1885 / 45 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 21 Feb 1885 18:00:01 GMT) scan diff

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derer Mitglieder der Berufsgenossenschaft aufzutreten und abzustimmen? Oder darf die Vollmacht eines Unternehmers nur einem anderen stimmberechtigten Unternehmer, nicht aber einem an Stelle des Unter⸗ nehmers in Vollmacht erscheinenden Betriebsleiter über⸗ geben werden? Ferner erscheint es fraglich, ob unter „Leiter des Betriebes“ z. B. ein Prokurist zu verstehen ist, der mit der technischen Leitung nichts zu thun hat, sondern nur dem geschäftlichen Theil des Unternehmens vorsteht? 3

Zur Erläuterung dieser Anfragen bemerke ich er⸗ gebenst, daß hier am Platze z. B. eine Tuchmacher⸗ innungsfabrik besteht, deren kaufmännischer Leiter die Vertretung der Innung in Semeinschaft mit dem Obermeister der letzteren hat. Dieser kaufmännische Leiter ist zur Vertretung der Innungsfabrik in der Genossenschaftsversammlang ins Auge gefaßt.

Ferner hat der S. Bankverein zu B. hierorts 2 Fabriken und dafür einen kaufmännischen Leiter, welcher großes Vertrauen genießt und sowohl für die von ihm repräsentirten beiden Fabriken als in Vertretung anderer hiesiger Unternehmer in der Genossenschafts⸗ versammlung zu erscheinen gedenkt. Endlich gehöre ich als Delegirter des Aufsichtsraths zu der 1200 Arbeiter in 4 Fabriken beschäftigenden Aktiengesellschaft „E. W.“ und bin zweifelhaft bezüglich meiner Legitimation so⸗ wohl als Vertreter dieser Gesellschaft, als event. Be⸗ vollmächtigter anderer hiesiger Unternehmer. In letzterer Eigenschaft habe ich den bisherigen Versamm⸗ lungen beigewohnt.“

Das Reichs⸗Versicherungsamt hat in der Sitzung vom 21. Januar 1885 beschlossen, dem Gesuchsteller Fol⸗ gendes zu erwidern:

„Nach §. 14 Abs. 3 des Unfallversicherungsgesetzes können

sich in den Generalversammlungen behufs Bildung von Be⸗ rufsgenossenschaften abwesende Betriebsunternehmer durch einen bevollmächtigten Leiter ihres Betriebes vertreten lassen. Daraus

ergiebt sich, daß die Leiter eines anderen Betriebes nicht zu

Vertretern bestellt werden können und zwar auch dann nicht, wenn dieselben als Vertreter des eigenen Geschäftsinhabers an der Generalversammlung theilnehmen.

Wer als „Leiter eines Betriebes anzusehen sei, wird im

konkreten Fall nach dem bestehenden dienstlichen Verhältnisse zu beurtheilen sein. Im Allgemeinen ist der Begriff nicht zu enge zu fassen; Leiter im Sinne des Gesetzes ist nicht allein derjenige, welcher die Geschäftsführung in dem versicherungs⸗ pflichtigen Betriebe ausschließlich besorgt, sondern auch wer mit anderen an der oberen Geschäftsführung theilnimmt. Der dem kaufmännischen Betriebe vorstehende Prokurist kann hier⸗ nach in der Regel mit der Vertretung betraut werden, weil auch bei weitgehender Scheidung des kaufmännischen und des technischen Theiles eines Betriebes immerhin die Leitung des einen Theils in den des andern mit eingreift. Demgemäß würde in den angczogenen Beispielen der kaufmännische Leiter der dortigen Tuchmacherinnungsfabrik, sowie der kaufmän⸗ nische Leiter der dem S.schen Bankverein gehörigen Fabriken zur Vertretung der betreffenden Etablissements in der General⸗ versammlung befugt sein.

Dagegen sind die Mitglieder des Aufsichtsraths einer

Aktiengesellschaft als solche weder Leiter noch selbständige Ver⸗ treter des Unternehmens, da ihnen gesetzlich unterfagt ist, die Geschäfte der Gesellschaft zu führen (H.⸗G.⸗B. Art. 225 a in der Fassung der Novelle vom 18. Juli 1884).

Ein Aufsichtsrathsmitglied kann nur, wenn es von dem

Aufsichtsrath überhaupt für einen bestimmten Zeitraum zum Stellvertreter eines behinderten Vorstandsmitgliedes bestellt worden ist, in dieser Eigenschaft auch als Vertreter der Ge⸗ sellschaft an der Versammlung theilnehmen. Ein solches Auf⸗ sichtsrathsmitglied würde alsdann den „stimmberechtigten Be⸗ rufsgenossen“ gleichstehen und auch zur Vertretung anderer abwesender Betriebsunternehmer berechtigt sein.

22) Im Hinblick auf die verschiedenen in nächster

Zeit abzuhaltenden General⸗ und Genossenschaftsver⸗ sammlungen wurde der Vertreter eines größeren in⸗ dustriellen Verbandes mit folgendem Gesuche vorstellig:

„Das Verfahren über die Bildung und Konstituirung der Berufsgenossenschaften ist leider durch das Gesetz vom 6. Juli 1884 an sehr weitläufige Formalitäten ge⸗ knüpft. Zunächst werden nach 8. 14 die Berufsgenossen zu einer Generalversammlung zusammenberufen, um über die Abgrenzung der zu bildenden Berussgenossen⸗ schaft zu beschließen. Ist dieser Beschluß gefaßt, so gehen die Fenhgenosn wieder nach Hause, und dieser Beschluß wird dem Bundesrath zur Genehmi⸗ gung unterbreitet. Nachdem diese Genehmigung erfolgt ist, werden die Mitglieder der Berufsgenossenschaft auf Grund des §. 16 aufs Neue zu einer Generalversamm⸗ lung geladen, in welcher ein provisorischer Vorstand gewählt und die Statuten berathen und beschlossen werden. Ist dies geschehen, so wird die General⸗ versammlung wieder entlassen und die Statuten wer⸗ den dem Reichs⸗Versicherungsamt zur Genehmigung vorgelegt.

Nachdem diese ertheilt ist, findet die dritte General⸗ versammlung statt, in welcher der definitive Vorstand gewählt wird. Es ist von selbst einleuchtend, daß bei Berufsgenossenschaften, welche das ganze Deutschland umfassen, die Abhaltung dreier Generalversammlungen mit großen Belästigungen für die Industrie verknüpft ist, und es würde sich deshalb fragen, ob es nach den Bestimmungen des Gesetzes nicht angänglich wäre, diese drei Generalversammlungen auf zwei zu reduziren. Nach dem unmaßgeblichen Dafürhalten, wie es in ver⸗ schiedenen Industriezweigen laut geworden ist, dürfte dies wohl thunlich sein.

In Folge der höchst dankenswerthen und vorzüglichen Anleitung, welche das Reichs⸗Versicherungsamt durch sein definitives Normalstatut für die Abfassung der Spezialstatute gegeben hat, haben in mehreren Berufs⸗ zweigen weitläufige Vorberathungen über das Statut stattgefunden, und verschiedene Genossenschaften werden in der Lage sein, schon in der ersten Generalversamm⸗ lung ein fertiges Statut vorzulegen, welches voraus⸗ sichtlich die ungetheilte Zustimmung aller anwesenden Berufsgenossen finden wird. Selbst wenn Abänderungs⸗ anträge gestellt werden sollten, würde ein Ausschuß zu wählen sein, mit der Befugniß, diese Anträge zu prüfen und eventuell das Statut anzunehmen. Nachdem dies geschehen, würde dann das Statut vor der zweiten Generalversammlung an das Reichs⸗Versicherungsamt

einzureichen sein mit der Bitte, dasselbe zu prüfen,

eventuell zu genehmigen und den Kommissarius, welcher

die zweite Generalversammlung abhält, zu ermäch⸗

tigen, in dieser zweiten Generalversammlung, nachdem das Statut dort Annahme gefunden hat, die Ge⸗ nehmigung desselben im Namen des Reichs⸗Versiche⸗ rungsamts auszusprechen. .

8— Hiermit könnte wenigstens für alle diejenigen In⸗

dustrien, welche für die Wahl ihres Genossenschafts⸗

vorstandes den gesetzlichen Modus in §. 14 Nr. 2 in ihr Statut aufgenommen haben, sofort zur Wahl des definitiven Vorstandes geschritten werden, und damit wäre die dritte Generalversammlung erübrigt.

Ich erlaube mir hiernach ganz ergebenst anzufragen, ob das Reichs⸗Versicherungsamt mit den vorstehenden Ausführungen einverstanden ist, und ob für alle die⸗ jenigen Genossenschaften, welche dies beantragen, unter

den gedachten Modalitäten die Reduzirung der drei

Generalversammlungen auf deren zwei angänglich wäre.

Einer geneigten Entscheidung ꝛc.“

Das Reichs⸗Versicherungsamt beschloß in der Sitzung

vom 21. Januar 1885 den folgenden, dem Gesuchsteller

eröffneten Bescheid:

„s kann dahingestellt bleiben, ob es gesetzgeberisch mög⸗ lich gewesen wäre, die für die endgültige Errichtung der Berufsgenossenschaften erforderlichen drei Generalversammlun⸗ gen auf zwei zu reduziren. Jedenfalls ist diese Anzahl ein Erforderniß logischer Folgerichtigkeit. Denn eine Beschlußfassung über das Statut kann erst von einer genehmigten oder nach §. 15 des Unfallversicherungsgesetzes errichteten Genossenschaft vewirkt werden, so daß eine Zusammenlegung der ersten und zweiten Generalversammlung nicht angängig gewesen wäre. Ebenso kann aber auch die Wahl des Vorstandes erst nach erfolgter Genehmigung des Statuts stattfinden und deshalb zur Wahl erst geladen werden, wenn das Statut ge⸗ nehmigt ist. Die Ladung zur Beschlußfassung über das Statut muß daher noch vom Reichs⸗Versicherungsamt aus⸗ gehen, während die Ladung zur endgültigen Wahl der Ge⸗ nossenschaftsorgane von dem provisorischen Vorstand vorzu⸗ nehmen ist. Hieraus folgt weiter, daß auch die Vereinigung der zweiten und dritten Versammlung ohne sinnwidrige Unzu⸗ träglichkeiten nicht füglich hätte angeordnet werden können. Wie man aber auch de lega ferenda denken mag, jetzt liegt ein vollzogenes Gesetz vor und das Reichs⸗Versicherungs⸗ amt ist nicht in der Lage, die Bestimmungen desselben auf einem Umwege hinfällig zu machen.

Um jedoch den an sich sehr erklärlichen Wünschen der betheiligten Kreise möglichst entgegen zu kommen, will das Reichs⸗Versicherungsamt, sobald in der ersten General⸗ versammlung ein das Vertrauen der Berufsgenossen besitzender Ausschuß zur Vorberathung über das Statut gewählt worden ist, mit diesem gern in Verbindung treten und schon vor der zweiten Generalver⸗ sammlung Stellung zu dem von ihm ausgearbeiteten Sta⸗ tutenentwurf nehmen. In Folge dessen würde es an⸗ gängig sein, daß die Betheiligten, zumal wenn sie sich schon bei der Berathung in der ersten Versammlung an der Hand der vom Reichs⸗Versicherungsamt bezeich⸗ neten, auf jedem Einladungsschreiben abgedruckten elf Hauptfragen über die wesentlichsten Punkte des Statuts verständigt haben, was bereis in vielen Fällen geschehen ist, von dem persönlichen Erscheinen in der zweiten Versammlung Abstand nehmen und statt dessen einen er⸗ giebigen Gebrauch von der Bevollmächtigung z. B. der Mit⸗ glieder des mit der Berathung des Statuts beauftragten Aus⸗ schusses machen. Dann würde diese zweite Versammlung sich nur auf wenige Mitglieder beschränken können und einen äußerst schnellen Verlauf nehmen. Die dritte Versammlung würde aber auf Einladung des provisorischen Vorstandes (§. 16 des Ges.) wiederum das ganze Interesse der Berufs⸗ genossen beanspruchen dürfen.“

Nichtamtliches.

Preußen. Berlin, 21. Februar. In der gestrigen (54.) Sitzung des Reichstages, welcher der Staats⸗Minister von Boetticher, sowie mehrere andere Bevollmächtigte zum Bundesrath und Kommissarien desselben beiwohnten, theilte der Präsident mit, daß an Vorlagen eingegangen sei: ein Gesetzentwurf, betr. die Ergänzung des §. 72 des Reichs⸗ Beamtengesetzes vom 31. März 1873 (betr. die Disziplinar⸗ bestrafung).

Das Haus trat sofort in die zweite Berathung des Ent⸗ wurfs eines Gesetzes, betr. die Abänderung des Ferb. tarifgesetzes vom 15. Juli 1879, §. 2 Nr. 5 f (Malz), ein; (bisher 1,20 ℳ, nach der Vorlage 3 ℳ, nach dem Antrag der freien Vereinigung 2,40 ℳ, nach dem Antrag Zeitz 2,25 ℳ, nach dem Antrag Lenzmann 2 ℳ.).

Der Abg. Lenzmann befürwortete seinen Antrag im Interesse der Konsumenten des Bieres. Der Landwirthschaft könne dieser Zoll nichts nützen, derselbe sei ein reiner Finanz⸗ zoll, ebenso wie der Gerstenzoll. Diese Zölle sollten lediglich den Säckel des Staates füllen und wiederum den Staats⸗ absolutismus um ein Stück vergrößern. Der Brauer würde ebensowenig wie das Ausland den höheren Malzzoll zu tragen haben, sondern allein der Konsument, denn der Brauer werde den höheren Zoll auf den Bier⸗ wirth wälzen und dieser auf den Gast. Es werde hier also wieder das Bier des armen Mannes vertheuert, während einer Vertheuerung des Branntweins von der Rechten stets Widerstand entgegengesetzt werde. Daß die Konservativen einen hohen Malzzoll haben wollten, sei nicht verwunderlich, aber daß auch das Centrum dieser Vertheuerung eines noth⸗ wendigen Lebensmittels zustimmen wolle, sei doch sehr über⸗ raschend und könne leicht dahin führen, daß statt der glaubens⸗ starken Junker aus den Rheinlanden in Zukunft glaubens⸗ starke Bürger gewählt würden. (Der Redner entfernte sich so⸗ weit von dem Gegenstande, daß er vom Präsidenten zur Sache gerufen werden mußte.)

Der Bundeskommissar, Geh. Ober⸗Regierungs⸗Rath Dr. Thiel erklärte sich zu Gunsten des von der freien Vereinigung empfohlenen Zollsatzes von 2,40 ℳ, der dem beschlossenen Gerstenzoll von 1 entspreche. Gersten⸗ und Malzzoll müß⸗ ten in fester Proportion zu einander stehen, entsprechend dem Verhältniß, daß 1 Ctr. Gerste etwa 75 Pfd. Malz gebe. Eine Vertheuerung des Biers sei nicht zu befürchten, vielmehr werde sich der inländische Gerstendau und damit die Malz⸗

fabrikation in Nord⸗ wie in Süddeutschland außerordentli heben, eine Auffassung, die auch der Abg. von Kardorff theile

Der Abg. Richter (Hagen) bemerkte, gutes Malz produ. zire man in Deutschland nicht genügend, man müsse auslän⸗ disches einführen, wenn das deutsche Bier sich nicht verschlech⸗ tern und der Bierexport nicht leiden solle. Man schädige abe durch Erhöbung des Malzzolles dieselbe Brauerei, der ZI durch Dampfersubventionen den Absatz erleichtern wolle. Wenn man doch nur ein Zehntheil jenes Wohlwollens dem Bierexport durch mäßige Bemessung des Malzzolles zuwenden wollte; Und sei denn nicht die Bierindustrie unvergleichlich wichtiger als das Bischen Malz, das hier in Betracht komme? Aber das Prinzip der jetzigen widerspruchsvollen Wirthschaftspolitik sei ja die gesunden Beine auszureißen, um dafür künstliche einzusetzen. Als er sich im Jahre 1879 gegen einen Malzzoll von 1,20 ge⸗ wehrt habe, sei ihm u. a. vom Bundesrathstische entgegen⸗ gehalten worden, der deutsche Bierexport betrage ja nur 772 000 Centner; die Statistik habe aber inzwischen den Nach⸗ weis geliefert, daß es 1332000 Doppelcentner seien. Der Abg. von Kardorff sage nun, die Erhöhung des Malzzolles auf 2,40 sei nur die Konsequenz des erhöhten Gersten⸗ zolles. Nach seiner Rechnung sei die Konsequenz davon nur ein Zoll von kaum 2 Aus 100 kg Gerste würden 75 kg Malz gemacht, das Verhältniß sei also 4:3. Danach rechtferti b ein Gerstenzoll von 1 einen Malzzoll von 1,33 Bisher 83 nun ein Gerstenzoll von 50 bestanden, dem entspreche ein Malzzoll von 67 ₰; der Malzzoll habe aber thatsächlich 1,20 betragen; also sei schon ein Schutzzoll von 53 vor⸗ handen gewesen. Rechne man diese 53 zu 1,33 hinzu so komme man auf 1,86 ℳ, wenn man den bisherigen Schutzzoll gewähren wolle; was man darüber gewähre, sei ein Schutz für die Malzfabrikation als solche. Es sei dann die Er⸗ höhung mit dem Hinweis auf die Transportkosten gerechtfer⸗ tigt worden. Solle denn der Schutz so bemessen werden, daß es an den entlegensten Stellen des Reiches noch mög⸗ lich sei, eine Malzfabrik anzulegen? Nach den Angaben des Kommissars käme man übrigens für Berlin inkl. der Fracht immer erst auf 2,13 ℳ, welcher Satz hinter dem von dem Abg. Zeitz beantragten doch noch zurückbleibe. Bei diesem Punkte stehe auch nicht die Landwirthschaft gegen die Industrie in Frage, sondern Industrie gegen Industrie; es stehe die große Brauerei⸗Industrie der kleinen Malzindustrie gegenüber. Die Brauereien, die selbst Mälzereien hätten, ver⸗ langten ja auch gar keinen Schutzzoll; und diese verarbeiteten allein 7 Millionen Centner Gerste. Er meine deshalb, daß das Haus über den Zoll von 2 ℳ, wie denselben der Abg. Lenzmann beantrage, nicht hinausgehen solle.

Der Abg. Uhden erklärte, die Mälzerei sei seit 1879 in Deutschland erheblich zurückgegangen. Abhülfe sei deshalb geboten. Man müsse der deutschen Brauerei Gelegenheit geben, möglichst deutsches Malz zu verwenden. Der Malzzoll sei mit dem Gerstenzoll nahe verwandt und verlange eine ent⸗ sprechende Erhöhung. Der Malzzoll werde auch zur Ver⸗ schlechterung des Bieres nicht beitragen; denn ein Centner Malz ergebe 200 1 Bier und dieser solle 1,20 Zoll tragen.

„Der Abg. Frhr. von Gagern erklärte, es sei schwer, die rechte Höhe für den Zoll zu finden, da dieselbe in verschiedenen Landestheilen nach den abgegebenen Gutachten verschieden be⸗ rechnet worden sei. Würde der Malzzoll im Verhältniß zum Gerstenzoll gering sein, so würden die einheimischen Brauereien nicht Gerste einführen, um selbst zu mälzen, sondern gleich Malz beziehen. Wenn die Malzfabrikation ins Ausland ge⸗ trieben würde, so würde auch ein Ausfall in der Gewerbe⸗ steuereinnahme eintreten, und dadurch nicht blos der Staat, sondern auch die Gemeinden geschädigt werden. Dasselbe gelte von den Eisenbahneinnahmen.

Der Abg. Zeitz bemerkte, die deutsche Gerste sei mit die beste, auch der mährischen vorzuziehen, wenn die letztere auch ausgiebiger sei. In Bayern werde zunächst die deutsche auf⸗ gebraucht, die dem Bier jenen eigenthümlichen Geschmack gebe; dann erst wende man sich zu der mährischen. Der Petition von einem kleinen Theile der Mälzer ständen Petitionen der gesammten deutschen Brauer gegenüber. Ein Schutzzoll für Malz bestehe bereits, denn 1878 und 1879 sei die Einfuhr mährischen Malzes bedeutender gewesen, als jetzt.

Hierauf wurde nach Ablehnung des von der Regierung beantragten Malzzolles der Antrag der freien Vereinigung an⸗ genommen (der Centner 2,40 ℳ).

Nunmehr kam der Antrag des Abg. Racke zur Diskussion, der den Positionen der Getreidezölle folgende Anmerkung geben will: „Der Bundesrath ist befugt, die für Weizen, Roggen, Hafer, Buchweizen, Hülsenfrüchte ꝛc. aufgeführten Zollsätze im Falle einer Theuerung entsprechend zu ermäßigen event. voll⸗ ständig außer Kraft zu setzen.“

„Der Abg. Racke befürwortete seinen Antrag. Sei die Er⸗ höhung der Getreidezölle im Interesse der Landwirthschaft ge⸗ boten, so sei es andererseits eine unabweisbare Pflicht, Vorsorge für Fälle der Noth zu treffen, indem man dem Bundesrath die Befugniß einräume, die jetzt gefaßten Be⸗ schlüsse ganz oder theilweise außer Kraft zu setzen. Man könne gegen seinen Antrag einwenden, daß demselben die Skala fehle, nach welcher betreffenden Falls die Zol⸗ herabsetzungen einzutreten hätten, und er habe sich auch überlegt, ob es nicht besser sei, eine solche Skala aufzustellen, als die Ermäßigung des Zolls dem Be⸗ lieben der Regierung anheimzustellen. Allein er halte dieselbe für nicht durchführbar. Der Begriff „Theuerung“ sei ver⸗ schieden je nach der Zeit, man müsse also der Regierung eine gewisse Latitude einraumen. Er möchte sich auch nicht darauf einlassen, den Reichstag mit der Entscheidung dieser Frage zu befassen; das würde nur zu Weitschwesigkeiken führen. Na reiflicher Ueberlegung habe er deshalb seinen Antrag in der Fassung eingebracht, in welcher derselbe jetzt vorliege. Der⸗ selbe sei der Zustimmung seiner politischen Freunde sicher, er hoffe aber, daß alle Parteien seinen Antrag im Interesse der ärmeren Volksklassen annehmen würden.

Hierauf ergriff der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Staatssekretär des Reichs⸗Schatzamts von Burchard das Wort:

„Meine Herren! Die Gründe, welche den Herrn Antragsteller geleitet haben, sind gewiß an sich durchaus berechtigte. Ich kann auch hinzufügen, daß ein ähnlicher Antrag wenn auch nicht in dieser Kürze im Bundesrath bei der Gestaltung der Zolltarifnovelle Berathung gefunden hat. Der Bundesrath hat sich aber dafür ent⸗ schieden, einen solchen Zusatz in das Gesetz nicht aufzu⸗ nehmen. Zunächst erscheint es nicht nothwendig, eine solche Delegation für den Bundesrath in dem Gesetze auszusprechen. Es ist einmal kaum abzusehen, daß in naher Zeit eine Theuerung eintreten sollte, (Zuruf: Na, na!) das ist wenigstens die Ansicht der verbü n Regierungen gewesen, wie das die Motive väher darlegen.

ßen Ländergebieten, nicht blos in Asien und Australien pro⸗ sind noch

jetzt Weizen in sondern auch in Amerika, Produktionsgebiete

es ist also kaum anzunehmen, gewöhnliche Ursache der Theuerung, zu⸗ n diesen Ländern eintreten würde, oder auch nur in einer und daß daraus ein erhebliches Steigen Wenn aber die

terung fähig; b Mißwachs des Weizens, die Zahl dieser Länder, 8 für Weiz Weizenpreise a eine ungemessene auf die Roggenpreise nach Weizen in Folge Roaggen nachlaß Mißernten ni u befürchten wäre hältnisse jetzt so 8 23 8 n rmäßigt werden, - 188 und eine Der Antrag würde unzw dieser Maßregel zu ung gerade ung nachten, wenn der Regierunge eine so weitgehen sie wünschen dabe rücksichtigung zu zieh Es würde a stimmung in das Gesetz aufzunehmen; de daß die Spekulation sich zu Ungunste Gegenstandes bemächtigte. Es wäre ja ganz n Bundesrath die Zölle ermäßigen oder aufheben darf, eis bis an die gezogene Grenze zu treiben ie Wirkung eintritt, wenn die Zölle aufgehoben die Spekulation zu verhindern sucht, daß die damit der Zoll nicht wieder eingeführt anz ungesunden und verderblichen Speku⸗ wenn der Bundesrath von vorn⸗ aut, sei es ermächtigt oder gar auch Richtung hin empfiehlt sich

Antrags anbetrifft, so glaube ich, wenn man selbst dem Antrage näher treten nan würde doch wohl näher fixiren bestehend anzuerkennen ist. Das ist Wir haben in

een sich herausstellen würde. oraussicht nach in der nächsten Zeit nicht auf muß naturgemäß dies auch sobald sich die Nachfrage niedriger Preise mehr steigert, die Nachfrage nach ird, und in Folge dessen der Roggen selbst bei ch im Preise erhöhen wird, daß eine Tbeuerung Aber ganz abgesehen davon liegen die Ver⸗ Wenn wirklich ein Nothstand einträte, wenn die müssen die Getreidezölle aufgehoben oder den Reichstag ein⸗

Höhe kommen werden, Einfluß üben, da,

wägen wäre: dann besteht gar kein Anstand, Beschlußnahme des Reichstages zu veranlassen.

eifelhaft wichtig genug sein, um zu ch wenn die Zeitverhältnisse in dieser ünstig wären, also im Sommer oder zu schstag nicht versammelt ist. t wünschen, die Verantwortlichkeit für de Maßregel allein auf ihre Schultern zu nehmen, i eventuell das Votum des Reichstags mit in Be⸗

schreiten, au

Die verbündeten in können auch nich

ber auch nicht zweckmäßig sein, eine solche Be⸗ iun das würde dahin wirken, n der Preisgestaltung des

aturgemäß, die Tendenz der Spekulation, eintretender

Spekulation den Pr⸗ und wenn dann d werden, daß dann Preise wieder zurücksinken, wird. Es würde also bloß g. ung gegeben werden, ufgabe betr Also auch nach dieser solche Bestimmung nicht. nun die Fassung des würde doch diese Fassung, 1 wollte, nicht ausreichend sein; n wann eine Theuerung als en Schwierigkeiten verbunden. e namentlich für Weizen in ganz außerordentlichem Wir haben in Breslau im Durchschnitte des Preis von 154 ℳ, in Lindau einen solchen von sind also ganz außero aßgebend sein? Durchschnittspreisen? n und namentlich ist es sehr schwer, mit theil darüber zu gewinnen, wie sich die Preisver⸗ Durchschnitte gestalten. ich will nach der kurzen Begründung, Antrage gegeben hat, davon absehen, auf er im Zollverein lagen, näher einzugehen. den Fall, daß etwa auf diese Verhält⸗ ussion näher zurückgekommen werden sollte. Richter (Hagen) bemerkte, der Antrag Racke Art von Gewissensbedrängniß chte nur wünschen, daß der t Recht behalte, daß die Annahme dieses s in der Centrumspartei selbstverständlich um dem Antrag Woher wisse heuerung in naher Zeit nicht eintreten Bezug auf Wetterprophe⸗ r weit vorgeschritten, aber für die Prophezeiun⸗ sei die Meteorologie noch nicht Was solle unter Theuerung v n den letzten Jahren nach den Korn⸗ 879 einen Roggenpreis von 20, Weizen⸗ Bereits zu Zeiten des Zoll⸗ nen Roggenpreis von 19 schon als et, bei der die Zollschranke von selbst s hänge auch nicht blos vom Wachs⸗ n der Fracht ab. Je entfernter die Zu⸗ Faktor der Preisbildung auftrete, Seefracht in Betracht, und allseitig werde Seefracht jetzt so ungewöhnlich billig sei, auf die Dauer nicht werde bestehen be man ebenso billige Frachten Annahme der Kornzölle seien sie Jetzt, bei ungewöhn⸗

lationen Nahr herein mit der A chtet würde.

aber wieder mit gro Deutschland die Prei Umfange verschieden. vorigen Jahres einen 227 gehabt. Das Welche Preise sollen nun m wieder zwischen allen den ordentlich schwer zu Schnelligkeit ein Ur hältnisse im Meine Herren, agsteller seinem wie sie früh lte mir das vor für

rdentliche Differenzen. Der Durchschnittspreis

die Verhältnisse,

nisse in der Disk

Der Abg. 1 scheine ihm das Produkt einer innerhalb der Maj Antragsteller dami Antrages mindesten ö Die Centrumspartei genüge ja schon, zu schaffen.

orität; er

eine Mehrheit sekretär, daß eine T g in werde? Man sei allerdings jetzt in zeiungen seh gen auf l so ganz ausgebildet. Man habe i zollerhöhungen von 1 preise von 22 bis 23 vereins habe man ei eine Theuerung betracht fallen müsse. thum, sondern auch vo fuhr sei, je mehr s desto mehr komme die zugegeben, daß diese daß die Rhederei dabei können. Im Jahre 1879 ha gehabt; sehr bald nach der h in die Höhe gegangen. depreisen, könne es ja scheinen, als ob eine er Ferne liege und als wenn die Mehrheit Aber daß die Dinge sich doch sehr das sinde er in einem Centrumsorgan, sehr anschaulich ausgeführt. die Reden von Rickert und edeutung und Beachtung Maßstabe unerfüllbare Budget des kleinen Mannes stellen 1879 Mißernte und Theuerung ein⸗ eits die doppelte Zahl von Deutschfrei⸗ sitzen; würden jetzt Mißernten eintreten, sten Wahl die Rechte halbirt und die Es liege also der wunderbare Zu⸗ setzung des Reichstages, von dem des Centrums abgesehen, vom Ernte⸗ Wenn man also schlechtes Rechte aus dem Hause ent⸗ echten sei schon gestern über Bord also mit

ängere Zeit hinaus

Der Prei

ganz beträchtlich lich billigen Getrei Theuerung in weit ganz unbesorgt sein leicht ändern könnten, dem „Westfälischen Merkur“,

abe es jüngst geheißen, Genossen würden eine ganz an sinden, wenn Mißernten Anforderungen an d. würden; wäre nach

etreten, so würde ber nnigen im Reichstage so würde bei der näch Linke verdoppelt werden. stand vor, daß die Zus unerschütterlichen Thurm ausfall, d. h. vom Wetter abhange. Wetter bekomme, so wer Einer von der R. Konservativen

in großem

gegangen. dem Barometer orientiren. aber dessen müssen und wolle gern in diesem F geben, Maßregeln das sehe man hier, Volkes handele, nicht die parl Durch eine Zusamn würde im Falle einer vielleicht 14 gehalten, weil man ja in über die Getreidepreise sei. eine Zollherabsetzung nicht für nützlich mehr Getreide wachse. Auffassung geben; frei die Vertheilung werde eine andere: geringerem Zoll. Amerika, aus Ostindien und, wenn man

Napoleon habe auch eine große Macht gehabt, auch sehr nach dem Wetter sehen .— Seine Partei llein die Vollmacht Seine Partei wünsche also, Wohl des

Regierung habe b Napoleon sei schließlich gefallen alle der Regierung a zu treffen. wo es sich wirklich um das amentarische Regierung als ienberusfung des Reichstags ung die Spekulation noch halten und die Zufuhr zurück⸗ der Zwischenzeit im Ungewissen Der Reichskanzler seinerseits halte ,weil deshalb doch nicht cht leicht eine falschere lich wachse nicht mehr Getreide, aber das Getreide könne bei größeren Mengen erst die subven⸗

Selbstzweck.

Es könne

zollfrei in

lionirten Linien haben werde, auch aus Australien zur Milderung der Theuerung nach Deutschland geführt werden. Aber gerade der Zweifel des Reichskanzlers wegen halte er es für besser, daß eine derartige Bestimmung in das Gesetz selbst aufgenommen werde. Die Bevölkerung werde sich dann beruhigen und eher voraussetzen, daß die Majorität, welche die Zölle erhöhe, ein gutes Herz für sie habe. Werde der Antrag abgelehnt, dann fürchte er, werde die Anschauung im Volke an Boden gewinnen, daß es eine Partei der Brodver⸗ theuerung gebe, die auch in dieser Beziehung keine Rücksicht kenne.

Der Abg. Udo Graf zu Stolberg⸗Wernigerode führte aus, daß der Ton des Vorredners wegen der gestrigen Nachwahl in Mecklenburg außerordentlich gewachsen sei. Man wisse ja aber, wie es bei solchen Nachwahlen hergehe, da werfe sich der ganze Generalstab der Fortschrittspartei in den Wahlkreis. Die Liberalen hätten ja allerdings eine bessere Organisation für die Wahlen. Aber wenn die liberale Partei sich der all⸗ gemeinen Volksstimmung gegenüber befinde, so falle doch die Sache anders aus. Die Tendenz des Antrags Racke sei ihm sympathisch. Indessen bestehe, wie der Abg. Siemens neulich ausgeführt habe, die wirthschaftliche Bedeutung des Börsen⸗ verkehrs darin, daß derselbe große Preisschwankungen und das Eintreten wirklicher Vertheuerungen verhindere. Eine Theuerung sei daher nicht zu befürchten. Auch die Fassung des Antrages sei für ihn nicht präzis genug.

Der Abg. Rohland erklärte sich für den Antrag Racke. Nachdem einmal die Kornzölle angenommen seien und damit gerade den ärmsten Volksklassen das Leben vertheuert sei, müsse man wenigstens so viel Herz haben, bei eintretender Theuerung sofort die Zölle beseitigen zu können.

Der Abg. Dr. Buhl hielt den Antrag für höchst ge⸗ fährlich. Derselbe werde gerade dem Handel die Möglich⸗ keit nehmen, zu Zeiten der Noth für die Verproviantirung des Volkes zu sorgen; denn der Handel werde in solchen Zeiten wegen der Gefahr, daß die Zölle plötzlich aufgehoben werden könnten, nicht Getreide zu importiren wagen. Man könne die ganze Frage nur lösen, indem man entweder auf die gleitende Skala zurückkomme, oder in Fällen der Theuerung den Reichstag sofort einberufe, der dann eine Ermäßigung der Zölle be⸗ schließen könne. Er stelle anheim, den Antrag der Zollkom⸗ mission zu überweisen.

Der Abg. Racke erklärte sich mit der Verweisung an die Kommission einverstanden.

Der Abg. Richter (Hagen) bemerkte, wenn das richtig wäre, was der Abg. Buhl meine, dann müßte man ausdrück⸗ lich im Gesetz bestimmen, daß gerade bei hohen Getreide⸗ preisen die Zölle nicht ermäßigt werden dürften. Beim An⸗ trag Nacke bleibe der Zeitverlust außer Betracht, den eine Einberufung des Reichstages veranlassen müßte. Der Antrag solle eine Waffe gegen inländischen Wucher und Monopolisirung der Preise sein, auch gegenüber den spekulirenden Gutsbesitzern. Seit gestern habe er übrigens in dieser Beziehung auch Namen erfahren. Er stimme dem Antrag Racke zu; zu einer Kom⸗ missionsberathung habe er nach den Arbeiten der Holzkom⸗ mission kein Vertrauen. Wenn er sich heute übrigens etwas gehobener fühle, so komme es daher, daß, je mehr seine Partei in diese Materie eintrete, es der Rechten desto schwerer werde, sich sachlich zu vertheidigen, und daß die Rechte in der Debatte immer den Kürzeren ziehe. Die Konservativen im Verein mit dem Centrum hätten wohl die Majorität, aber ihre Autorität lasse viel zu wünschen übrig. Für die Nachwahl in Mecklen⸗ burg sei von Seiten seiner Partei diesmal nicht mehr geschehen, als bei der ersten Wahl in demselben Kreise. Die Konservativen aber seien so unvorsichtig gewesen in ihren Flugblättern bei dieser Nachwahl zu verkünden: „Jetzt gelte es zu entscheiden, ob Bismarck oder RNichter!“ eine Parole übrigens, die er sich durchaus nicht zu eigen mache. Für die Nachwahl sei vielmehr das Stichwort: ob Kornzölle oder nicht, und es habe ein Erbpächter gesiegt, der vom Lande und von allen Städtern unterstützt worden sei.

Der Abg. Dr. Windthorst wünschte für den Antrag Nacke eine andere Fassung und deshalb nähere Prüfung in der Kommission.

Der Abg. von Köller glaubte, daß der Abg. Richter auch heute nur Agitationsreden gehalten habe. Phrasen wie „Brotvertheuerungspartei“ sollten von der sachlichen Diskussion fern gehalten werden. Die mecklenburger Wahl solle gezeigt haben, welche Erfolge seine Partei mit ihrer Politik gehabt habe; schon wieder sei einer über Bord. Nun, bei den letzten Wahlen seien von den Freunden des Abg. Richter 40 über Bord gegangen und wenn von konservativer Seite darüber doch nicht ein Freudengeschrei angestimmt sei, so sei das ge⸗ schehen, weil man gewußt habe, daß die Stimmen nicht zu zählen, sondern zu wägen seien. In Mecklenburg sei Hr. Wilbrandt gewählt, weil die Nationalliberalen für denselben gestimmt hätten. Das werde in Zukunft anders sein. (Der Präsident ersuchte den Redner, endlich zur Sache zu sprechen.) Wenn die Linke jetzt dem Bundesrath die Herabsetzung der Getreidezölle überlassen wolle, so liege darin die Anerkennung, daß man nicht die Verantwortlichkeit auf sich laden wolle, den Getreidezoll, der im Interesse der Land⸗ irthschaft beschlossen worden sei, herabzusetzen.

Die Debatte wurde geschlossen.

Der Abg. Heine konstatirte, daß ihm durch den Schluß der Debatte die Möglichkeit benommen sei, die An⸗ sichten seiner Partei klar zu legen. 88

Der Antrag Racke wurde hierauf an die Kommission ver⸗

wiesen.

seg. folgte die Berathung der Position „Anis, Koriander, Fenchel und Kümmel“. Die Regierung will den Zoll auf 4 erhöhen, die freie Vereinigung auf 3 ℳ, der Abg. vor Kar⸗ dorff schlägt für Anis und Kümmel einen Zoll von 3 ℳ, für Koriander und Fenchel einen Zoll von 3 vor.

Der Abg. Ackermann erklärte, er würde im Interesse der

Fabrikanten ätherischer Oele, die wegen des geringwerthigen inländischen Anis und Kümmels auf die Zufuhr vom Aus⸗ land angewiesen seien, für Anis und Kümmel den Zoll auf 2 ermäßigen. Indessen sehe er von der Einbringung eines besonderen Antrages ab, da gegen das Kompromiß der freien Vereinbarung nicht aufzukommen sei. b

Der Abg. Broemel hob hervor, daß die Motivirung der Erhöhung dieser Zölle sich darauf beschränke, zu konstatiren, daß diese Artikel theurer als Getreide seien. Die Motive seien das Papier nicht werth, auf dem sie gedruckt seien. Die Frage sei doch die, ob der bisherige Zollsatz sich als zu niedrig erwiesen habe. Nun stelle die der Zolltarifnovelle beigegebene statistische Tabelle fest, daß an den Quanten der Einfuhr sich nichts verändert habe. Es sei daher eine gerechte Forderung

der Industrie, daß an den Zöllen für diese Artikel nichts ver⸗ ändert werde. 88

Der Abg. Kalle bat, es bei dem bisherigen Zollsatz zu belassen. Die Zollerhöhungen würden der Landwirthschaft nichts nützen, aber der Industrie erheblichen Schaden zufügen.

Der Abg. Dr. Meyer (Halle) beantragte für Kümmel und Anis Zollfreiheit und für Fenchel und Koriander Bei⸗ behaltung des bisherigen Zolls. Trotz der höheren Preise sei der Anbau dieser Artikel nicht fortgeschritten; und die Fa⸗ brikation ätherischer Oele habe sich nach Rußland gezogen. Als Schutzzölle seien die Zölle auf Kümmel und Anis schädlich, als Finanzzölle zu geringfügig.

Die Vorschläge der freien Vereinigung wurden ange⸗ nommen. .“

Ein Vertagungsantrag wurde angenommen. 1

Der Abg. Dr. Windthorst erklärte zur Geschäftsordnung, er beabsichtige, nachdem in der morgigen Sitzung noch die Positionen „Mehl“ und „Champagner“ erledigt worden seien, eine Vertagung auf eine Woche, bis Montag über acht Tage, zu beantragen. Das gegenwärtige Zusammentagen der Par⸗ lamente bringe auch diele Abgeordnete in ihren häuslichen Geschäften zurück; und eine Vertagung auf kurze Zeit könne auch nur im Interesse einer gründlichen Erledigung der vor⸗ handenen Arbeiten liegen.

Der Abg. von Kardorff wünschte unter allen Umständen die Positionen zu erledigen, die eventuell noch unter das Sperrgesetz fallen könnten, namentlich Mühlenfabrikate und Schaumweine. .

Der Abg. Richter (Hagen) machte darauf aufmerksam, daß außer für diese beiden Artikel eine Sperre nicht eintreten könne, da die anderen noch ausstehenden Artikel bis jetzt zollfrei seien. Die Positionen „Mühlenfabrikate“ und „Schaumweine“ würden auch morgen noch von 2 Uhr ab er⸗ ledigt werden können. 8

Der Präsident schlug deshalb vor, diese beiden Petitionen morgen vorab zu erledigen.

Der Abg. Rickert wünschte, daß während der Vertagung die Kommissionsberathungen, die jetzt mehrfach übers Knie gebrochen würden, ein langsameres Tempo annehmen und gründlicher werden möchten. 3

Die Abgg. Udo Graf zu Stolberg⸗Wernigerode und von Helldorff bestritten entschieden, daß die Kommissionsberathungen überhastet würden. 1

Hierauf vertagte sich das Haus um Uhr a if Sonn abend 2 Uhr.

Im weiteren Verlauf der gestrigen (23.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten bemerkte bei fortgesetzter Berathung des Etats für das Ministerium der geist⸗ lichen, Unterrichts⸗ und Medizinal⸗Angelegen⸗ heiten der Abg. Dr. Windthorst, die Angriffe des Abg. von Eynern gegen die katholische Presse seien unberechtigt; die vorgelesenen Aeußerungen seien ihm alle als wahr und zu⸗ treffend vorgekommen. Jede Zeitung schreibe in dem Tone, der in ihren Leserkreisen üblich sei, und in Bochum und Elberfeld müsse eine sehr deutliche Sprache gesprochen werden. Das Bild, welches der Abg. von Eynern von der katho⸗ lischen Presse entworfen habe, sei ganz frappant das Bild der „Kölnischen Zeitung“: was die Gemeinheit erfinden, was die Verlogenheit lügen könne, das sei von dieser Zeitung geleistet worden! Auch in den Wahlauf⸗ rufen für den Abg. von Rauchhaupt in Potsdam und anderswo seien Aeußerungen über die katholische Kirche zu Tage getreten, die das Centrum tief bedauere. m Wahl⸗ kampfe habe dasselbe gerade der konservativen Partei that⸗ kräftigste Hülfe geleistet; nicht unterstützt habe es die Mittel⸗ partei, die unter Führung der Regierung das Centrum an die Wand habe drücken sollen. Der Wurm krümme sich eben, wenn er getreten werde. Feste echte Konservative habe das Centrum überall unterstützt (Rufe rechts:

Wagner!); der habe sich als ein fester Konservativer

nicht bewährt (große Heiterkeit), er sei Kulturkämpfer ge⸗ wesen! wenn das Centrum dazu nicht in der Lage gewesen sei, dann habe es Freisinnige unterstützt und werde das mit oder ohne Erlaubniß ferner immer da thun, wo es Hülf gegen den Kulturkampf zu finden hoffen könne. (Ruf rechts: Löwe!) Gerade der sei es gewesen; der Abg. Löwe habe während der ganzen Dauer des Kulturkampfes in der Minder heit seiner Fraktion mit dem Centrum gegen die Maigesetz gestimmt. Das Zeugniß gebe er ihm hier öffentlich, deshalb habe das Centrum für ihn gestimmt und werde ferner für ihn stimmen. Es gehe seiner Partei ja nicht mit allen Freisinnigen so, sie müsse hier gerade so wie bei den Konserva tiven Unterschiede machen. Der Abg. von Rauchhaupt zweifle daran, daß das Centrum konservativ sei; seine (des Abg. von Rauchhaupt) Fraktion wolle die konserva⸗ tiven Grundsätze unentwegt hochhalten; derselbe ver wechsele einfach gouvernemental und konservativ. Der päpst liche Erlaß, den der Abg. Stöcker citire, sei blos gegen die sich breitmachende Agitation in Rom gerichtet gewesen. Da Centrum werde die Anträge des Abg. Stöcker erwarten und sachlich prüfen, aber diese Prüfung müsse sich an das bestehende Recht halten. 8 Der Abg. Dr. Frhr. von Schorlemer⸗Alst erklärte, di Konservativen hätten dem Centrum bei den Wahlen nicht vergolten, was dieses ihnen sür Dienste geleistet habe; si seien mit Sozialdemokraten, ja sogar mit Nationalliberalen gegen das Centrum zusammengegangen! Sie beklagten sich daß das Centrum ihnen feindlich entgegenstehe; hätten jene etwa ohne Hülfe des Centrums etwas von Schutzzöllen 1879 und 1885, irgend etwas auf dem Gebiete der sozialen Frage erreicht? Einen Einfluß auf die katholische Presse habe er nie gehabt; wenn der Abg. von Eynern das nicht nach⸗ weisen könne, dann werde er ihn hier vor dem ganzen Hause beschuldigen müssen, die Unwahrheit und eine wissentliche Verleumdung ausgesprochen zu haben! (Große Unruhe. Der Präsident von Köller rief den Redner zur Ordnung, nahm aber den Ordnungsruf wieder zurück, nachdem er über di hypothetische Form der Beschuldigung sich vergewissert hatte. Der Abg. von Gerlach konstatirte, daß die Nachricht vom Zusammengehen des Centrums mit dem Fortschritt in den Wahlen bei allen Konservativen die tiefste Verstimmung er zeugt habe, daß es schmerzlich empfunden worden sei, daß das Centrum Albert Träger, Ludwig Löwe und derartige Herren gewählt habe. Redner zog die Reichs⸗ tagsverhandlungen vom 3. Dezember vorigen Jahres an, welche denselben Gegenstand beträfen, und fragte, ob denn das Cenktrum vom Abg. Träger, vom Abg. Löwe Hülfe er⸗ warte, wenn es gelte, die Legitimität zu wahren? Redner lturkam diesen Kampf gegen die