von dem Wohlwollen gesprochen, welches derselbe für den Bauer, insbesondere für den kleinen Landmann, besitze. Ihm sei es zweifelhaft, ob dasselbe in allen Fällen zu Tage treten werde. Wenn es sich handeln werde um die Abschaffung der Gutsbezirke oder um die Wahlen zu den Kreisvertretungen, oder um die Lasten für Kirchen und Schulen, oder gar um das Kapitel der Jagd, dann dürfte die Solidarität des Groß⸗ und Kleingrundbesitzes leicht in die Brüche gehen. Nach den Produktionskosten die Getreidezölle zu normiren, sei sehr gewagt; die Produktionskosten ließen sich nicht einmal bei zwei oder drei Landwirthen gleichmäßig feststellen. So ver⸗ armt, wie hier geschildert sei, sei doch der Landmann noch nicht. Seine Meinung beruhe nicht nur auf Theorien, sie werde auch von Praktikern getheilt. Er wolle durch seine Bestrebungen gegen die Zölle nur die schon so stark belasteten Arbeiter schützen. Die Zahl der nach den Angaben des Reichskanzlers durch den Schutzzoll zu Beglückenden solle 26 Millionen betragen. Er glaube, wenn der Reichskanzler hiervon die 21 Millionen der kleinen Grundbesitzer streichen
wolle, so werde derselbe in dem Rest vielleicht die richtige Zahl der Interessenten treffen. Der Reichskanzler habe auch gesagt, die Kornpreise seien seit fünf Jahren nicht so in die Höhe gegangen; er verweise den Kanzler auf die statistischen Tabellen, die dem Hause zugegangen seien. Seit 1879 sei der Wispel Weizen von 201 ℳ auf 225 und 229 ℳ gestiegen, das sei eine sehr erhebliche Steigerung. Der Reichskanzler habe ferner gesagt, der Landwirth, welcher blos 10 bis 20 Morgen in Besitz habe, verkaufe alles, was derselbe baue, mit Ausnahme des Viehfutters, er könne sein Korn nicht in natura gebrauchen. Er (Redner) meine, Keiner von seiner Partei habe jemals daran gerührt, daß der Bauer sein Korn in natura verzehre, aber er wisse, daß der Bauer sein Korn selbst backe und auf diese Weise in Zusammenhang mit dem Preis des Ge⸗ treides stehe. Die Zollpolitik habe mit Schlagworten begonnen. Das erste, das im Jahre 1879 gefallen sei, sei das von der nothleidenden Landwirthschaft gewesen. Es sei richtig, daß dieselbe in den Jahren 1883 und 1884 in keiner ange⸗ nehmen Lage gewesen sei. Trotzdem halte er die Klagen in dem Umfange, wie sie jetzt erhoben seien, für nicht berechtigt. Als nothleidend seien nur einzelne Kategorien von Land⸗ wirthen zu bezeichnen: diejenigen, welche ihre Güter zu theuer gekauft hätten, und die Klasse derer, welche zu hohe Ansprüche an das Leben stellten. Aber diesen Landwirthen könne auch durch höhere Zölle nicht geholfen werden. Er kenne nur eine Klasse von Landwirthen, die er der Berücksichtigung des Hauses empfehlen möchte, die Landwirthe, die nur 10 Morgen besitzen und deshalb ihre Arbeitskraft nicht ganz verwerthen könnten. Diesen Landwirthen sollte man helfen, aber nicht durch Zolleinführungen, sondern dadurch, daß man ihnen durch Parzellirung der Domänen, durch Einschränkung der Fideikommisse und Beseitigung der Besitzer der todten Hand Gelegenheit verschaffe, Grund und Boden zu erwerben. Dann sei das andere Schlagwort ge⸗ kommen, daß der Zoll vom Ausland getragen werde, dem sich jetzt in allerneuester Zeit das Sprüchlein angeschlossen habe: „Habe der Bauer Geld, habe es die ganze Welt“. Eine volkswirth⸗ schaftliche Bedeutung sei demselben doch von keiner Seite beige⸗ messen worden. Er resümire sich dahin: den kleinen Besitzern werde man durch die Erhöhung des Zolles auf Roggen und Weizen nicht helfen können. Die mittleren Besitzer würden vielleicht einigen Nutzen von derselben haben. Aber den Rahm von der Milch würden die Großgrundbesitzer abschöpfen. Die Rechte habe die Majorität; sie könne den Getreidezoll auf 2, 3, 5 ℳ erhöhen, aber die Rechte könne nicht bestimmen, daß dieser 10, 5 oder auch nur 3 Jahre fortbestehen solle. Er hoffe darauf, daß dieser Zoll nur kurze Zeit bestehe, und wenn diese Zeit vergangen sei, dann werde die Rechte ihm zugestehen müssen, daß seine Partei damals Recht gehabt hätte.
Hierauf ergriff der Reichskanzler Fürst von Bismarck das Wort: 1
Ich bin leider außer Stande, dem Herrn Vorredner direkt zu antworten, weil er zu meinem Bedauern hier nicht verständlich war. Das Wenige, was ich im Zusammenhang habe verstehen kön⸗ nen, giebt mir zu einer Beantwortung keinen Anlaß. Ich habe nur ermessen können aus der häufigen Wiederholung der Worte „der Herr Reichskanzler“, daß von mir die Rede war, und aus den Bei⸗ fallsbezeugungen und dem „Sehr wahr!“ in der Nachbarschaft des Herrn Redners, daß es in keinem wohlwollenden und einverstandenen Sinne war. Es thut mir um so mehr leid, daß ich außer Stande bin, das zu widerlegen. Ich glaube außerdem, es sind schon theoretische Argumente genug von beiden Seiten vorgebracht, und sowohl der Herr Vorredner wie auch ich werden etwas Neues nicht vor⸗ bringen können. (Abg. Richter: Es ist kein Wort zu verstehen!) — Ich werde etwas lauter sprechen. Ich spreche wenigstens von einer Stelle, die höher steht; die Herren aber, die dort von unten herauf sprechen, sind garnicht zu verstehen, weil die Köpfe dazwischen sind. Ich bin überzeugt, daß das Organ des Herrn Vorredners gerade so deutlich ist wie andere. Das von unten herauf Sprechen ist bequemer, es ist bequemer, vom Platze aus zu sprechen; aber für uns hier nicht; man erschwert es uns jedesmal, wenn wir antworten sollen. Es war dies mehr ein Monolog, und ich werde deutlicher sprechen, damit dem Herrn Abgeordneten Richter nichts entgeht.
Ich habe nur das Wort ergriffen, um bei den Einwohnern von Danzig und anderen Ostseestädten doch nicht in der schlechten Repu⸗ tation zu bleiben, die uns einige der Herren Vorredner gemacht haben. Es war gestern der Hr. Abg. Möller, nach dessen Aeuße⸗ rungen man annehmen mußte, daß in Danzig eine Art von Noth der Arbeiter und ein Zurückgehen der Geschäfte stattfände. Er bezog sich darauf, daß er diese Thatsache nur obiter erwähnen wollte, weil der Hr. Abg. Rickert ausführlicher darüber gesprochen habe. Ich habe darauf die Rede des Hrn. Abg. Rickert nachgelesen, habe aber das nicht gefunden, worauf sich der Hr. Abg. Möller bezog. Ich muß deshalb annehmen, daß der Hr. Abg. Möller sich damit be⸗ gnügte, Danzig als nothleidend darzustellen, weil es der Hr. Abz;.
8 Rickert gesagt hat. Wenn der Hr. Abg. Rickert es wirklich gesagt hätte in einer Weise, die die Bezugnahme des Hrn. Abg. Möller rechtfertigte, so würde ich ja ihm, der die Danziger Verhältnisse
so genau kennt, sehr viel Glauben beimessen. Hr. Rickert hat aber nur ganz im allgemeinen über den nothleidenden Handel der
Ostseehäfen und Danzigs gesprochen; die Details darüber,
die ich nach der Rede des Hrn. Abg. Möller in der von mir nicht gehörten Rede des Hrn. Abg. Rickert suchte, fehlten auch da.
Es werden indessen dieselben sein, die vor ungefähr sechs Jahren an⸗
geführt worden sind.
Nach den Aeußerungen des Hrn. Abg. Möller mußte man jeden⸗ falls glauben, daß Danzig sich unter der Wirkung der jetzt bestehenden Zollgesetze in einer rückläufigen Bewegung seines Handels befunden hat. Um zu beweisen, daß dies ein großer Irrthum ist, und daß diejenigen Herren, die das andeuten, den Irrthum künstlich erregen, erlaube ich mir einige amtliche Angaben über den Danziger Handel, über Danzigs gesammten Schiffsverkehr vorzutragen.
Ich erspare Fhece die Unterscheidung von Dampfern und Segel⸗ schiffen, aber es ist doch interessant, obwohl es nicht in unsere Dis⸗ kussion gerade hineingehört, daß 1860 in Danzig nur 147 Dampf⸗
Dampfschiffe und nur 974 Segelschiffe; ich führe das in Parenthese an, weil das ein interessanter Beitrag dazu ist, wie unsere Segelschiff⸗ fahrt allmählich in die Dampfschiffahrt übergeht. — Ich gehe also auf die Unterscheidung zwischen Segel⸗ und Dampfschiffen nicht ein und erwähne nur den Raumgehalt der Schiffe, die eingekommen sind. Es sind Schiffe eingekommen: 1877 610 986 t; 1878: 679 592 t; diese Zahl bleibt ungefähr konstant in den Jahren 1879, 1880 und 1881, 1882 steigt sie auf 805 634 t, 1883 auf 867 382 t.
Also unter der Wirkung unserer Seeetre hat sich die einkom⸗ mende Schiffahrt Danzigs wesentlich gehoben. Die ausgegangenen Schiffe waren im Jahre 1877: 604 584 t, 1878: 665 960, 1882: 786 551 1883: 875 664.
Also ganz im Widerspruche mit den Andeutungen der Herren Redner, von denen man glauben sollte, daß, weil sie dort zu Hause sind, sie die Sache sehr genau kennen, befindet sich der Handel Danzigs in einem wesentlichen Fortschritt.
Außerdem hat Danzigs Getreidehandel 1876 an Einfuhr betragen 191 180 t, 1883: 302 000 t; Danzigs Einfuhr im Getreidehandel 1876: 122 700 t, 1883: 246 000 t. 8
Von Danzigs Holzhandel ist der Export seewärts gewesen 1877: 260 000 Schiffstonnnen, 1883: 264 541 Schiffstonnen.
Der Holzexport ist also mindestens sich noch gleich geblieben, während die Herren behaupten, er wäre wesentlich zurückgegangen.
Danzigs Waarenverkehr betrug dem Werthe nach anno 1878 168 482 000 ℳ, 1879 161 344 500 ℳ. 1882 184 714 000 ℳ; also ist g. Zunahme von 16 Millionen Mark gegen das Jahr 1878 zu verzeichnen.
Der Waarenausgang von Danzig betrug 1878 140 Millionen Mark, 1882 160 Millionen Mark. .
Nun könnte man ja glauben, daß die Bewegung im Waaren⸗ verkehr eine unfruchtbare gewesen ist; aber ich habe hier auch einen Beweis dafür, daß der Handel von Danzig ein gewinnreicher war, — zu unserer großen Freude —, ich gönne den Danzigern das, — nur bitte ich die Herren Danziger, uns Landwirthen doch auch etwas zu gönnen, wenn auch nur die Brosamen, die von dem Tische ihres russischen Handels fallen. Dieser Beweis liegt in der Dividende der Danziger Privatbank. Der Bankverkehr pflegt ein Maßstab dafür zu sein, ob der Handel lebhaft ist und zunimmt, oder nicht; nament⸗ lich, wenn der Bankverkehr sich in steigender Progression bewegt, darf man annehmen, daß das handeltreibende Publikum, was an der Bank gerade betheiligt ist, sich ebenfalls prosperirend und in steigenden Geschäften bewegt. Die Danziger Privatbank zahlte 1877 überhaupt keine Dwidende. 1878 5 ½ % 1879 5 %, 1880 5 %, 1881 5 ½ %, 1882 6 ⅜ %, 1888 9 %. Für 1884 ist die Dividende noch nicht notirt. Ich glaube nicht, daß diese Bank unserer großen Seestadt so gute Geschäfte gemacht haben würde, wenn seit dem neuen Zoll ihr Handelsverkehr ein dauernd rückläufiger gewesen wäre. 8
Ich habe noch einige andere Angaben über Danzig, wie ich glaube, — ich werde sie noch finden. 1 8
Man könnte nun glauben, daß vielleicht die Nachbarhäfen an der Ostsee unter den Zöllen gelitten haben. — Doch ich kann zu⸗ nächst noch eine Angabe über Danzig nachholen, das ist der Bericht über Danzigs Handel. 8 1 8
Es betrugen an Getreide und Hülsenfrüchten die Zufuhren 1877 332 132 t, 1878 und 1879 je ca. 400 000, 1880 236 193, 1881 259 170, 1882 411 196, 1883 340 474 t. Wenn Sie die erste und die letzte Zahl betrachten, also 332 000 und 340 000 t, so werden Sie finden, daß die Zufuhr dieselbe geblieben ist.
Der Export seewärts bewegt sich mit gleichem Auf⸗ und Ab⸗ wärtssteigen von 227 000 t im Jahre 1877 auf 246 000 im Jahre 1883. Also auch dort ist eine Abnahme nicht vorhanden.
Von Danzig ist seewärts exportirt 1881 an Mehl 3 735 886 kg, 1882 7 686 549, 1883 7 711 534. Also wenn selbst weniger Getreide exportirt worden wäre, so würde dieser außerordentliche Zuwachs von über 4 Millionen Kilogramm Mehl den Ausfall decken; da aber nicht weniger Getreide exportirt ist, so repräsentirt dieser Mehl⸗ export einen Zuwachs.
Außerdem wurden Kleie und Malzkeime 1 ½ Millionen Kilogramm exportirt im Jaͤhre 1881, dagegen 1882 4 428 434, 1883 4 254 473.
Ferner betrug in Robspiritus und Sprit die Zufuhr 1881 40 680 hl, 1882 63 130, 1883 131 800 hl; die Ausfuhr 36 000, — 57 000, — 121 000.
Also in allen Branchen sehen wir zu unserer aller Freude und im Widerspruch mit den besorglichen Nachrichten, die die eingeborenen Herren Abgeordneten hier verbreitet hatten, eine erfreuliche Zunahme des Danziger Handels und ein Aufblühen dieser großen und wohl⸗ verdienten Seestadt unter dem Regime der bestehenden Zollgesetz⸗ gebung. Hoffen wir also, daß sie unter dem neuen Regime, wenn wir es einführen, noch einen stärkeren Ansprung zu weiterer besserer Entwickelung nehmen wird! — 8 3 8
Bei Königsberg betrug an Getreide, Hülsenfrüchten, Säme⸗ reien im Jahr 1878 die Einfuhr 602 000 t, 1883 606 000; die Ausfuhr 608 000 und 596 000, — sie ist also im Wesentlichen sich gleichgeblieben. Der Gesammthandel Königsbergs hat 1878 1 091 000 t betragen, 1883 1 117 000 t, also ist auch im Wesentlichen konstant geblieben. In Königsberg zeigt sich so wenig wie in Danzig eine Abnahme.
Nun aber wie ist es mit Memel? Das soll ja ganz besonders gelitten haben, wie — ich weiß nicht, welcher von den Herren Rednern behauptet hat, — wahrscheinlich der Hr. Abg. Möller, der ja dort sachkundig und heimathsberechtigt ist — namentlich soll der Holzhandel sehr zurückgegangen sein. 1
In Memel sind, was zunächst die Schiffahrt im Allgemeinen anbelangt, zur See eingegangen 1877 972 Schiffe — Dampfer und Segelschiffe — mit einem Gesammtinhalt von ca. 495 000 chm, nach denen hier gerechnet wird; etwa 3 chm, denke ich mir, gehen auf die Registertonne — 1879 493 000, 1883 552 000 chm. Also auch der Handel Memels befindet sich in fortschreitender Bewegung. Die letzte Ziffer ist nur sehr selten erreicht worden, zwei⸗ mal in Vorjahren, zum Theil weit zurückliegend. So viel ich obiter berechnen kann — ich will aber dafür nicht aufkfommen — würden diese 552 000 chm einem Betrage von etwa 10 Millionen Scheffel Roggen entsprechen; das wäre also immer noch ein recht hübscher Ertrag, wenn der Import wesentlich in Getreide bestan⸗ den hat, — das kann ich aber hier nicht angeben, ich führe das nur beiläufig an. 1
Das war der Eingang, den ich eben erwähnte. .
Ausgegangen von Memel sind mit Segel⸗ und Dampsschiffen 1877 477 000 cbm, 1878 507 000, 1883 648 000 chm. uch hier ist eine Zunahme des Ausfuhrhandels von 477 000 auf 648 000 ebm, also — ich weiß nicht genau — eine Zunahme von zwischen 30 und 40 %. . 3
Außerdem aber passirten den König Wilhelm⸗Kanal Schockbölzer: im Jahre 1878 8573, im Jahre 1883 23 770; an Schiffen passirten 1378: 1319, 1883: 1921.
Meine Herren! Ich bedaure, daß ich Ihnen so viel Ziffern vor⸗ lesen muß, aber man hat oft gesagt, um einen falschen Gedanken zu widerlegen, muß man ein Buch schreiben, — um eine unrichtige Ziffer
mit Angaben zu widerlegen, muß man tausend Ziffern der richtigen Angaben bringen, sonst wird Jedermann glauben, man hat sie einzeln herausgerissen. 1 8 3
Was über Memel noch weiter anzuführen wäre, das ist, daß die Faßhl der dortigen Dampfmühlen sich unter dem Drucke der heutigen
ollgesetze von 15 auf 18 vermehrt hat, und daß daneben der Be⸗ trieb einiger Windmühlen vorhanden ist. —
Dann komme ich noch auf die Frage der Entwickelung von Libau. Ich weiß nicht, welcher von den Herren Rednern sich darauf be⸗ rufen hat, ich hätte vor sechs Jahren über Libau mich geringschätzig geäußert und wäre nun durch die große Entwickelung von Libau glän⸗ zend widerlegt. Ich muß zu diesem Behufe wiederholen, was ich damals gesagt habe:
Die Besorgniß, daß wir die Zufuhr von Getreide von unseren Ostseeprovinzen ablenken, ist, wie mir gesagt wird, von
schiffe einkamen und 2388 Segelschiffe, im Jahre 1883 aber 1068
dem Herrn Vorredner mit Angabe der zunehmenden Schiffs⸗
zahl in Libau unterstützt worden, die sich seit 1872 auf 1268 im Jahre 1878 gesteigert hat, von 367 h . 89 ½ war F-I 8 a, meine Herren, das ganz natürlich, da Verkehr von Libau sich gesteigert hat, daß die anaich u auch über Libau eine stärkere ist, seitdem das russiche Eisenb uhr netz vollendet ist, —— aln⸗ — und namentlich, seitdem die jüngste Eisenbahn gebaut ist, die Libauj direkte Verbindung mit dem Hinterlande, in ein System mit 8 Gouvernements Minsk und Wilna gebracht hat — en seitdem viele Pferdeweiden, Viehweiden und Steppen, die so unkultivirt lagen, durch die Nähe der Bahn und der Bahbef zu einträglichen Gütern geworden sind, seitdem die russische böf treideproduktion in dem Maße sich gemehrt hat, daß in de westlichen Provinzen Rußlands eine Wohlhabenheit besteht in diese Provinzen sonst in Jahrzehnten nicht gekannt haben — e — auf der Basis des deutschen Geldes —
Es ist sehr wunderbar, daß sie sich nicht viel stärker ver⸗
mehrt hat. 1 — Also ich habe mich schon damals darüber gewundert. —
Wenn es für die russischen Produzenten gleichgültig wäre — wenn nicht andere Gründe wären, die sie nach Preußen zögen — müßte Libau noch viel mehr aufgeblüht sein, denn wenn Sie die Karte ansehen, so werden Sie finden, daß alle diejenigen russischen Getreidehändler, welche östlich von Grodno oder ich will sagen, von Wilna liegen, daß die näher, zum Theil vicl näher nach Libau haben, als nach Preußen hereinzufahren. Von Wilna geht die Eisenbahn direkt nach Libau und von Dünaburg geht sie die Düna entlang nach Riga zu, also die Verbindung mit jenen Häfen fehlt nicht, und das ganze weite Gebiet, was viel⸗ leicht drei Viertel, wenn nicht neun Zehntel des russischen Er⸗ portes liefert, hat schon immer viel näher nach Libau und Riga zu fahren als nach Preußen.
Also das Aufblühen von Libau, das wir ihm gönnen können ist kein Ergebniß unserer Zolleinrichtungen, sondern das Ergebniß der russischen Eisenbahneinrichtungen und der sehr guten Ernten und der großen Exporte, die Rußland mebrere Jahre hintereinander ge⸗ liefert hat, und die seinen Häfen zu Gute kommen; darum ist der Export über Libau, namentlich in Hafer, außerordentlich gestiegen. Aber diese Fortschritte Libaus sind nicht auf Kosten Königsbergs Danzigs und Memels erreicht; wenn das der Fall wäre, — und man sollte es fast glauben nach dem Gewichte, das auf das Aufblühen Libaus gelegt wird, — dann müßte sech das als Manko bei Königz⸗ berg und Danzig wiederfinden, was bei Libau zugewachsen ist. Dat ist in keiner Weise der Fall, wie ich Ihnen soeben dargelegt habe, sondern der gesammte Korn⸗ und Schiffsverkehr ist auch in unseren Ostseeprovinzen gestiegen, ebenso wie in Libau. Das kann liegen in der Vermehrung des Exportes überhaupt, zum Theil auch daran, daß Libau durch die letzten Abschlüsse seiner Eisenbahnverbin⸗ dungen einen Theil des Handels von Riga und St. Petersburg an sich gezogen hat. Von St. Petersburg aus wird das durch die Wahrnehmung unterstützt, daß der Haferexport aus Et. Petersburg von 409 000 Ctr. im Jahre 1880 auf 73 000 Ctr. im Jahre 1883 heruntergegangen ist und schon in den Zwischenjahren auf 180 000 Ctr. gefallen war. Das sind keine Effekte, die ihre Ursache in Ernteverhältnissen finden, sondern lediglich in den Verkehrsverhältnissen liegen. Riga liegt als Hafen ungünstiger wie Libau, sobald der Hafen von Libau eine hinreichende Tiefe hat. Die Küste bei Libau ist eisfreier, der Rigaer Meerbusen thaut später auf; die Schiffe aus Riga können des Eises wegen erst später im Jahre ausfahren als die Libauer; außerdem müssen sie das ganze Kap Domesnäs in Kurland umsegeln, bevor sie in die Ostsee kommen; es ist also sehr natürlich, daß auch ein Theil des Rigaer Handels sich nach Libau hin domizilirt. Ich zweifle sogar nicht, daß die Betriebsamkeit der Königsberger Kaufleute diese vortheilhafte Gelegenheit, russisches Korn über Libau zu exportiren, reichlich benutzt hat. Das, was ich vor 6 Jahren an Libau vermißte, um einen Hafen daraus zu machen, nämlich Kapital und unternehmende und geschäftskundige Kaufleute, das haben Danzig, Königsberg und namentlich Stettin den Libauern geliefert, und der Libauer Korn⸗ handel wird vielfach von deutschen Häusern, welche dort Faktoreien oder Korrespondenzen errichtet haben, betrieben und nährt zum großen Theil deutsche Schiffahrt. Bei Weitem das meiste Libauer Korn wird auf deutschen Schiffen verfahren, und von dem großen Export von Libau geht ein erheblicher Antheil nach deutschen Häfen. Dieser Export mag früher, ehe Libau einen fahrbaren Hafen hatte, auf dem Landwege und auf unseren fiskalischen Eisenbahnen zu uns gekommen sein; jetzt wird er auf deutschen Schiffen von Libau zur See nach den deutschen Ostseehäfen verfahren. habe in meinem amtlichen Register gefunden, daß im Jahre 1883 von Libau aus 346 Schiffe mit 127 000 und einigen Registertonnen nach deutschen Häfen gefahren sind. Das hat also der deutsche
andel nicht verloren. Diese circa, wenn ich richtig rechne, 7 ½ Millionen Scheffel, die von Libau nach Deutschland zur See gegangen sind, und großentheils mit Kapitalien von Königsberger und Stettiner Häusern, die sind dem deutschen Import nicht ver⸗ loren gegangen; blos anstatt daß sie früher vielleicht — vielleicht auch nicht — über Königsberg importirt worden wären und von dort mit der Eisenbahn, sind sie jetzt großentheils über Stettin und Lübeck importirt worden. Von Libau nach Memel und Danjig sind nur wenig Schiffe mit Getreide gegangen, dagegen nach Stettin schon
155 Schiffe mit 54 600 Registertonnen. Das ist schon ganz erheblice
Wenn Sie die Registertonne — ich glaube so ungefähr — m. 60 Scheffeln rechnen, so macht das 3 Millionen Scheffel. 81 die sollten die Herren in Königsberg und auch der Hr. Abg. Möller
doch den Stettinern gönnen, damit diese auch ihren Antheil an den
russischen Exporthandel über Libau nehmen. — Ein erheblicher 8* des letzteren ist ferner nach Geestemünde gegangen, und nach 88 99 Schiffe mit 26 000 Registertonnen. Der ganze Export aus 8 an nach unseren Ostseehäfen beträgt 127 000 t. Wenn Sie nun über d 6 beträchtlichen Theil des Libauer Handels Beschwerde führen wollen, 68 ist das doch nur eine Abgunst von einer deutschen Handelsstadt gegend 3 andere; der Handel ist in Stettin und in Lübeck auch in guten Händ 5 und Sie können nicht von uns verlangen, daß unsere Gesebgt e darauf eingerichtet ist, der Stadt Königsberg das Monopo 8 russischen Kornhandels zu bewahren; ich glaube auch nicht, daß dies Hr. Abg. Möller mächtig genug in seinem Einfluß ist, unc 8 durchzuführen. Der Werth des Exports von Libau nach Deuts 881 hat in seiner Gesammtheit 6 Millionen Rubel im Jahre 1 noh 8 Millionen im Jahre 1882 betragen. Das Jahr 1883 ise Ihun nicht bekannt. Diese Werthe müssen Sie doch — wenn Sie 8 Landsleuten dasselbe gönnen wollen, wie sich selbst — von dem Quan un abziehen, welches Sie dem Libauer Handel mißgönnen. Penchm kommen dem deutschen Handel, der deutschen Schiffahrt zu vsers Mir kam es blos darauf an, daß die Danziger und ichen übrigen dortigen Landsleute, die, wenn ich mich nicht mit 9 üben Aktenstücken bewaffne, wahrscheinlich ihrem Abgeordneten mehr gla 188 als mir — daß die doch darüber aufgeklärt würden, daß 5 8 Abgeordnete sich in einem Irrthum befindet. Er wäre wo äng⸗ Stande gewesen, ihn aufzuklären, wenn er diese Jedermann hügeser lichen Listen seinerseits nachgesehen und sich überzeugt hätte, daß den baltischer Handel sich nicht in dem elenden Zustande befindet, er andeutete. 1 1 s. ob ich Da ich einmal das Wort habe, uad ich nicht weiß, n, die hier bleiben kann, so möchte ich noch eine Thatsache berichtigen, ert ich bei meinem heutigen Suchen nach den Details des Hrr. über den “ von Danzig zufällig fand in einer damals der Abg. Bebel gehalten hat. Er hat d mir angeführte werden, und wären, und daran die Voraussetzung diese Bauernhöfe in meinen Besitz vider⸗ gegangen wären. Ich muß dieser seiner Voraussetzungh Höfen, sprechen; sie ist thatsächlich unrichtig. Von den ca. 8 ees hle;
auf die Bauernhöfe
von
genommen verkauft
Varzin gewandert daß natürlich
die ganz oder theilweise verkauft wurden, habe ich zwe
bezahlt.
die anderen, die zu meiner Zeit verkauft wurden, wurden mir eben⸗ falls angeboten, weil die europamüden Bauern lieber an mich, als an einen Güterschlächter verkaufen wollten. Aber ich hatte im Augenblicke das Geld nicht übrig und hielt das Geschäft für nicht rentabel. Ich lehnte es ab. Der Abg. Bebel kann sich also beruhigen, 88 durch diese Varziner Bauernhöfe das von ihm so gefürchtete System der Latifundien keinen Zuwachs erhalten hat. Sie sind parzellirt worden, was mir auch sehr angenehm ist, denn ich theile den vorhin geäußerten Wunsch, daß die Zahl der Grundbesitzer bei uns wesentlich vermehrt werde. Daß man Domänen verkauft, das ist ein Palliativmittel, welches in Vorpommern versucht ist, das hilft aber nicht. Wenn Sie die Erbpacht nicht aufge⸗ hoben hätten, wenn die gestattet wäre, so würden Sie sehr viele kleinere erbliche Besitzer noch entstehen sehen. Aber das war ja damals eine von diesen demokratischen Befürchtungen; sie knüpfte sich an die Neigung, die leider in unseren Landsleuten steckt — wenn es auch nur ein kleiner Prozentsatz ist, der überhaupt dieser geistigen Verirrung verfällt — an die Neigung zum Ver⸗ folgungswahnsinn, welche allerdings bei uns viel häufiger ist als bei anderen Nationen. So hat auch die Angst vor der Reaktion und die Angst vor der Aristokratie, die das mißbrauchen würde, den geradezu thörichten Beschluß veranlaßt, die Erbpacht aufzuheben und die vorhandenen mit solchen Sätzen abzulösen, daß es sehr schwer sein wird, heutzutage einen Erbverpächter zu ermuthigen, daß er
8 sich darauf einlaͤßt, gegenüber der Möglichkeit, daß die Gesetzgebung
ihm mal wieder das, was er damit im Dienste der wirthschaftlich besseren Vertheilung des Grundbesitzes sich gesichert zu haben glaubte, für eine unzulängliche Entschädigung entzieht. Indessen die Richtung, glaube ich, sollte man doch begünstigen; namentlich bin ich Gegner aller Hindernisse der Parzellirung, die unsere Gesetzgebung leider immer noch aufrecht erhält. Ich freue mich, wenn große Besitzungen zusammenbleiben. Aber die Zahl der Grundbesitzer ist bei uns nicht genügend. Wenn wir einmal Kopfzahlwahlen haben, so sollten die Grundbesitzer auch darauf halten, daß ihrer mehr werden. Im Ganzen sind die Nichtgrundbesitzer viel
keichter dazu geneigt, sich unter sich zu einigen, als die Grundbesitzer,
und der Grundbesitz, der kleine wie der große, wird von dem im Vermögen gleichstehenden Nichtgrundbesitzer mit keinem Wohl⸗ wollen angesehen. — Also möchte ich, daß die Gesetzgebung darauf hinwirkt, daß der Grundbesitzer im Lande mehr werden, als bisher vorhanden sind. Wir werden das auch bei den Wahlen als nützlich empfinden — nicht gleich, aber vielleicht unsere Söhne oder Enkel, wenn dann überhaupt noch gewählt wird. — Nun, meine Herren, so lange sch Einfluß auf unsere Geschäfte habe, wird es nicht anders werden; denn ich weiß die Sache nicht anders zu machen, aber es ist sehr leicht möglich, daß die Art, wie das Wahlrecht heutzutage geübt und ausgebeutet wird, ihm selbst mit der Zeit Schaden bringt. Ich würde es bedauern, denn ich weiß nichts besseres an die Stelle desselben zu setzen augenblicklich, aber ich werde gewiß auch nicht in der Nothwendigkeit sein, mir den Kopf darüber zu zerbrechen —er wird mir dann nicht mehr wehe thun.
Aber ich möchte dabei nur wiederholt darauf aufmerksam machen — und deshalb habe ich an diese Aeußerung des Hrn. Abg. Bebel angeknüpft —, daß die Latifundien, die er fürchtet, durch nichts mehr begünstigt werden, als durch den Ruin der Landwirth⸗ schaft, durch zu woblfeile Preise.
Ich muß von Neuem bedauern, daß ich die Unterstützung des Professors Mommsen hier zu vermissen habe, dieses ausgezeichneten und geistreichsten Alterthumsforschers, der dabei so außerordentlich wenig Verständniß für die Gegenwart hat, zu meinem Bedauern. Ich glaube, hier würde er mich unterstützen müssen. Er hat so schlagend nachgewiesen, daß dieselben Ursachen immer dieselben
Folgen haben würden, daß gerade diejenigen Herren, die die Wiedergeburt der Latifundien fürchten, doch suchen müßten, die leinen Güter von dem Druck der Abgaben zu befreien, der auf dem Grundbesitz, auch auf dem kleinsten, lastet in Gestalt von Häuser⸗ teuer und von Grundsteuer. Die Klassensteuer haben wir ihm Preußen zu erleichtern gesucht, aber der kleinste Grundbesitzer ahlt Grundsteuer, der kleinste Hausbesitzer zahlt Häusersteuer. Wenn Sie ihm die nicht abnehmen, so werden die Latifundien immer häu⸗ figer werden.
Der Abg. Bebel hat außerdem den Hrn. Dr. Friedenthal in Schlesien und die gräflich Schönburgsche Familie in Sachsen ngeführt und hat dabei den eigenthümlichen Vorwurf erhoben, daß iese die Grundstücke zu theuer bezahlt hätten, mit ungeheueren Preisen. Er sollte doch den kleinen Besitzern diese hohen Preise nnen. Bei den Ankäufen von Höfen, die ich gemacht habe, sind ir die Verkäufer sehr dankbar gewesen, daß ich ihnen überhaupt o viel gegeben habe, und so wird es auch bei dem Grafen Schönburg ein. Wenn Jemand eine kleine Parzelle verkaufen muß oder will, ann soll er froh sein, wenn sich ein Käufer findet, der theuer
Wenn der Hr. Abg. Bebel dazu mitwirken will, das zu verhindern, so muß er für die Vorlage, für die Korn⸗ zölle stimmen und muß suchen, daß auch der Bauer, der doch ganz gewiß zu den Kornverkäufern gehört, in die Lage komme, für seine Arbeit und seinen Aufwand der Art bezahlt zu werden, daß er das Grundstück halten kann. Wenn Sie den Bauern in die Lage bringen, daß er verkaufen muß, dann erzeugen Sie nothwendig Lati⸗ fundien. Der große Besitzer ist so reich, daß er eine Kalamität überdauern kann, zu leben behält er immer noch, er denkt, es kommt eine Zeit, wo es umschlägt, und es sicht ihn so nicht an; eine augen⸗ blickliche Lust, der Anblick seiner Gutskarte — die Karten sind bekanntlich der Ursprung jedes Eroberers — erwecken in ihm den Wunsch, sch eine Parzelle zu annektiren, es kommt ihm nicht darauf an; er hält die Kalamität länger aus, er bleibt über Wasser, und alle die Kleinen, die matt werden, die sammelt er auf, und damit ist das Latifundium da mit allen seinen üblen Nachtheilen. Zum großen Theil bilden sie sich in den Händen der Ka⸗ pitalisten, und das ist das Gefährlichste. Der Grundbesitzer, der auf dem Lande wohnt, ist noch nicht der schlimmste, der schlimmste ist der Großgrundbesitzer, der in der Stadt wohnt, sei es in Paris, Rom oder Berlin, und der von seinen Gütern und Verwaltungen nur Geld verlangt, der sie auch nicht vertritt im Parlament und sonstwie, auch nicht weiß, wie es ihnen ergeht. Darin liegt das Elend der Latifundien. Latifundien, deren Besitzer auf dem Lande wohnen, sind unter Umständen ein großes Heil und sehr nützlich, und wenn England seine Großgrundbesitzer durch Beibehaltung der jebigen Korngesetzgebung allmählich zu Grunde gehen läßt, so glaube ch nicht, daß das für die Zukunft von England und für das Wohl⸗ sein der gesammten ländlichen Bevölkerung nützlich sein wird, die Großgrundbesitzer werden dann Rentiers werden, die in der Stadt wohnen, Sommers und Winters, die das Landleben nicht mehr kennen und höchstens auf einer fashionablen Jagdpartie mal von der Stadt herauskommen. Ich halte es für einen der wesentlichsten Vor⸗ züge unseres Lebens in Deutschland, daß ein großer Theil unserer wohlhabenden Klassen das ganze Jahr hindurch, jahraus jahrein auf dem Lande lebt, die Landwirthschaft selbst und direkt betreibt, und, man kann sagen, wenn man die braungebrannten Herren des orgens um 5 Uhr auf ihren Feldern umhergehen und reiten, im Schweiße ihres Angesichts das Feld bebauen sieht: wolle Gott uns noch lange solche Grundbesitzer erhalten, die das Jahr hindurch auf dem Lande bleiben! Solche, die dauernd in der Stadt wohnen — ich bin leider dazu gezwungen, freiwillig würde ich es wahrhaftig nicht thun —, ie von dort aus ihre Güter verpachten und verwalten und blos Geld⸗ sendungen von dort erwarten, — nach denen frage ich nicht so viel; und daß in deren Händen der große Grundbesitz sich nicht sammele, dafür bin ich mit Herrn Bebel gern bereit, mit zu arbeiten. Aber die Großgrundbesitzer, die wirklich Landwirthe sind und aus Passion r dieses Gewerbe Land ankaufen, die halte ich für ein Glück unseres ndes und namentlich der Provinzen, in denen sie zu Hause sind. Und wenn es Ihnen jemals gelänge, diese Rasse zu vertilgen, so würden Sie das in der Lähmung unseres ganzen wirthschaft⸗ lichen und politischen Lebens, nicht blos auf dem Lande, merken; Sie selbst würden sie bald zurücksehnen inz derselben Weise,
wie es nach dem vereinigten Landtag geschah. Da war mein Haup gegner ein sehr verdienstvoller, aber sehr liberaler schlesischer Bauer, Namens Krause. Den sah ich wieder zur Zeit des ersten preußischen Parlamente hier im Sommer 1848 auf der Straße — und das erste, was er sagte, war: Mein Gott, wie bitte ich um Entschuldigung für alles, was ich gethan und gesagt habe im Sinne dieser Freiheit, wie sie sich hier entwickelt; so habe ich mir das nicht gedacht; diese Leute sind ja — er brauchte einen so harten Ausdruck für die damalige Versammlung, daß ich ihn gar nicht öffentlich wiederholen will, obschon der Erfinder des Ausdrucks längst todt ist; er brauchte einen Vergleich, der mehr aus seinen landwirthschaftlichen Erfahrungen als aus seinem parlamentarischen Verkehr abgeleitet war.
Diese Sorte Parlament scheinen die Herren zu erstreben, die vorzugsweise auf die Bekämpfung des intelligentesten und potentesten Theiles der Landwirthe und der Grundbesitzer bedacht sind. Aber, meine Herren, so lange Gott überhaupt noch im Sinne hat. das deutsche Reich und das Königreich Preußen zu erhalten, wird Ihnen dieser Kampf gegen den Grundbesitz, auch wenn Sie noch so viel Ver⸗ bündete finden, nicht gelingen. — Ich verstehe unter Grundbesitz, was man im Allgemeinen den Ersatz der Ritterschaft im alten Sinne nennt, der sich mehr und mehr mit dem bäuerlichen Grundbesitz ver⸗ schmilzt, der ja auch, wie die Statistik zeigt, groß ist. Die Bauern und die früheren Rittergüter bilden nach der Kopfzahl immer eine Minorität, aber Gott wird uns diese beiden Klassen erhalten, so lange er uns ein geordnetes Regiment im Lande erhalten will; wenn sie wirklich zu Grunde gehen sollten, so, fürchte ich, wird das letztere mit 19 vo Hehe. Hornstein sprach b
er Abg. Frhr. von Hornstein sprach für die Zollerhöhung. Jeder Centner Korn, gleichgültig ob vom 20 5 Kleig⸗ grundbesitzer in Deutschland geerntet, repräsentire nationale Arbeit. Bessere man die Kornpreise, so verhüte man dadurch, daß der deutsche Getreidebau durch den fremdländischen er⸗ drückt werde, und man ermögliche zugleich ein Steigen der Arbeitslöhne. Eine deutsche Gesetzgebung müsse für die deut⸗ schen und nicht für die amerikanischen Arbeiter Vortheil brin⸗ gen. Redner verwies auf die kolossalen Massen in Mann⸗ heim und Lindau lagernden amerikanischen Getreides, welches nicht einmal auf deutschen Bahnen herangefahren sei, so daß Deutschland sogar die Fracht dafür verliere. Er schilderte ferner die stets sich verschlechternde Lage des Grundbesitzes, dessen zunehmende Verschuldung und Aufsaugung durch das Großkapital, und die Nachtheile dieser Entwickelung für die Steuerkraft des Landes, wodurch ein mäßiger Schutzoll ent⸗ schieden erheischt werde.
Der Abg. Dr. Sattler bemerkte, das völlig unqualifizirbare Verhalten des Abg. Rohland zwinge ihn zu einer kurzen Er⸗ widerung. Der Abg. Rohland habe gesagt, der Abg. Racke möchte sich vielleicht an die Nationalliberalen wegen der Theil⸗ nahme an den Gründungen wenden. Diese allgemeine Be⸗ hauptung ohne Nennung irgend eines Namens erkläre er für frivol. (Große Unruhe links.) Es sei eine völlig ungerecht⸗ fertigte Beschuldigung, und er würde noch viel mehr sagen, wenn ihn nicht der Respekt vor dem Ort und der Gesellschaft, wo er sich befinde, davon zurückhielte. (Nufe: Zur Ordnung! Der Vize⸗Präsident Freiherr zu Franckenstein rief den Redner wegen des Ausdrucks „frivol“ zur Ordnung). Er vertrete in der Sache selbst zwar nicht seine ganze Fraktion, aber doch einen großen Theil derselben, besonders soweit die Abgeord⸗ neten aus Hannover in Frage kämen. Nicht als Anhänger des Freihandels oder als Gegner des Fürsten Bismarck, nicht aus Gleichgültigkeit gegen die Landwirthschaft stimme er gegen die Erhöhung der Getreidezölle. Gerade die Hanno⸗ veraner wüßten den Segen eines gesunden Bauernstandes wohl zu schätzen und wollten diesen sich erhalten. Aber die landwirthschaftlichen Schutzzölle erschienen ihm hierzu nicht als förderlich. Man müsse an ganz anderer Stelle einsetzen, um der Landwirthschaft zu helfen, z. B. den Betrieb intensiver machen, das Kreditwesen verbessern, den Wucher reprimiren, vielleicht auch für manche Gegenden das Erbrecht reformiren und die Erbpacht wieder einführen. Ferner gehöre hierher die Entlastung der Kommunalverbände. Aber gerade der Roggen⸗ und Weizenzoll sei ihm höchst bedenklich; denn die Mehrheit der Bevölkerung, und namentlich auch die ländlichen Arbeiter, die kein Korn verkauften, würden nicht Nutzen, son⸗ dern Schaden dvvon haben. Er werde also gegen die Zoll⸗ erhöhung stimmen.
Hierauf vertagte sich das Haus um 5 ½ Uhr Montag 11 Uhr.
auf
— Im weiteren Verlauf der vorgestrigen (20.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten, berührte bei fortgesetzter Berathung des Eisenbahnetats der Abg. Schmidt (Stettin) wiederum die Frage, ob nicht die Unent⸗ geltlichkeit der Leistungen des Eisenbahnwesens für die Post⸗ verwaltung aufzuhören habe, und von der Post für diese Leistungen voller Ersatz zu fordern sei. Redner wünschte für gewisse Sekundärbahnen billigere Personentarife und bedauerte die starke Auswanderung, welche die Bevölkerung dezimire und in den schwach bevölkerten Gegenden Pommerns auf die Rente der Bahnen einwirke. Die höheren Holz⸗ und Ge⸗ treidezölle würden auch die Einnahmen der Eisenbahnen nach⸗ theilig beeinflussen, ebenso die Sperre von Vieh an der rus⸗ sischen Grenze. Die Erhöhung der Zölle könne die Einnahme der Staatseisenbahnen nur schädigen. Endlich werde über den Plan gesprochen, eine Normalzeit für Deutschland einzuführen, eine nicht blos wissenschaftliche, sondern auch praktische Frage, die nach allen Seiten geprüft werden müsse.
Der Abg. Seer beklagte, daß die jetzigen hohen Frachten den Absatz des posenschen sog. kujawischen Weizens nach Danzig und anderen Hauptorten fast ganz unmöglich gemacht hätten, und bat um Frachtermäßigung wenigstens für ganze Waggon⸗ ladungen auf weitere Entfernungen.
„Der Abg. Bachem kam nochmals auf die bedenklich ge⸗ stiegene Zahl der Eisenbahnunfälle und der Tödtungen von Beamten und Reisenden zurück; die Schuld liege nicht allein bei den Beamten, sondern zum Theil auch an Schwierigkeiten, welche mit der rapiden Zunahme des Verkehrs sich geltend gemacht hätten, und schließlich an der Ueberlastung und Ueberbürdung der Beamten, über welche von vielen Seiten schwere Klage erhoben werde.
Hierauf entgegnete der Staats⸗Minister Maybach:
Die Aeußerungen des Herrn Vorredners nöthigen mir doch eine Erwiderung ab. Der Herr Vorredner ist wiederum auf die Frage des Staatsbahnsystems eingegangen und hat die Nachtheile dargelegt, welche die Einführung dieses Systems nach seiner Auffassung zur Folge haben müßte. Meine Herrg. diese Frage, denke ich, ist abgemacht, und ich sage nur: gehen Sie nach Sachsen, gehen Sie nach Bayern, gehen Sie dahin, wo bei uns das Staatseisenbahnsystem besteht, und kommen Sie nach einigen Jahren, ich will mal sagen, nach zehn Jahren wieder, und fragen Sie dann, wer die alte Wirthschaft mit den Privatbahnen wieder haben will. Kein Mensch wird sie zurückwünschen, glaube ich, außer vielleicht einige frühere Privat⸗ Eisenbahndirektoren und solche, welche mit dem früheren Zustande
durch Vorurtheile oder besondere Verhältnisse verbunden.
Dann, meine Herren, komme ich auf einen anderen Punkt. Der Hr. Abg. Büchtemann hat gesagt, es würde zu sehr centralisirt, es wäre gerade früher in Aussicht gestellt worden, die neue Verwaltung würde sich durch Decentralisation auszeichnen, sie würde das, was man nicht an der Centralstelle machen müsse, auch nicht an der Centralstelle machen. Meine Herren, ich kann nichts Anderes thun, als Sie verweisen auf die Ihnen bekannte Organisation der Staats⸗ eisenbahn⸗Verwaltung; sehen Sie sich an, welche Vorbehalte für den Minister, für die Centralstelle gemacht sind, und was alles den Provinzialbehörden und den ihnen untergeordneten Behörden über⸗ lassen ist. Daß wir in Bezug auf die Fahrpläne und Tarife die Hand auf die Sache legen, ist ja ganz naturgemäß, da ist auch früher selbst den Privatbahnen gegenüber in gewissem Sinne geschehen, es muß in dieser Beziehung die einigende, kontrolirende Hand über der ganzen Angelegenheit walten. verständlich, daß man kaum ein Wort darüber darf. In anderen Dingen gebe ich zu, jetzt im Stadium des Uebergangs für hier und d mehr Direktive geben, als wir für später wünschen müssen. Das läßt sich für den Augenblick nicht ändern, das ist ein Umstand, der mit der Uebergangsperiode hingenommen werden muß. Aber, meine Herren, wenn eine so große Verwaltung, mit diesem kolossalen Apparat, wie wir in der ganzen Welt keinen anderen haben, erst ihre volle Einrichtung bekommen haben wird, werden Sie sehen, daß die Centralstelle mehr und mehr entlastet wird, und daß der Schwer⸗ punkt der Verwaltung in umfassenderer Weise in die Provinzial⸗ behörden fällt.
Wenn Sie einmal vergleichen wollen mit der Organisation der Post, so werden Sie staunen, was alles an der Centralstelle gemacht wird. Ich will zugeben, daß die Postverwaltung nicht zu vergleichen ist mit unserer großen Eisenbahnverwaltung, was Größe und Schwierig⸗ keit der Verwaltung betrifft, aber ein Vergleich läge doch nicht so fern. Wir haben den Wunsch zu centralisiren durchaus nicht und wo ich kann, schiebe ich von mir ab auf die Provinzialbehörden. Ich weiß wohl, wenn etwas verkehrt ist, heißt es: das hat der Minister gethan, wenn etwas Gutes gethan ist, dann heißt es meistens nicht, der Minister, sondern jemand anders hat das gemacht. Es wird alles Unbequeme auf mich zurückgeführt; ich . mir das gefallen lassen, ich kann mich nicht dagegen wehren und muß es in den Kauf nehmen, aber ich empfinde recht lebhaft das Bedürfniß, die Verantwortung der Provinzialbehörden in den Vordergrund zu stellen und ihnen das zu überlassen, was ihnen irgend organisationsmäßig zufällt.
Dann hat der Herr Abgeordnete erwähnt, daß bei den neu ver⸗ staatlichten Bahnen die Wirkung der Ermäßigung der Tarife nicht für das ganze Jahr, sondern erst vom 1. September sich geltend ge⸗ macht habe. Ich bemerke, daß die Ermäßigung der Kohlentarife in zwei Absätzen stattgefunden hat und die letzte Hälfte auf der alten oberschlesischen Bahn am 1. September v. J. eingetreten ist, daß aber auf den übrigen Bahnen, für die diese Maßregel nicht berechnet war, in gleicher Weise große Ermäßigungen herbeigeführt sind und demzufolge wie durch andere Verkehrserleichterungen die Minder⸗ einnahme stattgefunden hat.
Die Mindereinnahme bei „den verschiedenen Einnahmen“ erklärt sich daraus, daß wir eben das, was gegenseitig aus der einen Tasche in die andere fließt, nicht mehr berechnen.
Daß der Verkehr augenblicklich nicht so flott wächst wie vordem, das ist richtig, anderswo ist das aber noch ganz anders, und wenn Sie dafür etwa bei uns die neue Wirthschaftspolitik dafür verant⸗ wortlich machen wollen, so will ich die Frage wiederholt entgegen⸗ stellen: wie würde es aussehen, wenn wir diese Wirthschaftspolitik nicht durchgeführt hätten?
Auf die Unfälle noch einmal einzugehen, möchte ich in diesem Augenblick vermeiden; es ist das ein Thema, mir persönlich un⸗ angenehm und in der Verwaltung felbst recht fatal empfunden, daß wir das Zeugniß nach außen ausstellen mußten, es sei nicht überall mit der nöthigen Vorsicht — ich will keine Beamtenkategorie in dieser Beziehung angreifen — nicht mit der nöthigen Akkuratesse und Pflichttreue verfahren. Was ich gethan habe, dafür muß ich ein⸗ stehen, das kann ich und muß ich verantworten, ja, ich würde es anders nicht verantworten können.
„Dann nur noch das Eine: Der Herr Abgeordnete hat, an⸗ knüpfend an die Worte, die der Hr. Abg. Dr. Wagner vorbin ge⸗ sprochen hat, nicht gelten lassen wollen, daß bei den früheren Privat⸗ bahnen die unteren Beamten jetzt wesentlich besser gestellt seien und auch noch eine weitere Verbesserung in Aussicht hätten. Ja, meine Herren, die Thatsache steht fest. Bei den Privateisenbahnen — die Potsdam⸗Magdeburger will ich nicht erwähnen, aber bei anderen — da ist faktisch den Oberbeamten ein außerordentlich hohes Gehalt gewährt und den unteren ein verhältnißmäßig viel geringeres, als bei den Staatsbahnen. Auch das ist ganz richtig, die Privatdirektoren, mit Ausnahme derjenigen, die mit der Bahnpolizei befaßt werden, waren ja nicht verantwortlich, d. h. in dem Sinne, wie die jetzigen Verwaltungen es sind; sie waren nur ihren Aktionären verantwortlich, aber Niemandem weiter. Aber das ich doch Thatsache, daß die Beamten jetzt besser daran sind; sie stehen auf festerem Boden, können ihre Beschwerden bis obenhin vorbringen, was sie in früherer Zeit nicht konnten. Früher war die letzte Instanz, die allein entscheidende, die souveräne Direktion, über die hinaus es kein Rechtsmittel gab. Also die Verhältnisse haben sich doch wesentlich verbessert; das wird mir Niemand bestreiten wollen.
„Der Abg. Dr. Wagner (Osthavelland) erklärte sich aus Rücksichten auf die geographische Lage Deutschlands gegen eine Normalzeit und polemisirte im Uebrigen gegen den Abg. Büchtemann, dessen Ausstellungen durchweg auch sachlich un⸗ begründet seien.
Der Abg. Büchtemann heharrte bei seiner Ansicht, daß man im Ministerium der öffentlichen Arbeiten zu viel centra⸗ lisire und schablonisire, und daß hierauf auch die Zunahme der Unfälle wie die Unzufriedenheit der Beamten theilweise zurückzuführen sei. Auf dem Gebiete der Tarife habe die Staatsbahnverwaltung doch noch nicht den kleinsten Theil der Versprechungen erfüllt, die sie bei der Verstaatlichung gemacht habe. Der Wunsch des Abg. Seer auf kilometrische Ermäßi⸗ gung der Getreidefrachten werde beim Reichskanzler auf un⸗ überwindlichen Widerstand stoßen, denn das ganze neue Wirth⸗ schaftssystem des Fürsten Bismarck sei ja auf der Beseitigung der Differentialtarife mit begründet. 8“
Der Staats⸗Minister Maybach erwiderte:
Die gewünschte Zusage gebe ich dem Herrn Abgeordneten gern Es ist in der That bisher bei einzelnen Strecken, die Parallelstrecke enthalten, als zweckmäßig befunden im Interesse der Oekonomie de Betriebes einen gewissen Theil eingehen zu lassen. Jedesmal aber ehe zur Entscheidung übergegangen wird, wird genau geprüft, ob die einzelne Strecke wirklich für den öffentlichen Verkehr ein Bedürfni ist. Erst dann, wenn diese Prüfung unter Hinzuziehung der Provinzial behörden, der Regierungen ꝛe. in dem Sinne ausgefallen ist, da keinerlei ernstes Interesse für die Beibehaltung der alten Linie vor waltet, erst dann wird dazu übergegangen, die Beseitigung ode Außerbetriebstellung dieser Strecke in Betracht zu ziehen. Ab selbst dann kassiren wir 8885 die Strecke nicht vollständig sondern setzen sie nur außer Betrieb. Die Diskussion wurde geschlossen, und Kap. 10 de Einnahmen „Eisenbahn⸗Direktionsbezirk Berlin 82 430 000 ℳ genehmigt. Bei Kap. 16 „Direktion Cöln (rechtsrheinisch)“ sagte der Staats⸗Minister Maybach auf Anreaung der Abgg. Natorp und Berger die eingehendste Prüfung aller in Betracht kommenden Verhältnisse zu, bevor den Anträgen von Direktio⸗ nen auf Außerbetriebssetzung von Parallelstrecken stattgegeben
Bei den Fahrplänen ist das so selbst⸗ verlieren 8
werde.