1885 / 93 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 21 Apr 1885 18:00:01 GMT) scan diff

Stand und die Pflege der vaterländischen Denkmäler kann sich bisher der Interessirende nur mühsam und auf weitläufigem Wege Kenntniß verschaffen. Das Blatt will daher nicht allein dem Gelehrten das mühsame Sammeln des Arbeitsmaterials erleichtern, sondern auch dem Kunstliebhaber rasch und bequem die ihn interessirenden Neuig⸗ keiten zuführen und dadurch eine innigere, für beide Theile frucht⸗ bringende Beziehung vermitteln. Der „Kunstfreund“ ist aus dem Interessenkreise des, Jahrbuchs“ hervorgegangen und will denselben⸗seiner⸗ seits vertreten, ergänzen und allgemeinerlzugänglich machen“ Demnach bringt das Blatt neben kürzeren Artikeln, welche zumeist originale Studien und neue Entdeckungen enthalten, mit Berücksichtigung der in deutschen und ausländischen Fachzeitschriften niedergelegten For⸗ schungen, Mittheilungen über Künstler und Kunstwerke, Museen und Sammlungen, Erhaltung der Denkmäler, Ausstellungen und Ver⸗ steigerungen, Publikationen von Kunstwerken, endlich Nekrologe und vermischte Notizen. Nicht blos der älteren, sondern auch der modernen Kunst soll, soweit es sich um Künstler, die bereits der Geschichte angehören, um Werke von hervor⸗ ragendem Interesse oder um wichtige Erwerbungen durch öffent⸗ liche Sammlungen handelt, Beachtung zu Theil werden, die Tages⸗ kritik jedoch ebenso wie die kunstliterarische Kritik ausgeschlossen blei⸗ ben. Als Kunstblätter werden der Zeitschrift jährlich 24 Bei⸗ lagen beigegeben werden, welche die Sammelmappe des Kunstlieb⸗ habers durch charakteristische weniger bekannte Werke älterer bedeu⸗ tender Meister in getreuen Reproduktionen bereichern sollen. Bis jetzt sind 7 Nummern von der Zeitschrift erschienen, welche folgende größere Aufsätze brachten: Die Inventarisirung der Kunstdenkmäler in Deutschland, von R. Dohme; Bevorstehende Reuigkeiten des Kunsthandels; Aus der National⸗Galerie, von v. Donop; Erfahrungen bei dem Umbau und der Unstellung der Gemälde⸗Galerie, von Bode; Baldassare d'Este, von H. Thode; Zwei Fragmente von Werken Dalmata's, von H. von Tschudi; Palermitaner Maler, von H. Thode; Der Jesaias in der Kirche Sant' Agostino zu Rom, von G. Dehio; Römische Stempelschneider in der ersten Hälfte des XVI. Jahrhunderts, von v. Tschudi; Guglielmo Bergamasco und Bartolommeo Buon d. J, von H. Thode; Leonardo's Auferstehung Christi, von W. v. S.; Ein Service in Soores⸗Porzellan, Geschenk Ludmwigs XV. an Friedrich V. von Dänemark, von Louis Courajod; Beiträge zur Kunsttopographie der Rheinlande, I. Ein romanisches Beinhaus, von F. Kraus; Aus belgischen Sammlungen; Jean Perréal, von v. Tschudi; Knille's Gemälde in der Berliner Universitäts⸗Bibliothek, von v. Donop Von Kunstbeilagen sind bis jetzt erschienen: „Simson schlägt die Philister“ und „Anna Selbdritt“, Zeichnungen von Albrecht Dürer; „Die heilige Familie mit dem Johannesknaben und einem Engel“, Federzeichnung von Rafael; „Maria mit dem Kinde“, Zeichnung (angeblich) von Rafael; einer Frau“, Radirung von G. Eilers nach einem Gemälde von Rembrandt in der Galerie Sagan; „Der junge Kavalier“, Zeichnung von Ludwig Knaus nach einem in seinem Besitz befindlichen Bilde des Frans Hals; „Der Hirtentanz“, Radirung von G. Eilers nach dem im Besitz Sr. Ma⸗ jestät des Kaisers befindlichen Gemälde von Watteau. Der „Kunst⸗ freund“ erscheint monatlich zweimal zum Preise von 20 für den Jahrgang mit allen Kunstbeilagen. Die Abonnenten des „Jahrbuchs der Königlich preußischen Kunstsammlungen“ erhalten die Zeitschrift gratis, die Beilagen zu ermäßigten Preisen. Die neuesten Bändchen (1a 87, 88) der illustrirten „Europäischen Wanderbild (Orell Füßli & Co., Zürich chreibung von Heidelberg, gelungenen Illustrationen und einem

Gewerbe und Handel.

Köln, 20. April. (W. T. B.) Die Aachen⸗Münchener Feuerversicherungs⸗Gesellschaft zahlt pro 1884 eine Dividende von 420

Antwerpen, 20. April. (W. T. B.) Wollauktion. Angeboten 2553 Ballen Laplata⸗Wollen, davon 976 Ballen ver⸗

auft, wenig Käufer, geringes Geschäft, Buenos⸗Ayreswollen 10 15, Montevideo⸗Wollen 15 Cts. niedriger als bei der Januar⸗Auktion.

London, 20. April. (W. T. B.) Die Wollauktion chloß zu unveränderten Preisen.

Glasgow, 20. April. (W. T. B.) Die Verschiffungen von Roheisen betrugen in der vorigen Woche 10 800 gegen 9400 Tons in derselben Woche des vorigen Jahres.

Bradford, 20. April. (W. T. B.) Wolle und Garne stetig, Stoffe ruhig. 8 8

Submissionen im Auslande.

. I. Serbien. 1) 30. April n. St. Militärbekleidungs⸗Kommission Belgrad. Lieferurg von . 24 000 gelbe große Metallknöpfe 3 000 gelbe kleine Metallknöpfe, 60 0 weiße kleine Metallknöpfe, 45 000 weiße große Metallknöpfe 20 000 weiße große Beinknöpfe, 55 000 weiße kleine Beinknöpfe, 25 000 schwarze kleine Beinknöpfe, 8 1 500 schwarze große Beinknöpfe, 8 8 000 Paar Haken und Oesen schwarz, 1 600 große Gardeknöpfe, 600 kleine Gardeknöpfe, 350 Trompeten, 1 1 200 Stiefelrosetten. 2) 2. Mai n. St. Dieselbe Behörde. 3 000 Zeltflügel, 8 1 000 eiserne Betten mit je 3 Brettern, 8 300 Pack Zwirn schwarz, 8 250 Pack Zwirn halbweiß, 300 Pack Zwirn weiß, 7 670 m Schnur gelb, 30 000 Paar Opanken. 8 3) 4. Mai n. St. Dieselbe Behörde. Lieferung von 1 500 Kesselchen, 9000 Feldfläschchen, 8 500 Eßschalen, 7 200 Paar schwarze Schnallen, 300 Paar Schnallsporen ohne Riemen, 200 Paar Sporen. 4) 11. und 12. Mai n. St. Dieselbe Behörde. 10 000 m Zwillich, 8 8 102 000 m Hanfleinwand, 8 35 000 m Strohleinwand, 60 000 m Futterleinwand, 3 11 500 Brodbeutel, 8 500 Handtücher.

Kaution 20 % vom Werth von Ausländern, Kaution 10 % vom Werth von Serben. Muster täglich in der Kanzlei der Militär⸗ bekleidungs⸗Kommission Belgrad zu sehen.

II. Spanien.

1) 1. Mai, Mittags. Madrid. Finanz⸗Ministerium. Stempel⸗

fabrik. 4000 Palmbaummatten. .2) 11. Mai, 2 Uhr. Alcaldia constitucional von Ahigal. Bau einer Brücke über den Alagön. Voranschlag 87 216,28 Peseta. Nähere Bedingungen an Ort und Stelle und in der Direccion de administracion local (Ministerio de la Gobernacion) zu Madrid.

III. Griechenland.

1. Juni, 10 Uhr. Direktor der französischen Mission zu Athen. Konstruktion des eisernen Belags und Lieferung von Trägern und Geländern für eine Anzahl Brücken. Näheres an Ort und Stelle. IV. Italien.

Schiffsbau⸗Direktion des See⸗Departe⸗

Lieferung von

Lieferung von

Hamburg, 20. April.

ments zu Neapel. Lieferung von Kupfer. Voranschlag 39 600,

Kaution 4000 Fr.

2) 4. Maf. 10 Uhr. Ministerium der öffentlichen Arbeiten zu Rom und Präfektur von Palermo. Arbeiten und Lieferungen für die Strecke Loskari⸗Torto auf der Eisenbahn Messina⸗Cerda. Voran⸗ schlag: 640 000 Fr. Kaution prov. 32 000, def. 64 000 Fr.

3) 5. Mai. 10 Uhr. Ministerium der öffentlichen Arbeiten zu Rom und Präfektur von Padua. Arbeiten und Lieferungen für die Ausbesserung der Dämme und des Betts des Flusses Gorgone. Vor⸗ anschlag: 258 530 Fr. Kaution prov. 1400 Fr.; definitiv 10 % des Werths. Näheres an Ort und Stelle.

V. Oesterreich.

11. Mai, Mittags. Wien. K. K. General⸗Direktion der öster⸗ reichischen Staatsbahnen. Die Lieferung des Bedarfs an mineralischer Kohle für die Zeit vom 1. Juli 1885 bis 30 Juni 1886 im bei⸗ läufigen Quantum von 567 000 t böhmischer Braunkohle oder einer diesem Quantum entsprechenden Menge anderer Kohlengattungen. Die näheren Bedingungen bei der genannten Direktion, Abtheilung II,

Wien, Fünfhaus. Spanien.

VI.

1) 25. Mai. 1 ½ Uhr. Madrid, Finanz⸗Ministerium, General⸗ Direktion der Regie und Tabackfabrik zu Cadix. Lieferung einer Anzahl Maschinen für die Tabackregie. Voranschlag: 97 430,02 Pes.

2) 11. Juli. Mittags. Direccion general de administraccion y fomento in Madrid. Konzession für eine Eisenbahn von Manila nach Dagupan (Philippinen). Länge: 192 263 m. Voranschlag 4 964 473,65 Pes. Zuschlag im Ministerio de Ultramar zu Madrid und im Gobierno general zu Manila. Die näheren Bedingungen in spanischer Sprache zur Einsicht beim „Deutschen Reichs⸗Anzeiger.“

Verkehrs⸗Anstalten.

(W. T. B.) Der Postdampfer „Hammonia“ der Hamburg⸗Amerikanischen Packet⸗ fahrt⸗Aktiengesellschaft ist, von New⸗York kommend, heute Nachmittag auf der Elbe eingetroffen. 1

21. April. (W. T. B) Der Postdampfer „Rhenania“, welcher heute früh nach Westindien abging, wurde auf der Elbe von dem englischen Dampfer „Pinguin“ angerannt und dabei am Heck beschädigt. Er muß deshalb ins Trockendock gebracht werden und wird nach erfolgter Reparatur in drei bis vier Tagen die Reise wieder antreten.

New⸗York, 20. April. (W. T. B.) Der Dampfer „Egypt“ von der National⸗Dampfschiffs⸗ Compagnie (C. Messingsche Linie) ist hier eingetroffen.

Berlin, 21. April 188.

Der gestrige Montag hatte ein fast ebenso zahlreiches Publikum nach der Rennbahn bei Charlottenburg bhinausgelockt wie am Sonntag. Ibre Kaiserlichen und Königlichen Hoheiten der Kronprinz und die Kronprinzessin nebst Prinzessin⸗ Tochter Victoria erschienen schon vor Beginn der Rennen und wohnten in dem Kaiserpavillon mit lebhaftem Interesse dem Verlauf der ein⸗ zelnen Konkurrenzen bei. Die Rennen begannen pünktlich um 3 Uhr mit:

I. Herren⸗Hürden⸗Rennen. Preis 700 Für 4jährige und ältere Pferde, geritten von deutschen und österreichisch⸗ungarischen Herren. 30 Einsatz. 20 Reugeld. Distanz ca. 2000 m. Dem zweiten Pferde 40 % der Einsätze und Reugelder. Das Rennen hatte 11 Unterschriften, 6 Pferde liefen. Es siegte sicher mit 5 Längen des Hrn. von Zansen⸗Osten 6jähr. F.⸗W. „Fitz Aĩda“ (3000 ℳ) 67 kg (Reiter Lt Graf Schmettow) gegen des Hrn. von Tepper⸗ Laski a br. St. „Siegespalme“, 69 ½ kg (Reiter Lieutenant von Ravpenstein), 8 Längen dahinter traf des Lieutenants von Usedom a. br. W. „York“ unter seinem Besitzer als Dritter und 20 Längen hinter diesem des Grafen C. Dohna a. F.⸗St. „Ehrendame“ ein. Dann folgten noch Lieut. von Boddiens 4jähr. br. St. „Venice“ und Hrn. Freds a. F. St. „Diplomatin“ ein. Werth des Rennens 868 dem Sieger, 112 der Zweiten. Der Sieger wurde für 3400 zurückgekauft. Um 3 ½ Uhr folgte diesem Rennen:

II. Kurzes Jagd⸗Rennen. Preis 500 Internationales Herren⸗Reiten. Für 4jährige und ältere Pferde, geritten von Herren, die noch keinen Preis von 1000 im Sattel gewonnen, 20 Einsatz. 10 Reugeld. Distanz ca. 2500 m. 60 % der Einsätze und Reugelder dem zweiten Pferde, der Rest wird zwischen dem ersten und dritten Pferde gethei t. 14 Pferde genannt, 4 liefen. Es siegte nach hübschem Lauf mit 3 Längen des Lieut. v. Bodenhausen a. br. W. „Jvan“, 73 kg (Reiter: Besitzer), gegen Lieut. v. Usedom a. br. W. „The Squeaker“, 74 kg (Reiter: Besitzer). ¾ Längen hinter diesem landete des Lieut. Grf. Lehndorff 6jähr. br. W. „Bonze“ unter Lieut. Grf. Schmettow. Des Lieut. Grf. Kleist vom Loß a. schwbr. W. „Sharper“ unter seinem Besitzer war an den Wasserwerken aus⸗ gebrochen. Werth des Rennens: 536 dem Sieger, 108 dem Zweiten, 36 dem Dritten. Diesem Rennen schloß sich um 4 Uhr an:

III. Maiden⸗Jagd⸗Rennen. Preis 1000 Offtzier⸗ Rennen. Für 4jährige und ältere Pferde im Besitz von aktiven und Reserve Offizieren der deutschen Armee und von solchen zu reiten. 40 Eins. 20 Reug. Distanz ca. 3000 m. Dem zweiten Pferde 40 % der Einsätze u. Reugelder. 8 Pferde waren genannt, 3 starteten. Es siegte nach Gefallen des Rittmstr. Grf. Bismarck bjähr, schwb H. „Fliegender Holländer (3000 ℳ), 76 ½ kg (Reit. Rittmstr. v. Kramsta) mit 5 Längen gegen des Lieut. Erbprinz von Schönburg 5jähr br. H. „Last of the Avons“, 74 kg (MReiter Lieut. von Sydow II.), des Lieut. Schneider 5jähr. F.⸗St. „Man zu“ unter Lieut. von Barnekow kam beim Hinderniß Nr. 15, einem Graben, zum Fall, ohne jedoch sich oder seinen Reiter zu beschädigen. Werth des Rennens: 1132 dem Sieger, 88 dem Zweiten. Der Sieger wurde für 3200 zurückgekauft.

Es erfolgte nunmehr die Vorführung der Equipagen, Reit⸗ und Wagenpferde, welche von dem Comité für die Verloosung angekauft worden sind und die wiederum bei dem Publikum lebbaftes Interesse fanden. Den Schluß des Tages bildete um 5 Uhr:

IV. Preis von Stralau 800 Handicap⸗Jagd⸗Rennen. Internationales Herren⸗Reiten. Für 4 jährige und aͤltere Pferde, welche 1884 kein Rennen im Werthe von mindestens 4000 ge⸗ wonnen haben, geritten von Herren, die in den verflossenen beiden Jahren kein Rennen im Werthe von mindestens 2500 im Sattel gewonnen haben. 30 Einsatz. 20 Reugeld. Dem zweiten Pferde 60 % der Einsätze und Reugelder. Der Rest wird zwischen dem ersten und dritten Pferde getheilt. 9 Unterschriften, 5 Pferde liefen. Es siegte sicher mit 6 Längen des Rittmstr. Grf. Bismarck 5 jähr. dbr. H. „The Ranger*, 76 ½ kg (Reit. Rittmstr. von Kramsta) gegen des Hrn. O. Oehlschläger a. F.⸗H. „Prinz Eugen“ (Reit. Lieut. Grf. Westarp), 5 Längen hinter diesem traf des Hrn. Fr. Steinbock 6 jähr. br. H. „Imperial“ (Reit. Grf. Lehndorff) als Dritter ein, 15 Längen dahinter landete des Hrn. von Zansen⸗Osten a. F.⸗St. „Full⸗Cry“ (Reit. Lieut. Grf. Schmettow) und den Schluß des Feldes bildete des Lieut. a. D. Winckel 6 jähr. F.⸗St. „Burgfräulein“ unter ihrem Be⸗ sitzer. Werth des Rennes: 846 für den Sieger, 138 dem Zweiten und 46 dem Dritten.

Die nächsten Rennen auf dieser Bah fi untag, 26. April, Nachmittags 3 Uhr, statt. .

Der Deutsche Fischereiverein hie gestern Abend in Gegenwart Sr. Kaiserlichen und Königlichen Hoheit des Kronprinzen in einem Fraktionssaale des Abgeordneten⸗ hauses seine Generalversammlung ab. Der hohe Protektor des Vereins wurde am Portal von dem Präsidenten des Ab⸗ geordnetenhauses, von Köller, sowie den Herren des Vorstandes empfangen und nach dem Versammlungssaal geleitet. Nach Er⸗ öffnung der Sitzung dankte der Vorsitzende, Herr von Behr⸗ Schmoldow, zunächst dem Kronprinzen für das dem Verein seit 15

Jahren bewahrte Interesse. Dem erstatteten Bericht war zu entneh⸗ men, daß der Verein wiederum 56 156 Millionen edler Fischbrut den Wässern anvertraut hat: seitdem der Verein Reichszuschuß und Hülfe von dem Königlich preußischen Landwirthschaftlichen Ministe⸗ rium erhält, sind bereits 38 bis 40 Millionen ausgesetzt worden. Das Wichtigste, Erfolgreichste war die 2— von Lachsbrut; leider erhält jedoch der Lachs noch immer in Norddeutschland nicht den Schutz während seiner Laichzeit, welcher immer entschiedener für ihn gefordert wird. Der Versuch, den Stör massenhaft zu ver⸗ breiten, mißlang; ebenso gelang es noch nicht, die Frage der Aalzucht voll und ganz zu klären. Die Beziehungen zu dem Auslande sind fort⸗ gesetzt die besten gewesen. Prof. Baird aus Washington sandte wieder mehr als 1 ½ Million edler Salmeier, und mehrere Fischarten aus Amerika dürfte der Verein als fest eingebürgert erachten. Die Austern⸗ erpedition, die der Verein veranstaltete, verlief vortrefflich. Die Austern wurden 19 Tage, nachdem sie am Lorenzstrom gefischt waren, in der Ostsee völlig gesund ausgesetzt. Nach der Berichterstattung und nachdem noch der Geh. Regierungs⸗Nath Herwig über die Hoch⸗ seefischerei referirt hatte, hielt Stadtrath Eberty einen Vortrag über den Berliner Marktverkehr und die Fischerei. Dem Vortrage wohnte auch Ihre Kaiserliche und Königliche Hoheit die Frau Kronprinzessin bei, welche gegen 9 Uhr in der Sitzung erschien.

Der Berliner Asylverein für Obdachlose hielt gestern Abend im Bürgersaal des Rathhauses seine 15. Jahresversammlung ab. Die Hauptzahlen und Angaben aus dem Jahresbericht haben wir bereits mitgetheilt. In der sich an den Bericht anschließenden Debatte wurde monirt, daß die Wohlthaten des Vereins vielfach Per⸗ sonen zu Gute kämen, die derselben nicht werth seien, und daß durch die späte Eröffnung des Asyls und die dadurch bedingte Ansamm⸗ lung der Obdachlosen gerechter Grund zu Beschwerden gegeben werde. Es folgten dann die Ergänzungswahlen; neu in den Verwaltungs⸗ rath traten die Herren Molenaar und Cohn.

Seit Sonnabend giebt man im Neuen Friedrich⸗Wil⸗ helmstädtischen Theater mit täglich wachsendem Erfolge eine neue Operette: „Der Großmogul“. Der musikalische Theil des Werks rührt von dem bekannten französischen Komponisten E. Audran ber, während das Libretto, eine gemeinschaftliche Arbeit der Hrrn. Chivot und Duru, von Ed. Jacobson ins Deutsche übertragen ist. Die Fabel des Stücks ist nicht ohne Interesse, jedoch inhaltlich nicht ganz ausreichend für eine in drei Acke ausgesponnene Handlung, Ein indischer Prinz kann nur dann den Thron seiner Väter besteigen, wenn er eine von seinem Vater ererbte weiße Perlenschnur, welcher die geheimnißvolle Kraft innewohnt, schwarz zu werden, sobald ihr Träger vom Pfade der Tugend abweicht, in ihrer ursprünglichen Reinheit erhält. Der Prinz verliebt sich nun in eine Gauklerin, während eine Prinzessin seines Hauses auf seine rechnet hat. Eine sehr fein angelegte und unterhaltende Intrigue der Prinzessin kommt nicht zu ihrer Wirkung, da ein in jene Gauklerin verliebter Engländer unbewußt die Maßnahmen der Prinzessin, welche er zu unterstützen glaubt, durchkreuzt; so ergiebt sich eine ebenso lustige wie glückliche Lösung. Einige triviale Witzworte und lokale Anspielungen, welche der Dialog enthält, hätte der Bearbeiter sich ersparen können. Die Musik ist nicht ohne Reiz, einige Nummern, besonders die „Schlan⸗ gen⸗Arie“ und das von Joquelet und Irma (Hr. Weidmann und Frl. Stein) gesungene Duett zeichnen sich durch feine musikalische Arbeit und originelle Erfindung aus und mußten noch bei der gestrigen dritten Aufführung da capo gesungen werden; im Uebrigen mangelt es der Musik aber an jener komischen Wirkung, welche den durchschlagenden Erfolg der Operetten zu bedingen pflegt. Der Schwerpunkt der günstigen Aufnahme lag in der vorzüg⸗ lichen Darstellung und der überaus glänzenden Inscenirung. Die weibliche Hauptrolle „Irma“, die Gauklerin, wird von einer Debütantin, Frl. Stein, mit Auszeichnung gegeben. Die Dame be⸗ sitzt eine imposante und frische Erscheinung, eine kräftige und klare Stimme und ein ungezwungenes Spiel. Die Stimme litt am Montag offenbar unter einer kleinen Indisposition der wodurch die Tonbildung unklar wurde und der Ton selbst zuweilen scharf und rauh klang. Frl. Wrada (Prinzessin Bengaline) sah reizend aus und spielte und sang anmuthig. Die Rolle des „Prinzen Mignapur“ führte Hr. Steiner in jeder Hinsicht auf das Glücklichste durch; das lebhafte Spiel, die Frische seiner Stimme errangen mit Recht den lebhaftesten Beifall. Ebenso erfreulich gestaltete sich die Leistung des Hrn. Weidmann als „Joquelet“. Hr. Wellhof (Nicobar) und Frl. Schmidt (Laleika) wirkten wie immer durch ihre drastische, manchmal aber etwas zu derbe Komik. Zum Schluß sei noch die erheiternde Leistung des Hrn. Binder als „Kapitän Crackson“ erwähnt. Die Inscenirung überstieg alle Erwartungen. dende Glanz und Schimmer bisher kaum in den sogenannten Ausstattungsstücken gefunden; auch das Ballet, welches einen verhältnißmäßig weiten Raum in dem Stücke einnimmt, machte einen recht günstigen Eindruck. So machten sich um das Gelingen der Vorstellung Hr. Direktor Fritzsche und die Darsteller ebenso verdient wie der Komponist und die Librettisten, und vnit a wurde deshalb den Erstgenannten der reichste Beifall zu

Gestern fand im Saale der Sing⸗Akademie unter dem Pro⸗ tektorat Ihrer Kaiserlichen und Königlichen Hoheit der Kronprinzessin ein Concert zweier Künstler der Musik⸗Akademie des Londoner Blinden⸗Instituts statt. Der Pianist Hr. Hollins spielte mit Begleitung des Orchesters die drei bedeutendsten und zu⸗ gleich schwersten Klavierconcerte der klassischen und der neueren Zeit, nämlich das 5. Concert von Beethoven, Schumanns Concert A-moll- und das Es-dur Concert von Liszt. Die Leistungen des des Augenlichts beraub⸗ ten Spielers waren ein seltenes musikalisches Ereigniß. Wenn wir unter den drei mit wahrhaft staunenswerther Beberrschung der kechnischen Schwierig⸗ keiten vorgetragenen Werken dem Concert von Schumann den Vor⸗ zug geben, so geschieht dies deshalb, weil die mit großer Präzision ausgeführten Oktaven⸗ und Akkordsprünge im ersten und letzten Satz von ganz besonders gründlichen und ausdauernden Studien des Spielers Zeugniß ablegten; auch war die Auffassung tief eingehend und dem Werke entsprechend. Dieses Lob verdiente im Allgemeinen auch der Vortrag des Beethovenschen Concerts, während das Concert von Liszt wohl etwas über die Kräfte des Künstlers hinausging, die auch am Schluß des Abends bei so abnormen Anforderungen nach⸗ gelassen haben mochten. Hr. John Moncur trug mit sehr wohlklingender Tenorstimme Beethovens „Adelaide“ sowie eine Arie von Felicien David vor und ließ in Beiden eine sehr weit vorge⸗ schrittene künstlerische Durchbildung erkennen. Reine Intonation, die ebenmäßige Verbindung der Töne mit einander sowie die musterhafte deutliche Aussprache zeugten von den gründlichsten Studien. Von seinem Kollegen Hollins am Klevier begleitet, machte dieses schöne Ensemble zugleich einen rührenden Eindruck. Reicher Beifall beglei⸗ tete alle Vorträge der beiden Künstler. Das Philharmonische Orchester bewährte sich unter Leitung des Prof. Klindworth wiederum in glän⸗ zendster Weise. Dem energischen Entschluß der Concertgeber, unter Führung ihres gleichfalls erblindeten Direktors Hrn. Campbell eine Kunstreise nach Amerika zu machen, ist der beste Erfolg zu wünschen. Ihre Kaiserliche Haheift die Kronprinzessin und Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin Victoria beehrt 8 C t mit Ihrem Besuch.

Redacteur: Riedel.

Berlin:

Sieben Beilagen sen⸗Beilage)

Hand II“

Sängerin,

Die Pracht der Dekorationen, der blen⸗ der Kostüme hat wohl seines Gleichen

Verlag der Expedition (Scholz). Druck: W. Elsner.

die zweite Berathung des Entwurfs betreffend die Abänderung des Zolltarifgesetzes

eiger und Königlich Preußi

Berlin,

3

evwAn ngs

Dienstag, den 21. April

Nichtamtliches. Preußen. Berlin, 21. April. Im weiteren Verlaufe der gestrigen (81.) Sitzung des Reichstages wurde eines Gesetzes,

vom 15. Juli 1879, fortgesetzt. Die Berathung begann mit Position 21 (Viehzölle). Die ‚Freie Volkswirthschaftliche Vereinigung“ beantragte: a. 1) Pferde 1 Stück 20 (bisher 10 ℳ), 2) Maulthiere, Maul⸗ esel und Esel wie bisher 10 Füllen, der Mutter folgend, frei, b. Stiere und Kühe Stück 9 ℳ, c. Ochsen Stück 30 ℳ, d. Jungvieh im Alter bis zu 2 ½ Jahren Stück 6 ℳ, e. Kälber unter 6 Wochen Stück 3 ℳ, f. Schweine Stück 6 ℳ, g. Spanferkel unter 10 kg Stück 1 h. Schafvieh 1 ℳ, i. Lämmer 50 ₰, k. Ziegen frei wie bisher. Der Abg. Wilbrandt bat im Interesse der Landwirth⸗ schaft und der deutschen Pferdezucht, von einer Erhöhung der Pferdezölle Abstand zu nehmen. Deutschland könne des Pferde⸗Imports aus dem Auslande nicht entrathen, es könne den eigenen Bedarf nicht decken. Er müsse sein Befremden aussprechen, daß der Antrag auf Zollerhöhung von keinem der Antragsteller befürwortet werde. Der Abg. von Schalscha erklärte, Deutschland könne aller⸗ dings nicht die Einfuhr jungen Zuchtmaterials entbehren, die Vermehrung der Pferde habe nicht gleichen Schritt mit dem Bedarf gehalten. Aber die Zollerhöhung sei eine so geringe, daß sie, für einen jungen Zuchthengst wohl getragen werden könne und kaum in Betracht komme; sie solle aber hauptsächlich die Einfuhr schlechter, minder⸗ werthiger Pferde verhindern, die für die deutsche Pferdezucht, icht zum wenigsten auch in sanitärer Beziehung, gefährlich seien. Je mehr Schund an den Markt komme, desto niedriger würden auch die Preise für gutes Material sein.. Der Abg. Dirichlet bemerkte, allerdings könne diese Zoll⸗ erhöhung den Import werthvoller Zuchtpferde nicht verhindern, wohl aber den Import minderwerthiger Pferde, welcher na⸗ mentlich für den kleinen Landwirth ein Bedürfniß sei. Ver⸗ theuere man die billigen russischen und galizischen Pferde, so schädige man damit zahlreiche kleine Landwirthe schwer und nicht nur die östlichen Landestheile. Es möge sein, daß durch solche Pferde manchmal ansteckende Krankheiten verschleppt würden; der hohe Zoll aber würde eine Prämie für den an den langgestreckten Ostgrenzen sehr leicht ausführbaren Schmuggel sein, und mit dem Wachsen des Viehschmuggels wachse natürlich auch die Gefahr, daß Viehseuchen ins Land kommen würden; denn das geschmuggelte Vieh unterliege keiner veterinären Kontrole an der Grenze. Daher bitte er, diesen Zoll abzulehnen.

Der Abg. Staudy erklärte, wenn man von der Linken Dinge höre, wie neulich die Aeußerung des Abg. Rohland, die Landwirthschaft leide nicht Noth, sondern nur die Land⸗ wirthe, so könne man auf das Urtheil der Herren kaum noch Gewicht legen. Er bestreite denselben auch, bei der jetzigen Geschäftslage das Recht, zu verlangen, daß einer der Antrag⸗ steller für jeden einzelnen dieser Zollanträge das Wort ergreife. Ein solches Verlangen sei kaum parlamentarisch. Der erhöhte Pferdezoll sei nothwendig zum Schutz der deutschen Pferdezucht. Der Viehbestand Deutschlands sei überhaupt zurückgegangen, so der Bestand an Schafvieh um 5 Millionen. Daß der Zoll eine Kalamität für den kleinen Besitzer sei, müsse er aus eigener Kenntniß bestreiten. Die importirten russischen Pferde hätten einen Durchschnittswerth von je 800 und seien für die kleinen Besstzer zu theuer.

Der Abg. Dirichlet bemerkte, seine Rede habe den Abg. Staudy kaum veranlassen können wieder in die alten ab⸗ gedroschenen Invektiven gegen die Linke zu verfallen. (Der Präsident bezeichnete den Ausdruck „abgedroschen“ als unparlamentarisch.) Dann wolle er sagen „in die nicht mehr neuen“ Invektiven. Der Abg. Staudy habe kein neues Argument für diese Zollerhöhung vorgebracht, sondern sich lediglich in Widerspruch zu dem Abg. von Schalscha gesetzt, indem der Abg. Staudy von einem Schutze der Pferdezucht durch diesen Zoll gesprochen habe, während der Abg. von Schalscha diese Absicht ausdrücklich in Abrede gestellt habe, und indem der Abg. Staudy wiederum im Gegensatz zu dem⸗ selben Herrn bestritten habe, daß schlechte Pferde über die östlichen Grenzen nach Deutschland gekommen seien. Die russischen und polnischen importirten Pferde kosteten durch⸗ schnittlich nicht 800, sondern 80 ℳ, und diese billigen Pferde seien für den kleinen Mann, der damit seine Frühjahrs⸗ bestellung besorge, geradezu ein Lebensbedürfniß. Im Interesse der kleinen Landwirthschaft bitte er nochmals um Ablehnung des Zolls. 6

Der Abg. Udo Graf zu Stolberg⸗Wernigerode erklärte, da Deutschland selbst auch viele minderwerthige Pferde pro⸗ duzire, so hätten selbstredend die Importe ausländischer schlech⸗ ter Pferde die Preise unseres Materials gedrückt. Die Zölle sollten so vertheilt werden, daß auch der Pferdezüchter etwas davon habe. Wenn also der kleine Landwirth als Konsument bei diesen Zöllen zu kurz kommen würde, so habe derselbe ein Aequivalent in anderen Zöllen bekommen. Sollte hauptsäch⸗ lich das Zuchtvieh durch den Zoll betroffen werden, so werde die Pferdezucht auch Nutzen von den Zöllen haben.

Der Abg. Richter (Hagen) bemerkte, mit diesem letzten Argument würde man einfach alle Zölle begründen können. Je weniger aber die Herren die einzelnen Zölle begründen könnten, desto mehr suchten sie allgemeine Debatten herbei⸗ zuführen, um die Schwäche ihrer Argumente zu verdecken. Er sei höchlichst erstaunt, wie der Abg. Staudy heute als große Autorität in Viehsachen sich aufspielen könne. Habe doch dieser selbe Herr im Jahre 1879 einen erheblichen Rückgang der Schweinezucht behauptet, während sich aus dem Bericht des Landwirthschafts⸗Ministers ergebe, daß die Schweinezucht sich außerordentlich in den letzten zehn Jahren ge⸗ hoben, und die Schweinezahl in Deutschland sich um ein Drittel, um 1 ½ Millionen, vermehrt habe. Dadurch werde, heiße es im Bericht, der Rückgang der Schaf⸗ Ueb mehr als aufgewogen. Auch die Behauptungen, die der

bg. Staudy 1879 über das Darniederliegen der Rindvieh⸗ zucht aufgestellt habe, seien durch den landwirthschaftlichen

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Bericht direkt widerlegt. Dort seien im Gegentheil „gewaltige Fortschritte auf dem Gebiete der Rindviehzucht“ konstatirt. Natürlich, wenn die Landwirthe ihre Güter zu theuer bezahlt hätten und ferner, wenn sie mehr ausgegeben, als sie einge⸗ nommen hätten, so würden sie auch bei der blühendsten Landwirthschaft Noth leiden. Insofern sei die von dem Abg. angegriffene Behauptung des Abg. Rohland durchaus richtig.

Der Abg. Staudy blieb bei seinen vorigen Ausführungen und behauptete, wenn die Viehzucht sich in neuerer Zeit ge⸗ hoben haben sollte, so sei das lediglich in Folge der Zölle von 1879 geschehen.

Der Abg. Dirichlet bemerkte, im Jahre 1879 habe der Abg. Staudy die damaligen Viehzölle, speziell für Schweine, als zu niedrig bezeichnet. Wie schnell und leicht der Abg. Staudy seine Meinung ändere, gehe auch daraus hervor, daß derselbe noch im Jahre 1876 in einem Wahlprogramm sich für den entschiedensten Gegner der Eisenzölle erklärt habe. Wer so schnell in seinen Ansichten wechsele oder, wie man gegenwärtig sage, „lerne“, der sollte doch nicht andere Leute mit Ueberhebung behandeln, die 40 und 50 Jahre an ihren alten Ueberzeugungen festgehalten hätten.

Die Zollerhöhung für Pferde von 10 auf 20 wurde 126 gegen 94 Stimmen angenommen.

Es folgte die Berathung der Positionen: Kühe, Ochsen, Jungvieh und Kälber.

Der Abg. Udo Graf zu Stolberg⸗Wernigerode betonte, daß der Viehzoll mit den Getreidezöllen in Parallele zu stellen sei. Als die Klagen der Landwirthschaft hier vorgetragen worden seien, sei von der Linken hervorgehoben worden, daß die Landwirthschaft sich mehr auf die Viehproduktion werfen müsse. Nun aber, wo zu Gunsten dieser Produktion ein Schutz⸗ zoll verlangt werde, höre man dieselben Einwendungen wie gegen die Getreidezölle. Wenn die Viehproduktion bisher noch Gewinn abgeworfen habe, so sei das nur den Vieheinfuhr⸗ Verboten zu verdanken. Aber darum lasse sich doch nicht sagen, daß ein Zoll auf Stiere, Kühe u. s. w. entbehrlich geworden sei. Einige Grenzen seien immer geöffnet, und selbst, wo Ver⸗ bote bestehen, würden dieselben durch den erleichterten Grenz⸗ verkehr umgangen. Es sei daher wohl angezeigt, diesen Zoll bis zu einem mäßigen Grade zu erhohen.

Der Abg. Dr. Diendorfer (auf der Tribüne schwer verständ⸗ lich) erklärte sich gegen die Zollerhöhung, für die ein dringen⸗ des Bedürfniß nicht vorhanden sei. Auch die verbündeten Regierungen seien gegen die Zollerhöhung, da sie dieselbe nicht mit in ihre Vorlage aufgenommen hätten. Für die Getreide⸗ zölle zu stimmen, sei ein Grund vorhanden gewesen, da die⸗ selben den Wünschen der Mehrheit des Volks entsprächen, diese Zölle hingegen lägen nur in dem Sonderinteresse ein⸗ zelner Gegenden, und diesem Sonderintereffe zu dienen, sollten sich die Gesetzgeber wohl hüten. Die lleinen Bauern des bayerischen Waldes könnten die Einfuhr von Zuchtvieh aus dem benachbarten Oesterreich nicht entbehren. Auch die Sta⸗ tistik erweise, daß Deutschland auf Vieheinfuhr angewiesen sei. Das Haus sollte sich es daher dreimal überlegen, ehe es dieser Zollerhöhung zustimme.

Der Stastssekretär von Burchard entgegnete, es handele sich hier um einen Initiativantrag, zu dem die verbündeten Regierungen noch nicht Stellung genommen hätten. Er hätte daher keinen Anlaß, in die Debatte einzugreifen, gehabt, wenn nicht der Vorredner aus der Thatsache, daß die Reichsregierung diesen Zoll nicht in ihre Vorlage mit aufgenommen habe, den Schluß gezogen hätte, daß sie denselben nicht wolle. Dieser Schlußfolgerung müsse er entgegentreten. Im Interesse einer Beschleunigung der Verabschiedung dieser Vorlage hätten die verbündeten Regierungen von einer allgemeinen Revision des Tarifs Abstand genommen. Mit den Viehzöllen habe sich der Bundesrath nicht beschäftigt; er könne daher auch nicht sagen, wie der Bundesrath sich zu dieser Frage stellen werde. Das werde erst geschehen, wenn das Haus in seiner Majorität eine Erhöhung der Viehzölle beschlossen habe.

Der Abg. von Schalscha bemerkte, wenn Jemand Sonder⸗ interessen vertreten habe, so sei es der Abg. Diendorfer ge⸗ wesen. Er wolle nicht für einen kleinen Bezirk sprechen, sondern die Interessen der Allgemeinheit, des Deutschen Reiches ins Auge fassen, wie das der Aufgabe des Gesetzgebers ent⸗ spreche. Er bestreite dem Abg. Diendorfer, daß für die Vieh⸗ zölle die Sache anders liege wie für die Getreidezölle. Auch diese Zölle würden von der Mehrheit des Volkes gewünscht. Der Abg. Diendorfer habe gesagt, die Bauern des bayerischen Waldes könnten die Vieheinfuhr aus dem benachbarten Oesterreich nicht entbehren. Derselbe habe damit den bayerischen Landwirthen ein schlechtes Kompliment ge⸗ macht. Die Zölle auf die Vieheinfuhr seien um so mehr gerechtfertigt, als die Landwirthschaft immer mehr auf die Viehproduktion hingedrängt werde und wenn das Haus eine Erhöhung derselben beschließe, werde derselben hoffentlich auch die Zustimmung des Bundesraths nicht fehlen. Daß durch die Zollerhöhung die deutsche Viehausfuhr beschränkt werden werde, sei nicht zu erwarten. Die Länder, in welchen dieselbe errichtet sei, hätten stets mit Sorgfalt darüber gewacht, nur gutes, seuchenfreies Vieh zu erhalten; sie würden durch eine Zollerhöhung deutscherseits noch eine weitere Garantie dafür erhalten, daß denselben nur gesundes Vieh zugeführt werde. Er mache übrigens darauf aufmerksam, daß Zucht⸗ material nur vom Großgrundbesitz importirt werde. enn trotzdem auch dieser für eine Zollerhöhung eintrete, so zeige der Großgrundbesitz wieder einmal, daß derselbe Zoll⸗ erhöhungen nicht nur in seinem Interesse betreibe, wennschon einzuräumen sei, daß der Großgrundbesitz auch materielle Vortheile von der Unterhaltung guten Zuchtmaterials erziele. Für die Zollabfertigung mögen einige Schwierigkeiten durch den vorliegenden Antrag entstehen. Allein dieselben würden sich nicht vermeiden lassen. Er möchte zum Schlusse nur noch darauf hinweisen, daß, da die Kühe mit 9 ℳ., Jungvieh aber nur 6 pro Stück verzollt werden sollten, Zollbeamte dazu geführt werden könnten, auch für Rindvieh, das unter 2 ½ Jahren gekalbt habe, den Zollsatz von 9 zu verlangen. Das wäre eine Unbilligkeit, und er bitte daher, betreffenden⸗ falls die Zollbehörden dahin zu instruiren, daß als Kuh nur

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mit Stiere und

das Stück Rindvieh behandelt werde, bei sein von vier großen Zähnen konstatirt sei.

dem das Vorhanden⸗

Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Königl. bayerische

Ober⸗Regierungs⸗Rath Schmidtkonz hob gleichfalls hervor, daß

der Bundesrath noch nicht mit der Frage der Viehzölle befaßt 8

sei, er also auch keine Auskunft über die Stellung der baye⸗ rischen Regierung zu derselben geben könne.

Der Abg. Rickert erklärte, als im Jahre 1879 die Abgg. von Schalscha und Staudy einen höheren Viehzoll vorgeschla⸗ gen hätten, als solchen die Regierungsvorlage enthalten habe, seien die Bundesregierungen nicht darauf eingegangen. Heute warteten die Regierungen zwar ab, bis das Parlament ihnen die Gelder entgegenbringe, aber die Bundesregierungen wür⸗ den sie dann annehmen und sie verwenden, um Diejenigen zu erleichtern, welche auch von den Zöllen schon den Vortheil ge⸗ nossen hätten. Eine derartige Umkehr der Wirthschaftspolitik, namentlich in der Zeit, in der das Interesse der ärmeren Klassen in den Vordergrund gestellt werde, habe man noch 1879 nicht für möglich gehalten; 1879 hätten die Regierungen noch ein Ver⸗ ständniß dafür gehabt, daß diese Zölle die ärmeren Klassen treffken müßten. Die Zahlen, die der landwirthschaftliche Minister in seinem Berichte gebe, bewiesen, daß die Einfuhr von Vieh in den letzten Jahren stetig abgenommen und die Ausfuhr zugenommen habe. Die Lage der Landwirthschaft erfordere also nicht, mit den Zöllen weiter zu gehen. Die großen Massen würden doppelt geschlagen; einmal mit dem Schutzzoll und dann damit, daß sie stärker zu den Kommunal⸗ lasten herangezogen würden; daß das Letztere der Fall sein werde, könne nach dem Modus, auf Grund dessen die Ver⸗ theilung der Zollsummen erfolgen solle, nicht bezweifelt werden. Das sei die Illustration der neuen Aera, die zum Wohle der ärmeren Klassen arbeite! Die Landwirthe müßten sowohl zur Milchproduktion als zur Mast Vieh kaufen; sie würden deshalb durch diese Zölle ganz vorzugsweise in vielen Gegen⸗ den geschädigt. Es handele sich um einen Veredelungsverkehr, der den Landwirthen so billig als möglich gemacht werden müsse. Die intelligenten Landwirthe seien deshalb auch längst davon abgekommen, daß denselben mit Viehzöllen geholfen werden könne. Auch die Rücksicht auf die auswärtigen Mächte, namentlich auf Oesterreich, sollte die Rechte auf diesem Gebiete etwas zaghafter machen; man werde mit Retorsions⸗ maßregeln antworten. In einer Kommission sei mit⸗ getheilt, daß die Majorität übereingekommen sei, daß diese Zölle erst endgültig hier zum Abschluß kommen sollten, nachdem der Huene'sche Antrag in der Gesetz⸗Sammlung publi⸗ zirt sei und daß man deshalb den Reichstag auf Ferien werde schicken müssen. Das sei bis jetzt denn doch noch nicht dage⸗ wesen und müsse hier festgestellt werden. Wenn dies sich wirklich so verhalten sollte, dann, sage er, habe man hier eine parlamentarische Regierung der allereigenthümlichsten Art. Der deutsche Reichstag solle zur Bezugsquelle für die Inter⸗ essenten von Preußen dienen. Man wolle die Zölle bewilligen, um den Großgrundbesitzer in Preußen zu entlasten.

Der Abg. Graf von Hoensbroech bemerkte, ein großer Theil der Rede des Abg. Rickert gehöre eigentlich ins Abgeordnetenhaus. Dessen Tendenz sei eben die, einen Keil zwischen den Groß⸗ und Kleingrundbesitz zu treiben, nach dem Grundsatze: divide et impera, aber die Verhältnisse seien stärker als der Abg. Rickert. Man habe die Gemeinschaft der beiden Interessen auch im Osten und Südosten des Deutschen Reichs schon er⸗ kannt und daß beide Interessen gegen das Kapital zu⸗ sammenhalten müßten. Die Einfuhrziffern seien nicht maßgebend, dabei wirke als nicht zu berechnender Faktor die Sperre mit. Deutschland brauche überhaupt keine Einfuhr von Vieh, darum sollten die Zölle dieselben abhalten, und Deutschland namentlich gegen die amerikanische schützen, die gefährlich werden könne, seitdem man lebendes Vieh nach Europa transportire. Nach seiner Ansicht müsse man auf diesem Gebiete noch zu erheblich höheren Zöllen ge⸗ langen. Die Grenzsperre gebe nur die Möglichkeit eine erhöhten Viehproduktion, wenn nicht die Gefahr vorhanden sei, daß nach Aufhebung derselben die Viehpreise reduzirt würden. Diese Zölle auf Vieh seien eine nothwendige Kon⸗ sequenz des Standpunkts, den die Reichsregierung 1879 ein⸗ genommen habe, und er bitte daher, diesem Zoll zuzustimmen.

Der Bundeskommissar, Geheime Ober⸗Regierungs⸗Rath Dr. Thiel erwiderte, bei der vorliegenden Frage sei nicht nur der preußische Bericht, sondern die deutschen Verhältnisse im Allgemeinen in Rechnung zu ziehen. Ferner fänden sich auch in jenem Berichte ungünstige Verhältnisse im Einzelnen. Dann beziehe sich der Bericht nur auf die Führe 1881, 1882, 1883, seitdem hätten sich die Verhältnisse wesentlich ver⸗ schlechtert, das bewiesen die Berichte der landwirthschaftlichen in Ost⸗ und Westpreußen, sowie in Schleswig⸗

olstein.

Der Abg. von Vollmar erklärte, er könne auch in diesen Zöllen nur eine Mehrbelastung der arbeitenden Bevölkerung sehen. Die Interessen des Groß⸗ und Kleingrundbesitzes seien in gleicher Weise gemeinsame, wie sie zwischen Katze und Maus gemeinsame seien. Die Verhältnisse hätten sich immer mehr zum Schaden des Klein⸗ und zum Nutzen des Groß⸗ grundbesitzes gestaltet. Der Großgrundbesitz sei eben so gut Kapitalismus, wie das mobile Kapital. Hier handele es sich um den Gegensatz von Kapital und Arbeit. Ob das Kapital mobil oder immobil sei, bleibe sich gleich. Was seine spezielle Heimath Oberbayern anlange, so seien die Interessen der Viehzucht dort dieselben wie in Nieder⸗ bayern, und in Oberbayern werde doch e. sehr stark getrieben, besonders im Kreise Miesbach. Dem Volke gebe man einen Wechsel auf die Ewigkeit, die zeitlichen Genüsse aber vertheuere man demselben. So wie das Haus dem Volk das Brot vertheuert habe, werde es dem Volke auch den Fleisch⸗ genuß einschränken. 1

Hierauf wurde ein Schlußantrag eingebracht, über welchen der Abg. Richter die namentliche Abstimmung beantragte. Der Schluß wurde mit 146 gegen 84 Stimmen angenommen.

Die Abgg. Aichbichler und Schelbert konstatirten zur Ge⸗ schäftsordnung, daß ihnen durch den Schluß das Wort ent⸗ zogen sei, und protestirten dagegen, als ob der Abg. Diendorfer etwa im Namen Bayerns gesprochen habe.

Einfuhr

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