1885 / 96 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 24 Apr 1885 18:00:01 GMT) scan diff

des Vorjahres, und auf das Kilometer Betriebslänge bei 14 Bahnen mit zusammen 1516,31 km höher und bei 27 Bahnen mit zusammen 29 654,85 km (darunter 6 Bahnen als in demselben b. beim Vergleiche der pro⸗ des laufen⸗ 8 ermittelten bei 21 Bahnen mit zusammen 6929,58 km höher und bei 20 Bahnen mit zusammen 24 241,58 km 1 Monate des Vorjahres, und auf das Kilometer Betriebslänge bei 20 Bahnen mit höher und bei 21 Bahnen mit zu⸗ ammen 26 435,88 km (darunter 5 Bahnen mit vermehrter Be⸗ als in demselben Monate des Vor⸗

mit vermehrter Betriebslänge) niedriger, Monate des Vorjahres; visorisch ermittelten Ergebnisse den Jahres mit den im Vorjahre provisorischen Angaben:

niedriger, als in demselben

zusammen 4735,28 km

triebslänge) geringer, jahres. Die Einn

nuar bis Ende März d. J.: a.

20 Bahnen mit

selben Zeitraume des Vorjahres, meter Betriebslänge bei 17 Bahnen mit 2194,14 km höher und bei 24 Bahnen mit 28 977,02 km (darunter 7 Bahnen mit verme Pringer, als in demselben Zeitraume des

mit den im Vorjahre ermittelten Angaben: bei 24 Bahnen mit zusammen 27 661,83 km

höher und bei 17 Bahnen mit zusammen 3509,33 km ge⸗ ringer, als in demselben Zeitraume des Vorjahres, und auf Betriebslänge bei 21 Bahnen mit zusam⸗ höher und bei 20 Bahnen mit zusammen 26 005,57 km (darunter 6 Bahnen mit vermehrter Betriebs⸗

das Kilometer men 5165,59 km

länge) geringer, als in demselben Zeitraume des Vorjahres.

„Bei den unter Staatsv erwaltung stehenden Privatbahnen, ausschließlich der vom Staate für eigene Rech⸗ nung verwalteten Bahnen, betrug Ende März d. J. das ernt konzessionirte Anlagekapital 160 280 0900

54 915 000 Stammaktien, 44 595 000 Prioritäts⸗Stamm⸗

aktien und 60 770 000 Länge derjenigen Strecken, ist, 643,20 km, so daß auf je 1 km 249 192 entfallen.

Bei den unter Privatverwaltung stehenden Privatbahnen betrug Ende März d. J. das gesammte konzessionirte Anlagekapital 632 024 829 (314 769 650 Stammaktien, 70 914 100 Prioritäts⸗ Stammaktien und 246 341 079 Prioritäts⸗Obligationen) und die Länge derjenigen Strecken, für welche dieses Kapi⸗ 2 bestimimi ist, 3326,21 km, so daß auf je 1 km 190 014 entfallen.

Posen, 23. April. In der heutigen (6. Plenarsitzun des Provinzial⸗Landtages wurden u. A. hergasbhe stände zum Vortrage und zur Erledigung gebracht: Die von der provinzialständischen Verwaltungskommission beantragte Genehmigung zu den Ueberschreitungen der zur Beförderung von Landesmeliorationen in den Jahren 1882/85 angewiesenen Fonds im Betrage von 8613,27 ist versagt worden, die Ueber⸗

weisung einer Summe von 90 000 bis 100 000 zur Be⸗

streitung von Mehrausgaben abgelehnt, nur der bisherige etatsmäßige Fonds von 34 000 jährlich bewilligt und be⸗ schlossen, dem nächsten Provinzial⸗Landtage durch die Provinzial⸗

Verwaltungskommission eine Uebersicht vorlegen zu lassen, welche ergeben soll, zu welchen jährlichen Zahlungen der Fonds nach den gefaßten Kommissionsbeschlüssen verwendet ist. Von dem

1 Bericht der Verwaltungskommission über den Viehseuchen⸗

fonds ist Kenntniß genommen, bezüglich desselben aber die

Erwartung ausgesprochen, daß die aus dem Entschädigungs⸗

fonds für Rindvieh zur Deckung des Defizits bei dem Fonds

für Pferde entnommenen 54 328,56 dem erstgenannten

Fonds wiederum ersetzt werden; ferner ist die provinzial⸗ ständische Verwaltungskommission ermächtigt, event. zweimal im Jahre eine Doppelrate der Abgaben zum Viehseuchen⸗ entschädigungsfonds auszuschreiben. Von dem Bericht

über die Verwaltung des Landarmen⸗, Koöorrigenden⸗

und Zwangserziehungswesens in der Provinz Posen pro 1882/83 und 1883/84 ist Kenntniß genommen. Die Ge⸗ suche a. des Waisen⸗ und Rettungshauses zu Rogasen, b. des Vorstandes der Herberge „Zur Heimath“ in Bromberg, c. des Vorstandes des Förster Knappschen Knaben⸗Waisenhauses zu Wollstein, d. des Vorstandes der Marien⸗Stiftung zu Woll⸗ stein, e. des Vorstandes des Vereins zur Begründung eines Rettungshauses zu Kolmar i. P., f. des Direktoriums des Vereins zur Erziehung armer, verlassener Kinder zu Rokitten, g. des Kuratoriums des evangelischen Rettungs⸗ und Waisen⸗ hauses zu Pleschen, h. des katholischen Waisenhauses für ver⸗ wahrloste und verwaiste Kinder in Pleschen um Sub⸗ ventionen sind abgelehnt. Dem Dr. Wicherkiewicz zu Posen wird zur Unterhaltung und Erweiterung seiner Augenheilanstalt bis zum Zusammentritt des nächsten Provinzial⸗Landtages eine jährliche Beihülfe von 6000 unter der Bedingung gewährt, daß er mindestens

150 Kranke aus der Provinz jährlich in die An⸗ stalt unentgeltlich aufnimmt. Ueber die Rechnung der Pro⸗ vinzial⸗Chausseeverwaltung über die Ausführung des Neu⸗ baues dreier Chausseebrücken im Zuge der Hopfengarten⸗ Labischin⸗Mogilnoer ö“ ist Decharge ertheilt. An den Ober⸗ Präsidenten soll das Ersuchen gestellt werden, seine Vermittelung eintreten zu lassen, damit der Titel „des Wegebau⸗Raths in den Titel Provinzial⸗Baurath umgeändert werde. Der Antrag des Kreises Krotoschin um Chausseebauhülfen ist an die provinzialständische Kommission zur weiteren Veranlassung überwiesen worden.

Bayern. München, 23. April. Wie die „Allg. Ztg.“ vernimmt, hat der König in einem von Hohenschwangau da⸗ tirten Signat dem Finanz⸗Minister Dr. von Riedel aus Anlaß der Rückkehr desselben aus dem Urlaub, der ihm zur Wiederherstellung seiner Gesundheit bewilligt worden war, über die eingetretene Kräftigung der Gesundheit des Ministers Allerhöchstseine Befriedigung zum Ausdruck gebracht und dabei ausgesprochen, daß Se. Majestät im Interesse der Erhaltung der werthvollen Dienste des Ministers der Hoffnung auf eine dauernde Befestigung der Gesundheit desselben sich hingebe.

Sachsen⸗Meiningen⸗Hildburghausen. Meiningen, 22. April. (Th. C.) Der Landtag hat die Voriage der Regierung: zu Zwecken der Erweiterung des Zuchthauses in Maßfeld eine Anleihe von 271 000 aufzunehmen, be⸗ vathen und genehmigt. Im Verlaufe der Verhandlungen

Prioritäts⸗Obligationen) und die für welche das Kapital bestimmt

me aus allen Verkehrszweigen war vom 1. Ja⸗ z beim Vergleiche der provisorisch ermittelten Ergebnisse des lau⸗ enden Jahres mit dem Definitivum des Vorjahres: b zusammen 5802,18 km höher und bei 21 Bahnen mit zusammen 25 368,98 km geringer, als in dem⸗ und auf das Kilo⸗ zusammen zusammen rter Betriebslänge) . orjahres; b. beim ergleiche der provisorisch ermittelten Ergebnisse provisorischen

wurde aus der Mitte des Landtages in sehr entschiedener Weise darauf hingewiesen, daß nicht die Humanität der Straf⸗ gesetzgebung, sondern die zu milde Behandlung der Verbrecher in den Strafanstalten 2“ reformiren sei; die letztere sei ein Antrieb zum Rückfall für zahlreiche Verbrecher; es sei deshalb eine strengere Hausordnung in den Straf⸗ anstalten einzuführen und auch vor der Wieder⸗ einführung der Prügelstrafe keine Scheu zu tragen. Auch andere Abgeordnete, die zwar letztere Maßnahme bekämpften, sprachen sich für schärfere Hausordnungen aus. Der Landtag beschloß schließlich mit großer Mehrheit: die Regierung möge zwischen den an der Strafanstalts⸗Gemeinschaft betheiligten Staaten über die Frage der Einführung einer strafferen ausordnung bezw. die Frage der Zulässigkeit der körperlichen üchtigung Erörterungen einleiten.

Anhalt. Dessau, 22. April. (Anh. St.⸗A.) Die Frau Landgräfin von Hessen ist heute in Begleitung der Prinzessin Sybille und des Prinzen Friedrich Karl von Hessen nach Schloß Philippsruhe abgereist.

Elsaß⸗Lothringen. Straßburg, 23. April. (Ldes.⸗Ztg.) Auf der Tagesordnung der gestrigen (22.) Plenarsitzung des Landesausschusses standen die Petitionen gegen das Licenzgesetz und der Antrag Regnier und Genossen, betreffend die Aufhebung der Licenzgebühr und Ersetzung derselben durch eine Cirkulationssteuer auf Branntwein, event. den Austritt Elsaß⸗Lothringens aus dem Branntweinsteuerverband. Der Abg. Massing trat zunächst für die Petitionen ein und hob einzelne Bestimmungen des Licenzgesetzes hervor, welche verbesserungsbedürftig seien; er ersuchte zum Schluß die Regierung, diese Mängel zu beseitigen oder zu mildern; die Regierung möge ferner bei dem Reich die nöthigen Schritte thun, um eine hohe gemeinsame Alkohol⸗ steuer durchzusetzen; sei dies nicht zu erreichen, dann wäre es nöthig, immer wieder auf den Antrag auf Entlassung aus der Branntweinsteuergemeinschaft zurückzukommen. Der Abg. Fuchs ging näher auf einige Einzelheiten des Licenzgesetzes ein und betonte insbesondere, daß eine speziellere Klassifizirung erwünscht sei. Der Abg. Winterer erklärte sich für eine Er⸗ höhung der Branntweinsteuer, aber unter gleichzeitiger Herab⸗ setzung des Weinzolls; erfahrungsmäßig dürfte man sich jedoch von der Erhöhung der Branntweinsteuer besondere Wirkungen auf eine Abnahme des Branntweinkonsums nicht versprechen. Außerdem könne hier im Wege der Landesgesetzgebung nichts geschehen und von der Reichsgesetzgebung sei zur Zeit jeden⸗ falls nichts ausreichendes zu erwarten. Ebensowenig sei irgend⸗ welche Aussicht vorhanden, daß der Wunsch auf Entlassung aus der Reichs⸗Branntweinsteuergemeinschaft erfüllt werde. Was die Aufhebung des Licenzsteuergesetzes anlange, so er⸗ kläre er sich nachdrücklich gegen dieselbe; seinen Zweck, die Ver⸗ minderung der Wirthschaften, habe das Gesetz erreicht; was endlich den letzten von den Petenten betonten Punkt beträfe, die Rückkehr zur verhaßten Thalersteuer, so sei nicht anzu⸗ nehmen, daß dieser Vorschlag ernsthaft gemeint wäre. Der Abg. Dr. Raeis sprach gegen das Licenzgesetz, welches auch seinen moralischen Zweck nicht erfüllt habe; es sei nothwendig, andere Wege zur Bekämpfung der Branntweinpest zu finden; hier biete sich nur ein Mittel: die Vertheuerung des Branntweins, durch Herstellung einer Branntweincirkulationssteuer im Wege der Landesges etzgebung, eventuell nach Austritt aus der Reichs⸗Brannt⸗ weinsteuergemeinschaft. Der Unter⸗Staatssekretär Dr. von Mayr wandte sich zunächst den Ausführungen der einzelnen Vorredner zu und wies insbesondere auf die Erfahrungen in den verschiedenen Ländern hin, in welchen neben einer sehr großen Erhöhung der Branzitweinsteuer auch eine sehr wesentliche Steigerung des Branntweinkonsums nachgewiesen sei. Das durch das Licenzgesetz geförderte Bestreben, die Schankstätten zu ver⸗ mindern, sei unzweifelhaft ein sehr wesentliches Mittel zur Bekämpfung des Alkoholismus. Eine hohe partikulare Brannt⸗ weinsteuer wäre mit Rücksicht auf die Reichsverfassung nicht durchführbar; richtiger sei jedenfalls eine allgemeine Schank⸗ steuer, welche nicht nur den Branntwein träfe. Was den An⸗ trag Regnier anlange, so sei derselbe unausführbar; man könne zwar das Licenzgesetz aufheben, aber man könne keine Cirkulationssteuer auf Branntwein einführen; den Antrag auf Ausscheiden aus der Reichs⸗Branntweinsteuergemeinschaft könne die Regierung nicht unterstützen, da er etwas ganz Un⸗ mögliches erstrebe, etwas, was dem Geiste der Reichsverfassung durchaus entgegen wäre. Man müsse sich bemühen, die wünschenswerthen Resormen innerhalb des Gebietes der Reichssteuerreform zu erreichen. Die Fortsetzun wurde darauf auf heute vertagt.

—Desterreich⸗Ungarn. Wien, 23. April. (W. T. B.) Das „Telegraphische Korrespondenz⸗Bureau“ be⸗ zeichnet das Gerücht, daß zwischen Oesterreich und der Türkei Besprechungen betreffs des Garnisonrechts im Limgebiete stattfänden und demnächst zwei Divisionen zur Verstärkung der dortigen Besatzung mobilisirt werden sollten, als vollständig un begründet.

24. April. (W. T. B.) Die amtliche „Wiener Zeitung“ veröffentlicht ein Kaiserliches Patent vom 23. d. M, wonach das Abgeordnetenhaus des Reichs⸗ raths aufgelöst und die sofortige Einleitung und Durch⸗ führung der allgemeinen Neuwahlen angeordnet wird. Pest, 22. April. (Wien. Ztg.) Die gemäßigte Oppo⸗ sition beschloß, den Gesetzentwurf, betreffend den Bau der Doboj⸗Siminhaner Eisenbahn, auch im Allgemeinen nicht als Grundlage zur Spezialdebatte anzunehmen. Hin⸗ sichtlich der Raab⸗Regulirung vereinbarte die Partei einen Beschlußantrag, dessen Annahme jedoch nicht zur Parteifrage gemacht wurde.

23. April. (W. T. B.) Im Unterhause beant⸗ wortete der Minister⸗Präsident Tisza die Helfy's und erklärte: die Berathung der Zollnovelle sei wegen Schließung des österreichischen Reichsraths bis zum Herbst vertagt.

Großbritannien und Irland. London, 22. April. (Allg. Corr.) Das Kriegs⸗Ministerium erließ gestern ein Rund⸗ schreiben, welches für die Mobilisirung der ersten Klasse der Arm ee⸗Reserve zur permanenten Dienstleistung Weisungen ertheilt. Die „Times“ bemerkt hierzu: Die Mobilisirung der Reserve, wie sie der gestrige Erlaß des Kriegs⸗Ministeriums anordnet und wie dieselbe von Lord Morley, dem Unter⸗Staatssekretär des Krieges, erläu⸗ tert wird, ist keine sehr durchgreifende Maßregel. Die zum Dienst bei der Fahne thatsächlich einberufenen

Mannschaften der ersten Klasse der Armee⸗Reserve sind

nur diejenigen, die zur Vervollständigung der in dienenden Linien⸗Regimenter erforderlich sind, welche sich jetzt unter ihrer Normalstärke nden, und wofür 2000 Mann ausreichen werden. Aber sämmtliche Mannschaften der ersten Klasse sind darauf vorbereitet worden, daß sie au kurze Mittheilung einberufen werden könnten, insbesondere diejenigen, welche zu den 14 Regimentern gehören, die die futes A der b 8 würden, 1;n weitere Verstärkungen r Indien erforderlich wären. eber die Einrei he. wird 1 kihung der Der gestrige Besuch des Prinzen und der in⸗ zessin von Wales bei dem Pferderennen in n. town war leider von heftigem Regen begleitet, der das Rennen selbst beeinträchtigte und auch dem Besuch des Publikums Abbruch that. Ihren Königlichen Hoheiten wurde wiederum, sowohl bei der Abfahrt nach dem Renn⸗ platz als auch in Punchestown und bei der Rück⸗ kehr nach Dublin, eine herzliche Begrüßung zu Theil. Am Morgen hatten sich etwa 10 000 Kinder der Sonntagsschulen in Dublin, festlich geschmückt, im Phönix⸗ Park versammelt, woselbst sie sich nach den vizeköniglichen Anlagen begaben und vor den Königlichen Gästen einige Lieder sangen. Die Ueberreichung einer Adresse bildete den Schluß der seltenen Feier. Ungeachtet der Versuche der Na⸗ tionalisten, eine feindselige Kundgebung zu Stande zu bringen verliefen die gestrigen Vorgänge durchaus friedlich und ohne

Störung. ä Bureau“ meldet: In einem Zimmer der Admiralität fand heute statt. Ein

eine Explosion

„Reutersche eines Gebäudes Vormittag um 11 Uhr 1 Beamter der Admiralität ist schwer verwundet worden. Die Polizei stellte an dem Thatort sofort Untersuchungen an. Unter den Trümmern des Zimmers ist das Zifferblatt einer kleinen amerikanischen Uhr mit dem Uhrgangwerk aufgefunden worden; der Fund wurde dem Inspektor für Sprengstoffe zur weiteren Unter⸗ suchung zugestellt; man hält das Uhrwerk für einen Theil einer Höllenmaschine. Der Verdacht der Thäterschaft richtet sich gegen einen Mann, anscheinend einen Arbeiter, der sich längere Zeit beim Admiralitätsgebäude herumtrieb und den man dann vom St. James⸗Park aus eilig davonlaufen sah.

In der heutigen Sitzung des Unterhauses richtete Northcote die Anfrage an die Regierung: ob der weitere Schriftwechsel in der afghanischen Frage dem Hause vor der Berathung der Kreditvorlage werde vorgelegt werden, und ob die Regierung die Streit⸗ frage zwischen England und Rußland genau prözisiren könne. Der Premier Gladstone erwiderte: die Vorlegung des Schriftwechsels vor dem Stattfinden der Kreditberathung sei nicht beabsichtigt, ebenso wenig die Vorlegung der früheren Depesche Lumsdens. Vielleicht sei am nächsten Montag Information vorhanden; er könne sich indeß nicht verpflichten, dieselbe dann mitzutheilen. Was die zweite Anfrage anbetreffe, so könne er nur sagen, daß die Regierung, wenn sie könnte, die Vorgänge genau darlegen würde, daß es aber doch eine Thatsache sei, daß die Regierung einen Schrift⸗ wechsel von dem größten Ernst führe, und daß deshalb eine vollständige Darlegung unmöglich sei. Eine nur theilweise Darlegung könnte aber nur Mißverständnisse erzeugen; es sei daher unmöglich, gegenwärtig über den Charakter und die Einzelnheiten der Unterhandlungen mit Rußland eine Er⸗ klärung abzugeben. Northceote richtete sodann die weitere Frage an den Premier: ob die Regierung erwarte, daß das Haus ohne weitere Erklärung über die Kreditforderung berathen werde. Mr. Gladstone erwiderte: das Haus sei berechtigt, die Berathung zu verschieben; er hege aber ernste Zweifel, daß dies geschehen werde. Thatsächlich habe die Re⸗ gierung den präzisen Charakter des Kredits konstatirt; die allgemeinen Bestimmungen des Kredits seien vor aller Welt klar, und in einer Sache von so ganz außergewöhnlicher Wichtigkeit, deren Zusammenhang mit den nationalen Inter⸗ essen und der nationalen Würde ganz allgemein anerkannt sei, werde das Haus wahrscheinlich geneigt sein, die Berathung zu be⸗ ginnen. Im Fortgange der Sitzung fragte Worms: ob die Re⸗ gierung die von mehreren Blättern veröffentlichte Depesche des Ministers von Giers erhalten habe. Mr. Glad⸗ stone antwortete: er habe die Zeitungen nicht zu Gesicht be⸗ kommen und könne deshalb die Frage nicht beantworten. Churchill bemerkte: dem Hause sei seit langer Zeit von dem weiteren Schriftwechsel über die Nission Lumsdens nichts mitgetheilt worden; ob dem Hause gleich⸗ wohl vor der am Montag stattfindenden Kreditdebatte keine Information ertheilt werden solle. Mr. Gladstone er— widerte: die Kreditforderung beziehe sich nicht auf die Mission Lumdens; sie sei durch besondere, mit Lumsdens Mission gar nicht zusammenhängende Umstände unterstützt wor⸗ den; über die Kreditforderung aber sei dem Hause genuͤgende Information gegeben. Auf eine weitere Anfrage O'Kelly's erklärte Mr. Gladstone: eine Ver⸗ schiebung der Kreditdebatte würde dem Staatsinteresse nur schädlich sein und mit der allgemeinen Stimmung im Widerspruch stehen. Der Staatssekretär des Innern, Harcourt, bestätigte, daß heute Vormittag in einem Zimmer der Admiralität eine Explosion stattgefunden habe; der verursachte Schaden sei je⸗ doch nur ein unerheblicher; es scheine auch nur eine geringe Quantität von Sprengstoff verwendet worden zu sein, welcher in die Nähe eines Pultes gelegt worden sei. Der verwundete Beamte befinde sich im Hospital auf dem Wege der Besserung.

Das Oberhaus hat die Bill wegen Errichtungeines Bundesraths für Australien, sowie die egyptische Anleihe⸗Bill in zweiter Lesung angenommen.

24. April. (W. T. B.) Morgen findet wiederum ein

Kabinetsrath statt.

Die „Daily Newe“ schreibt bezüglich der englisch⸗ russischen Differenzen: die hauptsächlichste Hoffnung auf eine friedliche Beilegung der Schwierigkeiten hänge gegenwärtig von der Möglichkeit einer Grenzregulirun gauf breiterer Basis ab, worüber Unterhandlungen, abgesondert von der Pendjeh⸗Affaire, schweben. Die „Daily News“ glaubt indessen, daß der Schriftwechsel mit Petersburg noch nicht anz ohne Hoffnung sei. Mit weniger Zuversicht pricht sich die „Times“ aus, welche meint, daß Ruß⸗ land kaum einen Schritt thun werde, um der englischen Regierung entgegenzukommen. Es sei jedoch kein Grund vorhanden, weshalb die Krisis plötzlich akut werden müßte. Selbst die Abberufung der Botschafter Thornton und Staal würde nicht gerade zu einem endgiltigen Bruch

führen, sie würde jedoch die Situation accentuiren und die

Aufmerksamkeit

Hrn. Knauer⸗Gröbers, auf die Anzeige der Reorganisation

8

anderer Mächte wachrufen. Wenn diese Mächte wünschten, den Kampf abzuwenden, der Tausende in den neutralen Staaten finanziell ruiniren würde, so würden sie gut thun, Rußland zu bewegen, mit Vorschlägen für einen Kompromiß hervorzutreten, welche die englischen Minister ohne Schande erwägen könnten.

(Allg. Corr.) Ueber den Aufstand in Manitoba Esnsde) berichtet eine Depesche aus Ottawa, vom

Eine Anzahl Indianer soll sich den Fluß abwärts auf dem Wege nach Battleford befinden. Die fliegende Kolonne eilt zum Entsatz dorthin. Spätere Nachrichten scheinen zu bestätigen, daß Fort Pitt von den Cree⸗Indianern, welche es belagerten, ein⸗ genommen worden ist. Das Fort stand unter dem Befehl von Mr. 5 J. Dickens, einem Sohne des verstorbenen Schriftstellers Charles

ickens. In dem Kampfe sollen zwei Polizisten getödtet worden 81 und man befürchtet, daß die ganze Garnison niedergemetzelt wurde.

Ein Telegramm des „Reuterschen Bureaus“ aus Ottawa, vom 23., meldet:

Der Kommandant des Forts Pitt ist mit den Mannschaften der Grenzpolizei, welche die Garnison des Forts bildeten, in Battleford eingetroffen. Nach dem Bericht desselben ist bei dem letzten Zusammentreffen mit den Insurgenten nur ein Mann getödtet worden. Die Kolonisten haben sich in das Lager der Indianer begeben. 2.9 ö1“ 2

Frankreich. Paris, 23. April, Abends. (W. T. B.) Das „Journal des Débats“ sagt: die Verhandlungen wegen des „Bosphore egyptien“ seien in eine neue Phase getreten; Frankreich habe mit mündlichen Vor⸗ stellungen begonnen und sofortige Genugthuung verlangt; darauf seien schriftliche Noten gefolgt. Da Nubar Pascha aber bei dilatorischen Antworten verbleibe, müsse Frankreich jetzt anderweite Maßnahmen ergreifen; das Detail dieser bereits beschlossenen Maßnahmen werde dem⸗ nächst veröffentlicht werden. Das Blatt fügt hinzu: von der Absendung einer nach Egypten sei seines Wissens nicht die Rede. mtliche Besprechungen des Pariser und des Londoner Kabinets in der Angelegenheit des „Bos⸗ phore égyptien“ häͤtten bisher nicht stattgefunden.

Der Minister⸗Resident von Haiti erklärt das Gerücht von der Ermordung mehrerer Europäer auf Haiti für unbegründet; ein gestern eingegangenes Tele⸗ gramm konstatire, daß auf Haiti überall die größte Ruhe

errsche.

(Köln. Ztg.) Die letzten Berichte aus Saigon lauten nicht befriedigend. Der Aufstand in Kam⸗ bodscha und einem Theile von Cochinchina dauert fort. An der Grenze von Kambodscha soll es den Ausständischen sogar gelungen sein, den französischen Truppen Geschütze ab⸗ zunehmen. Amtlicherseits verlautet darüber nichts.

Griechenland. Athen, 23. April. (W. T. B.) Der König, welcher von Korfu hier wieder eingetroffen ist, hatte bald nach seiner Ankunft mit dem bisherigen Minister⸗ Präsidenten Trikupis eine Konferenz. Wie verlautet, würde Delyannis behufs Bildung eines neuen Kabinets zum König berufen werden; man hält es indeß für zweifelhaft, ob Delyannis vor dem Zusammentritt der Kammer den Auf⸗ trag zur Bildung eines neuen Kabinets übernehmen werde.

Afrika. Egypten. Suakim, 22. April. (Allg. Corr.)

Es ist wahrscheinlich, daß General Grahams Haupt⸗ uartier und die gegenwärtig hier stehenden Truppen in

Faein verbleiben werden, bis die Eisenbahn in etwa einer Woche Otao erreicht. Alsdann werden sie sich gleich⸗ falls direkt dorthin begeben. Man erwartet, das Kameel⸗ corps werde in 3 Tagen gebildet und alsdann eine Recog⸗ noscirung von Tambuk aus nach Essybil unternommen werden. Viele andere Eingeborene haben ihren Wunsch kund gegeben, sich den Engländern zu unterwerfen. General Graham bemüht sich, die Eingeborenen zu bewegen, unter sich, und unabhängig von den Engländern, ein Bündniß gegen Osman Digma zu schließen. 8

Zeitungsstimmen.

1 Wie die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ mittheilt, ist dem Präsidenten des „Deutschen Bauernbundes“,

dieser Vereinigung von dem Reichskanzler folgendes Antwort⸗ schreiben zugegangen:

8 Es hat mich gefreut, aus Ew. Hochwohlgeboren Zuschrift zu er⸗

sehen, daß es gelungen ist, den ehemaligen Rustikalverein zu

reorganisiren. Ich wünsche dem neugebildeten Vereine guten Erfolg und hoffe, daß er weitere Nachahmung finden werde. Nur wenn die bäuerliche Bevölkerung Deutschlands sich fest aneinander schließt, wird es gelingen, der Landwirthschaft eine ihrer Bedeutung entsprechende Vertretung in den parlamentarischen Körperschaften zu verschaffen.

Berlin, den 8. April 1885. 8 von Bismarck.

Zur Frage der Brotvertheuerung bringt die „Dan⸗ ziger S“ unter der Ueberschrift: „Welchen Nutzen unsere Landleute vom Getreidezoll haben“ wörtlich Folgendes: Als im Februar der Zoll für Weizen auf 30 pro 1000 kg beschlossen war, wurde in der Erwartung, daß inländischer Weizen im Verhältniß zu polnischem sehr bald wesentlich steigen würde, an der hiesigen Börse inländischer Weizen auf April⸗Mai⸗Lieferung viel⸗ fach mit 15 bis 17 Aufgeld gegen Transitwaare gehandelt. Seit dem hat letztere eine Steigerung von 15 ℳ, inländischer Weizen aber nur von 5 erfahren und bei feinen Qualitäten ist ein Werth⸗ unterschied kaum wahrzunehmen. 8 Die „Norddeutsche Zeitung

bemerkt hierzu: en9 62 oder sonst ein schutzzöllnerisches Blatt diese That⸗ sache konstatirt, so würde die Freihandelspresse voraussichtlich mit ungläubigem Kopfschütteln darüber hinweggegangen sein; hoffentlich wird selbige jetzt auch ihren Lesern diese wichtige Entdeckung ihrer Danziger Gesinnungskollegin nicht vorenthalten.... Aber eine Frage sei erlaubt. Hatte die eingetretene Erhöhung der Getreidezölle um 2 die von den Freihändlern erwartete, vorausgesetzte und in aufwieglerischen Agitationen voraus eskomptirte Wirkung nicht, wer vertheuert dann dem „armen Mann“ das Brot noch dr einer Presse, die auf Grund ihrer theoretischen Auffassung der Sache die Bäcker förmlich aufhetzt, die Brotpreise zu erhöhen, und jeden Einzelfall der Wirkung dieser ihrer Thätigkeit als Ursache verwerthet, um neue Wirkungen derselben Art zu erzielen?

Dem „Reichsboten“ wird aus Frankfurt a. M. über die Frage „Wer vertheuert das Brot?“ geschrieben:

... Jetzt, wo der für unseren inneren wirthschaftlichen Bestand und für unsere wirthschaftliche und politische Zusammengehörigkeit

Allgemeine

8

Brot vertheuert und dabei dem Volk, das dadurch hart betroffen wird, weil es mit Pfennigen rechnen muß, vorerzählen läßt: Nicht wir, die Händler, thun das, sondern der Staat, der den Kornzoll auferlegt und erhöht hat! . . .

So geschah und geschieht es hier in Frankfurt a. M., der Börsen⸗ stadt. Schon in der vorigen Woche kündigten die Blätter an, daß Hr. Arthur Moy, der Eigenthümer der großen Brodfabrik, beschlossen habe, den Brodpreis „wegen des Kornzolles“ zu erhöhen, und am 19. April verkündeten die Brodverkäufer den Konsumenten, daß der Preis des Laibes Brod, der vier Pfund wiegen soll, von 47 auf 51 erhöht worden sei „wegen des Kornzolles“’. Das sind acht Prozent „wegen des Kornzolles“. Für den armen Mann mit vielen Kindern bildet ohne Zweifel das Brot einen Hauptposten der häuslichen Ausgaben; und auch für den Arbeiter, der Morgens in die Stadt kommt und dessen Mittagsmahl aus Brot, Bier und Wurst besteht, ist die Sache durchaus nicht einerlei. Jedenfalls hat er erfahren, daß das Pfund Brot um 8 % vertheuert worden ist „durch den Kornzoll“;...

Man glaube ja nicht, daß die Künste der internationalen Plus⸗ macherei, die man am Getreidezoll erprobt, erschöpft sind, indem sie den Getreidezoll in Deutschland ausspielen, um das Brod zu ver⸗ theuern. In Ungarn, in Rußland spielen sie diesen Zoll ebenso aus, um das Korn zu verbilligen. Dort erscheint der Händler ebenso, wie er bei uns erscheint, im Munde den „deutschen Kornzoll“. Wie kann der Wucherer dem russischen Bauern so viel für sein Korn wie bisher geben, wenn er an der deutschen Grenze den Zoll zahlen muß. Und der russische Bauer, der sein Korn verkaufen muß, weil er Zins und Steuern zu bezahlen hat, muß sein Getreide billiger hergeben wegen des „deut⸗ schen Kornzolls“, und wahrscheinlich öfter um das Doppelte billiger als der deutsche Kornzoll; denn er hat ebensowenig eine Wahl, wohin er sein Korn verkaufen soll, wie der deutsche Arbeiter, wo er sein Brot hernehmen soll; beide hängen ab vom Händler, und gegen beide spielt dieser den deutschen Kornzoll aus und bei beiden macht er das Deutsche Reich und seine Wirthschaftspolitik dadurch verhaßt. Und wenn es leicht zu ertragen ist, wenn der russische und der ungarische Bauer Haß gegen Deutschland gewinnt, so überschreitet es unbedingt die Grenze des Erträglichen, wenn einem großen Theil des deutschen Volkes gegen das deutsche Staats⸗- und Gemeindewesen Widerwillen beigebracht wird durch die beflissene Vorspiegelung, jenes „vertheuere das Brot durch den Kornzoll“. Aber nicht nur gegen den deutschen Arbeiter und gegen den russischen Bauer spielt das internationale Börsenvolk den deutschen Kornzoll aus; es spielt ihn auch aus gegen die russische Regierung. Denn aus Rufland wird gemeldet, daß die russischen Eisenbahnen veranlaßt sind, die Getreidefrachten um den Betrag des deutschen Getreidezolles herabzusetzen. Das Erträgniß der russischen Eisenbahnen aber ist garantirt durch den russischen Staat und sie erfordern fast sämmtlich Staatszuschuß; wiefern sich aber das Erträgniß der Bahnen durch die Tarifherabsetzung vermindern wird, sofern muß sich der Zuschuß der Staatsgarantie erhöhen. Dieser Zuschuß muß natürlich durch Steuern aufgebracht und diese müssen größtentheils durch die Bauern aufgebracht werden zsie müssen dann um so mehr Getreide verkaufen, um diese neuen Steuern zu bezahlen, und das nimmt ihnen der Wucherer natürlich nur ab, wenn er es „entsprechend dem vermehrten Angebot“ billiger abläßt.

Auf diese Weise läßt sich die internationale Plusmacherei den deutschen Getreidezoll von der russischen Regierung bezahlen, zugleich legt sie ihn dreifach den russischen Bauern auf und nimmt ihn doppelt den deutschen Konsumenten ab .... 1 88

Wie steht es aber mit den Getreidepreisen, sind dieselben höher geworden, daß dadurch die Erhöhung der Brotpreise begründet wer⸗ den könnte? So finden wir z. B. notirt Stettin am 21. Februar Roggen mit 141 und am 18. April, dem Tage, wo der Frankfurter Brotdiktator den Brotpreis um 8 % erhöhte, ebenfalls mit 141 ℳ; in Hamburg ist an den gleichen Tagen die Notirung per April⸗Mai 128, ebenso wie für Februar; in Erfurt finden wir an den gleichen Tagen Roggen notirt mit 158; nur in Köln finden wir am 18. April eine kleine Veränderung der Notirung vom 18. April gegen den 21. Februar; es kostet nämlich da auf dem Landmarkte der Roggen am 21. Februar 13,75 bis 14,75 ℳ, am 18. April dagegen 14 15 ℳ; das ist eine Steigerung von 25 pro 200 Pfund, bez. eine Steigerung von 1 ¾ %; in Frankfurt ist das Verhältniß das gleiche. Daraus aber macht der Frankfurter Brotfabrikant flugs 8 % und läßt dann austrommeln: „Das kommt vom Kornzoll“ Aber selbst wenn eine Steigerung der Kornpreise seit Februar bis zum April stattgefunden hätte, so könnte diese nicht auf den Kornzoll zurückgeführt werden; denn dieselbe wiederholt sich alljährlich, indem im Herbst die Notirungen am niedrigsten sind und von da aus stetig, im Sommer rascher, ansteigen, bis wieder zum Herbst; und außerdem würde selbst im Augenblick eine noch höhere spekulative Steigerung der Kornpreise noch nicht auf den Kornzoll zurückgeführt werden dürfen, da bekanntlich die politische Lage sehr unsicher ist und da ein Krieg zwischen England und Rußland die russische Ausfuhr sehr leicht beschränken könnte. 1 8

Gleichwohl läßt der Besitzer der Frankfurt⸗Hausener Brotfabrik seine achtprozentige Brodpreissteigerung begründen durch den liebens⸗ würdigen Hinweis: „wegen des deutschen Reichs⸗Kornzolles!“ und der Getreidepreis hat sich nur um 1 ¾ % erhöht.

Aber selbst eine acht⸗ und zehnprozentige Erhöhung des Getreide⸗ preises würde noch keine Erhöhung der gegenwärtigen Brodpreise rechtfertigen. Aus 100 kg Roggen bäckt der Brodfabrikant min⸗ destens 125 kg Brod, dabei hat er noch 25 % Kleie und Schalen, die er zu 11 12 für 100 kg verwerthet. Nun kosteten aber am 18. April 100 kg Roggen im höchsten Preis 15 Da der Brothändler sich nun für ein Kilogramm Brot 23 ½ zahlen ließ, während aus 100 kg Roggen 125 kg Brot gebacken werden, so hatte das Zwischengeschäft aus 15 ℳ, die es einschließlich des Zolles für 100 kg Roggen am 18. April ausgab, einen Gewinn von 8,50 = 57 %; wobei die 3 ℳ, welche für die Kleie gelöst werden, den Mehl⸗ und Backlohn nicht nur völlig decken, sondern auch noch einen ansehnlichen Gewinn übrig lassen. Thatsächlich ist aber der Gewinn am Hauptertrag weit größer, da die Menge des aus 100 kg Roggen gebackenen Brotes durch reichlicheren Wasserzusatz das oben angegebene Ver⸗ hältniß erheblich überschreitet. In früheren Jahren ist daher der reelle Werth des Brotes auch stets dem des Roggens für völlig gleich geachtet worden, wobei aber zugleich das Brot weit schwerer und weniger wasserreich als gegenwärtig in den Städten gebacken wurde. Denn man rechnet den Werth der Kleie, der damals übri⸗ gens viel niedriger war, als gegenwärtig, für Mahl⸗ und Backlohn, so⸗ wohl für Bäcker⸗ und Verkaufsgewinn. Erwägt man daher, daß jetzt das Brod weit wasserreicher gebacken wird und daß die Kleie weit mehr werth ist, als früher, so wird man ohne weiteres darauf kommen, daß der gegenwärtige Brotpreis um mindestens 50 % gegen den Getreidepreis zu hoch ist und daß, wenn die Händler es so weit getrieben haben werden, daß der Staat um seiner Selbsterhaltung willen gezwungen sein wird, die Festsetzung der Brotpreise selbst wieder in die Hand zu nehmen, vor allen Dingen die Wiederherstel⸗ lung eines gesunden Verhältnisses zwischen Brot⸗ und Getreidepreis stattfinden muß....

Lebensdauer der Bevölkerung. (Stat. Corr.) Die allgemeine Sterbeziffer ist die Zahl, welche angiebt, wie viele Per⸗ sonen während eines Jahres aus je tausend Personen gestorben sind, und es ist üblich, bei der Berechnung die Todtgeburten zu den Sterbe⸗ fällen hinzuzuzählen, weil, namentlich in früherer Zeit, ein Theil der bald nach der Geburt gestorbenen Kinder irrthümlich als todtgeboren registrirt worden ist.

8 stentt n man die Mittelwerthe der für die einzelnen Jahre seit 1816 berechneten Sterbeziffern jahrzentweise zusammen und fügt die Sterbeziffern der letzten Jahre hinzu, so läßt sich folgende Uebersicht

die mittlere allgemeine Sterbeziffer der der der gesammten männlichen weiblichen Bevölkerung des preußischen Staates . * 30,2 28,1 4

29,4 V 30,5 2914

29,3 29,3 29,0 28,1 26,5 26,9

1881

1882

PPbbbꝰ 28,7 25,2. Bei beiden Geschlechtern, und zwar in den Städten sowohl wie auf dem platten Lande, zeigt sich eine erhebliche Besserung. Um wie viel sich dadurch die durchschnittliche Lebensdauer der Bevölkerung erhöht hat, läßt sich ebenfalls annähernd bestimmen. Das Mittel hierzu ist die aus Sterbetafeln berechnete Lebenserwartung bestimmter Altersstufen. Unter Lebenserwartung einer bestimmten Altersstufe versteht man diejenige Zeitstrecke (in Jahren), welche vergeht, bis die halbe Anzahl der dieser Altersstufe angehörigen Personen gestorben ist. Die Lebens⸗ erwartung eines neugeborenen Kindes hat vor hundert Jahren nach der von Süßmilch aufgestellten und von Baumann verbesserten Sterbetafel in der Stadt Berlin nur 17,8 Jahre betragen und stellt sich jetzt nach den Boeckhschen Sterbetafeln wegen der in der Hauptstadt noch immer ungünstigen Sterblichkeitsverhältnisse der Kinder auf 29,0 Jahre, für die Gesammtbevölkerung des preußischen Staates dagegen auf 39,5 Jahre. Die Süßmilch⸗Baumannsche Sterbetafel ist nach einer älte⸗ ren Metbode als die Boeckhsche und die preusische Volkstafel be⸗ rechnet und es mag ein Theil des Unterschiedes diesem Umstande bei⸗ zumessen sein. Der Unterschied in der Lebenserwartung der in Ber⸗ lin und im ganzen Staate Neugeborenen liegt nur in der noch immer sehr hohen Kindersterblichkeit der Hauptstadt und verschwindet in den höheren Altersstufen. Es beträgt gegenwärtig die 8 Lebenserwartung der neugeborenen Knaben im Staate 37,2 und in

Jahre. Die auf älteren, an Tontinisten angestellten Beobachtungen und deshalb auf günstigeren Sterblichkeitsverhältnissen als unsere Volkstafel beruhende französische Tafel von Deparcieux⸗Florencourt

niedriger als die neueste preußische Volkstafel an, wogegen die neueste Sterbetafel der Bevölkerung der Schweiz, welche aus den Ergeb⸗ nissen der Volkszählungen und Sterbelisten der Jahre 1876 bis 1881

der Mädchen auf 51,8, mithin noch höher als die preußische Volks⸗ tafel bestimmt.

Aber auch, wenn man die durch die günstigeren Lebensverhält⸗ nisse der Bevölkerung in so hohem Grade verringerte Sterblichkeit der Kinder außer Betracht läßt und den Vergleich der jetzigen und früheren Sterblichkeitsverhältnisse für höhere Altersstufen anstellt, er⸗

ebensdauer.

Die Lebenserwartung beträgt nämlich nach den Sterbetafeln von Süßmilch⸗Baumann und Boeckh einerseits und der neuesten (von Fircksschen) preußischen Volkstafel anderseits: Jahre

in der Stadt Berlin im preußischen Staate jetzt

im vor hundert ,„bC6b6 für für Alter von Jahren 2 hhaupt Männer Frauen 10 Jahren... 20 FE1“

30

40 50 60 70 80 90 100

dSUeUoS 0 d0O0-Oo 00 SD⸗

Läßt man nach dem Vorgange der Süßmilch⸗ Tafel das Geschlecht außer Betracht, so beträgt die seit hundert Jahren bei unserem Volke eingetretene Verlängerung der durchschnitt⸗ lichen Lebensdauer im Augenblicke der Geburt 21,7 Jahre

Alter von 10 Jahren

82.

äßt

8

S,eg 2—-qSSSOSoo

9 80 9 —0 9„ Die etwas größere Lebenserwartung der Süßmilch⸗Baumannschen

noch nicht zu dem Schlusse berechtigen, daß in Berlin vor hundert Jahren hochbetagte Personen eine höhere durchschnittliche Lebensdauer

stufen ist diese Tafel weniger zuverlässig, da aus jenen verhältniß⸗ mäßig wenige Beobachtungen zu Gebote standen. u“

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Der Vogtländische alterthumsforschende Verein zu Hohenleuben versendet soeben seinen 54. und 55. Jahres⸗ bericht, welcher gemeinsam mit dem 6. und 7. Jahresbericht des Geschichts⸗ und alterthumsforschenden Vereins zu Schleiz im Auftrage des Direktoriums von dem Sekretär des ersteren Vereins, Pfarrer M. Dietrich in Hohenleuben, herausgegeben worden ist. Die Zahl der Mitglieder des Hohenleubener Vereins betrug nach dem neueren Bericht 189, einschließlich 13 Ehren⸗ mitglieder. Die rege wissenschaftliche Thätigkeit des Vereins ist hauptsächlich aus den Protokollen über die Monatssitzungen zu erkennen. In denselben wurden zunächst die Schriftensendungen der Kartell⸗Vereine sowie die Geschenke vorgelegt, und dann reihten sich Vorträge und Mittheilungen aus verschiedenen Gebieten der Kunst und Wissenschaft an. Hr. Kaufmann Robert Eisel in Gera veran⸗ staltete im Interesse des Vereins Ausgrabungen bei Nickelsdorf un⸗ weit von Zeitz, welche aus 7 Gräbern mancherlei Funde ergaben. Die von Hrn. Eisel wohlgeordneten Sammlungen erfreuten sich auch im vergangenen Jahre eines lebhaften Fremdenbesuches. Die Bibliothek zählt bereits 5106 Nummern. Das Vereinsvermögen beziffert sich auf 1085 Auch der doppelte Jahresbericht (1882 84) des Schleizer Vereins, erstattet von dem Schriftführer Möhring, giebt von dem wissenschaftlichen Eifer seiner Mitglieder Zeug⸗ niß. Auf Kosten des letzteren Vereins wird das Werk: „Urkunden zur Geschichte der Stadt Schleiz im Mittelalter, nebst Erläuterungen“, von Dr. Alberti, gedruckt, von welcher Publikation das erste Heft erschienen war. Beiden Jahresberichten sind Ver⸗ zeichnisse der Vorträge, der Geschenke für die Sammlungen, der Zu⸗ gänge zu der Bibliothek ꝛc. eingeschaltet bezw. angehängt. Von wissenschaftlichen Beiträgen sind den Jahresberichten vorangeschickt: zunächst eine ebenso gründliche wie interessante Untersuchung über den „Pumphut“, einen uralten Kulturdämon der Deutschen, Wenden, Litauer und Zamaiten, illustrirt durch zahlreiche Originalsagen der letzteren beiden Volksstämme, von Dr. phil. Edmund Veckenstedt; dann eine, dem gleichen Forschungsgebiet angehörige Ab⸗ handlung über das Reich des Unorgarnischen im Wunderglauben des Volks“, von Dr. Ernst Köhler, welcher darin nachweist, daß dieser spezielle Wunderglaube seine Wurzeln in dem altheidnischen Mythus arischer und semitischer Völker habe. Die von dem Landrath Dr. Julius Alberti in Schleiz veröffent⸗ lichten „ältesten Stadtrechte der reußischen Städte“ gelangen

über die Sterblichkeitsverhältnisse der preußischen Bevölkerung seit den

nothwendige Schutz unserer Urproduktion angebahnt, . .. beginnt bethe na g ri7ch 1 alsbald die Axt an die Wurzel des bürgerlichen und staatlichen Bestandes zu legen, indem er das

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Befreiungskriegen gewinnen. Es betrug

in diesem Bande mit dem 8. Abschnitt „Greiz“ zum Abschluß. Dr. Berthold Schmidt, Archivar und Biblisthekar in Schleiz, giebt

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Berlin 27,0, die der Mädchen im Staate 41,7 und in Berlin 31,0 giebt die Lebenserwartung zur Zeit der Geburt zu 30,1 Jahren, also

berechnet ist, die Lebenserwartung der Knaben auf 47,3 und diejenige

58 sich eine ganz erhebliche Verlängerung der durchschnittlichen

Tafel von der Vollendung des siebenzigsten Altersjahres an dürfte

besessen haben als gegenwärtig; denn gerade für die höchsten Alters⸗

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