . es, befa richt ere eng e essanan, erklärte, der Abg. Lenzmann sei mit dieser Vorlage einen Schritt zurückgegangen, ge.-de. glaube, daß der Abg. Lenzmann damit der Sache, die derselbe vertrete, einen guten Dienst geleistet habe. Allerdings fordere
ß der Antrag auf Entschädigung bei dem Reichsgerichte an⸗ Stnc merden solle, könne er nicht zustimmen; es erscheine
8
derselbe auch jetzt noch so viel, daß eine große Anzahl von