1885 / 84 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 10 Apr 1885 18:00:01 GMT) scan diff

Qu’ Appelle und Clarke’s Uebergang offen. Die Truppen konzen⸗ tricen sich eiligst bei QOu'Appelle. Die Truppen aus Toronto kamen heute früh in Winnipeg an, nachdem sie 1475 Meilen per Bahn und 83 Meilen zu Fuß in genau einer Woche zurückgelegt hatten. Die Agenten der kanadischen Regierung haben sämmtliche Indianer⸗Truppen südlich von Battleford und Prinz Albert be⸗ sucht und berichten, daß sie alle lopal seien. Die Anzahl der unzufriedenen Indianer beziffere sich auf 4000. Die Fenier in den Vereinigten Staaten sind getheilt; die alte Organisation ist egen einen Angriff auf Canada. Die canadischen Agenten aaben Judith Basin, Montana, besucht, woselbst sich eine große Niederlassung von Mischlingen befindet. Sie berichten, daß Letztere nicht beabsichtigen, Riel zu unterstützen. Die Regierung der Vereinigten Staaten cooperirt thätig mit Canada, um den

Aufstand zu unterdrücken.

Ottawa, 7. April. General Middleton, der sich auf dem Marsche nach den Anhöhen von Touchwood befindet, wo er eine Vorhut von 400 Mann und 90 Plänklern stationiren wird, meldet: er mache befriedigende Fortschritte. Mr. Applegarth, von dem es hieß, daß er von Indianern in Battleford ermordet worden, ist mit seiner Frau glücklich entkommen und nach einer Reise von 200 Meilen heute in Swift Current an der Eisenbahnlinie angelangt. Die Blut⸗ und Piegan⸗Indianer im Fort MeCleod bereiten Be⸗ sorgnisse. Sie wünschen zu kämpfen und haben sich mit einigen Stämmen jenseits der Grenze in Verbindung gesetzt.

9. April. (W. T. B.) Der Regierung ging gestern eine Depesche des Grenzkommissars Lumsden zu, in Folge deren der Kabinetsrath auf heute zusammen⸗ berufen wurde. Die Depesche meldet, daß eine größere russi⸗ sche Truppenabtheilung einen heftigen Angriff auf Pendjeh machte. Man glaubt, daß Lumsden sich gegen⸗ wärtig in Gulvan befinde, wo er bleiben werde, um das Defilé von Robat auf dem Wege nach Herat zu beobachten. Die Depesche Lumsdens bricht plötzlich an einer wichtigen Stelle ab; man vermuthet daher, daß die telegraphische Verbindung unterbrochen wurde.

Die „Times“ veröffentlicht in einer besonderen Ausgabe ein Telegramm aus Gulvan, vom 3. d. M., in welchem es heißt: Die russischen Truppen griffen am 30. März unter dem Vorwande, daß die afghanischen Vor⸗ posten ihre Stellung verändert hätten, die Afghanen in Pendjeh an und vertrieben sie aus dieser Stadt. Die Afghanen schlugen sich mit Erbitterung, aber bei dem herrschenden Regenwetter versagten ihre Gewehre. Zwei Com⸗ pagnien vertheidigten eine Stellung bis auf den letzten Mann. Die Afghanen zogen sich in vollkommener Ordnung nach Meruchak zurück, ohne vom Feinde verfolgt zu werden. Die Sarakhs verhielten sich neutral, plünderten aber das afghanische Lager. Die Verluste der Russen sollen beträcht⸗ liche sein. Englische Offiziere blieben beim Kampfe gegenwärtig, bis die Afghanen den Rückzug antraten, und kehrten alsdann in das Lager des Grenzkommissars Lumsden zurück.

Ueber den Zusammenstoß der Russen mit den Afghanen sagt die „St. James Gazette“: Wie sehr auch die englische Regierung geneigt sein möchte, selbst im Fall einer direkten Provozirung, von Feindseligkeiten abzusehen, so könne sie doch Zwischenfälle, wie das Gefecht am Kushkflusse nicht als bedeutungslos ansehen, da sonst die Ehre der Regierung und die Wohlfahrt des Reiches schwer be⸗

einträchtigt würde. Der „Globe“ hält den Angriff des

Generals Komaroff für einen Bruch des englisch⸗russischen Uebereinkommens und sagt: England habe jetzt die Pflicht, sein den Afghanen in Bezug auf die Vertheidigung Afghanistans gegebenes Versprechen einzulösen; ein längeres Zögern sei unmöglich. Die „Pallmall Gazette“, welche in der afghanischen Frage bisher mehr für Rußland als für die Afghanen Partei genommen hatte, bezeichnet die Situation als sehr gespannt, empfiehlt indeß kaltes Blut und eine ruhige Feststellung des Thatbestandes, bevor man etwa einen Beschluß fasse, durch den der Krieg unvermeidlich würde. Das Blatt wünscht, daß man Rußland Gerechtigkeit u Theil werden lasse; wenn aber das Vorgehen der Russen gegen Pendjeh so unprovozirt sei, wie es scheine, werde es sich der Kriegspartei anschließen.

In der heutigen Unterhaussitzung erklärte der Premier Gladstone: Die am 2. d. M. eingegangene Ant⸗ wort Rußlands schien uns die Lösung der afghanischen Frage nicht vorwärts zu bringen; dagegen schien eine s pätere, in den letzten 24 Stunden eingegangene Mittheilung Ruß⸗ lands den Dingen eine hoffnungsvollere Lage zu geben; inzwischen ist aber das heute bekannt gewordene ernste Ereigniß eingetreten. Der Premier gab nun eine detaillirte Darstellung des Zusammenstoßes zwischen den russischen und den afghanischen Truppen und bemerkte am Schluß seiner Mit⸗ theilungen: Uns scheint der Angriff der Russen ein un⸗ provozirter. Wir haben Erklärungen darüber von Rußland verlangt und sind derselben gewärtig. Der russische Minister von Giers hat, noch vor dem Eintreffen unserer Anfrage, gestern unserem Botschafter Thornton gegenüber die ernste Hoffnung ausgedrückt, daß der unglückliche Zwischenfall die Fortsetzung der Verhandlungen nicht verhindern werde, und dabei zugleich versichert, daß Pendjeh von den russischen Truppen nicht besetzt sei.

9. April, Abends. (W. T. B.) In seiner bereits kurz gemeldeten, im Unterhause abgegebenen Erklärung bemerkte der Premier Gladstone noch: „Bei der Er⸗ wägung des Vorganges zwischen den Russen und Afghanen werden wir ernstlich dessen eingedenk sein, was wir dem Emir von Afghanistan, nach unseren Verpflichtungen dem⸗

selben gegenüber, und was wir uns selbst als Vertreter der englischen Krone schuldig sind. Die russische Regierung behauptet, daß die Russen die Afghanen angegriffen hätten, nachdem sie durch feindselige, nicht genau angegebene Handlungen derselben provozirt worden seien. Nach den Be⸗ hauptungen Lumsdens und der englischen Offiziere, denen wir natürlich Glauben schenken, und die unzweifelhaft sehr ernste Beachtung erheischen, haben die Afghanen seit dem 17. März keinerlei Vormarsch gemacht. Am 29. März zeigte uns Lums⸗ den an, daß, ungeachtet der russischerseits am 17. März ab⸗ gegebenen Versicherungen, die russischen Truppen in stärkerer Streitmacht innerhalb Schußweite von der Stellung der Afghanen aufgestellt seien, obschon die Afghanen weder einen Angriff noch einen Vormarsch gemacht hätten und obschon in Pendjeh vollkommene Ruhe herrsche. Die Russen hätten viel⸗ fache Versuche gemacht, die Afghanen zum Beginn des Kampfes zu verlocken und zwei Mal den gewaltsamen Versuch unternommen, die afghanischen Piquets zu passiren. Als diese Versuche mißglückt, habe Kapitän Yate mit dem Chef desrussischen Generalstabes eine Unterredung gehabt; dabei habe sich ergeben, daß Letzterem von dem am 17. März getroffenen Arrange⸗ ment nichts bekannt gewesen sei. Die Zusicherung, die

Chef des russischen Generalstabes abgelehnt, vielmehr das Recht in Anspruch genommen, die afghanischen Vorposten ohne Rücksichtnahme auf Dritte zu vertreiben, sobald dieselben den Russen unbequem sein sollten. Dies steht natürlich im Zusammenhange mit der Nichtkenntniß desselben von unserer Abmachung mit Rußland. Am 7. d. M. er⸗ fuhren wir, daß die Afghanen weder vor dem 17. März, noch seit diesem Tage bis zum 30. März eine Vorwärtsbe⸗ wegung vorgenommen hätten, und noch an demselben Tage wurde uns durch Kapitän Nate mitgetheilt, daß die Russen am 30. März die Afghanen angegriffen und geschlagen hätten und Pendjeh besetzt haben sollten. Die Afghanen hätten tapfer gekämpft; 2 Compagnien der⸗ selben seien bis auf den letzten Mann in den Verschan⸗ zungen gefallen; die Ueberlebenden hätten sich längs der Murachakstraße zurückgezogen; die englischen Offiziere hätten sich während des Kampfes neutral verhalten. Nach diesen Mittheilungen, fuhr Hr. Gladstone fort, gewinne es den Anschein, als ob der Angriff der Russen ein unprovozirter gewesen sei. Uebrigens habe der Minister von Giers dem Botschafter Thornton gegenüber nicht blos seine, sondern auch des Kaisers Alexander ernste Hoffnung ausgedrückt, daß der unglückliche Zwischenfall die Fortsetzung der Ver⸗ handlungen nicht verhindern werde.

10. April, Nachts 12 Uhr 30 Min. (W. T. B) Auf eine Anfrage von Croß erwiderte der Premier Gladstone in der gestrigen Unterhaussitzung noch: seit seiner am Abend abgegebenen Erklärung sei eine Depesche Lumsdens eingegangen, in welcher dieser mittheile, daß als die Russen durch den Vormarsch nach Aklapa unmittelbar die afghanische Position bedrohten, die Afghanen Vedetten aus den er⸗ weiterten Piquets bis nach Pulihhisti auf dem linken Ufer des Kushkflusses vorgeschoben und dieselben allmählich ver⸗ stärkt hätten, bis die Hauptmacht ihrer Streitkräfte den Fluß überschritten hatte. Nach der Ansicht Lumsdens sei dies kein Vormarsch, sondern die Besetzung einer vortheilhafteren mili⸗ tärischen Stellung.

10. April. (W. T. B.) Der „Standard“ erfährt: Die englische Regierung habe in ihren Vorstellungen an die russische Regierung hervorgehoben, daß der Angriff auf Pendjeh eine Verletzung des jüngst ge⸗ troffenen Abkommens sei und nicht durch einen Vor⸗ stoß oder eine feindliche Bewegung der Afghanen gerecht⸗ fertigt werde. Die russische Regierung werde ersucht, das Vorgehen Komaroffs zu desavouiren und die Rückkehr der russischen Truppen in ihre frühere Stellung anzuordnen. Dieser Schritt sei unbedingt nothwendig für die Fortdauer der Grenzverhandlungen. Sämmtliche Morgenblätter sprechen ihre tiefe Entrüstung über das Vorgehen Komaroffs aus, erblicken darin einen schmählichen Wortbruch Rußlands und stimmen in der Ansicht überein, daß falls das Verhalten Komaroffs nicht desavouirt werde und die russischen Truppen nicht nach Sarakhs Zö“ würden, England unfehlbar das Schwert zur ertheidigung der Integrität Afghanistans ziehen müsse.

Bombay, 10. April. (W. T. B.) Die „Bombay Gazette“ erfährt von unterrichteter Seite: aus der in Rawul Pindi stattgehabten Konferenz gehe hervor, daß der Emir lebhaft ein Bündniß mit England wünsche, aber Waffen, Munition und eine Erhöhung der jährlichen Subvention verlange. Die Regierung habe diese For⸗ derungen zugestanden. Der Emir habe sodann die

Befürchtung ausgesprochen, daß der Einmarsch eng⸗ lischer Truppen Afghanistan die durch die früheren Kriege hervorgeru Animosität wieder wach rufen könnte. Der Vize⸗König, Lord Dufferin, habe erwidert: man habe nicht die Absicht die Grenze überschreiten zu lassen, es sei denn, daß die Afghanen dies verlangten. In jedem Falle werde aber die Regierung die übernommene Verpflichtung, die des Gebiets des Emir aufrechtzuerhalten, erfüllen.

Frankreich. Paris, 9. April. (W. T. B.) Eine Note der „Agence Havas“ sagt: Depeschen aus Peking hätten vor einigen Tagen gemeldet, daß der Friede zwischen Frankreich und China geschlossen sei; seitdem seien oft widersprechende Angaben und Kommentare über das getroffene Arrangement veröffentlicht worden. Richtig sei, daß in Folge von Besprechungen mit Delegirten der chinesischen Regierung vier Tage nach dem Sturz des Ministeriums Ferry und am Tage vor der Bildung des gegenwärtigen Kabinets, d. i. am 4. d. M., Friedens⸗ präliminarien in Paris unterzeichnet worden seien. Damit dieser Akt Gültigkeit habe, müsse derselbe durch ein kaiserliches Dekret, welches die Konvention vom 11. Mai. 1884 bestätige, bekannt gemacht werden ein Dekret, welches dem französischen Konsul in Tientsin notifizirt werden müsse. Bis heute Mittag sei nicht bekannt, daß das Dekret vollzogen und nolifizirt an das Ministerium des Auswärtigen in Paris gelangt sei. Diese Note wurde jedoch am Abend zurückgezogen, weil die Regierung Nach⸗ mittags ein Telegramm aus Peking erhielt, worin angezeigt wird, daß die chinesische Regierung den am 4. d. M. unterzeichneten Friedenspräliminarien ihre Zu⸗ stimmung ertheilt habe. Das „Journal officiel“ wird das gedachte Telegramm morgen publiziren. Eine Depesche des Generals Bribre de l'Isle meldet: eine Avantgarde regulärer chinesischer TDruppen habe einen in der Richtung auf Honghoa vor⸗ französischen Posten angegriffen. Ein anonenboot habe den Posten bei der Vertheidigung unterstützt und die Angreifer zurückgeworfen. Auf französischer Seite sei kein Verlust zu verzeichnen. Von Chu und Kep wird nichts Neues gemeldet.

Türkei. Konstantinopel, 10. April. (W. T. B.)

Der König und die Königin von Schweden sind

gestern Nachmittag hier eingetroffen und im Palais Dolma

Bagdsche, wo dieselben vom Sultan erwartet wurden, ab⸗

Hefijehen. Der Zustand des Prinzen Carl hat sich ge⸗ essert.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 10. April, Morgens. (W. T. B.) Bei Mittheilung des bekannten Telegramms des Generals Komaroff sagt das „Journal de St. Pétersbourg“: „Das Fehlen ge⸗ nauer Details gestattet bis jetzt nur Vermuthungen über Ursprung, Charakter und Tragweite des Konflikts. Die Thatsache, daß General Komaroff nach Zurückwerfung der Afghanen sich wieder in seine Linien zurück⸗ gezogen hat, ist bezeichnend und giebt zu denken, daß

sein muß. Darnach wäre darin nur ein zufälliger Konflikt zu erblicken, der bei der Nähe der beiden Parteien in einer so ungewissen und so gespannten Si⸗ tuation schwer zu vermeiden war, und man könnte die Hoff⸗ nung hegen, daß derselbe die zwischen den beiden Regierungen fortdauernden Verhandlungen in keiner Weise beeinträchtigen werde.“ Das Journal fügt hinzu: wir sind glücklich, mit⸗ theilen zu können, daß, nach sicherer englischer Quelle, die britischen Offiziere, von denen in der Depesche des Generals Komaroff die Rede ist, wohlbehalten (saint et saufs) auf afghanischem Gebiet angelangt sind.“

Mittel⸗Amerika. Panama, 7. April. (Allg. Corr.) Das amerikanische Kriegsschiff „Shenandoah“ und das britische Kanonenboot „Heroine“ sind hier ange⸗ kommen. Das französische Kriegsschiff „Reine Blanche“ hat sich geweigert, Mannschaften zu landen, falls nicht sämmtliche Konsuln gemeinschaftlich ein desfallsiges Ge⸗ such stellen. Der Befehlshaber des amerikanischen Kriegs⸗ schiffes „Galena“ meldet telegraphisch, daß unter den frembden Einwohnern in Panama große Besorgniß

herrsche.

Mexiko, 7. April. (A. C.) Der Präsident Diaz hat den Justiz⸗Minister Seüor Baranda zum Ver⸗ mittler zwischen denmittelamerikanischen Staaten ernannt. Es heißt: Senor Baranda werde einen Anspruch

gegen Guatemala wegen Verletzung der Grenze erheben.

Afrika. Egypten. Dongola, 7. April. (Allg. Corr.) Aus Abu Gusi wird gemeldet, daß von der Provinz Kor⸗ dofan aus ein lebhafter Sklavenhandel betrieben wird. Die Sklavenhändler vermeiden es jedoch sorgfältig, sich den von den englischen Truppen besetzten Stationen zu nähern. Die Meldung von einem Aufstande in Kordofan gegen den Mahdi hat Bestätigung gefunden.

Suakim, 8. April. (A. C.) Heute früh näherten sich einige Rebellen dem Lager des Hauptquartiers und feuerten bei großer Schußweite etwa 100 Schüsse auf dasselbe ab, worauf sie sich wiederum zurückzogen. Das Feuer richtete Schaden an und wurde von den Engländern nicht erwidert.

Zeitungsstimmen.

Die „Deutsche äußert zum Getreidezoll:

Der Königlich bayerische Oekonomie⸗Rath Löll erörtert in fach und sachkundiger Weise in einer Schrift „Getreideschutzzoll als ein Nothwendigkeit für Deutschland“ (Würzburg, A. Stuber 1885) auch die „Düngerfrage“, zumal die Gegner des Zolls oft genug gesag haben, man könne ja die Produktion durch künstliche Düngung steigern. Diese Steigerung ist heute möglich, weil es uns Lfebig ge⸗ lehrt, aus Steinen Brod zu machen. Wenn auch heute schon Millionen Centner Beidünger verwendet werden, so könnte diese Verwendung bei entsprechenden Getreidepreisen doch leicht eine zehnmal größere sein. Man denke sich nun, wie viele Arbeiter durch eine solche noch weit von den Grenzen der Möglichkeit entfernte Verbrauchssteigerung bei der Gewinnung, Fabrikation und dem Versandt der Beidünger ihr Brod verdienen welche Mehreinnahme die Eisenbahnen erzielen und um wie viel kaufkräftiger unsere Landwirthe werden würden, wenn sie diese vielen Millionen Centner Dünger mit pekuniären Vortheil in Getreide und Viehfutter verwandelten!

Aber auch diese Frage hat eine Kehrseite, denn in den Jahres⸗ berichten der landwirthschaftlichen Vereine liest man jetzt gewoͤhnlich: „Künstliche Dünger wurden in dem abgelaufenen Jahre wenig oder auch gar nicht angewendet, weil bei der schlechten Ernte und den niedrigen Getreidepreisen unsere Bauern dazu kein Geld haben.“

Die zwanzigjährigen Bestrebungen, die Bauern zu einem ratio⸗ nelleren Betriebe zu bewegen, sind, insoweit sie ohne genügenden Er⸗ folg blieben, weniger an dem Verständnißmangel und der Wider⸗ willigkeit der Bauern, als vielmehr an ihren leeren Geldbeuteln gescheitert. Sehr oft hat man in landwirthschaftlichen Versamm⸗ lungen nach dem Schlusse von verständigen Bauern zu hören be⸗ kommen: „Was sie heute gesagt haben, das wäre ja schon Alles recht, wenn es nur kein Geld kostete.“ Die Darlehnskassenvereine, welche nichts kosten und den Bauern Geld verschaffen, einzuführen, gelang mehrfach, aber einen Orts⸗Viehversicherungsverein, zu dem Beiträge gezahlt werden müssen, ins Leben zu rufen, das ist an vielen Orten trotz aller Bemühungen in 20 Jahren nicht fertig gebracht worden. Frägt man aber Ortskundige nach der Ursache des Miß⸗ lingens, so erhält man einfach zur Antwort: „Es ist nichts zu machen, die Bauern haben kein Geld.“

Warum haben aber die Bauern kein Geld? Das ist auch ein⸗ fach: weil sich bei geringen oder gar schlechten Ernten der Preis des Getreides nicht mehr wie früher, als es noch keine Eisenbahnen und keine Dampfschiffe gab, nach dem durch die Witterung bedingten Aus⸗ fall ihrer eigenen Jahresernten, sondern nach den stets überschüssigen Ernten Rußlands, Ungarns, Nord⸗Amerikas und Indiens bemißt,. und deshalb der gleiche niedrige bleibt, wenn auch der Bauer nur eine halbe oder gar Drittel⸗Ernte gemacht hat. Das durfte nicht so fortgehen. Wollten wir die durch die früher unvermeidliche Raub⸗ wirthschaft mehr oder weniger verloren gegangene Fruchtbarkeit unseres vaterländischen Bodens wieder hergestellt sehen, wollten wir den Werth desselben erhalten, wollten wir uns bezüglich unserer Ernäh⸗ rung durch Steigerung unserer eigenen Getreideproduktion wieder unabhängiger vom Auslande machen, wollten wir unsere Getreide verkaufenden Landwirthe in den Stand setzen, durch ihre Konsumtion auch den übrigen Gewerbsleuten, wozu insbesondere auch die Kauf⸗ leute und Fabrikanten gehören, zu Geldverdiensten zu verhelfen: so mußten wir sie einigermaßen gegen eine Getreideeinfuhr schützen, die aus Ländern stammt, in denen der Grund und Boden so gut wie noch keinen Werth hat und in denen zur Zeit noch die Raubwirth⸗ schaft in höchster Potenz mit den geringsten Kosten betrieben werden kann. Durch eine solche Konkurrenz mußte sonst bei den heutigen Verkehrsmitteln unser Getreidebau mit Nothwendigkeit zu Grunde gerichtet werden.

„— Die „Danziger Allgemeine Zeitung“ bemerkt über die „Lex Ackermann“:

.... Als ein Haupteinwand gegen den Antrag Ackermann wurde von den Freisinnlern die Behauptung aufgestellt, daß das Handwerk selbst die Maßregel nicht wünsche und nie und nimmer dieselbe als in seinem Interesse liegend anerkennen und davon Ge⸗ brauch machen würde. Wie mögen jetzt die Herren wohl schauen, als sie von der Verordnung des Berliner Polizei⸗Präsidenten, von der Anwendung dieser „ultrareaktionären, mittelalterlichen“ Maßregel in der Stadt der Intelligenz, der Auf⸗ klärung hörten. Betrachteten sie doch Berlin als ihre Domäne, als die Burg der „Freisinnigkeit“ alias Demokratie, und nun müssen sie es erleben, daß ihnen ihr Berlin, ihre Stadt, die Schande anthut, nicht allein ihre Behauptung zu desavouiren, sondern eine Maßregel, die von den Reaktionären geschaffen wurde, dankend anzunehmen. Wenn das am grünen Holze, am Strande der Spree passirt, was soll da erst am dürren, da draußen im Lande werden, wo die Leute noch

Patriotische Correspondenz“

Afghanen nicht ohne vorherige Anzeige anzugreifen, habe der

die Bewegung der russischen Truppen durch Akte der

lange nicht so zahlreich die fortschrittliche Brille tragen. Fürwahr,

Feindseligkeit Seitens der Afghanen hervorgerufsen worden

die Freisinnler können trauern, und es ist wohl begreiflich, daß sich ihre Blätter über die ganze wichtige Angelegenheit ausschweigen; sie stehen rathlos vor der Wucht der Thatsache. Mit einem Schlage vernichtet dieselbe ihre Deduktionen und mehr als alle Reden zeigt sie, daß die Freisinnler nicht die wahren Interessen des Volkes ver⸗ treten, sondern ihren doktrinären Anschauungen zu Liebe dieselben opfern. Denn der Erlaß des Polizei⸗Präsidenten ist die Bestätigung, daß in dem so fortschrittlichen Berlin in Bezug auf wirthschaft⸗ liche Fragen die „freisinnigen“ Lehren viele Anhänger und Freunde verloren haben. Der Polizei⸗Präsident hätte nämlich nicht das Recht und die Befugniß gehabt, z. B. der Barbier⸗ und Friseurinnung die in der lex Ackermann bezeichneten Rechte zu verleihen, wenn nicht die Mehrzahl der Berliner Barbiere und Friseure der Innung an⸗ gehörte und letztere das bezügliche Verlangen gestellt hätte. Wir können mit diesen ersten Früchten des viel verleumdeten Antrages wohl zufrieden sein, denn wenn nur erst den Handwerkern einmal die Augen aufgegangen sind und sie das Gebahren der angeblichen Volksfreunde gesehen haben, so werden sie sie schon in Zukunft offen halten und sich nicht wieder wie blind am Seile manchesterlicher Theorien einherziehen lassen. 8

Der alte genossenschaftliche Geist, diese einzig richtige Ursache der Blüthe der Innungen im Mittelalter, lebt heute im Handwerk wieder auf. Denn daß in Berlin, der Stadt, in welcher der Individualismus und der von ihm gezeitigte erbitterte Kampf ums Dasein einen so hohen Grad erxeicht haben, noch so viel Gemeinsinn vorhanden ist, daß die Mehrzahl der Glieder eines ganzen großen Gewerbebetriebes sich zu einer Innung freiwillig zusammen⸗ findet, das beweist, daß. die Erkenntniß vom Nutzen der Innun⸗ gen heute wieder lebendig ist und daß Gesetze zur Wiederbelebung der Innungen eine Nothwendigkeit waren. Was in Berlin und einigen Provinzstädten bereits geschehen ist, wird sicher bald allgemeine Nach⸗ ahmung finden zum Heile des Handwerks, zum Wohle des ganzen Staates.

Centralblatt der Bauverwaltung. Nr. 14 A. In⸗ halt: Nichtamtliches III. Verzeichniß der Berichte der technischen Attachss. Statistik der innerhalb der preußischen Landesgrenzen bis zur Seevemündung und der innerhalb der anhaltischen Landes⸗ grenzen auf der Elbe und Saale stattgefundenen Schiffs havarien im Jahre 1884. Vermischtes: Ausstellung von Entwürfen für das Reichs⸗Gerichtshaus in Berlin. Einwirkung von Mörtel auf Metalle.

Sttatistische Nachrichten.

Nach Mittheilung des Statistischen Amts der Stadt Berlin sind bei den hiesigen Standesämtern in der Woche vom 29. März bis incl. 4. April d. J. zur Anmeldung gekommen: 475 Eheschließungen, 868 Lebendgeborene, 37 Todtgeborene und 510 Sterbefälle.

Die dritte und vierte Abtheilung des „Statistischen Jahr⸗ buchs für das Großherzthum Baden“, XV. Jahrgang 1882 (Karlsruhe, Macklot'sche Druckerei 1884) hat folgenden Inhalt: Bürgerliche Rechtspflege. I. Uebersicht der Geschäftsthätigkeit der Collegialgerichte 1882; II. Rechtspolizeigeschäfte der Amtsgerichte und Notare 1879 1882. Strafrechtspflege. I. In dem Jahre 1882 vorgekommene Verbrechen und Vergehen für Landgerichtsbezirke; II. Wegen Verbrechen und Vergehen in den Jahren 1881 und 1882 erkannte Strafen für Landgerichtsbezirke; III. Strafen wegen Ueber⸗ tretungen 1877 1882; IV. Die im Jahr 1882 zur Anzeige gekommenen im besonderen Verfahren abzuurtheilenden Forststrafthaten nach Land⸗ gerichtsbezirken; geographische Vertheilung der Verbrechen, Vergehen und (Polizei⸗) Uebertretungen (mit Tabelle 62 verschmolzen); V. Durch⸗ schnittlicher Personalstand der Strafanstalten und Gefängnisse 1875 1882. Verwaltungsrechtspflege. Thätigkeit des Verwaltungs⸗ gerichtshofs und deren Ergebnisse 1881 und 1882. SBur Pes⸗ völkerungsstatistik. Geborene, Gestorbene und Eheschlüsse 1881 und 1882; Selbstmorde 1882; Gewaltsame Todesfälle aus zufälligen Ursachen 1882; Gewaltsame Todesfälle in Folge von Verbrechen und Vergehen 1882. Gesundheitspflege. Die Anstalten für Taub⸗ stumme und Blinde 1882; die Heil⸗ und Pflegeanstalten 1882; Ueber⸗ sicht der Morbidität in den Irren⸗, Entbindungs⸗ und Augenheil⸗ Anstalten 1882; Impfung 1882; Uebersicht der Morbidität und der Mortalität in den allgemeinen Krankenhäusern 1882; die Kreispflege⸗ anstalten 1882; die im Jahr 1882 zur besonderen Anzeige gekommenen Infektionskrankheiten: die Niederkünfte des Jahres 1882; die Ge⸗ storbenen nach dem Familienstand und den hauptsächlichsten Todes⸗ ursachen 1882; ärztliches Personal und Apotheken zu Ende 1882 und Zahl der 1882 mit und ohne ärztliche Behandlung Gestorbenen. Sparkassen 1882: a. Einnahmen und Ausgaben, Aktiva und Passiva, Einleger (Sparbücher); b. Anlage und Bestand des Gesammtvermögens zu Ende des Rechnungsjahres 1882; Anhang: Kurze Wiederholung der hauptsächlichsten Ergebnisse. Vorschuß⸗ und Creditvereine 1882. a Vorschuß⸗ und Contocorrentgeschäft, Umsatz, Gewinn und Verlust; b. Bilanz am Schlusse des Rechnungsjahres, Zahl der Mit⸗ glieder; Anhang: Ländliche Creditvereine: a. Geschäft und Umsatz; b. Bilanz am Jahresschlusse. Bergwerke, Salinen und Hütten 1881 und 1882. Die Salinen Dürrheim und Rappenau: Salz⸗Erzeugung und⸗Absatz 1881 und 1882. Zur Finanzstatistik: I. Uebersicht über die Einnahmen und Ausgaben der Kameral⸗ und Forstdomänen für die Jahre 1881 und 1882; II. Summarische Ueber⸗ sicht über das Domanialgrundstocksvermögen auf 1. Januar 1880 und 1882; III. Fläche und Ertrag der Domänenwaldungen 1882; IV. Ver⸗ gleichende Darstellung der Durchschnittserträge der Domänenwaldungen 1867 1882; V. Uebersicht über das Domantalgrundstocksvermögen auf 1. Januar 1882, sowie über die 1882 neu verpachteten und die selbst bewirthschafteten Domänengrundstücke nach den Bezitrken der Domänen⸗ verwaltungen; Einnahmen und Ausgaben der Steuerverwaltung 1881 und 1882; besondere Uebersicht über die Accisgefälle 1881 und 1882; Steuerkapitalien 1879 1882; Steuerbetrag auf den Kopf der Be⸗ völkerung 1873 1882; Bierbrauereien 1880, 1881 und 1882; Wein⸗ händler und sonstige von der Verbrauchsgecise unmittelbar berührte Gewerbe 1878—1882; Besteuerungssätze 1882; Steuerkapitalten und Brutto Erträge an direkten Steuern in den Städten mit über 4000 Einwohnern 1881 und 1882; Erträge der Verbrauchssteuern in den Städten mit über 4000 Einwohnern 1881 und 1882; Einnahmen und Ausgaben der Münzverwaltung 1881 und 1882; Ausprägungen von Reichsmünzen in der Münze zu Karlsruhe 1881 und 1882; Einnahmen und Ausgaben der Zollverwaltung 1881 und 1882; Staatsschuld 1882; Resultate des Ersatzgeschäftes im Bezirk des XIV. Armeekorps für 1882; Verhältnisse der Presse 1882; Unterrichtsanstalten 1882; die Ortsstiftungen und die allgemeinen (Distrikts⸗ und Landes⸗) Stiftungen 1881: 1) Ortsstiftungen; 2) Allgemeine (Distrikts⸗ und Landes⸗) Stiftungen; Badischer Schiffsbestand zu Ende 1882: a. Uebersicht nach der Schiffsgröße; b. Uebersicht nach der Schiffsgattung; Laufende Einnahmen und Ausgaben der Kreis⸗ verbände 1882; Ergebnisse der an den meteorologischen Stationen im Jahr 1882 angestellten Beobachtungen: a. Fünftägige Wärme⸗ mittel; b. Allgemeine Ergebnisse für Monate und für das Jahr. Anhang: Die gegenwärtigen Maße, Gewichte und Münzen, verglichen mit den früheren badischen Maßen, Gewichten und Münzen. Die größeren Gemeinden. Uebersicht des Flächengehalts, der Wohn⸗ und Aufenthaltsstätten und der Bevölkerung; Geborene, Ge⸗ storbene und Eheverhältnisse 1882; die Gestorbenen nach dem Familien⸗ stand und den hauptsächlichsten Todesursachen 1882; Verlust und Er⸗ werbung der Staatsangehörigkeit 1882; Betreibungen und Pfand⸗ einträge 1882; Gemeinde⸗Rechnungswesen 1881 1882; Gemeinde⸗ Voranschlags⸗Ergebnisse für 1883 bezüglich der der Städteordnung nicht unterstehenden Gemeinden; Bau⸗Polizei 1882. 8

Kunst, Wissenschaft und Literatur. München, 9. April. Der König hat, wie die „Allgemeine Zeitung“ meldet, das Entlassungsgesuch des Direktors des Bayeri⸗ schen National⸗Museums, von Hefner⸗Alteneck, ge⸗

nehmigt und den Professor Riehl, unter Belassung desselben in seiner lehramtlichen Thätigkeit, zum Direktor des Museums ernannt.

Rechtsbücher des Deutschen Reiches. XIII. Buch. Gesammtes bürgerliches Recht. Band 2. Unfall⸗Versiche⸗ rungsgesetz vom 6. Juli 1884. Für den praktischen Ge⸗ brauch von Behörden, Versicherern und Versicherten erläutert aus den Materialien des Reichstages. 2 Theile. (VIII. 60 u. 108 S.) 1. Theil: Das Gesetz mit Ein⸗ leitung und Erläuferungen. 2. Theil: Ausführungs⸗Verordnungen; Reichs⸗Berufesstatistik. Berlin, Fr. Kortkampf. Preis geheftet 3 ℳ, gebunden 3 50 ₰. Die Unfallgesetzgebung, d. h. die Gesetz⸗ gebung in Beziehung auf die bei dem Betriebe von Eisenbahnen, Bergwerken, Fabriken u. s. w. vorkommenden Verletzungen und Tödtungen gehört der neuesten Zeit an, und der Entwickelungsgang, den dieselbe in den europäischen Staaten nimmt ist der, daß sie sich von den Boden des Privatrechts mehr und mehr erhebt und in die Sphäre des öffentlichen Rechts übergeht. Das deutsche Unfall⸗ Versicherungsgesetz vom 4. Juli 1884 nun den weiten Kreisen, für welche es von so bhoher Bedeutung ist, in einer Bearbeitung darzubieten, die geeignet ist, die Absichten desselben und Sinn und Tragweite seiner einzelnen Bestimmungen klar zu stellen, ist der Zweck der vorliegenden Schrift. Zur Erreichung dieser, rein praktische Zwecke verfolgenden Aufgabe dient im 1. Theile zunächst die der „Begründung der Regierungsvorlage“ entnommene „Einleitung“, welche sich über die Absichten des Gesetzes und die Wege, wie diese zu erreichen, verbreitet. Durch Einfügung der Num⸗ mern der in Betrecht kommenden Paragraphen des Gesetzes hat die Einleitung zugleich die Bedeutung von Erläuterungen zu denselben. Auf die Einleitung folgt sodann die Mittheilung des Gesetzes selbst, das in 9 Abschnitte (1) Allgemeine Bestimmungen [§§. 1 10], 2) Bil⸗ dung und Veränderung der Berufsgenossenschaften §§ 11 33), 3) Mit⸗ gliedschaft des einzelnen Betriebes sowie Betriebsveränderungen [§§. 34 40], 4) Vertretung der Arbeiter [§§. 41 45], 5) Schieds⸗ gerichte [§. 46— 50], 6) Feststellung und Auszahlung der Ent⸗ schädigungen [§§. 51 77], 7) Unfallverhütung und Ueberweisung der Betriebe durch die Genossenschaften [§§. 78 86], 8) das Reichs⸗ versicherungs⸗Amt [§§. 87 93], 9) Schluß⸗ und Strafbestimmungen [§§. 94 111]) getheilt und mit ausführlichen Erläuterungen versehen ist. Diese Erläuterungen, hauptsächlich der „Begründung des Re⸗ gierungsentwurfs“ und dem „Bericht der Reichstagskommission“ ent⸗ nommen, sind theilweise einzelnen Abschnitten als „Vorbemerkungen“ vorausgeschickt, sonst aber den betr. Gesetzesparagraphen unmittelbar angeschlossen. Daneben dienen zablreiche Beweisstellen dazu, auf den inneren Zusammenhang der einzelnen Bestimmungen in den verschiedenen Paragraphen aufmerksam zu machen. Außerdem werden auch noch Vorschriften anderer Gesetze angeführt. Den Schluß des 1. Theils endlich bildet ein umfangreiches Sach⸗ und Materienregister. Der 2. Theil enthält in der Form von „Anlagen“ 1) die bisher vom Reichs⸗Versicherungsamt veröffentlichten Bekanntmachungen und For⸗ mulare, 2) die Reichs⸗Berufs⸗(Gewerbe⸗)Statistik); Zusammenstellung der Gruppen, Klassen und Ordnungen der Gewerbebetriebe: a. nach Gruppen, Klassen und Ordnungen, b. alphabetisch mit Angabe der Gruppen ꝛc. geordnet, und 3) die seither von den Landesregierungen er⸗ lassenen Verordnungen, betr. hauptsächlich die zuständigen Behörden und die Kassen, an welche Strafgelder abzuführen sind. „Carl Gottlieb Svarez. Ein Zeitbild aus der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts.“ Von Dr. Adolf Stölzel“ Geheimem Ober⸗Justiz⸗Rath und vortragendem Rath im Königl. preuß. Justiz⸗Ministerium. Mit 3 Abbildungen und 1 Stammtafel. (Verlag von Franz Vahlen in Berlin. Preis: Geheftet 10 Gebunden 12 ℳ). Dieses auf Anregung des Justiz⸗Ministers Dr. Friedberg entstandene Buch wird nicht nur von dem preußischen, namentlich den altpreußischen Juristenstande, sondern von allen Denen mit größtem Interesse entgegengenommen werden, welche Sinn für die innere Entwickelung des preußischen Staats⸗ und Rechtswesins zur Fett der großen Justizreform der Schlußjahrzehnte des vorigen Jahr⸗ zunderts haben. Dieses dieser Justizreform gesetzte literarische Denkmal lehnt sich in seiner Darstellung on die hervorragendste Persönlichkeit bei dem großen Reformwerk, an Svarez an. Gerade in der Gegen⸗ wart, welche mit Vorliebe zurückblickt auf das äußere und innere Leben hundertjähriger Vergangenheit, und welche ihrerseits in einer ähnlichen Reformperiode des Justizwesens steht wie Preußen vor einem Säkulum, kommt das Buch besonders zeitgemäß. Dasselbe erscheint in einer Form, welche es für jeden Gebildeten lesbar macht; es ist keineswegs ein Buch lediglich für den juristischen Fachmann. Der Inhalt ist ein so reicher, er geht so sehr auf Einzelheiten all⸗ gemeinen kulturgeschichtlichen Interesses ein, daß kein Leser das Buch ohne besondere Befriedigung aus der Hand legen wird. Der Lokal⸗ patriotismus Berlins muß sich befriedigt sehen, wenn ihm als Werk⸗ stätte des Allgemeinen Landrechts und als vieljährige gemeinsame Wohnstätte Carmer's, Svarez' und Klein’s das noch heute fast in gänzlich unverändertem Zustande erhaltene, stattliche, von Friedrich dem Großen erbaute Haus Alexanderstraße 70, oder wenn ihm als das Haus, in welchem Svarez vereint mit dem Großkanzler von Goldbeck seine letzten Lebensjahre verbrachte, das Wrangel⸗Palais am Pariser Platze nachgewiesen wird. In Schweidnitz, der Geburtsstadt Svarez, wo man bisher vergeblich nach dessen Geburtshaus suchte, wird man nicht ungern vernehmen, daß jenes Haus so, wie es nach den Be⸗ schießungen der schlesischen Kriege nothdürftig wieder hergestellt wurde, noch beute als Restaurationslokal des Volksgartens Jedermann zu⸗ gänglich ist. Und die Breslauer dürfen mit Stolz verfolgen, welche segensreiche Thätigkeit der in ihrer Stadt zuerst in Amt und Würden eingetretene jugendliche Svarez auf dem Gebiete des landschaftlichen Kreditwesens oder des Schul⸗ und Kirchenwesens entfaltete, um sich dadurch für seine späteren größeren Berliner Aufgaben vorzubereiten. Die Lösung der letzteren bis zu den Minen und Contreminen zu ver⸗ folgen, welche in dem innern Getriebe des Staatsorganismus gelegt wurden, ist der Kern des trefflichen Buches. Hier tritt zum ersten Male der Zusammenhang des Prozesses gegen den Prediger Schulz in Gielsdorf mit dem Fortgange und der Sistirung der Arbeiten am Allgemeinen Landrecht in klares Licht. Ebenso wird hier zum ersten Male die Korrespondenz zwischen Danckelmann und Carmer veröffentlicht, welche, durch die dritte Theilung Polens hervorgerufen, die Frage erörtert, ob und in welcher Gestalt sich zunächst für Polen die Veröffentlichung des zeitweise zur Seite gelegten All⸗ gemeinen Landrechts empfehle. Eine der interessantesten Episoden bilden die von Svarez Friedrich Wilhelm III. als Kronprinzen während der Suspension des Landrechts gehaltenen Vorträge. Darin tritt der edle und feste Charakter des Mannes, dessen Namen das Buch als Titel führt, am reinsten hervor. Wird uns außerdem der Nachweis geliefert, daß dieser seltsam spanisch klingende Namen nichts Anderes als eine Verbildung des gutdeutschen Namens Schwarz ist, und daß Svarez' Ahnen bereits lange vor dem dreißigjährigen Kriege biedere Pommern des Bauernstandes waren, so hat die preußische Juristenwelt noch mehr Grund, jenen seltenen Mann mit Stolz den ihren zu nennen, dessen Andenken von Zeit zu Zeit zurückzurufen schon im Jahre 1820 8 „eine nationale Pflicht Preußens“ nannte. Das Buch ist dem Inhalt entsprechend würdig ausgestattet. Die drei sauberen Abbildungen, welche das Buch zieren, zeigen das Porträt und das Faksimile der Handschrift Svarez', sein in Schweidnitz und sein Wohnhaus in Berlin Alexander⸗ traße 70. Die Grundbuch⸗Ordnung vom 5. Mai 1872 mit Ergänzungen und Erläuterungen herausgegeben von W. Turnau, Kammergerichts⸗Rath. Dritte vermehrte und ver⸗ blesserte Auflage. Erster Theil. Die Gesetze mit Kom⸗ mentar. Paderborn und Münster, Verlag von Ferd. Schöningh. 1885. (XIX, 791 S.) gr. 8. Zweiter Theil. Hülfsbuch. Die Kosten⸗ und Stempelgesetze. Ergänzungen. Pader⸗

beiden für die Neugestaltung und Regelung des Grundbuch⸗ wesens im preußischen Staate wichtigen Gesetze vom 5. Mai 1872 das „Gesetz über den Eigenthumserwerb und die dingliche Be⸗ lastung der Grundstücke, Bergwerke und selbständigen Gerechtig⸗ keiten“ und die „Grundbuch⸗Ordnung“ —, welche ein Ganzes bilden und sich einander ergänzen, waren zwar schon am 1. Oktober 1872 in Kraft getreten; gleichwohl fehlte es in der Literatur über das Grundbuchwesen mehrere Jahre an einem Buche, welches dem Grund⸗ buchrichter das gesammte zur Bearbeitung der Grundbuchsachen er⸗ forderliche Material in gcordneter Weise geliefert hätte. Um nun diesem dringenden Bedürfnisse abzuhelfen, verfaßte ꝛc. Turnau i. J. 1874 sein Werk über die Grundbuch Ordnung vom 5. Mai 1872, und dieses fand einen solchen allgemeinen Anklang und eine so weite Verbreitung, daß schon wenige Jahre nach seinem Erscheinen (1878) eine 2. und vor ein paar Jahren eine 3. Auflage desselben nöthig wurden. In dieser 3. jetzt vorliegenden Bearbeitung ifl die bisberige Eintheilung im Wesentlichen beibehalten. Wie schon in der 2. Auflage, so ist auch in der vorliegenden 3. das Buch in 2 Theile getheilt. Der 1. und Haupttheil enthält sämmtliche Grundbuchgesetze mit Ausnahme des Kostentarifs und des Stempelgesetzes, die lediglich mit Rücksicht auf den größeren Umfang des 1. Theiles in den 2. gebracht sind. Die Grundbuch⸗Ordnung vom 5. Mai 1872 ist gewissermaßen der 2. Theil oder die Ausführungs⸗Ordnung des Grundeigenthums⸗Gesetzes. Die einzelnen Paragraphen in den verschiedenen Abschnitten sind von zahl⸗ reichen belehrenden Anmerkungen begleitet. Zwar wurde hierbei wegen der großen Masse, wie schon bei der 2. Auflage geschehen, Vieles, was nicht unbedingt nothwendig war, gestrichen und das Beibehaltene verkürzt, um Raum für das aufzunehmende Neue zu schaffen, dessen ungeachtet sind noch immer die beigefügten Anmerkungen infolge der Aufnahme des vielen Neuen sehr umfangreich. Auf die „Grund⸗ buch⸗Ordnung“ solgt das „Gesetz über den Eigenthumserwerb und die dingliche Belastung der Grundstücke, Bergwerke und selbständigen Gerechtigkeiten“. Das Gesetz über den Eigenthumserwerb ist an das Ende des 1. Theils gestellt, damit für dessen vollständigere Kommentirung Zeit gewonnen werden konnte, obwohl es auch jetzt schon mit vielen Anmerkungen versehen ist. Den Schluß bilden Nachträge zum 1. Theile, welche auch die neuesten (anderswo noch nicht veröffentlichten) Entscheidungen des Reichsgerichts und des Kammergerichts enthalten. Den beiden Ge⸗ setzen geht eine Literatur über das Grundbuchwesen und eine Ein⸗ leitung, in welcher der Verfasser eine Geschichte des Grundbuchwesens und der beiden giebt, sowie sich über die neuen Gesetze und ihren Charakter, die Reformbestrebungen und die Reformen im Grundbuch⸗ wesen, den Geltungsbereich der und die Aufhebung der bis⸗ herigen Gesetze verbreitet, vorauf. i den 2. Tbeil ist hauptsächlich aufgenommen, was dem Grundbuchrichter nicht stets zur Hand sein, was er aber bei Gelegenheit wissen muß. Derselbe enthält, wie schon oben bemerkt wurde, zunächst die Kosten⸗ und Stempelgesetze, sodann Instruktionen und Verfügungen und zwar 1) die Verbindung des Grundbuchs mit dem Kataster betreffend (die Vor⸗ schriften für die Provinz Westfalen und für die 6 östlichen Provinzen, sowie gemeinsame Vorschriften für die Provinz Westfalen und die 6 östlichen Provinzen), 2) die Bureauverwaltung bei den Grund⸗ buchämtern betr., 3) die Instruktion über die Führung der Gewerken⸗ bücher u. s. w. vom 19. November 1866. Den ganzen übrigen Theil des 2. Bandes nehmen die Ergänzungen ein. Dieselben handeln von dem Erwerbseigenthum, von dem getheilten Eigenthum, vom gemein⸗ schaftlichen Eigenthum, von Gegenständen des Handelsrechts (den offenen Handelsgesellschaften, den stillen Gesellschaften, den Kom⸗ manditgesellschaften, den Kommanditgesellschaften auf Aktien, den Aktiengesellschaften, der Verbindung des Handelsregisters mit dem Grundbuche, den Prokuristen und Handelsbevoll⸗ mächtigten), von den Erwerbs⸗ und Wirthschaftsgenossen⸗ schaften, von den juristischen Personen, von den Kirchengesell⸗ schaften, von den Armenanstalten und anderen milden Stiftungen, von den vermögensrechtlichen Wirkungen der Ehe, von der väterlichen Gewalt, von der Vormundschaft, von hülfsbedürftigen Personen, von den beim Kaufe vorkommenden Nebenverträgen, von Materien aus dem Erbrechte, vom Konkurs, von Fällen der nicht freiwilligen Ver⸗ äußerung, von der Aufhebung und Ablösung der Reallasten, von den unmittelbaren Erwerbsarten des Allgemeinen Landrechts, von den Akten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, von der Haftpflicht der Grundbuch⸗ beamten und des Staats. Den Schluß des 2. Theiles bildet ein alphabetisch geordnetes Sachregister. gründlichen Werkes, die im Jahre 1883 begonnen und jetzt vollendet vorliegt, hat der Verfasser sein Ziel, dem Grundbuchrichter das ge⸗ sammte zur Bearbeitung der Grundbuchsachen erforderliche Material in geordneter Weise zu liefern, erreicht oder ist demselben wenigstens bereits sehr nahe gekommen. 3 1

In dem Jahres⸗Bericht der Klingerschule, Ober⸗ Realschule zu Frankfurt a. M., über das Schuljahr von Ostern 1884 bis Ostern 1885 geht den Schulnachrichten die geschichtliche Abhandlung „Die Schweden in Frankfurt am Main“, von Dr. Christian Gotthold, vorauf. Diese gründliche und inter⸗ essante Abhandlung enthält die Vorgeschichte der Schwedenzeit in Frankfurt a. M. Nachdem sie auf 4 Quartseiten einen allgemeinen Ueberblick über die Ereignisse in Deutschland seit der Schlacht bei Breitenfeld (am 7. September 1631) gegeben, berichtet sie, im engen Anschluß an die Quellen, aus denen viele wörtliche Mittheilungen ge⸗ macht werden, auf 36 S. ausführlich über die Verhandlungen zwischen Frankfurt a. M. und den Schweden, die jetzt begannen, vom 19. Oktober (a. St.) 1631 an bis zu des Schwedenkönigs Gustav Adolf Einzug in die Stadt Frankfurt a. M., am 17. November 1631. Mit Gustav Adolf zog auch bereits die schwedische Garnison in die Stadt, in der sie nun ununterbrochen eine Reihe von Jahren ver⸗ bleiben sollte. Der von Dr. Gotthold verfaßte Abschnitt der Frank⸗ furtischen Geschichte war bis jetzt noch nicht behandelt worden und fast gänzlich unbekannt.

Gewerbe und Handel.

In Nr. 6 und 7 der „Mittheilungen des Bayerischen Gewerbe⸗Museums“ macht Direktor von Stegmann bekaant, daß am 15. April ein neuer Fachkurs für Galvanoplastik und ein eben⸗ für Feingießerei beginnt, Fächer, in denen die Anstalt bekanntlich

esonders schöne erziehliche Erfolge aufzuweisen hat. Ferner bringen die „Mittheilungen“ ein Verzeichniß der Aussteller auf der bevor⸗ stehenden „Internationalen Ausstellung von Arbeiten aus edlen Metallen und Legirungen“, Referate über die Montags⸗ vorträge des Museums, Nachrichten⸗ aus dem Verbande bayerischer Gewerbevereine, Rathschläge für die Werkstait ꝛc. Ein mehr alg lokales Interesse dürfte endlich ein mitgetheiltes Konkurrenz⸗Ausschreiben für Nürnberg und Fürth verdienen, um so mehr, als sich dasselbe an einen ähnlichen Berliner Wettbewerb an⸗ reiht, dessen Resultate wir in der Hygiene⸗Ausstellung sehen konnten, die aber gleichwie das ganze Unternehmen eine sehr verschiedenartige Beurtheilung ersuhren. Die Kommission für Förderung der In⸗ dustrie und Gewerbe des Industrie⸗ und Kulturvereins in Nürnberg ladet nämlich Vereine, Architekten, selbständige Meister und Fabrikanten des Schreiner⸗ und Tapeziergewerbes in Nürnberg und Fürth zur Betheiligung an einer Preiskonkurrenz für Herstellung einer stilgemäßen Wohnzimmer⸗Einrichtung einfacher Art zum Kaufpreise von 300 ein. Das Wohnzimmer einer in bescheidenen Verhältnissen lebenden Familie soll, dem Ausschreiben nach, mit Möbeln ausgestattet werden, und zwar mit 1) einem Sopha mit sichtbaren Gestelltheilen und einem dauernden Ueberzug, 2) einem einthürigen Kleiderschrank, 3) einer Kommode mit Glasschrank⸗Aufsatz und Ausziehplatte, welche als Schreibtisch dient, 4) einem Ausziehtisch, 5) sechs Stühlen, 6) einem Spiegel, 7) einem Nähtisch, 8) einer Fußbank, 9) einem Bücherbrett, 10) einer Uhr. An Ausrüstungsgegenständen werden noch ein einfacher Teppich und zwei Fenstergehänge gewünscht. Der Grundriß des Zimmers soll eine Länge von 5 m und eine Breite von 4,50 m haben, mit je 2 Fenstern. Der Zweck der ausgeschriebenen Konkurrenz wird als ein vielfältiger bezeichnet,

born, Ferd. Schöningh. 1883. (VII, 486 S.) gr. 8. Die

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nämlich: 1) die Erzielung mustergültiger, kunstgewerblicher Leistungen für eine einfache Zimmereinrichtung; 2) dem Mittelstande

89 . 8

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Mit der 3. Auflage seines

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