1885 / 57 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 07 Mar 1885 18:00:01 GMT) scan diff

Landwirthe natürlich auch viel eher und bessere Hypotheken bekommen, als vorher. Die landwirthschaftlichen Schutzzölle seien ja nothwendig gewesen, um Deutschland eine starke ländliche Bevölkerung und der Armee ihre Tüchtigkeit zu erhalten; aber wenn das Silber noch weiter entwerthet werde, so werde der jetzige Weizenzoll höchstens zur Deckung der Exportprämie ausreichen, welche Indien heute für seinen Weizen bekomme. Die Schutzzölle seien nur ein Palliativmittel, sie allein könnten nichts helfen, sie hätten sogar das Gefährliche, daß sie den Gegensatz zwischen Stadt und Land verschärfen würden. Es sei ferner ein star⸗ ker Goldmangel in Deutschland eingetreten. Bei der Einfüh⸗ rung des Merkantilsystems habe man die Taschen der Reisen⸗ den an der Grenze untersucht und nicht geduldet, daß sie Edelmetall mit in das Ausland genommen hätten; heute unter⸗ suche man die Taschen der Reisenden nicht mehr; man habe statt dessen die Diskontschraube, welche den Abfluß des Edel⸗ metalls verhindern solle. Im Jahre 1880 sei der Diskont in Deutschland 4,17, in Frankreich 2,15 gewesen; die deutsche Produktion habe in jenem Jahre 1169 Millionen Mark theurer arbeiten müssen, als die französische. Diese Summen seien aber noch verschwindend gegenüber der Preisermäßigung, die

steigen würde, so würden die

seit 20 Jahren für alle landwirthschaftlichen Produkte einge⸗ treten sei. Deutschland stehe in Gefahr, unterwerthige Valuta zu bekommen.

Dieselbe sei nicht eine Folge der Verschuldung ondern sie komme daher, daß die metallische asis eines Landes zu schmal geworden sei. In Frankreich betrügen die Umlaufsmittel im Ganzen 9 Milliarden Francs, in Deutschland nur 4 Milliarden Francs. In Frankreich kämen auf den Kopf der Bevölkerung 248 Fr. Metallgeld, in England 178, in Belgien 160, in Holland 147, in den Vereinigten Staaten 135, in Deutschland nur 83 Fr. Also wirthschafteten entweder jene Staaten falsch, oder Deutschland. Den Punkt der deutschen Währungspolitik halte er für die verwundbarste Stelle der deutschen Währung. Die französische Bankordnung ferner bewirke, daß die Bank von Frankreich dauernd Edel⸗ metalle an sich ziehe; nach dem deutschen Bankgesetz vermehre die Reichsbank ihren Metallbestand nicht. Er halte daher auch eine entsprechende Abänderung des deutschen Bank⸗ gesetzes für nothwendig. Wenn Frankreich alle Wirthschafts⸗ krisen viel leichter überstehe als Deutschland, so liege das eben wesentlich daran, daß sich in Frankreich viel mehr Metallgeld befinde als in Deutschland. Die Bank von England habe ferner, seitdem in England die Gold⸗ währung bestehe 196 Mal den Diskont verändern müssen; der Diskont habe von 2—10 Proz. geschwankt. In derselben Periode seien in Frankreich nur 97 Diskontveränderungen orgekommen und dort habe der Satz nur von 3 —7 Proz. geschwankt. Woher solle Deutschland ferner das Geld nehmen, m die neuen Kolonien zu bewirthschaften? Er verstehe jetzt vollständig, warum der Abg. Bamberger ein so erbitterter Geg⸗ ner der Kolonien sei. Wäre er Vertreter der Goldwährung, o würde er ebenfalls gegen die Kolonialpolitik sich sträuben. erade die Kolonialpolitik nöthige Deutschland zum Ueber⸗ ang zur Doppelwährung. Der Abg. Woermann sei freilich anderer Meinung. Dessen Kollege O'Swald in Hamburg habe aber ausdrücklich gesagt, daß das schwerste Hin⸗ derniß der Ausdehnung der afrikanischen Kolonisation in der Unzulänglichkeit der Goldwährung liege und in der schwankenden Relation des Silbers zum Golde, welche es un⸗ möglich mache, den Handel mit jenen Ländern auf eine gesunde Basis zu stellen. Er hoffe, der Abg. Woermann werde seine Meinung in diesem Punkt noch ebenso korrigiren, wie der⸗ selbe sie in der Zollpolitik korrigirt habe. Wie in der Kongo⸗ frage, so könnte Deutschland auch in der Währungsfrage, die noch viel wichtiger sei, die Initiative zu einer internationalen Einigung ergreifen, zumal ja gerade durch den Uebergang Deutschlands zur Goldwährung die Silberentwerthung ent⸗ standen sei. Er bestreite entschieden, daß mit der Wiederein⸗ führung der Doppelwährung eine Silberüberschwemmung ein⸗ treten werde. Die ganze Silberproduktion betrage heute etwa 500 Millionen Mark, eine Steigerung derselben sei nicht zu erwarten. Viele Bergwerke trieben bereits Raubbau. Von diesem Silber brauche aber Ostasien allein etwa 180 Millionen, für 200 Millionen flößen nach Amerika, so lange die Bland⸗ bill bestehe, auf ganz Europa würden schließlich nur 55 Millionen Mark kommen. Damit lasse sich eine Silber⸗ überschwemmung nicht herstellen. Selbst wenn man in Deutschland innerhalb 10 Jahre vielleicht 900 Millionen Mark Silberzufluß bekomme, so wäre das noch nicht einmal hinreichend, um dem deutschen Münzwesen die wünschens⸗ werthe metallische Basis zu geben. Ihm komme es ja gerade darauf an, daß Deutschland sein Geld behalte. Deutschland wolle Silber als Deckung der Banknoten zahlen. Es sei völlig unrichtig, daß das Gold durch das Silber aus dem Lande gezogen werde. Das einzige Land, welches viel Gold verloren habe, sei gerade England. Das Silber verdränge nicht das Gold, sondern es gebe demselben eine gewisse schützende Deckung. Auch eine schädliche Preisvertheuerung werde durch die Doppelwährung nicht entstehen; dorin seien mit ihm die bedeutendsten National⸗ ökonomen einig. Es fei dann das thörichte Märchen verbreitet worden, die deutsche Agitation für Bimetallismus werde von amerikanischem Gelde bezahlt. Im amerikanischen Kongreß hätten die hervorragendsten Männer es gerade für einen Vor⸗ theil für Amerika erklärt, wenn Europa das Silber hinaus⸗ werfe; es sei dort gesagt worden, daß gleichzeitig mit dem Silber auch die Bevölkerung aus Europa hinausgeworfen und Amerika zugeführt werde: Amerika könne das europäische Silber ausgezeichnet mit verbrauchen. Die Insinuation gegen Deutsch⸗ land sei aber so oft und so boshaft wiederholt worden, daß er Jedermann die Rechnungen und Bücher der bimetallistischen Vereinigung zur Verfügung stellen wolle; man werde daraus ersehen, daß die gesammte Preßthätigkeit des Vereins lediglich aus Beiträgen von Vereinsmitgliedern bestritten werde. Die Be⸗ hauptung, daß durch die Doppelwährung die deutsche Valuta erschüttert werde, sei eine Spekulation auf die Unwissenheit der Menge. Sei etwa die amerikanische oder französische Valuta er⸗ schüttert worden? Umgekehrt gerade, wenn Deutschland bei der Goldwährung bleibe, werde das Gold allmählich aus dem Lande verschwinden; Deutschland werde statt dessen Papier und schließlich eine unterwerthige Valuta bekommen. Er wünsche die Herbeiführung eines gemeinschaftlichen Beschlusses der großen Kulturstaaten, um sich über eine Werthrelation von Gold zum Silber zu vereinigen. Es werde behauptet, die jetzigen Währungszustände seien den arbeitenden Klassen zu gute gekommen. Das sei nicht richtig; im Gegentheil seien die pro⸗ duktiven Klassen der Bevölkerung geschädigt und damit auch alle für die Produktion thätigen Arbeiter. Auch die Kapita⸗

reduktion. Er glaube an das Prinzip der Harmonie der Interessen; es zeige sich auch schon jetzt, wie sehr der Haß gegen das Kapital gewachsen sei. In Preußen berathe man über eine Kapitalrentensteuer, hier im Reichstag über eine Börsensteuer, beides, um das Kapital zu treffen. Namentlich sei auch die antisemitische Bewegung nichts als ein Kampf gegen das Kapital. Er wisse wohl, daß diese Bewegung gleichzeitig auch ein Kampf gegen die politische Gleich⸗ berechtigung der Nichtchristen sei; daß sie endlich auch ein Rassenkampf sei; die Hauptsache sei ihr aber die Be⸗ kämpfung des Kapitals. Diese Seite der Antisemiten⸗ bewegung sei zugleich auch die gelungenste. Daß dieser Kampf mit den verderblichsten Maffen geführt werde, mit dem Neid und der Habgier der Massen gegen die Besitzenden, sei klar. Wolle man den Kampf gegen das Kapital mit loyalen Waffen führen, dann müsse man denselben gerade auf die Währungsfrage hinüberspielen und das Silber remoneti⸗ siren. Damit werde man die Macht des Kapitals gebrochen haben. Wer die Arbeit gegen das Kapital schützen wolle, wer das protektionistische System gegenüber dem Prohibitivsystem vertrete, wer dem Reiche die materielle Verkehrsbasis geben wolle, die es zu seiner Machtstellung bedürfe, wer endlich die sozialen Aufgaben der Kaiserlichen Botschaft, das wirthschaft⸗ liche Aufblühen der Nationen fördern wolle, der müsse seinem Antrage zustimmen. Beendige man die jetzige Währungsanarchie, lasse man die Edelmetalle wieder frei in den Verkehr einströmen, das habe zu allen Zeiten zur Blüthe der Staaten bei⸗ getragen. Den jetzigen allgemeinen Mangel an Unternehmungs⸗ geist, den man immer nur auf die Ueberproduktion zurück⸗ führe, hätten die Bimetallisten sofort vorhergesagt, als die Goldwährung eingeführt sei. Er habe die Politik des Reichs⸗ kanzlers seit 20 Jahren unterstützt und werde sie bis an seines Lebens Ende unterstützen. Diese Währungsfrage halte er für viel wichtiger, als die ollfragen, als die Kolonial⸗ politik, als die Steuerfragen. wisse nicht, wie heute die Reichsregierung über die Remonetisirung des Silbers denke, aber er habe sechs Jahre lang für das protektionistische System gekämpft; erst allein, dann mit wenigen, dann mit vielen Bundesgenossen; endlich mit der Hülfe des Reichskanzlers und dadurch mit Erfolg. Ebenso sei er fest überzeugt, daß seinem Antrage auch in der Währungsfrage schließlich die Unterstützung des Mannes, der heute die Geschicke Deutsch⸗ lands leite, nicht fehlen würde!

Der Bundeskommissar Geheime Ober⸗Reg.⸗Rath Schraut entgegnete, gegenüber den persönlichen Bemerkungen, welche der Vorredner an ihn zu richten die Güte gehabt habe, ge⸗ statte er sich zunächst die Gegenbemerkung, daß die von ihm veröffentlichte Schätzung des gegenwärtigen Geldumlaufs in Deutschland keinerlei offiziellen Charakter habe. Er benutze jedoch diese Gelegenheit, um über diesen überaus wichtigen Punkt der bimetallistischen Basis, wie der Vorredner sich aus⸗ gedrückt habe, d. h. über den deutschen Geldumlauf einige thatsächliche Bemerkungen anzuknüpfen; und er füge im Vor⸗ aus hinzu, daß er sich ausschließlich auf diesen Punkt zu be⸗ schränken habe. Die Regierung lege besonderen Werth dar⸗ auf, daß in diesem Punkte keine Mißverständnisse obwalteten, weil es für den öffentlichen und privaten Kreditverkehr Deutsch⸗ lands erwünscht sei, daß pessimistische Anschauungen über den gegenwärtigen Geldumlauf nicht die Oberhand gewinnen würden. Er möchte noch weiter gehen und der An⸗ sicht sein, wenn man internationale Vereinbarungen befürworte, durch welche der jetzige internationale Währungs⸗ gegensatz beseitigt werden solle, dann sei es erste Voraus⸗ setzung, daß man seine Stärke und Kraft nicht in den Hinter⸗ grund stelle und es nicht so darstelle, als ob Deutschland außer durch die allgemeinen Ergänzungen noch durch spezielle nur Deutschland betreffende Gesichtspunkte gedrängt würde. Von diesem Standpunkte ausgehend, gestatte er sich that⸗ sächlich hervorzuheben, daß Deutschland bis Ende 1884 er könne auch dieses Jahr hinzufügen, da nunmehr die Nach⸗ weisungen hierüber vorlägen rund 1922 Millionen Gold⸗ münzen, also nahezu 2 Milliarden Goldmünzen ausgeprägt habe. Wieviel von diesem Gold inzwischen verschwunden sei, darüber gebe es einen Faktor, der ziemlich sicher sei, und einen, der absolut unsicher sei. Der erstere betreffe die Frage: wieviel von deutschem Golde in ausländischen Münzstätten eingeschmolzen worden sei. Hierüber habe die Regierung amtliche Ermittelungen angestellt, und es beständen auch in dieser Beziehung keine besonderen Differenzen. Es seien im Ganzen 150 oder 160 Millionen Mark. Anders liege es bei der zweiten Frage, wieviel von den deutschen Goldmünzen für industrielle Zwecke im In⸗ und Auslande eingeschmolzen worden sei. Die Regierung habe sich viel Mühe gegeben, hierüber Thatsächliches zu ermitteln; es habe sich aber heraus⸗ gestellt, daß wirklich greifbare Momente nicht vorhanden seien. Im Anfange der Münzreform seien namentlich bei der Uhren⸗ fabrikation größere Mengen deutscher Goldmünzen einge⸗ schmolzen worden. In den letzten Jahren hätten aber die Einschmelzungen in der deutschen Industrie unzweifelhaft nachgelassen, weil deutsche Münzen bereits längere Zeit im Gebrauch seien und weil die Regierung inzwischen Ein⸗ richtungen getroffen habe, wonach kleinen Goldarbeitern Gold⸗ barren von 3 Pfund zur Verfügung gestellt seien, so daß sie kein größeres Betriebskapital aufzuwenden gebraucht hätten, um sich die nöthigen Barren anzuschaffen. Es liege über diesen Punkt eine eingehende Schätzung von einem her⸗ vorragenden und sich stets auf objektivem Boden bewegenden bimetallistischen Schriftsteller, Hrn. Haupt, vor. Derselbe schätze den ganzen von der Industrie eingeschmolzenen Betrag auf Grund der sorgfältigsten Ermittelungen vor einiger Zeit auf 80 Millionen, neuerdings auf 110 Millionen Mark. Er würde kein Bedenken tragen, sich dieser Schätzung anzuschließen, aber sie sei doch weit entfernt von jenen pessimistischen Schätzungen, welche sich bis zu einer industriellen Ein⸗ schmelzung von 300 Millionen Mark oder gar darüber ver⸗ stiegen hätten, wofür doch nur Vermuthungen hätten angeführt werden können. An dieser Stelle bitte er um Entschuldigung, wenn er persönlich hinzufüge, daß er bei seiner Ver⸗ öffentlic2hung in jeder Beziehung loyal verfahren sei. Er habe seiner Uebersicht ausdrücklich eine Note hinzugefügt, worin es wörtlich heiße: Für die Schätzung der Einschmelzung deutscher Goldmünzen für industrielle Zwecke fehle es an sicheren Anhaltspunkten. O. Haupt schätze diese Gesammt⸗ einschmelzung für industrielle Zwecke auf etwa 78 Millionen Mark. Andere Schätzungen seien zum Theil beträchtlich niedriger. Jedenfalls hätten in den letzten Jahren größere Einschmelzungen für industrielle Zwecke nicht mehr statt⸗ gefunden. Bei der völligen Unsicherheit dieses Faktors seien in der Uebersicht entsprechende Abzüge nicht gemacht. Jeder⸗

listen hätten nur einen scheinbaren Vortheil von der Preis⸗

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Note selbst sagen müssen, daß er (Redner) in diesem Punkte einen Vorbehalt gemacht habe, und daß mindestens der Be⸗ trag von 78 Millionen Mark in Abzug zu bringen sei. komme weiter die Frage: wieviel befinde sich von deutschem Golde in auswärtigen Banken? Hierüber lägen der Regie⸗ rung außer dem überwiegend günstigen Stande der deutschen Wechselcourse gewisse Anhaltspunkte vor, welche zu der An⸗ nahme berechtigten, daß, abgesehen von der Bank eines großen Landes, welche seit längerer Zeit einen Betrag von 30 Millionen Mark festhalte, größere nennenswerthe Beträge zur Zeit nicht im Besitze auswärtiger Banken seien. Dagegen befinde sich die deutsche Reichsbank im Besitze von Goldbarren und aus⸗ ländischen Goldmünzen, deren Bestand sie in der General⸗ versammlung am Schlusse jeden Jahres veröffentliche, dieser Besitz an Goldbaaren und ausländischen Goldmünzen, der im deutschen Goldumlauf nicht eingerechnet sei, habe sich Ende 1883 auf 115 Millionen Mark und Ende 1884 auf rund 72 Millionen Mark belaufen. Schließlich handele es sich noch darum, wieviel zir⸗ kulire von deutschem Golde im Verkehr des Auslandes. Er glaube gewiß, daß sich dieser Betrag mit den ausländischen Goldmünzen ausgleiche, die in Deutschland im freien Verkehr seien. Resumire man alle diese Verhältnisse, so komme man dazu, die Ge⸗ sammtschätzung des bereits erwähnten bimetallistischen Schrift⸗ stellers Haupt für richtig zu halten, welcher den Goldumlauf Deutschlands für Ende 1885 auf 1700 Millionen berechnet habe. Er gebe zu, daß bei der Unsicherheit einiger Faktoren man den Umlauf auf 50 bis 100 Millionen Mark geringer schätzen könne; dagegen überschreite es weit das objektive Maaß, wenn geschrieben werde, daß der deutsche Goldumlauf bis auf 1400 Millionen oder noch weiter zurückgegangen sei. Er glaube ferner, daß der Vorredner auch darin zu schwarz sehe, daß man zu befürchten habe, daß der deutsche Gold⸗ bestand weiter in großen Mengen ins Ausland ab⸗ fließen werde. Man habe in den letzten Jahren die Erfahrung gemacht, nicht nur, daß deutsches Gold nicht in das Ausland abfließe, sondern umgekehrt, daß die Reichsbank in der Lage gewesen sei, jährlich neues Gold zu⸗ zukaufen. Der Präsident der Reichsbank habe im Jahre 1881 hier bereits die Erklärung abgegeben: der Präsident sei bis jetzt nicht in Sorge gewesen, die Reichsbank habe das Gold dem Lande erhalten können und hoffe auch künstig den An⸗ forderungen entsprechen zu können. Er habe keinen Zweifel darüber, daß, Dank der deutschen Handelsbilanz, wie sie sich in den letzten Jahren wesentlich unter dem Schutz der gegen⸗ wärtigen Zoll⸗ und Handelspolitik zum Vortheile Deutschlands günstig entwickelt habe, nicht zu befürchten sei, daß speziell der deutsche Goldumlauf besonderen Gefahren ausgesetzt wäre, und daß Deutschland nicht in der Lage wäre, seinen Gold⸗ umlauf zu schützen. Auf diese thatsächlichen Bemerkungen wolle er sich beschränken.

Der Abg. Dr. Bamberger erklärte, er danke dem Abg. von Kardorff dafür, daß derselbe ruhig und sachlich, aber auch dafür, daß der Abg. von Kardorff zwei Stunden lang ge⸗ sprochen habe, was ihm (Redner) manchmal vorgeworfen sei, und er freue sich, in dem altgewohnten Gegner in dieser Be⸗ ziehung wie an einigen Stellen dessen Vortrages einen Verbün⸗ deten zu finden. Die eminente Wichtigkeit der Frage recht⸗ fertige in der That jeden Anspruch an die Geduld des Hauses und jede eingehende Prüfung der großen Entscheidung, die heute zwar nicht getroffen, aber doch vielleicht vorbereitet werde. Dem Dialog mit dem Abg. von Kardorff, zu dem derselbe ihn durch dessen an ihn persönlich adressirte Ansprache heraus⸗ gefordert habe, hätte er eine Auseinandersetzung mit den ver⸗ bündeten Regierungen vorgezogen; aber er begnüge sich mit der eben gehörten Erklärung ihres Vertreters, die in den Hauptpunk⸗ ten vollständig seinen Anschauungen begegne, daß es nämlich frevelhaft wäre, eine Beunruhigung über die Haltbarkeit der deutschen Geldzustände in das In⸗ und Ausland zu werfen. Wie der Kommissar sei auch er davon durchdrungen, daß eine solche unabsehbare Kalamität vor Allem von Deutschland fern⸗ zuhalten sei, und er bitte wohl zu prüfen, ob das Haus aus Parteirücksichten, aus Instinkt, aus Liebhaberei, aus altge⸗ wohntem Vorurtheil man liebe ja nichts so sehr, wie sein Vorurtheil der vorliegenden Resolution zustimmen werde, deren Annahme selbst dann noch verhängnißvoll wirken würde, wenn die Reichsregierung, wie er hoffe, und auf Grund ihrer früheren Erklärung annehme, der Resolution kühl gegenüber⸗ stehen werde. Abstimmungen beruhten in der Regel so sehr auf vorgesaßten Meinungen, daß jeder Appell an die Prüfung der Argumente fast naiv und unschuldsvoll klinge. Aber bei der schweren Verantwortung, die auf dem Reichstag unter diesen Umständen liege, verzichte er nicht auf die Hoff⸗ nung, daß der Eine oder Andere sich seine Abstimmung wohl überlegen werde. Der deutsche Bimetallismus habe seit jeher von Unglücksprophezeihungen gelebt; kein Geschäft, das auf Unglück spekulire, kein Todtengräber oder Arzt oder Glaser, der auf zerbrochene Scheiben rechne, sei so wie der Bimetallismus auf Unglücksspekulationen basirt. Seitdem er denselben kenne, prophezeie derselbe Deutschland Jahr für Jahr seinen und den Untergang der Welt; Umkehr zur Doppelwährung oder alles zerbreche in Stücke; Umkehr, nicht Rückkehr, denn Deutsch⸗ land habe früher einfache Silber⸗, nicht Doppelwährung ge⸗ habt. Diese Prophezeiungen hätten die Goldwährung auf ihrem ganzen Wege begleitet, wie der Engländer der Menagerie van Aken gefolgt sei, um den schönen Moment zu erleben, wo der Löwe dem Thierbändiger den Kopf abreißen würde. Das Ungethüm, das dem Bimetallismus diesen Dienst leisten und alles in Verwirrung und Ver⸗ zweiflung bringen solle, sei die Aufhebung der Blandbill und als Folge derselben die Einstellung der Silberausprägung in den Vereinigten Staaten. Auf die Aufhebung dieser Bill hätten die Bimetallisten bei ihrem erneuten aktiven Vorgehen gerechnet, sie sei das „psychologische Moment“ gewesen, Deutschland mit einer Veränderung seiner Münzwährung zu kommen. In dieser Voraussetzung schienen die Bimetallisten sich getäuscht zu haben: die Silberinteressenten selbst in Amerika hätten es nach den neuesten Nachrichten dahin ge⸗ bracht, daß die Silberprägung weiter gehe. Warum hätten sie das gethan? Weil sie Deutschland nicht die Thorheit zu⸗ getraut hätten, daß Deutschland, auch wenn Amerika die Blandbill aufheben würde, deswegen seine Goldwährung fallen lassen würde; die Amerikaner hätten eben zu dem Verstand der Deutschen mehr Vertrauen als die bimetallistischen Gegner. Denn die Amerikaner, die in solchen Dingen sehr scharf urtheilten, wüßten sehr gut, wie viel besser Deutschland mit seiner ein gestellten Silberprägung daran sei als Amerika mit ihrer noch fort⸗ laufenden; die Amerikaner wüßten sehr gut, daß Deutschland wegen der Paar hundert Millionen Mark Silber, die es noch zu viel habe

mann diese Uebersicht gelesen habe, habe sich aus der

nicht den Riesensprung ins Dunkle machen werde, aus einer festen und soliden, in der ganzen Welt akkredirten Währung

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in eine allen Erschütterungen preisgegebene überzugehen. Da nun alle alten Unglücksprophezeiungen nicht eingetroffen seien, da u. A. Europa durch die Wiederaufnahme der Baarzahlung in Italien nicht in die größten Verlegenheiten gerathen sei o prophezeie man neues Unglück und suche die Unkhalt⸗ barkeit der deutschen Goldverhaͤltnisse theoretisch zu beweisen, gegenüber einem Zustand der Dinge, der wie er kühn zu behaupten wage, unanfechtbar sei. Wo sei ein Land, das sich eines ruhigeren, geordneteren, weniger allen möglichen Peripetien ausgesetzten Geldverkehrs erfreue, als Deutschland? Der öffentliche Kredit Deutschlands stehe so hoch, wie derselbe nur je gestanden habe und sei noch in fortwährendem Aufschwung begriffen. Kein Mensch im Auslande denke daran, wenn es nicht den Bimetallisten gelingen sollte, einen Allarm hervor⸗ zurufen, seinen Forderungen in Deutschland zu mißtrauen, weil sie nicht in gutem Gelde bezahlt werden könnten, und kein Mensch denke in Deutschland daran, Mißtrauen gegen seinen Schuldner oder in seinem Besitz zu hegen, weil der Werth des Silbers geändert werde. Der Zinsfuß sei so niedrig wie jemals in diesem Jahrhundert. Der normale Zinsfuß sei von 5 auf unter 4 Proz. gesunken, wenn man sichere Anlagen machen wolle. Auch die gegen das deutsche Münzsystem wegen des häufigen Wechsels des Zinssußes gerichteten Angriffe müßten verstummen; seit zwei Jahren stehe der Zinsfuß der Reichsbank unverändert auf 4 Proz.; auch das deutsche Gold sei niemals erheblich ins Ausland geflossen, das zeige der Wechselcours untrüglich. Dieser gebe ganz genau die Stelle an, wo es möglich sei, daß das deutsche Baarmetall ins Aus⸗ land eintreten könne und müsse. Wo also seien ähnliche nor⸗ male Zustände vorhanden? Warum wolle man sich hier wieder aufs Experimentiren legen. Der Abg. von Kardorff sei lediglich von der Quantitätstheorie ausgegangen, von der Behauptung nämlich, daß die Preise der Dinge ganz genau steigen und fallen müßten, im Verhältniß des Vorraths der zirkulirenden Papierwerthe. Diese Theorie sei aber nur sehr schwer zu vertreten und sei auch von den Bimetallisten früher nicht vertreten worden. Auf den Streit zwischen dem Bundes⸗ kommissar und dem Abg. von Kardorff wolle er nicht näher eingehen. Er habe aber das Vertrauen zu dem Bundes⸗ kommissar, daß dessen Angaben richtig seien. Darin stimme er mit demselben überein, daß der Verbrauch von Zwanzig⸗Mark⸗Stücken für die Industrie im Laufe der Jahre zurückgegangen sei. Er möchte noch einen Unterschied in den Ansichten der Rechten konstatiren: Wenn es sich um Zölle handele, dann sei in Deutschland seit 1879 alles herrlich gewesen, handele es sich aber um die Währungs⸗ frage, so sei Deutschland in den untersten Pfuhl der Hölle versunken, dann sei alles furchtbar schlecht. Die Einstellung der Silberprägung habe im Weltverkehr keine Verringerung des Geldvorraths zur Folge gehabt. Der Abg. von Kardorff sage, die Valuta sei ganz unabhängig davon, ob man Zu⸗ trauen zu ihr habe oder nicht, das gebe er bis zu einem gewissen Grade zu, aber es könne dieselbe sich doch so gestalten, daß wie in Frankreich bisweilen auf das Gold eine Prämie gezahlt werde. Er wundere sich, daß der Abg. von Kardorff Hrn. Göschen nicht citirt habe, denn dieser sei ein eifriger Vertreter des Bimetallismus, oder er wundere sich vielmehr nicht, denn Hr. Göschen sei Derjenige, welcher Deutsch⸗ land mit allen Mitteln zu überreden suche, seine Goldwährung aufzugeben, damit England nur um so sicherer in seiner Goldwährung sich fühlen könne. Es sei im Jahre 1871 eine Wonnegefühl über die von Frankreich kommenden Milliarden eingerissen, wie es jetzt der Abg. von Kardorff als bevorstehend schildere, wenn das viele Silber ins Land kommen würde; würde die Abkühlung, wenn die Wünsche des Abg. von Kardorff erfüllt würden, ebenso schnell erfolgen wie nach der Erwerbung der Milliarden. Man exemplifizire vielfach auf Indien, indem man darauf hinweise, daß seit der Einführung der Goldwährung in Deutschland die Weizenausfuhr aus Indien sich ungemein gesteigert habe. Dabei werde immer nur diese eine Thatsache als Grund der Ausfuhrsteigerung eingeführt, aber nicht die andere, daß in dem nämlichen Jahre 1873 der Aus⸗ fuhrzoll auf Weizen in Indien aufgehoben worden sei. Die Steigerung der Ausfuhr beruhe auf ganz anderen Momenten, zum wenigsten nicht auf denjenigen, daß das große indische Reich durch Eisenbahn ebenso wie Rußland erschlossen worden sei. Sei Oesterreich vielleicht besser daran als Deutschland? Wenn das Haus die Rehabilitation des Silbers beschließe, glaube man, dann werde die Weizenzufuhr aus den fernen Ländern aufhören? Das Gegentheil gerade würde eintreten. Das deutsche Münz⸗ wesen befinde sich in einer besseren Lage als das jedes an⸗ deren Landes, und Deutschland habe daher keinen Grund, vor⸗ anzugehen, sondern höchstens die Verpflichtung, dem Vorgang anderer Länder zu folgen. Warte man also ab „was von anderen geschehe. Die Haltung der Reichsregie⸗ rung auf den verschiedenen Münzkonferenzen habe diesem Standpunkt zu seiner Freude bisher stets entsprochen. Frankreich habe 3— 400 Milliarden Silber zirkuliren. Die Silbervorräthe Indiens seien kolossal und schädigten das englische Budget jährlich um 80 Millionen Mark, Nordamerika baue jährlich große Gewölbe, um das Silber, welches Niemand in die Hand nehmen wolle, unterzubringen. Wenn diese Länder auf die Rehabilitation des Silbers ausgingen und demselben neue Umlaufgebiete erschließen wollten, so finde er das ganz natürlich, aber daß Deutschland sich diesen Spekulationen bereitwillig zur Verfügung stellen solle, könne er nur als eine nationale Verirrung der allerschwersten Art bezeichnen. Es sei kein Zweifel, daß Deutschland die Goldvaluta aufrecht er⸗ halten müsse, so lange England nicht von derselben abgehe. Daß England seiner Goldwährung entsagen und zur Doppel⸗ währung übergehen werde, sei absolut ausgeschlossen. Deutsch⸗ land wolle überseeische Politik treiben, seinen Handel in fernen Erdtheilen beleben und in demselben Augenblick wolle es das kost⸗ bare Zahlungsmittel, das Gold, aufgeben, dann allerdings sei das Fiasko dieser kolonialen Bestrebungen von vorn herein gewiß. Wenn Deutschland England sein Silber abnehme, dann werde es uns ganz Neu⸗Guinea und die ganze Westküste von Afrika mit Freuden einräumen. Bedenke man auch die politischen Schwierigkeiten, welche sich den Plänen der Bimetallisten ent⸗ gegenstellen würden. Die deutsche Regierung, welche bisher den Verhandlungen auf den Münzkonferenzen kontemplativ gegenübergestanden habe, solle jetzt die Initiative ergreifen, um den Andern die Kastanien aus dem Feuer zu holen. In einer so schwierigen Frage bringe man dem Hause ein⸗ stimmige Beschlüsse von ländlichen Kasinos; eine Sache, die mit solchen Mitteln vertheidigt werde, sei schlecht, und er beneide den Bundesrath nicht um die Gefühle, die denselben hät⸗

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ten bewegen müssen, als demselben diese denkwürdigen Petitionen zu hochgeneigtester Kenntnißnahme überreicht worden seien. Der Reichskanzler habe 1879 gesagt, Deutschland werde die Goldwährung auf alle Weise festhalten, aber es wolle nicht anderen Nationen das Leben erschweren. Und nun solle Deutsch⸗ land zu Kreuze kriechen und pater peccavi sagen? Welche Bedingungen werde man da bekommen! Die Reichsregierung habe bis jetzt, wenn sie auch mit der Sistirung der Silber⸗ verkäufe gefehlt habe, sehr wohl begriffen, welch ungeheure Verant⸗ wortlichkeit auf ihr ruhe, wenn sie versuche, die deutsche Münzwäh⸗ rung abzuändern und Mißtrauen zu säen. Selbst das Wenige, was in diesen Tagen geschehen sei, sei nicht ohne Wirkung geblieben. Wenn die Welt sich nicht mehr allarmirt habe, so sei der einfache Grund der, daß jeder verständige Mensch sich sagen müsse, so gottverlassen werde die deutsche Nation nicht sein, daß sie aus irgend welcher theoretischen Velleität ihre feste Währung preisgeben und ihren Kredit in der Welt erschüttern werde. Es werde nichts geschehen, sage sich die Welt, und deshalb beunruhige sie sich nicht. Würde aber es für möglich gehalten werden, daß dennoch so etwas geschehe, so würde ein⸗ treten, was sich bereits in kleinen Symptomen bemerkbar mache. In den letzten Tagen hätten sich bereits einzelne Per⸗ sonen, die die Dinge näher verfolgt hätten, gefragt: wie könne man sich gegen die Gefahr einer Erschütterung der deutschen Valuta in Sicherheit bringen? Deshalb seien auswärtige Geldpapiere an der Börse gesucht worden; inländische seien ein wenig gesunken. Auch die auswärtige Spekulation sei schon aufmerksam geworden. Vor zwei Tagen sei er aus Wien telegraphisch gefragt, ob Deutschland zur Doppelwährung übergehen würde. Wenn erst dieser Gedanke eingreife, seien die Folgen unberechenbar; und die Herren, die draußen auf die Erschütterung der deutschen Währung spekulirten, könnten dann in der That leicht ein solches Mißtrauen herbeiführen, daß auch ohne veränderte Gesetzgebung die deutsche Währung ins Wanken komme. Er erkenne das große Talent des Führers des deutschen Bimetallismus, des Inspirators der ganzen Bewegung an; er sei auch fern, irgend etwas von den schnöden Aeußerungen erwähnen zu wollen, die der Abg. von Kardorff vorhin mit Recht zurückgewiesen „habe. Er halte die deutschen Bimetallisten für Männer, die für ihre Idee ins Feuer gehen würden, aber gerade dieser Feuereifer könne manchmal zu Erzessen verleiten. In dem Moment, wenn das Silber stürze, unverkäuflich werde, würden die patriotischen Bimetallisten auftreten und sagen: nun verkaufe man das Silber, damit die Krisis über Deutschland herbeigeführt werde. Er betrachte das alles nicht, wie die Anhänger des Bimetallismus es vielleicht thun würden, als Hochverrath, als Konspiration mit den Fremden, sondern nur als einen Exzeß des Fanatismus aus theore⸗ tischer Ueberzeugung, und darum bitte er noch einmal, die Tragweite des heutigen Beschlusses wohl zu über⸗ legen, obwohl er ganz ruhig darüber sei, daß auch die An⸗ nahme der Resolution nie und nimmer zu einer bimetal⸗ listischen Konvention führen könne. Er habe es 1878 und 1881 vorausgesagt: man habe es nicht glauben wollen und werde es auch jetzt nicht glauben wollen. Dar⸗ über sei er ganz ruhig. Aber darüber sei er unruhig, daß die Welt und Deutschland selbst in Bezug auf den bisherigen Standpunkt der Reichsregierung allarmirt werden könnten. Noch stehe der Standpunkt der Regierung fest, wie er aus dem Verhalten der Regierung den beruhigenden Schluß ziehen dürfe, aber er warne, nicht erceptionell bei einem so wichtigen, dreier Lesungen und der Fühlungnahme mit dem Lande höchst bedürftigen Beschluß eine Resolution gelegentlich der dritten Lesung des Etats zu fassen. Er verlasse sich dar⸗ auf, daß die Reichsregierung und speziell der Mann, der ihre große Verantwortlichkeit trage, der Reichskanzler, deren ganze auf demselben ruhende Schwere fühlen werde, wenn der im In- und Auslande wohlbestellte Kredit Deutschlands durch Annahme der Resolution ins Wanken kommen würde. Der Abg. Dr. Frege erklärte, er verwahre von vornherein seine Freunde gegen die Annahme, als ob sie die Währungs⸗ frage nur ganz oberflächlich behandeln wollten. Offenbar sei Deutschland bei seiner Mittelstellung in dieser Angelegenheit nicht so gefährdet wie andere Staaten. Trotzdem hätte auch das Haus zu erwägen, ob es nicht umkehren müsse auf dem Wege, den es in der Münzgesetzgebung eingeschlagen habe. Er habe deshalb die Erklärungen der Regierung mit nicht geringerer Freude als der Vorredner begrüßt; sie habe nichts enthalten, was seiner Forderung nach einer internationalen Vereinbarung in dieser Frage sich von vorn⸗ herein entgegenstelle. Der Abg. Bamberger sage, daß die bimetallistische Partei mit ihrem Antrage nur eine große Be⸗ unruhigung hervorrufen würde. Aber diese Bewegung sei nicht von wenigen Männern ausgegangen, sondern aus dem Volke selbst gekommen. Er sei von seinen Wählern gezwungen worden, zu dieser Frage Stellung zu nehmen. Der Abg. Bamberger hätte es daher auch unterlassen sollen, zwar in der eleganten, höflichen Form, die ihm eigen sei, aber doch mit einer gewissen verächt⸗ lichen Anspielung auf die ländlichen Kasinos hinzu⸗ weisen. Aus solchen Kreisen setzten sich doch alle Majoritäten zusammen, und die Linke, die stets das Majoritätsprinzip ver⸗ trete, schlage sich mit derartigen Bemerkungen selbst. Im Uebrigen wisse mancher Bauer besser, wo ihn der Schuh drücke, als mancher Herr, der hier im Reichstage sitze, und die länd⸗ lichen Kasinos hätten dasselbe Recht, sich an den Reichs⸗ tag mit Petitionen zu wenden, als die Handels⸗ kammern. Er sei noch aus einem Grunde betrübt über die Ausführungen des Abg. Bamberger. Dieselben würden den Effekt haben, den Bimetallisten gerade das Land unzugänglich zu machen, auf das sie besonders bei ihrem Antrage gerechnet hätten. Er habe dann aber auch nicht verstanden, wie der Abg. Bamberger es den Antrag⸗ stellern zum Vorwurf machen wolle, wenn sie zu Gunsten ihrer Bewegung sich an Belgien, Frankreich und Amerika wenden würden, während der Abg. Bamberger selbst England aufhetze, seinen Standpunkt in dieser Frage zu wahren. Der Abg. Bamberger meine, daß Alles sei unter der jetzigen Münzgesetzgebung gut. Aber warum stelle derselbe denn nicht den Antrag auf Verkauf der Silber⸗ vorräthe? Der Abg. Bamberger habe selbst zugegeben, daß Deutschland bei der Einführung der Goldwährung einen Verlust von 160 Millionen gehabt habe, habe denselben aber unbedeutend genannt. Seines Erachtens sei Deutschland nicht so reich, um eine solche Summe verlieren zu können. Aus der heutigen Rede des Abg. Bamberger habe nicht mehr die Siegesgewißheit früherer Jahre herausgeklungen; diese Rede sei weiter nichts als ein elegantes Rückzugsgefecht. Die Hauptfrage

sei: könne Deutschland die bestehende Silberentwerthung ruhig

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weiter ertragen? Nach seiner Ansicht sei das nicht der Fall; und deshalb erachte er es als seine Pflicht, die Regierung auf⸗ zufordern, Deutschland; vor weiteren Verlusten zu schützen. Gleichzeitig sei von Deutschland Alles zu vermeioen, was eine Silberentwerthung steigern könne. Die bimetallistische. Be⸗ wegung finde immer mehr Anklang im Volke, gerade so wie der Vorschlag, aus der Reichsbank ein reines Staatsinstitut zu machen, der ja früher nur mit Hohn und Spott auf⸗ genommen sei. An der Einführung der Doppelwährung seien nicht nur einzelne Kreise, sondern die ganze Nation betheiligzt. Es dürfe die Bedeutung nicht unter⸗ schätzt werden, welche die Initiative Deutschlands auch auf diesem Gebiete haben würde. Nach den schönen Erfolgen, die Deutschland in anderen Fragen errungen habe, sei zu hoffen, daß es Deutschland auch über diese Frage eine internationale Vereinbarung herbeizuführen gelingen werde. Er wolle hier nicht auf die Nothstände ein⸗ gehen, welche die Landwirthschaft gezwungen hätten, zu dieser Frage Stellung zu nehmen. Aber wie das Haus im Jahre 1879 Schutz für die nationale Arbeit geschaffen habe, dem Widerstande des Abg. Bamberger und seiner Freunde zum Trotz, so hoffe er, daß es auf dem Wege internationaler Ver⸗ einbarungen gelingen werde, das ganze deutsche Volk vor einer Krisis zu retten, in der der nationale Wohlstand Deutsch⸗ lands gefährdet sei, 1 3 Der Abg. Oechelhäuser bemerkte, er beschränke sich darauf, im Namen seiner politischen Freunde zu erklären, daß sie ein⸗ stimmig für die Goldwährung eintreten und einstimmig gegen den Antrag des Abg. von Schorlemer stimmen würden. Die Behauptung der Herren, daß beim Ausschluß des Silbers das Gold in Zukunft nicht genügen werde, um eine gesunde wirth⸗ schaftliche Einwirkung auszuüben, sei ebenso wenig begründet wie die zweite, daß die Silberländer Deutschland dauernd eine verschärfte Konkurrenz machen würden und billiger würden pro⸗ duziren können als die Goldländer. Der Trugschluß sei der, daß die Herren verwechselten, daß durch die Entwerthung der Valuta die Preise steigen würden und die Länder nur im Stande seien, in demselben Verhältniß wie früher zu kon⸗ kurriren, und so wie die höheren Preise kommen würden, würden sie mit dem Gelde, das sie ausgegeben hätten, die Waare theurer bezahlen müssen. Im Uebrigen könne er sich nur den ausgezeichneten Ausführungen des Abg. Bamberger anschließen. 8 b

Der Abg. von Schalscha erklärte, es sei noch nicht lange her, daß der Ruf nach Einführung einer Weltmünze erschol⸗ len sei. Derselbe habe in Deutschland auch Anklang gefun⸗ den, welches unter dem Elend verschiedener Münzen beson⸗ ders gelitten habe. Er behaupte nun, daß man mit Einfüh⸗ rung der Goldwährung wieder einen Schritt rückwärts gethan habe von diesem Ziele. So lange es feststehe, daß nicht so viel Gold produzirt werden könne, als ausreichend für die Einführung der Goldwährung in allen Ländern wäre, so lange werde es Länder mit Gold⸗ und Silberwährung geben. Das sei aber das Gegentheil von dem, was erwartet worden sei von der Einführung einer Weltmünze. Denn die Folge eines solchen Zustandes würde ein Schwanken der Relationen beider Metalle sein, auf der die Gold⸗ die Silberwährung basire. Er müsse dem Abg. Bamberger auch bemerken, daß dessen Rede auf ihn den Eindruck gemacht habe, als ob derselbe sich auf dem Rückzuge befinde. Der Abg. Bamberger habe die Ausführungen des Abg. von Kardorff als ruhig bezeichnet. Er habe den Abg. von Kardorff selbst aber voreilig gefunden, besonders am Schluß der Rede. Derselbe habe ihn oft an Jupiter erinnert, der zürne, wenn er nicht wisse, was er sagen solle. Es sei gesagt: nachdem die Goldwährung eingeführt sei, müsse man auch an derselben festhalten, da ihre Beseitigung Opfer erfordere. Er glaube, es wäre besser einige Opfer zu bringen, wenn es nur gelänge, die üblen Zustände zu beseitigen. Der Abg. Bamberger habe ausgerechnet, daß die Umwandlung der minderwerthigen Scheidemünzen in voll⸗ werthige Deutschland einen Verlust von 44 Millionen Mark verursachen würde. Das sei richtig. Aber Deutschland würde im Ausland am Silbercours 18 Proz., d. bHän gefähr 84 Millionen gewinnen; Deutschland hätte also immer noch einen Vortheil von 44 Millionen. Wenn man sich aber darauf beschränken würde, nur die Ein⸗ und Zwei⸗ Markstücke vollwerthig zu machen, so würde sich der Gewinn auf 65 Millionen steigern. Es sei der Vorwurf erhoben, daß hier die Agrarier sich so sehr für die Petitionen aus den ländlichen Kasinos engagirt hätten. Er wolle nicht für alle diese Petitionen eintreten. Die Entscheidung über diese Frage solle nicht Leuten überlassen werden. die sich mit derselben nicht beschäftigt hätten. Aber habe die Linke nicht ganz den⸗ selben Fehler gemacht? Habe nicht selbst der Abg. Bamberger hier, der das Leben der Volksseele an der Quelle studire, indem er früher zu Gunsten der Goldwährung dem Hause den Kassenboten vorgeführt habe, der Gold leichter als Silber tragen könne? Mit der Resolution wolle die bimetallistische Partei nichts weiter sagen, als daß die Frage noch einmal einer näheren Prüfung unterzogen werden solle. Halte die Linke denn ihre Sache für so schwach, daß sie so lebhaft gegen diese Forderung opponire? Er freue sich, daß die Erklärungen der Regierung nichts enthalten hätten, was die Hoffnung zerstören könne, daß das Deutsche Reich in dieser Frage die Initiative zu einer internationalen Vereinbarung ergreifen wedee.

Der Abg. Dr. Windthorst glaubte, daß in einer so wich⸗ tigen Frage die Initiative der Regierung allein überlassen werden müsse; er werde deshalb gegen die Resolution stimmen.

Der Antrag von Schorlemer wurde abgelehnt, das Ordi⸗ narium des Reichs⸗Schatzamts unverändert bewilligt, ebenso ohne Debatte das Ordinarium des Re ichs⸗Eisenbahn⸗ amts, der Reichsschuld, des Rechnungshofes, des Pensions⸗ und Invalidenfonds.

Ein Vertagungsantrag wurde angenommen.

Auf eine Anfrage des Abg. Richter erklärte der Präsident, daß nach der Erledigung des Etats der Antrag Ausfeld zur Zolltarifnovelle, darauf die Initiativanträge Ackermann und Grillenberger⸗Bebel zur Erörterung gestellt werden sollten, für welche letzteren eventuell eine zweitägige Diskussion in Aus⸗ sicht zu nehmen sei, danach beabsichtige er, die Dampfervor⸗ lage (also etwa Mittwoch oder Donnerstag) auf die Tages⸗ ordnung zu setzen. .

Hierauf vertagte sich das Haus um 5 Uhr auf Sonn⸗

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